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Last Despair

Beyond Birthdays Fall
von

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Ryuzaki

Als der Wachmann am Gefängnistor Kazans Marke überprüfte und hörte, dass er Rue Ryuzaki sprechen wollte, sah er diesen mehr als ungläubig an, so als hätte dieser einen mehr als schlechten Witz erzählt. Kazan konnte es ihm auch nicht verdenken, denn so wie dieser Ryuzaki die Polizei zum Narren gehalten und sich mehr als ignorant verhalten hatte, hatte er nie wieder Besuch von der Polizei und die einzigen, die sich nach ihm erkundigten, waren Reporter oder irgendwelche Psychologen, die seine Denkweisen näher studieren wollten. Auch hier hatte sich Ryuzaki stur gestellt und aus den Fragebögen kleine Papierflieger gemacht, die er durch seine Zelle hatte fliegen lassen. Die einzigen Ausnahmen, die das Ausmaß seiner psychologischen Taktik erlebten, waren sein verstorbener Zellgenosse und ein Schriftsteller, der seine Geschichte veröffentlichen wollte. Nachdem er von seinem Zellgenossen beinahe krankenhausreif geprügelt wurde, hatte Ryuzaki diesen dazu gebracht, sich selbst die Zunge abzubeißen und mit einer geschmuggelten Nagelschere die Augen auszustechen. Dieser ist dann qualvoll verblutet und Ryuzaki hatte das alles mit einer unheimlichen Gelassenheit beobachtet. Der Schriftsteller, der eine Biografie zu Ryuzaki schreiben wollte, zog sich vollkommen zurück. Er schloss sich in seiner Wohnung in vollkommener Dunkelheit ein und brachte sich dann schließlich selbst um. Als man fragte, was Ryuzaki ihm erzählt habe, antwortete dieser gelassen, dass er ihm nur seine Sicht der Welt gezeigt hatte. Was immer das auch bedeuten sollte.

