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Leitartikel

Küss mich bis zur Deadline
von

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Kompromisse

MICHAEL
 

Langsam öffnete er die Augen. Leichtes Schnarchen ließ ihn grinsen und vollends erwachen. In seinen Armen lag Sebastian. Die schwarze Mähne kitzelte Michael ein wenig. Vorsichtig streckte er sich, ohne seinen Freund dabei wecken zu wollen. War das tatsächlich ein Muskelkater, den er verspürte? Beinahe musste er auflachen. Sie hatten gestern noch ordentlich das Tanzbein geschwungen. Michael hatte sich selbst überrascht. Normalerweise war er ein miserabler Tänzer, der an einem Abend vielleicht zu einem einzigen Lied etwas hin- und herwippte. Aber gestern, das war etwas völlig anderes gewesen. Es lag an Sebastian. An Sebastian und dessen Freunden, die ihn einfach mitgerissen hatten, ihn mit ihrer Laune angesteckt hatten.
 

Er hatte sich willkommen gefühlt. Auch wenn der Mitbewohner seines Partners ihm an Anfang noch skeptisch begutachtet hatte. Letztendlich hatte er ihm am Ende des Abends gesagt: „Michael, du bist OK.“ Das konnte man fast schon als Kompliment werten. Michael lächelte vor sich hin. Er blickte den in seinen Armen schlafenden, jungen Mann an. Und als er seinen Blick über den zum Teil aufgedeckten Körper wandern ließ, wurde er ganz rot. Schließlich musste er an ihren gestrigen „Versöhnungssex“ denken… Sebastian war so wild gewesen. Michael war sich sicher, später irgendwelche Kratzspuren an seinem Rücken und Armen zu finden. Nicht, dass er sich beschweren wollte. Dieser Anblick des völlig weggetretenen Mannes, der ihn gestern ins Nirvana geritten hatte, war wunderschön gewesen… Das konnte und wollte er nicht leugnen.
 

Jedenfalls wusste der Blonde nun, dass die Gerüchte, was Versöhnungssex anging, stimmten. Er war wild, intensiv und alles andere als normal. So wie Michaels gesamtes Leben. Und „nicht normal“ zu sein machte langsam irgendwie Spaß… Das sollte er sich wirklich eingestehen. Und seine Denkmuster umstrukturieren. Es war der einzige Weg endgültig mit seinem alten Leben abzuschließen. Und das wollte er. Das wusste er jetzt zu 100 Prozent.
 

Die Bilder der gestrigen Nacht wollten einfach nicht verschwinden und Michael musste peinlich benommen feststellen, dass sich immer mehr Blut in seiner südlichen Region sammelte. Sebastian regte sich plötzlich und schmiegte sich gähnend an den ebenfalls entblößten Körper Michaels.
 

„Du bist auch schon wieder wach…“, flüsterte der Jüngere und rieb sich ungeniert an dem Älteren, ließ seine Hand langsam zu der erregten Stelle wandern.
 

„Und du bist ein kleiner Nimmersatt“, entgegnete Michael lachend und zuckte zusammen, als Sebastians Finger über seinen Unterleib strichen. Im selben Moment hörte er den Bauch seines Freundes einen kläglichen Laut von sich geben. „Hunger?“, fragte er ihn amüsiert und der Jüngere grinste.
 

„Joa.“
 

„Soll ich Brötchen holen?“
 

„Aber es ist grad soooo schön hier im Bett“, murmelte Sebastian, rückte ein wenig nach oben und legte seine Lippen auf die des Älteren. Erneut zuckte Michael zusammen, als die Zunge seines Freundes seine Lippen umspielte und um Einlass bat. Intensiv küssten sie sich und rückten erst voneinander ab, als ihre Lungen sie dazu zwangen.
 

„Wenn das hier so weiter geht, dann macht der Bäcker zu“, ermahnte Michael ihn amüsiert und strich durch diese wunderschönen Haare.
 

