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Falling Down

Gabriels Fall - FERTIG
von

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Die Vorgeschichte zum endgültigen und unvermeidlichen Nervenzusammenbruch des Todesengels Gabriel

Falling Down
 

Kommt und seht - wie ich aus dem Todesengel einen mies gelaunten Schlumpf mache!

Wußtest ihr eigentlich, daß die Katze von Gargamel Azrael heißt? ^^
 

Teil 1
 

Engel schlafen nicht.

Die meisten jedenfalls.

Deshalb ist es schwer zu definieren, wann im Himmel Morgen ist. Aber alle wissen, daß es Mittag ist, wenn die Himmlische Kapelle aus den Betten kriecht. Solche Leute stehen nämlich niemals vor Mittag auf.

Gabriel zog es vor, seinen Morgen-Espresso zu trinken, wenn er Lust auf einen hatte. Wenn er wollte, daß es Morgen war, dann WAR Morgen. Im Himmel funktionierten sowieso keine Uhren und es war immer hell.

Alles lief in vollkommen geordneten Bahnen...

Amos steckte den Kopf zur Tür hinein und sagte laut und vernehmlich ins Büro des obersten Erzengels: "Herr, heute morgen wurde kein Kaffee geliefert."

"Espresso, ES-PRES-SO, Amos, wie oft...

Was?!" schrie Gabriel voll Panik.

"Es ist kein Ähs-bres-soh da, Herr," erklärte Amos. Gabriel fand, er machte das mit Absicht. Man sollte das Wort Espresso nicht so verschandeln.

"Was soll das heißen, es ist keiner da?!"

"Na, daß keiner geliefert wurde, Herr," gab Amos kleinlaut und mit sorgenvoller Stimme zu. Nicht, daß er sich schämte. Er fürchtete sich bloß zu Tode.

"Wer ist dafür verantwortlich?!" zischte Gabriel böse. Er schoß vor wie eine Schlange und krallte sich den bibbernden Sekretär.

Amos machte große Augen, brachte aber nur ein Stammeln über die Lippen: "D-d-d-d-d-d-dä-d-d-d... Er,... der,..., er."

"WER?!" brüllte Gabriel.

"Äh, Ghimel, Herr."

Der Todesengel ließ los und Amos fiel mit einem "Waaaa-haaaaaa-aaaaa!" auf den Allerwertesten, als er das Gleichgewicht verlor.

"Warum wird ein Seraph geschickt, um Espresso zu beschaffen?

Das würde sogar Lael fertigbringen!" sagte Gabriel laut. Im gleichen Moment verbesserte er sich: "Na gut, Lael würde im Süßigkeitenladen hängenbleiben...

Aber jeder andere verdammte Engel aus Chor 9 - außer den Kapellisten, die Lockenwickler kaufen würden - wäre dazu fähig, ein dummes Päckchen Kaffee zu besorgen!

WIESO habe ich dann keinen?!"

Amos meldete sich zaghaft: "Äh, Herr, weil,... Ghimel nicht zurückgekommen ist..."

"Und wo bei der Verdammnis steckt das blöde Aas?!" fluchte eine dritte Stimme dazwischen.

"Saftsack!" rief Gabriel erstaunt aus, korrigierte sich aber schnell: "Äh, guten Morgen, MICHAEL!

Was, verdammt, tust du hier in meinem Büro?!"

"Ich warte auf mein Sportjournal! UND auf die >Maxim<. Da sollen Tipps drin sein, wie man mit dem Schnarchen aufhören kann," behauptete der himmlische Heerführer und setzte sich todesmutig auf Gabriels Platz.

Er wagte es sogar, seine dreckigen Turnschuhe auf den unglaublich ordentlichen Schreibtisch zu legen.

"Ich war heute morgen schon joggen!" verkündete er stolz, als Gabriel die Bescherung mit teils angewidertem, teils völlig fassungslosem Blick anstarrte.

"Ja, das würde den Adidas-Jogginganzug erklären," sagte der Todesengel ruhig. Zu ruhig, wie Amos fand. Der Sekretär verließ schnell das Büro. Aber Michael interessierte das nicht.

"UND es ist ein Artikel darüber drin, wie man einen Vampir töten kann!"

"Michael," begann Gabriel und versuchte krampfhaft, vernünftig zu bleiben und der sportbegeisterten Wildsau auf seinem Chefsessel NICHT den Brieföffner in die Stirn zu rammen. "Du kannst nicht schlafen und folglich also auch nicht schnarchen. Und Vampire gibt es keine."

"Und DU kannst nicht trinken. Jedenfalls nicht richtig. Du bist aber trotzdem koffeinsüchtig," konterte Michael.

Gabriel fragte sich langsam, ob der himmlische Glorienschein vielleicht das nicht vorhandene Hirn des Heerführers getoastet hatte. So idiotisch führte Michael sich wirklich nur selten auf.

"Das liegt daran, daß wir heute nicht beliefert wurden. Das bringt uns alle aus dem Konzept und macht uns unnötig aggressiv," erklärte Raphael, der mal ein halbes Semester Psychologie studiert hatte und gerade zur offenen Tür hereinkam. Anscheinend hatte er Gabriels Gedanken gelesen. "Da werde sogar ICH zum Tier!"

Bei der Vorstellung fing der Todesengel unwillkürlich an zu lachen. Raphael - ein Tier?! Wenn, dann aber nur ein verängstigtes, blind umherlaufendes Suppenhuhn!

"Und was hast DU nicht bekommen?" fragte Gabriel nach Luft schnappend.

"Ich finde das nicht witzig!" schmollte Raphael, zutiefst in seiner ärztlichen Ehre gekränkt. "Die enthalten mir meine Sonnencreme vor und du machst dich darüber lustig!"

"Sonnencreme?!" wiederholte Michael schockiert. "Bist du schwul oder was?!"

"Michael, du warst - glaube ich - einmal zu oft in Frankfurt! Du sollst dir nicht diese Sprache aneignen!" betonte Gabriel, bevor Raphael antworten konnte.

Der Heiler klappte beleidigt den Mund wieder zu und verschränkte die Arme demonstrativ vor der Brust. "Das muß ich mir nicht gefallen lassen!"

Uriel trat ein.

Angesichts der Tatsache, daß er nicht sprach, bemerkte ihn zunächst niemand, weil keiner der Tür Beachtung schenkte. Erst als Gabriel sich suchend umdrehte, um Amos anzuschnauzen, der nutzlos im Vorzimmer herumhantierte, sah er den ungewöhnlichen Besuch.

"Und was fehlt DIR? Solltest du nicht das Paradies bewachen?!" Die schlechte Laune des Todesengels machte sich mittlerweile deutlich in Mimik und Tonfall bemerkbar.

-Kein neues Fernsehprogramm!- antwortete Uriels Gedankenstimme wütend, während der Feuerengel, die Hände in die Hüften gestemmt, näher kam.

"Äh,... ah,... bleib weg, ja? Ich hab doch gesagt, ich hab keine Sonnencreme mehr!" ächzte Raphael, lockerte sich wegen der Hitze in Uriels Nähe etwas den Kragen und wich bereits schwitzend zur Wand (oder zum Energiefeld, je nachdem) zurück. Wieder einmal ungeachtet der Tasache, daß Engel gar keine Körperflüssigkeiten haben...

Michael blieb cool, stand aber nicht auf. Lediglich ein "Alter Kumpel! Sieht man dich auch mal wieder!" wurde dem >Feuerzeug Gottes< fröhlich entgegengeschmettert.

"Wozu brauchst du ein Fernsehprogramm?" nahm Gabriel den Faden irritiert wieder auf.

"Weil er den ganzen Tag vor der Glotze hockt, wenn er auf Wache ist und nichts besseres zu tun hat!" antwortete Michael an Stelle Uriels. "Die Menschen finden das Paradies ja eh nicht wieder! Und er will ja auch nicht dauernd rumzappen."

"Verbrennt das Papier denn nicht, wenn du es anfaßt?" wunderte Raphael sich.

Uriel seufzte und zuckte mit den Schultern.

"Sie haben einen blöden Engel abkommandiert,..." sagte Michael.

"Lael?" vermutete Gabriel sarkastisch.

"... nein, einen von den Schutzengeln... WIE hieß der nochmal? Der, der Prinzessin Diana zugeteilt war...

Egal, jedenfalls... muß der jetzt bei Ner sitzen und für ihn umblättern..."

-UND vorlesen!- fügte Uriel hinzu.

"Wer ist Ner?" kam es verwirrt von Raphael.

"Na, Uriel! Wer denn sonst?" meinte Michael klugscheißerisch.

"Was?!

Wieso?!"

"Raphael," begann Gabriel langsam. "Wir haben alle Spitznamen..."

"Du hast die meisten! Ha ha!!!" behauptete Michael schadenfroh und konnte von Glück reden, daß Gabriel auf der anderen Seite des Schreibtischs stand.

Einen Moment schloß der Todesengel die Augen und massierte sich die Schläfen, wie jemand, der ziemlich starke Kopfschmerzen hat. Natürlich hielt ihn nur wenig davon ab, Michael den Kopf abzureißen, das sah man ihm an... Dann fuhr er ungerührt, aber leiser als zuvor fort: "Erstens, die Farben unserer Schneckenhäuschen bei Phanuel..."

"WAS?!" rief Raphael dazwischen.

Michael, dem langsam auffiel, wie völlig mit den Nerven am Ende Gabriel aussah, erklärte schnell: "Die Schneckenhäuschen, in die Phanuel unsere Stimmen steckt, bevor wir ins Fanum dürfen...

Meins ist rot."

"Aber Gabriel hat doch gar keins mehr! Seins ist kaputtgegangen!" hielt Raphael in lebensmüdem Tonfall dagegen.

"MEINS WAR SCHWARZ! DESHALB NENNEN SIE MICH SCHACHOR! NOCH FRAGEN?!" brüllte der Todesengel.

Raphael zuckte zusammen und rümpfte dann die Nase. "Mußt ja nicht gleich so laut werden! Ich habe sehr gute Ohren! Hab gestern noch einen Hörtest bei mir selbst durchgeführt..."

"Ra-aph..." warnte Michael eindringlich und stand vorsichtshalber aus Gabriels Sessel auf. Sein Kollege sah aus, als würde er gleich überkochen.

"ER ist Adom!" Gabriel zeigte auf Michael. "Uriel hat ein graues Häuschen, deshalb heißt er Afor, der Graue!"

"Und wer bin ich?" wollte Raphael wissen, der die Gefahr der Situation, in der er sich befand, offenbar immer noch nicht ganz verstanden hatte.

"Jarok, der Grüne," schnauzte Gabriel ihn an. "Weil du ein grünes Häuschen hast!"

"Aber... aber... ich dachte, Uriel wäre Ner..."

Der Todesengel gab stöhnend auf. "Ich gehe jetzt und beschaffe mir meinen Kaffee selbst! So schwer kann das doch nicht sein!"

Das hätte er nicht sagen sollen.

Solche Sätze erregen die Aufmerksamkeit des Schicksals.

Und da gibt es auch noch Murphy's Gesetz: Alles, was schiefgehen kann, WIRD schiefgehen.

Michael versuchte weiterhin, Raphael die Sache mit den Spitznamen zu erklären und Uriel setzte (versehentlich) Gabriels Schreibtisch in Brand, als der Engel des Todes seinem Büro den Rücken kehrte und den Himmel verließ.
 

Wird fortgesetzt...
 

Kennt jemand den Film >Falling Down - Ein ganz normaler Tag<? Im wesentlichen geht es darum, daß ein ganz normaler Kerl auf dem Weg zur Arbeit im Stau steckenbleibt. Und dann gehen noch so einige Dinge schief: Die anderen Autofahrer nerven ihn, überall sind Baustellen, Vollidioten und unverschämte Typen.

Also genau das, was ich jeden Morgen erlebe... ^^

Deshalb tut der ganz normale Kerl (gespielt von Michael Douglas, der mit Brille wirklich schlimm aussieht!) das, was jeder von uns tun würde: Er schnappt sich eine Knarre und läuft Amok! (Nein, das sollte nicht Amos heißen, ich rede hier von Massaker und nicht von Sekretär!)

Sehr vernünftig!

Jetzt habe ich mich gefragt: Was könnte Gabriel dazu bringen, so durchzudrehen? Ich las Sarajas Yoder-FF und hatte eine Inspiration.

Danke, Saraja!

Darum gehört diese FF auch ganz allein und nur DIR!

Ach ja: für alle: Die vollständige Liste der Spitznamen der Erzengel findet ihr in Engel-Mail 3!!!

Gabriels erste Schritte auf der grausamen, gemeinen und ekelhaften Erde, die schließlich dazu führen werden, daß er komplett ausrastet

Falling Down
 

Teil 2
 

Er landete im Zentrum einer kleinen Stadt und machte sich gleich auf den Weg zum nächsten Laden. Zielstrebig bewegte er sich auf ein Gebäude zu, das als >Coffee-Shop< ausgeschildert war...

Drinnen war es sehr verqualmt. Niemand hatte auch nur eine einzige Tasse vor sich stehen. Das hätte den Todesengel mißtrauisch machen sollen, aber er war viel zu wütend, zu genervt und viel zu sehr auf Entzug, als daß er sich darum gekümmert hätte.

An der Theke baute er sich zu seiner gesamten, schon ziemlich ehrfurchtgebietenden Größe auf und verlangte laut einen Espresso.

Im Raum wurde es still.

Dann fingen ein paar Menschen, die wahrscheinlich zu bekifft waren, um es besser zu wissen, an zu lachen. Bald wieherte der ganze Laden.

"Was ist so verdammt lustig?!" brüllte Gabriel sie wutschnaubend an.

Der Mann hinter der Theke hörte kurz mit dem Lachen auf und erklärte: "Hör mal, Mann, wir verticken hier Stoff!"

"Und was glaubst du, was ICH will?!

Jetzt schenk mir endlich einen verdammten Espresso ein, bevor ich dich zur Hölle schicke für diese Unverschämtheit!" heulte Gabriel gierig. Er bemerkte, daß hinter dem Tresen keine Tassen oder ähnliches aufgebaut waren und die Erkenntnis, daß in >Coffee-Shops< in Holland vielleicht nicht unbedingt Kaffee verkauft wurde, gewann einen Platz in seinem kaffeelosen Hirn.

Trotzdem schlug er mit der Hand auf den Tresen, wobei er ein kleines Plastikpäckchen mit weißem Pulver traf, das aufplatzte und seinen Inhalt auf die Schürze des Barkeepers losließ.

Gabriel begriff, daß er soeben einen Fehler gemacht hatte.

"Mann,..." grollte das Muskelpaket mit den Kokskrümeln auf der Schürze. "Mann...!!!"

Gabriel rannte um sein unsterbliches Leben. Diverse Hände griffen nach ihm und versuchten ihn aufzuhalten, aber er schaffte es mit einem etwas verknitterten Umhang und nur noch einem Schuh aus dem Laden. Dann versteckte er sich in einer Seitengasse hinter dem Shop vor dem wütenden Mob.

"Diese gottverdammten scheiß Holländer sollen gefälligst mal eine ordentliche Beschilderung erfinden!" fluchte er lautlos. "Wenn da >Coffee< drauf steht, sollte es da drin gefälligst auch welchen geben, verfluchte Scheiße!

Himmel, Arsch und Zwirn, das ist Etikettenschwindel!"

Er war kurz davor, sich einen Anwalt zu nehmen und alle Coffee-Shop-Besitzer und -Betreiber anzuzeigen und vor Gericht zu verlangen, daß sie in Zukunft auch Espresso ausschenken sollten, als ihn jemand am Nacken packte und nach hinten riß.

Gabriel verlor perplex das Gleichgewicht und landete - wie zuvor Amos - auf dem Hintern. Über ihm stand eine jugendliche Person mit Wollmütze, dreckiger Kleidung und einem Butterfly-Messer.

"Raus mit der Kohle, sofort!"

Der Todesengel stöhnte entnervt und kam auf die Knie.

"Soll ich dir einen Tritt verpassen oder was?!

Bleib bloß schön, wo du bist, Opa, und gib mir den Cash raus!" verlangte der Typ, der gleich eine Leiche sein würde, wenn es nach dem Herrn der Seelensammler ging.

"Junge, du hast gar keine Ahnung, mit wem du dich anlegst...!" zischte Gabriel, bevor er tatsächlich einen Tritt in die Rippen bekam. Und die Springerstiefel mit den Stahlkappen taten so richtig WEH, auch wenn Gabriels Schmerzempfinden eigentlich ausgeschaltet sein sollte. Aber allein die Vorstellung von einem Fuß, der mit Wucht in seine Seite gekickt wurde, war mehr als eindeutig.

"Da hast du's, du Grufti!" rief der jugendliche Straftäter und rannte davon, als er vor der Gasse Schritte hörte.

"Dem Himmel sei Dank!" seufzte Gabriel. "Und das sage ich nicht oft, soviel steht fest!"

"Kein Grund sarkastisch zu werden, Meister!" behauptete die Person, die die Schritte verursacht hatte. "Wir haben noch eine Rechnung offen!"

In Gabriels Blickfeld trat ein Engel.

"Wer bist du?" fragte der Erzengel unwillig. Langsam reichte es ihm wirklich.

"Du kennst mich nicht? Natürlich nicht!

Dein feiner Kumpel Michael beherrscht ja meinesgleichen!" fauchte der Engel.

"Was bist du? Ein Soldat? Ein Racheengel?"

"Beides falsch. Ich bin ein Verkünder."

"Aha." Gabriel kam mühsam auf die Beine. "Dann will ich dir mal was sagen, Verkünder: Mein Tag fing scheiße an und wie es aussieht, wird er nicht gerade besser."

"Da könntest du recht haben, Mann Gottes," entgegnete der Verkünder bissig. "Ich würde sogar sagen, das trifft den Nagel auf den Kopf!"

"Also geh mir aus dem Weg oder besorg mir einen Kaffee!" setzte Gabriel hinzu.

Hinter ihm polterte etwas und er fuhr herum, um sich mit einem weiteren Engel konfrontiert zu sehen - mit dem Unterschied, daß dieser hier bewaffnet war.

"Was habt ihr vor?" fragte Gabriel dumpf. Es kam ihm plötzlich nicht mehr wie eine gute Idee vor, selbst zur Erde zu fliegen wegen einer dummen Tasse Kaffee.

Der Verkünder musterte ihn angewidert. "Mit deinen Eskapaden bringst du den neunten Chor immer wieder in Schwierigkeiten. Du wirst nie bestraft, aber wir müssen den Unsinn, den du treibst, ausbaden!

Das ist unfair! Das ist ungerecht!

DU sollst mal am eigenen Leib erfahren, wie es ist, wenn man der Gearschte ist!"

Der mit einer Axt bewaffnete Engel hinter Gabriel maulte: "Mensch, Samuel, leg dir mal eine ordentliche Sprache zu!

Herr Shalgiel muß sich ja schämen!"

"Shalgiel?" wiederholte Gabriel. "Kyriotetes? FORTBILDUNGKURS?" Er grinste anmaßend, obwohl er wußte, daß er es nicht tun sollte. Am liebsten wäre er davongelaufen, aber er konnte nicht anders. "Du bist so dämlich wie Lael?"

Das war wohl ein dummer Spruch zuviel.

Gabriel merkte es in der Sekunde, in der Samuel brüllte: "Verdammter Hirnakrobat, das bekommst du zurück! Heute verzichte ich auf das verfickte Sündenregister! Hack ihm die beschissenen Flügel ab, Thomas!"

Allmählich schwante Gabriel, was hier los war. "Äh, Jungs..."

Doch es war zu spät.

Die Axt sauste auf seinen Rücken nieder und traf präzise die Flügel, die er nur unsichtbar gemacht, aber nicht eingezogen hatte, wofür er sich jetzt gerne selbst geohrfeigt hätte. Gleichzeitig wurde er gepackt und ein sehr wütender Samuel zwang ihm eine Thermosflasche an die Lippen.

Espresso!!!

Gabriel konnte sich einfach nicht mehr beherrschen, riß Samuel die Kanne aus der Hand und nahm einen tiefen Zug.

Er wußte, daß das ein Fehler war.

Er wußte, was mit Engeln passierte, die die Flügel verloren und dann Nahrung zu sich nahmen. Und das galt auch für Nahrung in flüssiger Form.