Kazan wurde dann schließlich von einem anderen Wachmann begleitet, der ihn über alles instruierte, was er wissen sollte. „Rue Ryuzaki befindet sich in einer Einzelzelle im Sicherheitstrakt und verlässt diese niemals. Sie werden sich mit ihm in einen bewachten Gesprächsraum treffen, wo natürlich gewisse Sicherheitsvorschriften beachtet werden müssen. Spitze Gegenstände wie Füller, Bleistifte, Sicherheitsklammern, Scheren usw. müssen vorher abgegeben werden. Zwar trägt er Handschellen, doch aufgrund der beiden Vorfälle mussten wir die Maßnahmen verschärfen. Feuerzeuge, Streichhölzer, Glas, Elektroschocker… alles, was man als Waffe benutzen kann, müssen Sie abgeben.“ Als sie dann schließlich den Sicherheitstrakt erreichten, gingen sie den Gang hinunter, vorbei an schweren, ausbruchsicheren Stahltüren und am Ende des Ganges befand sich eine weitere Tür ohne Fenster und ohne Schloss. Sie war nur über ein Tastenfeld mit entsprechender Zahlenkombination zu öffnen. Als sie diese passierten, gab Kazan alle genannten Gegenstände ab und schritt dann durch eine Tür aus Panzerglas. Dahinter lag ein spärlich eingerichtetes Zimmer, eine Art Zimmer im Zimmer und alle Wände waren aus Glas. Das Inventar bestand aus einem am Boden verschraubten Tisch und zwei Stühlen. Kazan nahm auf einem dieser Stühle Platz und begann schon mal die Kopie der FBI-Akte herauszuholen. Dort war alles bis ins kleinste Detail aufgeschrieben und auch Farbfotos waren beigelegt. An das Glas Marmelade hatte Kazan selbstverständlich gedacht. Statt des Glases hatte er einen Plastikbecher mit Schraubverschluss genommen. Es gehörte zum kleinen Einmaleins für Polizisten, eine Verbindung zu Verdächtigen und Gefangenen aufzubauen um möglichst viele Informationen zu bekommen. Etwas ungeduldig sah er zur Tür und wunderte sich, dass Ryuzaki noch nicht da war. Dann aber schließlich kam er, begleitet von zwei Wachleuten, die ihn an den Armen gepackt hielten und ihm den Weg wiesen. Kazan erkannte auch sofort warum: Ryuzaki waren die Augen verbunden worden. Wozu das nötig war, das war ihm schleierhaft. Er trug die typische blaue Kleidung für die Gefängnisinsassen des Sicherheitstraktes und war mit Handschellen gefesselt und das ausnahmsweise mal nicht auf den Rücken. Nachdem man ihn zu seinen Stuhl geführt hatte, setzte sich oder besser gesagt hockte er sich darauf. Zwar hatte Naomi ihn schon vorgewarnt, dass er so seine Eigenart hatte, aber diese groteske Sitzhaltung ließ ihn schon etwas verwundern. „Guten Tag Mr. Ryuzaki, ich bin Steven Kazan vom FBI.“ „Angenehm“, antwortete Ryuzaki knapp und begann, auf einen seiner Daumennägel herumzukauen. Das machte ihn noch verschrobener, als er eh schon aussah. Sein schwarzes Haar war zottelig und seine Finger knochig und lang. Er wirkte schmächtig und schien nicht sonderlich viel von sportlicher Aktivität zu halten. „Man sagte mir, Naomi Misora hätte Sie dazu bewegt, mich aufzusuchen. Wie geht es ihr so?“ „Ganz gut, sie wird wohl in Zukunft heiraten.“ Ryuzaki schien etwas unterkühlt zu sein, machte keinerlei Anstalten, seine Augenbinde abzunehmen und das irritierte Kazan ein wenig. „Wieso nehmen Sie nicht die Augenbinde ab? So können wir uns wenigstens von Angesicht zu Angesicht sehen.“ „Eben das möchte ich nicht. Ich will nichts mehr sehen.“ Was für ein seltsamer Kerl, dachte Kazan und hätte beinahe den roten Faden verloren.

„Naomi hatte mir gesagt, Sie würden gerne Marmelade essen. Ich habe Ihnen welche mitgebracht.“

„Zu freundlich.“ Er drückte Ryuzaki den Plastikbecher in die Hand, welchen er öffnete und auch schon begann, mit den Fingern die rote zuckrige Masse zu essen. Auch davor hatte man ihn bereits gewarnt, aber es so in Natura zu sehen, war für Kazan ganz anders. Er wusste nicht, ob er Abneigung oder Misstrauen für den Kerl empfinden sollte. „Sind Sie hierher gekommen“, fuhr Ryuzaki schließlich fort, wobei er beim Sprechen nicht die Anstalt machte, eine kurze Essensunterbrechung zu machen „um mir irgendwelche Fragen zu stellen, so wie diese unfähigen Psychologenheinis, oder brauchen Sie meinen Rat zum Engel-Serienmordfall?“ Exakt ins Schwarze getroffen, dachte Kazan und musste wieder an Naomis Warnung denken, niemals zu vergessen, wer Ryuzaki wirklich war: Ein gefährlicher Serienmörder. „Also nur um klarzustellen“, betonte er und begann damit, sich die Finger abzulecken „ich weiß nur das, was man im Radio zu hören kriegt. Insgesamt sind es jetzt sechs Mordopfer, allesamt Verbrecher ohne eine Verbindung zueinander. Ihnen wurden Hände und Füße abgetrennt, die Augen ausgestochen und der Mund zugenäht. Dabei haben die Opfer noch gelebt, bis sie mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden sind. Der Täter hinterließ weder Spuren noch Tatwaffen, dafür aber jedes Mal eine kleine Engelsfigur aus weißem Porzellan, die so präpariert worden war, dass sie Blutttränen weint. War’s richtig so?“ Kazan bestätigte dies und fügte noch hinzu, dass die Opfer alle an abgelegenen Orten ermordet worden waren. Eine Weile herrschte Stille, dann aber unterbrach Ryuzaki das Schweigen. „Und was hätte ich von einer Zusammenarbeit mit dem FBI?“

