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Burning Sun

Die Fortsetzung zu Bis(s) in die Ewigkeit
von

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Fault of mine

Prolog
 

~.~
 

Es dauerte Stunden bis ich aus dem Baum heraussprang und den Mut dazu aufbrachte näher zu kommen. Es kostete mich Überwindung einen Schritt vor den anderen zu setzten und immer näher heran zu gehen, während die Bilder in meinem Kopf herumschwirrten. Sie rasten mit der Geschwindigkeit eines Autos auf einer Schnellstraße an meinem inneren Auge vorbei, dennoch hatte ich keinerlei Probleme sie voll und ganz zu registrieren.

Ich wünschte es wäre nicht so.

Die brennende Gestalt.

Das Feuer.

Das erste Mal seit langem wünschte ich mir schlafen zu können, weinen zu können. Meinem Dasein zu entfliehen, wie es die Menschen jede Nacht taten.

Ich ging weiter und ließ mich schließlich auf die Knie fallen und betrachtete die große, dunkelrote Rose, die in voller Blüte stand. Ihre Dornen waren sorgfältig abgetrennt worden und bei dem Gedanken an die Person, die es getan hatte, und bei dem Gedanken an die Liebe, die dahinter steckte, wurde mir klar, dass ich das richtige getan hatte, auch wenn ich es inzwischen bereute. Ich hatte vorrausgesehen, dass ich so handeln würde, schon vor Jahren, aber jetzt vor den Trümmern zu stehen, die ein paar Sekunden der Schwäche hervorgebracht hatten, schmerzte.

Mein Blick lag noch immer auf der Rose und dem weißen, leicht marmorierten Umschlag. Sie bildeten einen so skurillen Kontrast zu dem grünen Moos, den alten Steinen und vor allem der schwarzen Asche, die ihr Grab bedeckte. Erneut rasten Bilder durch meinen Kopf

– Regen – Gewitter – Sturm.

Ich musste mich beeilen, ich konnte nicht zulassen, dass er ohne weiteres in alle Himmelsrichtungen getragen wurde und an Orten Ruhe finden musste, an die er nicht gehörte. Er musste bleiben, hier, bei der Rose ohne Dornen, bei ihr.

Ich streckte meine kleine weiße Hand nach dem Briefumschlag aus. Er war nicht beschriftet, ich wusste dennoch ohne jeden Zweifel dass er für mich war, denn ich allein war der Grund dafür, dass er diese Welt jetzt nicht mehr mit seiner Schönheit bereicherte, sondern in schwarz gekleidet bei Bella ruhte.
 


 

Alice,
 

ich weiß, wie viel Kummer ich dir in den letzten hundert Jahren bereitet habe. Es
 

tut mir Leid. Ich habe in dir gesehen was geschehen wird, ich habe gesehen, wie
 

du im genau richtigen Moment zweifeln und mich gehen lassen wirst. Es ist unfair
 

von mir genau diesen Moment auszunutzen, aber ich kann nicht länger
 

warten.
 

Ich bin dir dankbar für dein Zögern, für dein Zweifeln, denn sie sind
 

Erlösung für mich. Ich möchte dich dennoch um einen letzten Gefallen bitten.
 

Genau hier hin gehöre ich, ich möchte bei ihr liegen, das Gefühl haben, dass
 

sie mich umarmt, mir sanft über die Wange streicht, so wie sie es immer getan
 

hat. Tu was getan werden muss, der Rest gehört hier her.
 

Wenn ich sie sehe, Alice, wenn es so etwas wie den Himmel wirklich gibt, werde
 

ich sie von dir grüßen und ihr ausrichten wie sehr du sie vermisst, ich seh es in
 

deinen Gedanken.
 

Ich liebe dich, Schwester, und weiß deine Freundschaft zu schätzen, bin dankbar
 

für sie und es macht mich traurig sie auf diese Weise verraten zu müssen.
 

Ich hoffe du vergibst mir,
 

Edward
 


 


 

Es gibt nichts was ich ihm vergeben müsste, weder seine Liebe zu Bella, seine enge Freundschaft zu mir, noch das was er getan hatte.

Das einzige was vergeben werden muss, ist mein Zögern, das es ihm erlaubt hat zu brennen.

Meine kalten Finger steckten den Brief ein.

Er wollte hier bleiben, hier liegen, von ihr umarmt werden. Instinktiv hoffte ich, dass es einen Himmel gab, instinktiv schaute ich nach oben, betete dafür, dass er jetzt dort war und Bella im Arm hielt. Ich zog eine Dose aus der Tasche, und füllte ein wenig Asche hinein, nicht viel, nur genug um sicherzugehen, dass er den Weg zurück nicht finden würde, denn ich wusste, wie sehr er leiden würde, sollte es geschehen. Der Rest würde hier bleiben, bei ihr. Sie würden gegenseitig auf sich aufpassen, bis die Welt untergehen würde.

Die Erde war weich, als ich hineinfasste und sie Hand für Hand auf die Asche streute, so dass der aufkommende Wind keine Chance hatte, ihn ihr zu nehmen. Der Schmutz unter meinen Fingernägeln und der Dreck auf meiner Hose kümmerte mich nicht, als ich mich noch einmal hinkniete, eine Hand auf die bedeckte Asche legte und mich verabschiedete.

Erst dann stand ich auf und drehte mich herum.

Langsam ging ich nach Hause, während der Brief in meiner Tasche knisterte und ich nur an eines denken konnte.

Tu was getan werden muss.

Aro.

Decision

Die Gedanken fluteten durch meinen Kopf, wie Wasser welchen einen Stausee durchbrochen hatte. Ich wusste, dass ich sie nicht zurückhalten konnte, deshalb versuchte ich es gar nicht. Stattdessen genoss ich die Erinnerungen an meinen Bruder, wie er das letzte Mal mit mir auf Jagd gewesen war. Ich hatte versucht, ihm seine Existenz ohne Bella, in den letzten hundert Jahren, so einfach wie möglich zu machen.

