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Green Sea of Darkness

von

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Kapitel 11

Als James Norrington am Morgen erwachte, war das Feuer bereits vollständig heruntergebrannt. Feiner Nebel lag über der Lichtung, doch die ersten Sonnenstrahlen filterten bereits durch den grauen Dunst und versprachen gutes Wetter. Er streckte sich und stöhnte gequält, als ihn seine schmerzenden Glieder daran erinnerten, wo er sich befand. Er lag auf der Erde, nur wenige Meter von den beiden Pferden entfernt, die zufrieden kauten.
 

Er drehte den Kopf zur Seite und stellte irritiert fest, dass sie bereits dabei waren, ihr Frühstück zu vertilgen. Jemand musste sie gefüttert haben, während er noch tief und fest geschlafen hatte. Verwirrt richtete er sich auf und rieb sich den verspannten Nacken, während er an sich hinunter sah. Seine Beine waren noch immer von einem dunklen Umhang bedeckt, als hätte er sich darin eingewickelt wie in eine Decke. Dabei konnte er sich noch nicht einmal daran erinnern, in der Nacht einen Mantel, geschweige denn einen Umhang mit nach draußen genommen zu haben.
 

„Guten Morgen, Admiral!“, unterbrach eine verstörend fröhliche Stimme seine noch immer vom Schlaf umnebelten Gedanken. Instinktiv riss er den Umhang bis zur Brust hoch und drehte den Oberkörper ein wenig zur Seite, um den Störenfried mit einem vernichtenden Blick zu strafen.
 

„Habt Ihr gut geschlafen?“
 

Jack Sparrow stand mit hochgekrempelten Ärmeln vor ihm und schleppte einen Eimer mit Wasser, den er offensichtlich soeben aus dem Brunnen geholt hatte. Als er James’ irritierten Gesichtsausdruck bemerkte, erklärte er grinsend: „Die Dame hat darum gebeten, sich ein wenig frisch machen zu dürfen, bevor wir weiterreisen. Ich hielt das für eine gute Idee.“
 

„Ich … muss eingeschlafen sein“, sagte James langsam und fasste sich an die Stirn, hinter der es gefährlich pochte. Verdammt! So etwas war ihm noch nie passiert.
 

Sparrow grinste, als könnte er seine Gedanken lesen. „Sieht ganz so aus. Allerdings solltet Ihr Euch keine Sorgen über Eure berufliche Qualifikation machen: Euer Schnarchkonzert hätte ein ganzes Schlachtschiff wach gehalten.“
 

James entging nicht, dass der Pirat allem Schlafmangel zum Trotz ungewöhnlich wach und heiter wirkte. Genau genommen hatte er seit seinem nächtlichen Auftritt in Port Royal nicht so gut ausgesehen, und James fragte sich, ob ihm diese Tour de force am Ende sogar Spaß machte. Der Gedanke war mehr als nur ein wenig beunruhigend und eine scharfe Entgegnung lag ihm bereits auf der Zunge, als ihm ein Gähnen die Kiefer auseinander zwang.
 

„Ihr solltet Euch wirklich noch für eine Weile hinlegen, Commodore. Reiten in übermüdetem Zustand kann äußerst gefährlich sein. Zumindest habe ich das gehört!“ Damit tippte er sich an die imaginäre Hutkrempe und trottete davon.
 

Stöhnend ließ sich James zurück auf die Erde sinken und starrte in den Morgenhimmel. Wenigstens hatten sie die Nacht ohne unangenehme Überraschungen überstanden, was wohl eher ihrem Glück als angemessener Vorsicht geschuldet war. Allerdings schien Sparrow seine Erschöpfung genutzt zu haben, um die Zügel fortan selbst in die Hand zu nehmen. Der Pirat verfügte über Kraftreserven, die er ihm niemals zugetraut hätte – was sich nun als Fehler erwies. Sparrows Unternehmungen waren dafür bekannt, mit beängstigender Präzision im Chaos zu enden. Ihre derzeitige Situation mochte den Eindruck erwecken, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, doch James wusste es besser. Wo ein Sparrow war, da war auch ein Weg; und der führte geradewegs ins Verderben.
 

Seine Gedanken kreisten noch für eine ganze Weile um ähnlich verworrene Wortspiele, bis er sich endlich eingestand, wovor er eigentlich solche Angst hatte. Paradoxerweise waren weder der vorgebliche Axtmörder, noch ihre gesichtslosen Verfolger für das merkwürdige Kribbeln in seiner Magengegend verantwortlich; es war der Umhang. Wollte er nicht annehmen, dass ein zufällig vorbeikommender Wahnsinniger plötzlich von mütterlichen Gefühlen übermannt worden war, so musste er wider besseren Wissens akzeptieren, dass Sparrow ihn zugedeckt hatte.
 