Diese Frage hatte Kazan schon dutzende Male gehört. „Es könnte sich positiv auf Ihre Akte auswirken und Sie würden früher wieder entlassen werden. Es sei denn, Sie hätten da eine etwas andere Vorstellung.“

„Kein Interesse!“ Kurz und knapp hatte Ryuzaki diese beiden Worte gesagt und in diesem Ton steckte so viel kindlicher Trotz und Sturheit sodass Kazan einen Moment lang glaubte, vor ihm säße da ein erwachsenes Kind, wo er gerade noch so seriös und ernst wirkte. „Ich habe genug von dieser Welt. Überall nur Leid und Tod….“ „Haben Sie sich deswegen die Augen verbunden? Um die Augen vor der Realität zu verschließen?“

Anscheinend war Ryuzaki etwas erstaunt über diese Interpretation und schwieg eine Weile, dann setzte er ein breites Grinsen auf und begann zu lachen. Es war ein schauriges unmenschliches Lachen, welches Kazan einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. Dann aber erstarb sein Lachen urplötzlich, so als hätte sich Ryuzaki selbst darüber erschreckt. „Nein, ich verschließe meine Augen einfach deshalb, damit ich es besser unter Kontrolle habe. Jedenfalls, Sie haben mir einige Fragen gestellt, jetzt finde ich es doch mehr als fair, wenn ich auch mal ein paar Fragen stelle nicht wahr?“

„Nur zu“, doch im Inneren widerstrebte es ihm, wieder so ein dämliches Frage-Antwort-Spiel zu spielen, besonders aus dem Grund, weil er es hasste, wenn man ihn ausfragte. Aber hier musste er eine Ausnahme machen, weil es darum ging, diesen Ryuzaki umzustimmen denn es war offensichtlich, dass er bereits einen Verdacht hatte, wer der Serienmörder sein könnte. „Haben Sie nicht manchmal auch das Gefühl beobachtet zu werden?“ Was sollte die Frage denn? Eigentlich hatte Kazan damit gerechnet, dass Ryuzaki ihn persönliche Fragen stellte, aber er schien zu wissen, dass es eh keinen Sinn machen würde. „Wissen Sie“, fuhr Ryuzaki grinsend fort, ohne auch nur die Antwort abzuwarten. „Wenn die Menschen einen anstarren, dann fühlt man sich ja beobachtet. Man erwidert ihren Blick und merkt noch nicht einmal, dass man das Gleiche tut. Und wenn man ständig das Gefühl hat, beobachtet zu werden, dann sucht man nach der Quelle und beginnt, andere Menschen zu beobachten. So wird der Beobachtete selbst zum Beobachter. Verstehen Sie was ich damit sagen will?“ Kazan konnte sich zunächst keinen Reim aus dieser Aussage machen, aber er ahnte, dass Ryuzaki ihm etwas Bestimmtes zu vermitteln versuchte. „Sie meinen also, dass sich alle Menschen gegenseitig beobachten, ohne dass sie es wirklich beabsichtigen?“

„Ich meine gar nichts“, prustete Ryuzaki los und wieder erschallte dieses bizarre Gelächter und für einen Moment erschien es Kazan so, als würde kein Mensch da auf dem Stuhl hocken sondern eine Art unmenschliches Wesen.
 

Ein Todesgott.
 

