Zum Inhalt der Seite

Rübenfürst und Möhrenkönig

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Sonntagsruhe

IX. Sonntagsruhe
 

Sonntag… wundervolles Sommerwetter… die Möhren waren versorgt, und Ragnar hatte es sich im Garten hinter dem Haus bequem gemacht, das Zeichenbrett auf dem Verandatisch, und entwarf gemütlich Möhrenschnapslogos. Die Grundstücke waren hier nur durch einen völlig verrotteten Maschendrahtzaun voneinander getrennt, den zu erneuern sich Ragnar bisher nicht bemüßigt gefühlt hatte. Wozu auch, dahinter begann sowieso nur das Chaos. Aber auch hier zeigten sich erste Ergebnisse Jasons Wüterei. Das baufällige Plumpsklo war notdürftig geflickt und offensichtlich wieder in Betrieb – armer von Buch-Luxuspopo… die Pumpe entrostet, an einer Wäscheleine hingen Socken, die es gewiss nicht im Dreierpack zu kaufen gegeben hatte. Jason hatte die Fläche, die einst die Veranda seines Hauses gewesen sein musste, freigekämpft, und schickte sich anscheinend an, selbige auch zu nutzen. Nun gut, störte ja auch nicht weiter, solange er da blieb, und ihn jetzt nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit vollquasselte. Mal war das ja ganz witzig – aber ständig? Doch Jason kannte offensichtlich seine Grenzen, das war angenehm. Stattdessen stolzierte er versunken in einem Bademantel, der jeden Rapper neidisch gemacht hätte, auf das kleine Stücken halbwegs gebändigter Fläche, breitete ohne nach links und rechts zu gucken ein Handtuch aus, legte etwas ab, das wie ein Stapel aus irgendwelchen Magazinen gekrönt von einer Wasserflasche und Sonnenmilch aussah, und zog sich aus. Nackt wäre ja so eine Sache gewesen… auch nicht die am sehnlichsten erwartete, nicht was die Qualität sondern mögliche darauf folgende Unbedachtheiten anging – aber auf das hier war Ragnar überhaupt nicht vorbereitet gewesen. Er hörte mehr als er es merkte, dass ihm der Stift aus der Hand fiel.
 

Jason hatte sich offensichtlich in seine Sonnenkluft geschmissen. Ragnar konnte das… Teil sogar identifizieren. Beim letzten Routinebesuch beim Zahnarzt hatte eine Zeitschrift mit einem Artikel über Männerbademode im Wartezimmer ausgelegen, den er recht interessiert studiert hatte. Unter „für Mutige“ war dieses Modell abgebildet gewesen. Was da eher hätte stehen sollen, wäre „für Leute, die sowieso nichts verschandeln kann, keinerlei Schamgefühl oder Selbstachtung besitzen, einen besonderen Hang für schrägen Humor haben und in jedem Fall dreihundert Euro für vier Quadratzentimeter Stoff mit Logo-Zeichen zu löhnen bereit sind“ gewesen. Irgendetwas, wenn nicht alles, schien auf Jason zuzutreffen.
 

Der trug allen Ernstes einen Tanga. Mit Leopardenmuster. In Himmelblau. Als sei das das Normalste der Welt. Ragnar bekam eine Gänsehaut, die er nicht wirklich ergründen konnte. War das der Schock? Welcher klar denkende Mensch trug denn sowas! Wollte der ihn in den Wahnsinn treiben? Nicht absichtlich… der schien ihn gar nicht bemerkt zu haben, saß er doch unter der Woche eigentlich nie hier. Und Jason pflegte immer freudig zu grüßen, wenn er seiner ansichtig wurde. Welche Form von Wahnsinn wäre das dann? Die Art, bei der das Stilempfinden um den Gnadenschuss bettelte? Hatte er sehr wohl, auch wenn das für Arbeitskluft kaum das Kriterium war – oder zumindest genug davon, um Leopardentangas zum Kotzen zu finden. Oder die Art von Wahnsinn, die sich einstellte, wenn ein extrem gut gebauter Typ fast nackt vor einem rumsprang, und kein Postbote in Reichweite war? Oh Scheiße… Jason tat ihm nicht mal den Gefallen, sich einfach lang hinzulegen und damit hinter den Büschen außer Sichtweite zu geraten, nein er zückte seine Sonnencreme und begann sich, leise irgendetwas summend, einzuschmieren. Offensichtlich hatte er panische Angst davor, sich den Arsch zu verbrennen.
 

