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Leitartikel

Küss mich bis zur Deadline
von

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Offiziell

Sebastian/Jade
 

Von Michaels Lippen hatte er sich kaum lösen können. Er hätte schwören können, dass sie sich ungefähr fünf Minuten lang geküsst hatten. Wobei ihm jede Stunde, die er mit Michael verbrachte, eher wie eine Minute erschien, wie eine Sekunde. Jetzt, als er die langsam dunkler werdende Straße zu seinem Auto entlang schlenderte, erschienen ihm zudem auch noch all die Szenen wie eine erträumte Welt. Wahrscheinlich hatte er sich solche Szenarien einfach zu oft in seinem Kopf ausgemalt, sodass es nun schwer war Wirklichkeit von Traumvorstellung zu unterscheiden.
 

War es der bis dato schönste Geburtstag? Vermutlich. Jades Gedanken wanderten zurück zur schaumig gefüllten Badewanne und den darauf folgenden Aktivitäten… Gar dümmlich grinste er vor sich hin, während er den Golf zum Laufen brachte. Er ächzte und knatterte – und fuhr letztendlich doch los. Ja, Jade hatte Glück.
 

Als er die Wohnungstür aufschloss, hörte er Torstens laute Stimme sofort. Und kaum betrat er die Wohnung, stürmte Jana wutentbrannt und ohne den Schwarzhaarigen eines Blickes zu würdigen an ihm vorbei. Jade stolperte sogar fast und sprang umgehend zur Seite, da er annahm, sein Mitbewohner würde seiner Traumfrau direkt hinterherlaufen. Doch da hatte er sich wohl getäuscht.
 

Vorsichtig ließ er die Tür einrasten und lugte in Torstens Zimmer. Der Rothaarige saß mit einer griesgrämigen Miene und einem halb leeren Bier in der Hand auf seinem Sofa und starrte auf den viel zu leise gedrehten Fernseher.
 

„Äh“, setzte Jade kreativer weise an. „alles OK bei dir, Mann?“
 

Die Worte des Schwarzhaarigen ließen Torsten hochschrecken. Sein Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig, als er ihn erblickt und auf ihn zutrat.
 

„Hey, alles Gute zum Geburtstag!“, sagte er laut und umarmte seinen Mitbewohner.
 

„Danke, danke“, entgegnete Jade leicht verwirrt.
 

„Und, hattest du ne schöne Zeit mit deinem Mediengott?“, feixte Torsten.
 

„Ja, und wie, äh, aber… Jana? Was war das denn? Alles klar bei euch?”
 

Der Rothaarige ließ die Schultern sacken und begab sich zurück zum Sofa, auf welches er sich matt fallen ließ.
 

„Natürlich nicht, du Sherlock Holmes“, sagte er in einem genervten Ton. „Sie ist sauer auf mich.“
 

„Ach, was du nicht sagst, du Dr. Watson“, bemerkte Jade leicht sarkastisch. Die Bemerkung zauberte ein vages Grinsen auf Torstens Gesicht. Doch es verschwand ebenso schnell wieder.
 

„Sie weiß es“, sagte er dann kraftlos.
 

„Was weiß sie?“, hakte Jade immer noch genauso verwirrt nach.
 

„Alter, dass ich mit dir gepennt hab“, herrschte Torsten ihn an. Der Schwarzhaarige blinzelte und blickte seinen Mitbewohner fragend an.
 

„Ich dachte, sie hätte kein Problem damit?!“, brachte er schließlich nach einer Weile heraus. „Und ich dachte, dass du ihr das nicht erzählen wolltest?!“
 

„Ja, das wollte ich ja auch nicht!“, setzte der Tontechniker an fuhr sich in leicht nervöser Manier durch seine rötlichen Haare. „Wir haben gestern ein wenig ohne dich gefeiert, Dirk und Matze waren auch hier, soll dir übrigens gratulieren, die rufen dich morgen noch mal an.“
 

Jade tat diese Bemerkung mit einem leichten Kopfnicken ab.
 

