Die Feier
Seto stieg aus seinen Wagen und schritt zügig über den Schulhof. Durch die Tür hindurch steuerte er die Treppen an. Immer dasselbe Theater. Sobald er das Schulgelände betrat, hingen die schmachtenden Blicke der weiblichen Schülerschaft an ihm und verfolgten ihm auf Schritt und Tritt. Während die seine Mitschüler eher neidisch und leicht beleidigt dreinschauten, da sie nun keine große Aufmerksamkeit von den Objekten ihrer Begierde zu erwarten hatten. Und doch wichen sie respektvoll zurück, sobald er in ihre Nähe kam.
Es war wie jeden Morgen, immer der gleiche Trott. Immer die gleichen inkompetenten Lehrer. Die wenig oder auch keine Ahnung von ihrem Beruf zu haben schienen. Schüler die sich ein schleimten, in der Hoffnung so bessere Noten zu bekommen. Schülerinnen denen eine Debatte über den richtigen Lippenstift zu ihren Schuhen unendlich wichtiger war als die mathematischen Formeln an der Tafel. Bei der nächsten Arbeit würden sie dann wieder jammern, wie ungerecht der Lehrer doch war, jetzt solch ein schweres Thema zu prüfen.
Leicht kopfschüttelnt ging er die Treppenstufen hinauf. Ein lauter Schrei ließ ihn aufblicken.
“Aaaaaaahh”
Gerade noch rechtzeitig konnte er die Arme ausstrecken und einen wirren Blondschopf, der rückwärts auf ihn zu gefallen kam, auffangen. Sekunden verharrten sie so.
Der blonde Schopf wurde weit in den Nacken gelegt und braune Augen schauten ihn leicht erschrocken an. ”Upsss ….Danke”
“Übernimmt dich nur nicht Streuner. Immer eine Stufe nach der anderen, oder bist du mal wieder mit deinen Pfoten durcheinander gekommen?” Seto grinste ihn fies an.
“Grrrrrrrrrr… Kaiba! Ich bin kein ... Ach weißt du was, vergiss es!” Joey kämpfte sich wieder frei und schnappte sich seine Schultasche.
“Och, heute so handzahm, Hundi?”
Joey grinste ihn an, steckte ihm nur noch die Zunge raus und flitze schon wieder um die nächste Ecke, hinter der nur noch weiteres “tschuldigung” zu hören war.
Seto schmunzelte leicht. Der Blonde war und blieb ein Chaot. Ein sehr temperamentvoller Chaot, mit dem er sich gerne hin und wieder kabbelte. Keiner gab ihm so Kontra wie Joey. Er genoss es denn kleinen Kläffer immer wieder auf die Palme zubringen. Schon längst waren ihre Streitereien fast an der Tagesordnung. Und er war sehr froh, dass es wieder so war wie früher. Nun ja, fast so wie früher. Ihre kleinen Krabbeleien waren längst nicht mehr so heftig wie früher und hatten auch einiges an Schärfe verloren. Was aber keinen von Beiden zu stören schien.
Heute schien das Hündchen noch mehr durch den Wind zu sein wie sonst. Immerhin hatte Joey es geschafft auf dem Weg von Schultor zum Klassenzimmer in zwei Mitschüler hinein zulaufen, fast rückwärts die gesamte Treppe runter zu stürzen, einer weiteren Mitschülerin die Bücher vom Arm zu fegen, um dann ins Klassenzimmer gestolpert zu kommen.
Seto schritt wie immer ins Klassenzimmer und begab sich auf seinen Platz, in der letzten Reihe am Fenster. Hier hatte er alles im Blick und ihm entging nichts. Und er konnte sich nebenbei etwas um seine Firmendokumente kümmern, ohne das ihm der Lehrer auf den Geist ging. Was sollte er hier auch noch groß lernen? Den Stoff den die Klasse momentan durch nahm, kannte er schon auswendig. Also konnte man sich auch wichtigeren Dingen widmen. So packte er kurz vor dem Läuten seinen Laptop aus und bearbeitete schon mal einige Dateien. Wobei ihm das zappelige Hündchen, einige Tische vor ihm, nicht entging. Joey konnte kaum still sitzen, er war total hippelig.
