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Black, White, Gray

“You can't create a monster, then whine when it stomps on a few buildings.”
von

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A Question Of Time

Es war kurz nach zwei. An einem Donnerstag.
 

Nun möchte man meinen, dass vier Minuten nach zwei an einem langweiligen, verregneten Donnerstag Nachmittag nichts Besonderes ist, und für die meisten mag das auch stimmen.
 

Im Poppo Time jedoch wusste jeder genau, was zu dieser speziellen Zeit der Woche anstand, und obwohl zwei Drittel der Bewohnerschaft dem Ereignis mit Freude bis Neutralität gegenüberstanden, so befand sich das Stimmungsniveau des letzten Drittels, namentlich Jack, bereits am frühen Morgen im Keller.
 

„Jetzt geht DAS wieder los!“, raunzte er seine Teetasse an, die gefährlich auf dem Tisch zitterte als er mit der Faust auf die Platte schlug. „Ich hab WIRKLICH keine Lust auf dieses Theater!“
 

„Momentan bist du der Einzige, der hier Theater macht“, erwiderte Crow mit hochgezogenen Augenbrauen und schnappte sich schnell seine Tasse, damit Jack sie nicht mit seiner nächsten ausladenden Geste vom Tisch befördern konnte.
 

„Du weißt genau, was ich meine!“, donnerte Jack und verschränkte die Arme. „Anderthalb Stunden haben wir hier wieder keine Ruhe!“
 

„Du solltest dich freuen, Jack“, unterbrach ihn eine ruhige Stimme vom anderen Ende des weitläufigen Hauptraums der Werkstatt. Es war Yusei, der emsig damit beschäftigt war, an Crows D-Wheel herumzuschrauben.
 

Der Blonde zischte. „Worüber sollte ich mich da freuen? Besuch haben wir hier schon genug.“
 

Nun platzte Crow der Kragen. „Na hör mal, du tust so als wären das nur unsere Freunde, die uns besuchen kommen! Schließlich ist sie auch deine Freundin, oder etwa nicht?“ Er erhob sich vom Sofa, auf dem er bis eben noch entspannt hatte, und starrte Jack wütend an. Dieser schnaubte nur.
 

„Lass ihn, Crow“, murmelte Yusei. Der Kleinere gehorchte mit einem genervten Stöhnen und ließ sich aufs Sofa zurückfallen.
 

Der Grund für Jacks schlechte Laune und den allgemeinen Tumult war der allwöchentliche Physik-Nachhilfeunterricht für Aki, der vor allem früher für viel Ärger gesorgt hatte. Das Mädchen hatte anfangs die Angewohnheit gehabt, die anderen einem handfesten Wutausbruch auszusetzen, wenn sie ein Problem selbst nach dem fünften Anlauf nicht begriff. Sie war früher um einiges ungezügelter gewesen, und es hatte eine Menge guten Zuspruchs seitens Yusei benötigt, um sie wieder zu beruhigen. Genau das hatte beinahe immer Auseinandersetzungen mit Jack zur Folge gehabt, der sich in seiner heimatlichen Ruhe gestört fühlte, woraufhin normalerweise auch Crow einschritt, um Aki in Schutz zu nehmen, und wenn dann Crow und Jack aneinandergerieten, war an konzentrierten Nachhilfeunterricht nicht mehr zu denken.
 

Doch eigentlich gab es gar keinen Grund mehr für Jack, sich so aufzuregen. Aki hatte sich sehr beruhigt in den letzten Monaten und war auch allgemein viel umgänglicher geworden. Sie wussten, dass Aki es nicht einfach gehabt haben musste. Bis zu ihrem dreizehnten oder vierzehnten Lebensjahr hatte sie kaum Freunde gehabt, wie hätte sie da lernen sollen, sich normal zu verhalten?
 

Doch mit ihrem neuerlichen Eintritt in die Duel Academy hatte sich einiges gebessert. Gemeinsam mit ihren Freunden und Eltern hatte sie begonnen, sich ganz allmählich in die Gesellschaft zu integrieren, Akzeptanz zu erfahren und sie zu erwidern.
 

„Ich kann dieses Geschrei nicht leiden“, grummelte Jack schließlich, um das letzte Wort zu behalten.
 

