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One Piece - Das Märchen

Eine OS Sammlung
von

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Neuntes Märchen - Nico Robins: Ein One Piece Weihnachtsmärchen

Vor langer, langer Zeit lebte eine Fabrikbesitzerin, die zwar jung und schön, doch genauso kaltherzig und geizig war. Obwohl sie darüber hinaus auch sehr erfolgreich und wohlhabend war, war sie dennoch genauso einsam. Denn Niemand hatte mit ihr zu tun angesichts ihrer schlechten Charakterzüge. Am Schlimmsten aber wurde es immer zu Weihnachten.

Ein Jahresabschnitt der als die Zeit der Besinnlichkeit und Nächstenliebe galt. Eine Jahreszeit, welche für Namiscrooge dagegen nur eine Zeit der Geldverschwendung und auch des Geldverlustes darstellte. Immerhin wollten ihre Arbeiter lieber feiern und bei ihren Familien sein, anstatt für sie in den Diamantenmienen und Manufakturen sich zu Tode zu ackern.

Doch eines Abends – es war der Abend vor Weihnachten –, kaum das Namiscrooge von ihrem Besuch bei ihrem Arbeiter Frankerl und seiner Frau Robina zur Eintreibung der horrenden Mietschulden zurückgekommen war, besuchte sie jemand. Einen Besuch den sie nicht erwartet hatte und so schnell auch nicht vergessen sollte…
 

* * * * *
 

Seufzend und krächzend trat die keinesfalls alte Frau in das Foyer ihrer palastartigen Sommerresidenz. Warum sie so altersschwache Geräusche machte, obwohl ihre junge zarte Haut keine einzige Falte zierte, wusste vermutlich nur sie selbst. Schwerfällig schleppte sie sich in ihren Gesellschaftsraum, wo ein leises Feuer in dem Marmorkamin vor sich hin knisterte. Ihr Butler musste es entzündet haben, als er sie den gut einen Kilometer langen Pfad vom Tor bis zum Hauseingang hatte heraufschleichen sehen. Er war ein guter Mann, der jedoch ruhig härter arbeiten konnte. Aber immer kamen diese Entschuldigungen er sei schon über hundert und müsse ja einen schweren Schildkrötenpanzer mit sich schleppen. Sobald es aber um ihre Wäsche ging oder das Bad vorzubereiten, war er agil wie ein junger Bock. Gutes Personal ist letztendlich wahrlich schwer zu finden…

Doch dies bereitete Namiscrooge an diesem Tag keine Sorgen. Vielmehr waren es erneut die Schulden gewesen, die sie nicht vermocht hatte einzutreiben. An so manchem Abend fragte sie sich, ob sie nicht langsam alt und weich wurde. Erneut hatte sie lediglich neunzig Prozent eingetrieben und gerade einmal vier Kinder als Zinsen – Bedienstete für ihre Diamantenmine – mitgenommen. Darunter einen seltsamen Burschen bei der letzten Familie, der Familie von Frankerl und Robina, namens Rubby, dessen Haut wie Gummi schien und sich wie ein Affe benahm. Ob sie ihn an einen Freakzirkus gewinnbringend verkaufen könnte?

Namiscrooge fühlte sich jedenfalls in solchen Momenten bestätigt keine Kinder aufgenommen zu haben. Wozu an einen Erben denken, wenn sie noch jung und schön war? Dies hatte Zeit!

Und außerdem würde der Stress mit einem Wirbelwild von Knaben oder eine Ziege von Mädchen nur ihre Schönheit schneller verblühen lassen. Etwas was sie nicht akzeptieren konnte und wollte.

„Findest du nicht, dass du ein wenig eitel bist?“, fragte eine freundliche weibliche Stimme, woraufhin sich die Oranghaarige erschrocken umdrehte, nur um direkt erneut zu erschrecken und dazu auch noch einen Schrei von sich zu geben.

An ihrem großen prunkvollen Eichentisch, saß eine durchsichtige, schwarzhaarige – schloß das Eine das Andere aus? – Frau. Sie stützte ihren Kopf auf ihren rechten Arm und lächelte die reiche Fabrikbesitzerin freundlich an. „W-Wer bist du? W-Was bist du?“

„Oh, das ist einfach zu beantworten. Ich bin ein Geist. Und eine Erzählerin.“

„Erzählerin?“

„Märchenerzählerin.“

„Wir sind hier in keinem Märchen! Und wieso habe ich gerade das Gefühl ein Déjà-vu zu haben?“

„Wenn du wüsstest, wo wir sind! Aber das ist jetzt nicht das Thema. Ich bin hier um dich zu warnen.“

Namiscrooge öffnete gerade erst den Mund, als die fremde Geistermärchenerzählerin vorgriff: „‚Warnen? Wovor warnen?!‘, fragte die kaltherzige, wie auch habgierige Hauseigentümerin.“

Die Oranghaarige bedachte ihr Gegenüber mit einem totbringenden Blick, ehe sie aufzuzählen begann: „Erstens kann ich für mich sprechen, also schreib mir nicht meine Worte vor! Zweitens, woher wusstest du was ich sagen wollte? Und drittens, kommst du mit Schmeicheleien bei mir auch nicht weiter.“

Noch immer lächelte der fremde Geist, schüttelte aber auch leicht mit dem Kopf: „Wenn du dies so siehst. Ich bin hier um dich vor der Zukunft zu warnen. Wenn du dein Leben nicht änderst und dich nicht von deiner ungezügelten Gier abwendest, wirst du nach deinem Tod in der Hölle enden. Bis zum Ende der Zeit und darüber hinaus gefoltert und gequält. Glaube mir, das ist keine schöne Aussicht, die dir damit bevorsteht.“

„Und wer soll mich bitte schön davon abbringen? Ich habe jedenfalls keine Angst vor deiner Hölle oder sonstigen düsteren, grausamen Orten.“

„Hihihi, ich freue mich schon diesen Abend zu beobachten und niederzuschreiben…,“

„Ich will mindestens siebzig Prozent Tantiemen!“, forderte das habgierige Mädchen prompt.

„… denn es wird sicher sehr interessant. Es werden dich drei Geister besuchen kommen, die dich durch die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft geleiten werden. Und am Ende musst du entscheiden, welchen Weg du zukünftig einschlagen willst!“
 

* * * * *
 

Japsend schreckte Namiscrooge auf und wäre beinahe von ihrem Sessel vor dem Kamin gestürzt. Verwirrt sah sie sich nach der ominösen Schwarzhaarigen um, die sie jedoch nirgends erblicken konnte. Still und leise war es in ihrer Villa und diese Ruhe wurde lediglich von dem beruhigenden Knistern des Kaminfeuers durchbrochen.

Hatte sie diese seltsame Begegnung etwa nur geträumt? Das musste es gewesen sein. Alles nur ein schlechter Traum, geboren aus ihrer nagenden, wie auch quälenden Sorge ihr Geld nicht rechtzeitig wieder zu sehen. Das wahrlich größte und schrecklichste Problem, welches eine junge erfolgreiche Frau verfolgen konnte. Schlimmer als der Schönheitsverfall und irgendwelche sich abzeichnende gesundheitlichen Probleme.

„Butler, bringe mir ein Wasser!“, befahl sie lautstark und hoffte, dass dieser alte Tattergreis inzwischen nicht zu schwerhörig geworden war, um ihren – allen anderen Dingen vorrangigen – Wunsch zu vernehmen.

Namiscrooge hatte nämlich diesen Schluck kühlen Nasses bitter nötig. Nicht nur fühlte sich ihre Kehle trocken und rau an, sondern sie hoffte auch damit diesen Alptraum endgültig vergessen zu können. Vielleicht sollte sie heute früher schlafen gehen? Ein wenig mehr Ruhe genießen, als in den sonstigen Abenden, wo sie bis tief in die Nacht an ihren finanziellen Plänen arbeitete.

Doch in welchem ihrer zwanzig Betten sollte sie denn nur nächtigen? In welchem würde sie vor weiteren Träumen derartiger Art verschont bleiben?

Erneut sah sie verwirrt auf, als sie merkte dass bereits reichlich Zeit seit ihrer Wunschäußerung verstrichen war. Wo blieb nur dieser altertümliche Panzerfetischist?

Erneut bewies sich, dass gutes Personal eine noch seltenere Rarität, als ein hundert Karat Diamant war. Sie hätte ihn damals nicht in diesem kurzen Anflug von Mitleid anstellen sollen – zudem hatte der niedrige geforderte Gehalt sie schwach werden lassen und wie oft hatte sie sich dafür schon verflucht?

Vor Wut schnaubend stand sie auf, um sich auf die Suche nach ihm zu begeben. Rechtfertigte dies aber mit einem leisen: „Wenn man etwas erledigt haben will, muss man es selber machen!“

Stampfend, wie eine ganze Horde zorniger Riesennashörner, und dennoch auch eilend, begab sie sich in die geräumige Küche. Den einzigen Bereich ihres Domizils, den sie normalerweise nie betrat. Bis zu diesem Abend.

