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Irgendwo in dieser Welt

von

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Pizza mit Isolde

Noch am selben Abend erschienen mir die Ereignisse aus der Klinik bereits wie ein ferner Traum. Frisch gebadet, mit noch nassem Haar und bereits im Pyjama, saß ich mit Isolde zusammen in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung, in der ein Raum für mich eingerichtet worden war. Sogar all meine Kleidung und all meine liebsten Gegenstände von zu Hause, waren von meiner Schwester hergebracht worden, ehe sie mich geholt hatte – und ich liebte diese Wohnung und die Wärme, die dieser innewohnte vom ersten Moment an.

Wir saßen auf dem Bett in Isoldes Zimmer, eine geöffnete Pizzaschachtel zwischen uns, deren Inhalt wir gierig vertilgten, während wir uns nebenher unterhielten. Das Essen in der Klinik war sehr gut gewesen, aber eine Pizza vom Lieferservice war eben doch wieder eine ganz eigene Kategorie. Es erinnerte mich vor allem an frühere, gute Zeiten, in denen Isolde und ich oft mit Freunden von ihr zusammengesessen hatten, um uns eine Pizza zu teilen.

„Ich bin ja froh, dass ich meine Freunde dabei hatte“, bekundete Isolde zwischen zwei Bissen. „Als unsere Eltern mir sagten, dass du nicht mehr da bist, wäre ich ihnen fast an die Kehle gesprungen.“

Ich konnte mir die Szene regelrecht vorstellen. Unsere Eltern, desinteressiert und gelangweilt und Isolde, die vor Wut überschäumte und von anderen davon abgehalten werden musste, auf die beiden loszugehen. Bei dieser Vorstellung musste ich lächeln, weil mir dabei erneut bewusst wurde, dass es jemanden gab, der sich um mich kümmerte und sich um mich sorgte.

Warum konnte Zetsu nicht auch so sein?

Argh, warum war es nur so schwer, ihn zu vergessen?

„Ich habe mir extra eine Zwei-Zimmer-Wohnung gesucht, damit ich dich zu mir holen kann, sobald du volljährig bist, bevor du bei den beiden wahnsinnig wirst.“

„Da kamst du wohl ein wenig zu spät“, erwiderte ich schmunzelnd.

Mir lag die Frage auf der Zunge, warum sie mir nie etwas davon gesagt hatte... aber mir fiel auch gleich darauf wieder ein, wie überstürzt sie von zu Hause verschwunden war – und ich war immerhin diejenige gewesen, die all ihre Mails ignoriert hatte.

„Ach komm~ So verrückt bist du auch nicht, du wirst schon sehen, bei mir wird es dir bald besser gehen.“

Ich zweifelte nicht daran. Ich war hier weit weg von meinen Eltern, denen ich egal gewesen war, ich war in meinem Zuhause angekommen und ich wusste einfach, dass alles gut werden würde.

„Jedenfalls haben wir dann deine Sachen aus dem Keller geholt und ich hab so oft nachgefragt, bis sie mir schließlich einen Zettel gegeben haben, auf dem die Adresse der Klinik stand – der Rest war nur noch eine Sache von Suchen und Finden der richtigen Station.“

„Warum hast du nicht an der Information nachgefragt?“

Nachdenklich neigte sie den Kopf, dann grinste sie verschmitzt. „Das wäre doch zu einfach geworden.“

„Stimmt, wie die Rolltreppe zum Mount Everest.“

Als wir noch jünger gewesen waren, hatten Freunde von ihr uns zu einer Wanderung eingeladen. Isolde war der normale Weg allerdings zu langweilig geworden, weswegen sie sich irgendwann quer durch das Unterholz geschlagen hatte und erst weit nach uns am Grillplatz angekommen war. Einem ihrer Freunde war daraufhin der Spruch „Isolde würde den Mount Everest selbst dann erklettern, wenn eine Rolltreppe hinaufführen würde“ eingefallen und seitdem benutzten alle, die sie kannten, die Rolltreppe als Metapher, um aufzuzeigen, dass sie es sich gern extra schwer machte. Isolde betrachtete es offenbar als Kompliment und ließ keine Gelegenheit aus, um uns zu zeigen, dass sie immer noch nach dieser Maxime lebte – ich wartete nur darauf, dass sie wirklich mit dem Bergsteigen anfangen würde.

Isolde lachte. „Du erinnerst dich noch daran, was?“

„Das werde ich nie vergessen.“

Ich war felsenfest davon überzeugt, dass ich mich selbst noch im hohen Alter daran erinnern würde. Besser ich dachte nicht daran, dass ich vielleicht irgendwann... okay, Schluss damit, ich sollte nicht so negativ denken.

„Was haben unsere Eltern denn mit meinem Zimmer gemacht?“

Die Frage beschäftigte mich schon einige Wochen, allerdings hatte ich nicht vorgehabt, jemals wieder dorthin zurückzukehren, um es mir selbst anzusehen.