„Och, Menno. Na los, dann geh schon“, kam es von Sebastian, der sich aufsetzte. Als Michael aufstand und sich fix etwas überzog, konnte er den musternden Blick des Jüngeren regelrecht spüren.
 

„Dein Hintern ist so sexy“, sagte Sebastian schmunzelnd. Michael grinste.
 

„Bis gleich, Süßer“, sagte er.
 

„Hey, soll ich schon mal den Tisch decken?“, fragte der Schwarzhaarige noch schnell.
 

„Wäre toll“, entgegnete Michael und schon lief er regelrecht zum Bäcker. Ganze zehn Minuten stand er in der Schlange. Doch das machte ihm nichts aus. Seine Gedanken kreisten die gesamte Zeit um Sebastian. Um Sebastian und ihn. Um seine neue Beziehung. Und er würde das durchziehen!
 

Er seufzte.
 

Sie mussten noch vieles klären… Ein wenig mulmig war ihm ja schon bei diesem Gedanken. Aber eine weitere Situation wie am letzten Wochenende wollte er nicht noch einmal erleben. Und Sebastian sicherlich auch nicht. Mit seiner gesamten Familie würde er auch noch mal im Privaten sprechen. Es war ja auch eine dumme Idee gewesen, den Wildfang direkt mitzuschleppen, ohne Vorwarnung – an beide Seiten. Und überhaupt. Er hatte ihn überfordert mit der gesamten Geschichte. Er hatte sich nicht fair verhalten. Und Einsicht war der erste Schritt zur Besserung, nicht wahr?
 

Die Wohnung roch nach Kaffee, als er sie betrat. Und der Tisch war in der Tat gedeckt. Sebastian hatte also alles gefunden. Wunderbar!
 

Wie auf Kommando umschlangen ihn plötzlich diese Arme und der Junge drückte ihm einen warmen, kleinen Kuss auf die Wange, lächelte und schnappte sich die gut gefüllte Brötchentüte.
 

„Oh, du hast ja auch zwei Croissants gekauft!“, rief er aus, als er den Inhalt der Tüte in das kleine Körbchen auf den Tisch auspackte.
 

Michael nickte. „Ich hatte gehofft du magst sie“, sagte er dann.
 

„Natürlich! Und übrigens danke, dass du Nutella gekauft hast“, antwortete Sebastian mit strahlenden Augen. „Die schmeckt besonders zu Croissants.“
 

„Ich will meins wie immer mit Marmelade essen“, verkündete Michael, als er und sein Freund sich setzten.
 

„Mit Nutella schmeckt es aber echt besser!“
 

„Ich bin nicht so der Nutella-Fan…“
 

„Vielleicht wirst du’s ja noch.“
 

„Nein, ich… Mal schauen“, sagte Michael und lächelte. „Ich denke über Veränderungen, sollten wir heute ganz dringend sprechen“, fügte er hinzu, als er das erste krosse Brötchen aufschnitt.
 

„Ja, ich weiß…“, sagte Sebastian ruhig, auch wenn es etwas gestockt rüber kam.
 

Sie aßen in Ruhe zu Ende. Und dann setzten sie sich aufs Sofa. Im Hintergrund lief irgendein Oldie-Sender. Michael legte seine Hand schon fast besitzergreifend auf Sebastians Oberschenkel, der diese Berührung zu genießen schien. Er lächelte den Älteren an. Beide waren sich unsicher, wie sie anfangen sollten.
 

„Sag mal was, du bist doch hier der Weisere von uns beiden“, scherzte Sebastian und Michael grinste.
 

„Naja, meine letzen Vorgehensweisen haben eher davon gezeugt, dass ich ein Idiot bin. Und ich bin mir nicht so sicher, was Idioten mit Weisheit zu tun haben sollten“, entgegnete er und streichelte sanft über den hübschen Oberschenkel. Dann seufzte er. Sie mussten sich Klarheit verschaffen und über ihre Wünsche und Gedanken sprechen, wenn sie eine Zukunft haben wollten.
 