Als sie in den modern ausgestatteten Raum schritt, lag er still und leer da. Von ihrem Butler oder ihrem blonden Koch war absolut nichts zu sehen. Doch der typische Geruch seiner kleinen Zigaretten hing noch in der Luft, somit konnte es noch nicht allzu lange her sein, seitdem er diesen Bereich verlassen hatte. War er noch einmal aufgebrochen, um Lebensmittel einzukaufen?

Unwahrscheinlich. Um diese Uhrzeit hatte kein Laden mehr offen. Aber wo war er dann nur?

„Also da heute ein besonderer Abend ist, sollte ich vielleicht ein Festessen zubereiten, oder was denkst du? Ich könnte eine gebratene Ente mit Gemüse und meiner berühmten Orangensauce machen. Dazu dann noch Eintopf und ein Reisomelette. Und da du ja auch schon ein großes Mädchen bist, lasse ich dich ausnahmsweise sogar etwas Rum trinken. Ich hoffe du hast einen guten zu Hause, denn ich bezweifle doch stark, dass wir jetzt noch in der Lage sein werden einen zu bekommen“, meldete sich plötzlich eine Stimme zu Wort, die Namiscrooge seit Jahren nicht mehr gehört hatte, jedoch ein leblang nicht würde vergessen können. Als dann aber auch noch der Geruch süßlichen Tabaks – ein Geruch ihrer Kindheit, den sie schon als Baby eingeatmet hatte – in ihre Nase stieg, war es gänzlich um ihre Fassung geschehen. Entsetzt drehte sie sich um und drückte ihre rechte Hand auf ihren Mund, um nicht lauthals zu schreien. Tränen stiegen ihr in die Augen und trübten ihren Blick auf die Frau mit der dunkelroten Tank Girl Frisur, die ein breites Lächeln auf den Lippen trug.

„B-Bellemere? Bist du es wirklich?“

„Erkennst du deine eigene Mutter nicht mehr?“

Eigentlich war Bellemere Namiscrooge’s Adoptivmutter, doch wo war da noch der Unterschied? Letztendlich war nur wichtig, dass diese Frau die Hauseigentümerin aufgezogen hatte, in einer Zeit wo scheinbar Niemand auf der Welt sie hatte haben wollen.

Freude und ein überwältigendes Gefühl des Glücks berauschten die Fabrikbesitzerin, woraufhin sie ein lautstarkes „Bellemere!“ jauchzte und ihre eigentlich verstorbene Ziehmutter in den Arm zu nehmen versuchte. Diese wusste dies aber zu verhindern, indem sie ihrem einstigen Zögling mit einer Zeitung eins über den Kopf zog und augenblicklich giftete: „So nicht Fräulein! Auch wenn die Begrüßung freundlich war, wüsste ich gerne, was ich da über dich hören musste!?“

„Wie? Wer verbreitet schon wieder Gerüchte über mich?“

„Ich spreche nicht von Gerüchten, sondern Tatsachen, meine Liebe!“, kam es von der wilden Ex-Marinedame, die erneut ihre Strenge mit ihrer Zeitung unterstrich.

„Woher hast du eigentlich diese Zeitung?“

„Die lag hier so rum.“

„Du schlägst mich also mit meinem Eigentum!?“

„Ruhe!“ Alle guten Zeitungsschläge waren drei…

„Autsch“. maulte dagegen Namiscrooge sich den Kopf reibend, ehe sie mit einem Themawechsel fortfuhr: „W-Was machst du überhaupt hier? Träume ich schon wieder? Du… du bist doch tot!“

„Soll ich denn schon wieder gehen, obwohl ich doch gerade erst angekommen bin? Oder muss ich deine schneidige Zunge auch erst mit meiner Zeitung traktieren? Dabei bin ich extra für dich hier angetanzt, nachdem man es dir sogar noch angekündigt hat.“

„Dann bist du also der erste Geist von den drei Angekündigten?“

„Bingo, meine Liebe! Ich bin dein Geist der vergangenen Weihnacht. Ich lass dir ausnahmsweise die Entscheidung. Sollen wir sofort los oder erst ein Kaffeekränzchen halten und ein wenig plaudern?“ Auf einmal ertönte ein lauter dumpfer Gong, der das gesamte Gebäude erzittern lies, woraufhin die Rothaarige sofort, aber auch seufzend einschob: „Ist ja gut, ist ja gut. Scheinbar haben wir leider keine Zeit zum Schwätzen. Dieser Gong war das Zeichen, dass ich endlich mit meiner Reise anfangen soll. Uns wurde eine seltene Ehre zu Teil. Magellan – der Herr der Weihnachtsgeister – betätigt ihn normalerweise nicht, auch wenn er es öfters tun sollte. Liegt vermutlich an seiner Zweitarbeit als Chef des Märchenwaldgefängnisses ‚Imps am Faul’n‘ – wer denkt sich überhaupt solch bekloppte Namen aus?! Den Weihnachtsgeisterjob hat er aber nur, weil er so gerne foltert und Leute leiden sieht. Ich glaube er hat nicht so ganz das Prinzip der Weihnachtsgeister verstanden, aber er ist nun einmal unser Boss.“

Lächelnd ließ Bellemere ihre Zigarette fallen, trat sie aus und schnippte. Noch ehe die oranghaarige Fabrikbesitzerin sich beschweren konnte, dass die Asche ihre Marmorfliesen ruinierte – offenbar hatte ihre Adoptivmutter ihren Gedankengang verfolgen können, da Namiscrooge bemerkte wie sie noch einen letzten Schlag mit der Zeitung verabreicht bekam –, verschwamm die Umgebung und ihre erste Geisterreise begann.

In die Vergangenheit.
 

* * * * *
 

Als Namiscrooge ihre Augen vorsichtig wieder öffnete, fielen ihr mehrere schockierende Tatsachen auf. Erstens schwebte sie mehrere Meter über der Erde und blickte auf eine Orangenplantage hinab, die vor vielen Jahren einst ihre Heimat gewesen war. Zweitens war ihr Körper genauso durchsichtig, wie der von Bellemere, welche neben ihr schwebte und dabei sich bereits eine neue Zigarette anzündete. Und zuletzt war da noch die Erkenntnis sich wahrhaftig in der Vergangenheit zu befinden. Diese erlangte sie dank einem kleinen Mädchen, die unter ihr den Pfad zur Plantage hinauf eilte. Ihre kleinen orangenen Haare wehten im Wind, aber auch ihr abgenutztes gelbes Kleidchen bauschte sich im Windzug ihres eiligen Schrittes auf.

„Bellemere! Bellemere!“, rief die Kleine immer wieder, woraufhin eine hübsche Rothaarige aus dem Haupthaus der Plantage trat, zu ihrer lautstarken Tochter blickend. An ihrer Seite war ein zweites, blauhaariges Mädchen, das lediglich mit dem Kopf schüttelte.

„Was ist denn? Warum schreist du nur so, Nami?“

„Schau mal, was ich hier habe!“, schrie das Mädchen aufgeregt und streckte ihrer Adoptivmutter ein Buch entgegen. Es war ein Schriftstück zum Thema Karten und wie man solche erstellte.

„Hast du etwa wieder ein Buch aus der Bibliothek gestohlen?“

„Ääääh… nein, nur ausgeliehen!“

Kaum hatte die kleine Oranghaarige das Haus erreicht, bekam sie auch schon eins mit dem Kochlöffel übergezogen. Bellemere schimpfte wütend: „Du sollst doch nicht lügen.“

Die geisterhafte Namiscrooge sank sofort zu der damals noch glücklichen Familie hinab und verteidigte ihr junges Ich gegenüber ihrer Vergangenheitsadoptivmutter: „Ich hatte es wirklich ausgeliehen.“

Dies bescherte ihr einen Schlag mit der Zeitung von ihrer Geisteradoptivmutter, die dem nur ein grummelndes „Lügst du etwa noch immer? Außerdem können sie dich weder sehen, noch hören!“ hinzufügte.

„Autsch“, kam es von den zwei Oranghaarigen. Die Bellemere der Vergangenheit meldete sich derweil wieder zu Wort: „Woher hast du nur diesen schlechten Charakter?“

„Von dir… du schlägst doch auf jeden ein!“

Wieder bekam sie es mit dem Kochlöffel serviert und dazu ein: „Das stimmt nicht!“

„Du hast mich doch wieder geschlagen!“

„Willst du dich etwa mit mir anlegen, Fräulein?“

„Genau, willst du das, Fräulein?“, wiederholte die Geisterbellemere ihre eigenen Worte und erhob drohend die Zeitung. Anschließend erklärte sie: „Wir sind hier, damit du deine eigene Vergangenheit siehst. Damit du dich erinnerst unter welchen Bedingungen du aufgewachsen bist und erkennst wie falsch dein Benehmen in der Gegenwart ist.“

„Mein Benehmen ist nicht falsch, Bellemere. Als Kind hatte ich nichts, weil wir uns nichts leisten konnten. Ich wollte nicht, dass dies so weiter geht. Nun kann ich mir alles leisten und das ist gut so.“

„Doch zu welchem Preis?“, ungewohnt ruhig kam die Antwort ihrer Ziehmutter. Auch die erwarteten Zeitungsschläge, vor denen sich Namiscrooge bereits hatte schützen wollen, blieben aus. „Sieh dir das Kind an, welches du einst warst. Und schau nur was in all den Jahren aus dir geworden ist. Es gibt einen bestimmten Moment aus unserer Vergangenheit, der dir dies beweisen soll.“

Erneut schnippte sie mit den Fingern, was offenbar das Zeichen für den nächsten geisterhaften Zeitsprung war.
 

