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Irgendwo in dieser Welt

von

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Albträume

Ich fand es erstaunlich, wie schwer es mir fiel, in Isoldes Zimmer zu schlafen. Die ganze Zeit wälzte ich mich von einer Seite auf die andere und fiel dabei beinahe aus dem Bett, das ich mit meiner Schwester für die Zeit von Zetsus Aufenthalt teilte. Ich hatte nie zuvor gewusst, dass Isolde sich so heftig bewegte nachts, ich war sogar davon überzeugt, dass sie manchmal morgens mit den Füßen auf dem Kissen aufwachte bei ihrer Bewegungsfrequenz.

Ich bereute es, Zetsus Aufenthalt zugestimmt zu haben, immerhin musste ich solange auf mein Bett und mein eigenes Zimmer verzichten. Ich spielte sogar mit dem Gedanken, für die Dauer wieder ins Krankenhaus zurückzukehren, da es mit Baila im Zimmer wesentlich angenehmer zu schlafen war.

Da es mir offenbar nicht möglich war, vernünftig zu schlafen, stand ich schließlich auf, um in die Küche zu gehen – in der Hoffnung, dass eine warme Milch mit Honig mir helfen würde.

Irgendwann hatte ich einmal gehört, dass so etwas helfen sollte, dies wäre aber der erste Versuch am eigenen Leib.

Während ich in der Küche stand und der Tasse in der Mikrowelle beim Drehen zusah, vermied ich jeden Blick auf die Uhr. Es war ohnehin egal, wann ich schlafen würde, ich musste ja nicht früh raus. Außer wenn Zetsu ein Frühaufsteher war, aber ich glaubte, mich daran zu erinnern, dass er mindestens einmal ebenfalls angemerkt hatte, dass er gern lange schlief. Obwohl das auch relativ war.

Als ich noch in der Schule gewesen war, waren bei mir Leute in der Klasse gewesen, die bis ein Uhr mittags schlafen konnten. Für Baila dagegen war lang schon spätestens acht Uhr.

Wie lange Zetsu das wohl konnte?

Die Mikrowelle riss mich aus meinen Gedanken, als sie mir schließlich verkündete, dass meine Milch fertig war. Ich nahm die Tasse heraus – und ließ sie erschrocken fallen, als ich plötzlich einen Schrei hörte. Sie zersprang mit einem erstaunlich dumpfen Klirren und verteilte die Milch auf dem Boden.

Im ersten Moment wollte ich ein Tuch holen, um es aufzuwischen, doch leise Geräusche, die aus meinem Zimmer kamen, sorgten dafür, dass ich stattdessen doch lieber in diese Richtung ging. So vorsichtig wie möglich öffnete ich die Tür, um einen Blick hineinzuwerfen.

Zetsu lag scheinbar schlafend auf dem Rücken, leise murmelnd warf er immer wieder den Kopf hin und her. Auch wenn ich selbst noch nie zuvor Zeuge von so etwas geworden war, war ich mir sofort sicher, dass er einen Albtraum hatte.

Das war wieder einer der Momente, in denen ich mich nicht fragte, was ich tun sollte, sondern direkt handelte, indem ich zum Bett hinüberging und ihn an der Schulter berührte. „He, Zetsu. Wach auf.“

Es dauerte einen Moment, bis er die Augen aufschlug und sich verwirrt umsah. „Nana... shi?“

„Du hast geträumt“, erklärte ich ihm, als er mich schließlich fragend ansah.

Er seufzte leise. „Schon wieder.“

Also kam das öfter vor bei ihm, genau wie bei Nozomu und Subaru.

Ich kniete mich neben das Bett, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. „Was hast du denn geträumt?“

Er drehte sich auf die Seite, um mich weiterhin anblicken zu können, auch wenn er mit Sicherheit im Dunkeln nicht viel sehen konnte. „Interessiert dich das wirklich?“

Ich wusste nicht, was diese Gegenfrage sollte. Eigentlich sollte er wissen, dass es mich interessierte, wenn ich schon nachfragte, sonst hätte ich das nicht getan. Aber statt ihm das zu sagen, nickte ich nur.

„Ich habe dir bislang nicht erzählt, warum ich an diesem Syndrom leide, oder?“

„Nein, hast du nicht.“

Ich wusste immerhin auch nur aus Nozomus Sätzen in jener Nacht, dass es etwas mit dem Tod von Zetsus Schwester zu tun hatte. Aber die genauen Umstände kannte ich nicht.

Er streckte die Hand unter der Bettdecke hervor und griff nach einer meiner Hände. Ich war froh, dass es dunkel war, denn mein glühendes Gesicht verriet mir, dass es mit Sicherheit knallrot war.

Man muss sich immerhin mal die Atmosphäre vorstellen, in der das alles geschah – in meinem Zimmer, mitten in der Nacht und... nein, nein, nein, ich sollte aufhören, darüber nachzudenken, was interessierte es mich auch, was er gerade trug, während er unter der Bettdecke lag?

