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Leitartikel

Küss mich bis zur Deadline
von

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(K)ein Grund zum Feiern

Sebastian/Jade
 

Zum fünften Mal bereits begutachtete sich der junge schwarzhaarige Mann im Schlafzimmerspiegel und musste abermals seufzen. Der Zopf saß perfekt, keine einzige Strähne würde aus diesem Gefängnis entkommen. Erneut betrachtete er die silber glitzernden Kügelchen in seiner rechten Augenbraue. Nein, diese würde er nicht abnehmen. Es war schon genug, dass er sich von Michael hatte ein neues, graues Hemd kaufen lassen. Zwar war es kurzärmlig, was die ganze Geschichte akzeptabler gestaltete, aber in Kombination mit der schwarzen Faltenhose sah der gesamte Aufzug irgendwie schon zu spießig für Jades Geschmack aus. Aber Kompromiss, war Kompromiss und hatte er sich nicht selbst gestanden, dass er für Michael freiwillig und ohne zu zögern einen gesamten Tag im Anzug herumlaufen würde? Nun, das hier war noch nicht mal ein Anzug, also sollte er sich auch nicht beschweren, oder?
 

Michael trat von hinten an ihn heran und legte seine Arme behutsam um die Taille des Jüngeren. Sein Kinn ruhte auf der rechten Schulter seines Freundes. Ihre Augen trafen sich im Spiegel. Der Blonde lächelte. „Du siehst super aus…“, hauchte er dem Schwarzhaarigen ins Ohr. Ungewollt kroch auch ein sanftes Lächeln auf die Lippen des Jüngeren. Dann seufzte er erneut.
 

„Meine Eltern sind keine Spießer“, hatte Michael ihm gesagt. „Sie werden vielleicht etwas verdutzt reagieren. Aber nur, weil sie einen anderen Typ Mann an meiner Seite gewohnt sind“, hatte er erklärt. Ja, einen anständigen, wohl gepflegten Mann über 30.
 

„Du denkst schon wieder darüber nach, oder?“, fragte Michael ihm und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange.
 

„Mir gefällt das einfach nicht, dass die mich direkt mit deinen dämlichen Ex-Freunden vergleichen werden“, meckerte Jade. „Und dann heißt es doch gleich: Michi, der hat kein Abitur, der ist ein Arbeiter und bla bla bla.“
 

Der Blonde Mann lachte und legte seine Hände auf Jades Schultern, fing an sie etwas zu massieren. „Wenn du so negativ eingestellt bist, dann kann es auch nur schlecht werden, du bist doch sonst so selbstbewusst. Und falls ich dich daran erinnern muss: Tim hatte auch kein Abitur und war auch Arbeiter, wie du es so schön nennst…“
 

Jade drehte sich um und legte seine Arme um Michaels Nacken.
 

„Ich hasse Tim“, sagte er und presste seinen Kopf gegen Michaels Halsbeuge. Der Ältere lachte erneut auf und ließ seine Hände sanft über den Rücken seines Freundes wandern.
 

„Das ist irgendwie niedlich…“, wisperte er und hörte mit den Handbewegungen nicht auf. Als niedlich konnte Jade seine Gedanken selbst allerdings nicht beschreiben. Je näher dieser Tag gekommen war, desto öfters hatte er über diesen Vergleich nachgedacht. Mein Gott, Michael war fünf verdammte Jahre mit diesem Tim zusammen gewesen, der gehörte da doch zur Familie. Und jetzt kam er mit ihm an…
 

Verdammt, es störte ihn plötzlich unheimlich, dass Michael hier mit seinem Ex gewohnt hatte. Fragen wie: „Hat Michi das Sofa so hingestellt?“, „Saßen sie auch genau so hier am diesem Esstisch?“, „Haben sie auch in diesen Positionen in diesem Bett geschlafen?“, schossen ihm unentwegt durch den Kopf. War er schon paranoid? Wahrscheinlich ein bisschen. Schließlich konnten ihn die Gedanken and Michaels Ex und seine gesamte Familie nur in die Paranoia treiben…
 

Er war nervös und er hatte keine Ahnung, wie er sich verhalten sollte, wusste er auch nicht. Michi hatte gesagt, er solle einfach nett sein und dann würde alles glatt laufen. Ein Satz wie „Sei einfach du selbst“ hätte ihm wirklich mehr geholfen. Aber auf diese Worte hatte er schon von Anfang an nicht gehofft.
 

„Hey, entspann dich, Süßer“, sagte der Blonde mit sanfter Stimme und blickte ihm in die Augen. „Wir bleiben auch nicht allzu lang. Das ist nur ein Essen. Und dann sind wir weg, OK? Ich werde dich beim ersten Mal nicht schon überfordern, bzw. zulassen, dass meine Familie dich überfordert.“
 

„Ja, ich weiß… Es ist nur… Mann, ich hasse Familienfeiern und all den Scheiß.“
 

„Vielleicht wird sich das ja ändern, wenn du meine Familie kennengelernt hast. Ich hab dir doch gesagt, vor allem meine Schwester ist locker drauf.“
 

„Ja, aber wahrscheinlich hört ihr locker auf, wo meines noch Kilometer weiter geht…“
 

„Jetzt sei nicht so voreingenommen. Los, wir fahren. Wenn wir erstmal los sind, beruhigst du dich auch“, bestimmte Michael und zog Jade einfach hinter sich her. Doch der Schwarzhaarige wurde auch während der Fahrt nicht ruhiger. Und je näher sie ihrem Ziel kamen, desto mehr wünschte er sich, die kleine Reise würde einfach weiter gehen. Wie man sich morgens auf der Fahrt zur Arbeit oder Lernanstalt wünscht, sie würde niemals aufhören, dass man sich noch für Stunden einfach in eine Richtung könnte driften lassen.
 