* * * * *
 

„Warn mich das nächste Mal vor. Da wird einem ja ganz schlecht, bei diesen plötzlichen Sprüngen!“, keifte Namiscrooge.

Ihrer Adoptivmutter gefiel dies ganz und gar nicht, weshalb sie blitzschnell zu ihrer Zeitung griff. Die Fabrikbesitzerin aka Streßfaktor Tochter war diesmal darauf vorbereitet gewesen, wodurch es ihr gelang ebenso schnell mit beiden Handflächen die Schlagbahn der Zeitung abzuschätzen und das Druckerzeugnis abzufangen. Sie zwischen ihren Handflächen haltend, meinte Namiscrooge siegessicher: „Nicht noch einmal!“

Unverhofft traf sie jedoch eine zweite Zeitung an der Stirn, was die Oranghaarige völlig unerwartet traf. „Einer unserer Neulinge bei den Weihnachtsgeistern hat mir dies beigebracht. Ich hätte nicht gedacht, dass ich es so bald würde einsetzen können. Aber bisher beherrsche ich erst zwei Zeitungen. Hoffentlich bringt er mir bei Gelegenheit noch seinen Drei-Zeitungs-Stil komplett bei.“

„Woher hast du die zweite Zeitung?“

„Wir sind Geister. Wir unterliegen keinerlei Logik. Und ganz besonders in der Märchenwelt.“

„Das hier ist kein Märchen. Wie kommen immer nur alle darauf?!“

„Widersprich mir nicht immerzu. Zwei-Zeitungs-Stil – Druckerpresse!“

„WAS SOLL DIESER DÄMLICHE NAME?!“

„Zwing mich nicht dich übers Knie zu legen.“

„WAS DENKST DU WIE ALT ICH BIN?!“

„Was habe ich dir übers Schreien gesagt?“

Kleinlaut und mit ihren Zeigefingern spielend, gab die Oranghaarige ein „Tut mir Leid, wollte ich nicht…“ von sich.

Nachdem sich beide wieder beruhigt hatten, bemerkte Namiscrooge dass die Szenerie sich augenscheinlich nicht verändert hatte. „Wo sind wir diesmal. Ich meine… es sieht nicht anders aus als zuvor.“

„Es ist ja auch noch immer meine Plantage, meine Liebe! Aber dies hier ist dein achtes Weihnachtsfest. Wollen wir mal in das Haus gehen?“

„Du meinst schweben, oder?“

„Wo ist da der Unterschied?“

Gemeinsam flogen die Geisterdamen hinab und durch die Wände ihrer alten Heimat. Dabei handelte es sich um eine einfache Holzhütte, die auf einem Hügel über einer Orangenplantage thronte. Namiscrooge konnte sich nicht mehr an diesen Tag erinnern. Doch offenbar war er äußerst wichtig, wenn Bellemere gerade dieses Weihnachtsfest ihr zeigen wollte.

„Hier sind eure Geschenke“, vernahmen sie die Stimmen der Bellemere aus der Vergangenheit. Gerade als sie durch die Wand durchflog sah sie noch, wie diese den beiden Mädchen schön geschmückte Päckchen überreichte. Das blauhaarige Kind – sie wurde ebenfalls wie Nami einst adoptiert und ihr Name war Nojiko – lächelte ihre Mutter freundlich an, während ihre oranghaarige Stiefschwester sich gedankenverloren auf die Unterlippe biss. Es war offensichtlich, dass sie innerlich mit sich haderte. Dennoch schwieg sie und gemeinsam packten sie ihre Geschenke aus.

Nami hatte ein Kleidchen bekommen. Sie erkannte es sofort wieder, obwohl sich jemand die Mühe gemacht hatte aus der einstigen Sonnenblume auf der Vorderseite einen Löwenkopf zu machen. Es war das abgetragene, alte Kleid ihrer älteren Schwester Nojiko. Und diese hatte ein umgefärbtes altes Schleifenband ihrer jüngeren Schwester bekommen. Beide wussten, dass sie nicht viel Geld für neue Sachen hatten, doch diesmal traf es Nami so hart, dass sie nicht mehr stillschweigen konnte und wollte.

„Das ist doof. Wieso müssen wir unsere alten Sachen wie Neue behandeln? Ich will etwas Neues zu Weihnachten. Nicht die alten Sachen von Nojiko!“

„Es tut mir Leid, aber das kann ich mir nicht leisten, Nami. Vielleicht nächstes Jahr, wenn die Orangenernte und ihre Marktpreise wieder besser sind. Dann kauf ich dir ein ganz neues Kleid nur für dich. Versprochen! In Ordnung?“

Mit den Tränen kämpfend entgegnete diese jedoch: „Das sagst du jedes Jahr! Und jedes Jahr bekommen wir nur abgetragene Kleidungsstücke!“

Schluchzend rannte die Kleine aus dem Haus und ließ ihre Schwester und Mutter alleine zurück. Erstere wollte ihr folgen, doch die Rothaarige ergriff ihre Adoptivtochter und schüttelte lediglich, mit einem traurigen Gesichtsausdruck, den Kopf. So blieb der Blauhaarigen nichts anderes übrig, als Nami nachzusehen. Doch diese war bereits nicht mehr zu erkennen.

„Ich wollte euch immer gute Sachen kaufen. Es tat mir tief im Herzen weh, euch ständig vertrösten zu müssen“, meldete sich derweil ihre Geistermutter zu Wort. Mit aller Kraft versuchte Namiscrooge den Kloß in ihrem Hals herunter zu schlucken, bevor sie antwortete: „Deshalb wollte ich reich werden. Damit ich so eine Weihnacht nie wieder erleben müsste.“

„Du scheinst vergessen zu haben, was damals noch passierte.“

Fragend blickte sie zur Durchsichtigen, die jedoch nur zum weihnachtlichen Szenario wies. Unbemerkt schienen Beide einen weiteren Sprung zu einem späteren Zeitpunkt desselben Abends gemacht zu haben, denn die weihnachtlichen Kerzen waren herunter gebrannt und der Geruch nach gebratener Gans verflogen.

Die Tür des Hauses öffnete sich und ein verfrorenes Kind schlich sich herein. Reumütig hoffte sie, dass ihre Adoptivmutter nicht auf ihre Rückkehr gewartet hatte, doch das Zimmer lag verlassen dar. Nur ein Teller mit Gänsefleisch, zwei Klößen und erkalteter Soße standen auf einem kleinen Tischchen neben dem Weihnachtsbaum und wurden somit Zeugen der Rückkehr der verlorenen Tochter.

Diese aß schweigend, aber auch weinend, die für sie hergerichtete mitternächtliche Mahlzeit auf, nur um sich anschließend in ihr Zimmer zu schleichen. Doch dann vernahm sie ein leises schluchzen und wimmern, welches aus der Küche zu kommen schien. Zaghaft und ängstlich, schlich sie wie ein neugieriges Kätzchen heran. Sanft drückte Nami die Tür ein Spalt weit auf und lugte durch den Schlitz herein. Ihre Mutter Bellemere saß weinend am Küchentisch. Zu einem Bild in ihrer Hand sprechend, vernahm das junge Kind die Worte der Rothaarigen: „Ich wünschte nur ich könnte euch all die schönen Dinge kaufen, die ihr wollt. Ich bin so eine schlechte Mutter, nicht wahr? Ihr habt etwas Besseres als mich verdient…!“

Erst jetzt erkannte sowohl die kleine Oranghaarige, als auch die Besucherin dieser vergangenen Weihnacht – die ebenfalls durch den Türschlitz spähte –, dass das Bild in der Hand Bellemere’s ihre beiden lachenden Töchter zeigte. Und für das kleine Mädchen war dies zu viel zu ertragen gewesen. Getrieben von ihren Schuldgefühlen und Scham stieß sie die Tür auf und eilte zu ihrer Mutter, die sich überrascht zu ihr umdrehte und hastig die Tränen wegzuwischen versuchte.

„Mama, es tut mir Leid! Mama, es tut mir so Leid! Ich will keine neuen Sachen, ich will nur dich. Du bist keine schlechte Mutter… du bist die Beste! Du hast uns zu dir genommen, als uns Niemand wollte und tust immer so viel für uns. Es tut mir so Leid.“

Ihr Gesicht im Schoß ihrer Adoptivmutter vergrabend, weinte Nami wie sie noch nie in ihrem Leben zuvor geweint hatte. Die Tränen kamen direkt aus ihrem Herzen und benetzten in kleinen Tropfen die Hose der Rothaarigen. Diese konnte die Perlen der Rührung ebenfalls nicht mehr zurückhalten und während sie leise ihren Gefühlen nachgab, legte sie ihre Hände schützend auf das Haupt ihrer jüngeren Tochter. Dies war der schönste Weihnachtsabend, den Nami und Bellemere je erleben durften.

