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Freunde

von

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Il mio amico

(Das Problem ist, dass ich eigentlich zu "zart besaitet" war, um dieses Kapitel zu schreiben... na dann Hals- und Beinbruch.)
 

Il mio amico - Mein Freund
 

Es war seine Schuld gewesen, nicht Felicianos. Ludwig hatte nicht aufgepasst, nur für einen kurzen Moment hatte er sich entspannt, den Blick in das kleine Lagerfeuer gerichtet, war dem Spiel der Flammen mit müden Augen gefolgt. Dann hatte er etwas Hartes an seinem Hinterkopf gespürt, und das war es gewesen. Das nächste, woran er sich erinnern konnte, war, dass er hier aufgewacht war und sein Schädel pochte.

Was passiert war, war glasklar, stellte er fest. Wenn man gezwungen war, in feindlichem Gebiet zu übernachten, durfte man keinen Augenblick lang seine Rückendeckung vernachlässigen. Schon gar nicht, wenn man seinen Partner zum Schlafen ins Zelt geschickt und selbst die Nachtwache übernommen hatte.

Jetzt lautete die Devise also, einen Fluchtplan zu entwickeln. Das klang leichter, als es war, und sein schmerzender Kopf machte es ihm nicht gerade einfacher.

Bevor er noch einen klaren Gedanken fassen konnte, öffnete sich die Tür.

Ludwig hatte sich schon oft genug in einer Situation wie dieser befunden, um die üblichen Sprüche zu kennen, die üblichen Finten und Einschüchterungsversuche. Er hatte sicher nicht vor, dem Feind (egal, wie der aussah) nur ein Wort zu sagen. Er hatte einen Auftrag auszuführen, und egal, ob dieser nach seiner Gefangennahme fehlgeschlagen war oder nicht – preisgeben würde er ihn deswegen noch lange nicht.

Er war härter im Nehmen, als er aussah, und Ludwig sah nicht gerade sensibel aus. Das sagte eigentlich schon alles.

Ein Mann kam herein, baute sich über ihm auf und warf ihm ein paar knappe Sätze zu, auf die Ludwig nicht reagierte. Hinter ihm betraten zwei andere Männer den Raum. Zwischen ihnen hing Feliciano.

Ihre Blicke trafen sich in der Luft, und Ludwig wandte seinen sofort wieder ab. Er konnte sich jetzt keinen Fehler erlauben. Kein noch so kleines Zeichen von Angst oder Wut. Er hatte die Situation in Griff.

„Sobald wir aufgetaucht sind, hat er sich ergeben und um Gnade gefleht“, erklärte der Mann und rümpfte die Nase. „Er sagte, er würde uns alles sagen, was er wüsste, aber es ist nichts Anständiges heraus gekommen.“

Natürlich nicht, dachte Ludwig und betrachtete die Wand. Er hatte an alles gedacht. Er wusste genau, wie leicht Feliciano einzuschüchtern war – die einzige Möglichkeit, ihn daran zu hindern, Details über ihr Vorhaben auszuplaudern, war die, ihm einfach gar nichts zu sagen. Genau das hatte Ludwig getan: Was Feliciano nicht wusste, würde er niemandem sagen.

Diesmal hatte er wirklich an alles gedacht. Außer an seine Nachtwache, natürlich.

Es folgten die üblichen Drohungen, die man unter Gefangenem und Gefangennehmer austauschte. Ludwig kannte das Spiel und hielt sich zurück, während Feliciano zu jeder Gelegenheit dazwischen fuhr, er sei nur ein dummer, kleiner Pasta-Liebhaber und würde alles tun, was man ihm sagte, wenn man ihn nur nicht schlug... seine übliche Rede also.

Auf die Dauer achtete niemand mehr so recht darauf. Sie hatten Feliciano nichts getan, da er sich so offensichtlich kooperativ zeigte – das war gut so, stellte Ludwig fest. Sie würden abwarten, bis Rettung kam. Lange würde es nicht dauern, sicher nicht, und bis dahin würde er durchhalten. Er war hart im Nehmen. Er hatte die Situation im Griff.
 

Dann lief die Sache aus dem Ruder.

Etwas traf hart seinen Rücken, seine Schultern. Er hatte sich zusammengerollt, um seinen Bauch zu schützen, biss die Zähne zusammen und hörte nur mit halbem Ohr, wie Feliciano nach ihm rief, panisch und schrill. Und dann kamen sie – wer sie nun immer waren – auf die Idee.