Wieder musste Seto leicht schmunzeln. Er wusste genau warum Joey so aufgekratzt war.
Das Läuten zum Unterrichtsbeginn riss ihn aus seinen Gedanken.
Eine kleine, etwas füllige Frau betrat den Raum und schon begann ein weiterer hoch interessanter Unterrichtstag. Gefühlten 10 Stunden, die in Wirklichkeit nur 90 Minuten dauerten, erklang das lang herbei gesehnte Pausenläuten. Die Schüler stürmten aus dem Klassenraum als wenn der Leibhaftige hinter ihnen her wäre. Auch Seto schritt nach draußen, schlich sich jedoch im Schutz einiger Hecken, zu seinem Lieblingsplatz. Der große Baum stand etwas abseits, bot genug Deckung und nicht von diesem sabberten Schülerinnen entdeckt zu werden und doch eine gewisse Übersicht zu haben. Wie jede Pause war auch der Kindergarten nicht fern. Sie saßen nur 2 Bänke weiter und redeten munter durch einander.
Es bedurfte keiner großen Anstrengung ihrem Gespräch zu folgen, was bei der Lautstärke nun wirklich kein Wunder war. Er konnte Joey zwischen seinen Freunden hin und her wuseln sehen. Heute war der Blondschopf wirklich die Zappeligkeit in Person.
“Also bleibt es bei 6 Uhr?” Joey schaute fragend in die Runde.
“Klar. Um 6 stürmen wir die Wohnung und dann wird Party gemacht!” sprach Tristan und klopfte ihm dabei kräftig auf die Schulter.
Thea und Yugi nickten synchron und grinsten Joey an.
“Ähm… Joey?” Bakura blickte leicht verlegen auf den Boden.
“Yupp, was ist denn? … Sag bloß du kommst nicht?” Der Blonde schien leicht entsetzt.
“Es tut mir leid. Wirklich. Aber meine Eltern haben beschlossen dieses Wochenende meine Oma auf dem Land zu besuchen. Ich hab echt alles versucht. Sorry”
Joey legte kumpelhaft seinen Arm um die Schulter des Weißhaarigen.
“Ist echt schade. Aber weißt du was? Wir zwei gehen einfach einen trinken wenn du wieder da bist. Was hältst du davon?”
“Das wäre schön.” Bakura strahlte übers ganze Gesicht.
“So, dann wäre ja alles geklärt. Heute Abend wird bei mir gefeiert bis der Arzt kommt!”
Sprachs, grinste noch einmal in die Runde, schnappte sich Bakura und schlenderte mit ihm gemütlich Richtung Klassenraum.
Seto konnte wieder nur über den kleinen Wirrkopf schmunzeln. Während er sich auch erhob um einmal mehr dem Martyrium beizuwohnen, welches hier Mathematikunterricht genannt wurde, schaute er noch einmal unauffällig zu dem restlichen Kindergarten herüber. Und was er dort sah gefiel ihm überhaupt nicht. Thea und Yugi hatten nach Joeys Abgang nur die Augen verdreht und auch Tristan schien nicht mehr sonderlich in Feierlaune zu sein.
Zu gerne hätte er gewusst was für den plötzlichen Stimmungsumschwung in der Gruppe verantwortlich war, aber schon kündigte dieses nerv tötende Läuten die nächste Unterrichtsstunde an. Grübelnd begab er sich abermals in den Klassenraum. Kaum im Raum angekommen schien der Kindergarten wieder der alte zu sein, und das Hündchen mittendrin.