Aber wie konnte man einen Vampir glücklich machen, der den Grund für seine Existenz verloren hatte, nachdem er schon fast ein Jahrhundert danach suchen musste? Ich hatte es versucht, mit allen Mitteln.

Ein Finger strich mir sanft über den Nacken.

„Was beschäftigt dich so?“, flüsterte Jasper leise.

Ich antwortete nicht und starrte weiter aus der Fensterfront in den Wald. Ich hatte gewusst, dass ich eines Tages für einen kurzen Moment zögern würde. Ich hatte vorausgesehen, dass der Tag kommen würde, an dem ich ihm einfach nicht mehr zumuten wollte, weiterhin zu leiden. Ich hatte es verdammt noch mal gewusst, wieso hatte ich nichts dagegen unternommen?

„Es ist immer noch die Sache mit Edward“, stellte Jasper fest und ich lehnte mich nach hinten. Er schloss die Arme um mich, zog mich leicht an seine Brust, legte seinen Kopf auf meine Schulter und lehnte seine Wange dann an meine.

„Ich spüre es. Nichts anderes lässt dich so empfinden.“

„Was empfinde ich denn?“, fragte ich ihn leise. Nur um sicherzugehen, dass meine Gefühle auch wirklich die waren, von denen ich glaubte, dass sie es waren.

„Wut und Trauer“, murmelte er. „Dein Herz schäumt nur so davon.“

Ich antwortete nicht, sondern schloss die Augen und genoss Jaspers Anwesenheit.

Was würde ich tun, wenn er nicht mehr da wäre? Was würde ich empfinden? Was würde ich denken? Was würde ich wollen?

Die letzten Wochen waren schneller vergangen, als ich es für möglich gehalten hatte. Aber die Zeit, nahm mich nicht mit. Es war, als würde ich alles um mich herum beobachten, aber einfach nicht in der Lage sein, mich in die Handlung zu integrieren.

„Können wir nicht hier bleiben, Jasper?“, fragte ich schließlich in die Stille hinein. Carlisle und Esme würden in zwei Tagen abreisen und es war geplant gewesen, dass wir alle mit ihnen kommen. Esme konnte es einfach nicht mehr ertragen, so nahe am Grab ihres Sohnes zu sein. Wir hatten jahrelang hier gelebt, da Edward sich geweigert hatte seine Zeit woanders zu verbringen, als an Bellas Ruhestätte. Aber jetzt, jetzt da er nicht mehr da war und sich neben Bella zur Ruhe gebettet hatte – Esme wollte es nicht mehr.

Ich hatte ihren Entschluss vorausgesehen und ich wusste auch, dass es besser war, wenn sie ein paar Jahre von hier fort ging.

„Hältst du das für eine gute Idee?“

„Ich weiß nicht was gut ist und was nicht. Aber ich möchte noch etwas hier bleiben. Es verarbeiten.“

Ich wusste nicht genau warum ich hier bleiben wollte, aber es fühlte sich so an, als müsste ich noch eine Entscheidung treffen, bevor ich fort ging. Eine wichtige Entscheidung, die meine Zukunft bestimmen würde.

„Du bekommst so viel Zeit zum verarbeiten, wie du brauchst. Wir haben genug.“

Ich liebte diesen Vampir so sehr.

Dafür, dass er existierte, dafür, dass er immer alles dafür tat, mir das zu geben, was ich brauchte und dafür, dass er so verständnisvoll war. Die Zeit, die wir alleine hier bleiben würden, würde nicht nur mir, sondern uns beiden gut tun. Ich wusste nur zu gut, dass ich ihn in den letzten hundert Jahren vernachlässigt hatte, während ich besorgt die Zukunft nach Edwards Schicksal abgesucht hatte. Aber er hatte Verständnis gehabt.

Erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr er mir in letzter Zeit gefehlt hatte. Er war zwar immer anwesend gewesen, aber es war nicht dasselbe wie jetzt. Seine Wange auf meiner fühlte sich gut an und ich genoss unsere Zweisamkeit so lange ich konnte. Trotzdem dauerte es keine zwei Minuten, bis ich wieder einen brennenden Edward vor meinen geschlossenen Augen sah.

Nur ein paar Sekunden später, ließ Jasper mich los.

Er wusste genau, was ich fühlte, wie es mir ging und ließ mich allein.

Unsere Familie hatte alles dafür gegeben, so weiterzumachen wie bisher. Wir hatten alles dafür gegeben, uns für Edward zu freuen, denn jeder von uns wusste, wie sehr er sich danach gesehnt hatte, Bella wieder zu sehen. Ich hatte von Anfang an gespürt, dass es nicht funktionieren würde, ich hatte von Anfang an gesehen, wie Esme ihre Koffer packen und zusammen mit Carlisle Forks verlassen würde.

Aber ich sah auch, dass es in hundert Jahren erträglicher sein würde.

Und genau das, wollte ich nicht. Ich wollte nicht, dass ich weiter machen konnte wie zuvor, ohne dass noch etwas passierte. Ich wollte nicht akzeptieren, dass alles so blieb, wie es jetzt war. Ich wollte und konnte es nicht akzeptieren.

Eine meiner kleinen, kalten Hände griff nach dem Säckchen um meinen Hals. Ich hatte meine Aufgabe noch nicht erfüllt. Ich musste seine Asche noch verteilen, denn ich wusste, dass weder Edward selbst, noch Jasper es gutheißen würden, wenn ich sie auf Ewig um meinen Hals trug.

Mit einer schnellen geschmeidigen Bewegung stand ich auf und verließ das Haus. Das Rennen durch den Wald tat mir gut und ich genoss es, mich voll und ganz auf das Laufen zu konzentrieren. Wahrscheinlich war es das Beste, wenn ich einen Teil der restlichen Asche ins Meer gab. Dann würde ein Teil von Edward auf Ewig dem Rauschen der Wellen lauschen können.