„Es wird langsam Zeit“, behauptete die Geisterbellemere, womit sie ihre Begleiterin aus ihren Gedanken herausriss. Diese drehte sich überraschend um und fragte, mit feuchten Augen, völlig irritiert: „Zeit? Wofür?“

„Zurück zu gehen. Der nächste Geist kommt bald und dafür musst du auch anwesend sein.“

„Aber…“, doch der Protest kam zu spät. Die Welt um Namiscrooge drehte sich bereits wieder, doch diesmal begleitete ihre verstorbene Adoptivmutter sie nicht. Sondern blieb lächelnd in ihrer Vergangenheit zurück.
 

* * * * *
 

Namiscrooge‘s Schädel brummte fürchterlich, als sie ihre Augen öffnete. Ein weiterer Traum?

Sie war mehr als nur irritiert. Ihre Reise mit ihrer Adoptivmutter Bellemere hatte so real gewirkt und das Gefühl, beim Beobachten der weihnachtlichen Szenerie ihrer Kindheit, begleitete sie noch immer und ließ ihr Herz sich schmerzlich zusammenziehen. Dazu kullerte eine verlorene Träne einsam über ihre Wange. Es war schön gewesen ihre Mutter wieder zu sehen, auch wenn es vielleicht nur im Traum geschehen war. Und es war schön, dass sie die Erinnerung an den damaligen Abend wiedergefunden hatte.

Schwerfällig erhob sich die schöne Fabrikbesitzerin. Sie befand sich erneut in ihrem Sessel vor dem Kamin. Womöglich war es wirklich besser schlafen zu gehen.

Wie in Trance und ohne lange nachzudenken, begab sie sich in ihr Schlafgemach. Sie konnte hinterher nicht einmal sagen, in welches ihrer unzähligen Schlafzimmer genau sie gegangen war.

Quietschend öffnete sie die Tür und erblickte eine seltsame Gestalt vor sich, die einer Mischung aus Wolf und Mensch glich.

„Wer zum heiligen Berry sind Sie denn? Raus aus meinem Schlafzimmer, Sie Perversling!“

„Bist du Namiscrooge?“

„Ähm… ja. Wieso fragen Sie? Außerdem sind Sie verdammt unhöflich!“

„Endlich bin ich im richtigen Haus. Ich hatte schon Angst, dass ich zum gut fünfzigsten Mal eins mit der Zeitung übergebraten bekomme, weil ich bei einer fremden Frau ins Haus einbreche. Mein Name ist Zorro und ich bin der Neuling bei den Weihnachtsgeistern. Ich wurde geschickt, um dich durch deine Untaten in der Gegenwart zu führen, damit du erkennst welch schlechten Charakter du entwickelt hast.“

Statt einer Antwort bekam die grünhaarige, durchsichtige Gestalt einen Zettel gereicht. „Was ist das?“

„Eine Rechnung. Einfach so in das Gemach einer Lady einzudringen, welch eine Unverschämtheit. Ich denke dies sollte als Strafgebühr ausreichen.“

„Das ist ja das zehnfache meines Jahresgehalts als Weihnachtsgeist!“, schrie der Wolfsgeist entsetzt auf, als er die Zahl gesehen hatte. „Wie gesagt, eine ausreichende Strafgebühr.“

„Du bist ja noch viel, viel schlimmer als man mir gesagt hatte. Du hast wahrlich Weihnachtsgeister verdient.“

Plötzlich flog ihm ein Buch an die Stirn und hinterließ eine deutliche Beule. Dem Angriff folgten ein schmerzverzerrtes Aufjaulen und einige weitere, schwerere Bücher. Verzweifelt versuchte er Schutz vor den literarischen Geschossen zu finden: „Was soll das werden, verdammt noch eins?“

„Verschwinde endlich aus meinem Schlafzimmer, Lüstling!“

„Ich bin hier als Weihnachtsgeist. Man hat mich doch angekündigt. Außerdem war doch schon jemand von uns hier, also warum rastest du so aus?“

Doch das Bombardement hielt nicht an und als die Bücher auszugehen schienen, wurden sie kurzfristig durch Aschenbecher und sogar Hanteln ersetzt – wer hat schon Hanteln im Schlafzimmer und kann diese mit Leichtigkeit werfen? Nun ja… wer außer Namiscrooge?

„Ich habe keine Lust mehr drauf, blöde Ziege. Gehen wir lieber los, ehe Magellan noch persönlich vorbeikommt, um uns in seinen zu groß geratenen Kochtopf zu stecken!“ Kaum waren die Worte gesprochen, drehte sich bereits wieder die Welt der Oranghaarigen, der langsam von dieser Art zu Reisen speiübel wurde.
 

* * * * *
 

„Jetzt mich auch noch entführen?“

„Ich habe dich nicht entführt, sondern versucht dir klar zu machen was los ist.“

„Klappe Hündchen.“

„Ich bin kein Hund.“

„Ach nein?“ Namiscrooge hob das Letzte was sie vor ihrer unfreiwilligen Reise ergriffen hatte empor und warf es weit von sich weg. Es war doch tatsächlich eine Zeitung gewesen. Ob ihre Adoptivmutter da vielleicht nicht sogar ihre Finger im Spiel gehabt hatte?

Wie auf Kommando sprintete Zorro los, sprang hoch in die Luft und schnappte sich das Schriftstück noch im Flug mit dem Mund. Als er realisierte was er getan hatte, schmiss er diese wutentbrannt auf den Boden, während er extrem lautstark brüllte: „ICH BIN KEIN VERFLUCHTER KÖTER! Also hör auf mit diesem Mist. Deswegen sind wir nicht hier.“

Diesmal brach sie einen Ast von einem Baum ab, um ihn mit aller Kraft weg zu werfen. Wieder rannte Zorro los, doch diesmal hatte er einen Konkurrenten, der sich kurzzeitig mit dem Wolfsgeist um das Holzstück stritt. Bevor die Auseinandersetzung jedoch eskalieren konnte, war bereits eine hübsche Dame zur Stelle, um ihren Gefährten zurück zu pfeifen. Sie entschuldigte sich kurz, ehe sie dem Fremden am Ohr ziehend davon schliff. Namiscrooge glaubte noch ein „Dich darf man nie aus den Augen lassen, Rikkon!“ zu hören, war sich aber nicht ganz sicher.

„Hab ich nicht eben gesagt, du sollst damit aufhören?“, bellte der Grünhaarige anschließend und zerbrach zornig den Ast. „Ich zögere keine Sekunde, dich mit meinem Drei-Klauen-Stil zu zerfleischen.“

„Dann hast du meiner Adoptivmutter diesen bekloppten Zeitungskampfstil beigebracht?“

„Du bist Bellemeres Tochter?“

Namiscrooge schlug mit der Zeitung, die ihr Gesprächspartner eben selbst noch adoptiert hatte, mehrfach auf diesen ein, bis er nur noch leicht zuckend am Boden lag. „Bring meiner Mutter nie wieder so einen Unsinn bei.“

„Go…mene…“

„Du sagtest, dass du der Neuling bist? Wie bist du denn hier gelandet?“

„Nun ja, nachdem mich meine Freunde beim Schloss der Erzählerin zurückgelassen hatten…“

„Die kennst du auch noch?“

„Schlimme Frau nicht wahr? Greift einem immer beim Sprechen vor. Jedenfalls, als man mich dort zurückgelassen hatte, machte ich mich alleine auf den Rückweg. Und… nun ja… ähm… dabei habe ich mich“, verlegen hustete Zorro und blickte sich unsicher um, ehe er fortfuhr, „wohl verirrt. Irgendwie bin ich statt bei meinem Heim, in der Weihnachtsgeisterzeitarbeitsfirma gelandet. Die meinten dort mir helfen zu wollen und mir den Weg nach Hause zu zeigen, wenn ich als Weihnachtsgeist aushelfen würde. Es hieß ein Abend, bei einem speziellen Kunden würde ausreichen.“

„Offenbar hatten die anderen Geister Angst zu mir zu kommen und da haben sie dich missbraucht.“

Knurrend bestätigte dieser: „Glaub ich auch…“

„Jetzt sind wir schon hier, dann können wir die Sache auch über die Bühne bringen. Also wohin hast du mich gebracht?“

„Zu den Leuten, die für dich arbeiten und all ihr Geld an dich abgeben müssen, so dass es für sie kaum noch zum Leben reicht. Während du im Luxus schwelgst, wissen sie nicht wie sie den nächsten Morgen überleben sollen.“

Gemeinsam betraten sie das Haus. Doch als sie ein altes Päarchen in ihrem Bett liegend vorfanden, fragte Namiscrooge skeptisch: „Sicher, dass die für mich arbeiten?“

„Ähm… offensichtlich habe ich mich im Haus vertan. Dann muss es das nebenan sein.“

Drei Häuser später wollte die Oranghaarige genervt wissen: „Hast du vielleicht eine Wegbeschreibung oder so?“

„Ja. Die Weihnachtsgeister meinten ich würde sie dringend brauchen. Aber die Übertreiben ohnehin viel zu oft“, gab dieser genauso genervt von sich und überreichte seiner Begleiterin das Schriftstück. Diese blickte kurz drauf, ehe sie kreischend von sich gab: „Wir sind am Stadtrand… aber am Falschen! Du hast uns genau in die entgegengesetzte Richtung die die Karte weißt gelotst.“

„Das kann doch nicht stimmen“, meinte der Wolfsgeist, entriss den Plan und sofort bemerkte Namiscrooge, wie dies passieren konnte. Denn Zorro hielt die Karte falsch herum. „Du hast absolut keinen Orientierungssinn, oder?“

Eine halbe Stunde später, in der Namiscrooge den Weg bestimmte, waren sie endlich am richtigen Ziel angekommen. Ein baufälliges kleines Häuschen aus halb verrotteten Holzbrettern, welches im Schnee der letzten Tage praktisch unterging.