Aber die beiden, die ihn überfallen hatten, hatten gewußt, daß er seinem Lieblingsgetränk nicht würde widerstehen können. Vor allem, weil er bereits Stunden ohne eine Espresso-Infusion verbracht hatte.

"Das ist für den neunten Chor!" schrie Samuel triumphierend und schlug Gabriel den Kaffee aus der Hand.

"Aaaaaaaaargh!" machte der Mann mit dem blutverschmierten Rücken und sprang dem zu Boden fallenden Behälter nach - es nützte nichts, der Inhalt ergoß sich in den Rinnstein. "Das könnt ihr doch nicht machen!" platzte Gabriel heraus. "Wieso tut ihr das?!"

Thomas, der Axtschwinger, versteckte schnell das blutige Mordinsturment hinter seinem breiten Rücken und erklärte dann ein bißchen verlegen: "Du bist gemein zu unserem Chor. Du machst uns immer Ärger und es ist dir egal, wenn wir dann dafür gefoltert werden."

"Du hast uns nur einmal zuviel zu den Dämonen geschickt, Freund Gabi!" donnerte auch Samuel los. "Uns reicht es, wir haben genug! Und wir finden, Engel sollten nicht mehr gefoltert werden!

Du siehst ja, was mit Lael passiert ist deswegen!"

"Lael! Was soll das eigentlich?!

Und außerdem kann ich nichts dafür, wenn ihr gefoltert werdet! Das ist GOTTES Entscheidung, nicht MEINE!"

"Aber du könntest ein gutes Wort für uns einlegen!" knurrte Thomas. "Lael ist einmal zu oft und zu heftig von den Dämonen in die Mangel genommen worden!

Die haben ihm das Hirn kaputtgefoltert! Was glaubst du, warum er so ist, wie er ist?!"

"Keine Ahnung!" brüllte Gabriel dagegen. Die Wunden auf seinem Rücken brannten wie Feuer und der Espresso brachte seinen plötzlich wieder aufgetauchten Magen zum Rebellieren. -Ich kotze gleich,- dachte er, hatte aber noch genug Verstand, um sich an Laels Werdegang zu erinnern. "Als Lael zu den Seelensammlern kam, war er schon so wie jetzt!

MICH trifft ÜBERHAUPT KEINE Schuld!

Das muß bei den Boten passiert sein - hackt Uriel dafür die Flügel ab, nicht MIR!"

"Lael ist nicht aufgetaucht, als Jesus Christus geboren wurde - dafür hat der Herr ihn in die Kerker geschickt und als er wieder rauskam, war er völlig blöd!" erläuterte Thomas, der offenbar das größere nicht vorhandene Gehirn hatte, die Zusammenhänge. "DU als Herr der Erzengel hättest ja mal was sagen können!

Als der Messias zur Welt kam, hielt Uriel nämlich schon Wache vor dem Paradies und alle Angelegenheiten, die die Kapellisten und die Boten betrafen, wurden vom Erzengel-Rat geregelt!

Du hast das Formular, mit dem Lael zur Folter verurteilt wurde, bestimmt auf deinem Schreibtisch gehabt!"

"Und du hast unterzeichnet!" grollte Samuel wütend. "Hab ich recht?!"

Gabriel dachte einen Moment nach.

Schock, Blutverlust und Sodbrennen sprachen eine eindeutige Sprache - und zwar eine, die ihn ziemlich beim Denken störte.

"Kann sein, ja. Ja," murmelte er schließlich. "Ich hab... nicht drauf geachtet." Dann wurde er wieder laut - immerhin mußte er sich hier verteidigen! Er war angegriffen worden, heimtückisch, von niederen Engeln, die es wagten, ihm einen menschlichen Körper zu verpassen! "Na und?! Was geht mich der dämliche neunte Chor an?! Ihr seid nichts weiter als Sklaven und das wißt ihr auch!

Nur daß ihr noch weniger wert seid als wir übrigen! Ihr seid die Sklaven von Sklaven von Sklaven und so weiter! Und jetzt tragt mich gefälligst rauf zu den Kyriotetes, damit sie mir die Flügel wiedergeben!"

Thomas und Samuel schüttelten nur synchron die Köpfe.

"Nein, Herr," antwortete der Racheengel. "Wenn du zurück in den Himmel willst, mußt du schon sterben.

Bis dahin bleibst du hier auf der Erde als Mensch."

"Das sollte dir eigentlich gefallen," bemerkte Samuel nicht sehr begeistert. "Jetzt kannst du wieder normal trinken und... noch ein paar andere Sachen."

"Ja, außer Coffee-Shops gibt's hier in Holland auch noch verdammt viele Pornoläden," pflichtete Thomas ihm bei.

Dann ließen sie Gabriel einfach stehen und lösten sich in Luft auf.

"Ihr verdammten beknackten Engel! Kommt gefälligst zurück!" schrie der vermenschlichte Gabriel ihnen nach - einmal, zweimal,...

Bis schließlich eine Frau auf ihn aufmerksam wurde. "Och, Sie Armer, Sie bluten ja!"

"Und halluzinieren tut er auch," meinte ein Mann, der sich im Gegensatz zu ihr nicht in die Gasse hineinwagte. "Diese hirnrissigen Junkies, die hasse ich echt!"

Die Unbekannte faßte Gabriel am Handgelenk und tätschelte beruhigend seinen Arm. "Das kommt alles wieder in Ordnung, keine Sorge. Mein Sohn redet nur Blödsinn, wie immer."

Also der Sohn. Der plärrte auch gleich los: "Mamaaaaaaaaa, laß doch den verlausten Penner, komm, wir gehen ins Kino!"

"Das können wir auch später noch! Jetzt sei still, Henk, und hol das Auto!

Wir fahren diesen armen Mann ins Krankenhaus."

>Henk< machte grummelnd ziemlich deutlich, daß er sich im Augenblick cooleres vorstellen konnte, als mit seiner samaritermäßigen Mutter und einem völlig fremden, unter Wahnvorstellungen leidenen, mit Blut besudelten Kerl in Gothic-Klamotten und mit nur einem Schuh in einem Auto zu sitzen.

"Henk, du bekommst kein Abendessen, wenn du so weitermachst!" erklärte die Mutter streng.

Gabriel verdrehte die Augen. Wenn die Lage nicht so furchtbar wäre, würde er lauthals lachen!

Er hatte es nicht nur mit übergeschnappten Mitgliedern des neunten Chors zu tun, sondern auch noch mit völlig abgedrehten Menschen!

Und wenn die Ärzte auf der Erde ungefähr so krank im Kopf waren wie Raphael, hatte er, um ehrlich zu sein, keine große Lust, in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden.

Doch dazu mußte man sagen, daß er sich immer noch utopische Vorstellungen über das Gesundheitswesen auf der Erde machte.

Hätte er gewußt, was ihm bevorstand, wäre er laut schreiend davongelaufen!
 

Wird fortgesetzt...
 

Da sind wir aber beruhigt: Lael ist nicht allein dumm! Und wir haben endlich den Grund für Schnuckis Dummheit gefunden - Gabriel ist der Übeltäter!

Und... hm,... ist er schon genervt genug, was meint ihr?

Nöööööööööö, ich mach noch ein paar Folgen, ok?

^^

Das furchtbare, widerliche und entsetzliche Krankenhaus, das noch viel schlimmer ist als alles, was Gabriel sich jemals in Zusammenhang mit Medizin vorgestellt hat

Falling Down
 

Teil 3
 

Nachdem Gabriel zehn Minuten lang das Auto der beiden Verrückten vollgeblutet hatte, erreichten sie ein hohes Gebäude, vor dem hektisch einige Menschen herumliefen und auf dessen Dach gerade ein Helikopter landete.

-Aha, das Irrenhaus!- dachte Gabriel sarkastisch.

Die unanständig hilfsbereite Frau zerrte ihn aus dem Wagen, während ihr Sohn anfing, den Rücksitz, auf dem Gabriel gekauert hatte, mit einem Tempo abzureiben. Nicht, daß es viel genützt hätte, weil der ehemalige Todesengel mindestens anderthalb Liter Blut verloren hatte, aber... es ist der Gedanke, der zählt!

Das zumindest schien der junge Holländer zu denken.

Gabriel verlor ihn aus den Augen, als ein Sanitäter ihm einen Rollstuhl in die Kniekehlen rammte, ihn herunterdrückte und mit wahnsinniger Geschwindigkeit durch die Gänge karrte, die alle gleich aussahen.

"Verdammt, langsamer!" schrie Gabriel und sah sich hilfesuchend nach der Frau um. Doch die half ihrem Sohn eben dabei, das Auto zu säubern. Mitten auf dem Parkplatz für die Rettungswagen.

-Menschen!-

Die Knie des nicht mehr so ganz erzigen Erzengels prallten gegen eine Glastür, die sich widerstrebend öffnete. Der Sani sagte noch immer keinen Ton und wurde auch nicht langsamer, als er seinen Patienten in halsbrecherischer Fahrt umherschleuderte.

Endlich rammten sie eine letzte Tür - Gabriel hatte den Eindruck, er hätte sich inzwischen bei all den Türen auch beide Schienbeine gebrochen - und der Rollstuhl wurde in einem Untersuchungszimmer abgestellt. Der Sani war so schnell wieder verschwunden, daß keine Zeit blieb, ihm noch eine reinzuhauen.

"Aaaaaaaaaaaaargh!" war das einzige, was einem wütenden, blutigen Todesengel ohne Flügel dazu einfiel.

"Ja? Herr...?" fragte ein Mann, den er bis eben nicht einmal bemerkt hatte. Er trug einen weißen Kittel, also gehörte er wohl nicht gerade zur Putzkolonne.

"Mein Name ist Gabriel," knurrte Gabriel.

"Vor- oder Nachname?" wollte der Arzt wissen und drückte, noch bevor sein Patient geantwortet hatte, auf ein Knöpfchen an der Sprechanlage. "Schwester van Huiten, kommen Sie bitte mal in Zimmer 11?"

Der Apparat brabbelte irgendetwas unverständliches und schaltete sich mit einem lauten Tuten aus.

"Äh, beides," bemerkte Gabriel benommen.

Als Engel hatte man bloß einen Namen, aber wie sollte er das diesem menschlichen Hirni klarmachen?

"Also Gabriel Gabriel," stellte der Arzt ruhig fest und kritzelte etwas auf einen Block.

"Ja, meinetwegen," meinte der Ex-Chef der Seelensammler zähneknirschend. Diese Menschen waren auch wirklich zu blöd! Kein Wunder, daß er sich in letzter Zeit kaum noch herabgelassen hatte, persönlich zu ihnen herunter zu kommen.

"Wie sind Sie versichert, Herr Gabriel?"

"Äh, was?!"

"Versichert.

Privat, gesetzlich...?"

Die Schwester betrat das Zimmer mit einer mindestens 30 Zentimeter langen Spitze.

Gabriel preßte sich fest in seinen Stuhl und hoffte, daß er das bloß träumte - gleichzeitig schnellte er wieder vor, weil die kunstlederne Lehne ihm schmerzhaft gegen die Wunden drückte.

"Das ist doch nicht Ihr Ernst!" flüsterte er und starrte die Spritze mit großen Augen an.

"Sind Sie privat versichert, Herr Gabriel?" wiederholte der Arzt noch einmal nachdrücklich.

"Könnte man so sagen..." murmelte der Todesengel.

"Also gut. Was fehlt uns denn?"

-Ein ordentlicher Schlag in die Fresse!

Mann, ich wünschte wirklich, Michael wäre hier! Der hätte dem Idioten längst sein dummes Maul eingeschlagen!- dachte Gabriel verbissen. "Mich hat jemand mit einer Axt bearbeitet, die wahrscheinlich auch noch stellenweise rostig war!

Also verbinden Sie mich jetzt, geben Sie mir irgendwas gegen die Schmerzen und dann bin ich raus hier und mache Ihnen keinen Ärger mehr!" verlangte er laut.

Schwester van Huiten sah den Arzt an. "Soll ich ihm eine Beruhigungsspritze geben? Er scheint unter Schock zu stehen."

"Ja, aber holen Sie die große!" wies der Mann im weißen Kittel sie an.

Gabriel glaubte nicht, was er da hörte! "Doktor, ich brauche nur einen Verband, vielleicht ein bißchen Desinfektionsmittel und jede Menge Morphium!" erklärte er verzweifelt, aber das schien hier niemanden zu interessieren.

"Ja, ja, wir nähen Sie gleich!" sagte der Arzt und dachte anscheinend, das würde beruhigend klingen!

"NÄHEN?!"

"Schwester van Huiten?" rief er die Trägerin der Monster-Spritze noch einmal zurück, die gerade dabei war, das Untersuchungszimmer zu verlassen, um eine Spritze zu holen, die wahrscheinlich sogar für einen Pottwal zu groß gewesen wäre. "Bringen Sie auch noch zwei Pfleger mit, der Patient ist offenbar panisch und muß vielleicht festgehalten werden."

Die Frau nickte und ging.

Gabriel hielt nichts mehr in seinem Rollstuhl - er sprang auf, wobei er sich den Knöchel verstauchte und humpelte auf den Arzt zu. "Hören Sie, Sie Quacksalber, Sie werden mich jetzt auf der Stelle verbinden und dann GEHE ich!

Ich habe keine Lust als Versuchskaninchen für Ihre perversen Doktorspielchen herzuhalten, ich will hier weg und zwar schnellstens!

Ist das klar?!"

Der Arzt grinste nur dümmlich und schielte zur Tür, durch die jede Sekunde die Schreckschraube und die beiden Gorillas zurückkehren konnten. "Warten Sie doch noch einen Moment..."

Gabriel packte ihn am Kragen seines Kittels. "JETZT!"

Doch es war zu spät.

Eine riesige behaarte Hand packte ihn und warf ihn bäuchlings auf die Untersuchungsliege. "So, jetzt entspannen wir uns mal schön, Herr Gabriel! Und dann gibt's auch gleich eine feine, feine Spritze!" verkündete eine ekelhaft freundliche Männerstimme.

"Sollen wir ihn auf Drogen überprüfen?" fragte die Schwester.

"Klar!

Und rufen Sie die Polizei an - ich glaube nicht, daß er uns seinen richtigen Namen genannt hat!" meinte der Arzt und strich seinen Kittel glatt.

Einer der Pfleger riß Gabriel die Hosen herunter und noch bevor er reagieren konnte, hatte der andere ihm auch schon die Nadel einer mindestens einen halben Meter langen Spritze in den Hintern gerammt.

Gabriel schrie so laut auf, daß er die Sirenen eines gerade eintreffenden Rettungswagens übertönte. "Aaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhh!!!

...

Wofür war das?!" keuchte er mit schmerzverzerrtem Gesicht, als der Sadist das Metall wieder aus seinem Allerwertesten zog.

"Tetanus!" verkündete das Muskel-Ungeheuer grinsend.

"Sie sagten doch was von Rost auf der Axt," pflichtete der Arzt ihm bei.

"Hätten Sie mir die verdammte Betäubung nicht VORHER geben können?!" beschwerte der Todesengel sich.

"Wer sagt denn, daß Sie eine Betäubung bekommen?" fragte der Pfleger, der ihm die Hosen wieder hochzog, freundlich.

Gabriel wurde schwarz vor Augen.

Wie hielten die Menschen das bloß aus?!

Als er langsam wieder zu sich kam, bemerkte er, daß er an ein Bett gefesselt war.

Soviel zu den perversen Doktorspielchen, wie er schon vermutet hatte...

Ein paar Schläuche steckten in seinen Armen und Elektroden an seinen Schläfen maßen die Hirnaktivität.

Anscheinend hatten diese Blödmänner doch tatsächlich jemanden gefunden, der dieselbe Blutgruppe hatte wie er und füllten ihn jetzt damit wieder auf. Mühsam versuchte Gabriel, seine Arme zu befreien, die mit Lederschlaufen festgezurrt waren.

-Na wartet, IHR könnt was erleben, wenn ich hier jemals wieder rauskomme!- fluchte er lautlos.

Er hatte gewußt, daß die Erde ein beschissener Ort war, aber daß es SO schlimm war, hätte er nicht gedacht. Kein Wunder, daß die Menschen so völlig bekloppt waren!

Ein Nilpferd in Uniform kam mit einer Schüssel ekelhaft riechendem Brei an. "Na, guten Morgen, Herr Gabriel!

Haben Sie Lust auf ein bißchen Haferschleim?" Kaum hatte die überdimensionale Schwester zuende gesprochen, als sie ihm auch schon einen roten Plastiklöffel voll mit der ekeligen Masse in den Mund stopfte.

Es bestand kein ernsthafter geschmacklicher Unterschied zwischen dem Plastik und dem Schleim, außer, daß das weiche, pappige Zeug vielleicht noch etwas grauenhafter und ungenießbarer war als der Löffel.

Gabriel hatte keine Lust mehr auf diesen menschlichen Unsinn und spuckte die Pampe gleich wieder aus.

"Na, na, Herr Gabriel!

Das tut man aber nicht!" schimpfte die Schwester, kratzte einen weiteren Löffel voll zusammen, schob ihn Gabriel in den Mund und hielt ihm anschließend Nase und Mund zu, damit er schluckte. Auf die Art verfütterte sie ihm die ganze Schüssel.

"Könnte ich nicht lieber etwas Nährlösung aus der Infusionsflasche haben?" bettelte der Engel schließlich, völlig am Ende seiner Kräfte.

-Und von diesem Zeug soll man GESUND werden?!-

"Nein, nein, Herr Gabriel, Sie müssen schön aufessen!" meinte das Nilpferd.

Endlich verschwand sie, wurde aber gleich von einer Schwester abgelöst, die nicht wesentlich dünner oder hübscher war und es sich in den Kopf gesetzt hatte, Gabriel zu WASCHEN!

Sämtliche Alarmglocken schrillten in seinem gemarterten Hirn auf, als sie ihm die Bettdecke wegzog und seine Anatomie unter dem Patientenkittel untersuchte. "Na, dann machen wir Sie mal schön sauber, Herr Gabriel!

Brauchen Sie denn auch einen Nachttopf?" summte sie gutgelaunt und hantierte mit einem Waschlappen, der sich anfühlte wie ein nasser, kalter, alter Kartoffelsack.

Der Haferschleim rumorte in Gabriels gepeinigtem Magen, der Espresso drückte auf die Blase und der Waschlappen scheuerte ihm die Haut wund. "Binden Sie mich los, dann geh ich aufs Klo!" verlangte Gabriel und versuchte den Rest seiner Würde zu wahren.

Die ging jedoch gänzlich verloren, als die Schwester ihn anhob und ihm das Pflaster abriß, das seine Peiniger bei der Tetanus-Aktion auf seinen blanken Hintern gepappt hatten.

"Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhh!!!!!" Das schien neuerdings sein Lieblingswort zu sein.

Obwohl es ja nicht wirklich ein Wort war.

"Können Sie das nicht etwas sanfter?!" jammerte er.

"Nein, nein, wir wollen doch hier nicht verweichlichen, Sie alter Warmduscher!"

Die gute Laune dieser Person kotzte ihn einfach an.

Und das auch noch so früh am Morgen!

Einfach abartig.

Wenn er im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen wäre, hätte er sie kopfüber über eine der Schwefelgruben der Hölle gehängt und sie mit flüssiger Lava beworfen!!!

Innerlich kochte er mindestens so sehr wie das geschmolzene Gestein im Inneren eines Vulkans. Aber er konnte aus dieser furchtbaren Situation nicht entkommen!

Letztlich war er mit seinem derzeitigen Körper wirklich nichts anderes als ein Mensch. Und im Moment auch genauso hilflos.

Es paßte ihm nicht, diesen minderbemittelten, laufenden Dreckklumpen so ausgeliefert zu sein.

Und er begriff langsam, was Samiel, Lilith und die übrigen Gefallenen gegen Gottes zweite Kinder hatten.

So bescheuert wie die hier konnte man doch gar nicht sein!

Die Stelle, die der Waschlappen DANN erreichte, setzte dem ganzen die Krone auf.

"Lassen Sie das gefälligst, das ist privat!" schrie der Ex-Chef der Seelensammler völlig außer sich. "Da haben nur meine Frau und ich was zu suchen, klar?!"

"Aber, aber!" machte die Schwester und schrubbte gründlich über die bewußte Stelle.

Gabriel versuchte zu strampeln und sie zu treten, damit sie verschwand, aber es half alles nichts! Die grauenhafte Wäsche wurde fortgeführt.

