The Returning
Und tatsächlich mal wieder ein Kapitel.
Gibt nicht viel dazu zu sagen, außer, dass es übertrieben viele POV-Abschnitte enthält. Das wird sich wohl so schnell auch nicht ändern, da es so wirklich am leichtesten ist, die Gefühle der Protagonisten sinnvoll rüberzubringen. Ich setze einfach mal voraus, dass das keinen stört.
EDIT: Der Song wurde geändert! Und zwar zu recht. Ich dachte ja, dass "The Kill" passen würde. Tat's auch. Aber das hier passt nicht zu hundert, sondern zu tausend Prozent o.o Ich war selbst schon schockiert, als ich es heute nochmal gehört hab. Eindeutig Hizumis Lied!
Edguy - Forever
http://www.youtube.com/watch?v=JRnAo0j6UmM&feature=related
Hier die Lyrics.
Sollte man sich mal durchlesen.
http://www.sing365.com/music/lyric.nsf/Forever-lyrics-Edguy/917166CF41BB562B48256E72000C7DBF
enjoy ♥
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Zeros POV
Wie vom Donner gerührt stand ich da, die Hand noch immer auf der Türklinke. Mittlerweile hatte sich vor meinen Füßen eine kleine Pfütze gebildet. Ich schenkte ihr keinerlei Beachtung.
Meine volle Aufmerksamkeit konzentrierte sich momentan auf die Person im Türrahmen.
„Hallo.“, hauchte Toshiya leise. Seine Stimme klang heiser. Ganz anders als in meiner Erinnerung.
Mir fehlten die Worte. Meine Gedanken überschlugen sich und ich war nicht fähig zu antworten. Ihm schien es ähnlich zu gehen.
Wir standen beide wie versteinert auf unseren Plätzen. Er draußen im Regen, ich im Halbdunkeln des kalten Flurs. Wind kam auf und ließ die Äste der Bäume knacken.
„Komm rein.“, brachte ich schließlich hervor.
Ich ging ein Stück rückwärts um Toshiya Platz zu machen. Mit lautlosen Schritten betrat er den Flur. Ich schloss die Haustür und schaltete das Licht an. Wir standen uns gegenüber.
Jetzt, im dämmrigen Licht der Wandleuchte, konnte ich zum ersten Mal einen richtigen Blick auf ihn werfen. Er hatte sich verändert. Sein Gesicht war schmaler geworden, die Haare länger. Welche Frisur er eigentlich hatte war schwer auszumachen, denn momentan hing ihm das Haar in wirren, nassen Strähnen ins Gesicht. Doch die größte Veränderung lag in seinen Augen.
Auf die Schnelle konnte ich nicht sagen worin genau der Unterschied bestand, doch er war auf alle Fälle sichtbar. Ich nahm die Hand von der kühlen Türklinke und bemerkte, dass sie zitterte.
Offenbar wartete Toshiya darauf, dass ich etwas sagte.
Hilflos fuhr ich mir mit der Hand übers Gesicht. Plötzlich bemerkte ich, dass meine Wangen nass waren.
Weinte ich?
Fahrig wischte ich mir mit dem Handrücken über die Augen.
Tatsächlich.
Ich heulte ohne es zu merken. Stand da und heulte stumm vor mich hin, ohne jeglichen Einfluss auf diese Handlung. Wieder warf ich einen Blick zu Toshiya. Der stand noch immer da und biss sich auf die Lippen.
„Entschuldige.“, sagte ich und wischte mir ein weiteres Mal übers Gesicht. Diesmal mit dem Ärmel.
Was tat ich hier?
Ich stand vor demjenigen der mir in der letzten Hälfte des Jahrhunderts mit Abstand am meisten bedeutet hatte. Stand da und starrte dumpf auf den Fußboden, anstatt hinüber zu gehen und ihn in den Arm zu nehmen. So wie ich es mir all die Jahre immer wieder ausgemalt hatte. Tausende Male hatte ich mir passende Worte für diesen einen Augenblick des Wiedersehens zurechtgelegt.
Schöne Worte.
Tröstende Worte.
Worte, die all das ausdrückten was ich damals wie heute empfand.
In diesem Moment fiel mir nicht ein einziges ein.
Wieso konnte ich nicht einfach diese zwei Schritte gehen die uns trennten?
Wieso konnte ich ihn nicht in den Arm nehmen?