„Das kann irgendwie auch nicht stimmen. In so einem Haus kann doch Niemand wohnen. Selbst ich hatte als Kind ein angenehmeres Heim!“

„Du warst erst vor wenigen Stunden selbst hier und hast mal wieder die Miete einkassiert.“

„Was? Nein, daran würde ich mich erinnern.“

„Wenn du mir nicht glaubst, frag doch die Bewohner Frankerl und Robina. Übrigens, wusstest du dass die Erzählerin eine entfernte Verwandte von Robina ist? Schon ironisch. Diese Erzählerin ist stinke reich und Robina muss in so einer Behausung wohnen.“

Plötzlich wandte sich Namiscrooge mit Berryzeichen statt Augen zu dem Weihnachtsgeist, dabei seine Worte wiederholend: „Stinke reich? Vielleicht sollte ich mich mit ihr anfreunden.“

„Du sollst von deiner Geldsucht und Gier abkommen und nicht Pläne schmieden, wie du an noch mehr rankommst!“

„Jetzt hab dich nicht so, Hundilein.“

„ICH BIN KEIN KÖTER!“

„Wie auch immer. Können wir weiter machen?“

Aus Namiscrooge’s Sicht hatte sie hier nichts verloren. Wer eben kein Geld für sein blödes Brot hatte, sollte eben etwas Schmackhafteres essen, wie etwa Törtchen oder Süßigkeiten. Das waren sowieso die delikateren Optionen.

Zorro trat durch die kaum noch stehende Wand, die für seinen Geisterkörper keinerlei Hindernis bedeutete, woraufhin die Oranghaarige ihre Chance gekommen sah. Schwungvoll drehte sie sich um und wollte bereits fliehen, als eine Hand aus dem faulenden Holz geschossen kam, sie am Kragen packte und in das winzige Heim zog. „Kyaaah!“

„Schrei nicht so rum.“

„Dann erschrick mich nicht so.“

„Du wolltest abhauen.“

„Ist auch kein Wunder. Wieso hast du mich hierher gebracht?“

„Hast du bei meiner Erklärung vorhin nicht zugehört?“

„Nicht wirklich, nein.“

„Grrr. Also, Frankerl und Robina haben zwei Söhne – Rufferl und Lyson –, sowie ein Haustier. Der Dachs Choppy.“

Plötzlich ertönte aus der Haustierhütte vor dem Haus eine wütende Stimme, die da einwarf: „ICH BIN EIN ELCH!“

„Und vor allem ihr Erstgeborener frisst den beiden die Haare vom Kopf. Doch der Colakonsum des Vaters ist ebenfalls beachtlich. Und so bangen sie immer wieder um ihre Existenz.“

„Dann sollen sie den Dachs essen.“

„ICH BIN EIN ELCH!“

„Du bist grausamer, als grausam. Bist du mit Magellan verwandt?“

„Nicht das ich wüsste. So und nachdem wir endlich hierher gefunden haben, endlich hier waren, können wir doch nun ebenfalls endlich wieder gehen. Nicht wahr?“

„Nein, können wir nicht. Komm mit, wir müssen ins Wohnzimmer.“

„Die haben hier auch noch mehrere Zimmer? Dann kann das hier ja nicht so schäbig sein, wie es von draußen aussah.“

„Hier leben Insekten.“

„Na und? Vielleicht sind sie ja Tierfreunde.“

„Sie hungern.“

„Ich auch, wenn ich eine Diät mache.“

„Das Haus fault ihnen über den Köpfen weg.“

„Dann haben sie später einen freien Blick auf sternenklare Nächte.“

„Hast du auf alles eine Antwort?“

„Ich tu mein Bestes dafür.“

„Grrr… komm jetzt.“

Widerwillig folgte sie dem Grünhaarigen in das benachbarte Zimmer. Dort hatten sich alle um den armseeligen Baum, der eigentlich eine Topfpflanze mit Stern war, versammelt und packten ihre Geschenke aus. Die Reste des Weihnachtsessen waren auf dem Tisch zu sehen. Oder genauer gesagt die leeren Teller der Familienmitglieder, auf denen sich nicht einmal mehr vereinzelte Krümmelchen befanden, und eine einzelne Schüssel, worin sich wohl der Braten oder sonstige Speisen befunden haben mussten.

„Hat euch denn die Weihnachtstaube geschmeckt?“, fragte Frankerl schwermütig.

„Ja, aber ich hätte sie lieber behalten, schließlich konnte sie sprechen“, entgegnete Rufferl.

„Du Dumbatz. Der Typ war Bauchredner“, warf Lyson ein und gab seinem Bruder einen Klaps auf den Hinterkopf. „Er konnte mit seinem Bauch reden?“

„Bei dir ist Hopfen und Malz verloren.“

„Ich hatte nie Hopfen und Malz, das ich hätte verlieren können.“

„Ach sei doch still.“ Der Langnasige gab es auf. Zwar war der Knabe mit dem Strohhut nicht die hellste Leuchte, aber auf einen geistigen Wettstreit sollte man sich dennoch nicht mit ihm einlassen. Was aber einen offensichtlich anderen Grund hatte.

„Sie haben nur eine Taube gegessen?“

„Nicht jeder kann sich ein zwanzig Gänge Menü, von so einem blöden verliebten Kochlöffel herzaubern lassen.“

„Hey, dieses Jahr habe ich nur neunzehn bestellt, wegen meiner Linie.“

„UND DAS MACHT ES BESSER?!“, bellte der Halbwolf zurück. „Siehst du nicht, dass sie dieselbe Kindheit haben, wie du einst? Dass es ihnen genauso schlecht ergeht? Und das Ganze nur wegen dir. Du konntest Niemandem die Schuld für dein Schicksal geben, doch bist du nun der Grund für ihr schlechtes Dasein!“

„Das… das kann doch gar nicht sein. Ich nehme ihnen doch gar nicht so viel ab. Ich meine…“

„Neun Zehntel ihres Lohns müssen Robina und Frankerl immer an dich zurückzahlen. Und sie verdienen sowieso kaum was bei dir.“

Namiscrooge blickte verstört zu den Kindern, die nicht traurig auf ihre ausgepackten Geschenke blickten, sondern diese mit strahlenden Gesichtern an sich drückten und ihren Eltern dafür dankten.

„Wieso freuen sie sich über diese kaputte Lock und den delligen Fußball?“, wollte sie letztendlich doch in ihrer unbändigen Neugier wissen.

„Weil sie selbst ihrer schlimmen Situation noch etwas Gutes abgewinnen können. Doch wie lange noch. Eigentlich dürfte ich es dir nicht sagen, da die Zukunft nicht mein Metier ist, aber beide Kinder sind schwer krank, nur wissen sie es noch nicht. Im nächsten Jahr werden sie es bemerken und einer von ihnen, wird das kommende Weihnachtsfest nicht mehr erleben, weil ihre Eltern sich die Behandlungen nicht werden leisten können.“

„Das ist aber doch nicht fair.“

„Tja, das musst du mir nicht sagen. Ich bin nicht ihr Arbeitgeber. Ich muss nun aber langsam nach Hause. Mein Job ist hiermit getan. Sobald ich dich wieder in deine Villa verfrachtet habe, hole ich mir endlich meine Wegbeschreibung.“

„MOMENT! Ich suche mir lieber meinen Weg mit der Karte von eben zurück. Wer weiß, wo ich bei dir lande.“

Sie nahm dem Wolfsmensch die Karte ab, nachdem sie die Wohnung von Frankerl und Robina verlassen hatten. Anschließend wurde sie von ihrem Begleiter wieder in ihre menschliche Form verwandelt, wofür sie sich ausnahmsweise dann auch mal bedankte. Eine seltene Ehre die Zorro dabei zu Teil wurde.

