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Suddenly

Plötzlich sehe ich dich mit anderen Augen
von

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Streit – Thalia

Als ich zum zweiten Mal im Keller von Tigris, eine ehemalige Stylistin der Hungerspiele, aufwache genehmigen wir uns vor dem Morgengrauen Leberpastete und Feigenkekse. Ich muss mich zwingen wenigstens ein paar Kekse zu essen, um bei Kräften zu bleiben. Noch immer ist mir schlecht, wie die letzten 48 Stunden und die Tage davor auch. Soviel zu Morgenübelkeit. Wenigstens kann ich Finnick dazu überreden meine Leberpastete zu essen.

Mit halbwegs gefülltem Bauch steigen wir die Kellertreppe hoch und setzen uns vor Tigris‘ Fernseher.

Wie erhofft schaltet sich Beetee in das Programm des Kapitols ein und zeigt, wie die Rebellen momentan weiter vordringen. Sie schocken zurückgelassene unbemannte und beschlagnahmte Automobile durch die Straßen, damit diese die Kapseln auslösen.

Wie man einen Augenblick später sehen kann läuft dieses Vordringen nicht wirklich unfallfrei ab, da eine Gruppe von zwanzig Rebellen durch Blumentöpfe in Stücke gerissen wird.

Einen Moment später wird wieder auf das normale Fernsehprogramm umgeschaltet und eine Sprecherin verkündet, aus welchen Straßen die Bewohner fliehen sollen.

Langsam stehe ich, während die anderen sich noch über den Stadtplan beugen, um zu sehen, wo sich die feindlichen Armeen befinden, und gehe zu einem der Fenster.

Vor dem Ladenfenster kann man Schritte hören.

Vorsichtig schaue ich durch eine Spalte im Rollo auf die Straße. Ein wirklich einzigartiges Schauspiel ist zu beobachten.

Hunderte von Leuten, allesamt Flüchtlinge strömen Richtung Stadtzentrum vorbei. Manche nur in Bademantel, Schlafanzug und Pantoffeln, andere wiederrum mit mehreren Schichten Kleidung.

Dieser Anblick ist meiner Meinung nach schon Mitleidserregend, doch noch schlimmer als der Anblick der Erwachsenen in ihren Schlafanzügen, finde ich die Kinder, die Barfuß im Schlafanzug mit ihrem Stofftier im Arm verschlafen hinter ihren Eltern her torkeln.

Zwei starke warme Arme, die mich daran erinnern, wie sehr die Menschen draußen auf der Straße frieren müssen, legen sich von hinten um meinen Bauch und jemand stützt sein Kinn auf meinem Kopf an. Einige Momente stehen wir so vor dem Fenster und beobachten die vorbeiziehenden Leute, bevor Finnick mich fragt: „Warum siehst du dir das an?“

„Weil es mich traurig stimmt und gleichzeitig ein Ansporn ist, dass ich mein Kind nie solchem Elend aussetzen will“, flüstere ich zurück.

Im Moment bin ich zu mehr nicht in der Lage, denn ich muss schon wieder weinen.

Verdammte Gefühlsschwankungen!

„Hey“, versucht mich Finnick zu beruhigen und drückt mich dichter an sich. „schau nicht hin, bitte. Die Leute auf der Straße würden auch nicht Mitleid mit einem von uns haben, wenn wir so an ihnen vorbeilaufen würden. Ganz im Gegenteil, sie fänden es amüsant und unterhaltsam, Leute beim Kampf ums überleben gegen die Kälte zuzuschauen.“

Wut über seine Aussage steigt in mir auf und fast augenblicklich versiegen meine Tränen. Zornig reise ich mich aus seinen Armen und drehe mich zu ihm um.

„Was sagst du da?!“, fahre ich Finnick an. „Willst du mir vielleicht sagen, dass ich kein Mitleid mit Kindern haben soll, nur weil sie aus dem Kapitol sind?! Sag mal tickst du noch ganz richtig?! Was würdest du machen, wenn eines der Kinder da draußen unser Kind wäre und müde, verständnislos und durchgefroren durch die Straßen laufen würde! Würdest du nicht wollen, dass jemand wenigstens Mitleid mit ihm hat und ihm helfen würde?!“

„Was hat unser Kind bitte mit der Tatsache zu tun, dass kein Mensch im Kapitol, oder so gut wie kein Mensch im Kapitol Mitleid hat, wenn Kinder aus den Distrikten einmal jährlich sterben?!“, schreit er zurück und funkelt mich genauso wütend an, wie ich ihn. „Ich erkenn dich nicht mehr. Das ist nicht mehr das Mädchen, das alles dafür tun wollte, dass die Distrikte wieder frei sind. Wahrscheinlich hat das Kapitol dir dein Gehirn vernebelt.“

Im ersten Moment bin ich schockiert, dass Finnick mir sowas vorwirft. „Ach das glaubst du!“, schreie ich zurück. „Ganz ehrlich, ich glaub eher, dass du derjenige bist, der nicht mehr ganz sauber tickt!“ Leiser füge ich hinzu: „Ich glaub eher du bist derjenige, den man nicht mehr erkennen kann. So gefühlskalt warst du noch nie“

Auf einmal fühle ich mich richtig erschöpft.