„Und letztendlich haben die hier alle geschlafen. Die sind auch erst vor ner Stunde abgehauen, die wollten eigentlich noch auf dich warten, aber… Naja, bist ja grad erst nach Hause gekommen“, fuhr er fort. „Jedenfalls haben wir hier vorhin noch ein wenig weiter getrunken und, was weiß ich, ich wollte ein wenig rumprahlen, dass ich dich flachgelegt hab, als Jana kurz auf Klo war. Ich weiß, totale Scheiße, und es tut mir Leid. Jedenfalls hab ich das wohl zu laut und zu spät gesagt und sie hat’s halt mitbekommen.“
 

„Ja, aber ich dacht sie hätte kein Problem damit! Das hast du mir gesagt, Torsten!“
 

„Hat sie ja auch eigentlich nicht, aber… Irgendwie auch schon. Weil du halt mein Mitbewohner bist, mein bester Kumpel quasi und sie meinte, sie dachte, ich würde eher mit Männern schlafen, die ich nie wieder sehen würde. Weißt du? Und dann war sie halt echt sauer, dass ich schon so schnell mit jemandem anders geschlafen habe…“, erklärte Torsten mit leicht zitternder Stimme.
 

Jade rollte mit den Augen. Verdammte Scheiße, when you fuck your roomate, everything goes wrong – dieser Engländer von damals hatte wirklich Recht. Eigentlich hätte er sich doch denken können, dass diese ganze Geschichte irgendwie aus dem Ruder läuft, oder nicht?
 

„Und jetzt?“, fragte er Torsten, der scheinbar apathisch den Fernseher anblickte.
 

„Keine Ahnung, sie hat gesagt, dass sie erst mal darüber nachdenken muss.“
 

„Hm.“
 

„Alles Scheiße.“
 

„Selber Schuld, ganz ehrlich!“, zischte Jade.
 

„Vielen Dank für dein Mitgefühl, echt. Du bist schließlich der Grund für diese Scheiße!“, zischte Torsten zurück.
 

„Wie bitte?!“, Jade konnte seinen eigenen Ohren nicht glauben. Was hatte er da bitte gehört? „Nicht ich bin an dieser Scheißsache Schuld, sondern dein unkontrollierbarer Libido!“
 

„Pah, das sagt echt der Richtige, Jade!“, konterte sein Mitbewohner mit einem hämischen Auflachen. „Echt, das sagt echt der Richtige…“
 

„Wenn ich einen Partner hab, dann vögel ich wenigstens nicht fremd!“, zischte der Schwarzhaarige. Torsten erhob sich und blickte ihm in die Augen.
 

„Ja, aber mit Leuten, die in Beziehungen sind, vögelst du ohne schlechtes Gewissen“, sagte er kühl.
 

„ALTER, hat dir jemand ins Gehirn geschissen, Torsten?!“, schrie Jade schon fast. „Falls es dich interessiert, ich hatte und habe immer noch ein schlechtes Gewissen wegen der Geschichte! OK?! Ich kann Jana kaum in die Augen sehen, OK?! Es war ein Fehler. Aber wenn ich dich daran erinnern darf, warst DU derjenige, der ficken wollte. Schon vergessen?!“
 

Es war sein Geburtstag. Er war gerade erst mit Michael zusammen gekommen und nun stand er hier und stritt sich mit Torsten in so einer Manier, wie sie sich schon lange nicht mehr gezofft hatten.
 

„Das hilft mir jetzt aber auch nicht weiter…“, jammerte Torsten und ließ sich aufs Sofa plumpsen, vergrub sein Gesicht in den eigenen Händen. „Lass mich erstmal in Ruhe, OK?“, wandte er sich dann an Jade.
 

„Ja, das wird wohl besser sein“, antwortete dieser und verließ umgehend das Zimmer. Er musste sich zurückhalten die Tür nicht laut zuzuschlagen, wobei das der Situation sicherlich nichts Gutes getan hätte. Und so war er froh, dass er es nicht getan hatte, als er sein T-Shirt auszog und Brummer eine gute Portion Heu in den Käfig legte. Behutsam strich er durch das Fell des Kaninchens.
 

„Morgen lass ich dich raus, OK? Sobald ich von der Arbeit komme. Jetzt bin ich zu müde und muss ganz dringend ins Bett. Nicht böse sein…“, murmelte er. Das Riesentier mümmelte mit der ebenso großen Nase und aß die grünen, trockenen Stängel im Rekordtempo. Wie eine kleine Maschine.
 

Jade seufzte.
 