„Meine Reaktion bei und nach dem kläglichen Familienbesuch tut mir sehr Leid“, setzte er also an. Sebastian nickte stumm und blickte ihn aufmerksam an. „Erstens war es falsch, dich so schnell mitzunehmen, ohne dich vorher besser kennengelernt zu haben und mit meiner Familie gesprochen zu haben. Außerdem, war es falsch von mir dich so anzukeifen. Andererseits, habe ich das Gefühl bei dir, dass du, wie soll ich es sagen, mit deiner nicht gerade konservativen Art regelrecht versuchst überall anzuecken.“
 

Sebastian öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Michael stoppte ihn. „Nein, bitte, lass mich einfach erstmal ausreden und dann kannst du etwas dazu sagen“, sagte er und der Schwarzhaarige nickte. „Ich will meine Reaktion nicht verteidigen, dich zu treten war unter aller Sau. Ich war irgendwie in Panik geraten, so eine Situation hatte ich vorher noch nie mit meiner Familie erlebt. Und ich war und bin wohl noch zu sehr in meinen alten Denkmustern gefangen, die du, seitdem wir zusammen sind, ganz schön auf den Kopf gestellt hast…“
 

Die beiden grinsten.
 

„Jedenfalls kommt es mir so vor, als ob du es mit deinem „gegen Spießer-Dasein“ manchmal etwas übertreibst. Weißt du, du hasst es, wenn man auf dich irgendwie herabsieht, aber erstens, du schwörst es selbst herbei und zweitens, du gehst auf andere Leute auch voll beladen mit irgendwelchen Vorurteilen und Meinungen zu. So wie auf mich.“
 

Er blickte Sebastian an, der seufzte und leicht lächelte.
 

„Ich freue mich, dass du das mit dieser scheiß Familiengeschichte eingesehen hast“, sagte der Jüngere. „Ich hab dir gesagt: Ich hasse Familienfeiern, ich fühle mich immer so eingeengt, und dann musste ich mich auch noch so halbschick anziehen. Das ist nicht meins, wenn ich mir bei so was nicht zu 100 Prozent sicher bin, dann engen mich solche Klamotten noch weiter ein, weißt du? Wahrscheinlich hast du Recht mit all dem, was du eben gesagt hast… Du kannst aber auch nicht bestreiten, dass du eben doch ein wenig in dieser Spießerrolle gefangen bist. Du hast eben was von Denkmustern gesagt. Und ich finde, da hast du Recht. Manchmal kommst du echt gequält rüber, als würdest du dir selbst irgendwelche Regeln auferlegen, die du nicht magst. Aber irgendwie denkst du, dass du sie trotzdem befolgen musst. Macht das Sinn, was ich gerade sage?“, fragte er lachend.
 

Michael nickte lächelnd mit dem Kopf. Das machte schon so ziemlich Sinn…
 

„Wir sind halt eben schon grundverschieden“, sagte der Blonde. „In manchen Dingen…“
 

„Ja, aber irgendwie auch nicht“, fiel Sebastian ihm umgehend ins Wort. „Weil, ich kann echt Spaß mit dir haben. Und wir essen gern dasselbe, und wir lesen beide gern und wir gucken gern Filme und…“
 

Michael lachte und drückte einem leicht verdutzten Sebastian einen Kuss auf. „Du musst das nicht alles so verteidigen, mir ist schon klar, dass wir auch Gemeinsamkeiten besitzen und eine schöne Zeit miteinander haben können, sonst würden wir doch wohl nicht hier sitzen und über unsere Zukunft sprechen, oder?“, sagte er und lächelte den Schwarzhaarigen an.
 

„Da hast du wohl Recht…“, willigte dieser erfreut ein. Dann holte er Luft und fragte: „Wie siehst du unsere Zukunft denn. Also, ich meine, was erwartest du von mir?“
 

Michael lehnte sich zurück. Ja, was erwartete er? Wie konnte man das in Worte fassen?
 

„Ich weiß, dass du anders bist als alle Männer, mit denen ich vorher zusammen war“, setzte er an und Sebastian grinste.
 