Ich änderte meine Richtung und nach einer Weile durchquerte ich das Reservat. Die Werwölfe, die früher hier gelebt hatten, waren keine Gefahr für uns. Sie hatten uns akzeptiert, außerdem hatte ein Teil von ihnen, vor einer Ewigkeit beschlossen sich nicht mehr zu verwandeln und ein menschliches Leben zu verbringen.

Die Brandung krachte gegen die Klippen, als ich am Wasser ankam. Ich erinnerte mich daran, wie ich damals gesehen hatte, dass Bella hinunter gesprungen war. Lachen konnte ich bei dem Gedanken nicht.

Das Säckchen, das ich noch immer in meiner Hand hielt, war hier gut aufgehoben, da war ich mir sicher. Ich musste nur die Hand ausstrecken und es fallen lassen. Aber es ging nicht. Ich konnte es nicht. Wenn ich das Säckchen mit der restlichen Asche dort hinunter fallen ließ, dann würde das, das Zeichen dafür sein, dass alles vorbei war.

Aber es war nicht vorbei. Es würde nie vorbei sein, solange ich mit Wut an das zurückdachte, was geschehen war. Bevor es vorbei sein konnte, bevor die Geschichte von Bella und Edward fertig geschrieben sein konnte, musste etwas anderes beendet werden.

Meine Finger krallten sich um den dünnen Stoff, dann hängte ich mir das Säckchen wieder um.

Jasper war unterwegs, ich sah ihn kommen.
 

Die Geschichte war noch nicht zu Ende. Und sie würde niemals zu Ende sein, solange ich nicht dafür sorgte, dass es jemanden gab, der sie zu Ende schreiben würde.

Jemand, der dafür sorgte, dass das Buch eines Tages zugeklappt werden und ruhen konnte.

„Alice?“

Ich drehte mich zu ihm um, betrachtete ihn, wie er in hundert Metern Entfernung stand und mich besorgt musterte. Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen um mich machte. Ich wollte nicht, dass ich ihm in irgendeiner Art und Weise Kummer bereitete.

„Ja?“

„Ich wollte in die Wälder jagen gehen. Tust du mir den Gefallen und begleitest mich?“

„Natürlich“, antwortete ich.

Es war für mich ohnehin wieder Zeit jagen zu gehen und vielleicht würde es mir dabei helfen, endlich einmal an etwas anderes zu denken.

Ich ging zu ihm, nahm ihn bei der Hand und zusammen rannten wir zurück nach Forks, daran vorbei und tief in den Wald hinein, um keine Gefahr für die Menschen darzustellen. Der Mond glitzerte über uns, aber ich beachtete ihn nicht.
 

Der Ausflug lenkte mich mehr von meinen eigenen Gedanken ab, als ich erwartet hatte. Wir waren der Nacht unterwegs und wieder einmal schaffte Jasper es, mich zu beschäftigen und den kindlichen Teil meines Charakters dazu auszunutzen, mit ihm verstecken zu spielen.

Ein Jahrhunderte altes Spiel für Kleinkinder, das erst dann seine volle Wirkung entfaltete, wenn man es bei Nacht in einem dunklen Wald spielte.

Als es schließlich wieder heller wurde und es wieder einmal anfing zu nieseln, entdeckte ich Jasper in einem Baum. Ich kletterte zu ihm hoch, ließ mich in eine Umarmung ziehen und küsste ihn mit einem Lächeln auf die Stirn. Dann – mit einem Mal – wirbelten wieder Bilder vor meinem inneren Auge umher.

Bilder, die die Zukunft zeigten, die zeigten, dass ich mich entschlossen hatte, ohne es zu wissen.

Sie erzählte mir meine Geschichte und offenbarte mir, wozu ich mich, so eben unbewusst, entschieden hatte. Sie offenbarten mir mein Schicksal.
 


 

-.-.-.
 

Aloha hey:)

Hat ein bisschen lange gedauert, ich weiß..erst war ich voll im klausurstress und dann hat meine beta die mail nicht bekommen, weil gmx wieder nicht gefunzt hat *gmx in den hintern tret und jenny als dankeschön in den arm nimmt*

Ich weiß auch, dass das kapitel kurz ist. Sehr kurz sogar für meine Verhältnisse, was aber daran liegt, dass ich einen teil von dem was eigentlich im ersten kapi kommen sollte schon im Prolog war und blablabla...

das nächste wird länger...:)

Und hoffentlich nicht so lange brauchen>.<
 

Wichtig

Mir ist das Kapi schwerer gefallen als alle bisher, weil ich nie zuvor aus Alice sicht geschrieben habe und es auch keinerlei orginalvorgaben gibt, an denen ich mich orintieren kann.

Im Buch wird sie ja als hibbelig, spontan und ständig gut gelaunt beschrieben...ich glaube meine Alice ist anders. Ich kann es nicht ändern, weil ich einfach das gefühl habe, dass alice einfach nicht mehr ständig gut gelaunt sein KANN, nachdem was mit ihrem Bruder und bella passiert ist...deshalb schreibe ich halt aus Sicht einer nachdenklichen Alice...ich hoffe das stört euch nicht zu sehr:P
 

Ich freu mich auf eure Meinung, Biss:)

Hate and revenge

Hate and revenge
 

Es handelte sich nur noch um etwa eine Stunde und ich konnte sehen, dass sich der Zeitpunkt von Carlisle und Esmes Reise nicht weiter verzögern würde, so dass Jasper und ich in spätestens sechzig Minuten alleine sein würden.

Emmett und Rosalie waren bereits vor einer Stunde zum Flughafen aufgebrochen und hatten vor, die nächsten Monate in Alaska zu verbringen, aber wahrscheinlich würde Rosalie schon bald zu dem Schluss kommen, dass sie eine Großstadt aufregender fand. Sobald sie sich dazu entschied, wieder aus der Kälte abzureisen, würde ich es wissen.