‚Verdammter Pirat!’, dachte er wütend und zog sich den Umhang über den Kopf. Als ob er hier, in der Karibik erfroren wäre!
 

*~*
 

James hätte die unheilvolle Lichtung am liebsten sofort verlassen, doch wiederum war es Jack Sparrow, der ihre Abreise verzögerte. Allerdings hatte er in diesem Fall einen ausgesprochen guten Grund. Die wenigen Stunden Schlaf schienen einen völlig neuen Mann aus ihm gemacht zu haben, und James machte noch nicht einmal den Versuch, ihm zu widersprechen, als er darauf bestand, die Spuren ihrer Anwesenheit so weit wie möglich zu verwischen.
 

Sie verbrachten beinahe zwei Stunden damit, die Überreste des Lagerfeuers zu verteilen und mit Erde zu überdecken. James zwang sich sogar, zurück in den Schuppen zu gehen und die Lumpen wieder auf einen Haufen zu werfen; auch wenn es sich dabei wohl um verlorene Liebesmüh handelte. Es war schließlich kaum anzunehmen, dass der Axtmörder das fehlende Heu oder gar das zerschossene Türschloss übersehen würde. Dennoch fühlte er sich einigermaßen beruhigt, als sie die Hütte verließen und den unwillig schnaubenden Tieren die Sättel auflegten. Vielleicht machte er sich ja nur selbst verrückt. Vorsicht war eine Sache, Verfolgungswahn eine völlig andere und noch dazu etwas, das sie sich in ihrer derzeitigen Situation nicht leisten konnten. Wenn sie sich auch nur die geringste Überlebenschance erhalten wollten, mussten sie einen kühlen Kopf bewahren und Hirngespinsten beizeiten einen Riegel vorschieben.
 

Entschlossen hob er zuerst Sheza in den Sattel und schwang sich dann selbst auf den Rücken seines Wallachs. Das Tier quittierte das Ende der Ruhepause mit einem unwilligen Schnauben und stampfte kurz auf, nahm sich jedoch glücklicherweise kein Beispiel an Jacks Stute, die friedlich grasend über die Lichtung ging, während ihr Reiter mit einem Fuß im Steigbügel neben ihr her hüpfte. Als auch diese Hürde gemeistert war und der Pirat mit gequälter Miene im Sattel saß, fühlte er eine kleine Last von sich abfallen. Nun gab es nichts anderes mehr zu tun, als die unheimliche Stätte so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.
 

Sparrow schien sein Verlangen jedoch keineswegs zu teilen. Anstatt seinem Pferd die Sporen zu geben, wandte er sich im Sattel um und sah ihn fragend an.
 

„Und nun?“
 

Zuerst verstand James nicht, was er meinte. Waren sie nicht darin übereingekommen, dass sie ihre Suche nach dem Jagddomizil des Gouverneurs fortsetzen wollten? Er wollte gerade danach fragen, als ihm das eigentliche Problem aufging. Die Lichtung war auf allen Seiten von Wald umgeben, lediglich der Pfad, auf dem sie gekommen waren schien vom Dschungel ausgespart worden zu sein. Ganz offensichtlich bildete er den einzigen Zugang zur Hütte. James’ Herz sacke nach unten und bewegte sich langsam auf seine Magengegend zu. Alles war umsonst gewesen! Das Haus des Gouverneurs war für sie unerreichbar geworden und er hatte keinen blassen Schimmer, wo sie sonst hingehen sollten – sofern sich diese Frage überhaupt noch stellte. War ihnen tatsächlich jemand gefolgt, so saßen sie nun da, wo dieser jemand sie zweifellos haben wollte: in der Falle. Er wollte diesen Sachverhalt gerade in einer angemessen pessimistischen Bemerkung zum Ausdruck bringen, als Sparrow plötzlich vom Pferd sprang und mit in die Seite gestemmten Armen am Ende des Pfades stehen blieb.
 

„Meint Ihr nicht, wir sollten so bald wie möglich umkehren und –“, begann er gequält, doch der Pirat brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen. Für einen Augenblick erweckte er den Anschein eines Künstlers, der kurz vor der Vollendung seines Opus Magnum stand, dann ließ er sich schließlich dazu herab, James über seine Entdeckung in Kenntnis zu setzen.
 