Als diese unglaubliche Person endlich genug hatte und der Meinung war, ihr Patient wäre jetzt ausreichend - und vor allem: ÜBERALL - sauber, sammelte sie ihre Foltergräte ein und tappte mit schwingenden Hüften zur Tür.

Gabriel konnte sich selbst kaum vom Schreien abhalten und eigentlich wollte er es auch gar nicht...

Aber dann dachte er daran, daß sie ihn wahrscheinlich mit einer Menge Medikamente ruhigstellen würden, wenn er laut wurde. Also hielt er lieber den Mund und wartete auf den Arzt.

Die Zeit bis zur Visitie schien überhaupt nicht zu vergehen. Es dauerte JAHRE, bis der blöde Idiot von einem Mediziner endlich auftauchte und schwachsinnig lächelnd das Stethoskop auspackte.

Das Metall des Abhörgeräts war so unerhört kalt, daß Gabriel ihn am liebsten ordentlich zusammengeschissen hätte, aber er beherrschte sich und versuchte, geistig normal zu wirken, was in seinem derzeitigen Zustand gar nicht so leicht war.

"Tja, Sie scheinen sich ja gut zu erholen, Herr... Gabriel," verkündete der Arzt schließlich mißtrauisch.

-Bind. Mich. Los.

Bind. Mich. Los.

Bind. Mich. Los.

...- Der Todesengel versuchte den Mann mit Gedankenkraft dazu zu zwingen, ihm die Gurte abzunehmen. Aber er mußte feststellen, daß seine telepathischen Fähigkeiten das Flügelabhacken anscheinend nicht überlebt hatten.

Ein weiteres Mal fragte er sich ernsthaft, wie die Menschen das nur aushielten!

Doch da geschah das Wunder:

"Ich werde Ihnen jetzt mal die Fesseln abnehmen. Sie scheinen ja langsam wieder vernünftig zu werden," sagte der Mann im weißen Kittel.

Gabriel wäre gern sofort aufgesprungen und hätte ihn zusammengeschlagen, aber er fühlte sich noch nicht so besonders und außerdem hätte das seinen Fluchtplan vereitelt.

Daher fragte er nur: "Wo sind meine Kleider?"

"Haben Sie etwa schon vor, uns zu verlassen?" wollte der Arzt mit Zweifel in der Stimme wissen und hielt im Öffnen der Fesseln inne.

"Äh, nein, ich laufe nur nicht gern in diesem Krankenhaushemdchen herum.

Da sieht man meinen Hintern!" vertraute Gabriel ihm an.

"Ahaaaaaa,...

Soll ich Ihnen einen Psychologen schicken?

Sie könnten sich mit ihm über Ihre Nacktheitsphobie unterhalten.

Oder über die Beziehung zu Ihrer Mutter..."

"Ich HABE gar keine..." Der Engel stoppte sich selbst gerade noch rechtzeitig und lenkte ein: "Ja, ähm, tun Sie das.

Aber meine Kleider will ich trotzdem wieder haben.

Da sind... mein Handy und mein Adressbuch drin und ich muß dringend zu Hause anrufen, Sie verstehen?"

"Natürlich." Dieser Bastard grinste immer noch! "Ich lasse Ihnen alles bringen!"

Er ging.

Das war besser.

Gabriel hatte wirklich keine Lust, in einem hinten offenen Krankenhaushemd auf die Straße zu laufen und sich lächerlich zu machen!

Besser, er führte sein Vorhaben in Kleidern aus. Was sollten auch die Seelensammler denken, falls zufällig welche anwesend waren, wenn ihr Herr nur dürftig bekleidet draußen herumlief?

Als eine Schwester die Kleider brachte, wartete Gabriel noch ein paar Minuten, bevor er aufstand.

-GOTT, ist mir schwindelig!- dachte er und torkelte zum Stuhl, wo seine Sachen abgelegt worden waren. Dann zog er sich so schnell es ging an, schlich aus dem Zimmer und rannte den Flur entlang.

Einem glücklichen Zufall - oder göttlicher Fügung - war es zu verdanken, daß er ungesehen aus dem Irrenhaus entkam. Jetzt mußte er nur noch sterben.

Doch auch das sollte sich als schwieriger erweisen, als er gedacht hatte.
 

Wird fortgesetzt...
 

Es ist noch nicht vorbei für ihn!!!

Probleme, die auftreten, wenn man Selbstmord begehen will und die sogar einen Engel aus der Fassung bringen können

Falling Down
 

Teil 4
 

Weil sowieso ein Schuh fehlte, ging Gabriel barfuß. Es gab natürlich noch einen Grund: er hoffte in einen rostigen Nagel zu treten, eine Blutvergiftung zu bekommen und daran zu sterben.

Dieses Vorhaben gab er allerdings nach 30 Sekunden auf. Es dauerte viel zu lange, an einer Blutvergiftung zu krepieren! Also, auf welche Art konnte man sich noch umbringen?

Erhängen kam nicht in Frage, denn dazu brauchte man einen Strick oder einen Gartenschlauch und Gabriel hatte beides nicht. Auch Tabletten waren keine Lösung, weil er kein Geld hatte um welche zu kaufen. Aus dem selben Grund schied Gift aus.

Obwohl... wenn er sich anstrengte, konnte er bestimmt eine Tüte mit abgelaufener Milch finden und daran nuckeln...

Nein!

Er überlegte, ob er sich eine Waffe besorgen sollte. Das Messer war ein alter Klassiker, aber diese Dinger lagen ebensowenig auf der Straße herum wie geladene Revolver.

Damit blieb offenbar nur noch eins: von einem hohen Ort herunterspringen und hoffen, daß das genügte. Gabriel blieb aufgrund dieser Erleuchtung mitten auf der Straße stehen - und sprang entsetzt beiseite, als ein Auto laut hupend auf ihn zuhielt.

Er landete im Rinnstein, wodurch seine ohnehin ramponierte Kleidung noch ein wenig mehr litt und schlug sich selbst gegen den Kopf. "Scheiße!" schrie er laut genug, daß jeder es hören konnte. "Hätte ich Trottel nicht stehenbleiben können?! Dann hätte ich es jetzt hinter mir!

Verdammte Reflexe!"

Knurrend rappelte er sich auf, schüttelte etwas von dem Gossendreck ab und warf einen Blick auf seine Füße. Das blöde Auto hatte es ja nicht einmal geschafft, ihm über die Zehen zu fahren, obwohl er wirklich nahe genug dran gewesen war!

Gabriel erinnerte sich an den Witz, den Michael ihm vor kurzem erzählt hatte und der bis heute nicht so richtig in sein Bewußtsein gesickert war: >Was bekommt ein Holländer, der dreimal durch die Führerscheinprüfung gefallen ist? - Ein gelbes Nummernschild.<

Langsam verstand der Todesengel allerdings, was es damit auf sich hatte.

Diese Typen waren ja noch zu dämlich einen über den Haufen zu fahren, egal wie extrem lebensmüde man sich auf die Straße stellte.

Nichtmal Lael hätte ihn verfehlen können!

Allerdings war zu bedenken, daß Gabriel in seinem unendlichen Glück offenbar das einzige Volk gefunden hatte, das ausschließlich aus Laels bestand.

-Hätte ich nicht auch in Rom herunterfallen können? Da fahren alle wie die Idioten, keiner kümmert sich um die Fußgänger, ich wäre in der Heimat des Espresso gewesen und hätte vor meinem irdischen Abgang noch kurz beim Papst vorbeischauen können!- regte er sich auf. Dieser Erdentrip wurde schlimmer und schlimmer.

Langsam überlegte Gabriel wirklich, ob er tatsächlich sterben sollte oder ob es doch besser war, sich einer terroristischen Organisation anzuschließen, ein paar Atombomben zu klauen, den Dritten Weltkrieg auszulösen und damit diesen >Planet der Volldeppen< ein für allemal von seiner hirnlosen Fracht zu säubern.

Doch er mußte sich eingestehen, daß er dazu ein zu gutes Herz hatte.

Nicht wegen der Menschheit.

Die hätte Gabriel problemlos und mit einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen ausgemerzt. Das Problem war: wenn er noch länger auf der Erde blieb, würde im Himmel todsicher alles drunter und drüber gehen.

Die bekamen doch absolut NICHTS auf die Reihe ohne ihn! Er war die wichtigste Person in der Sphäre.

Er DURFTE einfach nicht noch länger verschollen bleiben.

Und er hoffte - für die Kyriotetes - daß es keine 200 Jahre dauern würde, bis er einen neuen Körper bekam.

Die himmlischen Beamten ließen sich traditionell Zeit mit dem Ausfüllen von Formularen. Sie malten ein bißchen, sahen fern, redeten über den Untergang der Titantic, den diese dummen Dynameis mit ihrer beschissenen Wetterpolitik ausgelöst hatten und hockten auf ihren fetten, nicht vorhandenen Ärschen.

Als einer von Gabriels fleißigsten Seelensammlern während des Dreißigjährigen Kriegs seinen Körper verlor, dauerte es bis zum Fall der Berliner Mauer, bis er einen neuen hatte!

Und das schlimme daran war: wenn diese körperlosen Plaudertaschen aus dem vierten Chor bei der Bewilligung eines neuen Körpers für Gabriel trödelten, konnte er ihnen nicht einmal dafür in den Hintern treten. Weil er zu diesem Zeitpunkt keinen Fuß haben würde - und weil die Kyriotetes keine Hintern hatten.

Es war zum Auswachsen!

Doch es änderte leider nichts an Gabriels derzeitigen Schwierigkeiten.

Die bestanden - abgesehen von dem menschlichen Körper, der ihn nervte - im Augenblick auch aus einem undefinierbaren, schmuddeligen, klebrigen Kind, das auf ihn zugetapst kam, mit seinen Süßigkeitenfingern nach seinem Umhang langte und mit feindseliger Stimme fragte: "Onkel, kaufst du mir'n Eis?"

Gabriel fühlte sich an Lael erinnert.

Angesichts dieser Umstände sollte man Holland vielleicht gleich in Lael-Land umbenennen.

Er zischte böse: "Nein! Und jetzt verzieh dich, Knirps!"

"Onkel, du hast doofe Ohren..." sagte das Kind.

Gabriel hob die Brauen.

Erstaunlich, daß noch niemand dieses kleine Ergebnis eines geplatzten Kondoms über den Haufen geschossen hatte. Und schade, daß sie nicht in New York waren. Dort hätte man das bestimmt längst getan.

"Dich hol ich mir als ersten, sobald ich meine Sense wiederhab!" versprach der Todesengel grimmig und sah zu, daß er schnellstens abtrat, denn die walzenförmige Mutter des Ungeheuers war im Anmarsch.

Was auf der Erde alles frei herumlief...

Unfaßbar.

-Wo könnte ich mich jetzt runterstürzen?- dachte Gabriel, nachdem er sich mental ein wenig ausgetobt hatte. -Ich brauche ein hohes Gebäude oder eine Brücke...

Von der Autobahnbrücke vielleicht?-

So weit wollte er eigentlich nicht laufen. Es mußte doch auch eine Brücke in der Stadt geben. Suchend sah er sich um.

Da waren tatsächlich welche, aber alle sehr niedrig und nur über ein paar dumme Wasserkanäle gespannt. Nichts, was zum Selbstmord taugte.

Ziellos streunte er durch die Stadt.

Ein paar Typen versuchten ihm einen Ghettoblaster anzudrehen, aber er lehnte ab. Er hatte kein Geld und mit dem Ding konnte er höchstens seine Trommelfelle und seine Hirnzellen töten. Trotzdem fiel ihm die Entscheidung nicht leicht. Das Gerät war immerhin groß und schwer und wenn es einem mit etwas Kraft auf den Kopf gehauen wurde, konnte es bestimmt Schaden anrichten.

Als er die >Typen< fragte, wie sie auf ein solches Anliegen reagieren würden, rannten sie schreiend davon.

Mehrere Jungs in billigen braunen Kunstlederjacken hielten ihn an und wollten ihm Drogen verkaufen. Eine dicke ältere Frau hielt ihm ein Paar bemalte Holzschuhe unter die Nase. Wenn die Teile so unbequem waren wie sie aussahen, konnte er sie sich höchstens über den Kamin hängen. Und er hatte keinen Kamin.

Doch,... die Clogs sahen massiv aus.

Und wieder Fehlanzeige: zu seinem Pech weigerte sich auch die Holzschuhverkäuferin, ihm mit ihrer Ware den Schädel einzuschlagen.

Entmutigt setzte Gabriel seinen Weg fort. Er kam an ein schmales Geländer und warf einen traurigen Blick darüber.

Autos.

Unmengen von Autos.

Eine Todesbrücke!

Und er war ein Todesengel.

Naja, im Moment wohl eher nicht. Urplötzlich fragte er sich, welcher Seelensammler wohl kommen würde, um seine Seinssphäre einzusammeln.

Er hoffte, es würde Amos sein.

Dann konnte er gleich Anweisungen in Bezug auf Thomas und Samuel erteilen, damit sie schnellstmöglich geschnappt und in die Kerker gesteckt wurden.

Langsam kletterte er über das Geländer und beobachtete die Autos. Da würde er gleich runterspringen. Für einen richtigen Menschen wäre das sicher ein radikaler Schritt.

-Ein Schritt, den ein richtiger Mensch niemals tun sollte,- dachte er. Aber für ihn... er WUSSTE, daß er... naja, >wiedergeboren< werden würde.

Seine Seinssphäre konnte nicht wirklich sterben.

Als richtiger Mensch hätte er viel zuviel Schiß, sich von der Brücke zu werfen.

Aber auch so kamen Gabriel Zweifel.

Er dachte an die ganze Sauerei auf der Fahrbahn, das Durcheinander und die Aufregung, die dadurch entstehen würden.

Und als er kurz davor war, NICHT zu springen, rief ihm jemand durch ein Megaphon zu: "Ganz ruhig bleiben, Herr Gabriel! Wir bringen Sie zurück ins Krankenhaus! Es wird alles wieder gut!"

Bei dem Wort >gut< hatte er sich abgestoßen.

Zurück ins Krankenhaus? -Vergeßt es!-

Er landete auf dem weiten, weichen Planendach eines hohen Lkw.

...

Das war mal wieder typisch!

Verdammte Vorsehung!

Verdammte Schutzengel!

Er hätte nie damit gerechnet, daß er auch einen Schutzengel zugeteilt bekam, wenn er vermenschlicht wurde... Aber anscheinend war es so.

-Raphaels Blödmänner haben offenbar nicht genug zu tun!- fluchte er still vor sich hin, während der Lkw weiterfuhr. Als er an einer Ampel anhalten mußte, ließ Gabriel sich herunterfallen, wobei er sich auch noch den anderen Knöchel verstauchte.

Und auf zwei Beinen humpelnd bot er nicht gerade einen beeindruckenden Anblick. Außerdem kam er auch nur langsam voran.

Irgend jemand da oben wollte nicht, daß er starb.

Gabriel warf einen finsteren Blick in den sonnenhellen, leicht bewölkten, hellblauen Himmel über sich.

Er konnte sich schon denken, wer der Arsch war.

Der würde auch was erleben...

Mit schlurfenden Schritten näherte der inzwischen etwas zerfledderte Todesengel sich einem hohen Gebäude. Und brach fast zusammen.

Das Krankenhaus!

Er hatte den Hirnis auf der Brücke nur die Benzinkosten gespart!

Resigniert ließ er sich auf den immer noch schmerzenden Hintern fallen. Das Gras unter ihm war feucht und eklig kalt und außerdem gehörte es zum Anwesen des Krankenhauses. Ein paar Passanten warfen ihm Münzen vor die Füße.

-Was ist dennn JETZT los?!

...

Na toll!

Die halten mich für einen Penner, der hier bettelt!

...

Tja, wenn ich ein paar... Monate die Stellung halte, kann ich mir ein Messer kaufen. Aber bis dahin bin ich längst erfroren, verhungert oder von den Spinnern zurück ins Krankenhaus geschleppt worden!-

Und dann dachte er: -Warum eigentlich nicht?

Es IST ein großes Gebäude.-

Die intelligente Hälfte seines Hirns schaltete sich ein und sagte: -Weil sie dich, sobald du unten ankommst, gleich vom Asphalt kratzen und wiederbeleben werden!

Es gibt nichts dämlicheres, als von einem Krankenhausdach zu springen, um Selbstmord zu begehen! Die haben alle Mittel und Geräte, um dich gegen deinen Willen zurückzuholen.-

"Vielleicht sollte ich jemanden um Sterbehilfe bitten, das ist in Holland doch erlaubt, oder?" fragte Gabriel sich selbst.

Aber er gab sich keine Antwort mehr.

-Wow.

Langsam drehe ich durch!-

-Wer von uns beiden? Du oder ich?-

-Du existierst doch gar nicht! ICH bin hier der Chef!

Und jetzt raus aus meinem Kopf!-

-Geh ja schon... Alter Miesepeter...-

Als er wieder allein in seinem Hirn war, stand Gabriel auf, sammelte die Münzen ein und ging zum Haupteingang.

>Born to collect<. Geboren um zu sammeln.

Plötzlich fiel ihm dieser blöde Spruch wieder ein, den Michael mit Neonfarbe auf seinen Mantel gekritzelt hatte. Auf Michaels eigenem Umhang stand >Born to destroy<, geboren um zu zerstören.

Und Michael und Gabriel hatten gemeinsam auf Raphaels Kittel folgende Mitteilung genäht: >Born to be dope<.

Gabriel liebte das englische Wort >dope< abgöttisch. Er hatte einen >dope<-Sticker auf seiner Sense, einen >dope<-Espressobecher auf dem Schreibtisch und ein >dope<-Bild an seiner Bürowand, auf dem Homer Simpson abgebildet war, wie er das d-Wort sagte.

Dope, das bedeutete >blöd, bescheuert, dämlich< oder einfach >Blödmann<.

Das war einer der Gründe, weshalb sie es auf Raphaels Kittel verewigt hatten:

Geboren um dämlich zu sein.

Es bedeutete zweitens >Schlafmittel< und Raphael war so einschläfernd wie Valium, das mußte man mal ganz klar sagen! Außerdem war er Arzt...

Die dritte Bedeutung von dope war >Drogen<. Und wer jemals länger als drei Minuten Raphael zugehört hatte, mußte ernsthaft annehmen, daß er einen LSD-Flash hatte oder unter Aufputschmitteln stand.

Uriel hatte natürlich keinen Umhang, aber er hatte sich von Maragda etwas eintätowieren lassen: >Born to burn<, geboren um zu brennen. Auch sehr passend.

Gabriel warf das Geld in einen Kaffeeautomaten und zog sich einen Espresso.

Der Pappbecher ploppte in seine eiskalte Hand, füllte sich mit irre heißer Flüssigkeit und das Gerät piepte. Zufrieden schnappte der Todesengel sich seinen letzten Drink, ging zum Fahrstuhl und schaffte es, eine freie Kabine zu erwischen, ohne dabei erwischt zu werden.

Er wollte ins oberste Stockwerk. Und verschüttete fast seinen Espresso.

Dieser Becher war so dünn und der Kaffee so heiß!!! Er konnte ihn kaum halten und etwas von der kochenden schwarzen Brühe schwappte von der Bewegung über und tropfte auf seine Socken. Er verbrannte sich die Hand an den Schwällen, die über den Rand hinweggingen und nicht sofort herunterfielen.

Siedend heiß gab seine menschliche Haut Alarmsignale, die er nicht mehr lange ignorieren konnte. Aber er wollte den Becher nicht abstellen und er wollte nicht eher trinken, als bis er auf dem Dach war!

Als der Fahrstuhl endlich hielt, heulte er fast und stolperte tränenblind hinaus. Das war ein Fehler. Ein unverhüllter Blick zeigte ihm, daß er auf einer Station gelandet war.

-Herrgott, ich wollte doch ganz nach OBEN!!!- kreischte er verzweifelt, aber stumm, um die Komapatienten um sich herum nicht zu wecken. Mit der freien Hand schlug er kräftig auf den Drücker am Aufzug.

Es vergingen Minuten.

"Verdammte Scheiße!" brüllte Gabriel durch die gesamte Station und machte sich auf die Suche nach einer ordentlichen Feuertreppe, wobei er den glühenden Becher von einer schmerzenden Hand in die andere wechselte, um nicht in Flammen aufzugehen.