Esme und Carlisle wollten sich eine Weile auf eine kleine Insel zurückziehen. Carlisle hatte sie ihr vor einer Weile geschenkt und es gab nur wenige Orte, an denen Esme lieber war als dort, wo sie ihre Ruhe hatte und keinerlei Menschen zu fürchten brauchte. Ich konnte verstehen, warum sie sich eine Weile von der Welt abkapseln wollte. Ich konnte es, um genau zu sein, voll und ganz nachvollziehen und wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte, würde ich es genauso halten, aber ich hatte sie nicht. Mein Geist, mein Verstand und vor allem mein Herz hatten, ohne mich um Erlaubnis zu fragen, eine unumkehrbare Entscheidung getroffen, die meine Zukunft bestimmten würde.

Ich saß auf dem Pianohocker in unserem lichtdurchfluteten Wohnzimmer und starrte gedankenverloren vor mich hin. Dann drehte ich mich ruckartig um und ließ meine weißen, dünnen Finger vorsichtig über die Tasten des Klaviers streichen. Ich konnte spielen, es gibt wenig was ein Vampir nicht kann, wo er doch, so viel Zeit hatte, alles zu lernen, was er zu können begehrte. Trotzdem reichte meine Fähigkeiten bei weitem nicht an die meines Bruders heran, der sich so unvergleichlich darauf verstanden hatte, seine Finger über die Tasten wandern zu lassen und sie zum Singen zu bringen. Für einen kurzen Moment zog ich es in Erwägung auf dem Klavier zu spielen, aber als mein kleiner Finger eine der matt weiß schimmernden Tasten hinunterdrückte, klang der Ton wie immer und doch falsch.

Ich zog meine Hand zurück.

Das hier war Edwards Klavier.

Es war nicht rechtens, dass ich mich dazu anmaßte es singen zu lassen, nicht bevor ich meine Schuld beglichen hatte.

„Willst du nicht noch etwas spielen Alice?“ Ich brauchte mich nicht umzudrehen um zu wissen, dass Esme im Türrahmen stand. Allein ihre Stimme und ihre mütterlich liebende Aura sorgten dafür, dass niemandem, auch normale Menschen nicht, ihre Anwesenheit für länger als ein paar Augenblicke entging. Ich starrte die Tasten an und wusste genau, wie gerne Esme die weichen Töne des Klaviers durch den Raum hätten schweben sehen, aber ich konnte ihr ihren Wunsch nicht erfüllen.

Ich deutete ein Kopfschütteln an und ohne dass ich die Bewegung zu Ende führen musste, wusste Esme, dass ich mich weigerte. Sie hatte es mit Sicherheit von Anfang an gewusst, aber die Hoffnung auf ein letztes Stück, gespielt auf dem schwarzen Flügel, bevor sie abreiste, war wahrscheinlich größer gewesen als das Wissen, dass ich es nicht tun würde.

Sie kam durch den Raum, legte mir ihre Hände auf die Schulter und starrte nach draußen.

„Jetzt sage ich auf Wiedersehen, aber innerlich freue ich mich schon jetzt auf unser nächstes Treffen, meine Tochter, und blicke ihm lächelnd entgegen“, sie zögerte kurz und fügte dann noch hinzu: „Vielleicht wirst du ja dann für mich spielen.“

Ich würde nicht spielen. Nicht bevor ich meine Schuld beglichen hatte, die mich bereits seit Monaten von innen heraus aufzuzerren drohte. Ich hob meine rechte Hand, legte sie auf ihre schlanken Finger, die noch immer auf meiner Schulter ruhten, und strich vorsichtig darüber.

„Ich blicke unserem nächsten Treffen auch bereits mit Freuden entgegen.“

Ich hörte sie leise lachen, dann zupfte sie ein wenig an meinen Haaren und fragte leise:

„Du hast einen Vorteil, das ist unfair. Willst du mir nicht sagen, wann wir uns das nächste Mal begegnen?“

Nein, das würde ich ihr nicht sagen. Weil ich es nicht wollte und weil ich es auch nicht konnte. Ich würde erst in mein altes Leben zurückkehren, wenn ich meine Aufgabe erfüllt hatte und falls ich es nicht schaffen sollte, dann würde ich umsonst in der Zukunft nach einem Treffen mit Esme suchen. Aber das würde ich ihr nicht sagen.

Sie wusste zwar, dass mich etwas beschäftigte, aber wenn ich ihr erzählen würde was es war, würde sie ihre Reise verschieben und das musste verhindert werden. Sie musste in Sicherheit gebracht werden, denn sie war unschuldig und liebend, weshalb sie nichts mit dem Kommenden zu tun hatte und ich auch nicht zulassen würde, dass sie darunter litt.

„Kommst du noch mit raus?“, fragte sie schließlich noch leise und als Antwort rutschte ich von dem Pianohocker und folgte ihr vors Haus. Dort stand bereits das Auto, das Carlisle mit allen Dingen, die sie brauchen würden, vollgepackt hatte, und scheinbar darauf wartete, endlich losfahren zu können.

Esme nahm mich in den Arm und drückte mich so fest an sich, dass kein Mensch diese Umarmung überlebt hätte. „Auf Wiedersehen Mum“, murmelte ich, als sie schließlich einen Schritt zurück trat und auch Jasper ihrer Umarmung nicht entkommen konnte.

„Alice“, ich drehte mich zu Carlisle. Sein Gesichtsausdruck war ernst und ein bisschen gequält. Auch er litt stark unter den Geschehnissen. Edward war sein erster Gefährte gewesen, den er in seine Familie aufgenommen hatte. Edward war für ihn nicht nur ein Sohn gewesen, sondern ein treuer Freund, der ihm nach hunderten von Jahren endlich das gegeben hatte, was zuvor niemand vermochte hatte: Jemanden, der so war wie Carlisle, jemanden der ihm endlich Beistand in seiner fortdauernden Existenz gegeben hatte.