„Bin halt was Besonderes“, bemerkte er und brachte den Blonden zum Glucksen.
 

„Da hast du Recht, Süßer“, sagte er und wurde leicht nachdenklich. „Manchmal bist du mir noch zu wild und ich hab Angst, dass du unsere Beziehung zu sehr nach Außen tragen könntest.“
 

„Du meinst die ganzen Sachen mit dem Küssen in der Öffentlichkeit und so?“
 

„Ja, genau das meine ich. Ich glaube, da habe ich dir meinen Standpunkt schon vermittelt. Ich bin eben nicht der Typ für „heiße Nummern“ in der öffentlichen Toilette oder so… Das ist mir unangenehm. Ich dränge mich nicht gern auf. Außerdem will ich, dass diese Dinge nur zwischen uns beiden bleiben, damit sie etwas Besonderes sind, verstehst du, was ich damit meine?“
 

„Ja, ist ja auch schon klar. Ich bin jetzt aber auch nicht der Typ, der unbedingt jedem von seinen Bettgeschichten erzählt. Nicht in einer festen Beziehung, so darfst du mich dann auch nicht sehen.“, entgegnete Sebastian.
 

„OK, das freut mich zu hören.“ Michael lächelte.
 

„Aber ich muss jetzt nirgendwo so tun, als wären wir NICHT zusammen, oder???“
 

„Nein, das habe ich dir doch schon gesagt. Ich will unsere Beziehung nicht geheim halten.“
 

„Das ist gut, ich will nämlich doch ein wenig mit dir angeben. Aber im angemessenen Maße“, sagte Sebastian grinsend.
 

„Mit mir angeben? Das höre ich doch gern“, entgegnete Michael und streichelte über Sebastians Nacken.
 

„Wenn wir zu deiner Familie fahren, muss ich mich dann immer irgendwie fein anziehen?“ fragte der Schwarzhaarige plötzlich.
 

„Äh, nein. Nein, nein wirklich nicht. Ich weiß, es ist schwer nach diesem Event zu glauben, dass sie eigentlich OK sind. Aber Sabine wollte sich letztens sogar persönlich bei dir entschuldigen, als ich sie von der Arbeit angerufen habe. Und sie hat mir den Mut zugesprochen, uns beiden noch eine Chance zu geben.“
 

„Was, echt??“
 

„Ja, und ich bin auch froh, dass du meiner Familie scheinbar noch eine Chance geben willst…“
 

Sebastian zuckte mit den Schultern. „Warum nicht. Wenn’s schon mit meiner nicht klappt… Hab ich dir das überhaupt erzählt? Weder meine Eltern, noch mein Bruder haben mir zum Geburtstag gratuliert.“
 

Michael erstarrte kurz. „Was?“, brachte er schließlich raus und starrte seinen Freund ungläubig an. Der Schwarzhaarige schaute zu Boden. Doch dann zuckte er mit den Schultern, lächelte Michael an und sagte: „Ist nicht so schlimm. Ich will jetzt nicht über die reden, ich will über uns sprechen. Damit das alles schnell vom Tisch ist und wir uns einen schönen Abend machen können.“
 

Und das taten sie dann auch. Eine gesamte Stunde sprachen sie über ihre Wünsche und Ängste und Gedanken. Eines stand fest: Sie wollten beide eine feste Bindung mit einer Zukunftsperspektive. Sebastian versprach Michael bei formalen Angelegenheiten angemessene Kleidung zu tragen und sich entsprechend zu benehmen – dank seiner Ausbildung im Hotel wusste er schließlich auch ganz genau, wie das ging. Michael musste Sebastian versprechen nicht immer den Stubenhocker zu mimen und sich in seinen Freundeskreis zu integrieren. Letzteres wollte der Schwarzhaarige auch tun, denn separate Freundeskreise konnte er nicht ausstehen. Überhaupt wollten sie mehr über sich miteinander sprechen, anstatt sich ins Tun zu stürzen. Und Michael versprach „lockerer“ zu werden…
 

„Ich ändere mich schließlich auch für dich“, sagte Sebastian. „Diese dämlichen Klamotten manchmal. Und das Zurückhalten, was sicherlich auch in Zukunft schwer sein wird. Aber ich hab’s ja versprochen. Aber du darfst das alles auch nicht so ansehen, als wenn nur du dich ändern müsstest…“, bemerkte er leicht schmollend.
 