„Frechheit!“, bellte der zweite Weihnachtsgeist – ein wenig darüber verärgert, dass Namiscrooge ihm nicht zutraute sie sicher zu ihrer Villa zu bringen – und marschierte los.

Sein Ziel war die Basis der Weihnachtsgeister, doch bewegte er sich in Richtung der Spielzeugfabrik des Weihnachtsmannes. Oder anders ausgedrückt: In die komplett andere Richtung.
 

* * * * *
 

Es hatte wieder zu schneien begonnen, was Namiscrooge sehr verärgerte. Schließlich hatte sie nicht ihren warmen Mantel auf der Reise dabei gehabt und so schüttelte sie beim Betreten ihres Heims sich erst einmal den Schnee von den Schultern. Plötzlich eilten ihr Koch Sanju und ihr Butler Muten Rennschon heran. Besorgt sahen sie zu ihrer Meisterin und fragten im Duett: „Herrin Namiscrooge, wo waren Sie? Wie haben Sie gesucht!“

Doch beachtete sie die Beiden nicht und ging schweigend an ihnen vorbei. Ihr Ziel war ein Bad zu nehmen und das schleunigst. Vor allem da sie fürchtete an Ort und Stelle zu erfrieren.

Als sie den ersten Stock erreichte und dem Flur nach links folgte, ertönte hinter ihr eine Stimme: „Yohohoho~, wenn du badest, darf ich dann deine Unterwäsche sehen? Auch wenn ich eigentlich keine Augen habe, CHRISTMAS SKULL JOKE!“

Reflexartig verpasste die Fabrikchefin der Gestalt im Schatten hinter ihr – man hatte noch nicht die Wandlampen entzündet, weshalb der Flur im Dunkeln lag – einen kräftigen Tritt und fügte ein wutentbranntes „Niemals, du Lüstling!“ hinzu. Nach einer kurzen Pause aber, entschied sie verwunderlicher Weise: „Ein Blick kostet eine Million Berry.“

„Du machst wohl alles für Geld, Yohohoho~!“

„Das stimmt nicht, auch ich habe meine Grenzen. Denn für gewisse Dinge gibt es Niemanden der genug Geld hätte, um dafür zu zahlen.“

„Yohohoho~, durch und durch geldgeil!“

„Wer bist du überhaupt? Zeig dich endlich“, forderte die Hausbesitzerin entschieden.

„Wenigstens weißt du, dass ich da bin. Ich hätte auch wie dieser Unsichtbarkeitsfreak aus unserer Drittweihnachtsgeisterkolonne warten können, bis du nackt im Bad gewesen wärst, um dich zu bestaunen. So dass mein Herz bei deinem Anblick, wie wild pochen und sich in meinem Bauch die Schmetterlinge tummeln würden. Auch wenn ich kein Herz und keinen Bauch habe. DOPPELTER CHRISTMAS SKULL JOKE! Yohohoho~“

„Keine Sorge, für so was habe ich Fallen mit Bewegungssensoren.“

„Rrrr, wie bitte?!“, konnte man aus dem Bad zwei Zimmer weiter hören, als dieser Frage ein gepeinigter, von unsäglichen Schmerzen verzerrter Schrei folgte, der ganz plötzlich verstummte.

„Yohohoho~, so brutal.“

„Lass mich raten, du bist der dritte Geist, der mich besuchen soll?“

Die Gestalt trat endlich aus dem Schatten, gehüllt in eine schwarze und gleichzeitig auch durchsichtige Kutte, deren Kapuze tief ins Gesicht gezogen wurde. Und während er diese zurückzog und sein Haupt offenbarte, mahnte er mit dröhnenden Worten: „So wirst du aussehen, wenn du nicht von deinem Wege abweichst, Yohohoho~!“

„Du siehst aus, wie der Gevatter Tod.“

„Das war mein Job in einem anderen Märchen.“

Erschöpft und missmutig, gab Namiscrooge zu Protokoll: „Wir sind hier in keinem Märchen. Wie oft denn noch?“

Doch dann kam ihr eine Idee und so griff sie zu ihrem Notizblock, schrieb etwas auf und reichte dem Skelettgeist den Zettel. Dieser betrachtete ihn kurz. Stille trat ein. Dann fiel ihm wortwörtlich der Unterkiefer herunter.

Während Namiscrooge erschrak und einen guten Meter zurück sprang, bückte sich der Geist mit dem Afro und hob diesen auf. Mit einem kurzen Ruck wurde er wieder eingerenkt. „Das ist viel zu viel. Da arbeite ich ja zweihundert Jahre, um diese Summe zu verdienen! Und außerdem ist meine Miete so teuer, das kann ich mir nicht leisten. Wofür ist das überhaupt?“

„Für den gewollten Blick auf meine Unterwäsche.“

„Die habe ich aber doch gar nicht gesehen.“

„Ist das mein Problem?“

„Yohohoho~, herzlos und brutal. Eine knochenerschütternde Kombination!“

„In Anbetracht deines Aussehens bist du ja eine richtige Frohnatur.“

„Und in Anbetracht deiner Zukunft, die wir besuchen wollen, kann ich deine Miesepetrigkeit fast schon verstehen. Bist du bereit zu sehen, was dich einmal erwarten wird?“

„Es kann ja nur etwas Gutes sein, bei der Entwicklung meines bisherigen Lebens. Aus Armut habe ich Reichtum gemacht. Und meine Ziele sind noch viel größer.“

„Nun ja, schauen wir mal lieber selbst. Bereit oder nicht, jetzt reisen wir. Und liebe Gäste passt auf, dass euch nicht schlecht wird, wie mir. Auch wenn ich keinen Magen habe, wo mir das Essen hochkommen kann. Yohohoho~!“
 

* * * * *
 

Als sich die Oranghaarige umsah kam sie zu einer schnellen Erkenntnis, die sie genauso schnell mitzuteilen gedachte: „Sicher das wir durch die Zeit gesprungen sind? Hier sieht es genauso aus wie vorher. Nur ein wenig kälter scheint es zu sein.“

„Wir sind Geister, wir spüren keine Kälte. Obwohl, jetzt wo du es sagst. Ich glaube ich habe schon eine Gänsehaut. Dabei habe ich doch gar keine Haut. CHRISTMAS SKULL JOKE! Trotzdem bilden sich an meinen Knochen Eiszapfen, yohohoho~“

„Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du ziemlich nerven kannst?“

„Mehrfach täglich.“

„Gut zu wissen.“

„So herzlos, dabei dachte ich, dass nur ich kein Herz hätte. HALBER CHRISTMAS SKULL JOKE!“

Während das Knochengerüst herumalberte, entledigte er sich seiner Kutte entledigte und kleidete sich stattdessen in einem zerlupften Smoking, großen Zylinder und Gehstock ein. Anschließend zog er scheinbar aus dem Nichts eine Teekanne samt Tasse, um sich ausreichend mit dem Getränk zu versorgen.

„Was wird mir diesmal gezeigt?“

„Das was aus deinem Leben einmal wird, wenn du nicht von deinem Weg abweichst. Denn ich bin der Geist der zukünftigen Weihnacht.“

„Die Zukunft also. Und wohin gehen wird?“

„Anders als meinen Kollegen, werde ich dir insgesamt drei Orte zeigen. Zuerst fangen wir bei deinem Heim an, yohohoho~“

Diesmal gab es kein Drehen der Umgebung oder sonstige Zeichen ihres Ortsprungs. Denn der Afroträger packte die Oranghaarige lediglich an ihrem Kopf und drehte sie halb um ihre Achse. Sie waren die ganze Zeit davor gewesen.

Schwebend betraten sie den Ort, der von außen das Bildnis eines Horrohauses entwickelt hatte und allein das reichte vermutlich vollkommen aus, um jeden potentiellen Einbrecher von seinem Vorhaben abzubringen. Oder anders ausgedrückt: Es hatte sich nicht geändert.

„Was sind das für Leute, die mein Mobiliar aus meinem Haus tragen?“

„Einbrecher.“

„Einbrecher?“

„Einbrecher“, bestätigte das Skelett und trank von seinem dampfenden Tee.

„Und wieso bleibst du so cool? Tu was dagegen? Wieso dürfen Einbrecher meine Sachen stehlen? Wo ist dieser blöde Butler oder dieser nervige Koch? Warum tun sie nichts dagegen?“

„Warum sollten sie? Sie sind nicht mehr angestellt.“

„Was? Warum nicht?“

„Yohohoho~, so viele Fragezeichen, da wird einem ja ganz schwindelig.“

„Bleib beim Thema verdammt noch Mal!“

„Sie haben keinen Auftraggeber mehr, deshalb haben sie keinen Grund dein Heim und dein Gut zu bewachen.“

„Keinen Auftraggeber mehr? Und wer bin ich dann? Die Kaiserin von China?“

„Schon wieder so viele…,“ er bemerkte Namiscrooge Blick, woraufhin er schnell einen anderen Weg einschlug: „Vielleicht kann ein anderer Ort dir begreiflich machen, was das alles zu bedeuten hat.“

„Können wir vielleicht hinschweben? Mir ist von euren Geistersprüngen schon ganz schlecht.“

„Yohohoho~, wenn ich dein Höschen sehen darf.“

Der Schlag mit dem stahlverstärkten Baseballschläger war Antwort genug.
 