„Dad“, sagte ich. Ich war die einzige, die ihn so nannte und das auch nur in Ausnahmesituation und das hier war eine. Ich wusste nicht, ob ich ihn wieder sehen würde, aber ich wollte nicht, dass er mir beistand. Die Angst, dass ihm etwas zu stoßen konnte, war zu groß.

Wir schauten uns in die Augen und ich konnte darin noch immer die Trauer sehen, die sich seit Tagen weigerte sich zurückzuziehen. Es war, als würde ich in einen Spiegel blicken, denn ich sah in seinen goldfarbenen Augen all die Gefühle, die mich seit Wochen beschäftigten. Sogar Schuld blickte mich an, obwohl ich wusste, dass die einzige, die es hätte verhindern können, ich gewesen war. Ich war die Schuldige.

Während ich mich von Carlisle verabschiedete konnte ich hören, wie Esme leise flüsterte: „Pass auf sie auf Jasper, tu mir den Gefallen, pass auf sie auf.“ Sie hatte es leise gesagt, sehr leise sogar, aber doch zu laut, als dass es meinen Vampirsinnen hätte entgehen können.
 

Eine Viertelstunde später waren sie weg und ich stand alleine mit Jasper in der großen Auffahrt und hörte zu, wie sich das Motorengeräusch immer weiter entfernte, bis es schließlich nicht mehr zu hören war.

„Alice.“

Ich wusste was mir bevor stand, aber ich wusste nicht, wie ich es anstellen sollte, wusste nicht, wie ich es ihm begreiflich machen sollte. Einen Wimpernschlag später stand er neben mir, während ich auf den Boden schaute. Vorsicht legten sich seine Finger an meine Wange und streichelten sie zärtlich, bis er mein Kinn schließlich anhob. Ich wehrte mich nicht, denn ich wusste, dass dieses Gespräch geführt werden musste.

Er schaute mir direkt in die Augen und ich erwiderte seinen Blick. Ich konnte förmlich spüren, wie er versuchte tief in mich hineinzuschauen, wie er versuchte meinen Blick zu deuten, zu verstehen.

Und dafür liebte ich ihn.

Er beugte sich vor, schloss die Augen und legte seine Stirn vorsichtig an meine.

„Lass mich teilhaben“, bat er leise. „Lass mich verstehen was deine Gefühle in solch einen Aufruhr versetzt.“

Ich schloss ebenfalls die Augen und genoss das Gefühl unserer Nähe. Seine Nasenspitze berührte leicht die meine und mit jeder Sekunde wurde es schwerer meine Entscheidung zu akzeptieren.

Ich konnte es nicht in Worte fassen, was ich ihm zu sagen hatte, deswegen öffnete ich mich, ließ meine Gefühle aus mir hinausfluten, so dass alle meine Empfindungen für ihn lesbar waren, wie Buchstaben für einen einfachen Menschen. Ich wusste, dass er es alles spüren konnte, meine Trauer, mein Hass, meine Angst, meine grenzenlose Liebe zu ihm und auch meine Schuldgefühle und meine wachsende Gier nach Rache.

„Du willst gehen“, flüsterte er und hielt seine Augen geschlossen.

„Ich muss gehen“, korrigierte ich ihn. Seine Stirn löste sich von meiner und er schaute mich skeptisch an.

„Du musst gar nichts. Du kannst einfach hier bleiben und warten bis es vorbei geht, warten bis du da mit umgehen kannst. Genau dass ist es, was das beste für dich wäre.“

Ich schaute auf den Boden.

„Nein, ich werde nach Italien gehen.“

Mit rasender Geschwindigkeit entfernte er sich von mir und lehnte nur eine Sekunde später an einem Baum, in etwas zweihundert Metern Entfernung. „Wir werden nicht gehen“, sagte er schließlich.

Ich sog die Luft in meine Lungen. Es fiel mir schwer das du sagen, was ich sagen musste, aber es ging nicht anders. Mein Herz verlangte es.

„Nein“, stimmte ich ihm zu. „Wir werden nicht gehen. Ich werde gehen.“

Innerhalb von einem Wimpernschlag war er wieder bei mir. Er wusste wie intensiv meine Gefühle waren, er wusste, wie ernst ich es meinte und er bebte. Er drückte mich nach hinten und ich ließ ihn gewähren, bis ich schließlich an einen Baum gedrückt wurde. Er schaute mich noch immer mit stechendem Blick an.

„Du wirst nicht gehen.“

Ich wich seinem Blick aus.

„Ich muss Jasper. Ich muss dort hingehen und es beenden. Sonst werde ich nie wieder so sein können wir früher.“

„Dann soll es so sein. Ich lasse nicht zu, dass du nach Volterra fährst. Du hast keine Chance gegen ihn“, seine Stimme war gepresst. „Ich werde lieber mit einer Alice leben, die sich ein wenig verändert hat, als mit einer, deren Asche ich in einem Säckchen um meinen Hals umher trage!“, er brüllte fast, drückte sich nach hinten weg und floh in den Wald, wenn auch nicht sehr weit.

Ich folgte ihm nicht, denn ich wusste, dass er jetzt ein paar Sekunden für sich brauchte. Genauso wie ich. Meine Finger wanderten zu dem kleinen Säckchen um meinen Hals. Es war unfair gewesen das zu sagen, was er gesagt hatte, aber ich nahm es ihm nicht übel. Er war so verständnissvoll in allen Dingen die ich wollte, aber wenn es um meine Sicherheit ging, brauchte es nicht viel, um ihn ausrasten zu lassen.

„Du wirst nicht gehen“, hörte ich ihn wieder sagen und konnte ihn sekundenspäter unter den Bäumen ausmachen.

„Ich muss Jasper. Ich kann gar nicht mehr anders, ich habe es gesehen.“

„Du kannst dich noch umentscheiden.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein“, flüsterte ich leise. „Es war keine aktive Entscheidung von mir. Ich habe selbst erst durch meine Handlung in der Zukunft gesehen, dass sich mein Herz zu dem entschlossen hatte, vor dem mein Verstand zurück geschreckt ist.“

„Du kannst dich umentscheiden!“, beharrte er und ich seufzte leise, während meine Finger noch immer an dem kleinen Säckchen herumspielten.