„Ich hatte früher eine kleine Schwester namens Nanashi.“

Ich nickte verstehend, er zögerte einen Moment, ehe er fortfuhr: „Vor zwei Jahren waren wir gemeinsam mit unserer Familie auf einer Bergwanderung. Es hatte geregnet, der Weg war glitschig gewesen...“

Für einen kurzen Moment verstummte er, aber ich konnte mir ohnehin denken, was geschehen war, man brauchte nicht viel Fantasie, um es sich zusammenzureimen.

„Eigentlich hätte ich es der Bergwacht überlassen sollen, nach ihr zu suchen, aber ich dachte, vielleicht hat sie überlebt und hätte Angst und...“

Er zuckte mit den Schultern.

„Du hast sie dann gefunden?“, fragte ich, um ihn in seinen Gedanken und Vorstellungen nicht allein zu lassen – immerhin wusste ich genau, wie sich so etwas anfühlte und für ihn musste es noch eine ganze Ecke schlimmer sein.

„Sie trieb im Fluss am Fuß des Gebirges. Die Ärzte sagten, sie wäre während des Sturzes mindestens einmal gegen die Klippe geprallt und dadurch gestorben – sie musste also nicht leiden.“

Ich fragte mich, wie oft er sich darüber schon Gedanken gemacht und es sich vor seinem geistigen Auge abgespielt hatte. Ehrlich gesagt hätte ich nicht damit gerechnet, dass er ein so schlimmes Schicksal mit sich herumtrug. Bei seinem ewig-charmanten Lächeln und seiner guten Laune war ich ohnehin immer verwundert gewesen, warum er sich in der Klinik befand. Eigentlich war ich sogar überzeugt gewesen, dass er draußen besser aufgehoben wäre und mit dem Wochenende bei uns hätte ich das auch seinen Eltern beweisen können, um ihn noch vor seiner Volljährigkeit wieder herauszuholen. Seine kindliche Attitüde war meiner Meinung nach ohnehin nur das Ergebnis der Abschottung gewesen und das Syndrom würde mit der Zeit bestimmt auch ausheilen...

Doch mit jeder Information, die ich erhielt, wurde es mir um einiges klarer – er war in der Klinik wirklich hervorragend aufgehoben und ich würde ihn dort am Montag ohne schlechtes Gedächtnis wieder hinbringen. Er müsste nur endlich lernen, dass er sich dort auch helfen lassen sollte, statt nur zu schweigen, wie Dr. Cworcs es mir erzählt und ich es bei der Gruppensitzung erlebt hatte.

Aber war ich wirklich die beste Lehrerin dafür? Immerhin war ich selbst ebenfalls aus dem Krankenhaus geflohen, kaum dass sich mir die richtige Gelegenheit geboten hatte.

Zetsus Händedruck holte mich wieder in die Wirklichkeit zurück. Gerade rechtzeitig, dass ich mitbekam, wie er weitersprach: „Kurz danach begannen die Schmerzen und das Syndrom wurde festgestellt. Ich lag erst einige Monate im Krankenhaus, bevor ich schließlich in die Klinik für Psychiatrie- und Psychotherapie überwiesen wurde. Die Ärzte meinten, ich könnte gar nicht genesen, solange ich dieses Trauma mit mir herumschleppen würde.“

„Warum redest du dann nie mit den Ärzten?“, fragte ich.

„Ich weiß nicht... Vielleicht hatte ich Angst... oder habe es immer noch. Meinst du nicht auch, dass es ein Zeichen für Schwäche ist, wenn man ein Trauma hat?“

Ich rollte mit den Augen. „Du klingst genau wie mein Vater. Aber Dr. Cworcs sagte, dass es ein Zeichen von Stärke ist, wenn man Hilfe akzeptiert.“

Ich konnte seinen fragenden Blick auf mir spüren. „Hat er dir das denn nie gesagt?“

„Kann sein, ich hab ihm nicht immer zugehört.“

Das war ja typisch, eigentlich hätte ich mir die Frage schenken können.

„Was denkst du? Wie wird es weitergehen?“

„Wie geplant. Ich werde die Klinik wieder verlassen, sobald ich volljährig bin.“

Hätte er im Moment nicht im Bett gelegen und hätte ich nicht auf dem Boden gekniet, dann wäre er von mir getreten worden – am besten in die Kniekehle, das hatte früher immer Wunder gewirkt.

„Du bist echt ein Idiot.“

Er lachte nur leise, statt sich darüber aufzuregen. „Ja, vielleicht. Aber kannst du trotzdem hier bei mir bleiben?“

Da ich nichts sagte, erklärte er mir, dass er nach einem solchen Traum immer Probleme damit hatte, wieder einzuschlafen, aber es würde gehen, sofern ich weiterhin seine Hand halten würde. Zwar klang das nach einer sehr ungemütlichen Nacht, aber bei Isolde würde es wohl auch nicht besser laufen, wenn sie tatsächlich immer so unruhig schlief. Also stimmte ich seufzend zu.