„Das tue ich nicht“, versicherte Michael mit sanfter Stimme. Dass er das bis vor kurzem noch in etwas gesehen hatte, verschwieg er lieber und schimpfte im Innern mit sich selbst. „Was findest du jetzt eigentlich so toll an mir?“, wollte er lieber von Sebastian wissen. Der Jüngere blickte ihm in die Augen.
 

„Am Anfang fand ich halt dein Aussehen richtig heiß. Und, naja, selbst wenn ich halt nicht so rumlaufe und mich nicht gebe wie du, finde ich das schon irgendwie heiß…“, sagte der Schwarzhaarige seufzend. „Du wirkst so männlich mit deinem Auftreten und ich, äh, finde deine Autorität irgendwie total geil.“
 

„Autorität“, wiederholte Michael und lachte.
 

„Lach nicht!“, rief Sebastian aus, der jedoch selbst lächelte. „Und naja, du gehst halt auch so liebevoll mit mir um. Dass du Brötchen holst und so find ich halt total lieb und eben nicht selbstverständlich. Und du kannst so toll kochen!
 

„Danke“, entgegnete Michael.
 

„Und du?“, hakte der Jüngere nach. Michael hob die Augenbraue fragend. „Was findet du an mir toll?“
 

„Hmmm… Mittlerweile muss ich zugeben, dass du sehr attraktiv bist.“
 

„Also, dass dir DAS erst nach einige Zeit aufgefallen ist, tsk…“, feixte Sebastian.
 

„Naja, durch deine etwas infantile Art und das ganze Zwinkern war es mir nie so richtig möglich dich objektiv zu betrachten. Außerdem war ich ganz am Anfang noch vergeben, wenn ich dich daran erinnere. Und wenn ich mit jemandem zusammen bin, dann schaue ich mich nicht nach anderen Männern um.“
 

„Das ist SEHR gut!“, fiel Sebastian ihm ins Wort und legte seine Arme um den Nacken des Älteren, setzte sich auf ihn, sodass er ihm direkt in die Augen blicken konnte. „Und weiter?“, raunte er.
 

„Du hast so viel Energie, da bekomme ich gut etwas ab von. Und ich glaube, das habe ich in letzter Zeit vermisst. Ich brauche das. Ich brauche dich“, sagte Michael ruhig. Und er meinte es auch so. Ja, Sebastian hier auf seinem Schoß, sein Atem an seiner Wange, dieses niedliche Grinsen auf dem jungen Gesicht. So wollte er es haben und nicht anders. „Ich denke, wir können einfach voneinander lernen“, fügte er dem noch hinzu, bevor sich die Lippen des Schwarzhaarigen auf die seinigen legten.
 

„Ja, das denke ich auch“, sagte der Jüngere, als sie sich erneut anblickten.
 

SEBASTIAN/JADE
 

Eigentlich befand er sich kaum noch bei sich zu Hause. Wenn er arbeitete, fuhr er eiligst nach Hause, um Brummer zu füttern und den Käfig sauber zu machen, neue Klamotten in die kleine Reisetasche zu packen und dann, so schnell es nur ging, wieder zu Michael zu fahren. Wegen des Kaninchens hatte er bereits ein sehr, sehr schlechtes Gewissen. Deswegen war er heute auch diesen Schritt gegangen und hatte Michael zu sich eingeladen.
 

Mit Torsten klappte es ja jetzt schon seit langem wieder. Auch wenn dieser immer noch traurig wegen Jana war. Irgendwie hatten sie sich einfach nicht wieder vertragen können, da das Mädchen scheinbar doch nicht mit seinen „Neigungen“ klarkam und eifersüchtiger war, als sie es sich wohl selbst jemals zugestanden hätte. Jade seufzte. Die beiden waren schon irgendwie ein schönes Pärchen gewesen.
 