Als er allein in seinem Bett lag und die Gedanken an Jana und die unangenehme Situation mit Torsten dachte, wurde ihm ganz mulmig zumute. Und noch etwas machte sein Herz schwer. Er blickte auf das in der Dunkelheit grell erscheinende Display seines Handys. Keine SMS. Kein Anruf.
 

Es war sein 25. Geburtstag und weder seine Eltern, noch sein Bruder hatten sich bei ihm gemeldet.
 

Kräftig presste er die Augen zusammen und dachte an Michael…
 

Michael
 

Der Morgen war wunderschön. Das Frühstück schmeckte, Michael fühlte sich ausgeschlafen, die Vögel zwitscherten und die morgendliche Konferenz verlief wundervoll. Außerdem hatte ihn eine SMS geweckt. Von Sebastian. „Guten Morgen, Hase. Ich hoffe du hast die ganze Nacht von mir geträumt, ich hab es jedenfalls von dir! Küss dich!“, hatte er geschrieben. Keine geradewegs poetische Nachricht, doch für Michael hätte an diesem Morgen nichts schöner klingen können, als eben diese Worte.
 

Und in der Tat hatte er von seinem Freund geträumt. Seinem Freund – wie erstaunlich erregend sich dieser Gedanke anfühlte. Michael wurde ganz rot und musste sich auf die Zunge beißen, um nicht die ganze Zeit mit einem großen Lächeln im Gesicht durch die Gegend zu spazieren. Ob er Sebastian heute noch sehen würde? Plötzlich verspürte er große Lust auf Kaffee.
 

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass dieses Vorhaben durchaus vertretbar war. Und ohne weiter darüber nachzudenken verließ er mit einem leichten Grinsen sein Büro, denn die Kraft seine Freude zurückzuhalten besaß er nicht mehr.
 

„Hey, Michael, gehst du zu Starbucks?“, brachte ihn eine bekannte Stimme auf der Treppe zum Stehen. Der Angesprochene drehte sich herum und blickte in Florians Augen.
 

„Ja“, antwortete er knapp.
 

„Wunderbar, ich komme mit. Ich glaube Jörg und Hannes sind auch da“, sagte der CvD. Und in diesem Moment, als sie sich gemeinsam in Richtung des Zentrums bewegten, schlug Michaels Freude in Panik und Verwirrtheit um.
 

Wie würde Sebastian reagieren, wenn er den Laden betrat? Würde er sich wild auf ihn stürzen? Das war dem Jungen durchaus zuzutrauen! Und sie hatten gar nicht abgemacht, ob sie ihre Beziehung im beruflichen Umfeld schon offiziell machen wollten! Im Grunde genommen hatten sie gar nichts geklärt. Sie hatten sich die ganze Zeit über geküsst und ein wenig näher kennengelernt. Auf psychischer UND physischer Weise…
 

Das Herz des Blonden klopfte immer schneller, je näher sie dem Haupteingang kamen. Er war durcheinander. Ein Wechselbad der Gefühle, ja, so ein Bad nahm er gerade. Auf der einen Seite, wollte er, dass seine Kollegen wussten, dass er wieder in festen Händen war. Auf seine subtile Art und Weise. Nur, dass eine subtile Art und Weise nicht gerade das war, was auf der Möglichkeitsliste Sebastians stand…
 

Und plötzlich störte ihn auch diese unmittelbare Nähe ihrer beider Arbeitsplätze. Und der Gedanke, dass all seine Mitarbeiter seinen Freund so gut wie jeden Tag sehen würden. Und wer weiß, was der Junge alles ausplappern könnte. Oh nein, Michael hatte keine Lust auf seltsame Blicke, die ihm zugeworfen werden konnten…
 

Wobei ihm schon allein die Verkündung, er sei mit diesem wilden Mann zusammen, für komische Blicke und allgemeine Verwunderung sorgen würde. Damit würde er sich wohl abfinden müssen, oder? Zeit seinem Freund eine SMS zu schreiben blieb ihm auch keine und wahrscheinlich hatte dieser sowieso keine Zeit, um auf sein Telefon zu blicken.
 

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, riss ihn Florians Stimme aus seinen wirren Gedanken.
 

„Was? Wie bitte?“
 

„Du hörst mir heute gar nicht zu“, stellte sein Kollege lachend fest. Michael lächelte nervös.
 