Nach einer endlosen Irrfahrt durch sämtliche Nischen und Ecken der Etage gelangte er zu einem schmalen Fenster. Draußen gab es eine rostige Feuertreppe. Mit etwas halsbrecherischer Akrobatik - und ohne den Espresso loszulassen - schwang Gabriel sich hinaus. Wieder vergingen kleine Ewigkeiten, bis er endlich sicher auf den Gitterstufen stand.

Erleichtert, aber mit zitternden Händen, stellte er seinen Becher auf dem Fensterbrett ab. Jedenfalls hatte er das vorgehabt.

Doch die schiefe Pappkonstruktion kippte, sobald er sie losließ und ergoß sich die Wand entlang nach unten.

"Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!!!" schrie Gabriel. Er ballte die Fäuste. "Warum tust du mir das an?! Nur weil ich dich wegen Mobbing beim Chef verpetzt habe?!" Das galt Michael, der mit Sicherheit hinter dem ganzen Ärger stand und sich von oben ins Fäustchen lachte.

Natürlich konnten all die >Zufälle< nicht nur Zufälle sein. Und Michael hatte ein paar Kumpels bei den Dynameis (die für Wunder und ähnliches verantwortlich waren...).

"Jetzt lohnt es sich wirklich nicht mehr, weiterzuleben!" grummelte der Herr der Seelensammler finster und zog sich mit halb verbrannten Händen an den rostigen Sprossen hoch.

-Wenn ich bloß nicht abstürze!

...

Was DENKE ich da eigentlich...?-
 

Wird fortgesetzt...
 

Tja, ich habe mich etwas bei der Radioshow >Satan - Die Serie< von S1 live bedient. Diese Show ist echt cool.

Ich versuche mal in groben Zügen den Inhalt einiger Spots wiederzugeben:

1.

Satan: Ich bin der Höllenfürst und von diesem Kinderspielplatz aus werde ich die Weltherrschaft an mich reißen!

Kind (mit schwuler Stimme): Onkel, gehst du mit mir rutschen?

Satan: In den Staub, Fliegendreck! Ich bin Luuuuuuuzifeeeeeeeeeeer!

Kind: Luzi ist 'n Mädchenname! Du hast 'n Mädchennamen!

Satan (im typischen >menno!<-Ton): Hab ich ni-iiiiiiiicht!

Kind: Doch, du hast 'n Mädchennamen! Onkel, bist du schwu-uuuul?

Satan: Nein! Ich bin der Höllenfürst!

Kind: Mit 'nem schwulen Mädchennamen!

Satan: Ach, zerstör dich doch selbst! (geht fluchend ab)

Kind: He, Onkel, wart mal, kaufst du mir'n Eis?

2.

Satan: Ich bin der Höllenfürst und von dieser Telefonzelle aus werde ich die Welt...

(das Telefon klingelt)

Satan: (nimmt ab) Hallo?

Anrufer: Hildegard?

Satan: Nein, hier ist Satan.

Anrufer: Och, Entschuldigung, da hab ich mich verwählt! Tschüß. (legt auf)

Satan: Grrrrrrrr, so, wo war ich stehengeblieben? Von dieser Tele...

(das Telefon klingelt)

Satan (nimmt ab): Ja?

Anrufer (derselbe wie vorhin): Hildegard?

Satan (deutlich wütender): Nein, hier ist Satan. Der Höllenfürst!

Anrufer (blöd): Sind Se sicher?

Satan: Ja-haaaaaaaaaa!

Anrufer: Okee,... (legt auf)

Satan: Also,...

(das Telefon klingelt)

Satan: Aaaaargh, Scheiße, was ist denn JETZT schon wieder?! (nimmt ab) Hallo?

Anrufer (wieder derselbe): Ist da die Feuerwehr?

Satan (überrascht): Ich dachte, Sie suchen Hildegard!

Anrufer: Ach, Hildegard, wußt' ich doch, daß du das bist, ich erkenn dich doch an deiner Stimme!

Satan (knallt den Hörer auf und verläßt die Telefonzelle): Verdammte Scheiße! Hier kann man wirklich nirgends in Ruhe...

Fußgänger: Oh, entschuldigen Sie, wenn Sie gerade nicht telefonieren, könnte ich dann... (sieht genauer hin) Mensch, das gibt's ja nicht, HILDEGARD!!!

Ärger mit dem Tod an sich, Seelensammlern und einigen Höllischen, die gar nicht fassen können, was ihnen da in den Schoß gefallen ist, als sie gerade mal wieder beim Kuchenbacken waren

Falling Down
 

Teil 5
 

Auf der schwankenden Leiter kletterte Gabriel nach oben.

Er fluchte was das Zeug hielt und gab sich nicht die geringste Mühe damit, das in seiner Sprache zu tun. Sollten ruhig alle Holländer hören, was er von ihnen hielt!

Als er endlich das Dach erreichte, war er so fertig, daß er sich erst einmal flach auf den Bauch legen und verschnaufen mußte. Beim Aufstehen bemerkte er dann etwas, was seine Laune noch um einige hundert Punkte verschlechterte: Natürlich hatte er sich in Taubenkacke gelegt.

...

-Ganz ruhig, Gabriel,....- sagte er zu sich selbst und stapfte mit einem weiß besudelten Hemd von der Feuertreppe weg. Am besten, er sprang von der Rückseite des Krankenhauses, wo es nicht so offensichtlich war.

Schließlich hatte er die perfekte Stelle gefunden - nur, daß es sich damit wie mit einer öffentlichen Toilette verhielt: sie war bereits besetzt.

"Was zum Teufel machst du hier?!" brüllte der Todesengel den Mann im Krankenhaushemdchen an, der seinen Platz besetzte.

Der Selbstmörder drehte sich um. "Sind Sie Polizist?" fragte er mit glasigen Augen und musterte Gabriel kritisch.

"Wie seh ich denn aus?!" fuhr der ihn an.

"Wie ein..."

"Das war eine rhetorische Frage, du Blödmann!!!

Und jetzt weg da, ich will springen!"

"Na, und was glauben Sie, was ICH hier mache? Picknicken?!" gab der andere, inzwischen auch etwas angesäuert, zurück.

"Ist mir egal, ich muß jetzt sterben! Also los, aus dem Weg!"

"Nein, ICH springe zuerst!" sagte der Mensch stur und rückte sich ehrfurchtgebietend sein rückenfreies Hemdchen zurecht.

Gabriel stöhnte entnervt. "Können wir nicht beide gleichzeitig springen?"

"Ähm,..." Der Mann dachte nach. "Na gut."

Der Todesengel kletterte neben ihn auf den Dachrand

"Warum wollen Sie springen?" fragte der Mensch.

"Ist das wichtig?"

"Ja, finde ich schon."

Kopfschüttelnd warf Gabriel einen Blick nach unten. "Erzähl erst deine Geschichte!"

"Meine...?

Tja, ich... war Psychologe, bekam einen Hirntumor, wurde von meiner Frau wegen der lesbischen portugiesischen Putzfrau verlassen, mein Hund wurde von meinem hundehassenden Nachbarn mit Dartpfeilen getötet, ich kam ins Krankenhaus, die stellten fest, daß der Tumor bösartig ist, ich wurde operiert, der Arzt sagte mir, ich hätte nur noch 48 Stunden zu leben und... jetzt bin ich hier.

Jetzt Sie!"

Gabriel hob die Brauen. "Tolle Story, Herr Psycho.

Jetzt will ich Ihnen mal was erzählen: Ich habe geholfen das Universum und die Erde zu bauen, meine Frau wurde verhaftet und eingesperrt, weil mein Chef schlecht drauf war, ich sammle seit Jahrtausenden Seelen von irgendwelchen Idioten, die mit mir Schach spielen wollen, obwohl sie längst abgetreten sind und ich gar keinen Einfluß auf ihre Wiedergeburt oder sonst was habe,..." Er holte Luft. "... ich muß mich ständig über meine beknackten Kollegen ärgern, von denen einer ein absoluter, sportbesessener, völlig unterbelichteter Saftsack ist, der sich am liebsten den ganzen Tag prügeln würde,... und der andere ein warmgeduschter, nivea-gecremter, sonnenbrandkriegender, einen andauernd bemutternder und nach Wehwehchen suchender Softie!

Und diese scheiß Seraphim sind so lahmarschig, daß ich mir meinen Kaffee selbst besorgen mußte und deshalb auf diesem gottverdammten Mistplaneten gelandet bin!

Nicht zu vergessen die Luschen vom neunten Chor, von denen zwei jetzt endgültig den Verstand verloren, mir die Flügel abgehackt, mich mit Espresso zum Menschen gemacht und hier zurückgelassen haben!"

"Ahaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa,...." machte der Psychoheini. "Sie halten sich also für den Todesengel Gabriel..."

"Ich halte mich nicht dafür, ich BIN es!" brüllte Gabriel.

Der Mensch sah ihn eine Weile skeptisch an. Dann fragte er: "Was passiert mit mir, nachdem ich da unten aufgeschlagen bin?"

"Ich nehme mal an, man schaufelt deine zerplatzten Einzelteile in ein paar Plastiktüten und schafft sie ins Krematorium. Oder man schüttet das Hackfleisch in einen geeigneten Sarg," vermutete der Todesengel sarkastisch.

"Nein, ich meinte, mit meiner SEELE!" erklärte der Psychologe.

"Die wird von meinen Leuten eingesammelt, durch den TÜV gejagt, dann vor Gottes Richterstuhl geschleift und verurteilt.

Wenn du ein netter Mensch warst und alles richtig gemacht hast, kommst du ins Paradies, wenn du Mist gebaut hast, kommst du in die Hölle und wenn die da oben sich noch nicht ganz sicher sind oder dein Vorstrafenregister verlegt haben, geht's ab ins Fegefeuer."

"Und was für Aussichten habe ich?"

Gabriel schloß einen kurzen Moment die Augen. "Du bist ein Selbstmörder, richtig?

...

Dann kommst du automatisch in die Hölle. Außerdem warst du Psychologe. Die landen auch alle an den Schwefelgruben, weil die die Leute nur ausnehmen und ihnen nicht helfen, sondern nur noch mehr Schwierigkeiten machen, bis man endgültig durchdreht!

EINE Strafe hast du ja schon bekommen - den Hirntumor. Aber das war wahrscheinlich nur für deine Studienjahre, als du arme kleine Ratten gequält hast. Wahrscheinlich stecken sie dich in den neunten Kreis der Hölle."

"?"

"Ganz unten. Wo es am heißesten ist.

Wo normalerweise nur die Päpste und Politiker hinkommen," ergänzte Gabriel.

Der Mensch schluckte und trat einen Schritt zurück. "Ich glaube,... ich glaube,... ich... überlege mir das nochmal..."

Doch seine Pläne wurden von einem typischen Flappen und Knattern durchkreuzt: eben landete ein Rettungshubschrauber auf dem Dach des Krankenhauses und fegte künstlich erzeugte Windböen bis zum Rand. Die beiden Selbstmörder wurden von den heftigen Windschüben davor bewahrt, eine Entscheidung zu treffen und heruntergeschubst.

Im Fallen schrie Gabriel dem Psychologen zu: "Keine Sorge, wenn es unbeabsichtigter Selbstmord war, geht's nur in den 6. Kreis!"

Sie kamen unten an und Gabriel wußte sofort, daß er tot war. Sein Astralleib erhob sich und blickte auf die noch liegende Seele des Menschen. Dann schaute er auf die Armbanduhr, die die Sauerei glücklich überlebt hatte. Es dauerte exakt elf Sekunden, bis die Stimme ertönte:

"Äh, willkommen, du bist jetzt tot. Würdest du bitte dieses Formular ausfüllen?"

Gabriel blickte entsetzt in Laels Gesicht.

Und Laels sowieso schon riesige Augen wurden noch größer. "Onkel Gabriel?"

"Du SOLLST mich nicht so nennen!" blaffte Gabriel ihn an, kurz vor dem Ausrasten. "Konnten die denn keinen anderen Deppen schicken?!"

Laels Unterlippe zitterte.

"Fang jetzt NICHT an zu flennen, Lael, ich WARNE dich!

Das ist unprofessionell!"

Lael legte trotzdem los und kurz darauf meldete sich eine zweite Stimme:

"Was ist denn, Lael?

Wer hat dir was getan?"

"Na also! Endlich ein vernünftiger Seelensammler!

Los, transportier mich ab!" befahl Gabriel erleichtert.

Jeremias betrachtete ihn überrascht. "Was macht DU denn hier, Herr?"

"Ich bin tot, sieht man das nicht?!" keifte Gabriel.

"Dann mußt du das Formular ausfüllen," sagte der Seelensammler und drückte ihm Astralpapier und einen Astralkulli in die Hand. "Hast DU Lael zum Weinen gebracht?"

Gabriel nickte abwesend. "Er wollte mich doch tatsächlich einsammeln! Kommt gar nicht in Frage!"

Lael jammerte und heulte noch ein bißchen mehr. Jeremias nahm ihn beruhigend in den Arm und tröstete ihn.

"He, ihr sollt hier nicht eure schwulen Neigungen ausleben! Ihr seid bei der Arbeit, vergeßt das nicht!

Trödelt ihr immer so, wenn ich nicht hinsehe?!" fauchte Gabriel seine Untergebenen an. "Und haben die oben noch gar nicht nach mir gesucht?"

"Nein, ich glaube, die waren ganz froh dich loszusein, Herr," meinte Jeremias etwas ärgerlich. "Halt einfach still, dann sammelt Lael dich ein."

"Nein! Auf keinen Fall!

Nimm DU mich mit, Jeremias! Lael kann den Menschen übernehmen!" wehrte der Todesengel sich.

"Ich verstehe gar nicht, was ihr alle gegen Lael habt! Verdammt, er ist doch ein netter Kerl! Und er ist gar nicht so dumm. Ihr macht ihm immer nur Angst und dann fängt er deswegen an Fehler zu machen!" fluchte Jeremias und nahm Gabriel Formular und Stift ab.

"Auf dem Ohr bin ich taub, Freundchen!" ließ sein Chef verlauten. "Ich will schließlich rauf und nicht irgendwo im Park gegen einen Lolli eingetauscht werden."

Das Wort Lolli rief den kleinen Seelensammler wieder auf den Plan. "Hast du Süßigkeiten für mich,... Herr?"

"Sehe ich so aus?" fragte Gabriel monoton. Er erinnerte sich an Laels himmlische Spitznamen: Mamtakim (Süßigkeiten), Sukarijot (Bonbons), Uga (Kuchen), Miskeret (Zuckerdose), Ugijot (Kekse), Rafrefet (Pudding), Shamenet (Sahne) und - last but not least - der komplizierteste, den Abib Lael gegeben hatte: Gelilat-Tufin (Biskuitrolle).

Lael musterte den Astralleib seines Vorgesetzten gründlich. "Ist das eine Zuckerstange?"

"Nein, ist es NICHT!!! Und jetzt sieh nicht dauernd da hin!" fuhr Gabriel ihn an.

Das war ihm peinlich.

"Komm, Lael, sammel den Herrn ein, wir müssen wieder zurück," sagte Jeremias, der inzwischen die Daten des menschlichen Toten zu Protokoll genommen hatte.

"ICH WILL ABER NICHT!!!" schrie Gabriel wütend.

"Mit Verlaub, Herr, das interessiert mich einen Scheißdreck," gab Jeremias zurück und schnappte sich die Seele. "Du kannst mich gern rausschmeißen, sobald du von den Kyriotetes einen neuen Körper bekommen hast, aber ich muß dir einfach mal sagen, daß du ein unglaublicher Vollidiot bist!

Wenn DU nicht dauernd noch auf Lael herumhacken würdest, hätten die anderen aus unserem Chor es auch nicht so auf ihn abgesehen. Und wie du mit uns allen umgehst ist ziemlich ungerecht!

Ich kann Samuel und Thomas verstehen!" Damit schulterte er den toten Psychologen und flog mit ihm davon.

Lael rückte vorsichtig näher und beäugte die Verbindungsleine zwischen Gabriels Körper und seinem Astralleib. "Soll ich dich losschneiden, Herr?"

"Natürlich, was denn sonst? Mir bleibt ja keine andere Wahl!" seufzte Gabriel und ließ sich von Lael einpacken.

Dann wurde er emporgetragen.

-Jetzt wird alles gut,- dachte er noch, als Lael plötzlich anhielt und sich auf einer Wolke niederließ. Er wußte genau, daß er eigentlich dafür zu schwer war und flatterte deshalb aushilfsweise mit den Flügeln, um nicht einzusinken.

"Was soll das, Lael?!" knurrte Gabriel.

Lael wischte sich die Stirn, obwohl da nichts war. "Puh, du bist schwer, Herr! Ich bin schon ganz müde. Jeremias und ich haben heute schon 6415 Seelen gesammelt!

Darf ich bei Kaleb übernachten?"

"Bei der Kapelle?! Du spinnst wohl!" rief Gabriel, der sich wunderte, daß er Lael nicht mehr sehen konnte. Dann merkte er, daß er in die Wolke gerutscht war. Lael hatte ihn einfach abgelegt und weil Gabriel keine Flügel mehr hatte, konnte er sich auch nicht über der durchgängigen Sitzgelegenheit halten... Er sank immer schneller nach unten.

"LA-EEEEEEEEEEEEEEEEEEL!!!" brüllte er noch, doch von oben kam nur ein unsicheres: "Herr? Bist du Süßigkeiten für mich holen gegangen?"

Resigniert ließ Gabriel sich fallen. Die Wolke war schnell durchquert und er fiel durch die leere Luft, viele tausend Meter hinunter zur Erde, die er glatt durchschlug. Erst roter Sand bremste ihn.

Er wußte, wo er gelandet war. "Saaaaaaaamieeeeeeeelll!!!" schrie er, sobald er seine Stimme wiederhatte. Es roch nach Kuchen.

"Ist nicht da," fauchte ihn ein rothaariger Engel mit rosa Backschürze an.

"Wer bist du?" fragte Gabriel und dachte: -Der hat bestimmt mal zur Kapelle gehört...-

"Avazal."

"GOTTES ENTE?!!!" wiederholte Gabriel. "Woher hast du denn den bescheuerten Namen?!"

Avazal zuckte mit den Schultern. "Du willst zum Boss? Der ist auf der Erde und verführt ein paar Staatsmänner.

Aber seine Liebste ist da. Willst du mit Lilith sprechen?"

"Soll mir auch recht sein," grummelte Gabriel und folgte dem gefallenen Engel durch die roten Gänge. "Ihr habt hier nicht zufällig einen Espressoautomaten?"

"Herr, du bist tot," erinnerte Avazal ihn. "Nicht einmal du kannst in dem Zustand irgendetwas zu dir nehmen."

Niedergeschlagen schlich der Todesengel weiter. Endlich erreichten sie Samiels und Liliths private Höhle. Avazal räusperte sich und von drinnen ertönte eine schläfrige Frauenstimme: "Wer ist da? Und ist es wichtig?"

"Avazal," antwortete der Höllische. "Lilith, Gabriel ist hier und er ist tot."

Die Höllenfürstin schob den Vorhang beiseite und sah hinaus. "Was?!"

"Ähm,..." machte Gabriels Begleiter.

"Kann ich reinkommen?" fragte Gabriel höflich.

"Meinetwegen," murmelte Lilith und trat zurück. Avazal verschwand, als der Todesengel Samiels >Appartment< betrat.

"Was ist passiert?" wollte die Nächtliche wissen.

"Das ist eine verflucht lange Geschichte, auf die ich im Moment keine Lust habe! Ihr habt doch eine Direktleitung zu Metatron, nicht wahr?!"

Lilith nickte und zeigte auf etwas, was eigentlich nicht in eine Höhle gehörte: ein Bart Simpson-Telefon. "Samiel mag ihn," erklärte sie halbherzig.

"Wen? Bart oder Meta?"

"Bart!"

"... Kann ich telefonieren?"

"Muß ich rausgehen?"

"Nein, bleib ruhig," sagte Gabriel und schnappte sich das Telefon. Er brauchte nicht zu wählen, es klingelte automatisch bei Metatron, wenn er den Hörer abhob.

Allerdings klang die Stimme am anderen Ende nicht gerade nach dem Sprachrohr Gottes... "Hier Telefonauskunft Tokio, wie kann ich Ihnen helfen, ehrenwerter Herr?"