Er hörte die Tür zuschlagen und umgehend lugte sein Mitbewohner auch schon ins Zimmer.
 

„Naaaaa“, grüßte er den Schwarzhaarigen. „Nervös?“, feixte er.
 

„Ich räume schon den ganzen Tag hier auf, ich hab echt mehr Sachen als Stauraum, fällt mir grad so auf.“ Die beiden lachten.
 

„Ich hab extra für dich heute noch mal das Bad geputzt“, verkündete der Rothaarige stolz und grinsend.
 

„Ja, ich hab’s schon gesehen und dachte, ich bin in der falschen Wohnung gelandet“, scherzte Jade.
 

„Wann kommt Michi denn?“
 

„In einer Stunde.“
 

„Soll ich dann gehen…?“
 

„Ne, ist schon OK. Wir werden eh wahrscheinlich nur einen Film gucken. Oder so. Ich weiß ja noch nicht einmal, ob er hier schlafen wird, oder nicht. Jedenfalls habe ich ihn dazu verdonnert heute mit mir Pizza zu bestellen.“
 

„Ich hoffe doch die von Marco’s!“
 

„Na klar!“ Das war der beste Pizzaservice in der Nähe. Jade lief jetzt schon das Wasser im Mund zusammen, wenn er daran dachte. Wenn er an eine potenzielle Übernachtung Michaels mit Torsten im anderen Zimmer dachte, wurde ihm allerdings ein wenig übel. Dass er mit seinem Mitbewohner in der Kiste gelandet war, das hatte er Michi nicht erzählt. Und irgendwie war es besser, dass es dabei blieb. Wichtig war es nicht. Er war jetzt schon vier Monate mit dem Journalisten zusammen und was vorher war, das zählte einfach nicht.
 

Brummer versuchte an ihm hochzuklettern und als dies nicht funktionierte, fing er an, an der Hose des Schwarzhaarigen zu knabbern.
 

„Hey, lass das, du Monster!“, rief Jade lachend aus.
 

Er war schon gespannt, wie Michael auf seinen kleinen Liebling reagieren würde. Von dessen Existenz wusste er ja bereits. Schließlich wollte er erfahren, warum Jade ihn eigentlich immer „Hase“ nannte… Der Schwarzhaarige kicherte. Ja, die letzten Monate waren schön gewesen. Nicht immer unproblematisch, aber auch nicht mehr so katastrophal wie der Anfang.
 

Michael kam öfters mit in den Pub und in die Disko – auch wenn Jade ihn da manchmal echt zu treten musste. Nunja, er selbst wurde von Michael auch ins Theater und in irgendwelche neuen Restaurants getreten. Nicht, dass er sich beschwerte! Er fand es sogar richtig gut. Man konnte sein Leben als abwechslungsreich beschreiben. Auch wenn Michael ständig die Augen verdrehte, wenn Jade ne Runde Unreal Tournament an seinem PC zockte, oder sich irgendwelche dämlichen Soaps reinzog, einfach nur, um etwas zu lachen. Oder wenn um Mitternacht aufstand, um den Kühlschrank zu leeren.
 

Naja, Jade rollte dann die Augen, wenn Michael penibel seine Wäsche bügelte, oder ganz gebannt auf den Fernseher starrte, wenn 3Sat mal wieder irgendwelche dämlichen Konzerte von dämlichen Bands ausstrahlte, die nicht mal ansatzweise gut waren.
 