Er sah so verloren aus, wie er dastand. Vollkommen durchnässt, mit hängenden Schultern und hoffnungsvollem Blick. Es war offensichtlich, dass er auf eine Reaktion meinerseits wartete. Da war er allerdings nicht der Einzige. Auch ich wartete vergeblich, doch mein Gehirn verweigerte mir den Dienst.
„Soll ich gehen?“, fragte er schließlich kaum hörbar.
„Nein!“, entfuhr es mir vollkommen unvermittelt.
Toshiyas helle Augen suchten krampfhaft meinen Blick. Ich tat ihm den Gefallen nicht, starrte stattdessen nur auf den Boden. Meine Hände zitterten immer noch und die Kopfschmerzen waren zurückgekehrt. Eigentlich rechnete ich damit, jeden Moment aus diesem schlechten Traum zu erwachen.
„Du hast mir gefehlt.“
Dieser Satz veranlasste mich schlussendlich doch dazu den Kopf wieder zu heben. Toshiya schaute mich fast schon flehend an. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand kratzte er über das Nagelbett seines Daumens. Es würde nicht lange dauern, bis die dünne Haut reißen und Blut freigeben würde.
Ich streckte den Arm aus und nahm seine Hand, um ihn daran zu hindern sich zu verletzen.
„Hast du immer noch nicht damit aufgehört?“
Toshiyas Hand war rau und klamm vom Regenwasser. Er schüttelte den Kopf und wieder schrie sein Blick förmlich nach klaren Worten. Anstatt der Worte schenkte ich ihm eine weitere, flüchtige Berührung. Ich ließ seine Hand los, strich ihm stattdessen einige nasse Haarsträhnen aus der Stirn. Ein winziges, unsicheres Lächeln umspielte daraufhin seine farblosen Lippen.
Dieses kleine Lächeln brachte den Knoten in mir zum Platzen. Meine Arme schlangen sich wie von selbst um Toshiyas Brustkorb. Ich spürte wie er etwas überrascht zurück taumelte, dann legte er seinerseits die Arme um mich und vergrub den Kopf in meiner Halsbeuge.
Schweigend standen wir da, hielten uns gegenseitig fest und lauschten dem Regen.
Und plötzlich erschien mir das alles viel sinnvoller als die schönsten Worte.
Hizumis POV
Irgendwo im Hausflur eines Apartments, ca. 02.15 Uhr ...
Zittrig strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und zog meine Jacke an. Nur weg hier.
Fast schon erleichtert sog ich die abgestandene Luft des Treppenhauses in meine toten Lungen. Hinter mir fiel die Tür ins Schloss.
Ich lief die Treppen hinunter ohne auch nur einen Blick zurück zu verschwenden. Als ich die Haustür öffnete wehte mir beißend kalte Nachtluft ins Gesicht. Ich schlug den Kragen hoch und machte mich mit schnellen Schritten auf den Heimweg. Der heutige Abend war mehr als beschissen verlaufen und ich hatte mir vorgenommen ihn schnellstmöglich zu vergessen.
Alles hatte mehr oder minder harmlos angefangen.
Spontaner Besuch im Club, angequatscht worden.
Einen oder zwei oder zehn Drinks später fand ich mich in den Armen irgendeines Typen wieder, dessen Namen ich vergaß, kaum dass er ihn mir nannte. Soweit alles noch im Grünen Bereich.
Wir beide entschieden dann also, mehr oder eher minder nüchtern, seiner Wohnung und vor allem seinem Bett einen Besuch abzustatten. Der Rest dürfte wohl einfach zu rekonstruieren sein.
Was den Abend so beschissen machte, war die Tatsache, dass dieser Arsch mich direkt nachdem er mich ins Bett bekommen hatte auch gleich wieder aus Besagtem raus warf.
Faselte irgendwas von wegen wichtigem Termin am nächsten Morgen. Diese Ausrede war dermaßen fadenscheinig, dass sogar ich die Lüge dahinter sah. Im Endeffekt stand ich ohne große Widerworte auf und ging, was blieb mir schon anderes übrig?
Über seine wahren Beweggründe mich einfach so rauszuwerfen konnte ich nur spekulieren.
Ich nahm stark an, dass es die Narben waren die ihn so abgeschreckt hatten. Als die wirklichkeitsverzerrende Wirkung des Alkohols nachließ und mein One-Night-Stand wieder einigermaßen klar im Kopf zu werden schien, musterte er mich eindringlich. Die Art, wie sich sein Blick beim Anblick meiner vernarbten Oberschenkel veränderte , sprach Bände.