Dies änderte sich auch im Laufe des restlichen Schultages nicht. Alles schien wie immer, abgesehen von dem Chaoten in der dritten Reihe, welcher heute seinem Namen wirklich alle Ehre macht. Aber auch dieser hatte, nach nur drei Ermahnungen den letzten Schultag der Woche überlebt und stürmte nun an allen vorbei. Ein Poltern, einen etwas lauteren Fluch und schon war er auf und davon.
Die halbe Klasse war schon verschwunden und auch Seto war unterwegs zur Tür. Ein Seitenblick Richtung Tea und co ließ ihn erneut stutzig werden. Wieder war dort dieselbe Stimmung wie zum Pausenende zu spüren. Doch leider hatte er jetzt keine Zeit um sich weiter Gedanken über dieses artuntypische Verhalten von Strahlemann Yugi und Konsorten zu machen. Mokuba und seine Freunde warteten schon auf ihn und er musste sich beeilen.
Er wollte seinen kleinen Bruder ja nicht enttäuschen, immer hin würden sie sich ab heute Abend zwei Wochen nicht mehr sehen. Klassenfahrt. Aber vorher wollte der Kleine mit seinen Freunden nochmals ins Kino. Immerhin würden sie sich ja sooo lange nicht mehr sehen. Wie hätte er bei diesem Blick nein sagen können.
Und da waren sie auch schon, kaum, dass er den Wagen erreicht hatte stürmte Mokuba auf ihn zu und zerrte ihn ins Wageninnere.
Joey war unterdessen tatsächlich heil zuhause angekommen, schmiss seine Schultasche neben den Schreibtisch und ließ sich auf das Bett fallen. Heute war es so weit, seine Feier. Sie würden lustige Partyspiele veranstalten und laut Musik hören, tanzen bis zum Umfallen und sich dann total entkräftet auf das Buffet stürzen. Ihm lief jetzt schon das Wasser im Mund zusammen wenn er an die Leckereien in seinem Kühlschrank dachte. Die leckeren Reisbällchen nach dem Rezept von Frau Higuri, der netten älteren Nachbarin aus dem zweiten Stock. Die Hähnchenspieße und das Sushi, mhhhhh er liebte diese kleinen Häppchen. Moment! Sushi?
“Aaaaaarg. Das darf doch nicht wahr sein, ich liege hier im Bett rum dabei muss ich das Sushi noch machen!” Schon war er wieder auf den Beinen und hechtete in die Küche.
Wie am Nachmittag zuvor hallte fröhliche Musik und Gesang durch die kleine Wohnung wärhend in der Küche Fisch, Reis und Gemüse massakriert wurden.
Die Klingel des Telefons ließ den Blonden aufschrecken, mit dem Löffel in der Hand wuselte er ins Wohnzimmer. Nach kurzer Suche hatte er das Wunderwerk der Technik auch schon gefunden und nahm ab. “Moshi Moshi! Joey hier, wer da?”
“Hi Joey, Tea hier. Du ich kann leider nicht kommen. Mir geht’s gar nicht gut. Ich glaub ich hab mir eine Grippe eingefangen. Tut mir leid.”
Joey schluckte und ließ sich aufs Sofa fallen. Noch jemand der ihm absagte. Jetzt waren sie nur noch zu dritt. Aber man konnte ja nichts dafür wenns einen erwischte. Krankheiten waren nun mal nicht vorhersehbar.
“Hey, kannst ja nichts dafür. Also mach dir da mal keinen Kopf. Dann kommst du eben mit wenn ich und Bakura losziehen. Vielleicht ist bis dahin Duke auch wieder im Lande, den schleppen wir dann auch gleich mit”
“Puh, hab schon gedacht, dass du jetzt sauer bist.” Tea klang erleichtert.
Joey seufzte. “Bist ja nicht absichtlich krank geworden, oder? Also pack dich mal schön ins Bettchen und kurier dich aus.”
“Das mache ich. Trotzdem schönen Abend noch. Tschüss”
“Ja, mach’s gut”. Er legte auf und ließ das Telefon neben sich auf die Polster fallen. Kurz schloss er die Augen und ließ den Kopf gegen die Rückenlehne sinken. Da plante er alles tagelang und nun waren sie nur drei Leute, und das wo in der Küche Essen für mindestens Zehn stand. “Ach man, kann nicht einmal was klappen wie geplant?”