„Es tut mir Leid, ich bin in Gedanken“, erklärte er.
 

„Das sieht man“, kommentierte Florian. „Hat es… was mit Tim zu tun?“
 

„Was? Um Gottes Willen, nein!“, sagte Michael und lachte ein wenig. Nein, mit diesem Mann hatte es nichts zu tun. Tim war ihm im Moment so ziemlich egal.
 

„Ah, ich sehe schon…“, bemerkte Florian und grinste vor sich hin. Michael versuchte ihn zu ignorieren und einen Ausweg für seine doch etwas verzwickte Situation zu finden. Nur reichten 20 Sekunden nicht mehr dafür. Sie gingen bereits durch die Tür der Filiale. Und Sebastian stand am Tresen. Und Sebastian erblickte ihn sofort. Und als er ihn erblickte, da glänzten seine Augen auf, und dieses bezaubernde Lächeln schlich sich in sein Gesicht und dieses Lächeln machte Michaels Knie ganz weich und alles schien sich irgendwie in Zeitlupe abzuspielen.
 

Es war nicht viel los. Es war gar nichts los. Jörg und Hannes waren auch nicht zu sehen. Er musste den Mund nicht aufmachen, Sebastian sagte: „Ich weiß, was ich für dich machen muss, Schatz.“ Dann richtete er seinen Blick umgehend auf Florian und fragte: „Und was kann ich Ihnen Gutes tun?“
 

Michael hatte keine Ahnung, was sein Kollege bestellte, er hielt die ganze Zeit über unbewusst die Luft an.
 

„Sie können sich ruhig schon setzen, hier ist grad merkwürdigerweise nichts los, ich bring die Getränke gleich an den Tisch“, sagte Sebastian und machte sich daran mit seinem Arbeitskollegen die Getränke zuzubereiten.
 

Wie waren sie eigentlich an den Tisch gekommen? Michael war immer noch vollends verwirrt, als Florian grinsend bemerkte: „Jetzt nennt er dich schon Schatz…“ Und das verwirrte ihn noch mehr, denn sein CvD hatte bis dato noch keine Kommentare dieser Art getätigt.
 

„Äh. Ja. Also. Das hat auch einen Grund”, presste er heraus und der leicht amüsierte und zum Teil fragende Blick seines Gegenübers brachte den Blonden zunehmend durcheinander. „Ja, weißt du Florian…“, er räusperte sich. Länger als nötig. „Ich bin-“
 

„Eine grande Vanilla Latte“, erklang Sebastians freudige Stimme und ließ Michael aufblicken. Im selbigen Moment beugte sich der Schwarzhaarige ein zweites Mal herunter zum Tisch, um Michaels favorisiertes Getränk abzustellen und ließ seine Lippen gekonnt und schnell auf denen des Blonden nieder. „Lass es dir schmecken, Hase“, fügte er noch hinzu.
 

Er konnte Florians Blick auf sich ruhen spüren. Er verkrampfte sich und blickte starr auf den Tisch vor sich. Und Sebastian schien seine Reaktion direkt wahrzunehmen. Hatte er noch zu einem Satz in Florians Richtung angesetzt, so drehte er sich nun hastig um und marschierte ebenso zügig zum Tresen.
 

„Schatz und Hase“, sinnierte der CvD als er seinen Kaffee probierte. „Irgendwie niedlich, hätte ich Jade gar nicht zugetraut. Ich dachte eher, er ist so ein Machokerl. Aber der kann wohl auch anders. Ich freu mich für dich.“
 

Michael nickte. Sein Hals fühlte sich trocken an. Und seine Lippen so warm… Und Florians Reaktion war alles andere als schlimm. Michaels Reaktion war diejenige, die man als schlimm bezeichnen konnte.
 

„Ist noch alles ganz frisch“, erklärte er leicht lächelnd.
 

„Möchtest du es noch inoffiziell belassen?“, hakte Florian freundlich nach. Und Michael wusste, dass sein Kollege und Freund schweigen würde, wenn er ihn darum bat.
 

„Hm, ich sage dir heute noch Bescheid“, antwortete der Blonde also und drehte sich herum, um zum Tresen zu blicken. Doch Sebastian war nirgendwo zu sehen. Sie tranken ihren Kaffee schnell aus. Florian fragte nicht danach, wie es zu dieser Partnerschaft gekommen war. Der CvD besaß Taktgefühl. Das machte ihn sympathisch. Zumindest für Michael.
 