Yusei sah von seiner Arbeit auf und blickte zu Jack hinüber. „Jack, du weißt, dass sie seit den letzten Wochen keinen einzigen Wutausbruch mehr hatte. Leg es bitte nicht darauf an.“
 

Jack erwiderte Yuseis Blick so lange er konnte, doch schließlich gab er nach und schaute beiseite. Doch mehr als ein verstimmtes „Hmpf“ war ihm nicht zu entlocken.
 

In diesem Moment öffnete sich die Eingangstür ein wenig und Aki spähte herein. Sie erblickte Yusei, öffnete die Tür ganz und trat ein.
 

„Hallo!“, grüßte sie betont freundlich die kleine Runde.
 

Crow grinste zu ihr hoch. „Hey Aki! Na, alles fit?“
 

Aki legte verlegen den Kopf schief. „Naja, nicht so sehr, sonst wär ich wohl nicht hier. Bin in Physik immer noch eine ziemliche Niete.“
 

Yusei erhob sich und kam zu ihr herüber. „Das stimmt nicht, Aki. Nur weil du Hilfe brauchst, heißt das nicht, dass du schlecht bist. Allein die Fähigkeit, um Hilfe zu bitten und sie annehmen zu können, zeigt, wie mutig du geworden bist.“
 

„Ja, andere können das immer noch nicht“, frotzelte Crow mit einem Seitenblick auf Jack, der bereits den Mund aufmachte und Luft holte um dem Kleineren eine Retourkutsche zu bieten, die sich gewaschen hatte, doch Yusei ließ ihn mit einem einzigen Blick verstummen.
 

Auf Yuseis Kompliment hin erschien ein leichter Rotschimmer auf Akis Wangen und sie senkte den Blick. „Danke“, murmelte sie.
 

Mit einem Nicken zog Yusei sich die ölverschmutzten Handschuhe aus. „Ich geh mich nur eben saubermachen, dann kann es losgehen“, lächelte er und verschwand im Bad.
 

Crow klopfte mit der Hand auf den Platz neben sich um Aki zu deuten, sie solle sich setzen. Vor ein paar Wochen noch hätte sie ihn nur verschüchtert angestarrt und sich keinen Millimeter gerührt, inzwischen war sie in der Lage, der Einladung zu folgen.
 

„Oh bitte, wieso kann sie nicht einfach oben auf ihn warten?“, zischte Jack leise.
 

Das Physikbuch, das Aki bereits aus ihrer Tasche geholt hatte, wurde von Crow gepackt, knallte mit einem unschönen Geräusch gegen Jacks Kopf und fiel zu Boden.
 

„Sag mal, hast du sie noch alle?“ Der Blonde rieb sich die Stirn, pfefferte das Buch zurück gegen Crow, traf jedoch in seiner Rage nur dessen Arm, und stürmte die Treppe hinauf, wo er wütend in seinem Zimmer verschwand. Unterlegt wurde das Ganze mit einem lauten Knallen seiner Tür.
 

„Und wie läuft es ansonsten so?“, fragte Crow und reichte Aki das Buch zurück als sei nichts geschehen.
 

Im Grunde war es das auch nicht. Aki hatte sich inzwischen an Jack und seine Art gewöhnt, und sie wusste, dass er es nicht so verletzend meinte. Immerhin hatte er ihr ebenfalls mehr als einmal aus der Patsche geholfen. Sie musste ein wenig lächeln.
 

„Ganz gut“, antwortete sie. „Ich bin vielleicht in Physik nicht gerade die Beste, aber vor allem wenn es aufs Duellfeld geht, bin ich ziemlich gut.“
 

„War ja auch zu erwarten“, zwinkerte Crow. „Immerhin bist du ein Profi!“
 

„Ach, hör doch auf!“, lachte Aki und gab ihm einen leichten Klaps auf den Hinterkopf.
 

Er lachte ebenfalls. „Du musst es denen richtig zeigen! Immerhin hast du von den Besten gelernt!“ Damit warf er sich in die Brust, denn er hatte sich selbst gemeint.
 

Doch bei Aki war der letzte Kommentar wohl etwas anders angekommen, denn ihr Blick wurde leer und abwesend. Crow merkte es und biss sich leicht auf die Unterlippe. Einen Moment wusste er nicht ganz, was er sagen sollte. Er hatte mit Aki nie viel zu tun gehabt. Sicher, sie hatten hin und wieder geredet, und sie waren Freunde. Sie verstanden sich gut und halfen sich wo sie konnten, aber von dem, was in ihrer Vergangenheit geschehen war, wusste Crow von allen am Wenigsten. Er hatte nie mit ihr darüber geredet, und wollte sie auch nicht dazu drängen. Wenn sie es ihm erzählen wollte, dann würde sie das tun. Wenn sie es nicht tat, dann war das auch in Ordnung. Schließlich war es auch nicht so wichtig, was ihr zugestoßen war und wie sie mit Yusei und den anderen Freundschaft geschlossen hatte. Die Hauptsache war, dass sie hier war.
 