Schön waren allerdings die Abende, an denen sie gemeinsam im Bett lagen, wie ein altes Ehepaar, und ihre Bücher lasen. Ab und an den anderen über eine witzige Szene oder fiktive Begebenheit informierten und dann die Bücher ganz beiseite legte, um sich ihrer Leidenschaft hinzugeben… Zum Test waren sie schon nach einem Monat Beziehung gegangen. Und seitdem war ihr Sexleben noch… geiler. Jade musste tierisch grinsen, als er daran dachte, wie gut Michael ihn eigentlich mit der Zunge verwöhnen konnte. Hätte er gar nicht gedacht…
 

Es klingelte an der Tür. Und der Schwarzhaarige musste nicht einmal darüber nachdenken, wer dort wartete. Er begrüßte Michael mit einer herzlichen Umarmung und musterte ihn dann etwas verwundert.
 

„Kein Anzug, obwohl du direkt von der Arbeit kommst?“, fragte er ihn. Nicht, dass ihm der Anblick nicht gefallen würde. Michael trug eine hellblaue, gut sitzende Jeans und dazu ein tiefschwarzes, simples T-Shirt, welches seine Haare und Augen noch einmal zur Geltung brachte. Der Journalist grinste.
 

„Wir sind ja nicht die FAZ, nech?“, antwortete er keck und ließ seinen Blick den Flur streifen. „War wirklich nicht einfach einen Parkplatz zu finden“, fuhr er fort. „Soll ich die Schuhe ausziehen?“
 

„Ne, passt schon. Wir sind ja hier nicht in nem Palast, nech? Soll ich dich mal rumführen?“
 

„Gern.“
 

Sie begrüßten Torsten, der sich irgendeine Boulevard-Sendung ansah, inspizierten die kleine Küche und das kleine Bad und traten dann endlich in Jades Zimmer ein. Michael trat beinahe auf das Kaninchen, welches erschrocken auf Jades Bett sprang.
 

„Um Himmels Willen! Was war denn das?“, brachte Michael lachend heraus.
 

Grinsend begab Jade sich zum Bett und hob Brummer auf.
 

„Der ist wirklich so groß wie ein Kater!“, brachte der Blonde lachend raus.
 

„Brummer, das ist Michael. Michael, das ist Brummer“, murmelte Jade als er dem Tier, welches aufgeregt mümmelte, durch das Fell strich.
 

„Fast so niedlich, wie du“, sagte der Blonde mit sanfter Stimme und machte sich ebenfalls daran, das Kaninchen zu streicheln. Jade kicherte.
 

Jetzt erst sah Michael sich in dem Zimmer um und musste grinsen. „Dieselbe Wandfarbe, wie bei uns im Schlafzimmer“, sagte er.
 

„Uns?“, Jade hob eine Augenbraue.
 

„Ach, sorry. Ich hab mich so dran gewöhnt dich bei mir in der Wohnung zu haben, dass ich immer ganz vergesse, dass wir eigentlich noch nicht zusammenwohnen“, sagte er. Jades Herz machte einen leichten Sprung. „Noch nicht zusammenwohnen…“ Wow, das hörte sich irgendwie gut an.
 

„Und, erinnert es dich an deine eigene WG?“, hakte der Jüngere nach.
 

„Ja, ein wenig. Vielleicht noch etwas chaotischer, als mein Zimmer damals…“
 

„Ich hab nicht genügen Platz, um meine ganzen Sachen unterzubringen…“
 

„Das ist nicht schlimm“, sagte Michael und küsste seinen Freund. Intensiv. Wahrscheinlich lagen sie eine halbe Stunde einfach nur auf dem kleinen Bett und streichelten sich, küssten sich, redeten in ruhigen Stimmen über irgendwelche Kleinigkeiten des Alltags. Und dann tauchte Brummer auf und beschnupperte Michael, der ihm dann mit Freude mit Karottenstückchen fütterte. Das war fast schon niedlich diesem Mann dabei zuzugucken. Das Kaninchen zog einfach jeden in seinen Bann.
 

Auch die Pizza schmeckte dem Blonden. Er gab es offen zu. Und auf dem PC schauten sie sich einen illegal erworbenen, gerade erst im Kino laufenden Film an. Und der war auch toll.
 

Eigentlich war alles toll. Wäre da nur nicht diese Kleinigkeit, die Jade mit sich herumtrug. Und jetzt, wo es dunkel um sie herum war und Michael an seiner Seite vor sich hindöste, musste er eben an diese denken. Und so etwas wie ein schlechtes Gewissen machte sich in seinem Innern breit.
 

