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Die Stimme

Eslosias Held
von

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Schlimmer Verdacht

Während des restlichen Unterrichts wechselten Dia und Kiki nicht einen Blick. Sie ignorierten sich gegenseitig. Und selbst als David Dia auf den morgigen Discobesuch ansprach und sie ihm endgültig zusagte, reagierte Kiki nicht. David beobachtete sie verstohlen aber sie zeigte keine Reaktion, zumindest äußerlich.
 

Dia und Isis unterhielten sich im Bus nach Hause noch weiter über die heutigen Ereignisse. Immer wieder klopfte Isis ihrer Freundin anerkennend auf die Schulter, weil sie ihr heute nicht nur das Leben gerettet sondern sich sogar für sie geschlagen hatte – sozusagen.

„Gott, ich werde wohl nie den überraschten Gesichtsausdruck von Kiki vergessen, als du ihr eine geknallt hast. Dia, das war erster Klasse. Danke für deine Unterstützung.“ Dia lächelte zwar und bereute auch nicht, was sie getan hatte aber es war ihr trotzdem nicht ganz wohl. Kikis Entschuldigung war definitiv nicht ernst gemeint, das hatte sie sofort bemerkt. Dia fürchtete, dass Kiki nun auf Rache aus war – Blutrache.

„Am besten kommst du jetzt gleich mit zu mir“, entschied Isis kurz bevor der Bus an ihrer Haltestelle ankam. „Wenn ich meiner Mutter erst von der Sache erzählt habe, lässt sie dich nicht mehr zu mir. Ich gebe dir das Handy jetzt gleich. Das Spray wirst du wohl wirklich allein kaufen müssen.“

„Das macht doch nichts, das kriege ich schon hin“, winkte Dia ab, „hoffentlich lässt sie dich nicht wirklich die ganze Woche zuhause bleiben. Ohne dich wäre es mir viel zu langweilig.“

„Das kann ich auch nur hoffen“, stimmte Isis zu.

Der Bus hielt an der Haltestelle ein paar Häuser entfernt von Isis´ Zuhause. Die beiden Mädchen stiegen aus dem Bus und waren in zwei Minuten am Ziel. Isis schloss die Tür auf.

„Ich bin zuhause!“ rief sie laut. Ihre Mutter kam ihr auf dem Weg in ihr Zimmer entgegen. Sie begrüßte Dia freundlich und musterte dann Isis mit sorgenvoller Miene.

„Ist alles in Ordnung?“ fragte sie argwöhnisch. Ahnte sie etwa schon was? Isis lief leicht rosa an aber sie winkte ab.

„Nein, ich wollte Dia nur schnell mein Handy geben, das ist doch in Ordnung, oder?“ Doch ihre Mutter ließ sich nicht so schnell ablenken und beruhigen schon gar nicht.

„Irgendwas ist doch passiert, du siehst so schuldbewusst aus. Hast du was ausgefressen?“ bohrte sie weiter.

„Mama, kann ich Dia bitte eben schnell das Handy geben? Dann können wir weiter reden.“ Darauf ließ sich ihre Mutter zum Glück ein. Isis und Dia flitzten die Treppe hinauf und in ihrem Zimmer suchte Isis schnell nach dem Handy. Sie fand es in einer Schublade und gab es Dia.

„So, jetzt musst du gehen. Ich fürchte, meine Mutter wird gleich einen Anfall kriegen. Ich weiß noch nicht, ob Wut- oder Ohnmachtsanfall aber eins von beidem sicher.“ Dia nickte. Isis nannte ihr noch schnell den Namen von dem Geschäft, wo sie das Pfefferspray bekommen konnte und die beiden gingen wieder zurück nach unten. Dia verabschiedete sich höflich und hinter dem Rücken von Isis` Mutter hielt sie ermutigend den Daumen hoch. Es wird schon werden! Sie verließ das Haus und ging zurück zur Bushaltestelle.
 

Als Isis ihrer Mutter alles erzählt hatte und diese vor Schreck bleich wurde und sich setzen musste, als sie ihrer Tochter den Kopf streichelte und Isis mal wieder die Augen rollte, als ihre Mutter entschlossen verkündete, dass sie in den nächsten Tagen das Bett hüten solle und wenigstens Montag und Dienstag nicht in die Schule dürfe, was Isis mit einem genervten „Oh Mann!“ kommentierte, saß Dia bereits wieder im Bus und war schon beinahe zuhause.
 