„Hey… uhm… alles ok?“, fragte er nach einer Weile besorgt.
 

„Was? Ja! Ja, na klar“, antwortete Aki schnell, und sah ihn entschuldigend lächelnd an.
 

Einen Augenblick lang überlegte Crow, Aki zu fragen, worüber sie nachgedacht hatte. Vielleicht wollte sie ja gerne darüber reden? Aber zum Reden hatte sie Yusei, sie brauchte nicht ihn, Crow, dafür, dass… „Wo warst du gerade?“
 

Die Frage war ihm entwischt, bevor er sie hatte aufhalten können. Über sich selbst erschrocken schlug er schnell eine Hand auf den Mund. „Entschuldige Aki, das… das hätte ich nicht…“
 

Doch Aki lächelte nur weiter.
 

Ihr Blick wirkte anders, beinahe wehmütig. Aber vielleicht bildete Crow sich das auch bloß ein.
 

„Ist schon ok“, sagte sie. „Du kannst es ja nicht wissen.“
 

In diesem Moment spürte Crow eine Reaktion in sich, die er nicht erwartet hatte. Er wurde wütend. Nicht auf Aki, nicht auf sich selbst. Er war einfach wütend über die Tatsache, dass alle wussten, was sie durchgemacht hatte. Sogar Jack war dabei gewesen, als Yusei sie zur Vernunft gebracht hatte! Er allein hatte keine Ahnung von diesem Mädchen, und aus irgendeinem Grund machte ihn das unsagbar wütend.
 

Zuerst diese Frage, die ihm einfach so entwischt war, nun das… Crow fuhr sich mit einer Hand durch das struppige Haar. Er erkannte sich heute selbst nicht mehr.
 

Doch bevor er weiter darüber grübeln oder in noch mehr Fettnäpfchen treten konnte, öffnete sich die Badezimmertür und Yusei betrat den Raum.
 

„Wollen wir dann, Aki?“
 

Wie von einer Sprungfeder getrieben schnellte Aki vom Sofa hoch, ihr Buch in der Hand und der allzu bekannte rote Schimmer auf den Wangen, nickte, und folgte Yusei nach oben. Sie warf Crow noch nicht einmal mehr einen Blick zu.
 

Der zurückgelassene Junge stöhnte auf und drückte sich beide Hände aufs Gesicht sobald die beiden außer Hörweite waren. Was war nur mit ihm los in letzter Zeit? Warum beschäftigte ihn das alles so sehr?
 

Er hörte, wie sich oben eine Tür öffnete und setzte sich hastig wieder normal hin, bis er merkte, dass es nur Jack war, der anscheinend gewittert hatte, dass die Luft rein war.
 

„Ist sie weg?“
 

„Sie ist oben, mit Yusei zusammen.“
 

Wieder ein Schnauben von Jack.

Crow sah ihn zuerst belustigt an, rollte dann die Augen und schüttelte den Kopf. „Du könntest ruhig etwas netter zu ihr sein“, murmelte er, als Jack wieder seinen Platz eingenommen hatte.
 

Der Blonde prüfte seinen Tee, stellte verärgert fest, dass er kalt war, und knallte die Tasse wieder zurück auf den Tisch. Auf diese Art und Weise waren ihnen inzwischen bestimmt schon ein halbes dutzend Tassen flöten gegangen. Und selbstverständlich war es auch nicht Jack, der neuen Tee machte. Er würde jetzt hier sitzen und so lange warten, bis Yusei mit der Nachhilfe fertig war und seiner königlichen Hoheit einen neuen zubereiten würde. Das war ein Spiel, dass sie so ziemlich jeden Tag spielten, und Crow hatte nicht die geringste Ahnung wie Yusei das alles schon sein Leben lang aushielt. Jack als besten Freund zu haben musste damit vergleichbar sein, eine Prinzessin auf der Erbse als Herrin zu haben. „Prinzessin auf der Erbse“, das war allgemein mal ein guter Vergleich mit Jack. Crow speicherte sich den Gedanken mental ab, um ihn in irgendeiner späteren Auseinandersetzung Jack gegen den Kopf pfeffern zu können. Und die war bei den beiden nie fern.
 