Als er das letzte Mal bei Michi gewesen war und an dem PC seine Emails nachgeprüft hatte, war automatisch auch das Email-Programm seines Freundes angesprungen. Und als Jade, so blöd wie er war, in dem kleinen Pop-Up Fenster am unteren Bildschirmrand den Namen „Tim Gothner“ las und der Betreff der Nachricht „Entschuldigung“ lautete, hatte er natürlich darauf geklickt und natürlich eine nicht für ihn bestimmte Nachricht gelesen.
 

Der ungefähre Inhalt: Es tut mir Leid, ich war ein Idiot, können wir nicht Freunde sein und uns auf einen Kaffee treffen, um die Sache endlich richtig zu klären?
 

Er hätte es dabei belassen können und Michi sagen können, dass er aus Versehen drauf geklickt hatte. Aber natürlich war Jade so doof, dass er in seiner Panik die Email löschte. Als wäre sie nie dagewesen…
 

Gott, er war so ein Idiot. Er seufzte.
 

Michael gähnte. „Ist was?“, fragte er mit müder Stimme.
 

„Nein“, antwortete Jade und schloss die Augen. „Alles OK.“

Oder so.

Hoffentlich schrieb Tim nicht noch einmal!



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  jyorie
2014-05-18T19:44:54+00:00 18.05.2014 21:44
Hey (ノ◕ヮ◕)ノ*:・゚✧

vielleicht hat Dirk recht und Jade hätte Michael ordentlich angehen sollen
wegen der sache. Aber ich weiß auch, wie froh er war, das er und Michael
so weit gekommen sind und diesen Erfolg endlich nach so langer Zeit und
Durststrecke das Ziel erreicht zu haben, da schluckt mal wohl einiges. Ich
denke man kann ihm da keinen Vorwurf machen.

XD dafür haben es aber die anderen Gemerkt, das es nicht okay war. Irgenwie
süß, wie sich Michaels Schwester entschuldigt und auch mit ihrem Bruder
schimpft. – Das es in der Familie liegt, so zu sein kann ich mir bei der „Akademiker“
Famile auch gut vorstellen.

Oh weh, Jades Herz ist sicher in die Hose gerutscht, als die Freunde ihn zu
dem Ultimatum im Club gezwungen haben – aber es hat ja geklappt und was
ein Glück, das sich Jade nicht Schlag 11 die Kante gegeben hat :)

*lacht* „Willst du mit so einem Idioten zusammen sein?“ das hat Michael schön
gesagt, hoffentlich hält er sich auch daran, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen.

CuCu Jyorie
Von:  Roronoa_Zoro_147
2009-07-21T13:36:20+00:00 21.07.2009 15:36
Huhu ^^
So, nach langer Zeit auch wieder ein Kommi von mir *g*
Sorry erst mal dafür..
Ich hab die letzten Kapitel verschlungen, wie nichts!
Und jetzt hat der gute Sebastian auch noch diese E-Mail entdeckt.. ich glaub, ich hätte die wohl auch gelöscht XD
Bin schon gespannt, ob ers beichten wird!
*aufs nächste Kappi wart*
Auf bald!
Grüßchen! ^^
Dini
Von:  ReinaDoreen
2009-07-15T19:15:28+00:00 15.07.2009 21:15
DAs klingt jetzt alles so gut zwischen den beiden, aber die Sache mit dr gelöshten Mail könnte das wieder mal zum kippen bringen. Sebastian sollte sagen das er diese mail gelesen und gelöscht hat. Ich habe das komische Gefühl, das das nicht unter den Tisch fällt.
Reni
Von:  saspi
2009-07-15T17:53:00+00:00 15.07.2009 19:53
Hey!!!
Klasse kappi!!!
Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon gespannt wie 's weiter gehen soll!!!
ohoh das wird sicher noch probleme geben die sache mit tim.
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye



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