„Was denkst du denn?“

„Raucherzimmer?“

Isolde lachte amüsiert. „Denkst du wirklich, sie würden das Rauchen auf einen einzigen Raum im Haus beschränken? Sie würden an Entzugserscheinungen eingehen, bevor sie dort ankommen würden.“

„Also doch ein Hobbyraum?“, fragte ich weiter.

Sie lachte erneut, bei genauerer Betrachtung fand ich das auch recht unwahrscheinlich. Ich glaube, sie würden nicht einmal laufen, wenn sie nicht ab und zu noch aus dem Haus müssten.

„Aber was ist es denn nun?“

„Eine Abstellkammer. Dafür ist das Wohnzimmer jetzt schön sauber.“

Ein Zustand, den ich seit mindestens fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Nach dem Auszug von Isolde war auch ihr Zimmer zu einer Abstellkammer geworden, damit der Flur frei geworden war.

Also hätte ich mir doch eigentlich denken können, dass sie das auch bei meinem Zimmer tun würden. Wie konnte man auch nur so viel Schrott ansammeln?

Isolde nahm sich ein weiteres Stück. „Aber erzähl mal, bist du wirklich freiwillig in die Klinik gegangen?“

„Sicher. Mir war egal, wo ich sein würde, Hauptsache, ich war nicht mehr bei unseren Eltern und mein Arzt hat mich bei einer Einweisung in das Krankenhaus unterstützt, nachdem ich einen ziemlichen Nervenzusammenbruch im Supermarkt hatte.“

Während ich das im Plauderton erzählte, kam es mir nicht mehr wie mein Leben vor, sondern wie der Inhalt einer schlechten Seifenoper. Rechnete man noch das Drama und Zetsu dazu, machte es das zu einer noch viel schlechteren Telenovela. Mir fehlte nur noch der kitschige Titelsong mit dem peinlichen Opening.

„Die Leute dort schienen dich ja wirklich zu mögen“, sagte sie.

Gedankenverloren kaute ich auf meinem Stück Pizza. Ich bereute es immer noch ein wenig, Baila einfach zurückgelassen zu haben – am Liebsten hätte ich sie einfach mitgenommen. Die anderen dagegen vermisste ich nicht, vor allem nicht Narukana.

„Ja, das kann gut sein. Man verbringt ja wahnsinnig viel Zeit miteinander, wenn man in so einem Krankenhaus ist, da wächst man zusammen.“

„Weißt du, was mich brennend interessieren würde?“

Während ich sie fragend ansah, nahm ich noch einen Bissen von meinem Pizzastück, das tatsächlich immer noch mein Erstes war. Ich glaube, ich aß viel zu wenig... aber ich konnte einfach nicht anders, ich hatte einfach nicht viel Hunger.

Sie schmunzelte. „Dieser gutaussehende Silberhaarige war doch auch ein Patient, oder?“

Mein Magen zog sich augenblicklich zusammen und mein Hals wurde eng, so dass ich es nicht schaffte, runterzuschlucken. Zum Nicken musste ich glücklicherweise aber nicht sprechen.

„Was wollte er noch von dir, als er unten auf dich gewartet hat?“

Ich wusste nicht, was er wirklich gewollt hatte, ich wusste nur, was meine nicht-erfüllte Erwartung gewesen war. Deswegen zuckte ich mit den Schultern.

„Weiß nicht“, antwortete ich mit vollem Mund, „vielleicht sichergehen, dass ich auch wirklich gehe.“

„Er sah echt gut aus“, sagte Isolde.

Ich nickte nur darauf. Ich wusste, dass sie mehr hören wollte, einen Namen möglicherweise oder sogar die ganze Geschichte, die mich mit ihm verband.

Aber ich wollte nicht über ihn reden, ich wollte nicht an ihn denken. Die Erinnerungen an meine gemeinsame Zeit mit Zetsu gehörten mir allein, auch wenn sie durch seine Worte auf dem Balkon getrübt worden waren. Ich wollte sie mit niemandem teilen, auch nicht mit meiner Schwester. Die Erinnerungen würden für immer mir allein gehören – auch damit sie mir eine Lehre waren, nicht mehr auf den Zauber eines anderen hereinzufallen.

„Willst du nicht darüber reden?“

Ich nickte bestätigend noch einmal. Isoldes Gesicht verzog sich enttäuscht, aber sie akzeptierte es offenbar und ermunterte mich stattdessen, mir noch ein Stück Pizza zu nehmen.

„Wenn ich das alles allein esse, kannst du mich bald durch die Wohnung rollen“, scherzte sie.

„Genug Platz wäre hier ja“, erwiderte ich schmunzelnd.