„Sie hat hier schon genug Leute, die sie verhätscheln“, grummelte Jack auf Crows Frage hin.
 

„Ich versteh dich nicht.“ Crow schaute ihn an, sein Gesicht ungewöhnlich ernst. „Du magst sie doch auch, oder?“
 

Keine Antwort.
 

Doch Crow ahnte schon wie der Hase hier lief. Nach einem Augenblick Stille fragte er: „Ist es wegen Yusei?“
 

Jack wandte den Kopf ab.
 

Crow hätte jetzt lachen können. Er hätte Jack damit aufziehen können. Und normalerweise würde er die Gelegenheit nutzen. Doch er tat es nicht.
 

Einen Moment herrschte Schweigen zwischen den beiden, schwer und drückend. Dann murmelte Jack „Natürlich mag ich sie auch.“
 

Der Kleinere musste lächeln. Jack war eben doch nicht so unnahbar, wie er tat.
 

Den Rest der anderthalb Stunden sprachen sie kein Wort miteinander. Jeder hing seinen eigenen Gedanken und Überlegungen nach, bis schließlich oben Schritte zu vernehmen waren und eine Tür geöffnet wurde.
 

„Danke, Yusei. Ich denke, ich begreife es jetzt viel besser“, hörten sie Aki sagen. Er brachte sie noch die Treppe hinunter und zur Haustür. Er verabschiedete sie, fragte sie, ob sie wirklich ganz allein nach Haus gehen wolle, was sie bejahte, schließlich habe sogar der Regen aufgehört. Er gab ihr noch einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Dann wurde die Tür geschlossen und die Herren der Schöpfung waren wieder unter sich.
 

„Kein einziger Wutausbruch heute, ich bin beeindruckt“, sagte Jack wie zu sich selbst, jedoch laut genug, dass es alle im Raum hören konnten. Er tat so als würde er einen Schluck von seinem kalten Tee nehmen, sah dann angewidert in die Tasse und hielt sie Yusei hin. „Yusei, mach neuen Tee.“
 

Und ohne ein Widerwort nahm Yusei die Tasse und ging in die Küche um neuen Tee aufzusetzen.
 

Sie hörten ihn dort eine Weile herumfuhrwerkeln und Kannen und Tassen durch die Gegend schieben. Nach einem Augenblick kam er zurück und schaute ernst in die Runde. „Aki hat erzählt, dass es in der Stadt wieder Unruhen gibt.“
 

Seine beiden Freunde blickten auf.
 

„Was für Unruhen?“, fragte Crow besorgt.
 

„Ghost“, war Yuseis knappe, aber eindeutige Antwort.
 

Darauf herrschte Stille. Die bisher zumindest äußerlich halbwegs entspannte Atmosphäre der letzten Stunden war wie weggeblasen. Jeder wusste, was das hieß.
 

Sie hatten nicht mehr viel Zeit.
 

Die Ghosts trieben überall ihr Unwesen, terrorisierten die Menschen und verletzen Unschuldige. Ushio hatte bereits darunter leiden müssen, sowie einige andere Polizisten. Sie hatten sich diesen mysteriösen Gegnern schon einige Male gestellt. Doch wie besiegt man einen Feind, den man nicht sieht? Die Ghosts waren schließlich nicht einfach irgendeine Schlägerbande, die ein bisschen Unruhe stiftete. Sie waren Roboter, eindeutig gelenkt und befehligt von einem Fadenzieher, einer Person, die sie noch nicht gesehen hatten. Und um der Ghost-Plage Herr zu werden würden sie diesen Fadenzieher finden und ausschalten müssen.
 

Nur wie, das wusste noch nicht einmal Yusei, und die Freunde ahnten, dass es diese Frage war, die ihn in den letzten Tagen und Nächten wach hielt. Er saß stundenlang nur hier unten in der Werkstatt, schraubte an ihrem neuen Motor herum und ließ sich kaum dazu bewegen ins Bett zu gehen oder auch nur mal für ein paar Stunden die Augen zu schließen. Ihm war seine Anspannung deutlich anzusehen, auch wenn er versuchte, sie nicht zu zeigen, besonders wenn Aki oder die Zwillinge zu Besuch kamen. Doch die Augenringe ließen sich nicht verbergen.
 