„Ich geh schon mal vor“, sagte Florian und hob die Hand zum schnellen Abschied. Michael hingegen erhob sich langsam von dem großen Sessel, auf dem er Platz genommen hatte. Bedächtig drehte er sich um und schlenderte auf den Tresen zu. Drei neue Kunden warteten bereits. Ein türkischer junger Mann nahm die Bestellungen entgegen. Hatte Sebastian nicht von ihm erzählt? Ali? Und dann war da noch diese ältere Frau, über die der der Schwarzhaarige auch etwas gesagt hatte. Genau diese sah ihm nun direkt in die Augen und lächelte.
 

„Jade ist hinten“, sagte sie ihm und nickte mit ihren Kopf in Richtung der Tür, die mit der Aufschrift „nur für Angestellte“ gekennzeichnet war. „Na los, gehen Sie schon“, sagte sie grinsend und servierte den Caramel Macchiato, um sich umgehend an die Zubereitung des nächsten Getränks zu machen.
 

Der Journalist ging den kleinen Gang unsicher entlang und gelangte schließlich zu einem Zimmer auf der linken Seite, aus dem leichte Radiogeräusche drangen. Sebastian saß auf einem Tisch, auf dem einige Taschen und Jacken lagen und trank etwas aus einem Pappbecher.
 

„Hey“, begrüßte Michael ihn. Der Junge sah ihn im ersten Moment erschrocken an, lächelte dann aber sanft.
 

„Hey…“, grüßte er sanft zurück. „Sorry wegen…“, setzte er an, doch Michael unterbrach ihn.
 

„Nein, ich sage Entschuldigung. Ich hätte dir einfach sagen sollen, dass ich das noch nicht will. Aber eigentlich will ich es. Jetzt”, erklärte er leicht durch seine eigenen Worte verwirrt und blieb mitten im Raum stehen.
 

„Du willst mich jetzt?“, feixte Sebastian und stellte den Pappbecher beiseite.
 

Michael seufzte grinsend. „Ich war mir nicht so sicher, ob ich das mit uns jetzt schon offiziell machen will“, erklärte er dann und blickte seinem Freund in die Augen.
 

„Aber jetzt willst du, oder wie?“, fragte Sebastian umgehend.
 

„Ja, ich denke schon.“
 

„Michi, ich glaub ich würde das nicht aushalten, wenn ich dich nicht anfassen kann und so tun muss, als seien wir immer noch auf Distanz, als würden wir uns nicht kennen. Klar, so gut kennen wir uns tatsächlich noch nicht, aber…“, murmelte der Schwarzhaarige.
 

Als er mit Tim zusammengekommen war, hatte er keine Scheu gemacht es zuzugeben. Natürlich. Aufgedrängt hatte er sich nie. Er hatte schließlich seine Prinzipien, die er in den letzten Tagen immer wieder öfters durchgekaut hatte. Vielleicht müsste er von einigen von ihnen abweichen. Schließlich war er noch nie mit jemandem, wie Sebastian zusammen gewesen. Aber bis jetzt war auch noch nichts passiert, was ihm hätte weh getan. Oder was man als ernsthaft negativ hätte bezeichnen können. Und dann auch noch diese positive Reaktion Florians…
 

„Wir sind zusammen, Sebastian. Und das soll auch kein Geheimnis bleiben“, setzte der Blonde an und trat näher an seinen Freund heran, sodass sich ihre Knie berührten. „Ich möchte aber auch nicht, dass du das an die ganz große Glocke hängst und es herumposaunst.“
 

„Ali und Katja hab ich’s aber schon erzählt.“
 

„Das ist auch in Ordnung, das sind schließlich deine Freunde. Ich habe bloß keine Lust, dass meine Beziehung zu dir Top-Thema in der Mittagspause der Redaktion wird. Ich will einfach, dass du dich ganz normal gegenüber meinen Kollegen verhältst und wenn ich mit ihnen hier bin, nicht zu sehr aufdrehst“, erklärte er mit seiner sanften Stimme, doch Sebastian blickte etwas missmutig daher.
 