„Versteh doch Jasper, ich kann mich gegen eine unbewusste Entscheidung nicht wehren. Genauso wenig wie ich mich dagegen wehren kann dich zu lieben, auch wenn das zweifelsohne das Schönste ist, was ich erleben darf.“

Er schnaubte nur und rannte wieder in den Wald. Ich wusste genau, dass er mich hören konnte und ich wusste auch, dass er mir genau zu hören würde, auch wenn es nicht den Anschein danach hatte, deshalb fuhr ich fort:

„Ich wandele jetzt schon seit Wochen durch die Gegend, ohne zu wissen, was zu tun ist. Ohne zu wissen, was ich selber tun muss. Als wir im Wald waren, hab ich es gesehen. Ich kann zwar meinen Fehler nicht rückgängig machen, aber ich kann Rache üben für die, die mir so wichtig waren und genommen wurden, um meine Schuld ein wenig zu verringern.“

„Du bist unschuldig. Der einzige, der dafür zur Rechenschaft gezogen werden könnte, ist Aro.“

Es tauchte wieder auf und ich nickte leicht.

„Aber nicht von dir!“, fügte er noch scharf hinzu und lehnte sich an einen Baumstamm. „Er ist nicht umsonst einer der Volturi und Edward ist damals nicht umsonst zu ihm gegangen um sich von ihm umbringen zu lassen, als er dachte, Bella wäre tot.“

„Ich muss Jasper. Bevor nicht auch seine Asche vom Wind über die Welt verstreut wird, werde ich keine Ruhe finden. Vorher werde ich mir selbst nicht verzeihen können.“

Ich schloss die Augen und als ich sie wieder öffnete, war sein Gesicht ganz dicht an meinem. Ich atmete seinen Duft ein, ganz fein und kaum wahrnehmbar, aber doch vorhanden, so wie bei allen Vampiren. Ich hätte ihn unter tausenden wieder erkannt.

„Und wie soll ich mir verzeihen, wenn du nicht zurück kommst?“

Ich antwortete nicht, wusste nicht, was ich sagen sollte. Es vergingen mehrere Minuten und ich spürte, dass er mir noch immer ganz Nahe war, als ich schließlich murmelte:

„Du bist stärker als ich, du kannst es schaffen.“

Irgendetwas flog durch die Gegend, ich hörte wie es aufprallte und spürte vorher den Wind. Dann legte sich wieder eine Hand an meine Wange, streichelte sie sanft und schließlich flüsterte er: „Schau mich an.“

Ich zögerte kurz, dann tat ich ihm den Gefallen. Mein Kopf lehnte noch immer an seiner Hand und seine andere strich mir zärtlich über die Lippen.

„Du bist mein ein und alles, Alice. Ich würde es nicht ertragen dich zu verlieren.“ Er schaute mir noch immer in die Augen. „Bitte lass uns hier bleiben.“

Mein Herz schrie danach ihm seine Bitte zu erfüllen, bei ihm zu bleiben und einfach darauf zu warten, dass es vorbei ging, dass es besser wurde, aber ich wusste, dass ich ihn nie wieder so lieben konnte wie zuvor, wenn ich es nicht schaffte, den Hass und das gierige Verlangen nach Rache zu stillen.

„Er hat meinen Bruder getötet. Er hat ihm das einzige genommen, dass ihm je etwas bedeutet hat und ich habe zugelassen, dass Edward ihr nach folgt.“

„Du konntest nichts dafür, wir waren nicht schnell genug da.“

„Ich bin Schuld Jasper, ich habe gezögert. Ich wusste, was geschehen würde und ich habe es nicht verhindert.“

Er schwieg ein paar Sekunden, denn er wusste nicht, dass die Geschichte, dass ich zu weit entfernt gewesen war um Edward zu retten, nicht der Wahrheit entsprach. Ich seufzte leise und legte meine Hand an seine Wange, so wie er es bei mir tat.

„Ich habe Jahrzehnte lang alles gegeben, um ihn vor diesem Schicksal zu bewahren. Ich habe jeden seiner Schritte überwacht und habe mehr in der Zukunft, als in der Gegenwart gelebt um Bescheid zu wissen, wenn er sich wieder einen Plan zu recht gelegt hatte, um uns zu verlassen. Und jedes Mal habe ich es geschafft, ihn davon abzuhalten. Aber ich wusste auch von Anfang an, dass es einen Tag geben würde, an dem ich zögern würde…“, ich schaffte es nicht weiterzureden, sondern schaute hoch in den Himmel. Die Schuldgefühle in mir drohten mich aufzufressen.

„Alice?“

Ich schluckte, dann fuhr ich fort.

„Ich wusste, dass es einen Tag geben würde, an dem mich meine Sicherheit verlassen würde. Ich hab schon vor über siebzig Jahren gesehen, dass der Tag kommen würde, an dem ich mich fragen würde, warum ich das tue. Warum ich ihn so quälte, in dem ich ihn dazu zwinge am Leben zu bleiben. Und ich hab gesehen, dass ich an diesem Tag für ein paar Stunden der Meinung sein würde, dass es seine Entscheidung ist. Ich hab es gewusst und konnte nichts dagegen machen! Und Edward wusste die ganze Zeit über Bescheid, er hat es in mir gelesen und wusste, dass der Zeitpunkt kommen würde, an dem ich zögern würde. Genau so lange, dass es ihm möglich sein würde, zu gehen. Er hat Jahrzehnte auf diesen Tag gewartet und als es dann soweit war und er in mir gesehen hat, dass ich zweifelte, dass ich ihn gehen lassen würde, hat er seine wahrscheinlich einzige Chance genutzt und ist gegangen. Ich hab es gewusst Jasper, seit Jahren und ich habe nichts dagegen gemacht. Ich bin Schuld an seinem Tod, denn ich hätte Vorkehrungen für diesen Tag treffen sollen…stattdessen habe ich zu gesehen, wie er sich auf seinen Weg gemacht hat, ohne dass ich auch nur Anstalten gemacht habe einzugreifen.“

Meine Stimme war trocken und ich bin sicher, dass diese Situationen zu denen gehörte, in denen Menschen Tränen in den Augen hatten. Wäre ich dazu im Stande gewesen zu weinen, hätte ich es spätestens jetzt getan.