So ein Blödsinn, dachte Kazan kopfschüttelnd. Es gab so etwas wie Götter oder Geister nicht, ebenso wenig wie Marsmenschen oder Engel. Dieser Ryuzaki war ihm unheimlich und eine Stimme in seinem Inneren drängte ihn, dieses Gespräch rasch zu beenden. Dann aber änderte sich dieses Gelächter und wieder war ihm so, als säße ihm ein erwachsenes Kind gegenüber. Als er sich wieder eingekriegt hatte, begann er sich wieder am Kopf zu kratzen und langsam ging er Kazan ziemlich auf den Keks. „Sie scheinen ein Mann zu sein, der wohl keinen Spaß versteht oder? Genauso wie Naomi, nur mit dem Unterschied, dass sie sich auf meine kleinen Späße eingelassen hat. Sie sind ja ein richtiges Herzchen.“ Beinahe wäre Kazan die Faust ausgerutscht aufgrund dieses mehr als deutlichen Sarkasmus, aber es hatte keinen Sinn. Dieser Ryuzaki versuchte ihn entweder zu provozieren, oder seine Geduld zu testen. Er spielte mit ihm, indem er wie ein kleines Kind ihn immer wieder mit Bällen bewarf und darauf wartete, dass dieser irgendwann die Geduld verlor. Nun stellte sich die Frage, ob er sich auf dieses Spielchen einließ und ihm zeigte, wie er gestrickt war, oder gleich das Feld räumte und ihm klarmachte, dass er nicht die Nerven für so etwas hatte. Er entschied sich lieber für Variante zwei. „Mr. Ryuzaki, ich bin mit dem Ziel hierher gekommen, um Hinweise zum Mordfall zu bekommen und nicht, um mich an der Nase herumführen zu lassen. Ihre kleinen Psychospielchen können Sie ja mit anderen führen, aber ich habe nicht die Zeit für so etwas. Wenn Sie sich anders entscheiden, dann können Sie mich jederzeit kontaktieren, aber ich habe nicht vor, so eine Nummer wie aus den Hannibal-Lecter-Romanen abzuziehen. Schönen Tag noch.“

Mit diesen Worten verabschiedete sich Kazan und als er die Glastür erreicht hatte, warf ihm Ryuzaki ein beleidigtes „Spielverderber“ hinterher. Was hatte sich Naomi bloß dabei gedacht, ihn zu so einem Verrückten zu schicken?

Nun war seine Laune noch miserabler als sonst und den Rest des Tages konnte sich seine Stimmung nicht bessern. Irgendwie ging ihm Ryuzakis Worte nicht mehr aus dem Kopf. „Wenn die Menschen einen anstarren, dann fühlt man sich beobachtet. Man erwidert ihren Blick und merkt noch nicht einmal, dass man das Gleiche tut. Und wenn man ständig das Gefühl hat, beobachtet zu werden, dann sucht man nach der Quelle und beginnt, andere Menschen zu beobachten. So wird der Beobachtete zum Beobachter.“ Egal wie schräg und gestört der Typ auch war, er besaß herausragende psychologische Fähigkeiten und hatte ihn schnell durchschaut, auch wenn er dies nicht preis gab und ihn verarschte.
 

Dann, ungefähr nach drei Tagen geschah ein weiterer Mord und kurz darauf klingelte Kazans Handy. Am anderen Ende der Leitung war niemand anderes als Ryuzaki.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-08-06T21:11:38+00:00 06.08.2010 23:11
Uii Beyond kam ja schnell vor^^
Ich liebe es, wenn zwei Leute, die sich noch nie gesehen
haben, gegenseitig Fragen stellen. Und wenn es sich
dabei noch um so einen Psychopathen wie BB handelt,
dann ist es umso interessanter.
Das was Beyond zu dem FBI Agenten gesagt hat, ist
einerseits leicht zu verstehen und dann doch wieder
nicht. Der Sinn ist mir zwar klar, aber trotzdem weiß
ich nicht genau, was Beyond ihm damit sagen wollte.
Ziemlich interessant. Das hast du dir gut ausgedacht.



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