Er spürte, wie sie ihn an den Armen fassten und auf die Knie hochzogen, aber alles lief wie in einer Art Traum ab. Warum hätte er ihnen auch Aufmerksamkeit schenken sollen. Es gab nichts zu tun für ihn, nur durchzuhalten, bis sie gerettet wurden. Er konnte genauso gut abschalten, so weit er es eben fertig brachte.

Vor sich sah er den Boden des Raumes, in dem sie sich befanden, ein schlichter Boden aus Beton. Etwas Dunkles klebte daran. Vielleicht war es sein Blut, vielleicht auch nicht. Was tat das zur Sache, solange er sich noch bewegen konnte? Es ging ihm gut.

Im nächsten Moment landete etwas rundes, rötlich-braunes vor ihm, etwa so groß wie ein Fußball. Er brauchte eine gute Weile, um zu bemerken, dass es Felicianos Kopf war.

Nicht, dass er gerollt wäre wie ein Ball, immerhin saß er noch fest auf den Schultern seines Besitzers. Aber es sah fast aus, dachte Ludwig in einem kindischen Teil seines Hirns, als würden sie ihn als Fußball benutzen wollen.

Reflexartig wollte er die Augen schließen, doch das wäre ein Eingeständnis von Schwäche gewesen. Er hatte die Situation im Griff. Also zwang er sich, die Augen geöffnet zu lassen.

Ludwig sah Tränen, die sich mit Blut vermischten, in frischen Wunden brannten und auf den Boden flossen. Er hörte die dünne Stimme, hilflos und schrill vor Angst und Schmerz, er hörte dumpfe Stiefel auf dem harten Boden und das trügerisch leise Rascheln, wenn sie auf Stoff trafen, unter dem verletzliches Fleisch lag. Sah, ohne zu erkennen, und hörte, ohne zu verstehen. Es war eine neue Erfahrung, genau das zu versuchen. Es aufzunehmen, ohne es an sich herankommen zu lassen. Manchmal wunderte er sich für eine Sekunde, warum ihm nichts weh tat, bevor er sich erinnerte, dass dies da nicht er selbst war. Überraschend, wie weit seine Empathie ging.

Dennoch kam er zurecht. Er hatte die Situation im Griff.
 

Es gab Geschrei, Gepolter und laute Schüsse und eine Blutlache drang unter dem Türspalt hindurch, bevor besagte Tür aufgebrochen wurde und die Rettung kam, mit der Ludwig gerechnet hatte. Er hatte alles einkalkuliert.

Feliciano brach in Tränen aus, als sie ihn hoch hoben und auf eine schmale Trage verfrachteten, die sie mitgebracht hatten. Man hätte meinen sollen, dass ein paar Tränen mehr nicht weiter ins Gewicht fielen nach denen, die er in den letzten Stunden vergossen hatte. Doch diese Tränen waren anders, dachte Ludwig. Es waren nicht die üblichen Freudentränen, die Feliciano nach jeder Rettung vergoss. Diese Tränen waren von anderer Art.

Er bestand darauf, selbst zu laufen, sich ständig an der Wand des Ganges abstützend. Als er endlich ans Tageslicht trat, war Feliciano schon längst nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich kümmerten sie sich gut um ihn, dachte er, wahrscheinlich versorgten sie gerade seine Verletzungen.

Tief durch atmend richtete er sich auf und spürte die Sonne auf seinem Gesicht. Er hatte die Situation im Griff.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-12-19T19:23:06+00:00 19.12.2009 20:23
O...ha...
Ich mag den Kontrast zwischen dem wirklich ruhigen Stil und dem ja eher harten Inhalt. Das Thema ist wirklich interessant, auch wenn ich schon ein paar dazu gelesen habe (1943 bietet sich halt dafür an...auch wenn das Thema viel zu selten behandelt wird, finde ich O-ô ich hab ja nix gegen fluff, aber.. *murmelt weiter* ach , egal Oô 1943 lief eh anders ab und ich brauche keine historischen Referenzen um glücklich zu sein XD Die FF hier hat das nicht nötig. Sie ist auch so gut.). Das Thema ist einfach interessant. Punkt.

...Und ich bin ganz entsetzt: es ist nicht shonen-ai. XD Nicht, dass ich was dagegen hätte, aber es ist auch mal ganz angenehm, sowas auf der "nur Freunde" Ebene zu lesen. ^^ versteht man, was ich meine..? oÔ

Ich bin gespannt, wies weitergeht. Wie viele Teile werden es denn? :)

(...und ich hoffe, den schlimmsten part haben wir hinter uns! Hey komm, Feliciano ist schon am Boden, da muss man doch nicht nochmal nachtreten! T_T)


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