Der Wagen hielt vor einem Einfamilienhaus in einer sauberen, kinderfreundlichen Gegend. Jade schluckte, als Michael ihm zulächelte und ausstieg. Er tat ihm gleich, jetzt war es zu spät, jetzt konnte er keinen Rückzieher mehr machen. Jetzt hieß die Devise: Augen zu und durch. Der Schwarzhaarige versuchte sich einzureden, dass sein Freund vielleicht doch Recht behalten könnte. Wenn er seine Einstellung ändern würde, vielleicht würde dann alles gut laufen und er könnte sich vielleicht sogar amüsieren.
 

Schade nur, dass das Einreden so gar nicht funktionierte.
 

Bevor Michael die Klingel betätigte, lächelte er Jade noch einmal aufbauend zu. Nur einige Sekunden später ertönten eilige Schritte und die Tür wurde beinahe aufgerissen. Von weitem hörte man schon einen jammernden Ruf: „Laura!“ Ein junges Mädchen stand direkt vor ihnen und grinste. Michael warf sie nur einen flüchtigen Blick zu, ihre Augen blieben an dem Barista hängen. Kurz wanderte ein Schimmer der Überraschung über das Gesicht der Blondine, die einen knappen Jeansrock trug und dazu ein eng anliegendes, schwarzes Top. Um ihren Hals hatte sie dicke schwarze Perlen hängen, an ihrem rechten Arm klimperten zahlreiche ebenso dunkle Armringe.
 

„Wie cool, du hast ja ein Piercing!“, sagte sie anstatt einer Begrüßung, besann sich aber schnell und schüttelte dem Schwarzhaarigen energisch die Hand. „Ich bin Laura, Michaels Lieblingsnichte, und du?“
 

„Äh, ich bin Jade. Ich meine Sebastian“, antwortete der junge Mann schnell und warf Michael einen unsicheren Blick zu. Dieser lächelte und sagte: „Und ich? Werde ich gar nicht begrüßt.“
 

„Hallo, Lieblingsonkel!“, sagte das Mädchen und umarmte Michael.
 

„Ach, Michael, da seid ihr ja!“, ertönte eine weibliche Stimme aus dem Innern. Eine ältere, ebenfalls blonde Frau stand nun direkt in der Tür und blickte die beiden mit einem sanften und dennoch irgendwie unsicheren Lächeln an. Jade spürte regelrecht, wie sie ihn kurz ins Visier nahm
 

„Ich bin Sabine, Michaels Schwester“, stellte sie sich dann freundlich vor. Und als er ihre Hand kurz drückte, sagte sie noch: „Ich freue mich, dass du auch mitgekommen bist.“
 

Na, der erste Schritt war gar nicht mal so schwer gewesen, oder?
 

„Das ist Jade!“, erklärte Laura umgehend und lächelte. Sabine hob die Augenbraue.
 

„Äh, ich heiße Sebastian“, wiederholte der Schwarzhaarige.
 

„Danke für die Einladung, Sabine“, unterbrach Michael die Situation und umarmte seine Schwester.
 

„Na los, lasst uns rein, das Essen ist so gut wie fertig.“ Mit diesen Worten traten sie ins Haus ein. Als Laura an ihnen etwas schneller vorbeiging, sagte sie mit gesenkter Stimme in die Richtung des Schwarzhaarigen: „Jade passt besser zu dir.“ Er grinste sie an und wisperte zurück: „Wem sagst du das…“ Sie kicherte und rannte dann etwas vor. Michael warf ihm einen warmen Blick zu. Sein Herz machte einen kleinen Sprung.
 

„Micha!“, brummte eine tiefe Stimme erfreut, als sie den großen Salon betraten, in dem ein großer Tisch gut gedeckt stand. Ein älterer Mann trat auf ihn zu. Seine übriggeblieben Haare klebten ihm etwas an seinem Kopf, er trug ein dunkelblaues Navi T-Shirt und eine beige Hose, seine Haut war etwas braungebrannt. Überhaupt wirkte er irgendwie frisch, als er auf seinen Freund zügig zuging und ihn umarmte und dabei auf den Rücken klopfte. „Du siehst ja wirklich schon viel besser aus als das letzte Mal, mein Junge!“, sagte er lachend und seine Augen wanderten sogleich zu Jade.
 

„Na, bist du der Grund für die strahlenden Augen meines Sohnes?“, fragte er immer noch lachend und trat mit ausgestreckter Hand auf den Schwarzhaarigen zu. „Ich bin Rolf“, stellte er sich vor und ließ erst jetzt seinen Blick kurz an Jades Körper auf und ab wandern. Seine Gedanken konnte man in den Augen nicht lesen.
 

„Und ich bin Anne“, erklang eine ebenso freundliche Stimme. Der Schwarzhaarige blicke in Augen, die denen von Michael ähnelten. „Michas Mama“, erklärte sie, als sie sich vorstellte.
 

„Sebastian“, sagte er knapp. Mein Gott, sich so vorzustellen war immer eine Qual. Wenn Michael ihn so nannte, war es etwas anderes… Aber sich so zu präsentieren. Naja.
 

„Oh“, sagte sie und blickte ihm ins Gesicht. Dann tippte sie an ihre eigene Augenbraue und fragte: „Diese Piercings scheinen wirklich immer modischer zu werden. In meiner alten Klasse hatten das auch ganz viele.“
 

„Das ist voll cool!“, mischte sich Laura plötzlich wieder ein und grinste Jade an. „Hast du noch mehr davon, irgendwo…?“, fragte sie mit einem schelmischen Unterton.
 