Ich spürte wieder seine kalte Stirn an meiner und streckte meine Arme nach Jaspers Körper aus. Ich schlang sie um seinen Hals und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter.

Die Umarmung tat mir gut und als er mich auf seine Arme hob, ließ ich mich bereitwillig von ihm durch den Wald spazieren tragen, während ich in meinem Kummer versank. Die Tatsache, dass ich verantwortlich war, für den Tod meines geliebten Bruders, nagte an mir, biss meine Seele und peitschte mein Herz. Ich weiß nicht genau wie lange er mich so durch den Wald getragen hat, aber als ich mein Gesicht schließlich aus seiner Halsbeuge nahm, war es dunkel und der Mond glitzerte bereits wieder über uns.

Ich schaute Jasper an, der immer weiter einen Schritt vor den anderen machte. Er wollte nicht, dass ich es tat, aber ich war mir sicher, dass er innerlich wusste, wie sehr ich mich quälte und dass es der einzige Weg war nicht nur Edward und Bella ehrenvoll ruhen zu lassen, sondern auch, um mich und meine Gedanken von dem Hass, den ich empfand und der fast alles andere überdeckte, zu befreien. Es war meine einzige Chance Jasper irgendwann wieder so lieben zu können, wie ich es vor hundert Jahren getan habe, als mein Inneres noch voll und ganz von Liebe erfüllt gewesen war und nicht von Rachsucht, die in der Lage war, alles andere zu überdecken, ja schon fast unwichtig zu machen.

Ich musste kämpfen.

Für Bella und Edward.

Und für meine Liebe zu Jasper.

„Ich werde gehen“, sagte ich in die Stille des Waldes hinein und Jasper hielt inne. Dann ließ er mich langsam wieder auf die Füße gleiten.

„Ich muss“, wisperte ich „Für Bella und Edward und auch für mich.“

Er sagte nichts, schwieg einfach nur und schaute mich an. Dann öffnete er den Mund, wollte etwas sagen, aber ich verschloss ihn sanft mit meinem Zeigefinger, denn ich wusste bereits, was er mich wissen lassen wollte.

„Und ich werde alleine gehen. Ohne dich. Es ist zu gefährlich als dass ich es die erlauben könnte mitzukommen, denn auch wenn mein Hass und meine Rachsucht, die in mir brodelt wie ein Kessel heißes Wasser, sich immer weiter in mir ausbreiten, so weiß ich doch, dass ich dich liebe und dass ich dich unter keinen Umständen verlieren will.“

Dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen, hielt mich an seinen Schultern fest und küsste ihn sanft auf die Lippen.
 

~.~
 

Woala, dieses Mal war ich schneller:) Hab mich nur gefragt wo so viele beim letzten Kapi gewesen sind...mögt ihr mich nicht mehr??? *entsetzt ist*

Wenn ich euch was getan hab sagt bescheidxDDD Aber jetzt mal zu dem Geschreibsel da oben^.^

Ich bin irgendwie stolz drauf und finds relativ gelungen...und langsam aber sicher schaffe ich es die Beziehung von Alice und Jasper zu 'definieren'...wird ja an sich nicht so viel in den Orginalen drüber geschrieben deshalb mach ich es so, wie ich es mir vorstelle:)

Ich hoffe es hat euch gefallen:P

Ach ja: Ich würd mich freuen, wenn ein paar von euch vielleicht auch mal meine anderen Geschichten lesen (insbesondere die Kurzgeschichten/Orginale), die Kritik daran kann mir nämlich wirklich weiterhelfen was meinen Stil und meine Ideenumsetzung betrifft:)
 

lg,

Biss^.^

Despair

Aloha hey:)

Hab wieder ein bisschen gebraucht...aber verzeiht mir und dankt der emy:) Hier ist das neue Kapitel, aber habt Rücksicht, es war nicht bei meiner Beta:) Bzw es ist da, aber sie ist damit noch nicht fertig, aber ich wollte es euch noch länger vorenthalten^-^
 

lg
 

~.~
 

Mein Versteck war nur notdürftig und mir war bewusst, dass ich etwas Neues würde finden müssen und zwar schnell, aber es würde reichen um sich einen Tag darin aufzuhalten und den verräterischen Sonnenstrahlen auszuweichen. Momentan befand ich mich in einem alten Keller, eigentlich hatte ich weiterkommen wollen, aber der frühe Sonnenaufgang Italiens hatte mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich trat an das kleine Fenster, durch das ich in das Gebäude eingebrochen war und starrte hinaus. Die Sonnenstrahlen die meine kalte Haut aufzuwärmen versuchten verwandelten meinen Arm in etwas, was viele Kunstkritiker vielleicht als abstrakte Kunst bezeichnen würden. Für mich war es normal.

Mit einem Ruck löste ich mich von der Öffnung, ich wollte kein Risiko eingehen und auch wenn ich mir sicher war, dass niemand in der Nähe war, der mich an dem kleinen Kellerfenster hätte sehen können, war es besser auf Nummer sicher zu gehen. Ich war zwar noch gute zweihundertfünfzig Meilen von Volterra entfernt, aber dieser kleine, verborgen liegende Ort gehörte eindeutig zu ihrem Revier und ich wollte nicht, dass es auch nur das geringste Gerücht über meine Anwesenheit gab. Sollte eines entstehen, dann würden die Volturi als erste davon wissen.