Damit wechselten wir das Thema, wofür ich wirklich dankbar war. Mein Leben war ab sofort keine Telenovela mehr und ich wollte auch nicht mehr an diesen Abschnitt denken, solange er noch nicht lange genug her war. Irgendwann, davon war ich überzeugt, würde ich darauf zurückblicken und lachen – aber noch deprimierten die Erinnerungen mich und ich konnte nur hoffen, dass sich das irgendwann einmal ändern würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  LeanaCole
2012-07-13T09:00:21+00:00 13.07.2012 11:00
Ich will auch Pizza! D:


Frisch gebadet, mit noch nassem Haar und bereits im Pyjama

Wow! Lea hat endlich mal gebadet und einen Pyjama an!

Lea: Hey! ò_ó


„Als unsere Eltern mir sagten, dass du nicht mehr da bist, wäre ich ihnen fast an die Kehle gesprungen.“

Das kann ich mir bei Isolde irgendwie nicht vorstellen XD


Bei dieser Vorstellung musste ich lächeln, weil mir dabei erneut bewusst wurde, dass es jemanden gab, der sich um mich kümmerte und sich um mich sorgte.

Awwwwww~


Warum konnte Zetsu nicht auch so sein?

Er ist ein Mann.


„Das wäre doch zu einfach geworden.“

Das ist typisch Isolde XD


Sie würden an Entzugserscheinungen eingehen, bevor sie dort ankommen würden.“

Bor, hat sie hier miese Eltern. Kein Vergleich zu ihren richtigen Eltern. Das ist so krass.


Wie konnte man auch nur so viel Schrott ansammeln?

Das sind bestimmt Messis mit ner toten Katze in der Küche XDDDD
Die sehen wir sicher bald bei Assi-TV XD


nachdem ich einen ziemlichen Nervenzusammenbruch im Supermarkt hatte

Auch noch im Supermarkt, oi.
... Wobei mich echt interessieren würde, wie das abgelaufen ist. Vielleicht kann man das ja mal zum Thema machen bei "Nur bei dir".
Wenn Lea ihre Eltern trifft, zum Beispiel.

am Liebsten hätte ich sie einfach mitgenommen

Ich auch D:


Die anderen dagegen vermisste ich nicht

Ach, lüg doch nicht. Du sehnst dich nach Nozomu XDDDDDDD


auch damit sie mir eine Lehre waren, nicht mehr auf den Zauber eines anderen hereinzufallen.

Ja, weil die Liebe auch was ganz böses ist!!11elf!!1


War ja so ein ereignisloses Kapitel. Aber ich mag die Idee von den pizzaessenden Schwestern. Ich fands lustig und es hat gezeigt, dass die beiden sich gern haben und gut miteinander auskommen. Und das halte ich für wichtig, wenn sie ab sofort zusammen leben wollen.
Hast du gut gemacht :D
Von: abgemeldet
2011-08-25T13:23:47+00:00 25.08.2011 15:23
Oh, es geht also weiter. =)
Der Titel ist ja mal genial, ich mag ihn. XD
Das verspricht ja wohl interessant zu werden ... jetzt hab ich Lust auf Pizza. :,D

> Sogar all meine Kleidung und all meine liebsten Gegenstände von zu Hause, waren von meiner Schwester hergebracht worden,
Oh, dass ist aber echt nett von ihr. o__Ô
Etwas beängstigend, aber echt nett. ^^

> „Als unsere Eltern mir sagten, dass du nicht mehr da bist, wäre ich ihnen fast an die Kehle gesprungen.“
Oha, dass ist auch ein beängstigendes Bild. XD
Ich mag sie, sie ist richtig cool, hehe.

> Argh, warum war es nur so schwer, ihn zu vergessen?
Daran ist das böse L-Wort schuld. :,D

> „Stimmt, wie die Rolltreppe zum Mount Everest.“
Das ist jetzt wahrscheinlich aber sehr blöde Frage, aber: Gibt es eine Rolltreppe zum Mount Everest? o__Ô
Oder war das nur im Zusammenhang zu Isoldes Aussage gemeint?

> „Isolde würde den Mount Everest selbst dann erklettern, wenn eine Rolltreppe hinaufführen würde“
Ah, oke, Frage beantwortet. XD
Ich dachte jetzt echt, es gäbe eine Rolltreppe zum Mount Everest. XDDD

> „Eine Abstellkammer. Dafür ist das Wohnzimmer jetzt schön sauber.“
Sollte das einen nun freuen oder deprimieren? :,D

> am Liebsten hätte ich sie einfach mitgenommen.
Oh ja, ich auch! Q________Q

... Oke, jetzt klingt es aber sehr verdächtig danach, als würde hiernach der Prolog kommen, in dem noch alles gut wird. :,D
Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll, deswegen warte ich weiterhin ab. Ich werde diese FF echt vermissen, wenn es vorbei ist, vor allem Leanas Gedankengänge.
Ich hoffe ja, dass es mit Zetsu und ihr zumindest noch ein kleines Gespräch geben wird. ^^


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