* * * * *
 

Es dauerte nicht lange, bis Namiscrooge und Brook das Geisterskelett – wie er sich inzwischen vorgestellt hatte – ihren neuen Zielort erreichten. Doch konnte Erstere kaum glauben, wo sie hingegangen waren. Für sie war dies absolut unmöglich. Und dennoch stand sie selbst nur vor dem unumstößlichen Beweis. Mit zitternden Händen faste sie das Schild an, welches erst vor kurzem in den lehmigen Boden getrieben worden war.

„Dies ist mein Grab? Lediglich von einem hölzernen Schild gekennzeichnet?“

„Mehr wolltest du für deinen Grabstein nicht ausgeben.“

„Aber die Inschrift habe ich nicht ausgewählt.“

„Nein. Diese stammte von den Bürgern der Stadt.“

„Namiscrooge. Geboren: Hat eh Niemanden interessiert. Gestorben: Endlich und komm niemals zurück, um uns heimzusuchen! Ihr Todestag wird zu einem nationalen Befreiungstag ernannt…“, las sie niedergeschlagen die Inschrift ihrer Grabtafel sich selbst kleinlaut vor.

„Sieh es positiv. Man wird dich und deine Grausamkeit niemals vergessen. Man wird dich sogar feiern… na ja, dein dahinscheiden. Yohohoho~“

„Das ist nicht fair. Hier kann etwas nicht stimmen.“

Betretendes Schweigen setzte ein, welches nur durch den schlürfenden Zukunftsgeist durchbrochen wurde. Anders als seine Vorgänger schien er nicht auf die Besuchte einreden oder ihr eine moralische Predigt halten zu wollen.

„Wo sind die Stadtbewohner gerade?“

„Sie feiern ein Fest, yohohoho~. Du bist nämlich erst vor einer Woche verstorben.“

„Ein Fest? Bring mich dahin. Aber ohne…“ Es war bereits zu spät. Diesmal sprangen sie zu ihrem Zielort, anstatt nur dorthin zu schweben.
 

* * * * *
 

„Du blödes Skelett! Warte doch wenigstens ab, bis ich meine Sätze zu Ende spreche“, keifend trat sie immer wieder auf dem am Boden Schwebenden ein, der nur ein röchelndes „So brutal, dass es mir durch Mark und Bein geht. Haltet mich in Gedenken, wie ich war. Schön und ansehnlich. Und das ohne Haut. VIELLEICHT LETZTER CHRISTMAS SKULL JOKE!“ – welch ein langer letzter Satz – von sich gab. Erst als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, richtete sie wieder ihre Frisur und wandte sich von dem Geist ab.

Sie befanden sich auf dem Marktplatz, wo sich sämtliche Dorfbewohner versammelt hatten und ihr Ableben ausgelassen feierten. Mit Speiß und Trank wurde dabei auch nicht gegeizt.

„Anfangs haben sie auf deinem Grab getanzt, doch dann war kein Platz mehr für alle da, weshalb sie es hierhin verlegt haben“, erklärte Brook, nachdem er mehrere Liter Milch getrunken hatte, um seine zersplitterten Knochen zu heilen.

„Was?! D-Das bedarf einer Strafgebühr von Hundertmillionen Berry pro Minute!“

„WAS FÜR FINANZIELLE RELATIONEN, DAS KANN SICH HIER DOCH KEINER LEISTEN! Außerdem bist du gerade ein Geist, also kann dich auch keiner hören!“

„SOLL JA AUCH KEINER! Also sich leisten können“, meckerte sie zurück, doch dabei überschlug sich beinahe ihre Stimme. Zum ersten Mal hatte Brook das Gefühl, dass sie diese Forderung nicht aus Geldgier gestellt hatte. Sie war ganz offensichtlich tief betroffen davon, wie man sich über ihr zukünftiges Ableben freute.

„Weißt du warum die Menschen feiern? Es liegt nicht etwa daran, dass sie dich gehasst haben.“

„Wer soll dir das glauben? Natürlich haben sie mich gehasst, deshalb feiern sie. Aber mir ist es egal. Ich brauche sie nicht. Was kümmert es mich, was nach meinem Tod ist?“

„Yohohoho~, ich glaube, dass es dich sehr wohl etwas kümmert. Mehr als du es mir und vielleicht auch dir eingestehen willst.“

Er bemerkte, wie sie sich auf die Lippe biss. Sie haderte mit sich selbst, ob sie eine bestimmte Frage stellen solle oder nicht. Und letztendlich überwand sie sich selbst: „Weshalb feiern sie dann?“

„Dass sie ab sofort wieder mehr Geld zum Leben zur Verfügung haben werden. Zwar verlieren viele ihre Posten, da deine Fabriken geschlossen werden, weil du auch keinen Erben ernannt hast, aber dennoch sehen sie einer Zukunft entgegen, bei der sie mehr Geld für sich haben werden. Wenn du nur von deinem Geiz abweichen würdest, könntest du diese Entwicklung der Geschehnisse verhindern.“

„Bring mich bitte zurück.“

„Yohohoho~, zurück in den Flur. Denn ich bin ein Gentleman und betrete nicht das Zimmer einer Lady“, noch während er sprach rülpste und furzte er, was ihm einen hoffentlich letzten KO-Schlag seitens Namiscrooge einbrachte.
 

* * * * *
 

Die Oranghaarige wusste nicht, wie viel Zeit seit ihrer Rückkehr vergangen war, doch seltsamerweise war sie froh gewesen, dass Brook sich nicht gleich von ihr verabschiedet hatte. Dann aber meinte er: „Yohohoho~, es wird langsam für mich Zeit. Sonst baden noch die Damen und ich kann nicht zuschauen. Auch wenn ich keine Augen habe. SCHMUTZIGER CHRISTMAS SKULL JOKE!“

Die Oranghaarige, die sich an die Wand gekauert und bis jetzt ihren Kopf auf ihren Knien abgestützt hatte, sah zaghaft auf. Ihre Augen waren leicht gerötet. Wenigstens hatte sie es geschafft nicht zu weinen und bevor der Geist gehen konnte, entgegnete sie ihm leise: „Könntest du wenigstens deinen Geisterkumpel aus meinem Badezimmer noch mitnehmen?“

Schulterzuckend begab sich der Afrozukunftsgeist in die besagte Räumlichkeit, woraufhin – als er die Tür öffnete und den anderen Weihnachtsgeist sah – er erschrocken verkündete: „Auch wenn er unsichtbar ist, wurde er ja von deiner Falle total zerfleischt. Da ist kaum noch etwas übrig, was man mitnehmen könnte! Und das sehe ich, obwohl ich doch keine Augen habe. ENTSETZTER CHRISTMAS SKULL JOKE, yohohoho~!“

„WÜRDEST DU BITTE MIT DIESEN NERVIGEN STEIGERUNGEN AUFHÖREN?!“

„Immer noch so durchtrieben böse, yohohoho~! Das auch noch trotz unserer Bemühungen. Dich zu ändern ist wohl unmöglich. Auf Wiedersehen.“ Immer durchsichtiger werdend verabschiedete sich Brook: „Hoffentlich wird mir das nicht vom Gehalt abgezogen. So eine Abblende ist ziemlich teuer. Yohohoho~“
 

* * * * *
 

„Ein verrückter Abend, nicht wahr?“

Namiscrooge drehte sich nicht um, sondern blickte weiterhin aus dem Fenster ihres fünften Schlafzimmers hinaus. Es war das Einzige ihrer privaten Räume, welches den Blick in Richtung Stadt freigab. „Ich habe vermutet, dass du noch einmal kommen würdest, Erzählerin.“

„Das klingt so abfällig. ‚Was soll ich nun tun?’ Das wolltest du doch ursprünglich sagen, nicht wahr?“

„Ich bin zu erschöpft um mich aufzuregen, dass du vorgegriffen hast, aber ja. Ich will nicht, dass meine Zukunft so endet. Was soll ich also tun?“

„Dich ändern. Wir Geister haben dir deine Fehler aufgezeigt und den Weg gedeutet. Du musst ihn nun gehen. Oder eben nicht und alles wird so bleiben, wie bisher. Auch die Zukunft die dich erwartet.“ Mit diesen Worten zückte die selbsternannte Erzählerin ein Notizbuch und fing an etwas darin zu notieren, ehe sie abschließend meinte: „Ich werde es wohl ‚Ein Weihnachtsmärchen‘ nennen.“

„WIR SIND IN KEINEM VERDAMMTEN MÄRCHEN! Jetzt hab ich mich doch wieder aufgeregt. Diese Geister waren einer bekloppter als der Vorherige.“

Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne zeichneten sich am Horizont ab. Der Morgen des ersten Weihnachtstages war angebrochen. Und gleichzeitig festigte sich ein Entschluss bei der Fabrikbesitzerin, den sie niemals von sich erwartet hätte. Ihr Fenster aufreißend, genoss sie die morgendliche Brise. Leben erwachte auf den Straßen, während man bereits die ersten Stimmen der Marktschreier hören konnte, die vom Wind bis zu ihrer Villa getragen wurden.