„Laura!“, zischte Sabine, die eine dampfende Schüssel Kartoffeln auf den Tisch platzierte. Ihre Tochter lachte einfach nur.
 

„Ich will auch ein Piercing, darf ich, Mama?“, scherzte sie.
 

„Ganz sicherlich nicht!“, keifte die ältere Frau und verschwand wieder.
 

„Hast du jetzt irgendwo noch welche?“, fragte Laura ihn leise, als alle anfingen sich zu setzen. Als Antwort streckte er ihr kurz die Zunge raus und sie fiepste gar schon: „Cool!“
 

Michael hob die Augenbraue und bedeutete Jade sich neben ihn zu setzen. Zu der rechten des Schwarzhaarigen nahm auch gleich schon Laura den Stuhl für sich ein und grinste.
 

Eigentlich war bis jetzt alles gut verlaufen. „Relax, Jade!“, versuchte er sich einzureden. Aber irgendwie war ihm noch immer mulmig zu mute. Gott sei Dank schien es keines dieser Essen zu werden, bei denen man nicht wusste wie man was essen sollte und welches Besteck man benutzen sollte. Der Tisch war gedeckt wie er es kannte. Das war doch schon mal ein Grund locker zu werden, oder nicht?
 

Doch es war auch irgendwie unangenehm die Blicke von Michaels Eltern auf sich zu spüren. Klar, sie lächelten ihm freundlich zu, wenn er sie ansah und sie hatten ihre Augen auch nicht durchgängig auf ihn gerichtet, aber natürlich war er auch ein interessantes Objekt. Der neue Freund des Sohnes. Mit einem Piercing… Und langen Haaren…
 

„Hallo allerseits!“, hallte eine Stimme und ein großgewachsener Mann mit einem schwarzen Bart betrat den Raum, trug Kohlrouladen herein. Er schüttelte kurz Sebastians Hand und stelle sich als „Markus“ vor. Sabines Mann. OK. Nun hatte er alle kennengelernt. Das war doch schon mal gut.
 

„Moin“, erklang plötzlich eine neue Stimme. Ein Junge setzte sich an den Tisch. Älter als 16 war er auf keinen Fall. Sein Straßenköterblondes Haar war voller Gel und die blauen Augen irgendwie träge. Er war schon ziemlich groß, wahrscheinlich fast schon so groß wie sein Vater.
 

„Das ist Martin“, erklärte Laura ihm. „Mein pubertierenden Bruder“, fügte sie etwas ironisch hinzu.
 

„Sei ruhig, du bist selber in der Pubertät, du Pute!“, keifte dieser zurück und begutachtete den neuen Freund seines Onkels erst jetzt mit einem interessierten Blick. Jade lächelte ihm kurz zu. Erst jetzt fiel ihm das KoRn Shirt des Jungen auf. Na, wenigstens einer mit gutem Musikgeschmack, dachte er sich.
 

Das Essen war lecker, das musste Jade ohne Scham zugeben. Michaels Eltern erzählten irgendeine Geschichte über den Nachbarssohn, der den Wagen seiner Freundin auf eine debile Art und Weise zerlegt hatte – indem er vergessen hatte die Handbremse einzulegen du der Wagen einen Berg hinunter rollte und direkt in einen Truck prallte.
 

Michael erzählte ein paar Anekdoten aus der Redaktionsarbeit, über rauchende Praktikanten, ein bisschen über seltsame Popbands, die sich nicht interviewen ließen, über komische Bewerbungen auf Freie Mitarbeit. Und die ganze Zeit über hoffte Jade, dass ihn einfach niemand auffordern würde etwas zu erzählen. Er wollte aufessen, noch ein wenig Smalltalk betreiben und dann den restlichen Abend für sich und Michael allein haben…
 

„Was machst du eigentlich beruflich?“, fragte Sabine ihn plötzlich, nachdem sie zuvor herzhaft über die Geschichten Michaels gelacht hatte. Alle Augen richteten sich auf ihn. Er schluckte den letzten Bissen herunter und freute sich, dass er sich dabei nicht verschluckte.
 

„Ich hab ne Ausbildung zum Hotelfachmann gemacht, aber momentan sieht es schlecht auf dem Arbeitsmarkt hier aus. Ich bin seit einigen Monaten Barista bei Starbucks“, erklärte er.
 

„Ah“, war alles, was Michaels Schwester sagte.
 

„Na, da ist Onkel Micha aber sicherlich extrem froh drüber…“, bemerkte Laura lachend. Alle sahen sie etwas geschockt an. „Na, weil er doch kaffeesüchtig ist!“, erklärte sie immer noch lachend. Jade atmete auf. „Starbucks ist geil!“, fügte sie noch hinzu.
 

„Wieso trinkst du schon Kaffee?“, fragte Markus Laura.
 

„Papa, ich bin 14, da kann man schon Kaffee trinken…“, antwortete sie genervt und stopfte sich eine Kartoffel in den Mund.
 

„Solange sie nicht raucht, kann man sich doch freuen…“, bemerkte Jade leicht ironisch.
 

„Rauchst du?“, fragte Laura ihn umgehend.
 

„Nö, Ich trinke nur. Also“, setzte er schnell an. „Kaffee.“
 

Martin und Laura lachten, der Rest lächelte leicht.

Na toll.
 

„Macht dir der Job Spaß?“, hakte Sabine weiter nach.
 

„Joa, ich hab nette Kollegen und Kaffeefan bin ich auch. Arbeitszeiten sind auch OK. Bezahlung, geht so. Könnte besser sein. Aber besser als nichts“, entgegnete er.
 

„Hm, ja“, lautete ihre Antwort.
 

„Wie läuft’s denn bei euch in der Schule? Habt ja bald schon Sommerferien, oder nicht?“, fragte Michael plötzlich Laura und Martin.
 

