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Last Despair

Beyond Birthdays Fall
von

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Gott

„Hältst du es wirklich für eine gute Idee, mit einem Serienmörder zusammen zu arbeiten und das ausgerechnet mit diesem BB-Mörder?“ Janice Kazan versuchte bereits seit zehn Minuten, ihren Mann davon abzuhalten, doch dieser hatte bereits seinen Schluss gefasst. „Schatz, ich hab das alles unter Kontrolle. Zwar ist der Typ mehr als verrückt, aber im Moment kommen wir einfach nicht in dem Fall weiter und außerdem hat mir Naomi versichert, dass der Kerl nicht dumm ist.“ „Trotzdem habe ich meine Bedenken.“ Wieder einmal bereute Kazan sein lockeres Mundwerk und wünschte sich, er hätte Janice nichts davon erzählt. Sie war einfach viel zu besorgt wenn es darum ging, mit Mördern zusammen zu arbeiten, besonders weil eines der Opfer eine Kollegin von ihr war: Die 28-jährige Backyard Bottomslash, die durch unzählige Messerstiche verblutet war. Der Mörder hatte ihr daraufhin den linken Arm und das rechte Bein abgetrennt, wobei der Arm bis heute nicht gefunden werden konnte. Ihre Sorge war somit berechtigt, aber es nervte Steven Kazan einfach, dass sie so ein Theater machte. Er erwartete von ihr, dass sie ihm vertraute und nicht so viele Fragen stellte. Wäre er ein Anfänger gewesen, dann hätte die Sache anders ausgesehen, doch er war schon seit Jahren beim FBI und hatte oft mit gefährlichen Individuen zu tun gehabt, doch da hatte Janice nichts dazu gesagt. Erst, als er ihr nebenbei erzählt hatte, dass er einen Anruf aus dem Gefängnis bekam und Ryuzaki ihm verkündet hatte, er hätte seine Meinung geändert. So entsetzt hatte Janice noch nie ausgesehen, ihr Gesicht war kreidebleich geworden, ihre Augen hatten sich geweitet und ihre saphirblauen Augen leuchteten förmlich. „Mach dir mal keine Sorgen Liebling, er wird bestens bewacht und ich habe auch nicht vor, mich länger als nötig mit ihm zu unterhalten. Außerdem ist er mit Handschellen gefesselt.“ Doch wieder musste er an Naomis Warnung denken: „Vergiss niemals, wer er ist.“ Diese Warnung ging ihm nicht aus dem Kopf als er seiner Frau einen Abschiedskuss gab, auch nicht als er in seinem schwarzen Mercedes die Straßen entlang fuhr und im Radio die gute alte Musik aus den 80ern hörte. Auch als er das Gefängnis erreichte, ging ihm dieser Satz nicht aus den Kopf und als er wieder den Raum betrat, in dem er Ryuzaki zum ersten Mal getroffen hatte, saß dieser gelassen auf seinem Stuhl, dieses Mal ohne Augenbinde und las ein Buch. Der Wachmann erklärte ihm, dass Ryuzaki, nachdem er im Radio vom neuesten Mord gehört hatte, sofort nach dem Telefon verlangt habe und gleich darauf begann, sämtliche Bücher zu lesen. Wahrscheinlich hatte er einen Geistesblitz gehabt oder ihm war irgendetwas aufgefallen, doch was es war, konnte sich Kazan keinesfalls erklären, denn dieser Mord unterschied sich keinesfalls von den anderen. Ryuzaki grüßte ihn nicht, sah auch nicht auf, als Kazan durch die Tür schritt und auf dem freien Stuhl Platz nahm. Er schien ihn gar nicht zu bemerken, so vertieft wie er war. Neugierig sah Kazan auf den Einband um den Titel des Buches lesen zu können. Es war ein Roman von Jeff Lindsay und trug den Titel „Des Todes dunkler Bruder“. Ob das was mit dem Fall zu tun hatte?

