Der Wunsch
Zwanzigstes Türchen:
Der Wunsch
„Was wünschst du dir dieses Jahr, Feliks?“, fragte Toris.
„Hmm?“, machte Feliks und trat mit dem Stiefel einen Schneeklumpen davon. „Was meinst du?“
„Was wünschst du dir zu Weihnachten?“
Feliks runzelte die Stirn. „Eeeej... du kannst total komische Fragen stellen, Liet. Was wünschst du dir denn?“
„Oh, ich wünsche mir vieles“, antwortete Toris mit einem Leuchten in den Augen. „Ein gutes Essen zu Weihnachten und einen neuen Schal, und... und dass es uns beiden gut geht. Ach, und mein Schwert müsste dringend einmal ausgebessert werden.“
„Wieso das denn?“
„Naja, da war die Sache mit dir und dem lustigen Stein, der in der Erde steckte...“
„Aber es war wirklich ein total lustiger Stein, Liet!“
„Kein Grund, mein Schwert als Brecheisen zu missbrauchen. Du hättest ja dein eigenes nehmen können.“
„Ach, Liet“, winkte Feliks ab und lief weiter über den ausgetretenen Weg. Die leeren Felder um sie herum waren von einer makellosen Schneedecke bedeckt. „Dann lass halt dein Schwert ausbessern, wenn's dich glücklich macht.“
Toris seufzte leise und besann sich auf seine ursprüngliche Frage. „Und was wünschst du dir, Feliks?“
Feliks schob die Unterlippe vor und legte die Stirn in Falten. „Nichts besonderes“, brummte er in sich hinein.
„Ach so. Dann eben nicht.“
Einen Moment lang gingen sie schweigend weiter, bis Feliks hüstelte.
„Hrm-hrrm.“
Toris zog die Augenbrauen hoch und sah nicht auf.
„Hrm-hrhrrrm!“
„Hast du Halzschmerzen, Feliks?“
„Nein“, erwiderte Feliks gespielt überrascht. „Wie kommst du darauf?“
Toris verdrehte die Augen, sagte aber nichts mehr dazu. Sie gingen weiter.
„Hrm-hrm.“
„Feliks“, sagte Toris genervt. „Wenn du mir sagen willst, was du dir wünschst, dann sag es mir einfach.“
„Interessiert dich ja eh nicht“, murrte Feliks beleidigt und vergrub die Hände in den Taschen.
„Nein. Aber normalerweise kümmerst du dich doch auch nicht darum, ob es mich interessiert.“
„Toller Freund bist du, Liet“, schnaufte Feliks.
„Oh, zum Teufel nochmal, jetzt sag es endlich!“, sagte Toris gequält und verzog das Gesicht. Feliks würde ja doch keine Ruhe geben, bevor er gefragt hatte. „Was wünschst du dir, Feliks?“
„Also gut“, sagte Feliks, blieb stehen und sah sich verstohlen um. „Aber ich sag's nur ins Ohr, ja?“
Ergeben beugte Toris sich ein Stück zu ihm hinunter. Feliks griff mit einer Hand nach seiner Schulter, um ihn näher zu sich heranzuziehen. Bevor Toris wusste, wie ihm geschah, hatte Feliks ihm einen ziemlich feuchten Kuss auf die Wange gedrückt. Erschrocken stolperte Toris zurück.
„Was sollte das jetzt?“, fragte er entgeistert und wischte mit dem Ärmel durch sein Gesicht.
Feliks zeigte mit dem Finger auf ihn und brach in lautes Gelächter aus. „Du hättest mal dein Gesicht sehen sollen, Liet!“
„Was...? Was wünschst du dir denn nun, Feliks?“
„Dass du noch mal so ein Gesicht machst!“, rief Feliks, drehte sich um und rannte davon. „Du solltest dich total mal selbst sehen, Liet!“
„Bleib hier!“, rief Toris, der sehr rot geworden war, und folgte ihm. „Das wird dir Leid tun, Feliks!“
Feliks lachte nur triumphierend, und Toris jagte ihn den ganzen Weg nach Hause.