Jack suchte Yuseis Blick, fand ihn, und sagte: „Yusei.“ Nichts weiter. Doch der Angesprochene lächelte nun leicht.
 

Crow wusste, dass Jack und Yusei sich näher standen als jeder andere hier. Er hatte es noch nie ganz nachvollziehen können. Das, was da eigentlich zwischen den beiden war. Sie waren beste Freunde, obwohl sie so gegensätzlich waren wie zwei Menschen nur sein konnten. Jack war laut, hitzköpfig, stur und egozentrisch. Yusei war still, besonnen, mitfühlend und uneigennützig.
 

Sie vertrauten sich blind, obwohl sie keinen Anlass dazu hatten.
 

Sie redeten so gut wie nie.
 

Aber ein einziger Blick von Yusei reichte aus, um den aufbrausenden Blonden zu beruhigen. Und wenn Jack Yusei ansah und seinen Namen sagte, so laut und selbstbewusst, dann war das wiederum genug um Yusei anzuspornen, zu ermutigen und zu bestärken wenn er keine Hoffnung mehr hatte.
 

Crow war nun schon sein ganzes Leben mit den beiden befreundet, aber ganz hatte er es nie begriffen.
 

„Ich bin mir sicher, dass wir das hinkriegen“, meinte Crow und grinste die beiden aufmunternd an. Yusei nickte, Jack ebenfalls.
 

Dann war ein Pfeifen aus der Küche zu hören und Yusei wuselte davon, um sich um den Tee zu kümmern. Jack lehnte sich zurück und lächelte nun ebenfalls.
 

Crow schüttelte den Kopf und seufzte.
 

Er war sich überhaupt nicht sicher, dass sie das „hinbekamen“. Und er wusste, dass es den andern beiden genauso ging.
 

*
 

Yusei war mitten in der Nacht aufgewacht, er hatte wohl einen Albtraum gehabt. Das war in letzter Zeit nichts Ungewöhnliches. Er saß unten auf dem Sofa und schraubte an irgendeiner kleinen Apparatur herum, schlaflos, rastlos.
 

Crow wollte sich eigentlich nur etwas zu Trinken holen oder einen nächtlichen Imbiss nehmen, als ihm der Schwarzhaarige auffiel, wie er dort saß. Die Augenringe tiefer und dunkler denn je, sein Blick starr auf die Arbeit gerichtet, die Bewegungen fahrig und ungeschickt. Schließlich warf er die kleine Maschine, die wahrscheinlich ein Teil des neuen Motors war, beiseite und legte das Gesicht in die Hände.
 

Crow wusste, dass er seinem Freund nicht helfen konnte. Er hatte es schon einige Male versucht, doch er merkte, dass es Yusei noch mehr zu schaffen machte wenn er dachte, er zöge andere in seine Probleme mit hinein. Er wollte, musste immer allein mit allem fertig werden. Leise seufzte der Junge mit dem struppigen orangefarbenen Haar, und wollte zurück in sein Bett schleichen, als er Jack bemerkte, der ebenfalls auf der höheren Etage stand und Yusei beobachtete.
 

In einem stummen Einvernehmen gingen beide die Treppe hinunter und setzten sich zu Yusei, der es stumm hinnahm.
 

„Hey“, machte Crow schließlich und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Mach dich nicht so fertig.“
 

Yusei nickte geistesabwesend, antwortete jedoch nicht, und schien auch nicht wirklich zuzuhören.
 

„Hast du mich gehört, Yusei? Du brauchst das nicht allein durchzustehen! Wir sind hier, bei dir! Und wir lassen dich nicht hängen“, versuchte Crow es erneut.
 

„Niemals“, fügte Jack entschlossen hinzu.
 

Nun sah Yusei doch auf. Er blickte zuerst in Crows, dann in Jacks Gesicht, dann wieder auf die Tischplatte. „Danke“, murmelte er schließlich, doch es klang bedrückt.
 

Jack lehnte sich ein wenig vor, um ihn besser ansehen zu können. „Yusei, was geht dir durch den Kopf?“
 

Zuerst sagte der Schwarzhaarige gar nichts. Es war nicht zu erkennen ob er seine Gedanken ordnete um zu antworten oder ob er die Frage einfach nicht wahrgenommen hatte.
 