„Bald? Du spinnst doch!“, entgegnete seine Nichte. „Das dauert noch fast zwei Monate!“
 

Martin sagte gar nichts, rollte nur etwas mit den Augen. Jade erhaschte Sabines ernsthaften Blick, den sie ihrem Sohn bei dieser Frage zuwarf.
 

„Laura ist doch bestimmt wie jedes Jahr Klassenbeste“, mischte sich Rolf ein und zwinkerte seiner Enkelin spielerisch zu.
 

„Wenn ich ne Eins in Englisch bekomme, darf ich mir dann ein Bauchnabelpiercing stechen lassen?“, fragte das blonde Mädchen sogleich und sah ihre Eltern an.
 

„Wie oft willst du uns damit eigentlich noch nerven?“, jammerte ihr Vater Markus und ließ die zweite Portion Kartoffeln auf seinen Teller wandern. Laura rollte mit den Augen.
 

„Du bist erst 14, Fräulein“, ermahnte sie ihr Großvater, lächelte aber dabei.
 

„Piercings tun weh und man kann sich dabei unschöne Infektionen holen“, fügte Michaels Mutter hinzu. „Ich hab das alles bei uns an der Schule gesehen, glaub mir mal.“
 

„Jahaaaa, aber auch nicht alle…“, entgegnete Laura etwas genervt. „Hattest du eine Infektion bei deinen Piercings?“, wandte sie sich wieder an Jade.
 

„Nö, bei mir verlief das alles unproblematisch“, antwortete er ihr.
 

„Hast du auch Tattoos?“, fragte der bis jetzt noch still dasitzende Martin plötzlich.
 

„Bis jetzt noch nicht…“
 

Martins Augen leuchteten auf. „Heißt das, du überlegst dir eins stechen zu lassen? Was für ein Motiv? Wohin?“, hakte er umgehend nach.
 

„Martin!“, ermahnte Sabine ihn und warf Jade den sorry-dass-meine-Kinder-so-direkt-sind. Michael legte sein Besteck beiseite und schaut seinen Freund an.
 

„Das mit der Tätowierung ist mir ja neu“, bemerkte er.
 

„Ich hab schon länger drüber nachgedacht, aber nie das Geld dafür gehabt, deswegen hab ich die Sache bis jetzt nicht wieder aufgenommen“, erklärte er und sah Michael in die Augen. Irgendwie… schien dieser nicht wirklich erfreut darüber zu sein. „Ist nur so eine Schnapsidee“, fügte er hinzu und versuchte zu lächeln, was mehr wie ein schiefes Grinsen aussah.
 

„Lass dir doch Michaels Namen tätowieren!“, rief Laura amüsiert und strahlte die beiden an.
 

„Äh…“, was sollte Jade dazu sagen? Diese ganze Piercing-Tattoo-Konversation gefiel ihm nicht.
 

„Dazu ist es noch zu früh, Kleines“, mischte Michael sich mit sanfter Stimme ein. „Wir sind grad mal eine Woche zusammen.“
 

„Na endlich kommen mal die wirklich interessanten Geschichten auf den Tisch“, scherzte Markus und lachte. „Na komm, Michael, erzähl mal. Wie habt ihr euch kennengelernt? Deine Schwester hat mich schon den ganzen Tag damit genervt und sich Gedanken über dein neues Glück gemacht.“
 

„Markus!“, herrschte seine Frau ihn an, musste dann aber etwas schief lächeln.
 

Jade verkrampfte sich innerlich. Was würde Michael jetzt sagen? Wie es wirklich angefangen hatte? Dass der Blonde ihn besoffen flachgelegt hatte und ihn danach nicht mehr loswurde? Hm, irgendwie würde er ja schon gern Sabines Gesicht sehen, wenn ihr Bruder ihr genau das unter die Nase binden würden. Am Esstisch in Anwesenheit der Eltern. Naja, andererseits waren Minderjährige anwesend. Was die Sache aber nur noch interessanter und lustiger gemacht hätte.
 

Er musste sich zusammenreißen, um nicht lauthals loszulachen, als er sich die Situation bildlich ausmalte.
 

„Beim Kaffeetrinken“, lautete Michaels grandiose Antwort und Jade konnte sein lachen nicht mehr zurückhalten.
 

„Verheimlicht er uns was?“, hakte Rolf belustigt nach.
 

„So einiges, aber das ist auch besser so…“, sagte er grinsend.
 

„Ich will das aber wissen!“, rief Laura aus.
 

„Dafür bist du noch viel zu jung“, sagte er ihr und spürte umgehend einen leichten Tritt an seinem Knöchel der von niemandem anders, als Michael kam, der ihm einen leicht ermahnenden, kurzen Blick zuwarf.
 

Martin grinste dümmlich vor sich hin und kaute auf seinem letzten Stückchen Fleisch herum. Und nach einer peinlichen Minute des Schweigens, setzte Sabine wieder mit dem Smalltalk und Jade sagte einfach gar nichts mehr. Und das kam ihm nur gerecht. Der kleine Tritt Michaels nervte ihn ein wenig…
 

Michael
 

Sie standen zu zweit in der Küche. Seine Schwester und er. Seine Eltern waren mit Markus ihre traditionelle Runde durch das Wohngebiet drehen, der normale Verdauungsspaziergang. Sebastian hatte er mit Martin und Laura im Wohnzimmer gelassen. Wahrscheinlich die bessere Entscheidung und seine Nichte schien ihn ja auch sehr sympathisch zu finden. Und sogar Martin hatte den Mund aufgemacht, eine Tatsache, die nicht zu übersehen war, war sein Neffe in letzter Zeit immer eher zurückgezogen.
 