Ruckartig schloss Ragnar die Augen. Scheiße… Was war mit ihm los? Okay, so etwas war er nicht gewohnt – wer war das schon, der nicht Hotelier auf Malle war? Und eigentlich war dieser alberne Schlüpfer nicht die Bohne sexy, genauso wenig wie ein Möchtegern-Ken. Leider stimmte das wohl nur in der Theorie. Teile seines Organismus, die nicht so sehr fürs Theoretische zu haben waren, sahen das irgendwie ganz anders. Das musste aufhören, ganz flott, das hier war nicht die gelegentliche Hotelnummer, sondern sein durchgeknallter Nachbar und Möhrenschnapspartner, Teil seines Alltags, da hatte das nichts zu suchen! Er mochte es, allein zu sein, und aus ein wenig Abstand ertrug man auch Jason oder mochte ihn vielleicht auch ein kleines Bisschen – aber mit dieser Ausgewogenheit wäre es ganz schnell vorbei, wenn er anfing, den da drüben chronisch gierig anzusabbern – oder gar an den wohlgepflegten Hintern zu grabschen. Oder an andere vielversprechende Stellen. Und der das eventuell gar nicht so übel fand… bloß nicht! Nicht im eigenen Nest! Als Hoteldate… gerne, wenn auch ziemlich ungewohnt. Aber so nicht! Hier war dann nichts mit wieder nach Hause und Ruhe… viel zu dicht dran. Was musste diese Mistkrücke so derart ungehemmt sein! Okay, der wusste nicht, dass er einen Zuschauer hatte, auch das andere Mal unter der Dusche nicht, aber das konnte sich rasch ändern. Und offensichtlich war Jason nicht besonders schamhaft. Oder war das nur, weil die Büchse teuer und „in“ gewesen war? Elender Konsumtrottel… Da hatte es doch gewiss Zivilisierteres gegeben, das auch den Kriterien entsprach! Das Ding musste Jason in der Tat irgendwie angesprochen haben… oh Graus… Warum nur, warum?
 

So lief das nicht. Jason musste dringend wieder etwas anziehen und wieder aussehen… wie Jason. Genau.
 

………………………………………………………………………………………………………………………………………..
 

Eine Sommerbrise auf der Haut… Augen zu und einfach die dazugehörige Yacht imaginieren… Kam er doch noch dazu, seine Neuerwerbung einzuweihen… Hier sah ihn auch niemand, der sich an dem Luxusfummel stören könnte – außer den Insekten, aber das war ja wohl ziemlich schnuppe. Ziemlich gewagt das Ding, aber dennoch hatte er nicht widerstehen können. War ja originell, total beworben und trendy – und wenn jemand das tragen konnte, dann ja wohl er! Wer lachte, war bloß neidisch… Und wer würde schon lachen bei seinem Anblick… richtig ernst gemeint wohl nur eine Lesbe, bei den anderen wäre unter dem Geläster immer auch der Neid oder die Gier… Und auch eine lachende Lesbe würde er überstehen, hatte die eben auch was davon… Außerdem wurde man schön braun so, ohne einen auf FFK machen zu müssen wie so ein Öko… Und die Krabbeltiere hatten nicht ganz problemlos Zutritt zu prekären Stellen…
 

Richtig bequem war es nicht hier auf dem Boden, aber es ging. Sonntagsruhe… Oder wie Ragnar gesagt hatte: Feierabend! Diese kleine Auszeit hatte er sich echt verdient nach der ganzen Schufterei. Wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben… fühlte sich zumindest so an. Tat irgendwie gut. Lektion kapiert, ja ja… dennoch scheiß-anstrengend… ohne würde er das Rumliegen auch tapfer ertragen können…
 

„Jason?“ kam eine inzwischen vertraute Stimme irgendwo von rechts.
 

Er blieb einfach liegen und antwortete mit einem langgezogenen: „Jaaa… Was’n los… Ich sonne mich… Feierabend… und so…“
 

„Was ist dann mit dem Traktor? Jetzt hätte ich Zeit?“ beharrte Ragnar aus der Ferne. Wo steckte der eigentlich? Rief der aus seinem Haus durch die Hintertür oder wie? Proll… Ansonsten wollte der doch auch immer alles vorher abmachen, war wohl nicht so der spontane Typ.
 

„Wenn’s sein muss…“, seufzte Jason. Traktor hatte Vorrang… leider. Hartes Schicksal. Blöder Möhren-Tyrann.
 