Nachdem die Erkenntnis mit einem psychischen Wrack im Bett gelandet zu sein also endlich in seine Schaltzentrale gelangt war, warf er mich raus.
Jetzt lief ich mitten in der Nacht durch diese viel zu große, viel zu laute Stadt und fror, während die letzten Reste des Alkohols sich schleichend aus meinen Nervenbahnen verflüchtigten. Ich konnte nur schätzen wie lange es dauerte, bis ich endlich zuhause ankam. Mehr schlecht als recht schleppte ich mich die Stufen zur Wohnungstür hinauf. Drinnen begrüßte mich mein Kater mit einem leisen Knurren.
„Halt die Fresse.“, sagte ich matt und warf meine Jacke an die Garderobe. Anstatt wie erhofft hängen zu bleiben, prallte sie an einem der Kleiderhaken ab und segelte zu Boden.
Ich ließ sie liegen.
Mein Blick fiel auf die Digitaluhr der Mikrowelle.
Halb drei.
Ich öffnete den Kühlschrank und holte neben einer Blutkonserve eine Flasche Whisky aus einem der Fächer. Beides kippte ich zu gleichen Teilen in ein herumstehendes Glas. Zusammen mit diesem ätzenden Cocktail ließ ich mich aufs Sofa fallen. Mein Kopf schrie nach Betäubung.
In großen Schlucken lehrte ich das Glas, nur um es danach noch einmal mit derselben Mixtur zu füllen. Der billige Whisky brannte im Magen und ließ mich sauer aufstoßen.
Ich ließ mich tiefer in die dunklen Polster meines Sofas sinken und starrte aus dem Fenster. Die Lichter der Stadt blinkten in einem immer wiederkehrenden, monotonen Rhythmus und die Stille, die sich in der Wohnung breit gemacht hatte, fraß sich in meine Gehörgänge. Je angestrengter ich versuchte die letzten paar Stunden zu verdrängen, desto mehr drängten sie sich auf.
Als ich auch das zweite Glas gelehrt hatte und sich endlich das gewünschte Gefühl von Taubheit in meinem Körper ausbreitete, stellte ich das Glas auf den Boden und schlang die Arme um die Knie.
In dieser Position verharrte ich schweigend, bis sich ein fahler Streifen Dämmerlicht am diesigen Stadthorizont abzeichnete. Als die ersten matten Sonnenstrahlen sich auf dem Beton brachen, erhob ich mich schwankend und ging zu Bett.
Während ich mir die Bettdecke bis zum Kinn zog, beschloss ich mich für diesen Tag krank schreiben zu lassen.
Zeros POV
Ich konnte nicht einschätzen wie lange wir so im Hausflur standen. Prinzipiell war es mir vollkommen egal. Die Zeit war bedeutungslos.
Schließlich löste ich mich von diesem schmalen, unterkühlten Körper und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Du bist nass geworden.“, stellte Toshiya fest.
Er hatte Recht. In der Tat prangte dort, wo sich mein Brustkorb an Toshiyas gedrückt hatte, ein dunkler Wasserfleck.
„Unwichtig.“, antwortete ich und winkte ab.
Wieder schauten wir uns an. Offenbar kam diese Situation nicht nur mir unrealistisch vor. Auch Toshiya schien überfordert zu sein von diesem plötzlichen Wiedersehen.
„Lass uns in die Küche gehen. Ich mach dir einen Tee, du bist halb erfroren.“
Ohne eine Antwort zuzulassen ging ich in die Küche.
Noch während ich das Wasser aufsetzte fragte ich mich ein weiteres Mal, was genau gerade geschehen war. Mein Gehirn weigerte sich strikt, dieses Ereignis als wahrhaftig anzuerkennen. Während ich mich darauf konzentrierte meine zitternden Finger in den Griff zu bekommen, hatte Toshiya zögerlich auf einem der Stühle Platz genommen. Er sah sich um, rutschte währenddessen nervös auf seinem Stuhl hin und her.
Als ich endlich zwei Teetassen auf den Tisch stellte, eine für ihn, eine für mich, bedankte er sich leise und fuhr fort damit sich weiter umzusehen.
„Es hat sich nichts verändert hier.“, stellte er schließlich fest. Seine Hände umklammerten die warme Tasse.
„Wieso hätte ich etwas verändern sollen?“
Mit dieser Antwort hatte ich ihn scheinbar in Verlegenheit gebracht, denn er senkte abrupt den Blick und schien nun etwas in seiner Teetasse zu suchen.