„Denkst du denn, ich bin ein Kind, oder was?“, fragte er dann nach einer kurzen Weile und starrte auf den Boden.
 

„Ich sehe dich nicht als ein Kind“, sagte Michael, auch wenn er mit Gedanken hinzufüge: Obwohl du 11 Jahre jünger bist als ich. „Aber wenn ich mich da an die Zeiten erinnere, an denen du mir ununterbrochen zugezwinkert hast und mich mit deinem Blick aufgefressen hast, wie eine ausgehungerte Hyäne…“
 

Nun musste der Schwarzhaarige lachen und sah sein Gegenüber mit leuchtenden Augen an. „Na gut, na gut…“, sagte er. „hast ja Recht. Mach ich schon nicht wieder. Aber darf ich dir dann wenigstens einen Kuss auf die Wange geben? Und wenn die mich fragen, ob wir zusammen sind, darf ich dann mit „ja“ antworten? Ich hab echt keinen Bock drauf so zu tun, als wären wir nur Freunde, echt nicht…“
 

Michael seufzte und setzte sich nun auf die Tischplatte, direkt neben Sebastian. „Auf die Wange, OK.“
 

„Für den Anfang“, ergänzte der Schwarzhaarige ihn grinsend.
 

„Für den Anfang?“, wiederholte der Ältere mit hochgezogener Augenbraue.
 

„Ja. Und wenn du dich dann ein bisschen an mich gewöhnt hast und dich wohler mit mir in der Öffentlichkeit fühlst, dann küsse ich dich irgendwann auf den Mund und halte Händchen mit dir, egal wo wir sind. Aber bis dahin halte ich mich zurück und bin brav“, sagte er lächelnd. Und in diesem Moment fragte Michael sich, ob vielleicht nicht er selbst derjenige war, der 11 Jahre jünger war. Hier saß der Wildfang und brachte ihm solch ein Verständnis auf, welches man nicht von ihm, und sowieso nicht von jedem, hätte erwarten können.
 

In dem kleinen Hinterzimmer waren sie völlig allein. Michael legte einen Arm um die Schultern seines Freundes und zog ihn näher an sich heran. Umgehend spürte er Sebastians Hände an seinen Hüften und die Lippen des Jüngeren, wie sie sich sanft auf seine eigenen legten. Es war ein wunderschöner Moment, in dem Sebastians Zunge in seine Mundhöhle eindrang und seine Zunge in ein leicht unanständiges Spiel verwickelte. Kaum hatte er sich versehen, küssten sie sich wild und Sebastian drückte seinen Körper immer ungenierter an seinen.
 

Ein Rascheln im Flur ließ Michael fast schon aufspringen und den Kuss somit beenden. Er räusperte sich und hoffte, dass er nicht allzu rot im Gesicht war, während er seine Krawatte zurecht zog und den Anzug mit beiden Händen glattstrich. Sebastian grinste ihn die ganze Zeit über an. Dann stand er auf und umfasste Michaels Hüften ein weiteres Mal. Ohne Vorwarnung fasste er dann in den mittlerweile ziemlich hart gewordenen Schritt des Älteren.
 

„Sebastian!“, warnte Michael ihn und zog die Hand bestimmt weg. Der Jüngere lachte auf und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Wange.
 

„Sorry“, sagte er, doch an seinem Ton war deutlich festzumachen, dass keine Bedeutung hinter diesem Wort lag. „Irgendwann krieg ich dich schon dazu schweinische Sachen an solchen Orten zu machen.“
 

„Ich denke so weit wird es NICHT kommen“, sagte Michael mit ernsthafter Stimme und drückte den Schwarzhaarigen von sich weg, dessen Miene sich umgehend änderte.
 

„Hey, ich wollte dich nicht sauer machen“, sagte er etwas kleinlaut.
 

„Ich bin nicht sauer“, versichte Michael. Er war eher etwas nervös. Schon wieder so eine neue Situation. Und er wusste nicht, was er denken sollte. Wären sie jetzt bei ihm zu Hause, allein, dann hätte er natürlich gern mit Sebastian „schweinische Sachen“ machen wollen. Aber in dem Hinterzimmer einer Kaffeekette? Das war… Alles andere als irgendwie erregend. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er sich noch durch viele solcher Situationen manövrieren müsste…
 

„Es tut mir wirklich Leid. Ich dreh immer durch, wenn ich dich sehe, weil ich es immer noch nicht fassen kann, dass ich mit dir zusammen bin und dass du mich toll findest und überhaupt…“, sprach Sebastian weiter und dieses Mal unterstrich sein Ton die Wahrhaftigkeit dieser Worte. Michael lächelte.
 