Später am Nachmittag fuhr Dia wieder in die Stadt und besorgte sich das Pfefferspray. Als sie an der Eisdiele vorbei lief, wo sie mit Dominik gesessen hatte, sah sie ihn dort sitzen, mit einem jungen Mädchen von ungefähr dreizehn Jahren. Dia vermutete, dass es sich um seine kleine Schwester handelte. Sie wollte gerade zu ihnen gehen und Hallo sagen, als Dominik seine Hand auf den Oberschenkel des Mädchens legte. Seine Augen bekamen ein merkwürdiges Funkeln. Das Mädchen war unsicher, was es tun sollte. Aber ihr Gesichtsausdruck verriet, dass ihr diese Berührung alles andere als recht war. Dia beobachtete die Szene argwöhnisch. Sie hatte sich hinter einem Schirm und mehreren Gästen versteckt. Was sie da sah, kam ihr sehr merkwürdig vor. Sollte sie Dominik darauf ansprechen? Aber dann stand das Mädchen plötzlich auf und verließ die Eisdiele. Dominik machte ein gleichgültiges Gesicht und trank aus seiner Tasse. Er rief nach der Bedienung um zu bezahlen. Das Mädchen lief an Dia vorbei und Dia entschied sich, sie anzusprechen.

„Hallo, du, warte mal kurz!“ sagte sie zu der Kleinen und tippte ihr dabei auf die Schulter. Das Mädchen blieb stehen und drehte sich zu Dia um. Sie hatte tränenfeuchte Augen.

„Ja, was willst du denn?“ fragte sie mit unterdrücktem Schluchzen. Dia war etwas irritiert.

„Alles okay? Hat Dominik dir was getan oder so?“ fragte sie teilnahmsvoll. Das Mädchen sah sie erstaunt an.

„Du kennst ihn? Du kennst seinen Namen?“

„Ja, ich hab ihn vor kurzem kennen gelernt. Wieso? Kennst du ihn denn nicht? Ich dachte schon, du wärst seine Schwester. Was ist denn los?“ Das Mädchen brach in Tränen aus. Dia legte den Arm um sie und führte sie zur nächsten Bank. Sie ließ sie sich ein wenig ausweinen und reichte ihr dann ein Taschentuch.

„So, jetzt erzähl mal, was eigentlich Sache ist. Woher kennst du Dominik und was ist da eben passiert?“ Das Mädchen schnäuzte sich und trocknete sich die Augen.

„Wie heißt du eigentlich?“ fragte Dia dann und stellte sich gleich selbst vor.

„Bekka. Ich heiße Bekka, eigentlich Rebekka. Aber Bekka reicht.“

„Freut mich sehr, Bekka. Ich heiße eigentlich Dianta aber das sagt auch keiner. So, dann erzähl mal.“

„Okay, also“, begann Bekka, „ich bin ein großer Eslosia-Fan, falls dir das was sagt.“ Dias Gesicht hellte sich sofort auf und sie lächelte begeistert.

„Tatsächlich? Ich auch! Ich sehe die Serie schon von Anfang an.“ Bekkas Augen strahlten bei Dias Worten. „Ja, und am tollsten finde ich Askariel. Er ist so süß!“ Dia konnte Bekkas Schwärmerei nur zustimmen. „Mein Liebling ist auch Askariel, ist das nicht ein Zufall?“ stellte sie begeistert fest. „Allerdings mag ich seine Stimme am liebsten.“ Bekka riss erstaunt die Augen auf.

„Kein Wunder, dass du diesen Dominik kennst!“ Das verstand Dia nicht.

„Wieso? Was hat denn das mit Dominik zu tun?“ fragte sie verwirrt.

„Na der spricht doch Askariel!“ Dia war wie vor den Kopf geschlagen. Also doch! Aber woher wusste Bekka das? Es war doch ein Geheimnis!

„Jetzt mal ganz von vorne bitte“, bat Dia. Und Bekka erzählte.

„Als ich vorhin so durch die Stadt ging, hatte ich meine Jacke noch nicht an. Ich trage ein Shirt, auf dem Askariel abgebildet ist.“ Sie öffnete ihre Jacke und zeigte Dia das Motiv. Das war das gleiche wie bei Dias Shirt.