"Lilith? Haben die Japaner den Himmel gekauft?" raunte Gabriel ihr überrascht zu.

"Ach, nein, das sind bestimmt nur wieder Probleme in der Leitung! Hau Bart ein paar Male auf den Hintern, dann geht's schon wieder!" meinte sie.

Gabriel tat, was sie vorgeschlagen hatte und tatsächlich konnte er sich bald über die Stimme des Seraphen freuen.

"Meta, alter Spanner!" rief er glücklich aus. "Hier ist Gabriel!"

"Aha. Samiel, verarschst du mich schon wieder?" fragte Metatron am anderen Ende. "Kompliment, du hast deine Stimme echt gut verstellt. Aber jetzt laß den Quatsch, wir haben zu tun - Lael hat Gabriel verlegt."

"Verdammt, Meta, ICH bin's! Ich bin in der Hölle! Schick mir sofort zwei zuverlässige Seelensammler, die mich abholen sollen!"

"Gabriel?" Offenbar glaubte Gottes Sprachrohr ihm so langsam doch noch.

"Jaaaaaa-haaaaaa!"

"Wie bist du denn da hingekommen?!"

"Lael hat mich auf einer Wolke abgesetzt und weil ich keine Flügel mehr habe bin ich abgestürzt, habe die Erdkruste durchschlagen und bin hier unten gelandet. Lilith läßt mich freundlicherweise das Telefon benutzen!"

Metatron räusperte sich. "Na gut, wir schicken dir Michael."

"NEIN! Seid ihr wahnsinnig?!

Wißt ihr, was hier los ist, wenn MICHAEL in der Hölle auftaucht?!"

"Ja, er holt dich ab," bemerkte Metatron, der anscheinend nicht ganz kapierte, was Michael von den Gefallenen hielt.

"Hier wird ein weiterer Krieg ausbrechen, wenn du diesen um sich schlagenden Hirni herschickst! Schick lieber Jam und Orel - von meinen Jungs!" drängte der Todesengel.

"Wer?"

">Wen< heißt das!" verbesserte Gabriel. "Jam und Orel - soll ich es buchstabieren?!"

"Nicht in DEM Tonfall, Freundchen!" beschwerte Metatron sich und knallte den Hörer auf.

"Kommt er?" fragte Lilith.

"Nein."

"Schickt er jemanden?"

"Das will ich hoffen."

"Schlaf erstmal ein bißchen. Du siehst fertig aus."

"Ich BIN fertig," berichtigte Gabriel und ließ sich hintenüber in den Sand plumpsen. "Aber zum Schlafen werde ich garantiert nicht hierbleiben. Du kannst dir ja wohl vorstellen, was los ist, wenn dein Göttergatte heimkommt und mich quasi hier in eurem >Bett< findet...!"

Lilith grinste. "Hör mal, Samiel ist nicht so dumm. Er weiß, daß ich nichts mit einem Astralleib haben kann."

"Ja, ich hoffe, das weiß er auch noch, wenn er mich sieht und völlig durchdreht!" knurrte Gabriel und war schon halb weggedämmert. Er hätte nicht gedacht, daß man so müde sein konnte, wenn man gar keinen Körper mehr hatte.

Lilith ließ ihn schlafen und verließ die Höhle.
 

Wird fortgesetzt...

Rückkehr in den Himmel und Ärger mit lahmarschigen Beamten

Falling Down
 

Teil 6
 

Das erste, was Gabriel nach dem Aufwachen sah, war ein schmales, helles Gesicht, das sich über ihn beugte. Erschrocken fuhr er hoch und rutschte auf dem Hintern von der Erscheinung weg.

"Was ist denn, Schatzi? Ich wollte dich nur wachküssen!" verkündete Samiel anmaßend grinsend.

"Du hast sie ja wohl nicht alle!" fluchte der Todesengel. Wenn er daran dachte, daß er all den Ärger nur wegen seiner Kaffeesucht hatte, wurde ihm speiübel!

"Ooooooooooooch, nun zier dich doch nicht so!" beschwerte der Höllenfürst sich. "Atara mochte das immerhin auch..."

"WAS?!"

"Wer - muß es heißen," verbesserte Samiel. "Wußtest du nicht, daß Atara und ich mal fest miteinander gegangen sind, bevor ich Lilith hatte?"

"Aaaaaaargh!

Mußt du mir das gerade JETZT erzählen?!" schrie Gabriel. Ihm war schlecht und wenn er einen Körper gehabt hätte, hätte er sich sicher übergeben. "Als ob ich heute noch nicht genug zu leiden gehabt hätte!"

"Heute? Die letzten paar Tage, meinst du.

Für einen Menschen wäre das ein ganz normaler Wochenablauf."

"Ah, Menschen werden jeden Tag überfallen, verstümmelt, gegen ihren Willen ins Krankenhaus eingeliefert, in den Arsch gepiekst, gefoltert, fast von Autos überfahren, fallen von der Brücke und landen auf einem Lkw, werden für Penner gehalten, fallen vom Dach eines Hochhauses, weil ein scheiß Hubschrauberpilot zu dämlich ist, seinen scheiß Hubschrauber woanders zu landen, werden von Lael auf einer Wolke abgesetzt, durch die sie durchfallen, landen in der Hölle und müssen sich von Metatron beleidigen und von dir abknutschen lassen oder wie?!"

"Naja," lachte Samiel. "Vielleicht nicht alles zusammen, aber im wesentlichen... Ja."

"Glaub ich nicht!" knurrte Gabriel.

"Dann frag mal Ernie, dem ist das GENAU SO passiert," sagte Lilith, die hinter ihrem Mann aufgetaucht war.

"Wen?"

"Ernie. Ist erst seit gestern hier. Metatron war gemein zu ihm, deshalb sitzt er jetzt bei Astaroth in der Höhle und spielt Schach."

"Gegen sich selbst," ergänzte Samiel. "Ernie ist nämlich schlimmer dran als du: nicht mal Astaroth will mit ihm spielen."

"Das ist doch Quatsch!" behauptete Gabriel.

"Nein, wirklich, und Ernies Bruder ist auch von einem Hochhaus runtergweht worden, so wie du. Aber er wurde von Jeremias abgeholt..."

"Jetzt hört mir doch auf mit eurem verdammten Ernie!" brüllte Gabriel, der langsam wirklich Migräne bekam.

"Willst du ein Aspirin?" fragte Lilith besorgt.

"Steck dir dein verficktes Aspirin sonstwohin, Lilith!" fuhr Gabriel sie an. "Das ist ja nicht zum Aushalten hier!"

"ACH, und was dachtest du, warum man es die HÖLLE nennt?!" blaffte Avazal ihn vom Höhleneingang aus an.

"Na toll, Gottes Ente!" stöhnte der Todesengel.

"Hast du was gegen meinen Namen?! Dann komm raus, das können wir gleich da austragen!" knurrte der Gefallene angriffslustig.

"Avazal, bring ihn raus!" befahl Samiel, dem inzwischen nicht mehr nach Grinsen zumute war. Wenn jemand seine Lilith beleidigte, kam der Betreffende meist nicht so leicht davon wie Gabriel in diesem Moment.

Aber so mußte der Astralleib sich nur von >Gottes Ente< davonschleifen lassen. Avazal ließ es allerdings nicht dabei bewenden, ihn einfach nur aus Samiels persönlichem Bereich zu entfernen, sondern nahm ihn gleich mit zum Eingang der Hölle.

"Hör mal, Spinner," begann der Gefallene, "Es sieht nicht so aus, als würde Metatron dir jemanden schicken, also muß ich dich wohl abschleppen..."

"Warst du denn mal Seelensammler?" fragte Gabriel erstaunt. An jemanden mit so einem ungewöhnlichen Namen müßte er sich doch erinnnern...?

"Nö," sagte Avazal. "Ich war Racheengel."

"RACHEENGEL?!" wiederholte der Astralleib eines völlig geschockten Erzengels. "Aber... deine... KLEIDUNG..." -Ich hätte nicht gedacht, daß Racheengel sich SO geschmacklos anziehen!- fügte er in Gedanken hinzu, aber er traute sich nicht, das laut zu sagen, weil er schon froh war, daß Avazal sich bereiterklärt hatte, ihn in den Himmel zurückzubringen.

"Stimmt was nicht mit meinen Klamotten?!" fauchte Avazal.

"Ah, nein, alles in Ordnung.

Ich dachte nur, daß,... Pastellviolett vielleicht eine etwas ungewöhnliche Farbe ist für... äh..."

"Ja, das dachte der Alte auch. Deshalb bin ich geflogen."

Gabriel war schockiert. Gott hatte einen Engel aus dem Himmel geworfen, weil der sich nicht passend kleidete? Aber eigentlich überraschte es ihn auch nicht sonderlich.

Er erinnerte sich an Loriel, der gefallen war, weil er die falschen Sünden verkündet hatte, als Sodom und Gomorrha vernichtet wurden. Anstatt den Bewohnern Analsex und Sex mit Tieren vorzuwerfen, hatte Loriel verkündet, sie hätten Steuern hinterzogen und Computer geklaut. Das war wohl etwas... NACH seiner Zeit.

Bis heute wußte noch niemand, woher er die Schriftrolle mit DIESEN Sünden gehabt hatte...

Und dann gab es da noch Voltaj von den Exusiai, der für 300 Jahre in die Hölle verbannt wurde, weil er im Auftrag Gottes in menschlicher Gestalt in Ohio gewesen war, sich eine Wohnung gemietet hatte und später, als er seinen Auftrag erfüllt hatte und in den Himmel zurückkehrte, vergaß das Badezimmerlicht auszuknipsen.

Gott übertrieb es wirklich manchmal.

"Fertig?" fragte Avazal gelangweilt.

Gabriel konnte nicht gut nicken, deshalb bestätigte er mit einem "Ja" und wurde hochgehoben. "Du weißt doch, wohin?" erkundigte er sich unterwegs.

"Yo," sagte Avazal. "In den Machonon, Himmel Nummer 4!"

"Nein, nein! Bring mich besser gleich in den fünften! Ich gebe mich doch nicht mit niederen Beamten ab, ich gehe gleich zu den Chefverwaltern!" widersprach Gabriel. Sie hatten fast den ersten Himmel erreicht.

Und natürlich kam ihnen gleich ein wohlbekannter Vollidiot in Rüstung entgegen:

"Michael..." stöhnte Gabriel. "Was macht DER denn hier?!"

"War vielleicht auf der Erde und ist nur kurz in den Wilon, um sich 'n Brötchen zu schmieren..." vermutete Avazal. "Mist, ich komm nicht an mein Flammenschwert ran!"

"Laß stecken! Wenn du gegen ihn kämpfst, läßt du mich sicher fallen!" meinte Gabriel und rief seinem himmlischen Kollegen zu: "He, Shoter!

Ich bin's doch nur, Gabriel!"

"Du hättest ihn nicht Shoter nennen sollen," zischte der Gefallene. "Das ist Samiels Spitzname für ihn! Er wird dir niemals glauben...!"

"Ach was, Michael ist nicht so intelligent!"

Zu Gabriels Glück tauchte hinter ihm mit lahmem Flügelschlag Raphael auf und erkannte den Todesengel gleich.

"Äh, Aaaaaaaaaaaaaadom!" rief Raphael zaghaft.

"Verdammt, kann mich hier keiner mit meinem richtigen Namen nennen?!" brüllte Michael wütend. "Was ist denn, Blödmann?!"

"Das ist,... wie heißt der noch,... Gulgolet!" ließ Raphael sich unsicher vernehmen. "Nicht angreifen! Nicht angreifen!"

"Raaaaaaaaaaaaaarrrrrgghhhhhh!!! Ich bring ihn um! Ich bring ihn um!" ereiferte der Todesengel sich. "Wenn ich doch bloß Flügel hätte, ich würde zu ihm hinschwirren und ihn zwingen, seine idiotischen Sandalen zu fressen!!!"

Langsam reichte es wirklich.

Schließlich waren die beiden unversehrten Erzengel heran.

Michael musterte Avazal kritisch. "Ich hab dir gesagt, solange du Lila trägst, läßt Er dich nicht wieder heimkommen."

"Wieso?" wollte Raphael wissen. "Ist doch 'ne hübsche Farbe! Und außerdem sieht's für mich eher aus wie Pastellviolett..."

"Ich will ja auch nirgendwo leben, wo die Leute so unpink sind wie ihr!

Und, danke, Raphael," meinte Avazal. "Kannst du den mal übernehmen?" Damit überreichte er dem himmlischen Heiler Gabriels Astralleib.

Michael stöhnte und schüttelte den Kopf. "Ihr seid doch alle wahnsinnig! Ich bin die einzig intelligente Person hier!"

Raphael kicherte leise, beherrschte sich aber, als er sich einen gestreßten Blick seines Mitstreiters fing und flatterte ein paar Meter weit weg.

"Weißt du, was jetzt ist, Mister Pinky?" fauchte der himmlische Heerführer, als er sein Hirn genug geschüttelt hatte.

Avazal ließ sich ein paar Meter sinken. "Nö."

"Entenjagd!" Damit stürzte Michael dem davonfliegenden Gefallenen nach.

"Ach, der und seine Spielchen! Er ist ja so kleingeistig und kindisch," meinte Raphael, als er Gabriel durch den ersten Himmel trug, wo die Exusiai gerade körperlos Fußball spielten. Die Dynameis waren ausgeflogen, um schlechtes Wetter zu machen.

"Was du nicht sagst," bemerkte Gabriel.

"Tja, ich bin die einzig intelligente Person hier!" seufzte der himmlische Heiler. "Entschuldige. Außer dir."

"Das hast du gut erkannt," knurrte der Todesengel. Er erkannte Voltaj, der aus der Hölle zurück war und jetzt im Tor stand. Er sah ein bißchen zerfleddert aus, aber das ging allen so, die mal ein paar Minuten in Samiels Reich verbracht hatten.

"Und weiter geht's in den zweiten Himmel! Bitte schnallen Sie sich an und stellen Sie das Rauchen ein!" verkündete Raphael fröhlich.

In der Raquina, der zweiten himmlischen Stufe, die auch das Fegefeuer enthielt, herrschte Betrieb. Die Archai und Chor 9 hielten sich hier auf und trieben allerlei Blödsinn. Auch ein paar Seelensammler waren anwesend, was Gabriel zum Fluchen veranlaßte. "Was haben die hier verloren?! Die sollen im Zebul sein! Die spinnen wohl!"

Doch er konnte nichts tun, Raphael trug ihn weiter durch den dritten Himmel und hielt erst im vierten, an den Toren des Himmlischen Jerusalem. "Soooo, da sind wir auch schon!"

"Wenn du jetzt noch einen blöden Stewardessen-Spruch abläßt, bist du tot, klar?!" grummelte der Todesengel und sah sich um. "Hier sind wir falsch, ich muß zu den Chefverwaltern!"

"Die haben Urlaub!" behauptete ein Kyrios, der sich ihnen unbemerkt genähert hatte. "Was willst du denn?"

"Einen neuen Körper, sieht man das nicht?!" sagte Gabriel.

"Bedaure, wir haben Mittagspause," erwiderte der Beamte und drehte sich um.

"Ah," machte Gabriel. "Und wann ist die vorbei?!"

"Im Jahr des Herrn 2005. Auf Wiedersehn."

"Raphael," setzte Gabriel an. "Die machen 3 Jahre lang Mittagspause..."

"Ja. Und?

Du kennst doch die Beamten! Weißt du was, ich nehm dich mit zu mir, du darfst meine Katze mal halten und ich mach dir einen Tee."

"Wovon um alles in der Welt redest du da?! Hier können doch gar keine Katzen überleben! Und in meinem Zustand kann ich nicht mal am Tee nippen!"

"Oh, entschuldige!" meinte der Heiler. "Aber ich HABE eine Katze. Auf der Erde. Weißt du, ich habe mir eine Wohnung genommen, weil ich sowieso die meiste Zeit über da bin.

Sie ist weiß und heißt Mausi."

"Die Wohnung?!" fragte Gabriel, der allmählich nicht mehr durchblickte.

"Nein, du Dummi, die Katze!" antwortete Raphael mit seinem gewöhnlichen lieben Lächeln.

Seufzend ließ Gabriel sich abtransportieren. Er wußte zwar nicht, wohin es gehen sollte, aber er hatte ja auch nicht viele Möglichkeiten. Erst als er einen blendenden Schein und die Gegenwart der Seraphim bemerkte, wußte er, daß Raphael ihn zum Araboth, zum siebten Himmel, schleifte, wo sich das Fanum befand.

"Bist du bescheuert?!

Du darfst hier nicht rauf, wenn du nicht vorher deinen Körper und deine Stimme abgegeben hast!" regte Gabriel sich auf. "Das ist streng verboten!"

"Wieso? Du machst es doch auch!" rechtfertigte der Heiler sich.

"Aber ich bin... ICH!" behauptete der Todesengel. "Du kannst doch nicht einfach..."

"Doch, doch!"

Und schon war es passiert. Ein Seraph war auf sie aufmerksam geworden und näherte sich jetzt mit finsterer Miene, eingehüllt in eine Rauchwolke.

"Ah, Lord extra!" stellte Gabriel fest. "Shin.

Immer noch Kettenraucher?"

"Klar. Bis ich was besseres finde.

Was treibt ihr beiden Witzfiguren hier?" wollte Shin wissen. "Ihr Maden wißt genau, daß ihr die Körper und die Stimmen abgeben müßt, wenn ihr in den Araboth wollt!"

"Hat er doch!" meinte Raphael und zeigte auf Gabriel.

"Aber du nicht!" bemerkte Shin.

"Wir machen Rollentausch, Shin," erklärte Gabriel säuerlich. "Heute kommt er mal so wie ich sonst immer und ich mach's wie er.

Können wir hoch ins Fanum?

Ich hab mit Meta ein Hühnchen zu rupfen."

"Ja, wer hat das nicht? Der blöde Spanner!"

"Laß uns durch," sagte Raphael nur.

Und erstaunlicherweise zündete Shin sich noch eine Zigarette an und flog beiseite.

"Wie machst du das?" fragte Gabriel.

Raphael grinste und zog die Augenbrauen hoch. Für einen Moment wirkte er nicht ganz so dumm wie sonst. "Was glaubst du, wer ihm immer Gratis-Zigaretten mitbringt von der Erde?"

"Ghimel?" riet Gabriel nicht sehr überzeugend.

"Der ist immer noch nicht wieder aufgetaucht.

Also mache ICH das."

Gabriel blieb noch zirka eine Sekunde ruhig.

Dann brüllte er los: "Dann hättest du mir verdammt nochmal auch meinen Kaffee besorgen können und deine scheiß Sonnenschutzcreme oder wonach du gejammert hast!!!"

"Ich hatte gerade nichts zu tun unten.

Wieso sollte ich mir die Erde antun, wenn ich es nicht unbedingt muß? Du wirst inzwischen doch wohl gemerkt haben, wie es dort zugeht oder?" Raphael flog auf das Fanum zu. "Und jetzt mach die Augen zu, äh... ich meine..."

"Ich weiß," stöhnte Gabriel. "Das kann was werden..."
 

Wird fortgesetzt...

Ein neuer Körper, einige Engel und Gespräche, die einen Todesengel veranlassen können, den Weltuntergang herbeizuwünschen

Falling Down
 

Teil 7
 

"Was willst du, Gabriel?" fragte Metatron, als Raphael zusammen mit Gabriels Seinssphäre das Fanum betrat.

"Ist der Chef nicht da? Du klingst so normal," meinte der Todesengel.

"Der ist,... äh,... geschäftlich unterwegs," behauptete das Sprachrohr Gottes nicht sehr überzeugend.

"Er ist in der Disco," mischte der Seraph Nun sich ein.

"Was?!" entfuhr es Gabriel. "Wie kommt der denn dazu?!

Ist er wieder als japanischer Terrorist,..."

"... Tourist!" verbesserte Raphael eilig.

"...unterwegs?

Und du sollst mich nicht dauernd verbessern, Mann!

Ich drehe hier noch durch!!!"

Metatron räusperte sich. "Der Herr sucht Ghimel."

"Und wo steckt das Aas?"

"Er ist in der Disco," wiederholte Nun.

"Aha. Und was bei der ewigen Verdammnis treibt dieser Sack da?!" regte Gabriel sich auf. "Hör auf, den Schatten meines Kopfes zu tätscheln, Raphael, das nützt gar nichts!"