„Schon, OK“, sagte er.
 

„JADE! Komm gleich mal, wir brauchen dich!“, hallte Katjas Stimme durch den Flur.
 

„Komme sofort!“, brüllte der Schwarzhaarige umgehend zurück. „Sorry, muss arbeiten.“
 

„Macht Sinn“, kommentierte Michael mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.
 

„Sage mal…“, setzte Sebastian an und blickte dem Älteren direkt in die Augen. „Kann ich heute bei dir schlafen?“
 

„Ich bin ab 19 Uhr zu Hause, heute ist nicht viel los. Was wünscht du dir zu essen?“, fragte Michael erfreut. Denn ja, er wollte Sebastian bei sich haben. Egal was für verschiedene Gedanken wegen des Jungens in seinem Kopf kreisen mochten. Und jetzt waren da wieder diese ihn anvisierenden, strahlenden Augen…
 

„Egal, ich glaube mir schmeckt eh alles, was du kochst!“
 

„Na, sei nicht voreilig!“, bemerkte Michael lachend.
 

„Ich futter mich einfach durch dein gesamtes Sortiment und dann sehen wir weiter…“
 

„Einverstanden.“
 

Das erste, was er nach dem Betreten der Redaktion tat, war Florians Büro aufzusuchen.
 

„Offiziell“, sagte er und Florian nickte ihm lächelnd zu.
 

Sebastian/Jade
 

„Nein, ich will nicht wissen, was ihr da hinten gemacht habt“, sagte Ali als Jade sich zu ihm gesellte und beim Aufräumen half. Katja grinste einfach nur vor sich hin.
 

„Ich würde es dir auch nicht sagen, du Trottel“, feixte der Schwarzhaarige und schnappte sich ein trockenes Handtuch.
 

„Darf ich das bitte schriftlich haben?“, scherzte Ali. Jade rollte mit den Augen.
 

Er dachte über das hinter ihnen liegende Gespräch nach. Und er musste abermals an Katjas Worte denken. „Michael ist ein ganz anderes Kaliber.“ Oh, ja, das war er. Es würde ganz schön schwer werden die Finger bei sich zu behalten… Wieso musste der Ältere auch manchmal so verklemmt sein?! Er stand seit Jahren offen zu seiner Sexualität, seine gesamten Kollegen wussten es und trotzdem machte er so einen Aufstand, wenn es nur ums dämliche Händchenhalten in der Öffentlichkeit ging. Für Jade machte das keinen Sinn. Innerlich schüttelte er den Kopf. Er würde Michael noch zum Auftauen bringen… Das stand fest!
 

Fest stand auch, dass er Torsten zunächst aus dem Weg gehen würde. Als er nach Hause kam, war er froh, dass sein Mitbewohner nicht anwesend war. Innerlich hoffte er, dass er den Weg zu Jana aufgesucht hatte, eine Aussprache tätigte, sich entschuldigte und sie alle drei diese miserable Geschichte hinter sich lassen könnten. Es würde viele Dinge einfacher gestalten, ganz sicher.
 

Und jetzt blieben ihm noch genau zwei Stunden. Zwei Stunden ohne Michael. Und dann Michael die ganze Nacht… Er bekam jetzt schon eine Gänsehaut, wenn er nur daran dachte…
 

Nachdem er Brummer auf den Boden setzte und dem Kaninchen den versprochenen Auslauf gewährte, setzte er sich letztendlich gelangweilt an den PC und klickte sich mehr sinnfrei als alles andere durch die Weiten des World Wide Webs. Bis er die Haustür zuschlagen hörte. Scheiße. Und er hatte noch eine ganze Stunde zu vertrödeln. Der Plan „geh Torsten aus dem Weg“, war somit wohl vielleicht gescheitert.
 

Er würde einfach hier im Zimmer bleiben und sich irgendwann hinaus schleichen. Torsten machte ihm jedenfalls keinen Strich durch diese Rechnung, denn der Rothaarige verbarrikadierte sich regelrecht in seinem eigenen, kleinen Reich. Und das war gut so.
 