Der Regen hatte wieder angefangen und trommelte auf das Dach der Werkstatt, die ihr Zuhause war. Der Wind sauste um die Ecken und säuselte in den Fensterrahmen. Die Nacht war dunkel und wolkenverhangen. Kein Mond erhellte die dunklen Ecken des großen Raumes, nur der kleine Bereich um das Sofa war durch eine Stehlampe erhellt, doch ihr Licht drang nicht weit und wurde schnell von den Schatten verschluckt. Die Schemen der Apparaturen, die überall verteilt herumstanden, wirkten in der Schwärze beängstigend, wie unerkennbare Gestalten, die um den Lichtkegel krochen.
 

„Ich weiß nicht, was ich tun soll“, sagte Yusei schließlich.
 

Seine Freunde wussten: wenn er so etwas zugab, dann musste es wirklich ernst sein.
 

„Sie sind einfach zu mächtig, und ich kann ihnen nichts entgegensetzen, nicht einmal mit eurer Hilfe“, fuhr er fort. „Sie sind zu viele.“
 

„Aber es gab in letzter Zeit viel weniger Angriffe als sonst! Vielleicht geben sie schon auf“, überlegte Crow.
 

Doch Jack schüttelte den Kopf. „Nein. Das ist nur die Stille vor dem Sturm.“
 

Crow sah ihn finster an. „Fakt ist, dass wir momentan etwas Ruhe haben. Also können wir uns jetzt einen schönen handfesten Plan ausarbeiten, wie wir diese Ghost-Typen ein für allemal fertig machen können!“ Und mit diesen Worten schlug er seine Faust in die andere Handfläche.
 

„Und was für ein brillianter Plan schwebt dir da vor?“, fragte Jack mit zusammengezogenen Augenbrauen. Er verschränkte die Arme und sah Crow herausfordernd an.
 

„Momentan noch keiner, aber wenn Eure Majestät ausnahmsweise mal beim Nachdenken helfen würde, anstatt nur rumzusitzen und sich toll vorzukommen, dann-“
 

„Jungs“, unterbrach sie Yusei. „Das hat jetzt keinen Sinn. Überlegen wir lieber, was wir machen können.“
 

„Es gibt doch noch mehr D-Wheeler in der Stadt. Wir sollten uns alle zusammenschließen!“, schlug Crow vor.
 

„Zu gefährlich. Die meisten davon sind komplette Stümper und würden hochgejagt werden bevor sie ihren ersten Zug abgeschlossen haben“, raunzte Jack zurück.
 

„Aber jetzt wo der WRGP bald anfängt sind doch auch eine Menge Profis da, vielleicht können die uns helfen!“ Crow wandte sich nun an Yusei.
 

Doch der schien mit dem Plan, andere mit in die Sache hineinzuziehen, überhaupt nicht einverstanden und schüttelte den Kopf. „Wir können nicht jemanden anders vorschicken. Ich will nicht, dass so etwas wie die Sache mit Ushio noch mal passiert.“
 

„Aber Yusei…!“, begann Crow, merkte jedoch, dass es keinen Zweck hatte. Erstens war es schwer, Yusei von etwas abzubringen, was er sich erst einmal in den Kopf gesetzt hatte. Zweitens erinnerte er sich noch gut daran, wie schuldig er selbst sich gefühlt hatte, als Ushio ins Krankenhaus eingeliefert worden war, nur weil er sich nicht um die Angelegenheit hatte kümmern wollen. Er biss sich bei dem Gedanken auf die Unterlippe.
 

„Und die Arbeiten an dem Motor gehen auch nur schleppend voran…“, meinte Yusei schließlich mit einem Kopfnicken zu einer der dunklen, unheimlichen Gestalten ein paar Meter entfernt von ihnen. Er seufzte schwer und vergrub das Gesicht in den Händen. „Was wir jetzt brauchen, ist ein Wunder.“
 

Yusei hatte den Satz kaum beendet, da klopfte es an der Tür, so laut und plötzlich, dass Crow vor Schreck einen Satz machte und Yuseis Finger sich tief in Jacks Oberarm gruben.
 

Alle starrten die Tür an. Wer zum Henker würde mitten in der Nacht auf den Gedanken kommen, hier aufzukreuzen?? Es war frühestens um zwei, und draußen regnete es in Strömen!
 

Nachdem der erste Schock überwunden war, erhob sich Yusei und ging langsam auf die Tür zu. Langsamer als man es von ihm gewohnt war, auch ihm schien die Sache nicht geheuer. Ganz abgesehen davon hatte ein beklemmendes Gefühl von den Dreien Besitz ergriffen, eine Art Vorahnung, die vor allem Yusei einen kalten Schauer den Rücken hinunterjagte. Doch er kam bei der Tür an, hielt für den Bruchteil einer Sekunde inne, überwand sich und zog sie mit einem Ruck auf.
 