"Oh, entschuldige, ich dachte nur,..."

"DU denkst?! Das wär mir neu!"

"... es würde vielleicht beruhigend auf dich wirken..."

"Halt die Klappe, Softie, ICH rede!"

"Seid ihr zwei bald fertig?" fragte Metatron sarkastisch. "Was wollt ihr überhaupt?

Raphael, du kannst von Glück sagen, daß der Herr nicht hier ist, sonst hättest du ein Problem! Wie ich sehe, hast du deinen Körper und deine Stimme nicht abgelegt."

"Naja,..." setzte Raphael verlegen an, aber sein Kollege unterbrach ihn sofort.

"Ich will einen neuen Körper! Sag den scheiß Kyriotetes, sie sollen sofort ihre fetten Ärsche in Bewegung setzen und mir einen neuen Körper verschaffen, sonst knallt's!

Wenn es sein muß, fetze ich alle sieben Himmel, wenn die mir nicht SOFORT ein neues Fahrgestell besorgen, habe ich mich klar ausgedrückt?!!!" tobte Gabriels Seinssphäre.

"Äh,..." Metatron war die Kinnlade heruntergefallen bei diesem Ausbruch. "Äh,

völlig klar, Meist... äh,... Gabriel...

Nun, veranlasse alles nötige!"

"Jawohl, Chef!" rief Nun und salutierte.

Dann verschwand er schwach flatternd.

"Endlich gerät mal Bewegung in diesen Sauhaufen," knurrte Gabriel wütend. "Nicht auszuhalten, wie lahm hier alle sind!"

"Schimpf nicht an uns rum," jammerte Raphael mit weinerlicher Stimme.

"Wir können doch nichts dafür,..."

"Daß ihr so blöd seid?! Ja, das behauptet Lael auch immer!

Und hat es ihm etwas genützt?! Nein!

Ihr würdet besser mal alle die Sonderschule wiederholen! Damit ihr wenigstens über ETWAS Grips verfügen könnt!

Du bist doch noch zu dämlich, ein Malbuch zu lesen, gib's zu!"

"ICH habe Harry Potter gelesen," erklärte Metatron stolz. "Dieser... Professor Snape gefällt mir!"

"Der sieht ja auch aus wie du!" meinte Gabriel verächtlich, was ihm einen verwunderten Blick von Raphael einbrachte.

"Was?!

Ich hab den Film gesehen!" verteidigte der Todesengel sich.

Raphael und Metatron seufzten beide gleichzeitig tief und ließen die Schultern hängen.

"Schaff ihn bloß hier raus," meinte das Sprachrohr Gottes resigniert. "Ich laß mich ja gern verarschen, aber Gabriel geht mir echt auf den Sack!"

"Den du nicht mehr hast," klugscheißerte Gabriel unfreundlich. "Warte du nur, bis ich meinen Körper wiederhabe, alter Spanner!"

Raphael schwirrte schnellstens davon, wieder hinunter in den vierten Himmel.

Die Situation war immer noch nicht wesentlich entspannter. Zumindest hatten sie jetzt aber eine (fast) göttliche Weisung - und diese dummen Schreibtischhengste würden es sich ja wohl nicht einfallen lassen, sich dem höchsten Seraph des Himmels zu widersetzen... oder?

Der selbe Beamte, der vorhin schon schnippisch zu ihnen gewesen war, schlich sich gerade wieder an sie an und fragte heimtückisch: "Na, schon wieder da?"

"Ja, und deine dumme Mittagspause ist beendet, Kumpel!" grummelte Gabriel triumphierend. "Meta hat gesagt, ihr sollt mir einen neuen Körper geben!"

"Also, GENAUGENOMMEN,..." setzte Raphael an.

"DU bist still!" befahl der Todesengel.

Beleidigt schwieg sein Kollege und zog eine eine Schnute.

Der Beamte überlegte. "Najaaaaaaaaaaaa...

...

Also gut, kommt rein!"

Raphael folgte dem Kyrios ins Himmlische Jerusalem. Es sah alles unglaublich sauber und aufgeräumt aus - eigentlich genauso, wie Gabriel es mochte. Trotzdem fühlte er sich nicht wohl.

Es störte ihn, daß er diesem Aktenfuzi nicht einfach eine reinhauen konnte, wenn der sich nicht endlich beeilte.

Unglaublich, was die Kyriotetes sich erlaubten! Er war SO kurz davor, sich bei... tja, bei wem sollte er sich beschweren?

Bei den Seraphim?

Oder bei Gott?

Die Beamten wurden genauso gebraucht wie Samiel oder er selbst. Der Allmächtige würde also wahrscheinlich auch nichts gegen sie unternehmen.

Was für eine absolute Mega-Bullenscheiße!!!

Endlich erreichten sie den Corpusraum Q-7311-M/Acg.

"Was genau willst du denn für einen Körper?" erkundigte der Kyrios sich mürrisch. Es schien ihm nicht sonderlich zu gefallen, zur Abwechslung auch mal arbeiten zu müssen...

"Also, ein männlicher sollte es, glaub ich, schon sein," schlug Raphael vor.

"Natürlich, was denn sonst!" blaffte Gabriel ihn an. "Einer, mit dem ich diese Hohlbirnen hier ordentlich verdreschen kann, sobald ich drin bin!"

"Oh, da hab ich was für dich! Es wird dir gefallen!"

"Bleib auf jeden Fall möglichst nah am Original," warnte Gabriel. "Ich will nicht aufwachen und plötzlich blonde Ringellöckchen haben!"

"Keine Sorge, du kannst deine bevorzugten Farben auf dem Formular Fg-17-fj eingeben..." begann der Beamte.

"Schneller!" verlangte Gabriel monoton. "Ich habe das Bedürfnis, jemanden in seine Einzelteile zu zerlegen!"

"Soll ich dir deine Sense holen?" fragte Raphael brav.

"Ja, geh nur," meinte Gabriel. "Ich bin sicher in guten Händen bei... wie heißt du nochmal?"

"Rahab," antwortete der Kyrios abwesend und kritzelte auf einem himmlischen Formular herum. "Wie war das noch mit den Farben?"

"Schwarz, blau, weiß," entgegnete Gabriel knapp, als Raphael gegangen war.

"Ok,... und... so eine Art - Schlägertyp?"

"Nah am Original!" verlangte Gabriel genervt. Er konnte nicht fassen, daß er diesen beknackten Kyriotetes auch noch erklären mußte, wie sein alter Körper ausgesehen hatte! Das stand doch bestimmt in ihren Akten!

Und außerdem - gab es irgend jemanden, der ihn NICHT kannte?!

Der blanke Horror! Er hoffte, daß er nie wieder einen neuen Körper beantragen mußte.

Im Grunde hoffte er sogar, daß die Erde in Flammen aufgehen und Ghimel in die Hölle fallen und sich etwas wichtiges brechen würde... Aber man konnte nicht alles haben und es würde eigentlich schon reichen, wenn er seinen wundervollen Erzengelkörper für den Rest der Menschheitsgeschichte behalten konnte.

Oder zumindest das neueste Modell, das die Typen hier auf Lager hatten.

"Na gut,..." meinte der Beamte nach einigen weiteren belanglosen Fragen, die Gabriel so kurz und so gemein wie möglich beantwortet hatte. "Dann werfen wir dich jetzt mal in den Inkubator... und sehen was passiert!"

"Ich will hoffen, du machst das nicht zum ersten Mal, Rahab!" erklärte der Todesengel finster, als er in einer seltsamen Kiste verstaut wurde. Das Teil sah nicht aus, als wäre es groß genug, um einen ganzen Körper aufzunehmen, aber im Moment war er ja auch nur eine Seinssphäre...

Trotzdem: es mißfiel Gabriel, daß er sich in einen Kasten, der aussah wie eine mittelalterliche Waschmaschine setzen mußte - und er machte sich natürlich auch Gedanken, wie er da wieder rauskommen sollte.

"Oh, nein," versicherte Rahab. "Ich habe das schon mindestens tausend Mal gemacht!" Er schloß die Tür, so daß Gabriel jetzt ganz von der Außenwelt abgeschottet war und der Vorgang beginnen konnte. Als die Nährlösung einströmte und alle Daten konfiguriert waren, seufzte der Kyrios leise: "DIESMAL muß es einfach klappen! Bei 1001 Versuchen kann schließlich nicht JEDER schiefgehen..."

Doch als Gabriel sich aus dem Inkubator quetschte, ins Licht stolperte, sich die Augen rieb und in den Spiegel sah, wurde schnell klar, daß eine Sache durchaus 1001 Mal schiefgehen konnte...

"Ich bin ja blau!" brüllte der Todesengel.

"Das wolltest du doch so!" verteidigte Rahab sich. "Hier steht: schwarz, blau, weiß. Siehst du?"

"Ich meinte damit aber, daß meine AUGEN blau waren, nicht meine HAUT, du Blödmann!!!

Bist du mit Lael verwandt?!" regte Gabriel sich auf. "Und sieh dir mal meine Haare an! SCHNEEWEISS!"

"Ja, das ist ein besonderer Service von uns!" verkündete Rahab stolz. "Wir bekommen sie immer schneeweiß!

Weil wir den >Weißen Riesen< benutzen!"

Gabriel fiel mit seinem neuen Körper auf die Knie. "Ich sehe aus wie ein blauer, weißhaariger, schwarzäugiger Schlägertyp aus Michaels Truppe!

Wie soll ich denn jetzt meine Arbeit tun, wenn ich rumlaufe wie ein ein Meter neunzig großer Bodybuilder-Schlumpf ohne Mütze?"

"Kannst dir ja eine Mütze kaufen," meinte Rahab, der nicht ganz verstand, wo das Problem lag. Er hatte seine Arbeit getan, so gut wie er konnte, und das an einem FREITAG.

In der MITTAGSPAUSE.

GANZ ALLEIN.

Wieso beschwerte der Kunde sich?

Rahab hatte nur die Anweisungen befolgt.

Es war schließlich nicht seine Schuld, wenn jemand zu dämlich war, um ein himmlisches Formular richtig auszufüllen - oder ausfüllen zu lassen, weil er gerade keine Finger zum Schreiben hatte, weil er nur eine Seinssphäre war.

"Hiermit!" rief Raphael dagegen fröhlich und kam mit der langen, scharfen Sense angerannt. "Die neue Frisur steht dir!"

"Ich hab' eine Matte wie ein verdammter Rauschgoldengel zur Weihnachtszeit! Fehlen nur noch die Lamettafäden, die in die Stirnlocken eingeflochten werden!" knurrte Gabriel und entriß ihm wütend das Mordinstrument. "Grins nicht so schwachsinnig!"

"Äh, das mit dem Lametta können wie auch noch machen,..." bot Rahab gutgelaunt an. Vielleicht würde der blaue Typ dann endlich zufrieden sein und verschwinden...

"Aargh!"

Raphael konnte Gabriel gerade noch so zurückhalten - der Todesengel hatte bereits mit der Waffe ausgeholt, um den Beamten in zwei Hälften zu zerschnippeln...

"Na, na, ist DAS der Dank für unsere schnelle und unbürokratische Hilfe?!" beschwerte der sich.

"Ich mach euch alle fertig!!! Ihr seid ja völlig irre, VÖLLIG!!!" brüllte Gabriel

außer sich vor Zorn.

Seit knapp einer Woche schienen alle, wirklich ALLE - Himmlische, Menschen und Höllische - KOMPLETT durchgeknallt zu sein. Und der einzig Normale unter ihnen, der, der sich mit den Verrückten herumzuschlagen hatte, war anscheinend Gabriel.

Er schlug ein paarmal mit der Sense um sich.

Ja, das tat gut.

Aber es war immer noch nicht so ganz richtig...

"Ich will nicht mehr," heulte er schließlich. "Alles nur wegen diesem blöden Ghimel! Ich HASSE den Kerl!

Ich wünschte, es wäre endlich Apokalypse und diese ganze Scheiße wäre vorbei!

Es kann gar nicht mehr schlimmer kommen!"

Doch da täuschte er sich.

"Onkel...?" fragte eine Stimme, die der Todesengel nicht gerade im Himmlischen Jerusalem vermutet hätte. Tatsächlich wünschte er sich nach all dem sogar, diese Stimme nie wieder zu hören.

"Oh, nein," stieß Gabriel voll Horror hervor. "Nicht auch noch DER..."

Er sank wieder in sich zusammen und wippte auf den Zehen vor und zurück, während er sich am Stiel seiner Sense festhielt.

Doch das Grauen kam näher mit klebrigen Haribo-Fingern und tippte ihm auf die nackte, blaue Schulter. "Du siehst aus wie ein großes, blaues Gummibärchen, Onkel!"
 

Wird fortgesetzt...
 

Na, WEN will Gabriel nach Möglichkeit nie wieder sehen? ^^

Wir wissen es doch alle...

Schnuffi. Nellys und Pegos Schätzchen, das sich unbemerkt im 4. Himmel eingeschlichen hat und bereit ist, >Falling Down< noch ein bißchen zu verlängern. Und wie heißt er?

Damit sind wir wieder beim Tâle-Gewinnspiel: Nennt mir den Namen des Wesens, vor dem sich Thomas Gottschalk, die Haribohersteller und alle McDonald's- und Burger King-Angestellen fürchten!

Damit gewinnt ihr Teil 8!

^______________________^

Return of the smurf

Falling Down
 

Teil 8
 

*patsch patsch*

Gabriel wimmerte leise vor sich hin. Der Nervenzusammenbruch, der die ganze Zeit auf der Lauer gelegen und gewartet hatte, war nun in greifbare Nähe gerückt. Und es war ihm wirklich mehr als egal, daß Lael ihn Onkel nannte, obwohl er ihm das streng verboten hatte. "Warum ICH?"

"Keine Angst, Onkel, es wird alles gut!" sagte Lael.

-Und das von DEM...- seufzte der große blaue, schlumpfige Todesengel in Gedanken. -Da kann ich auch gleich über die Klippe springen.-

"Oh, Lael, hallo!

Hast du Lakritzschnecken für mich?" bequemte Rahab sich endlich auch einmal wieder zu melden.

Lael sah langsam von dem verzweifelten Todesengel auf und zog beleidigt eine Schnute. "Du hast Onkel Gabriel zum Weinen gebracht! Du kriegst erst wieder was von mir, wenn er nicht mehr weint!"

"Genau!" bestätigte eine weitere Stimme. Klang ganz nach Jeremias.

Rahabs Gesicht schien in sich zusammenzufallen. "Aber... aber...

Was soll ich denn heute mittag als Dessert essen?!" jammerte der dämliche Beamte.

"Mußt dir halt was einfallen lassen," meinte Raphael kühl. "Versuch's doch mal mit Sternenstaub oder Asteroiden. Die Dynameis haben bestimmt noch 'ne Menge davon übrig!

Aber vorerst könntest du mal damit anfangen, unseren Gabriel wieder herzurichten!"

Rahabs Schultern sanken nach unten. "Na gut,...

Komm schon, Onkel Schlumpfi,... äh,... Gabriel!"

>Onkel Schlumpfi< richtete sich nicht besonders begeistert auf und folgte Rahab zum Inkubator. "Ich will hoffen, daß es diesmal klappt!" knurrte er, obwohl er tatsächlich schon jede Hoffnung aufgegeben hatte, sein altes Leben zurückzubekommen. Und daß ausgerechnet Lael ihm half, machte es auch nicht gerade besser. Das konnte ja nur schiefgehen!

Mühsam quetschte er seinen blauen Bodybuilder-Körper durch die kleine Luke und setzte sich. Die Klappe wurde geschlossen, Rahab fummelte an seinen Armaturen und im Schleudergang verschwand der neue, amtlich genehmigte Muskelberg.

Zwanzig Minuten später taumelte ein etwas verbeulter Todesengel aus der Höllenmaschine. Das Haar war schwarz (vielleicht sogar noch ein bißchen schwärzer als vorher), die Augen hellblau (so wie vorher die schlumpfige Haut) und die Haut, wie gewohnt, durchscheinend weiß.

Auch die Figur stimmte wieder einigermaßen, was Gabriel offen gestanden ein wenig bedauerte, als er sich Rahab krallte und ihm eine klebte - dabei brach er sich fast die Hand.

"Auaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!" heulte der Kyrios. "Krieg ich jetzt endlich meine Lakritzis?!"

Lael langte in seine Hose und förderte eine braune Papiertüte zutage. "Da hast du sie. Hab ich Thomas Gottschalk geklaut!" verkündete er stolz.

"Aber nicht alle auf einmal futtern, sonst bekommst du Bauchschmerzen," fügte Raphael - als guter Arzt - hilfsbereit hinzu.

Gabriel hob kopfschüttelnd seine Sense auf und breitete versuchsweise die Flügel aus.

Ja, alles wieder dran! Jetzt konnte er diesen beknackten Menschen auf den Kopf spucken! Er geriet regelrecht in Verzückung, wenn er daran dachte, was er ihnen alles antun könnte. Besonders diesem blöden Ernie in der Hölle...

Der konnte es doch nicht einfach schlechter haben als ein entflügelter Todesengel! Was bildete der Typ sich denn ein?!

Gabriel war etwas besonderes.

Die Menschen - Abschaum.

Die Höllischen - da fand er nicht einmal Worte, und das wollte schon etwas heißen! Anscheinend war er noch nicht wieder voll da...

Aber zumindest war er zurüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüück!!!

Und dann diese Engel...

Man mußte sie sich nur einmal ansehen: Schlaffi-Raphi, ein Lakritze mampfender, körperloser Kyrios, Jeremias mit mehr Muskeln als Hirn.

Und Lael.

Das war dann ja wohl alles. Was trieben die beiden eigentlich hier?! Die sollten doch arbeiten! DENEN würde er...

"Sooooooo, jetzt seid ihr dran!

Lael, Jeremias, warum seid ihr nicht unterwegs, um Seelen einzusammeln?!

Raphael, was giggelst du schon wieder so dämlich?! Nimm gefälligst Haltung an, der Herr der Erzengel steht vor dir!

Rahab... dich werde ich sowas von in den Arsch treten..." Gabriel unterbrach sich selbst.

Und lauschte.

Da war eine kleine Stimme in seinem Kopf, die ihn veranlaßte die Klappe zu halten und nicht mehr so gemein zu sein wie sonst.

War das jetzt vielleicht ein gottverdammtes Gewissen?! Er hatte doch gewußt, daß diese Menschen ansteckend waren, wenn man sich zu lange bei ihnen aufhielt...

Er ließ den Kopf hängen.

Nein.

Er würde gar nichts.

Und von Gewissen konnte natürlich auch keine Rede sein. So etwas hatten Engel einfach nicht! Nur...

Ihm war eingefallen, was Samuel und Thomas gesagt hatten:

"Lael ist einmal zu oft und zu heftig von den Dämonen in die Mangel genommen worden! Die haben ihm das Hirn kaputtgefoltert! Was glaubst du, warum er so ist, wie er ist?!"

Es war seine Schuld.

Bei Laels Anblick erinnerte er sich an mehrere Gelegenheiten, bei denen er den neunten Chor in eine verdammt mißliche Lage gebracht und anschließend den Dämonen überlassen hatte. Wenn man es unter diesem Gesichtspunkt betrachtete,...

... dann war der Ärger, den er in der letzten Zeit gehabt hatte, wahrscheinlich fast so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. Nemesis läßt grüßen.

Gabriel seufzte.

Und sah auf.

Lael stand da mit bebender Unterlippe und wartete auf einen gewaltigen Anschiß, weil er wieder ohne Erlaubnis auf der Erde herumgestrolcht war, Thomas Gottschalk überfallen und ausgeraubt hatte, jetzt auch noch unerlaubterweise im Himmlischen Jerusalem spazieren ging und einen Kyrios mit Lakritze bestochen hatte. Jeremias stand daneben, mit unbewegtem Gesicht, das irgendwie schuldbewußt wirkte, vermutlich, weil er Lael wieder einmal nicht davon abgehalten hatte, Mist zu bauen.

Und Raphael trat verlegen von einem Fuß auf den anderen und polierte mit einem Zipfel seiner Kutte an einem roten Halsband herum, auf dem >Mausi< stand, nur um Gabriel nicht in die Augen sehen zu müssen.

Tja, Raphael hatte zumindest ein Zuhause, er hatte eine Katze und einen Fernseher und wahrscheinlich sogar FREUNDE.