„Sie hatten mich angerufen und um ein schnelles Treffen gebeten, Mr. Ryuzaki“

„Sehr richtig, aber das „Mister“-Geschwafel können Sie ruhig sein lassen. Zunächst hatte ich gar nicht erst vorgehabt, mich noch mal bei ihnen zu melden…. Aber warum ich es mir anders überlegt habe, ist meine Sache. Aber ich hätte nicht gedacht, dass Sie noch mal kommen würden. So genervt wie Sie letztes Mal waren.“ Er schien seinen Spaß an den Gedanken zu haben, Kazan zu reizen, auch wenn man es ihm nicht ansah. „Sind Sie religiös, Agent Kazan?“

„Ja, ich bin protestantisch erzogen worden.“ „Schlecht… aber daran lässt sich nichts ändern. Aber mit der Bibel sind Sie doch vertraut, oder?“ Wollte er etwa auf die Engelsfiguren andeuten? Das hatten schon sämtliche Spezialisten überprüft, doch das war eine Sackgasse gewesen. „Sicherlich sind Sie nur mit den gröbsten Details vertraut. Auch nicht schlimm, denn ich bin eigentlich überhaupt nicht religiös, aber durch den Fall lässt sich so etwas nicht vermeiden. Jedenfalls… unser Mörder scheint sich mit dem alttestamentarischen Gott zu vergleichen.“ Auch der Gedanke war Kazan bereits gekommen, dass sich der Mörder mit Gott gleich setzte, aber allein das hatte ihn auch nicht vorangebracht. Aber wahrscheinlich war dies auch nicht Ryuzakis Ziel. Er wollte keine Hinweise suchen, sondern die Gedankengänge des Mörders analysieren, um ihn besser zu verstehen. Er betrachtete dies alles aus psychologischer Sicht und nicht aus der eines Ermittlers, der nur Hinweise auf das nächste Opfer suchte. „Die beiden Götter aus den beiden Testamenten unterscheiden sich markant, aber das müsste Ihnen bereits aufgefallen sein. Der alttestamentarische Gott ist ein rachsüchtiger, grausamer, rassistischer Gott, der das Volk Israel mit Terror regiert und die anderen Völker mit Terror auslöscht. Ein Diktator wie aus dem Bilderbuch also. Moment…“ er legte das Buch beiseite und hob einen dicken Wälzer vom Boden auf, ohne Kazan auch nur ein einziges Mal ins Gesicht zu sehen. Er schlug das Buch auf und blätterte eifrig drin herum. „Ez 9:5-7: Und ich hörte wie er (Gott) zu den anderen sagte: (...) Schlagt zu! Euer Auge soll kein Mitleid zeigen, gewährt keine Schonung! Alt und Jung, Mädchen, Kinder und Frauen sollt ihr erschlagen und umbringen. (...) Er (Gott) sagte zu ihnen: Macht meinen Tempel unrein, füllt seine Höfe mit Erschlagenen! Dann geht hinaus, und schlagt in der Stadt zu.“ Tatsächlich hörte sich dies nicht nach dem gütigen Vater im Himmel an, sondern eher nach einem Rachegott. Wollte Ryuzaki etwa darauf hinweisen, dass der Mörder sich nach Auszügen aus dem alten Testament richtete? „Und gibt es irgendwelche Stellen zu den Foltermethoden?“ Wieder begann Ryuzaki zu blättern, doch es war kein suchendes Blättern, so als wusste er nicht wo man solch eine Textstelle finden konnte, sondern nach der richtigen Seite. Er schien genau zu wissen, wo er suchen musste und fand dann schließlich die richtige Stelle „Da gibt es zwei Stellen. Eine von Markus aus dem neuen Testament und von Amos aus dem alten Testament. Welche wollen Sie zuerst?“

„Markus aus dem neuen Testament.“

Ryuzaki blätterte weiter nach vorne und begann zu zitieren. „Mk 9:43-48 Wenn dich deine Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer. Und wenn dich dein Fuß zum Bösen verführt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden. Und wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden.“