……………………………………………………………………………………………
 

Da hing er also, der Herr Nachbar, Möhrenkönig, Ökobauer, Geschäftspartner… mit den Füßen in der Luft, während er im Inneren des Traktors herum wühlte. Ein Hoch auf die Welt der technisch Versierten! Und lediglich das Fahrgestell des Traktors war sanierungsbedürftig, Ragnars definitiv nicht, stellte Jason mit einem freudigen Lächeln fest. Wenn ihn die Zeit hier bisher eines gelehrt hatte, dann war es, dass man besser nahm, was man kriegen konnte, ohne sich wegen dem, was man gerade nicht hatte, ins Hemd zu machen. Würde schon alles wieder… die Models oder heimlich schwulen Teenie-Stars wuchsen ja immer brav nach… Anfangs hatte er diesen völlig unmodischen Pferdeschwanz und die Arbeitsklamotten Ragnars ja als ziemlich abschreckend empfunden, aber jetzt, selber von der letzten Münze in H & M- Sommerschlussverkauf gekleidet, musste er mal ganz ruhig sein. Nein, der Herr Biobauer war schon ein steiler Zahn, körperliche Arbeit war anscheinend wirklich gut für die Figur. Und dieses scharf geschnittene Gesicht mit den geschwungenen Brauen und der geraden Nase… extragant, aber wirklich nicht zu verachten. Allerdings schlug sein Gaydar hier gar nicht an, welch Tragik… gucken konnte man aber doch? Ragnar gehörte auch wirklich nicht zu der Art von Typen, auf die er spezialisiert war. Schon allein der Umstand, dass er seinem nichtsahnenden Nachbarn und Geschäftspartner gerade lüstern auf den Arsch schielte, machte wohl deutlich, dass er es echt nötig hatte. Die ganze Plackerei der vergangenen Wochen hatten da weder Zeit noch sonderlich Energie übrig gelassen. Mehr als sich fix mit schmerzenden Pfoten einen runter zu holen war nicht drin gewesen, bevor er komatös eingeschlummert war. Ragnar würde wahrscheinlich der Schlag treffen, wenn er wüsste, dass er ihm gerade mental ziemlich an die Wäsche ging. Schmale Hüften… breites Kreuz… okay, älter als seine sonstigen Häppchen, aber auf eine andere Art ziemlich appetitlich… nicht so ein hochgestrampelter Bubi, der sich was von ihm erhofft, sei es ein Leben in Saus und Braus, Kontakte oder den nächsten Drink… ne, Ragnar war ein Kerl und wollte ihm rein gar nichts aus der Nase schleimen. Auch Anerkennung seines Stils und Aussehens sah anders aus… Stattdessen half der ihm, aber anscheinend auch aus einer kräftigen Tendenz zur Bastelleidenschaft heraus…? Vielleicht sollte er besser das Internet bemühen… irgendetwas zum Ficken gab es doch garantiert auch hier im Umkreis von hundert Meilen? Aber er hatte wenig Hoffnung, dass hier irgendwelche angetüdelten Models in Reichweite waren. Und selbst wenn… er brauchte niemanden, der ihn eventuell bloßstellen konnte… Auch hier hieß es wohl: kleine Brötchen backen und damit so zufrieden zu sein, wie‘s ging.
 

Ragnar tauchte wieder auf und grinste ihn zufrieden an. „Die Kiste ist zwar marode… aber echt selten, glaube ich, habe da etwas recherchiert… freu dich schon mal auf dein neues Klo!“ verkündete er.
 

Diese Botschaft war Jason gerade willkommener als jeder Fick der Welt.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  AzurSmoke
2011-09-28T21:13:42+00:00 28.09.2011 23:13
Lach, Welten prallen aufeinander, da wird wohl noch so einiges auf uns zukommen. Es ist wirklich amüsant wie du die verschiedenen Ereignisse aus zwei Blickrichtungen zeigst , ich sag nur blauer Tanga


und dieser blaue Tanga verursacht gerade sehr sehr interessante Bilder in meinem Kopf , smile.
Von:  Shunya
2011-09-26T23:46:11+00:00 27.09.2011 01:46
Die Fanfic ist einfach nur herrlich! Ich habe mir alle Kapitel in zwei Tagen durchgelesen und hab mich prächtig amüsiert!!! XD lol
Die beiden Charaktere sind einfach nur genial! Totel schräg und trotzdem hat man sie gern. ;)
Besonders Jason ist ne Nummer für sich. So ein skurriler Charakter ist mir schon lange nicht mehr untergekommen! Obwohl er mir noch im Prolog ziemlich unsympathisch rüberkam. O.o
Ich find's auch immer wieder herrlich, was Jason sich wieder ausdenkt und wie er an seinem Hof herumwerkelt.
So langsam scheint da ja auch was zwischen den Beiden in gange zu kommen.
Du hast auch einen genialen Humor. Weiter so!!! >.<
Ich freue mich schon sehr auf das nächste Kapitel!
Von:  Khaosprinzessin
2011-09-26T20:33:13+00:00 26.09.2011 22:33
haha ich mag die beiden immer mehr... und neue spitznamen haben sie ab heute auch^^ zumindest ragnar. das jez mein möhren-tyrann^^ will den haben...
die beiden sind ja echt allererste güte, ehrlich! sabbern sich gegenseitig an ohne es zu merken... hach ja, zum niederknutschen!

glg und bis zum nächsten mal^^
Von:  chaos-kao
2011-09-25T20:00:45+00:00 25.09.2011 22:00
Hey ^^
Ich seh's schon kommen, dass die beiden sich unwissentlich in 'nem Hotel zum ficken verabreden über irgendeine Seite im Internet xDDD Würde irgendwie zu ihnen passen xD

Lg
Kao


Zurück