Lael und Jeremias hielten zusammen, egal was passierte. Es war sogar so, daß Jeremias für Lael die Schuld auf sich nahm und sich an seiner Stelle bestrafen ließ. Und Lael... konnte ja eigentlich nicht wirklich etwas dafür, daß er... dumm... war.

"Warum seid ihr nicht..." -... bei der Arbeit,- wollte Gabriel wiederholen.

Statt dessen benutzte er sein unheimlich kluges Gehirn.

-Ich kann Rahab ja TROTZDEM noch verprügeln,- tröstete er sich selbst. Und vollendete den Satz: "... auf dem Weg nach unten? Raph hatte doch vor, eine Teeparty zu schmeißen!" Er versuchte es mit einem Lächeln, was Lael dazu veranlaßte, sich ängstlich hinter Jeremias zu verstecken.

"Jerry,... was MACHT er da?!" fragte der kleine Engel furchtsam.

"Ich..." Jeremias strengte seinen Kopf an. "Ich... äh,... glaube,.. er grinst..."

Raphael verzog auch entsprechend das Gesicht. "WILLKOMMEN zurück, Bruder!" rief er glücklich und wollte Gabriel umarmen. Das ging dem dann aber doch zu weit und er wich aus.

Raphael drückte ersatzweise Rahab, der daraufhin fast an einem Lakritz erstickte. Zu Gabriel meinte der himmlische Heiler: "Du bist mir doch nicht mehr böse, daß ich dir Thomas und Samuel auf den Hals gehetzt habe?"

Gabriel erstarrte.

Doch dann dachte er: -Was soll's?!- "Äh,... neeeeeeeeeeeeeeeee!

Komm, laß uns deine Wohnung zerlegen!" Er brachte es sogar fertig, Raphael einen Arm um die Schultern zu legen. Gemeinsam machten sie auf den Weg nach unten. Lael und Jeremias folgten verdutzt mit etwas Abstand.

Nur Rahab blieb hustend und würgend zurück und verfluchte Haribo.
 

Wird fortgesetzt...
 

>Smurf< ist übrigens das englische Wort für >Schlumpf<. Und der Titel dieses Teils (Return of the smurf) soll an so legendäre Filme wie >Return of the Mummy< (Die Rückkehr der Mumie) erinnern. Obwohl es ja eigentlich nur darum geht, wie Gabriel seinen tollen blauen Körper wieder loswird...

^^

Eine Teeparty, die auch ganz ohne verrückte Hutmacher auskommt und keinesfalls im Wunderland stattfindet. Ach ja: und Mausi.

Falling Down
 

Teil 9
 

Raphaels Wohnung war klein und sie hatte noch einen Nachteil: Michael wartete bereits dort und kraulte die Katze.

"Ich hab Tee aufgesetzt, Raphi," begrüßte der himmlische Heerführer seinen Kollegen, als Gabriel, Jeremias und Lael im Schlepptau des himmlischen Heilers das Appartment betraten.

"Was?!" rief Gabriel aus.

Lael grinste dämlich und sagte: "Onkel Raphael macht Onkel Michael immer die Wäsche, weißt du das noch nicht, Onkel?"

"Was?!" wiederholte der Todesengel. Er war nicht gewillt, irgendetwas, was Lael sagte, auf Anhieb zu verstehen. Sonst hätte er sich eingestehen müssen, daß die Zeit als Mensch ihn mehr beeinflußt hatte, als er zugeben wollte. Und so schuldig fühlte er sich nun auch wieder nicht wegen Laels Dummheit.

"Raphael wäscht für Michael, deshalb muß Michael nett zu ihm sein," erklärte Jeremias.

"Neeeeiiiiiin!" winkte Michael ab. "Ich mag einfach Katzen. Ich knuddle sie gern und ich bürste sie gern und ich mache ihnen gern Lockenwickler in die Haare..."

"Und wenn ich ihn >Katzensitter< für Mausi spielen lassen, kocht er mir Tee," ergänzte Raphael. "Pfefferminz oder Hagebutte?"

"Earl Grey!" protestierte Michael. "Ich trinke doch keinen billigen Aldi-Tee!"

"Nein, stimmt, der Earl Grey ist aus dem dm-Markt..." erinnerte Jeremias ihn trocken und setzte sich. Alles in Raphaels Wohnung war mit Häkeldeckchen überzogen: der Fernseher, die Möbel, der Boden, die Wände und die Katze.

Und auch auf Michaels Rüstung prangten schon zwei oder drei Deckchen im Schneeflockenmuster Nummer XI.

"Setzt euch irgenwo hin," bot der Heiler seinen Gästen an und auch Lael und Gabriel ließen sich häuslich nieder. Soweit das in dieser Wohnung möglich war. Gabriel kam sich vor wie in einem gigantischen Spinnennetz aus weißem Häkelgarn.

"Wollt ihr Kekse?" rief Raphael aus der Küche.

"JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!!!"

"Wie konnte er bloß fragen?!" wollte Jeremias wissen. "Er kennt doch Lael!"

Gabriel schnippte eine Häkeldecke im Blumenmuster Nummer II von der Klinge seiner Sense. Er hatte keine Ahnung, wie es dort hingekommen war. Allmählich begannen diese Vollidioten ihn doch wieder zu nerven und er fragte sich, wie er nur jemals hatte denken können, daß Raphael eigentlich doch ganz ok war...

Die hatten doch alle einen an der Waffel!

Er war kurz davor, seine guten Vorsätze zu vergessen und zu gehen, als ihm ein unbekannter Duft in die Nase stieg: Earl Grey.

Raphael kam angeschwebt mit einer Teekanne und Tassen und stellte alles auf einem kleinen Tisch ab, der unter 6044 Deckchen des Blumenmusters Nummer XXXVII schon völlig verschwunden war.

"Magst du auch Tee oder soll ich dir Kaffee machen, Gabriel?" fragte Raphael.

"Tee!" verlangte Gabriel barsch.

Der Heiler verteilte die Tassen, verschwand noch einmal kurz, um die Spuckgläser zu holen und schenkte dann großzügig die dampfende Brühe aus. Michael packte seine Tasse wie einen Zinnpokal voll Feindesblut, erinnerte sich dann aber doch daran, was er Raphael versprochen hatte und ging etwas vorsichtiger mit dem Porzellan um. Gabriel verschluckte sich fast, als er sah, wie der himmlische Heerführer in seiner auf Hochglanz polierten Rüstung den kleinen Finger beim Trinken abspreizte.

Aber der Tee war gut.

-Ich glaube, ich habe gerade eine neue Sucht entdeckt...- flötete Gabriels innere Stimme. Er sah zu Jeremias und Lael hinüber.

Lael hatte die halbe Hand in die Tasse gesteckt, um ein Teeblatt herauszufischen, das er anschließend beschnupperte und aufaß. Jeremias verdrehte nur die Augen dabei, unternahm aber nichts, sondern spuckte in sein Glas und nahm sich einen Keks.

Ein lautes Schlürfen veranlaßte den Todesengel, ruckartig den Kopf zu drehen. Sobald Michael sich unbeobachtet fühlte, vergaß er natürlich sofort seine guten Manieren und trank wie ein Schwein. Er rülpste sogar leise, als er die Tasse und das Glas abstellte.

"Was ist?" fragte er unschuldig.

Gabriel und Raphael starrten ihn nur mit offenem Mund an und überlegten, wie sie ihm möglichst taktvoll klarmachen konnten, daß er sich gerade danebenbenommen hatte. Da plärrte Lael dazwischen: "Du hast ganz schlechte Tischmanieren, Onkel! Für DICH gibt es heute KEINEN Kuchen!"

Gabriel schlug sich die Hände vor's Gesicht.

-Ich werde noch wahnsinnig...- dachte er. -Die sind ja noch bekloppter als die Menschen!-

Doch er riß sich weiterhin zusammen und gab sich ganz dem Earl Grey hin. Wenigstens ein Lichtblick bei dieser unsäglichen Teeparty. Er mußte an das Buch >Alice im Wunderland< denken und die Teeparty mit dem verrückten Hutmacher und dem Märzhasen. Wenn man es recht betrachtete, hatte Raphael ziemlich große Ohren,...

Und sie konnten alle davon ausgehen, daß heute ihr >Nicht-Geburtstag< war.

-Wenn die nicht bald Vernunft annehmen, drehe ich durch,- schwor der Todesengel sich. -Ich laufe Amok und zerstöre den Himmel!-

"Was hältst du denn von Bayern?" fragte Michael unvermittelt und lehnte sich in den grüngeblümten Sessel zurück. Mausi sprang von seinem Schoß, verfing sich irgendwo im Dschungel aus Häkelgarn und fing an, laut zu miauen.

"Oh, ja, mein Schatz, ich komme gleich!" rief Raphael und kam mit einem Besen an, um das Tier aus den Fäden zu befreien.

"Ähm, tja, ist ein nettes Land.

Viel... Bier. Und so," sagte Gabriel, weil das das einzige war, was er darüber wußte.

"Ich meinte den Verein!"

"Hä?!" Von Fußball verstand Gabriel absolut nichts. Und wenn er ehrlich war, hatte er nicht einmal gewußt, daß Bayern überhaupt eine Mannschaft hatte.

"Bayern München oder welcher sonst?" fragte Lael aufmerksam.

-Seit wann hat DER von irgendwas eine Ahnung?- wunderte der Todesengel sich. Es war beschämend, daß er weniger wußte als Lael...

"Natürlich Bayern München, gibt es etwa sonst noch einen Verein auf der Welt?!" regte Michael sich auf.

"Naja, da wäre zum Beispiel Manchester United, von dem ich persönlich Fan bin," sagte Jeremias und das hätte er besser lassen sollen, weil der himmlische Heerführer daraufhin völlig ausrastete.

"Was?! Du unloyale Kanalratte...!"

Gabriel drehte sich zum Raphael um, der Mausi auf den Arm genommen hatte wie ein Baby und die schneeweiße Perserkatze hin und her schaukelte, um sie wegen ihres furchtbaren Erlebnisses im Horror-Wald der Häkelnetze zu beruhigen. "Sag mal, Raph, ich wußte gar nicht, daß Michael so schwierige Wörter wie >unloyal< aussprechen kann.

Weiß er denn auch, was das bedeutet?"

"Klar weiß ich das, halt die Klappe, Gulgolet, es gibt nur EINEN einzigen Verein auf der Welt und das ist Bayern München!!!" brüllte Michael einfach weiter, ohne Luft zu holen.

Aber Jeremias war auch ziemlich gut und hielt tapfer dagegen, während Raphael nur mit den Schultern zuckte. "Er hat den Kyriotetes Prügel angedroht, wenn sie ihm ihr Wörterbuch nicht schenken...

Willst du sie mal halten?"

"Was denn?"

"Mausi."

"Oh,... äh..." machte Gabriel. Er mochte eigentlich keine Katzen. Und diese hier sah ihn auch noch so neugierig an, als wollte sie sagen: >Zeig mal dein Gesicht her, damit ich es zerkratzen kann!<

"JAAAAAAAAAAAAA!!!" ertönte es ein zweites Mal, während Michael und Jeremias sich weiter stritten. Lael setzte sich zu Raphael und Gabriel und nahm die Katze entgegen. "Jerry ist mein bester Freund, aber Fußball find ich blöd," erklärte er und fing an, Mausi zu streicheln.

Gabriel nickte verständnisvoll. Zumindest in diesem Punkt gab es keine Probleme zwischen ihm und Lael.

Er sah sich den kleinen Engel noch einmal genau an. Wie er zugeben mußte, war das Bürschchen ja recht süß. Und irgendetwas an ihm sagte einem, daß er nicht immer so blöd gewesen war.

"Hast du noch Kekse für mich, Onkel Raphael?" fragte Lael. "Und für Tante Mausi?"

Das war es. Das schlug dem Faß den Boden aus.

"Verdammt, Lael, hör endlich auf mit deinem blöden >Onkel< und >Tante<! Ich ertrage das nicht mehr! Kannst du denn nicht normal reden?!" brüllte Gabriel ihn an und übertönte damit sogar die beiden Streithähne im Hintergrund.

Michael und Jeremias starrten ihn überrascht an. Naja, Jeremias war eigentlich eher wütend als überrascht.

Lael saß da, ließ die Katze auf den Boden und fing an zu heulen.

"Was hast du JETZT schon wieder mit ihm gemacht, Herr?!" beschwerte Jeremias sich. "Du weißt doch, daß er nichts dafür kann!"

"Wofür? Für seine Dummheit?

Was ist eigentlich mit ihm passiert?!" fragte Gabriel genauso laut.

"Er hat gezündelt," nuschelte Michael undeutlich, mit einem Stück Pappe im Mund.

"Michael, das ist ein Untersetzer, kein Keks," erklärte Raphael langsam, bevor er mit Mausi in der Küche verschwand, um nach Süßigkeiten zu suchen, mit denen er Lael das Maul stopfen konnte. Denn wenn es hier weiterhin so laut zuging, würden sich garantiert die Nachbarn bei ihm beschweren. Und Raphael war immer so stolz darauf gewesen, ein vorbildlicher Mieter zu sein! Er putzte sogar jede halbe Stunde den Flur...

Er hatte von Anfang an gewußt, daß es keine gute Idee gewesen war, Gabriel kurzzeitig in einen Menschen zu verwandeln. Das gab nur noch mehr Ärger, als sie alle ohnehin schon hatten. Zumindest sah es so aus, als würde der Todesengel jetzt von Kaffee auf Tee umsteigen, was mit Sicherheit besser für seine Gesundheit wäre...

"Er hat gezündelt?" wiederholte Gabriel die Worte des himmlischen Heerführers, der die Pappe inzwischen ausgespuckt hatte und grummelte: "Ich hab mich auch schon gewundert, warum der Keks so geschmacklos war!

...

Yo, er hat gezündelt!"

"Was denn?

Lael, halt die Klappe!" befahl Gabriel und schob ihm den letzten Keks rein. Sofort war es totenstill, bis auf Michael, der erklärte: "Du weißt doch, daß Lael zuerst bei Uriel war...

Tja, und als Adam dann auftauchte, hat Uriel ein paar seiner Leute dazu abkommandiert, Essen für ihn zu kochen. Lael war einer davon und er wollte Adam einen Hamburger grillen...

Also, die Frikadelle, nicht den Bewohner der Stadt Hamburg - die gab's da ja noch gar nicht..."

"Schon klar," meinte Gabriel, geschockt von Michaels abstrusen Gedankengängen. "Weiter!"

"Lael konnte kein Feuerholz finden und er wußte, daß er die Bäume im Paradies nicht einfach so abhacken durfte, also ging er zu seinem Chef und hielt die Frikadelle an Uriel. Dummerweise hat er sie zu lange im Feuer gelassen und das Ding und der Stock, an dem es steckte, gingen in Flammen auf. Lael ließ vor Schreck alles fallen... und es landete auf den Papieren der Kyriotetes..."

"Wer kann so blöd sein, PAPIER in der Nähe von URIEL abzulegen?!" wollte Gabriel fasziniert von soviel Debilität wissen.

"Rahab," antwortete Lael mampfend.

"Er kam in den Knast, weil er ein paar wichtige Pläne für Ergänzungen am Paradies abgefackelt hatte," fuhr Michael unbeeindruckt fort, unterbrach sich aber gleich wieder: "Ähm, Lael, nicht Rahab. Dem scheiß Beamten ist nichts passiert!"

"Was denn für Pläne?" fragte Jeremias, der die Geschichte bisher offensichtlich auch noch nicht gekannt hatte.

"Zum Beipiel die Bauanleitung für eine Rosenkohlsorte, die NICHT zum Kotzen schmeckt und von der man KEINE Blähungen kriegt!

Verstehst du, diese Papiere waren unvorstellbar wertvoll und nur wegen deines kleinen Freundes da sind sie in Flammen aufgegangen! Uriel fand das nicht lustig und Adam mußte auch hungrig schlafen gehen.

Also waren schon zwei ziemlich sauer darüber und beschwerten sich bei Ihm. Als dann auch noch die Kyriotetes ankamen, um Lael anzuklagen, weil er die Unterlagen vernichtet hatte, hat der Herr ihn gleich in die Kerker gesteckt. Und was da mit ihm passiert ist,... darüber wollen nicht einmal die Dämonen sprechen, weil es ihnen zu gruselig ist!" beendete Michael die Erzählung.

"Wow, ich bin echt beeindruckt, Michael!" gab Gabriel zu. "Ich hätte nicht gedacht, daß du einen zusammenhängenden Text formulieren kannst. Wenn ich nachdenke, kann ich mich nicht einmal erinnern, in den letzten 4 Milliarden Jahren auch nur EINEN vernünftigen SATZ von dir gehört zu haben!"

"Laber nicht, Mann, du hast auch deine Macken, das will ich dir schon lange mal sagen. Und du solltest bedenken, daß wir uns nicht alle soviel rausnehmen können wie du. Du hattest nur Glück.

Wenn Samiel dich nicht gebraucht hätte, um diese Sache mit Jazariel abzuziehen und wenn du nicht der Todesengel wärst... ich meine, weißt du noch, wie du VORHER warst?

Du hast auch vor Ihm gekuscht, genau wie wir, nur daß WIR das immer noch tun müssen. Und DU machst uns zusätzlich das Leben schwer! Also nöl nicht rum, wenn wir dich nerven, du hast es verdient!" behauptete Michael sauer.

Gabriel machte den Mund auf, schloß ihn dann aber wieder ohne etwas gesagt zu haben. Er konnte es kaum denken - alle seine Hirnwindungen schmerzten ihn bei diesem Geistesblitz - aber Michael hatte ja eigentlich Recht.

Bevor er sich wegen Jazariel mit Gott angelegt hatte, hatte Gabriel auch nicht tun und lassen können, was er wollte. Erst durch diesen Vorfall - und durch die Tatsache, daß er als Chef der Seelensammler für den Herrn unentbehrlich war - hatte er an Selbstbewußtsein und Macht gewonnen.

Und er erinnerte sich auch daran, daß seine Kollegen erst SEITDEM so nervtötend waren. "Ihr meint,... ihr könnt auch anders?" erkundigte er sich vorsichtig.

"Wenn DU anders kannst," bestätigte Raphael, der gerade mit einer weiteren Keksdose zurückkehrte. Gabriel schnappte sie ihm weg, bevor Lael sie in die Finger bekam. Natürlich war der kleine Seelensammler daraufhin wieder kurz davor zu flennen.

"Stop!" befahl Gabriel und hob den Zeigefinger. "Lael, kannst DU auch anders sein?"

Lael sah ihn mit großen Augen an.
 

Wird fortgesetzt...
 

Kann er?

Ein Haufen Verrückter, Lael und das Ende der Geschichte

Falling Down
 

Teil 10
 

"Nein, kann er nicht," antwortete Jeremias an Laels Stelle. "Ihm ist zu übel mitgespielt worden.

Diese verdammten Dämonen...!"

"Ja, die hasse ich auch!" knurrte Michael. "Ich wünschte, die wären..."

"Tot?" fragte Raphael.

"... nein,...

Einfach nur... weg. Oder nicht mehr so fies."

"Wie willst du DAS hinkriegen? Du kannst sie doch nicht einfach nehmen, das Böse von ihnen trennen und dann ist alles gut," meinte Raphael ironisch.

"Was ist jetzt mit Lael?" wollte Jeremias wissen.

Gabriel dachte.

"Ich denke," begann er. "Ich denke,... ich weiß eine Lösung, mit der wir alle zufrieden sein werden.

Sogar Michael."

"DAS würdest du für mich tun? Ohhhhhhh, ich bin gerührt!" rief Michael und stürzte auf Gabriel zu. "Komm her! Du bekommst jetzt eine dicke, fette Umarmung!!!"

Gabriel blieb keine Zeit zur Flucht, weil sich sofort ein Muskelberg auf ihn stürzte, ihn drückte und quetschte, daß ihm die Luft weggeblieben wäre, wenn er ein Mensch gewesen wäre. Als er endlich wieder aus Michaels schraubstockartig zupackenden Armen entlassen wurde, keuchte er: "Danke sehr. Willst du es nicht mal bei der Amerikanischen Wrestling-Liga versuchen?"

"Da bin ich doch längst eingetragen!" protestierte Michael.

Gabriel hustete. "Na gut, Punkt eins:

Keiner verpetzt mehr einen anderen bei Ihm."