Hastig rannte sie ins Foyer, wo sie auf Sanju traf. Bevor er sie begrüßen konnte, befahl sie ihm: „Gehe auf den Markt. Suche die größte Gans die du findest und kaufe die erlesensten Speisen. Bereite ein Festessen vor. Das Beste welches du je gekocht hast! Wir müssen eine Familie überraschen. Ach und kaufe Geschenke ein. Für zwei Kinder, einen Dachs und ein Elternpaar.“
 

* * * * *
 

Frankerl und Robina deckten den Tisch, während ihre Söhne mit ihrem Haustier spielten. Und zwar Fangen.

Leider stießen sie dabei fast alles Zerbrechliche um, wodurch Frankerl mehr damit zu tun hatte, das Mobiliar zu retten, als seiner Frau zu helfen. Dann aber klopfte es unerwarteter Weise an der Tür, woraufhin alle inne hielten. Selbst die beiden Knaben.

Verwirrt ging das Familienoberhaupt zur Tür und öffnete sie. Sein Gesicht wurde kreidebleich, als er die strengen Augen Namiscrooge’s auf sich ruhen sah. „Madame, w-wie komme i-ich zu der Ehre?“

„Ich muss dringend mit Ihnen reden. Wie konnten Sie es nur wagen?“

„W-Was habe ich denn falsch g-gemacht?“

„Was Sie falsch gemacht haben? WAS SIE FALSCH GEMACHT HABEN? Wie können Sie ihren Kindern nur abgenutzte Dinge schenken?“, sie verschaffte sich selbst einlas, wodurch Sanju den Platz hatte die Geschenkpakete, die er auf seinen Armen balancierte, rein zu tragen. Dahinter zog Muten Rennschon einen Rolltisch mit einem Paradies an Speisen in das kleine Heim hinein.

Die Familie glaubte zu träumen, als sie dieses Wunder erblickten. Rufferl und Lyson wollten sich bereits auf die Geschenke stürzen, wurden jedoch von Frankerl erst einmal aufgehalten, der zu Recht zweifelnd wissen wollte: „Was hat das zu bedeuten? Auch auf die Gefahr hin gefeuert zu werden, aber… das sind doch nicht Sie, Madame.“

„Ja… darum genießen Sie es, solange es anhält. Ach ja und lassen Sie ihre Kinder mal ärztlich untersuchen. In so einer Umgebung kann man doch niemals gesund aufwachsen. Ich übernehme ausnahmsweise die Kosten.“

Inzwischen hatten sich Rufferl und Lyson auch schon über das Essen hergemacht und vor allem Ersterer fraß wie ein ganzer Scheunendrescher. Sogar die Speisen auf dem Teller seines Bruders waren vor ihm nicht sicher, so dass sich jener mit einer extra Portion super scharfen Höllentabasco und magmaheißem Chilipulver auf der Gänsekeule revanchierte. Mundraubstrafe der furchtbarsten Art. So lief Rufferl – kaum dass er in die Keule gebissen hatte – rot an und rannte feuerspeiend durch das Zimmer. Seine Eltern bemerkten es aber nicht. Sie waren mit etwas anderem beschäftigt.

Und zwar mit dem weihnachtlichen Wunder, welches sich vor ihren Augen abzuspielen schien. Ein Wunder, welches sie nicht einmal in ihren kühnsten Träumen zu erhoffen gewagt hätten. Dann aber reichte Namiscrooge – ehe sie sich an den Tisch setzte, um sich ein Stück Brustfleisch der Weihnachtsgans zu gönnen – den Eltern einen kleinen, unscheinbaren Zettel.

„Was ist das?“

„Die Rechnung für eure Geschenke. Waren nicht unbedingt billig“, antwortete sie beinahe schon nebensächlich – man konnte sie versuchen zu ändern, doch sie von ihrer Gier abbringen war eben unmöglich –, wohingegen die Meute um sie herum nur ein geschocktes „WIE BITTE?!“ im Chor von sich gab. Nur Rufferl konnte sich dem Verwunderungsruf nicht anschließen. Er versuchte noch immer die aus seinem Rachen schießende Feuersbrunst zu bändigen.

Die Chefin der anwesenden Eltern konnte deswegen jedoch nur lauthals und glücklich Lachen. So hatte Namiscrooge zuletzt als Kind gelacht und es war das erste Mal, dass jemand anderes als Bellemere oder Nojiko dies hörten.
 

* * * * *
 

„Das ist mit Abstand dein schlechtestes Märchen, welches du je geschrieben hast!“, beschwerte sich Namikäppchen lautstark, als die Erzählerin das Buch schloss und auf ihrem Schoss ruhen ließ.

„Robin, das war dein bestes Märchen bisher!“, jauchzten dagegen Ruffy, Lysop, Chopper und Brook Weihnachtsplätzchen Marke Sanji’s Weihnachtsbäckerei mampfend. Ihre Augen strahlten förmlich wie kleine Sterne. „Und das obwohl ich eigentlich keine Augen habe, yohohoho. SKULL JOKE!“

„Schnauze! Das war ein schlechtes Märchen“, wiederholte sich die Oranghaarige, doch Franky Fairy versuchte die Situation zu retten, indem er zum Weihnachtsbaum ging, eines der Geschenke ergriff und fragte: „Na? Wer will als Erstes auspacken?“
 

~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~
 

Statt der obligatorischen Moral, wünsche ich diesmal an dieser Stelle – gemeinsam mit meiner Gagmaschine –Nami–Engel– – euch eine frohe, weiße Weihnacht, eine schöne Bescherung und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Fascination
2009-12-30T00:55:07+00:00 30.12.2009 01:55
WOW :))
Jedes einzelne Märchen ist echt super geworden *____*
ich konnte kaum aufhören zu lachen :D:D

Das ist das Beste, was ich in den letzten Wochen gelesen hab, echt. :)):D
Toller Schreibstil& super Ideen <3

Hoffe total, dass es noch weitergeht :)

Liebe Grüße (;
Von: abgemeldet
2009-12-29T10:37:45+00:00 29.12.2009 11:37
^^Hey, ich kam auch endlich mal dazu all die neuen Märchen zu lesen ;) und ich muss sagen:

Sauwer!!! XDXDXD....Vor allem mit dem Weihnachtsmärchen haste nen schönes Stück geschrieben und die Figuren passend umgesetzt ;)...heheh, der böse Wolf Zorro, als orientierungsloser Geist der Gegenwart ;) sau lustig...Oder die Geschichte mit Gevater Brook....dein Humor ist wirklich unübertroffen ;)....

Was ich nur ab und an nen bisschen "anstrengend" zu lesen finde, sind nen paar Sätze, die ellenlang wirken, wenn du zu viel versuchst darin hinein zu packen...dadurch kommt der Lesefluss, aus meiner Sicht, ins stocken, aber trotzdem:

Dein Schreibstil ist worttechnisch und sprachlich gesehen: TOP!!! XDXDXD

Mach weiter so und nen guten Rutsch ins neue Jahr ;)

Greetz
Von: abgemeldet
2009-12-25T21:36:24+00:00 25.12.2009 22:36
wow..das war schön..traurig, aber schön.
hat ja echt ne ewigkeit gedauert das alles zu lesen, abers hat sich gelohnt..
bin jetzt iwie zufrieden..weiß nich so richtig warum, aber diese geschichte warn schönes weihnachtsgeschenk.
als ich noch kleiner war, war ich jedes jahr um weihnachten rum mit meiner familie in dem theaterstück zu dieser geschichte..da werden erinnerungen wach *schnüff*
zorro war wieder bei *happy*. aber echt mal, den kann man nich alleine lassen!
next^^

-
mit freundlichsten und gerüherten weihnachtsgrüßen
p_r_w
Von:  nami_swan
2009-12-25T19:29:26+00:00 25.12.2009 20:29
boah!!! Das war ein hartes Stück Arbeit allein schon die Geschichte zu LESEN!!!
Wo der böse,böse Zorro überall hinkommt, wenn er sich mal verläuft xD
Also ich find das Kapi wiedermal super gelungen!! Mal ne andere Version vom original Weihnachtsmärchen^^
Ich hatte schwierigkeiten mir Nami als Junge, aber auch als alte Schlürferin vorzustellen (aber im Märchen ist ja bekanntlich alles möglich xD)
Und gib´s zu! Du konntest dich nicht entscheiden, wen von Rufferl oder Lyson nun derjenige ist, der Krank/halb totgeweiht ist!^^ (ja sowas erkenn ich ;P)
sonst wie gesagt super lustig geworden *daumen nach oben*

glg nami_swan ♥


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