„Ich weiß nicht. Es ist nur so... Ich war so lange nicht mehr hier, irgendwie hab ich damit gerechnet, dass alles anders aussieht.“, versuchte er sich mit gedämpfter Stimme zu erklären.
Wieder wusste ich nicht, was ich darauf antworten sollte. Also stand ich auf und verließ den Raum. Ich ging die Treppe hoch ins Schlafzimmer und suchte nach trockenen Klamotten für Toshiya. Auch wenn es noch nicht offiziell war ging ich davon aus, dass er die Nacht hier verbrachte. Vermutlich dachte er genauso. Es gestaltete sich als ziemlich schwierig passende Kleidung für ihn zu finden. Immerhin war er gut eineinhalb Köpfe größer als ich. Nach nervenaufreibendem Suchen fand ich endlich einen überlangen weißen Pullover und ein paar frischer Boxershorts.
So bepackt ging ich zurück in die Küche. Toshiya saß noch immer an seinem Platz und sah schweigend aus dem Fenster. Kurz blieb ich in der Tür stehen und betrachtete ihn von hinten. Seine schmalen Schultern hielt er leicht hochgezogen, den Kopf kaum merklich gesenkt. Seine gesamte Haltung glich der eines fluchtbereiten Tieres.
Ich wandte den Blick ab und ging wieder zurück zum Tisch. Als er mich bemerkte hob Toshiya den Blick und schaute mich fragend an.
„Hier. Das solltest du anziehen, du bist vollkommen durchnässt.“
Er nickte zögerlich, dann begann er auf seiner Unterlippe herum zu kauen.
„Heißt das, dass ich hier bleiben darf?“
Dieser naive Satz entlockte mir ein Lächeln.
„Natürlich darfst du hier bleiben.“
„Danke.“
Toshiyas POV
Noch immer konnte ich all das nicht fassen. Nach sechs Jahren saß ich wieder hier in Zeros Küche. Rein gar nichts hatte sich verändert. Sogar die Pflanzen auf der Fensterbank waren dieselben geblieben. Es schien, als sei die Zeit stehen geblieben, als hätte es diese sechs Jahre nie gegeben.
Zeros Verhalten bewies allerdings das Gegenteil. Er hatte tatsächlich geweint. Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. Es tat weh ihn so zu sehen. Noch mehr schmerzte allerdings sein permanentes Schweigen mir gegenüber. Ich bildete mir ein zu wissen, dass er es nicht böse meinte, dass er nur überfordert war. Tief im Inneren aber sagte mir eine leise Stimme, dass ich rein gar nichts mehr wusste. Sechs Jahre waren, verglichen mit der Ewigkeit, ein lächerlich kleiner Zeitraum. Trotzdem hatten sie gereicht, um gravierende Veränderungen auszulösen.
Ich hatte mich verändert, das wusste ich.
Die Richtung in die ich mich verändert hatte war mir jedoch nicht bewusst gewesen. Wenn man lange Zeit einsam ist, bemerkt man Veränderungen die einen selbst betreffen kaum.
Man lebt damit und fertig.
Meine größte Angst war, dass Zeros Gefühle sich mir gegenüber verändert hatten. Mein Kopf sagte klar und deutlich, dass das sehr wahrscheinlich der Fall sein würde. Mein Herz klammerte sich an einen einzigen Funken Hoffnung. Dieser Funke war es gewesen, der mich dazu veranlasst hatte in den Flieger zu steigen. Er war es, der mir den Mut geschenkt hatte zu Zeros Haus zu fahren und den Türklopfer zu betätigen.
Doch jetzt, da ich hier in Schweigen gehüllt in der Küche saß, erlosch der Funke Stück für Stück. Was blieb waren Unsicherheit und Angst.
Wenigstens die Angst ebbte ein wenig ab, als Zero einen weißen Pullover vor mir auf den Tisch legte. Scheinbar hatte er nicht vor mich heute Nacht rauszuwerfen.
Zur Sicherheit fragte ich noch einmal nach. Während er antwortete lächelte Zero. Dieses Lächeln versetzte mir einen heftigen Stich. Wäre ich noch ein Mensch gewesen, mein Herz hätte sich wahrscheinlich überschlagen.
Er war so schön wenn er lächelte. Das war es, was mir mit am meisten an ihm gefehlt hatte. Sein seltenes, aber dafür umso schöneres Lächeln. Ich stammelte ein leises „Danke.“ und kam mir unglaublich dumm vor.