„Findet Ihr es nicht merkwürdig, dass der Pfad genau hier endet? An einem Schlingpflanzengestrüpp?“
 

Sheza lehnte sich im Sattel vor, um besser sehen zu können; James tat es ihr gleich. Als er erkannte, was Sparrow meinte, war dieser bereits damit beschäftigt, die Ranken eine nach der anderen auf die Seite zu werfen. Der Durchgang war mitnichten zugewachsen – er war verdeckt worden, und zwar von Menschenhand. Der Eigentümer der Hütte hatte sich offenbar die Mühe gemacht, eine Vielzahl von Palmzweigen und Kletterpflanzen zu sammeln und so zu drapieren, als handle es sich um ein natürlich gewachsenes Gestrüpp. Trotz der beständig kräftiger werdenden Vormittagssonne wurde James von einem eisigen Hauch erfasst. Erst das Blut im Schuppen, und nun der versteckte Pfad. Man musste wahrlich kein Genie sein, um zu begreifen, dass der Dschungel ein Geheimnis barg, das besser ungelüftet blieb. Je mehr Sparrows Bemühungen enthüllten, desto größer wurde James’ Widerwille. Wohin dieser Pfad auch immer führen mochte, es war ganz sicher kein Ort, den er kennenlernen wollte.
 

„Danke für Eure tatkräftige Hilfe“, keuchte Sparrow schließlich und stützte sich schwer atmend auf den Oberschenkeln ab. Innerhalb kürzester Zeit war es ihm tatsächlich gelungen, einen Durchgang zu schaffen, der breit genug war, um von den Pferden passiert zu werden. Jenseits der Lichtung lag der Dschungel, dicht und düster, doch der Pfad war überraschend breit und schien gut ausgetreten. James schauderte.
 

„Ich glaube nicht, dass wir dort weiter reiten sollten.“
 

Sparrow richtete sich auf und sah ihn an. Sein Gesicht unter dem lächerlichen Kopftuch war schweißbedeckt, doch seine Augen schienen beinahe unnatürlich wach. ‚Irgendetwas stimmt nicht mit seinen Pupillen’, schoss es James durch den Kopf, doch er fand keine Zeit, noch länger darüber nachzudenken.
 

„Wir werden die Öffnung wieder zudecken“, sagte der Pirat nachdrücklich. „Und dann werden wir sehen, wo dieser Weg hinführt. Wenn wir nach einer Stunde das Gefühl haben, in die falsche Richtung zu reiten, werden wir umkehren. Klar soweit?“
 

„Gar nichts ist klar!“ James stand kurz davor, die blutigen Lumpen im Schuppen zu erwähnen, doch solange Sheza vor ihm im Sattel saß, brachte er es nicht über sich. „Nennt mich verschroben, doch irgendwie befürchte ich, dass dieser Pfad aus einem bestimmten Grund verdeckt wurde.“
 

„Nennt meine Phantasie überbordend, doch mein wertloses Piratenhirn hält es durchaus für möglich, dass diese Hütte –“, er wies auf die Lichtung, „einem armen Teufel gehört, der unerlaubterweise Jagd auf die wertvollen Schweine des Gouverneurs macht. Darüber hinaus sagt mir meine beträchtliche Erfahrung im kriminellen Gewerbe, dass er dabei nicht erwischt werden möchte. Entgegen anders lautender Gerüchte empfinden es die wenigstens von uns als anregend, nähere Bekanntschaft mit der Peitsche zu schließen.“
 

Sheza wandte sich zu James um und warf ihm einen fragenden Blick zu, doch Sparrows Ausdrucksweise kam auch für ihn einer Fremdsprache gleich. So runzelte er lediglich die Brauen und musterte den Piraten mit finsterer Miene.
 

„Ein Wilderer“, seufzte Sparrow schließlich. „Und was soll uns auf diesem Weg schon erwarten? Es dürfte kaum gefährlicher sein, als eine Rückkehr nach Port Royal.“
 

Damit war die Angelegenheit für ihn offenbar erledigt, denn er griff nach den Zügeln seines Pferdes und führte die Stute durch die Öffnung.
 

„Seht Ihr? Hier ist nichts Gefährliches!“, rief er triumphierend aus und James ertappte sich dabei, wie er die Luft anhielt. Beinahe erwartete er, die Stute würde im Treibsand versinken, während Sparrow von einer Fußfessel in die Baumkronen katapultiert wurde.
 

Nichts von alledem geschah.
 

Lediglich Sheza sorgte für eine Überraschung, indem sie ein Bein über den Hals des Pferdes schwang und zu Boden glitt. Binnen weniger Sekunden stand sie an Sparrows Seite und funkelte James herausfordernd an. Solcher Entschlossenheit hatte er nichts entgegenzusetzen. Begleitet von einem tiefen Seufzen stieg auch er ab und führte seinen Wallach ins Ungewisse.



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