Und gut waren auch die folgenden Tage, die kommenden Nächte. Jeden Abend dieser Woche verbrachte er bei Michael, der ihn jedes Mal bekochte. Sie aßen gut, tranken leckeren Wein, schauten sich Filme an, erzählten sich Geschichten aus ihrem Leben, gingen spazieren, kuschelten nachts, schliefen miteinander. Sie kamen sich näher. Und auch ihre Auftritte in der Öffentlichkeit verliefen besser als erwartet, auch wenn es anfangs schwer war, sich auf kleine Wangenküsschen zu beschränken, wenn der Blonde den Laden betrat. Ein wenig musste Jade ja schon schmunzeln, als er die nur leicht amüsierten Blicke Michaels Kollegen erhaschte – die den blonden Mann ein wenig durcheinander brachten. Aber er war tapfer, denn er winkte Jade jedes Mal mutig zu, wenn er den Laden betrat oder verließ. Er stand zu ihm. Mehr oder weniger.
 

Und Torsten sah er auch nur zwei Mal in der Wohnung.
 

Wovor Jade aber wirklich graute, war der immer näher kommende Samstag. Das Familientreffen.
 

„Jetzt sei nicht so nervös“, sagte Michael am Freitagabend lachend. Sie waren wieder ins indische Restaurant gegangen. Dieses Mal passte auch Sebastians Outfit. Eine feiner Hose, ein feineres, weißes Hemd, die Haare sorgfältig zu einem Zopf gebunden. Wow, er sah heute ein bisschen aus wie ein kleiner Spießer. Aber: Michael gefiel das Outfit.
 

„Du siehst wirklich wunderschön aus“, sagte er ihm ein weiteres Mal und lächelte ihn an. Ja, für Michael würde er sogar freiwillig einen gesamten Tag im Anzug herumlaufen. Ohne zu zögern.
 

Aber dass er sich so schnell bereit erklärt hatte seine Familie kennen zu lernen… Ob das so eine gute Idee war? Vielleicht hätte er ja genau hier zögern SOLLEN…



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  jyorie
2014-05-18T19:44:29+00:00 18.05.2014 21:44
Hallo ლ(́◉◞౪◟◉‵ლ)

okay, ich hätte gedacht die beiden gehen zu der kleinen Party,
eigentlich sollte es Michael doch positiv sehen, wenn Jade nicht
an Geld oder Materiellem interessiert ist und es noch einen Egopush
geben. Aber das kommt vielleicht noch – Michael lebt eben in einer
anderen Welt.

Die Badewanne würde mir auch gefallen^^ Und hinterher bei dem
Kondom-Blowjob dachte ich schon, das gleich die Stimmung kippt.
Aber die beiden bemühen sich ja momentan noch umeinander, da ist
einlenken wohl leichter. Dennoch hab ich Angst, das sie sich irgendwann
so sehr reiben, das es einen großen knall gibt. Und für normal hat Jade
ja auch seine große Klappe. Bei der Disco, wo er den Ex erwähnt hat,
dachte ich ebenfalls, gleich ist es aus. Aber diese Kleinigkeiten hören sich
übergangen an und nicht ausdiskutiert.

Ich fürchte wirklich um einen großen Krach.

Liebe Grüße, Jyorie
Von:  saspi
2009-07-06T15:25:52+00:00 06.07.2009 17:25
Hey!!!
Super kappi!!! Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon neugierig wie 's weitergeht!!!
schön das er es nicht verheimlichen will.
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye

Von:  chaos-kao
2009-07-06T02:37:43+00:00 06.07.2009 04:37
Hey ^^
Deine FF ist wirklich super. Einfach nur total süß, aber du hast es irgendwie geschafft, dass es trotzdem nicht kitschig wirkt! Ich mag die beiden Charaktere wirklich gerne und auch die Story gefällt mir bisher sehr gut (anders wäre ich sicherlich nicht bis 4:37 Uhr morgens wach geblieben, weil ich einfach nicht zu lesen aufhören konnte bzw. wollte ^^)
Ich freue mich auf alle Fälle sehr auf das nächste Kaptitel! ^^
Lieber Gruß
KaNi


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