Und schon blätterte Ryuzaki wieder zurück um Amos zu suchen. Sprachlos saß Kazan da und wusste erst gar nicht, was er sagen sollte. Warum zum Teufel hatte niemand daran gedacht, die Folterungsarten auf die Bibel zu beziehen? War der Engel etwa nur ein Ablenkungsmanöver gewesen? Dann schließlich hatte Ryuzaki die Stelle gefunden und räusperte sich „Am 9:1-4 (...) Ich zerschmettre allen den Kopf. Was dann von ihnen noch übrig bleibt, töte ich mit dem Schwert. Keiner von ihnen kann entfliehen (...). Und wenn sie vor ihren Feinden her in die Gefangenschaft ziehen, dann befehle ich dort dem Schwert sie zu töten.“ Das waren erst mal genug Informationen gewesen. Zumindest dachte Ryuzaki so, denn er klappte die Bibel zu und wandte sich wieder seinem Roman zu. „Wenn nur die Folterung auf die Bibel bezogen ist, dann stellt sich die Frage, welche Rolle der Engel spielt.“ Sofort gab Ryuzaki einen tiefen Laut von sich, der das Signal nachahmte, wenn man bei einer Quizshow eine Frage falsch beantwortet hatte. Das irritierte Kazan ein wenig, dann aber fing er sich wieder. „Die Frage ist“, korrigierte Ryuzaki „wieso sich der Täter auf die Bibel bezieht. Wir sind hier nicht im Mathematikunterricht, wo eine halb gelöste Frage genug Punkte ergibt. Bevor wir zur nächsten Aufgabe übergehen, müssen wir diese erst einmal die Bibelfragen lösen. Eine nette kleine Hausaufgabe für Sie.“ Die ganze Zeit hatte Ryuzaki ihn kein einziges Mal angesehen und Kazan spürte, dass es einen ganz bestimmten Grund haben musste. Er wollte einfach nicht, dass er die Gesichter von anderen sah. Wahrscheinlich kamen schlechte Erinnerungen hoch, wenn er andere Leute ansah. Aber Kazan spürte, dass es etwas ganz anderes war und sicherlich hatte es mit Ryuzakis Psyche zu tun. „So, das war es für heute. Ich möchte ja nicht die ganze Arbeit für Sie machen. Finden Sie heraus, wieso sich der Mörder hauptsächlich auf den Gott des alten Testamentes bezieht und warum er die Bibel ausgewählt hat. Was für eine Rolle spielt die Bibel für ihn? Das sind Ihre Hausaufgaben zum nächsten Mal.“

Dass Kazan jetzt den Rest der Arbeit übernehmen musste, schien Ryuzaki Vergnügen zu bereiten und für einen kurzen Augenblick sah Kazan seine Augen, die ihn jedoch nicht fixierten, sondern kurz auf die beiden Wachmänner schauten, die die beiden überwachten. Sie waren weit aufgerissen und seine Iris war so schwarz wie seine Pupillen. Er hatte tiefe Augenringe und diese verliehen ihm einen etwas unheimlichen Eindruck. Was war diesem Mann bloß passiert oder was hatte er erlebt, dass er niemanden mehr ins Gesicht sehen wollte oder konnte? Da Ryuzaki schwieg und keinerlei Anstalten machte, noch irgendeinen Hinweis zu geben, verabschiedete sich Kazan und ging wieder. Als er dann die Glastür erreichte, drehte er sich noch ein einziges Mal zu Ryuzaki um. Dieser schien seinen Blick zu spüren und wandte das Gesicht ab, so als wollte er keine unfreiwillige Chance haben, Kazan zu sehen.

Als er dann schließlich in den Wagen einstieg, schien ihm so als verstünde er, was er ihm beim letzten Mal gesagt hatte. Ryuzaki fühlte sich rund um die Uhr beobachtet, wahrscheinlich eine paranoide Krankheit und aus irgendeinem Grund wollte er vermeiden andere zu beobachten. Egal was dieser Grund auch war, er konnte es nicht fertig bringen, andere zu beobachten. Er wollte es nicht, er wollte kein Teil dieses Teufelskreises sein, zumindest nicht mehr. Seine Opfer hatte er rund um die Uhr beobachtet, bevor er sie tötete aber nach seiner Inhaftierung schien er sich vollkommen abgeschottet zu haben. Nachdem sein Zellgenosse starb, hat er kaum ein Wort mit jemandem gewechselt, hatte sich die Augen verbunden und alles blind erledigt. Entweder war er ein Exzentriker, oder er war ziemlich gestört. Wahrscheinlich war er auch beides.

Die Arbeit, die dieser Ryuzaki ihm aufgehalst hatte, war eine reine Interpretations- und Psychologiearbeit. Da brauchte man nicht viel nachzuforschen, das hatte Ryuzaki bereits erledigt. Und er wusste bereits die Lösung, oder schien zumindest einen Ansatz zu haben. Er wollte nur, dass Kazan ihn in seiner Theorie bestätigte oder widersprach. Die Karten hatte er ihm auf den Tisch gelegt, nun lag es an ihn, sie in die richtige Reihenfolge zu bringen und ihre Bedeutung herauszufinden.