Er half Sabine beim Abwasch. Und außerdem war da noch etwas, was sie ihn fragen wollte. Der eigentliche Grund dieses Besuches, der automatisch nebenbei als Kennenlernessen fungierte. Ein bis jetzt eigentlich gut überstandenes Essen. Bis auf ein paar Kleinigkeiten war es gut verlaufen. Die anfangs eher etwas befremdlich wirkenden Blicke seiner Eltern und auch seiner Schwester, die sie Sebastian zugeworfen hatten, waren Michael natürlich nicht entgangen. Aber auf diese hatte er sich auch eingestellt.
 

„Sag mal Micha, wie alt ist Sebastian überhaupt?“, fragte Sabine plötzlich.
 

„Er ist letzten Sonntag 25 geworden.“
 

Man merkte förmlich, wie seine Schwester einige Sekunden rechnete. „Oha“, sagte sie dann.
 

„Ja ja, 11 Jahre, ich weiß“, fiel er ihr ins Wort und lächelte etwas hilflos.
 

„Ein Boy-Toy, oder wie haben die das in der Gala letztens genannt?“
 

Der Blonde verdrehte leicht die Augen. „Sabine…“
 

„War doch nur Spaß, beruhig doch“, sagte sie lachend und stellte die von Michael abgetrockneten Schüsseln wieder an ihren Platz. „Er ist aber schon anders. Irgendwie hättest du mich auch ein wenig vorwarnen können.“
 

„Vorwarnen?“
 

„Ja, ich hab eher, naja. Etwas anderes erwartet“, sagte sie und lächelte sanft.
 

Ihr Bruder seufzte. „Ja, ich weiß auch nicht, wie das passiert ist.“
 

„Meinst du’s denn ernst mit ihm, oder versuchst du mit einem jüngeren Partner dein vom Tim zerstörtes Selbstbewusstsein aufzubauen?“, fragte sie ihn dann ernst.
 

Michael starrte sie an.
 

„Ich will damit nicht sauer machen!“, sagte sie umgehend. „Ich meine ja nur…“
 

„Ich bin dir nicht böse“, sagte Michael. „Und wenn ich ehrlich bin, bin ich auch noch sehr überrascht, dass ich mit ihm zusammen bin. Aber, irgendwie fühlt sich das gut an. Ich weiß nicht, ob ich unbewusst mein Selbstbewusstsein aufwerte, aber so etwas passiert auch automatisch, wenn man mit einem attraktiven Menschen zusammen ist.“
 

„Scheinbar hat sich dein Geschmack auch ein bisschen verändert. Aber ich bin froh. Du wirkst echt total anders als die letzten Male, an denen ich dich gesehen habe“, sagte sie. „Und sag mal, ist er auch dieser Mann von der „katastrophalen, betrunkenen Nacht“, oder?“
 

Michael musste peinlich berührt grinsen. Als er sich die Tage freigenommen hatte, war er öfters mit Sabine spazieren gegangen und hatte es ihr letztendlich gebeichtet.
 

„Ja“, sagte er deshalb knapp. Seine Schwester grinste.
 

„Ich wusste es!“, rief sie aus. „Es freut mich, dass daraus etwas Festes geworden ist. Du warst noch nie der Typ für One-Night-Stands.“
 

„Das stimmt.“
 

„Aber eigentlich wollte ich über etwas anderes mit dir reden, komm wir setzen uns kurz, ja?“
 

Als sie am Küchentisch Platz nahmen und der Kaffeemaschine zuhörten, denn schließlich wollten Michaels Eltern wie immer noch Kuchen mit ihrer Familie zum späteren Nachtisch essen, erläuterte ihm Sabine ihr Problem.
 

„Martin will mit der Schule aufhören“, sagte sie kurz und knapp.
 

„Was? Er will jetzt abbrechen?!“, japste Michael erschrocken.
 

„Nein, er will die 10. Klasse zu Ende machen, aber dann nicht weiter machen. Er hat einen Einserdurchschnitt und das Potenzial Abitur zu machen, aber er will einfach nicht. Weil er sagt, er sei zu faul, um mit der Schule weiterzumachen“, erklärte sie.
 

„Oh“, entgegnete Michael. „Das wäre jammerschade, wenn er kein Abitur macht“, fügte er hinzu.
 

„Das finden Markus und ich auch, aber auf uns hört er nicht!“, sprach seine Schwester leicht verzweifelt weiter. „Ich weiß auch nicht, was er sich überhaupt in den Kopf gesetzt hat. Jedes Mal wenn ich mit ihm über seine Zukunft rede, blockt er total ab und schließt sich in seinem Zimmer ein, um Gitarre zu spielen. Ich habe echt Angst, dass er eine Dummheit begehen könnte.“
 

„Und jetzt willst du, dass der gute Onkel Michael seinen Neffen zur Seite nimmt, was?“, sagte der Blonde grinsend.
 

„Du bist erfolgreich, Micha. Und er sieht dich auch völlig anders als uns. Ich denke wirklich, dass du ihm etwas Verstand in den Kopf legen könntest und ihn überzeugen könntest, etwas für seine Zukunft zu tun.“
 

„Ich werde es versuchen.“
 

Sebastian/Jade
 

Michael machte den Abwasch mit seiner Schwester. Sie redeten über irgendetwas. Er sah Martin an, der ihm nun auf dem anderen Sofa gegenüber saß. Laura war im Badezimmer. Oder wo auch immer.
 

„Die reden bestimmt über mich“, sagte der Junge plötzlich.
 

„Ist das so?“, sagte Jade.
 

„Ja“, sagte der Junge genervt. „Meine Mutter nervt einfach nur noch mit ihrem Scheiß Abiturgelaber.“
 

Der Schwarzhaarige musste grinsen. Wieso erinnerte diese Situation nur an seine Lage zu Hause?
 