„Ja und dann sprach mich plötzlich dieser Dominik an. Er hatte genau Askariels Stimme und mit der fragte er mich, ob ich ein Eis mit ihm essen möchte. Ich war erstmal total baff. Aber natürlich habe ich dann ja gesagt, so eine Chance hat man ja nicht oft. Tja, und dann habe ich ihm erzählt, wie toll ich Askariel finde und er hat gesagt, er spricht ihn, das wäre aber ein Geheimnis und ich dürfte das niemandem sagen. Er wollte nicht von Fans belagert werden oder so.“ Dia überlegte kurz und wunderte sich dann nur noch mehr über Dominiks Offenheit. Und vor allem fragte sie sich, warum er ihr das nicht erzählt hatte. Er wusste doch von ihrer Leidenschaft für diese Stimme. Er hatte sie sogar angerufen. Was sollte das alles? Aber Bekka war noch nicht fertig.

„Ja und plötzlich, ganz unverhofft, legt er seine Hand auf mein Bein. Ich war richtig erschrocken. Er hat mit den Fingern leicht zugedrückt und mich dabei ganz komisch angesehen. Da wurde mir plötzlich total angst und bange. Und da bin ich einfach aufgestanden und gegangen. Zum Glück ist er mir nicht nachgelaufen.“ Langsam fügte sich in Dias Kopf alles zusammen. Nutzte Dominik seine Rolle etwa aus, um sich an kleine Mädchen ranzumachen? Er war immerhin schon 21 Jahre alt. Oder wollte er einfach nur nett zu einem Fan sein? Aber was sollte dann der Griff an Bekkas Bein? Und sein merkwürdiger Blick war Dia auch nicht entgangen. Das alles kam ihr sehr spanisch vor. Hatte er diese Masche wohl schon öfter angewendet? Plötzlich kam Dia ein furchtbarer Gedanke: war Dominik etwa ein Kinderschänder? Falls ja, konnte sie sich nicht vorstellen, dass eins der Opfer – falls es welche gab – irgendwem etwas erzählen würde. Möglicherweise war Bekka gerade noch so davon gekommen. Und ausgerechnet dieser Typ war ihre geliebte Traumstimme, ihr so heiß geliebter Askariel? Das war schwer zu schlucken.

„Du Dia? Ich muss jetzt nach Hause. Erzähl bitte niemandem, was da passiert ist. Im Grunde war ja auch gar nichts. Danke für das Taschentuch. Tschüss!“ Mit diesen Worten stand Bekka auf und ging dann mit schnellen Schritten in Richtung Bushaltestellen. Dia sah ihr nachdenklich hinterher. Sie musste unbedingt mit Isis darüber sprechen.
 

Am Abend war Dia mal wieder allein zuhause. Die ideale Gelegenheit, um mit ihrer Freundin über alles zu reden. Sie wählte ihre Nummer. Am anderen Ende meldete sich Isis´ Mutter.

„Hallo, hier ist Dia. Könnte ich bitte Isis sprechen?“ fragte Dia freundlich.

„Kommt nicht in Frage“, kam es aus der Hörmuschel. „Isis muss sich unbedingt ausruhen. Sie liegt im Bett und liest. Sie soll jetzt ihre Ruhe haben.“

Dia versuchte, höflich zu bleiben. „Aber es ist ganz wichtig und sehr dringend!“

„Das muss warten. Ach übrigens, Isis hat erzählt, dass du ihr die Spritze gegeben hast. Danke, Dia. Ohne dich wäre sie vielleicht tot.“

„Das war doch selbstverständlich, sie ist doch meine Freundin. Und gerade deshalb muss ich jetzt dringend mit ihr sprechen. Wirklich, es ist wichtig!“ Aber Dia bemühte sich umsonst.

„Nein, tut mir leid, aber das geht nicht. Vielleicht morgen. Also dann, ich wünsche dir noch einen schönen Abend. Ich werde Isis aber von dir grüßen, okay? Mach´s gut Dia.“ Klack! Und das Gespräch war weg. Isis´ Mutter hatte einfach aufgelegt, bevor Dia auch nur Tschüss sagen konnte.