Im ersten Moment war es unmöglich zu erkennen, was dort eigentlich stand. Es war dunkel, nass, und bewegte sich unnatürlich. Auch als es eintrat, langsam und keuchend, war kaum etwas zu erkennen.
 

„Gleich, halt noch einen Moment durch!“, hörten sie es sagen, und das mit Akis Stimme! Und endlich begriff Yusei. Aki stützte eine große Gestalt, wahrscheinlich einen Mann. Bestimmt war er verletzt! Sofort tat er einen Schritt auf sie zu, um Aki zu helfen. Doch der Mann, der anscheinend aus eigener Kraft nicht mehr gerade stehen konnte, knurrte ihn so furchteinflößend an, dass er zurückwich.
 

Die beiden traten ins Licht der Lampe, gefolgt von Yusei. Ein drohender Blick von Aki und Jack und Crow waren sofort vom Sofa hochgesprungen und sahen nun zu, wie Aki dem Unbekannten darauf half. Er war in einen schmuddeligen Mantel gekleidet, der überall zerschlissen und verdreckt war, sein Gesicht war von einer Kapuze verborgen, die er festhielt, damit sie ihm nicht vom Kopf rutschte.
 

Die drei Freunde beobachteten alles aus sicherer Entfernung.
 

Dass Aki einen verletzten Fremden auflas, und ihn hier her brachte, war zwar ungewöhnlich, aber nicht weiter erstaunlich. Die Bewohner des Poppo Time waren immer bereit, jemandem in Not zu helfen.
 

Doch eines verwunderte sie wirklich: Aki war völlig außer sich. Sie schien verstört, erfreut, völlig zerrüttet. Sie lief von links nach rechts um das Sofa herum, zog dem Unbekannten die ausgetretenen Schuhe aus, half ihm die Beine hochzulegen. Schließlich begann sie vorsichtig, ihm aus dem klatschnassen Mantel zu helfen, ungeachtet dessen, dass sie selbst bis auf die Knochen durchnässt war. Sie schob ihm den schmutzigen Stoff von den Schultern und zog ihm behutsam, beinahe zärtlich, die Kapuze vom Kopf, und legte den zerschlissenen Mantel beiseite. Als nächstes schnappte sie sich die Decke, die zusammengelegt über der Lehne hing, und breitete sie über dem Mann aus. Sie kniete sich neben das Sofa und legte eine Hand auf die Stirn des Fremden.
 

Spätestens jetzt war allen klar, dass Aki diesen Mann kennen musste, doch noch immer standen die Anderen völlig irritiert in ihrer Ecke, unsicher, ob sie eingreifen sollten.
 

Sie hörten Aki dem Unbekannten leise Worte zuflüstern, die er murmelnd erwiderte. Dann begannen ihre Schultern zu beben, sie verschränkte die Arme auf der Brust des anderen und vergrub das Gesicht darin. Er legte schwach eine Hand auf ihren Kopf. Von ihr war nur leises Schluchzen zu hören und ein einziges Wort zu verstehen:
 

„Divine…“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Jitsch
2010-12-03T17:22:45+00:00 03.12.2010 18:22
Eine gute Einführung in die Story :) Die Idee gefällt mir gut, auch, weil ich ja Divine auch so gerne mag ^^

Außerdem gefällt mir total gut, wie die Charaktere durch das eine Kapitel irgendwie genauer beschrieben werden als in der ganzen Staffel XD Liest sich einfach interessant.

Bin ganz gespannt, wie's weitergeht ^^
Von:  Umi
2010-11-24T15:33:03+00:00 24.11.2010 16:33
Ppl suck *das mal zu der bisherigen Kommi-Zahl zu dieser Fic loswerden muss* Wobei, gen interessiert mich eigentlich auch nicht wirklich... aber nun ja, einer muss ja wieder hinbiegen, was die Autoren der Originalserie verbockt haben und wenn nicht du, wer dann? ;)
Wie gehabt, keep in mind, dass 5d's nicht mein Fandom ist, von daher hält mein Hintergrundwissen sich nach wie vor in Grenzen und ich kann auch nicht einschätzen, wie IC oder OOC die Charas sind. Aber was so was angeht, vertrau ich dir ja eh (in 99,9% der Fälle), also... Schauen wir einfach mal :)