Nun ja, aber auch wenn nur zwei kamen, sollte er allmählich fertig werden. Eine Dusche wäre auch noch fällig.
Gedacht, getan und schon ein Stunde später stand er frisch geduscht und in seinen Lieblingsklamotten wieder in der Küche um dem Buffet den letzten Schliff zu geben.
Diesmal ließ ihn etwas anderes aufhorchen. Er fand diesen SMS-Ton einfach nur ulkig. Grinsend fahndete er nach seinem Handy. Nach längerem durchwühlen, des im Schlafzimmer befindlichen Wäscheberg, wurde er fündig. Doch als er die SMS lass verging ihm das Grinsen ganz schnell. Es war Tristan, der ihm mitteilte, dass er es nicht zur Party schaffen würde. So ganz schlau wurde Joey nicht aus der Nachricht, aber das war ihm jetzt auch egal. Noch einer abgesagt. Jetzt würde nur Yugi kommen, alle Anderen waren nicht da, oder kamen nicht. Er verstand es nicht. Nur einmal wollte er eine richtig Geburtstagparty mit allem drum und dran, und nun das. Deprimiert schlich er zurück in die Küche und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Schnappte sich eine dicke Wolldecke vom Sofa und ging auf dem Balkon. Ein bisschen frische Luft würde ihm jetzt bestimmt nicht schaden.
Er setzte sich auf einen der Stühle, trank einen Schluck und schaute dem Treiben auf der Straße zu. Wie die Ameisen wuselt die Menschen hin und her, manche schwer bepackt und schleppend andere leichtfüßig und flink. Die Einen Arm in Arm und andere allein.
Abermals war es das Telefon, welches ihn aus seinen Gedanken riss. Mit einer bösen Vorahnung ging er wieder rein, schloss gemächlich die Balkontür, legte die Decke auf das Sofa zurück und schnappte sich das Telefon. Noch einmal atmete er tief durch und nahm dann den Anruf entgegen. Diesmal dauerte es nicht so lange. Mit einem etwas barschen "Hab verstanden. Tschüss!" würgte er seinen Anrufer ab und beförderte das Telefon, diesmal nicht ganz so sanft, in die Polster zurück. Okay, das war’s, keine Party und damit wäre die Frage `ob das Leben fair war´ nun auch geklärt. Es war es nicht! Oder es konnte ihn einfach nicht leiden.
Da schuftete er Tagelang noch zusätzlich an der Tankstelle, schruppte Autos sauber, nur um seinen Gästen was bieten zu können, und nun das. Es kam keiner, nicht ein einziger seiner Freunde hatte Zeit für ihn. Frustriert aufstöhnend fiel er auf das Sofa und fixierte die Decke.
Was sich im Nachhinein als nicht so brillante Idee entpuppte. Denn von dort oben leuchtete ihm eine knallbunte Girlande entgegen und schien ihn zu verspotten. `Hast du wirklich gedacht es würde einer kommen? ´ schrie sie ihm förmlich entgegen. Joey hielt es hier nicht mehr aus. Er sprang auf ging in die Küche, packte das Essen zurück in den Kühlschrank und holte sich gleich noch ein Sixpack Bier heraus. Dieses verstaute er in seinem Rucksack. Schnappte sich noch seine zwei Geschenke vom Tisch und stopfte diese auch noch hinein.
Schnellen Schrittes war er an der Garderobe, wickelte sich seinen blauen Schal um den Hals, schlüpfte in seine Stiefel und zog sich eine dicke Jacke über. Im Vorbei gehen schnappte er sich noch seine Schlüssel und schon war er aus der Wohnung. Die Tür schloss er etwas unsanft, drehte die Schlüssel im Schloss. Nur noch die Treppen runter, dann raus und nichts wie weg von hier.