„Das kenn ich“, sagte er dann. „Mach dir keine Sorgen, das legt sich wieder. Mach einfach das, was du willst.“
 

„Wollten deine Eltern sich auch zum Abitur zwingen?“, hakte Martin nach.
 

„Meine Eltern wollten mich zu so einigem zwingen, nicht gerade zum Abi. Die wussten genauso wie ich, dass ich zu dumm dafür bin“, sagte er lachend. „Ich sollte mit meinem dämlichen Bruder den Malerbetrieb meiner Eltern übernehmen. Mein Bruder heißt übrigens Gilbert“, fügte er hinzu und brachte Martin zum lachen. „Aber ich hatte so keine Lust. Und nach ner Zeit hab ich die Ausbildung geschmissen, hab meine Sachen gepackt, bin zu nem Freund und habe ne viel bessere angefangen.“
 

„Echt, du bist einfach so abgehauen? Waren deine Eltern nicht unfassbar wütend auf dich?“
 

„Und wie“, sagte Jade grinsend. „Aber ich hatte wirklich keine Lust darauf, mir mein Leben von denen komplett vorschreiben zu lassen. Und ich bin wirklich glücklich, dass ich das gemacht habe. Was willst du denn machen?“
 

„Tontechniker“, lautete die Antwort und Jade musste irgendwie lachen. „Was?!“, herrschte Martin ihn an.
 

„Mein Mitbewohner ist Tontechniker“, erklärte der Schwarzhaarige ihm.
 

„Echt? Cool! Was sagt er so über den Beruf? Macht das Spaß?“, hakte der Junge sofort nach.
 

„Er scheint zufrieden. War halt auch sein Traumjob. Und wenn man seinen Traumjob macht, dann macht alles im Leben irgendwie Spaß.“
 

„Erzähl das bitte mal meinen Eltern…“
 

Sie unterhielten sich noch ein wenig über Torsten und Jade teilte ihm alles mit, was sein Mitbewohner ihm von seiner Arbeit erzählte. An den gesamten Rest, der mit Torsten zu tun hatte, dachte er nicht…
 

Michael
 

Wieder vereint saßen sie am neu gedeckten Tisch. Es gab frische Donauwelle und wohlriechenden Kaffee.
 

„Und, was sagt der Kaffee-Experte?“, fragte Sabine grinsend.
 

„Vorzüglich“, antwortete Sebastian und Michael lächelte.
 

„Na, wie war der Spaziergang, Papa?“, fragte der Blonde und nahm einen Schluck Kaffee.
 

„Herrlich, Micha, herrlich!“, entgegnete Rolf schwärmerisch. „Und wir haben einen tollen Wagen gesehen!“
 

„Ach, nicht das schon wieder!“, sagte Michaels Mutter und lachte.
 

„Das war irgendso ein neuer Jeep, jedenfalls hab ich den vorher noch nicht gesehen. Der hätte dir sicherlich gefallen, Martin“, sprach der ältere Mann weiter. „Ich sag dir was, Junge. Ich hab eben schon mit Oma gesprochen. Wenn du dein Abi fertig hast, dann legen Oma und ich zusammen und dann kannst du dir ein richtig tolles Auto kaufen! Das wäre doch was, oder nicht?“
 

Martin knallte die Gabel auf den Tisch. „Es reicht, echt!“, rief er aus. „Wann kapiert ihr das endlich, dass ich kein Bock mehr auf Schule hab?! Ich will auch nicht studieren gehen, oder so, OK?“
 

„Na, komm, wir wechseln das Thema“, sagte Markus und strich den leichten Schweiß von der Stirn. Doch seine Frau ignorierte diese Worte.
 

„Martin, das ist nur eine Phase¬¬¬¬, wenn du erst einmal anfängst, dann wirst du Gefallen daran finden“, sagte sie und blickte ihren Bruder auffordernd an. Diese Sache bei Tisch zu klären, empfand Michael nicht unbedingt als die beste Idee, aber irgendetwas musste er sagen, hatte er Sabine doch die Hilfe versprochen.
 

„Wenn du erst einmal Abitur hast, dann musst du auch gar nicht studieren gehen. Deine Eltern versuchen dir einfach zu erklären, dass du mit dem Abitur im Lebenslauf einfach überall mehr Chancen hast“, setzte er an, doch Martin fiel ihm ins Wort.
 

„Jetzt haben die doch auch noch eingelullt, ich fass es nicht!“, schrie er schon fast.
 

„Eingelullt ist nicht das richtige Wort“, sagte Michael ernst. „Mir als Onkel ist deine Zukunft auch wichtig. Und ich finde es auch wichtig Abitur zu haben.“
 

„Dein Freund jetzt hat auch kein Abi und der Typ davor auch nicht. Und die scheinen ja trotzdem ganz glücklich zu sein. Ich will einfach meinen Traumjob machen. Wenn man seinen Traumjob macht, macht alles im Leben irgendwie Spaß“, sagte er.
 

„Oha“, sagte seine Mutter sarkastisch. „Woher hast du denn den „weisen Spruch“? Du weißt doch noch nicht mal, was dein Traumjob ist!“
 

„Doch, das weiß ich, ich will Tontechniker werden. Und den „Spruch“ habe ich von Sebastian. Und dessen Mitbewohner ist zufällig auch Tontechniker und was Sebastian mir vorhin so erzählt hat, hört sich das genau nachdem an, was ich machen will!“, herrschte der Junge seine Mutter an. Michael überkam leichtes Unbehagen, als der Name seines Freundes gleich zwei Mal in diesem Kontext so laut genannt wurde. Er sah seinen Freund an, der etwas nervös auf seine Kaffeetasse starrte. Und Sabine explodierte fast.
 