„Danke, Leana.“

Er schloss die Augen und war erstaunlich schnell wieder eingeschlafen, ohne meine Hand loszulassen. Ich konnte nicht anders und musste lächeln, während ich auf unsere Hände hinabsah, sämtliche Gedanken waren in dieser traumgleichen Situation aus meinem Gehirn verschwunden und so bemerkte ich nicht, dass ich trotz dieser unbequemen Haltung tatsächlich irgendwann einschlief.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  LeanaCole
2012-07-13T09:50:23+00:00 13.07.2012 11:50
der Tasse in der Mikrowelle beim Drehen zusah

Rette sich, wer kann! Die Küche geht gleich in Flammen auf!!!!


Sie zersprang mit einem erstaunlich dumpfen Klirren und verteilte die Milch auf dem Boden.

Das davon niemand wach geworden ist, grenzt an ein Wunder XD


„Was hast du denn geträumt?“

So fürsorglich kenne ich Lea ja gar nicht *lol*


Er streckte die Hand unter der Bettdecke hervor und griff nach einer meiner Hände

Romantik~ :D


nein, nein, nein, ich sollte aufhören, darüber nachzudenken, was interessierte es mich auch, was er gerade trug, während er unter der Bettdecke lag?

Hentai! XDDDD


sie musste also nicht leiden

Schade.

Lea: Hey! ò_ó


iwürde ihn dort am Montag ohne schlechtes Gedächtnis wieder hinbringen

Gedächtnis? Meinst du nicht eher Gewissen?


Waaaaah! Das war sooo romantisch~ Die beiden gehören einfach zusammen. Ist mir egal, was canon ist. Ich könnte stundenlang nur von den beiden lesen. Mein absolutes Lieblingspairing :D
Und deine Art zu schreiben, macht das ganze nur noch besser. ich muss direkt weitermachen.
Von: abgemeldet
2011-09-18T19:57:18+00:00 18.09.2011 21:57
Oha, Albträume ... klingt nicht gut. Albträume sind immer schrecklich. >.<
Teepo: *nickt seufzend*
Btw, mir ist gerade nach einer Diskussionsfrage: Ich weiß, dass man sowohl Alptraum als auch Albtraum schreiben kann, welche Version bevorzugst du und warum?
Ich schreibe es immer mit "p", aber nur, weil ich es von Anfang an so gelernt habe und es nicht anders kannte. Die andere Variante entdeckte ich echt sehr spät, denn sonst würde ich es lieber mit "b" schreiben, weil es einem Alb auch näher ist (am allerliebsten würde ich aber lieber Nachtmahr statt Alptraum schreiben, weil ich den Ausdruck mag, aber der Audruck dürfte nicht jedem geläufig sein :,D).
... Total unwichtiges Gelaber, ich weiß, wollte ich aber losgeworden sein, weil es mir grad durch den Kopf ging. XDD

> Ich spielte sogar mit dem Gedanken, für die Dauer wieder ins Krankenhaus zurückzukehren,
Oha, nicht gleich übertreiben. :,D
Obwohl ... wenn ich meinen Schlaf auch nicht kriege, ziehe ich auch schnell alle anderen Möglichkeiten vor, denn mein Schlaf ist mir heilig. >.<
Hey, aber Baila würde sich sicherlich freuen, wenn Leana zurückkommt (und ich würde es der Kleinen so sehr gönnen...). Irgendwie hoffe ich auch die ganze Zeit, dass sie am Ende wieder in die Klinik zurück geht, auch wenn dies wohl kaum passieren wird.

> Während ich in der Küche stand und der Tasse in der Mikrowelle beim Drehen zusah,
XDDDDDDD
Das mach ich manchmal auch voll gerne. :,D

> und ließ sie erschrocken fallen, als ich plötzlich einen Schrei hörte.
o____________Ô""
*Schock*
Oh je ... Zetsu hat doch nicht etwa Albträume? D:
(nee, wer sonst? außer ihm gibt es keinen anderen mehr, der in Frage kommt :,D)

> Auch wenn ich selbst noch nie zuvor Zeuge von so etwas geworden war, war ich mir sofort sicher, dass er einen Albtraum hatte.
Ich war einmal Zeuge, wie meine Freundin einen Albtraum hatte ... es war sehr beängstigend. Und ich kann mich noch daran erinnern, dass ich überlegt habe, ob ich sie wecken oder lieber schlafen lassen sollte, aber sie ist dann irgendwann von selbst hochgeschreckt.

> sondern direkt handelte, indem ich zum Bett hinüberging und ihn an der Schulter berührte.
Leana macht es richtig, nicht so wie ich. :,D

> Ich kniete mich neben das Bett, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein.
Awwwwwwwwwwwwwwww~ Q///Q

> was interessierte es mich auch, was er gerade trug, während er unter der Bettdecke lag?
XDDDDDDDDDDDDDDDDD

Was ist hier nur los, das ganze wird ja von Kapitel zu Kapitel niedlicher. <3
Ich bin erstaunt, dass Zetsu nun so offen ihr gegenüber geworden ist, aber mir gefällt es sehr, vor allem die ganze Stimmung aktuell. Die letzte Szene ist auch so unglaublich zum dahinschmelzen ... ich könnte in einer Tour vor Verzückung seufzen. X3
*weiterlesen geht*


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