„Ganz schön unverschämt“, schimpfte Dia und legte das Telefon beiseite. Sie lief in die Küche und goss sich Eistee ein, da klingelte das Telefon.

„Freise?“ meldete sich Dia.

„Ich bin´s.“ Das war doch Isis! „Ich hab gehört, dass meine Mutter mit dir gesprochen hat. Ich hab mir das Telefon aus der Station geholt und bin damit in mein Zimmer geflitzt. Meine Eltern sind unten und sehen fern. Stell dir vor, Herr Riege hat tatsächlich angerufen! Aber meine Mutter wusste ja schon alles. Er hat sie gefragt, ob ich Montag in die Schule komme aber sie hat gesagt, frühestens am Mittwoch. Tja, schade, was?“ Dia hatte Schwierigkeiten, bei diesem Wortschwall dazwischen zu kommen.

„Äh, Isis? Darf ich jetzt auch mal was sagen?“

„Klar, was gibt´s denn?“

Tja, wo sollte sie anfangen? Den Hammer am besten zuerst.

„Ich weiß, wer Askariel spricht!“ Dia hörte, wie sich Isis mal wieder an einem Getränk verschluckte. Sie nutzte die kurze Zeit, um selbst einen Schluck zu trinken.

„Wer?“ fragte Isis, dem Platzen nahe. „Sag schon, wer ist es?“

„Dominik.“

„Verarschst du mich?“

„Nein, ehrlich, es ist Dominik!“

„Und woher weißt du das? Hat er es dir gesagt?“

„Nein, das nicht.“

„Sondern?“

Und dann erzählte Dia Isis alles, was am Nachmittag in der Stadt passiert war. Isis war sprachlos.

„Glaubst du, Dominik könnte ein Kinderschänder sein?“ fragte Dia besorgt.

„Möglich wäre es schon. Wir wissen doch nichts von ihm. Wir haben nur einmal mit ihm gesprochen.“ Isis bestätigte Dias Verdacht zwar nicht aber sie zerstreute ihn auch nicht. Was sollten sie jetzt tun? Ihn anzeigen? Die Sache auf sich beruhen lassen? Ihn zur Rede stellen?

„Das auf keinen Fall! Wir könnten uns damit in Gefahr begeben, bist du verrückt?“ fragte Isis und Dia konnte förmlich sehen, wie sie verständnislos den Kopf schüttelte.

„Also was machen wir?“

„Am besten gar nichts. Wir können ihn weder be- noch entlasten. Wir haben keine Beweise, weder für noch gegen ihn. Wir können eigentlich nichts tun. Aber wir können ihm aus dem Weg gehen. Sollte er dich noch mal als Askariel anrufen, legst du einfach auf.“

Dia wusste nicht, ob sie das schaffen würde. Wenn sie diese Stimme hörte, war bei ihr irgendwas nicht normal. Und sie rechnete auch nicht mit einem weiteren Anruf. Aber sie erzählte Isis nichts von ihren Zweifeln.

„Okay, Dominik wird ab sofort aus unserem Leben gestrichen“, bestätigte Dia.

„Alles klar. So, nun aber mal was anderes. Freust du dich schon auf morgen? Hast du das Spray gekauft?“ Dia bejahte beide Fragen und beendete das Gespräch dann schnell. Sie hatte auf einmal den starken Wunsch, Askariels Stimme zu hören. Sie lief in ihr Zimmer hinauf und legte die DVD mit der besonderen Folge ein. Sie versank in der Fantasiewelt von Eslosia und verlor sich in Askariels Stimme. Die Sätze konnte sie inzwischen mitsprechen aber das war ihr egal. Während sie normalerweise ein unbeschreibliches Glück empfand, wurde sie diesmal mit jedem Satz trauriger. Als die Folge zu Ende war, weinte sie. Es schmerzte sie so sehr, dass diese Stimme vielleicht einem furchtbar schlimmen Menschen gehörte. Und sie kannte ihn auch noch persönlich! Sie drückte ihr Kissen an sich und weinte. Als sie ihr Lieblingsposter ansah, wurde aus dem Weinen ein hysterischer Heulkrampf. Sie konnte sich lange nicht beruhigen. Eine Welt war zusammengebrochen.
 

Als ihre Eltern nach Hause kamen, schlief Dia schon, das Kissen noch im Arm.



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