Jack muss obviously mal richtig hart durchgenommen werden @ sein Rumgebitche *das dann auf jeden Fall mal loswerden musste* Nein, ehrlich, so was hilft oft Wunder *nod nod*
>> und stürmte die Treppe hinauf, wo er wütend in seinem Zimmer verschwand. Unterlegt wurde das Ganze mit einem lauten Knallen seiner Tür.<<
~~> Und da wirft er sich aufs Bett und hört alte Linkin Park Platten und fühlt sich missverstanden von der bösen Welt |D

>>ob sie wirklich ganz allein nach Haus gehen wolle, was sie bejate<<
~~> bejahte

Am besten gefällt mir die zweite Hälfte das Kapitels, als es Nacht ist :) Hast da ne feine Atmosphäre erzeugt und bist trotzdem recht schnell zum Punkt gekommen, ohne dabei jedoch die Charakterisierung zu vernachlässigen. Das Ende ist (für mich) in erster Linie lulzy, da es mich an das eine Mal, als ich bei dir zu Besuch war erinnert, als du mich zum ersten Mal mit 5d's angefangirlt hast und mir einen Ausschnitt aus ner Folge mit Divine und Aki gezeigt hast - den, wo sie nach ihm sucht und diesen langen, fenster- und türenlosen Gang entlangtapst und immer wieder nach ihm ruft XD

Ne, doch, war fein... ach scheiße, wieso können wir nicht im selben Fandom sein >_<
Von:  AkiProductions
2010-11-19T18:54:46+00:00 19.11.2010 19:54
*smile*
Hi!
Also, ich teile auf jeden Fall die Meinung meiner Vorgänger und hoffe ebenfalls, dass du an dieser FF weiterarbeitest (auch wenn ich bisher nur das erste Kapitel gelesen habe).
Ich bin ein großer Fan deines Schreibstils (ein gelungene Wahl von [manchmal] eher umgangssprachlichen Ausdrücken, die das Lesen interessant machen; keine zu langen Sätze; ein gut und flüssig lesbarer Text, bedingt durch die eingehaltene Rechtschreibreform ;D...[und vieles, vieles mehr]), die Idee, Bruno durch Divine zu ersetzen, finde ich BOMBIG!!!^-^ Ich hab' so das Gefühl, dass das die Beziehungen zwischen den Protagonisten um einiges verändern würde, und ich bin gespannt darauf zu lesen, inwiefern du das auch so siehst und darstellst!!!

Ich für meinen Teil freue mich auf die nächsten Kapitel!!!
Halte durch!!! ;)
AkiPro.
Von:  UniverseHeart
2010-11-15T08:33:32+00:00 15.11.2010 09:33
Molly, ich hoffe echt, dass du diese Fanfic durchhälst! ich finde es mehr als gut von dir, dass du Divine wieder hier einbringst, denn der arme Kerl kann einem echt leid tun dass er einfach so im Nichts verschwunden ist, wo man doch hätte so viel mehr mit ihm machen können!! Ich bin echt gespannt wie es hier weiter geht und vor allem wünsche ich dir viel Spaß am schreiben - ich weiß auch wie viel Spaß es machen kann, ein wenig mehr Alternativen zu schreiben. =) So, never give up! ^^
Von:  Sean
2010-11-15T02:20:13+00:00 15.11.2010 03:20
Weißt du... ich habe eine brilliante Idee! Du hälst das durch. Diese Fic zu schreiben mein ich. Und zwar solange, bis du den aktuellen Storyverlauf eingeholt hast. Also den, den ich nicht mehr anschaue (weil ich nicht nachkomme, nicht weil ich nicht will). Und dann spickst du das ganze mit Screenshots - und dann muss ich die Serie nicht mehr schaun, sondern lese sie so, wie sie sein sollte. *sehr zufrieden mit ihrer Lösung*

Alsooo~
Ich mag wie Jack und Yusei interagieren. So, wie man uns in den ersten paar Folgen vorgegaukelt hat, ihre Beziehung darstellen zu können. Zwei sehr unterschiedliche Freunde, aber Freunde auf jeden Fall, und zwar durch dick und dünn. Crow blickt da auch nicht ganz durch, aber das heißt nicht, dass ihm die zwei nicht wichtig sind.
Und DIVINE~! *_*x Der natürlich nicht irgendwo im Nirvana ist, sondern RIGHT FUCKING THERE.

Much love. <3
~jea


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