"Das mußt DU gerade sagen!" meinte Raphael skeptisch. Dann erinnerte er sich an die Pflichten eines guten Hausmannes, als er die leere Tasse des Todesengels sah und bot freundlich an: "Noch einen Earl Grey?"

Mit hochgezogenen Augenbrauen ließ Gabriel sich nachschenken. "Punkt zwei: Lael kommt sofort in Therapie. Ich habe gestern in der Hölle Angelika Kallwass gesehen und..."

Raphael ließ vor Schreck die Tasse fallen. "WAS?! Angelika ist in der Hölle?! Ich wußte gar nicht, daß sie tot ist!!!"

"Ja, und sie war immer so eine nette Frau," sagte Michael traurig. Fast sah es aus, als wollte er anfangen zu heulen. "Ich mochte sie...

Wir sollten verlangen, daß Samiel sie rausläßt! Sie gehört da wirklich nicht hin!"

"Ich meinte die Sendung, nicht die Frau, ihr Volldeppen!" erklärte Gabriel.

"Wie bitte?! Die haben Satelittenfernsehn in der Hölle?!

Boah, ist das ungerecht!

Das will ich auch!" beschwerte Michael sich sofort.

"Wenn wir im Himmel keinen Anschluß haben, woher kennst du dann die Sendung?" fragte Gabriel.

"Er sieht sie immer, wenn er bei seiner Mami zu Besuch ist," nuschelte Lael, der es geschafft hatte, unbemerkt an einen Keks aus Gabriels Dose zu kommen.

"Lael, Michael hat keine Mami. Keiner von uns hat eine Mami," versuchte der Todesengel ihm klarzumachen, doch der Heerführer redete schon wieder dazwischen: "Jawohl habe ich eine Mami...!"

"Sie ist ungefähr neunzig und fast taub und blind," bestätigte Raphael. "Michael hat ihr mal über die Straße geholfen,..." Dafür fing er sich einen wütenden Blick des fanatischsten Bayern-Fans aller Zeiten. "Und jetzt hält sie ihn für ihren Sohn. Er darf sogar die Schuhe anbehalten, wenn er die Wohnung betritt. Und er besucht sie und Michael ziemlich oft."

"Er IST doch Michael, was redet du da für einen Blödsinn?!"

"Der Wellensittich von meiner Mami heißt auch Michael," klärte Michael ihn auf. "Sie hat nicht besonders viel Phantasie, was Namen angeht...

Aber sie ist meine Mami und wer irgendwas gegen sie sagt, kriegt eins auf die Fresse!"

"Er geht sogar für sie einkaufen," kicherte Raphael. "Tee, Handcreme und Wellensittichkekse. Ich bin ihm mal im Laden über den Weg gelaufen, als ich Futter und Katzenstreu für Mausi besorgen mußte und wir haben uns fast kaputtgelacht!"

"Wieso?" fragte Gabriel voller Horror. Sie waren vom Thema abgekommen, aber auf seltsame Weise fühlte er sich von diesen dummen Geschichten angezogen - so, wie man von einer zermatschten Leiche angezogen wird. Man weiß, man sollte besser nicht hinsehen, aber irgendwie kann man es auch nicht lassen...

"Wir hatten den selben Regenmantel an! Grün mit kleinen lila Hasen!" prustete Raphael los und zu Gabriels Erstaunen lachte auch Michael mit. Die Sache wurde immer unheimlicher. Wenn Gabriel auch eine Mami hätte, dann hätte er spätestens jetzt bestimmt zu ihr gewollt.

"Wir waren bei Punkt zwei," bemerkte er streng, um die beiden Hyänen dazu zu bringen mit dem verdammten Gelächter aufzuhören.

"Ach ja, Punkt zwei, Angelika Kallwass," meinte Michael. "Wie geht's ihr denn so?"

"Ich habe keine Ahnung," erwiderte Gabriel gepreßt. "Ich wollte nur sagen, daß ich ihre Sendung gesehen habe, und daher weiß, daß man so ziemlich ALLES therapieren kann - vermutlich sogar Lael - und daß wir alle sehr viel netter zueinander sein müssen!"

"Das freut mich, Herr," sagte Jeremias. "Gibt es einen Punkt drei?"

"Ja. Aber das überlaßt ihr mir. Michael, du kümmerst dich um deine Mami, Raphael, du nimmst Jeremias und Lael mit zu Angelika in die Sendung..."

"Jeremias auch?"

"Ja, Lael will ihn sicher dabei haben. Und - hier sind die Kekse, ich fürchte, ihr werdet sie brauchen! Ich regle alles weitere," versprach der Todesengel und sah zu, daß er aus der Wohnung kam.

Die übrigen Engel starrten ihm verdutzt nach.

"Raph, ich hab dir gesagt, wenn wir ihn zuviel ärgern, dreht er durch! Wir hätten das lassen sollen."

"Ihr hättet wenigstens eine Axt nehmen können, die NICHT rostig war," bemerkte Jeremias.

"DU bist ganz still," wies Michael ihn an. "Wir müssen erstmal Lael wieder normal machen!"

"Was meinst du, was Gabriel vorhat?" fragte Raphael leise.

"Keine Ahnung, interessiert mich auch nicht! Es ist sicher wieder irgendwas dummes! Komm, lass uns Angy besuchen!" schlug Michael vor.

"Wen?" wollte Lael kauend wissen.

"Wir gehen jetzt zu Tante Kallwass," sagte Jeremias.

"Kann ich die Kekse mitnehmen?"

"Äh, ja, glaub schon..."

"Ok!"

~*~

Gabriel hatte Baphomet stundenlang belagert.

Endlich verlor Samiel die Geduld. "Gib ihm schon das verdammte Teil, das nützt uns doch allen!"

Baphomet zierte sich weiter. "NEI-ENNNNNN!!!

Woher weiß ich, daß er UNS nicht damit trennt?!"

"Getrennt wird nur Müll, frag Raphael!" widersprach Gabriel. "Und du weißt, daß ich euch gut leiden kann!"

Baphomet machte "Hmpf!" und hielt Gabriel die kleine Kiste hin. "Aber du bringst sie wieder zurück!

MIT Inhalt! Und wehe, es ist irgendwas kaputt!"

"Keine Sorge!" rief der Todesengel noch - und war auch schon verschwunden. Er mußte sich beeilen - das Pandämonium hatte am Wochenende geschlossen und wenn er jetzt nicht mehr rechtzeitig hinkam, mußte er zwei Tage warten.

Das wäre schlecht, denn er hatte Baphomet das Hen nur für einen halben Tag abgeschwatzt.

Mit der kleinen Chaoskiste in der Hosentasche schaffte er es gerade noch rechtzeitig, in die Höhlenwelt der körperlosen Geister der Halbengel zu schlüpfen. Doch direkt hinter ihm wurden die Türen verschlossen.

Wenigstens bedeutete das, daß alle Dämonen anwesend sein würden. Während der Woche waren viele von ihnen in den Himmlischen Kerkern beschäftigt oder trieben sich auf der Erde herum, aber jetzt, am Samstag, lungerten sie alle in ihrem eigenen kleinen Reich herum.

Und natürlich hatten sie ihn längst bemerkt...

"Hhhhhhier kommmmssssssssssssssssst du nnnnnichhhhhht mmmehhhhhhhr raussssssssssss, Ennnnngelllll!!!" zischte eine grau-lila Wolke in seiner Nähe. Normalerweise wäre das Anlaß genug, in Panik auszubrechen, aber heute...

Gabriel zückte die Hen al hamaida. "Leute, seht euch das an und fangt an zu weinen!!!"

Die Dämonen nahmen einen verständnislosen Grünton an. "Hhhhä?"

Mit einem Fingerschnipsen öffnete der Engel die Kiste und das Hen entfaltete sich. Überall um Gabriel herum begannen leuchtende Farben in sich drehenden Spiralen herumzuschwirren. Sie griffen nach den Dämonen und durchdrangen sie, als Gabriel dem Hen telepathisch Befehle gab.

Im ganzen Pandämonium begann es zu blitzen und zu flackern, seine körperlosen Bewohner heulten und kreischten, als würden sie bei lebendigem Leib gebraten - was in gewisser Weise sogar stimmte.

Schließlich wurde es dunkel und man hörte das Zischen aufsteigenden Dampfs. Das Böse kehrte zu Gott zurück.

Gabriel sagte "Fiat lux!" und das Licht ging an. Da waren immer noch Rauchwolken, die eine vage Gestalt hatten, aber sie wirkten nicht mehr so bedrohlich. Sie wichen auch dem Hen nicht aus, als es in die Kiste zurückkehrte, die der Todesengel sofort verschloß und wieder einsteckte.

"Könnt ihr mich verstehen?" flüsterte Gabriel.

"Ja," antwortete eine Stimme zögernd.

"Wißt ihr, wo ihr seid und was ihr seid?"

"Ja," sagte dieselbe Stimme.

"Könnt ihr das Tor öffnen?"

Statt einer Antwort glitt das schwere Portal beiseite und der Rauch strömte hinaus. Gabriel folgte ihm.

"Wwwassssssssssss jetzzzzzzzzzt?" wollten die Wesen wissen.

"Ihr könnt nicht so bleiben. Deshalb müßt ihr jetzt mitkommen, in den vierten Himmel..." erklärte der Erzengel. "Fliegt mir einfach nach, ich kenne da einen korrupten Kyrios, der euch helfen kann!"

Der Rauch wurde wieder grün, aber die Wesen kamen Gabriel widerstandslos nach. Sie erreichten den Inkubatorraum des Himmlischen Jerusalem in dem Moment, in dem Rahab ihn verlassen wollte.

"Hallo, Rahab," knurrte Gabriel selbstzufrieden und verstellte dem Kyrios den Weg. "Wie ich höre warst du verdammt blöd und Lael mußte es ausbaden."

"Oh, äh, ich erinnere mich nicht," log Rahab.

"Doch, doch, du weißt schon, die Sache mit Uriel und dem keine Blähungen verursachenden Rosenkohl..."

"Najaaaaaaaaaaa,...

VERRAT MICH NICHT!!! Ich verliere sonst meinen Job und bekomme NIE WIEDER Lakritze und dann muß ich die Folterunterlagen in den Himmlischen Kerkern bearbeiten..." jaulte der Beamte plötzlich los.

Gabriel sah kopfschüttelnd auf ihn herab. "Ich weiß gar nicht, warum Lael DIR überhaupt Süßigkeiten mitgebracht hat, wo DU doch dafür verantwortlich bist, daß die Dämonen sich so an ihm austoben konnten!

Und übrigens wird es bald keine Himmlischen Kerker mehr geben. Erkennst du meine Freunde hier?" Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf den Rauch, der hinter ihm waberte.

"Dämonen!" hauchte Rahab erschrocken. "Du Wahnsinniger, wie KANNST du nur...?!"

"Rahab," unterbrach Gabriel ihn finster. "Ich habe mit dem Hen das Böse von ihnen abgetrennt. Sie sind jetzt nur noch das, als was sie geboren werden sollten: Halbengel."

"Unnnnddd dddie Kkkkinnnnddder vvvvonnnn Hhhhhhalbbbbennngggelllnnn," zischte es aus dem Rauch. Natürlich hatten sich auch die Dämonen untereinander vermehrt, aber keiner konnte so genau sagen, wie sie das gemacht hatten und im Grunde interessierte es auch niemanden...

"Sie sind jetzt wieder gut. So, wie sie waren, bevor Er sie gestraft hat. Und ich will, daß du ihnen Körper gibst, Rahab," fuhr Gabriel fort.

"Was?! Bist du nicht mehr ganz dicht?!" platzte der Kyrios heraus.

Gabriel beugte sich zu ihm vor und fauchte gefährlich leise: "Ich hätte allen Grund dazu, eine Schraube locker zu haben, nach allem, was ich wegen meiner wundervollen Kollegen durchmachen mußte, aber alles in allen glaube ich, daß mein Verstand jetzt besser funktioniert als jemals zuvor!

Wenn du uns nicht gibst, was wir wollen, überlasse ich dich meinen körperlosen Freunden. Die haben bestimmt wahnsinnig viele großartige Ideen, wie sie dir deinen körperlosen Arsch aufreißen können!"

Rahab fiepte: "Aber... du sagst nichts? Niemand wird erfahren, daß ICH eigentlich schuld war, daß Adam nichts zu futtern kriegte und... na, der Rosenkohl...?"

"Nein," sagte Gabriel. "Und jetzt fang an."

Ergeben bat Rahab die erste Rauchschwade in den Inkubator. Das konnte eine lange Nacht werden.

Und es war doch WOCHENENDE!!!

~*~

Samstag abend setzte Gabriel die Halbengel und Halb-halb-Engel auf der Erde aus, nachdem er zuvor Baphomet seine Chaoskiste wiedergebracht hatte. Es gab keine Dämonen mehr und obwohl es damit auch nichts mehr gab, womit er seinen Untergebenen drohen könnte, war es doch irgendwie ein beruhigender Gedanke.

Die Ex-Dämonen würden schon ganz gut zurechtkommen da unten, immerhin waren 201 von ihnen ja zur Hälfte Menschen. Alles, was Gabriel jetzt noch wollte, war, in sein Büro zu gehen, sich in den Chefsessel fallen zu lassen und einen Espresso zu trinken.

Doch als er das Vorzimmer erreichte, fiel ihm als erstes auf, das Amos hinter einem neuen Schreibtisch saß - und daß er die Espressomaschine weggeschmissen hatte.

"Was ist hier los?" wollte Gabriel mit zusammengekniffenen Augen wissen.

"Äh, Herr, naja, sie sind da drin." Amos zeigte auf das Büro.

Ohne noch weiter zu fragen betrat Gabriel den Raum - und fand seinen schlimmsten Alptraum darin vor:

Raphael, Michael und Lael.

"Wo ist Jeremias?" fragte er schwach.

"Ist auf der Erde geblieben, der alte Schürzenjäger, und ißt mit Angy zu Abend," grummelte Michael.

"Er ist in sie verknallt," meinte Raphael und wurde rot.

"Wer? Jeremias?"

"Nein," antwortete Lael. "Michael ist in Angelika Kallwass verliebt. Aber sie wollte mit Jeremias zum Essen gehen und jetzt ist Michael beleidigt und eifersüchtig."

"Lael!" rief Gabriel geschockt aus. "Du hast niemanden >Onkel< genannt, du sagst nicht mehr >Jerry< zu Jeremias, du hast ganz lange Wörter richtig ausgesprochen und sogar ein paar SÄTZE - und... du wolltest nicht mit zum Essen?!"

"Die Sitzung bei dieser Psychotussi hat echt was gebracht," kommentierte Amos aus dem Vorzimmer. Gabriel warf entschlossen die Tür zu.

Er konnte gar nicht fassen, daß Lael so... NORMAL sein konnte.

"Wir haben uns unterhalten über ein paar... furchtbare Sachen, die mir passiert sind,..." begann Lael.

"... und jetzt ist SIE verrückter als ER," behauptete Michael mit seinem üblichen Taktgefühl.

"Ich war nicht verrückt, mein Bewußtsein hat nur alles verdrängt und sich eine neue Identität gesucht, um all das nicht mehr weiterverarbeiten zu müssen," widersprach der kleine Seelensammler.

"Du und neue Identität - Gabi, hörst du, was für eine gequirlte Scheiße der Dreikäsehoch hier jetzt redet?! Wir hätten das besser gelassen...!" schnaubte Michael.

"Lael hat doch recht, du bist bloß eifersüchtig," ging Raphael dazwischen.

"WAS zur Hölle ist mit meinem SCHREIBTISCH passiert?!" brüllte Gabriel plötzlich.

"Öhm,... den hat... Uriel... ein bißchen... äh,... abgefackelt?" schlug Michael vor, der eigentlich gerade anfangen wollte, Raphael zu würgen.

"Und mein Stuhl und meine Regale und Schränke und Ordner und Amos' Schreibtisch?!"

"Auch abgefackelt," antwortete Raphael knapp. "Aber wir haben dir was neues besorgt, von IKEA.

Sieh mal, der Stuhl heißt >Wicht<."

"Und das Regal heißt Harri!" fügte Michael hinzu. "Wir haben es nur noch nicht ganz zusammengebaut. Da fehlen ein paar Schrauben..."

"Echt?!" Raphael wandte sich an den himmlischen Heerführer. "Ich hab eine Klobürste, die Harri heißt!"

"Von IKEA?!"

Während die beiden zu diskutieren begannen, schob Lael sich an dem neuen Schreibtisch vorbei und stellte sich zu Gabriel, der mit vor der Brust verschränkten Armen seinen Kollegen dabei zusah, wie sie sich komplett lächerlich machten.

"Herr?" fragte der Seelensammler.

"Was?"

"Zwei Dinge würden mich interessieren: Was hast du in der Zwischenzeit gemacht - und: WOZU braucht ein Engel eine KLOBÜRSTE?!"
 

Und... es geht NICHT weiter!
 

Tja, Gabriel ist ziemlich tief gefallen und schmerzhaft aufgeschlagen. Aber ein Gutes hat das ganze: die Dämonen sind weg und es laufen eine Menge gutaussehender Halbengel auf der Erde herum.

UND Lael ist nicht mehr dumm!

WAHNSINN!!!

Was ich aber auch gern wüßte: WOZU braucht ein Engel eine KLOBÜRSTE?!

In dem Punkt bin ich genauso unwissend wie Lael.

*lalalala*

>Fiat lux!< sind übrigens die Schöpfungsworte (allerdings auf Latein, das allgemein als Zaubersprache verwendet wird bei den Mystikern), sie bedeuten >Es werde Licht!<.

*noch mehr la*

Was wir alle jetzt gern wissen würden: Was treiben die hübschen Ex-Dämonen auf der Erde?

Da kann ich wieder einmal nur sagen: Saraaaaaaajaaaaaaaaaa!!! Schreib bitte eine FF darüber *gg* Keine kann das so unnachahmlich schön wie du *hundeaugen machtz*



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Kommentare zu dieser Fanfic (41)
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Von: abgemeldet
2004-07-22T16:08:18+00:00 22.07.2004 18:08
na, ist doch wohl klar, wer das ist. das ist der KLEINE JUNGE MANN VON NEBENAAAAN!!! XD~ *onkel-fisch-fähnchen-schwenk*
Von: abgemeldet
2004-05-31T18:54:57+00:00 31.05.2004 20:54
*vom stuhl kipp* ich habs dir gesagt -.-"
Von: abgemeldet
2004-05-31T18:44:03+00:00 31.05.2004 20:44
oO und kann er?!? ich fall gleich vom stuhl wenn im nächsten kapitel ein intelligenter leal auftaucht...
Von: abgemeldet
2004-05-31T18:32:28+00:00 31.05.2004 20:32
yeahh.. its teatime..^__^ wow gabriel ist ja wie verändert...naja mal abwarten *gg*
Von: abgemeldet
2004-05-31T18:24:56+00:00 31.05.2004 20:24
das du dich überhaupt traust sowas gemeines zu schreiben...wenn das der echte gabriel liest.. na dann grüß gott XDD *gg*
Von: abgemeldet
2004-05-31T18:24:03+00:00 31.05.2004 20:24
ein Meter neunzig großer Bodybuilder-Schlumpf ohne Mütze und blaues gummibärchen XDDDD rofl... genial.. einfach genial!!! er ist jaaa sooo arm XDD lach ... pat pat gabriel XDD
Von: abgemeldet
2004-05-31T18:15:19+00:00 31.05.2004 20:15
*lach* mausi wie niedlich XDDD ich will auch mal raphaels katze in den arm nehmen und streicheln und gaby auch XDD

*zum nächsten chapter hüpf*
Von: abgemeldet
2004-05-31T18:04:59+00:00 31.05.2004 20:04
gabriel soll nicht pennen sondern was mit lilith anfangen *fg*hihi* wär doch total herzig XD

nyaar na ich bin gespannt wenn meta schickt -.-
Von: abgemeldet
2004-05-31T17:54:15+00:00 31.05.2004 19:54
rofl.. geniales kapitel XD und du hast ja auch eine brise sataan hineingetan *hihi*
argh.. gemein dass dem armen niemanden hilft T_T
Von: abgemeldet
2004-05-31T17:42:37+00:00 31.05.2004 19:42
oO ich werde nie wieder krank.. außer gabriel ist mein arzt *fg*
aber hier kannst mal wieder deine ganze sadistische seite herauslassen ne? ;) so mag ich dich *schnurr*ggg*


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