„Entschuldigt mich!“ Ohne auf die fragenden und verwirrten Blicke der anderen im Raum zu achten gehe ich runter in unser Versteck.

Weinen schmeiß ich mich auf Finnicks Fellbett.

Ich verstehe ihn sowas von gar nicht. Wieso sagt er solche Dinge?

Na gut ich gebe zu, dass irgendwie was wahres an seiner Aussage ist, doch die Kinder können ja nicht besser werden, wenn man ihnen ja nichts anderes vorlebt.

Wie sollen sich Kinder des Kapitols den bessern, wenn man ihnen keinen anderen Weg zeigt?

Mein Mitleid ist bei ihnen wirklich angebracht und nicht nur, weil sie im Moment fast am erfrieren sind. Generell habe sollte man meiner Meinung nach mit Kindern in Notsituationen Mitleid haben, egal, ob sei aus dem Kapitol oder den Distrikten stammen.

Es vergeht einige Zeit, dann kommen die anderen nacheinander die Treppe runter. Schnell stelle ich mich schlafen, denn ich habe wirklich keine Lust auf ein Gespräch mit irgendeinem von ihnen.

Zu spät erinnere ich mich an die Tatsache, dass ich auf Finnicks improvisiertem Bett liege.

Schwere, feste Schritte nähern sich mir und jemand hockt sich neben mich. Sanfte Finger streichen mir durch die Haare und jemand beugt sich zu meinem Ohr runter.

„Verzeih mir, Thalia“, flüstert mir Finnick zu. „Du hast recht, ich habe nicht ganz sauber getickt da oben. Ich weiß auch nicht, was da über mich gekommen ist. Wahrscheinlich wollte ich dich nicht schon wieder so traurig sehen und dich irgendwie ablenken. Aber ich hab das genaue Gegenteil erreicht. Ich kann echt nicht verstehen, wie du dich in so jemanden wie mich, der manchmal echt…“

Still warte ich ab, ob er weiterredet, doch es kommt nichts mehr. Scheinbar fehlen ihm die Worte.

Im Gegensatz zu ihm, ist mir klar, dass er eben aus Hass so gesprochen hat.

Langsam drehe ich mich auf den Rücken und schaue ihn an.

„Du hast recht, manchmal bist du echt zu rational, vor allem wenn es darum geht, Leute zu beschützen, die dir wichtig sind, kannst du mehr als rational und gefühlskalt sein, dann gehst du auch über Leichen“, sage ich sanft und nehme seine Hand, mit der er eben noch durch mein Haar gestrichen hat zwischen meine Hände. „Aber sonst bist du sehr emotional, gefühlsbetont und einfach nur liebenswürdig und immer für einen da. Und diese Eigenschaften sind es, die ich so sehr an dir Liebe.“

Unsicher werde ich angeschaut. „Was willst du mir damit sagen?“

Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. „Das heißt“, antworte ich ihm. „ dass auch wenn du manchmal ein rational denkender Idiot bist, ich dich trotz allem Liebe und dir nochmal verzeihen werde, aber nur unter der Bedingung, dass ich den Namen unseres Kindes aussuchen darf“

„Ich tu alles was du willst, solange du mir meine Dummheit verzeihst. Wie ich schon sagte, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, dass ich so mit dir geredet habe“, sagt Finnick. Man hört ihm sein schlechtes Gewissen deutlich heraus.

„Der Hass auf das Kapitol, der hat aus dir gesprochen. Du hast die Gesamtheit und nicht den Einzelnen betrachtet“, antworte ich ihm. Sanft ziehe ich ihn neben mich und kuschel mich an ihn. „Lass uns dass alles hier vergessen ja?“

Ich merke, wie Finnick zögerlich nickt.

Müde und froh darüber, dass er nicht direkt auf mich sauer gewesen ist, schließe ich meine Augen und dussel vor mich hin.

Erst jetzt wird mir klar, dass das gerade eben unser erste wirklicher Streit gewesen ist.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-08-13T13:13:05+00:00 13.08.2011 15:13
Hm, obwohl Tally Recht hat, kann ich Finnys Ansicht auch verstehen...das Kapitol würde kein Mitleid mit ihnen haben. Aber wenn es bei den Rebellen nicht anders wäre, dann wären sie ja kein deut besser als das Kapitol...Sehr schönes Kapi, sehr ethisch! :)

<3


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