„Meinst du nicht, es wäre vielleicht besser auf Leute zu hören, die Erfolg im Leben haben, wie zum Beispiel Onkel Michael?“, keifte sie zurück und Michael konnte sehen wie Markus mit den Augen rollte und sich an die Stirn fasste.
 

„Hey,“ mischte Sebastian sich plötzlich ein. „Was soll denn bitte der Kommentar?!“, richtete er sich an seine Schwester. Dieses Gefühl des Unbehagens wurde größer.
 

„Es ist nichts persönliches gegen dich, aber ich möchte nicht, dass mein Sohn seine Chance auf eine gute Zukunft in den Mülleimer wirft und auch nur „irgendwas“ macht, was besser als nichts ist“, erklärte sie mit fester Stimme.
 

„Sabine…“, setzte ihr Mann an, doch die blonde Frau warf ihm nur einen wütenden Blick zu.
 

„Wow, du hörst dich ja echt so an, als wärst du erfolgreichste Frau Deutschlands und dabei bist du nur, was sagte Michi noch mal, Nachhilfelehrerin. Wow, erstaunlich“, keifte Sebastian. „Und du scheinst deinem Sohn überhaupt nicht zuzuhören, der übrigens extrem genervt von dir ist…“ Micheal konnte es nicht kontrollieren, diese gesamte Situation war unbehaglich, peinlich, unschön. Sein Bein unterm Tisch bewegte sich wie von selbst.
 

„Au!“, schrie Sebastian und blickte ihn verärgert und zugleich wütend an. „Wieso zum Teufel trittst du mich?!“, zischte er.
 

„Ihr seid alle so Scheiße!“, sagte Martin und erhob sich. „Ausgenommen: Laura und Sebastian. Tschüß.“ Mit diesen Worten rannte der Junge nach oben und Markus stand auf und verkündete: „Ich räume dann mal ab, gleich kommt ein toller Film im Fernsehen, willst du dir den nicht ansehen, Rolf?“
 

„Ja, ja gern“, entgegnete sein Schwiegervater und erhob sich eilig.
 

Michaels Herz klopfte wie wild.

Die vorigen Stunden waren so positiv gewesen.

Und jetzt das.

Eine dämliche Konversation.

Und Sebastian starrte ihn mit weiten Augen die ganze Zeit über an.
 

„Wir fahren jetzt auch nach Hause, ich rufe dich an, Sabine“, sagte er und erhob sich. Sebastian sagte einfach gar nichts mehr, sondern marschierte aus dem Haus. Und auch Laura verließ wortlos den Raum. Nicht einmal von Michael verabschiedete sie sich. Der Blonde seufzte. Er war verwirrt. Was war das eben für eine seltsame Atmosphäre gewesen?
 

Unwillkürlich erinnerte er sich daran, wie er Tim das erste Mal zu einer Feier mitgebracht hatte. Sein Ex hatte Blumen für seine Mutter und Schwester mitgebracht. Er hatte sich mit seinem Vater am Grill über Autos unterhalten. Er hatte Sabine vorgeschwärmt, was für ein tolles Haus sie hatten. Und mit den Kindern gespielt. Sie waren ganze sechs Stunden geblieben.
 

Und jetzt waren gerade mal fast zwei um.

Und jeder fühlte sich schlecht.

Michael schluckte und trat heraus.
 

Sebastian/Jade
 

Ernst nach 15 Minuten stiller Fahrt brachen seine Gedanken aus ihm heraus: „Wieso hast du mich nicht verteidigt?!“, fuhr er Michael an, der ausdruckslos auf die Straße starrte. Erst nach einigen Sekunden antwortete er.
 

„Weil du im Unrecht warst.“
 

„Es geht nicht darum, ob ich Recht hatte oder nicht. Deine Schwester hat mich niedergemacht und indirekt beleidigt. Am Tisch! Ich weiß ja nicht viel vom guten Benehmen, aber ich denke nicht, dass so etwas dazu gehört, oder?!“, keifte der Schwarzhaarige weiter.
 

„Wahrscheinlich, aber es ging um Martins Zukunft. Sebastian, der Junge ist erst 15, der weiß noch nicht, was er will“, erklärte der Blonde mit lauterer Stimme.
 

„Ach, und ihr wisst das natürlich vieeeel besser als er.“
 

„Ich denke wir haben mehr Erfahrungen und können gewisse Dinge eben besser verstehen als er.“
 

„Hallo, der will kein Abi machen!“, rief Jade und starrte seinen Freund an. „Und wenn man jemanden zu etwas zwingt, dann kann dieser jemand niemals glücklich werden! Als ich damals diese dämliche Ausbildung zum Industriekaufmann machen musste, hatte ich keinen Funken Spaß daran!“
 

„Das ist etwas anderes“, fiel Michael ihm kalt ins Wort.
 

„Und wieso?“, hakte der Schwarzhaarige genervt nach.
 

„Weil du ein völlig anderer Mensch bist als Martin, du kennst ihn nicht. Außerdem geht es hier ums Abitur und nicht um irgendeine Ausbildung.“
 

„Irgendeine Ausbildung“, äffte Jade Michaels Stimme immer noch genervt nach. „Und ich dachte du machst da eigentlich keinen Unterschied zwischen. Aber momentan hört sich echt so an, als wärst du ganz der Meinung deiner reizenden Schwester.“
 

„Himmel Herrgott noch mal!“, schrie Michael plötzlich. „Jetzt stell mich und meine Familie nicht immer so dar, als würden wir Spießer auf alle herunterblicken, das scheint auch irgendwie dein Lieblingsthema zu sein, oder?! Wenn es dich nervt, dass andere dein Leben nicht so ernst nehmen, dann ändere was daran! Dann such dir eine neue Lehrstelle, oder bemüh dich wenigstens um eine neue Stelle!“, brüllte er.
 