Der Tee tat gut und wärmte ein wenig. Ich trank ihn zügig aus, danach sah ich Zero fragend an.
Und jetzt?
„Du solltest schlafen. Du siehst schrecklich müde aus.“, stellte er fest und musterte mich schon fast mitleidig. Ich sehe immer so aus, wollte ich antworten. Stattdessen nickte ich nur, nahm die Klamotten und verzog mich ins Bad. Auch hier war alles wie immer.
Als ich die durchnässte Kleidung abgelegt hatte, nahm ich den weißen Pullover und vergrub mein Gesicht darin. Er war genauso weich wie er aussah und roch nach Zero. Dieser feine Geruch löste augenblicklich eine wahre Flut von Erinnerungen aus. Ich wartete bis sie vorüber war und zog mir den Pulli über den Kopf. Dann schaute ich in den Spiegel. Zwei hellbraune, rot geränderte Augen starrten mich unnachgiebig an. Mittlerweile war mein Haar mehr oder minder getrocknet, doch auch das änderte nichts daran, dass ich mich schrecklich hässlich fand.
Ich wandte mich vom Spiegel ab und ging zurück in die Küche. Zero saß auf der Anrichte, genauso, wie er es auch früher oft getan hatte. Er hatte ein frisches Oberteil angezogen und wippte gedankenverloren mit den Beinen.
Als er mich bemerkte ließ er sich von der Anrichte rutschen und kam mir entgegen.
„Wo willst du schlafen?“
Zuerst verstand ich den Sinn dieser Frage nicht, dann dämmerte es mir.
Ich zuckte die Schultern.
„Mir egal.“
Gelogen. Und wie.
Ich wünschte mir nichts mehr als diese Nacht in Zeros Bett verbringen zu dürfen. Einfach nur neben ihm zu liegen und seine Nähe zu spüren. Vielleicht ein bisschen reden, sofern er wollte. Mehr nicht.
Offenbar schien er zu bemerken was in mir vorging, denn zu meiner großen Überraschung nahm er meine Hand und zog mich hinter sich her in Richtung Schlafzimmer.
Genau wie alles andere war auch dieser Raum kein Stück anders als in meiner Erinnerung. Nur den Bettbezug hatte er gewechselt, er war jetzt nicht mehr schwarz, sondern dunkelrot.
Zero warf sich aufs Bett.
Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte und stand planlos im Türrahmen herum. Das Gefühl vollkommen fehl am Platz zu sein machte sich in mir breit.
„Wenn du nicht hier schlafen willst kannst du auch runter gehen. Ich dachte nur du würdest vielleicht gern-“ Er brach ab und sah auf seine Hände.
Um ihm weitere Ausflüchte zu ersparen setzte ich mich neben ihn aufs Bett. Wieder schwiegen wir uns an. Mir war vollkommen klar, dass keiner von uns beiden in dieser Nacht Schlaf finden würde.
Trotzdem legte ich mich hin und zog mir die Bettdecke über. Zero tat es mir gleich. Wir lagen da und sahen uns stumm an. Der Wind draußen vor dem Fenster war zu einem ausgewachsenen Sturm geworden und peitschte den Regen gegen das große Fenster neben dem Bett.
Zero löschte das Licht.
Ich ertrug die Stille nicht.
„Warum redest du nicht mit mir?“, fragte ich gerade heraus. Natürlich bereute ich diese allzu ehrliche Frage kaum dass ich sie ausgesprochen hatte. Jetzt, da meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich Zeros Silhouette ausfindig machen. Er lag auf der Seite, genau wie ich.
„Es tut mir Leid. Ehrlich.“, begann er leise „Das kommt alles so plötzlich. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du einfach so zurück kommst.“
„Ich auch nicht.“, gab ich zu.
„Um ganz ehrlich zu sein hatte ich mittlerweile nicht mal mehr damit gerechnet, dass du überhaupt noch lebst.“
Dieser Satz versetzte mir einen Stich.
„Oh.“, hauchte ich. Damit hatte ich nicht gerechnet.
„Ich- Bitte versteh mich nicht falsch, Toshiya. Ich hab gehofft, dass du zurück kommst. Immer. Aber irgendwann erschien es mir so unrealistisch, verstehst du?“ Die Matratze bewegte sich, das Bettlaken raschelte. Er war näher zu mir hin gerückt.
„Hast du jemand anderen?“
Diese Frage brannte mir seit Jahren auf der Seele. Ich hatte panische Angst vor der Antwort die nun folgen würde. Zero stieß ein verächtliches Lachen aus.
