Ciel
Ciel
Ich dachte immer, ich wäre eine Person, die alles unter Kontrolle hat. Weil es mir zustand alles unter Kontrolle haben zu können. Weil ich es vertraglich festgehalten hatte. Macht, die mir ein Dämon gab, der sich mir untergeordnet hatte.
Ein Dämon, der bereits auffällig lange verschwunden war. Ich wandte den Kopf und blickte auf die gewaltige Turmuhr in meinem Rücken. Bald eine Stunde, in der ich ihn nicht mehr gesehen hatte, seit er hinter den Hausdächern verschwunden war. Ein Fall wie jeder andere, hatte es geheißen, als ich den Brief geöffnet hatte. Aber es sollte sich herausstellen, dass dieser Fall so gar nicht wie jeder andere war. Der Mörder, den wir hatten stellen können, war kein Mensch. Auch kein Todesgott, wie ich angenommen hatte, als mir Sebastian jene Tatsache erläutert hatte.
Es war ein anderer Dämon.
„Kein Problem“, war alles, was Sebastian gesagt hatte. Doch allmählich kroch die Sorge in meinen Gliedern hoch. Er war einfach… zu lange weg.
Ich konnte nicht mehr warten. Ich zog den Mantel ein wenig fester, dann verließ ich den sicheren Platz an der kalten Backsteinmauer in der Seitengasse. Londons Straßen waren um solch eine Uhrzeit wie ausgestorben. Aber außer meinen Schritten, konnte ich kein Geräusch wahrnehmen. Keine Schreie. Keine Geräusche, die auf einen Kampf schließen ließen. Kein Auftreten von schwarzen Lederschuhen. Kein „Young Master, der Fall ist gelöst.“ Wo zur Hölle steckte er?
„Sebastian?“ Ich musste vorsichtig sein. Auch wenn ich es ausschloss, dass sich der andere Dämon noch in der Nähe befand. Allmählich stieg die Ungeduld in mir. Wagte es Sebastian wirklich, solche Spielchen mit mir zu spielen? Was, wenn er sich nur versteckt hielt, um mich zu erschrecken?
„Sebastian! Ich befehle dir sofort zu mir zu kommen!“
…
Nichts. Ich schluckte und beschleunigte meine Schritte etwas. Sebastian hörte immer auf Befehle. Immer! Was war passiert, dass der schwarz gekleidete Butler nicht wie gewohnt aufgetaucht war?
„Seb-… ah!“
Auf dem Boden lag eine zusammengesunkene Gestalt. Eine dunkle, nach Metall riechende Lache hatte sich um den Körper gebildet. Das Kinn ruhte auf der Brust, die Arme hingen an den Seiten hinunter. Mein Blick glitt langsam von den Beinen an nach oben. Eine schwarze, an vielen Stellen zerrissene Hose. Ein Frack. Eine dunkelgraue Weste, das Kettchen einer Taschenuhr. Ehemals weiße Handschuhe an den Händen. Und das silberne Abzeichen mit dem Phantomhive-Wappen.
„Sebastian! Hör auf damit, das ist nicht lustig!“ Was fiel ihm ein sich tot zu stellen, während er mich warten ließ? „Sebastian!“ Meine rechte Hand legte sich langsam an die Augenklappe und zog sie nach unten. „Ich meine es ernst.“
Er reagierte nicht. Er trieb sein Spielchen weiter.
“Steh auf! Das ist ein Befehl!“
…
„… Sebastian?“ Ich ließ mich auf die Knie sinken und rutschte so nah es mir möglich war an den Körper meines Butlers, ohne mir an seinem Blut die Kleidung schmutzig zu machen. „Sebastian, das ist wirklich nicht mehr lustig.“ Zögernd streckte ich meine Hand aus und stieß gegen seinen Kopf, doch die schwarzen Haare waren das Einzige, was sich bewegte. Seinen Körper wollte ich nicht ansehen. Ein kurzer Blick hatte gereicht, um zu erkennen, dass das Fleisch seiner Brust aufgerissen war.
„Sebastian! Hör auf damit. Du kannst doch gar nicht sterben… Du bist ein Dämon. Du kannst nicht…!“ Ich erstarrte. Auf dem Boden vor meinen Füßen lag die Taschenuhr. Ungläubig erwiderte ich den Blick meiner eigenen Augen.
Sie waren blau.