Jade war geschockt. Kontern konnte er nicht. Er biss sich auf die Zunge.

Sein Herz pochte wie wild. Doch dieses Mal war es ein unangenehmes Pochen.

Hatte Michael ihn gerade beleidigt?

Von oben herab behandelt?

Vielleicht redete er sich so was tatsächlich zu sehr ein?
 

Michael seufzte.

Sie standen bereits in der Tiefgarage.

Der Motor war aus.
 

„Michi. Es tut mir Leid“, sagte Jade. „Wir tanzen das alles nächste Woche in der Disco aus. Da gibt’s auch keine Verwandten, mit denen man in den Klinsch geraten kann, OK?“ Er versuchte zu lächeln.
 

Michael seufzte erneut ohne den Schwarzhaarigen anzublicken. Und dann sagte er: „Ich weiß nicht, ob ich wirklich Lust habe nächste Woche mit dir zu feiern.“
 

Jades Herz machte einen verzweifelten, schmerzvollen Sprung in seiner Brust.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  jyorie
2014-05-18T19:44:40+00:00 18.05.2014 21:44
Hallo °˖✧◝(⁰▿⁰)◜✧˖°

*outsch* ja, ein wenig kann ich Jana verstehen, wenn Thorstens
Männergeschichten ohne Zuneigung sind, dann kann man damit
einigermaßen leben, aber wenn er jemand mag oder gut kennt, dann
wird es kritisch.

Stimmt. Jade und Michael hatten ja noch keine Zeit zu reden, wie sie
sich verhalten. Nach dem „nicht küssen in der Öffentlichkeit“ hätte Jade
etwas vorsichtiger sein können, wenn Michael mit Kollegen kommt, aber
die vorischt war da wohl vs. der Freude ihn wieder zu sehen und zu ihm
zu gehören, das er eben nicht nachgedacht hat. Und ich kann mir gut vorstellen,
wie es verletzt, wenn der andere so stocksteif ist.

Aber Florians Reaktion war super. Wenn man nicht verurteilt wird, ist es
leichter zu der eigenen Meinung und Wünschen zu stehen.
*schmunzelt* jetzt ist es offizell^^

Liebe Grüße, Jyorie
Von:  Tali
2009-07-13T20:31:18+00:00 13.07.2009 22:31
Jetzt hänge ich schon wie eine Süchtige zwei Tage an deiner FF. Gestern hab ich sie durch Zufall gefunden und ich konnte nicht mehr aufhören. Deine Figuren sind gut durchdacht. Viele Situationen sind wie aus dem Leben gegriffen. Wie dieser Familienstreit am Esstisch. Das hätte meine sein können *lacht* Und du schreibst realistischer als so manch andere FF-Autoren. Ich kann mich hinneinversetzten und es bleibt durchgehend spannend! Du bringst auch tolle neue Ideen in die Storry. Alles in Allem eine wirklich gute super tolle Gechichte, die ich liebendgern weiter lesen würde. Darum bitte, schreibe weiter! Ich bin mit meinem Herzblut dabei und leide ansonsten Quahlen xDD~~
Tali
(ps: so einen langen komi hab ich bisher noch nie jemaden hinterlassen...)
Von:  7Nine
2009-07-11T20:11:49+00:00 11.07.2009 22:11
Da ich schon ewig lese aber noch nie was gesagt habe, JETZT kann ich es endlich.

Sebastian ist ein Trottel. Michael ist zwar auch ein wenig verbohrt, aber er weiß es wenigstens.
Auf der einen Seite will Sebastian, dass man ihn auf gar keinen Fall mit Vorurteilen begegnet und findet sowas zum kotzen, aber er selbst geht auf jeden mit Vorurteilen zu.
Zudem sollte der Junge aufhören, seine Familienprobleme in anderen zu sehen. Er weiß nichts über Michaels Familie, aber hängt gleich mal seine Nase rein.
Kurz und Gut: Er sollte endlich mal erwachsen werden. (schön das zu sagen, wenn einem dann nicht gleich ein "du bist ja viel zu jung" entgegengeworfen wird :P)

Allerdings ist es auch mies was Michael macht. Ein Versprechen ist ein Versprechen und mit der "grausamen Wahrheit" hätte er besser nicht so rausplatzen sollen >.<
Von:  saspi
2009-07-08T19:42:18+00:00 08.07.2009 21:42
Hey!!!
Super kappi!!! Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon neugierig wie 's weitergeht!!!
ich finde reinaDoreen hat recht.
wie wird es nun weiter gehen??
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye

Von:  ReinaDoreen
2009-07-08T19:14:12+00:00 08.07.2009 21:14
Oh ha, das ist nicht nur eine Meinungsverschiedenheit, hier prallen Weltern aufeinander, die auch wirklich ernsthaft zur Trennung führen können, da sie gleichzeitig eine Lebenseinstellung sind.
Perösnlich würde ich sagen, jeder hat auf seine Weise recht. Martins Eltern, die wollen das dieser Abitur macht, da das für die spätere Entwicklung nicht von Schaden ist.
Und Sebastian hat auch nicht so unrecht mit seiner Meinung, das zu tun was man gerne möchte da man dann einfach zufriedener ist. Den goldenen Mittelweg zu finden ist schwierig.
Das Überhebliche was Sebastian gespürt hat an Michael war ja auch das was Tim diesen so angekreidet hat.
Vielleicht hat Michael noch mehr zu überdenken als nur den Altersunterschied.
Reni


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