„Glaubst du das wirklich? Kennst du mich so schlecht? Ich hatte nie jemand anderen, wozu auch?“
Mir fiel ein Berg vom Herzen. In meiner aufkeimenden Euphorie überhörte ich fast den schneidenden Unterton in Zeros Stimme. Zum Glück fing ich mich rechtzeitig.
„Tut mir Leid. Es war dumm von mir so etwas zu denken.“
„Ich habe damals immerhin versprochen auf dich zu warten und meine Versprechen halte ich, das weißt du, oder?“
Dieser Satz verschlug mir die Sprache.
„Gib mir Zeit, Toshiya. Ich weiß nicht was ich fühlen soll oder kann. Ich will dich nicht enttäuschen. Nicht nochmal.“
Ich nickte. Dann fiel mir ein, dass es dunkel war.
„Du hast alle Zeit der Welt.“, antwortete ich deshalb und zog die Decke weiter hoch. Meine Hand lag neben mir auf dem Kopfkissen. Plötzlich spürte ich eine Berührung.
Zero.
„Schlaf jetzt. Wir reden morgen weiter.“, sagte er leise und strich flüchtig über meinen Handrücken. Ich saugte die Berührung auf wie ein Schwamm. Dann wünschte ich Zero eine gute Nacht und schloss die Augen. Schon nach wenigen Minuten riss der Schlaf mich mit sich.
Am nächsten Morgen in Karyus Wohnzimmer...
Ein leises Schnarchen durchbrach die Morgenruhe in unregelmäßigen Abständen. Karyu wälzte sich auf dem Bauch und schob den Arm neben das Kinn. Unter seiner linken Wange bildete sich langsam aber stetig eine kleine Sabberlache. Als die Feuchtigkeit nach einer Weile zum Störfaktor wurde blinzelte der Blonde verschlafen und setzte sich auf.
„Ih.“, gab er von sich und wischte sich über die Wange.
Mit einem leisen Stöhnen erhob sich der übermüdete Vampir und schlurfte ins Bad.
Duschen.
Dringend.
Unter der Dusche erwachten nun auch endlich Karyus verbliebene Lebensgeister.
Schon wieder vor dem Fernseher eingeschlafen. Eine schreckliche Angewohnheit, die sonst meistens nur Rentner an den Tag legten. Karyu platschte aus der Dusche und schaute in den Spiegel.
So weit alles normal.
Prüfend schob er sein Gesicht bis auf wenige Zentimeter vor das Glas. Akribisch scannte er jeden noch so kleinen Gesichtsteil nach möglichen Anzeichen eines äußeren Rentenalters ab. Doch bis auf einige winzige Fältchen neben den Augen war nichts zu sehen.
Karyu atmete erleichtert auf und machte sich daran, seine Klamotten anzuziehen.
Kurze Zeit später saß er in der Küche und schlürfte genüsslich eine Tasse Kaffee.
Dieses altbekannte Morgenritual wurde jedoch durch einen störenden Laut, der sich als Klingelgeräusch entpuppte, unterbrochen.
„Verdammte Scheiße.“, knurrte der Untote etwas ungehalten und stapfte zur Haustür.
Mit einem liebenswerten „Was soll der Scheiß am frühen Morgen!?“, riss er die Tür auf und sah geradewegs in Zeros Gesicht.
Karyu verdrehte die Augen und seufzte genervt.
„Und ich dachte ich hätte ein Talent dafür in unpassenden Momenten die Häuser meiner Freunde zu stürmen.“ Er grummelte einen weiteren, unverständlichen Satz, ließ Zero dann jedoch widerstandslos eintreten. Der machte sich ohne ein Wort auf den Weg in die Küche.
Synchron ließen sich beide jeweils auf einen der Stühle fallen.
„Deinem Gesicht kann ich entnehmen, dass wieder irgendwas Bescheuertes passiert ist, das uns ohne Zweifel Ärger bereiten wird.“, mutmaßte Karyu zwischen zwei Schlucken Kaffee.
Zero nickte.
„In der Tat, ja.“
Als er diesen etwas abgehackten Satz nicht beendete, hakte sein Gegenüber ungeduldig nach.
„Jetzt rück raus mit der Sprache, Idiot!“
Zero seufzte und schien für einen winzigen Augenblick im Holz des Stuhles verschwinden zu wollen.
„Toshiya ist wieder da.“
Karyu brach in ein unkontrolliertes Husten aus.
Kaffee und Luftröhre vertrugen sich nicht...