Er ging ins „Lovely Evening“, seiner Lieblingsbar, wo er seit mehr als 18 Jahren hinging. Nachdem er sich einen alkoholfreien Drink bestellt hatte, setzte er sich in seine Lieblingsecke und begann zu grübeln. Im Hintergrund lief 80er Jahre Musik von Graham Gouldman. So etwas hatte er jetzt wirklich gebraucht.

Aber jetzt war keine Zeit um sich auf die faule Haut zu legen. Was bezweckte der Täter mit der Bibel? Also wenn er nicht religiös war, benutzte er diese, um seine Taten zu rechtfertigen? Nein, so einfach war das nicht. Er wollte nicht auf bestimmte Textstellen der Bibel hinweisen, um sich als Rachegott darzustellen. Ihm ging es um Buße. Die Opfer sollten für eine ganz bestimmte Tat büßen und der Täter stand für den Gott da, der die Sünder bestrafte. Aber diese Engel…

Nein, Ryuzaki hatte ihm gesagt, er dürfte sich nicht mit so etwas ablenken lassen. Wie ging noch mal dieses Bibelzitat mit der Verstümmelung? Wenn dich die Hand zum Bösen verführt, schlag sie dir ab…

Dann hatten sie irgendein gemeinsames Verbrechen begangen, für das sie nicht belangt wurden. Ob dieses Verbrechen mit dem Täter in Verbindung stand? War er vielleicht ein Opfer der sieben Ermordeten gewesen? Das würde so einiges erklären und dann gäbe es auch eine Verbindung zwischen den Opfern. Das neue Testament handelte von Erlösung, Vergebung und Nächstenliebe. Doch das alte Testament handelte von Krieg, Raub, Bestrafung und Bußen. Der Mörder war Gott, der die Ungläubigen niedermetzelte und diejenigen bestrafte, die noch keine Buße getan hatten. Ob es das war, was Ryuzaki sagen wollte? Wer weiß…

Die Bibelfragen hatte Kazan also gelöst und jetzt ging es daran, die Sache mit den Engelsfiguren zu lösen. Ob da ebenfalls ein biblisches Motiv dahinter steckte?
 

Bevor er sich auf den Weg nach Hause machte, beendete er seinen Zwischenbericht und lieferte ihn schließlich ab. Am Abend rief Naomi ihn noch mal an um zu fragen, wie es denn nun gelaufen war. Er sprach nicht viel darüber, nur dass Ryuzaki einen äußerst eigenartigen Sinn für Humor hatte und ihm nur ein paar Hinweise gab, aber nicht alles verriet, was er wusste. Es stellte sich heraus, dass er genauso bei Naomi vorgegangen war, nur mit dem Unterschied dass die Umstände anders waren und er sie auch nicht bis zum Äußersten zu reizen versuchte.

Morgen würde er wohl oder übel wieder zu Ryuzaki gehen, ihm ein Glas Marmelade vorbeibringen und sich mit ihm austauschen. Doch als er im Gefängnis anrief, erklärte man ihm, dass es Probleme mit Ryuzaki gegeben hätte und er für die nächsten zwei Tage keinen Besuch empfangen durfte. Als er nachfragte was passiert sei, antwortete man ihm, dass Ryuzaki auf einen Wachmann losgegangen sei und sich danach mit einem Draht am Arm verletzt hatte. Was war denn jetzt passiert? Wieso hatte Ryuzaki das getan? Diese Frage würde er erst nach Ablauf der Zweitagesfrist klären können aber eines war sicher: Irgendetwas stimmte mit Ryuzaki nicht und er hatte das Gefühl, als würde er mit diesen Problemen sehr schnell konfrontiert werden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-08-06T21:33:00+00:00 06.08.2010 23:33
Es wird ja immer spannender.
Ich habe mich die ganze Zeit gefragt,
woher du das alles weißt. Bist du selbst
sehr religiös? Ich muss gestehen, dass ich absolut
keine Ahnung habe von Religion und dem, was in der
Bibel steht oder nicht.
Deswegen finde ich es umso interessanter.
Ich frage mich auch die ganze Zeit, was mit Beyond
los ist. Irgendwas bezweckt er doch?
Ich werde das Gefühl nicht los, dass es noch die ein
oder andere Überraschung geben wird.
ok, ich muss schnell weiterlesen^^


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