Ich ließ mich im Schneidersitz auf dem Boden nieder und wartete. Wartete darauf, dass sie Sonne unterging und ich mich wieder ungehindert unter freiem Himmel bewegen konnte und mich nicht in diesem Kellerloch verstecken musste um meine Identität geheim zu halten. Die Besitzer des Hauses waren früh zu einem Ausflug aufgebrochen und ich wusste, dass sie nicht vor hatten vor dem späten Abend wieder zu kommen. Bis dahin würde ich schon längst wieder weg sei. Das Vibrieren des Handys in meiner Hosentasche beanspruchte meine Aufmerksamkeit und als ich auf den Display schaute, fühlte ich mich innerlich entzwei gerissen. Es war bereits sein neununddreißigster Anruf, seit dem ich es geschafft hatte ihm zu entkommen.

Es war schwer gewesen, er wusste zu gut, wie er meine Gefühle zu deuten hatte, aber letzten Endes hatte ich gewusst, das es mir gelingen würde seiner Obhut zu entfliehen. Das Handy summte weiter, appellierte an mein Herz, flehte mich nahezu dazu an, endlich ranzugehen. Aber war es richtig? War es nicht vielleicht besser Abstand zu wahren bis das Ganze vorbei war, um sicher zu sein, dass er nicht mit hineingezogen wurde?

Mein Verstand rebellierte, aber er war nicht stark genug um meinen Gefühlen Einhalt zu gebieten. Mein kleiner Daumen wanderte über die Tasten und drückte schließlich auf den grünen Hörer.

„Alice.“

Ich konnte seine Stimme bereits hören, noch bevor ich das kleine Telefon ans Ohr hielt.

„Jasper.“

„Du bist gegangen.“, stellte er nüchtern fest. Nicht das leiseste Anzeichen des Vorwurfs in seiner Stimme.

„Ja. Ich musste es tun.“

„Ich weiß“, dann schwieg er. Ich weiß nicht wie lange keiner von uns etwas sagte und es war auch egal. Nachdem ich jetzt bereits mehrere Tage alleine unterwegs war, reichte es mir vollkommen zu wissen, dass er bei mir war, auch wenn er nichts sagte und sich genau genommen auf der anderen Seite des atlantischen Ozeans befand.

„Wo bist du?“, fragte er schließlich leise in die Stille zwischen uns hinein und diesmal schaffte er es nicht seine Gefühle zu verbergen. Ich konnte die Angst darin hören, den Kummer, die Verzweiflung.

„Nicht da wo ich gerne sein würde“, antwortete ich genauso leise.

„Und wo würdest du gerne sein?“

Wo wollte ich sein? Mein Herz schrie nach seinen Armen, meine Hände wollten sich in seinen Haaren festkrallen, mein ganzer Körper sehnte sich nach ihm, seiner Nähe und der Geborgenheit, die nur er mir geben konnte. Und dann war da noch der Teil in mir, der nach etwas anderem verlangte, der nichts mehr wollte, als dass sich meine Reißzähne durch die pergamentartige Haut an Aros Hals bohrten. Ich schloss die Augen.

„Alice?“

„Ich liebe dich Japser, bitte vergiss das nicht.“ Dann legte ich auf.
 

Die Dunkelheit, von der ich es gewohnt war geschützt zu werden, würde mir nicht viel nützen, dass wusste ich. Dennoch behielt ich mein Tempo bei, ging langsam aber sicher auf die Einfahrt Volterras zu. Ich war bereits letzte Nacht hier gewesen ohne dass mich jemand bemerkt hatte. Mit etwas Glück würde es mir ein zweites Mal gelingen. Nein, es musste mir ein zweites Mal gelingen. Ich hatte alles genau geplant und wusste genau, dass es fatale Folgen haben würde, wenn es nicht so vonstatten ging, wie ich es wollte. Es war gefährlich, aber meine Verzweiflung trieb mich nun schon zum zweiten Mal hierher. Die nächtlichen Ausflüge in die alte Stadt in der sich der aufhielt, der nichts anderes als den Tod und einen ewigen Aufenthalt in der Hölle verdiente, sollte mir dabei helfen endlich zu entscheiden, was zu tun war, aber bis jetzt hatte ich keinen Erfolg gehabt.

Mein langer Rock, der für diese Gegend üblich war, schleifte über den Boden und wippte hin und her, während ich weiter vorwärts ging. Er war nicht gerade das geeignetste Kleidungsstück zum kämpfen, aber ich hatte nicht vor es so weit kommen zu lassen. Würde es dennoch passieren, hatte ich ohnehin keine Chance.

Meine Schritte hallten von den Wänden der teils sehr eng beieinander stehenden Häuser wieder und ich behielt meine Umgebung wachsam im Auge. Es war nahezu unglaublich, aber es schien tatsächlich so, als wenn der Garde meine Anwesenheit nicht auffiel. Bei meinem ersten Ausflug hatte ich dieser Tatsache keinerlei Beachtung geschenkt, aber inzwischen kam es mir merkwürdig vor.

Ich schlich weiter durch die Gassen bis ich endlich wieder an der Stadtmauer ankam. Ich sprang hinauf und ließ mich auf dem kalten Stein nieder um die vor mir liegende Stadt im Mondlicht zu betrachten. Von hier aus konnte ich über nahezu alle Dächer hinweg sehen, nur der Turm ragte groß und bedrohlich über alles anderen hinaus.

Wie würde es weitergehen, was würde geschehen?

Ich schloss meine Augen, um nicht von meiner Umgebung abgelenkt zu werden, und konzentrierte mich auf das, was kommen würde. Ich konnte sehen, wie Aro an einem mir unbekannten Ort auf und abschritt, grübelnd.

Was würde geschehen?

Flammen wirbelten vor meinem Auge hin und her, loderten auf, fraßen alles in sich hinein, dann erloschen sie, wurden zu schwarzer Asche. Dann blitzen Zähne auf, hart und strahlend weiß, als wären sie stundenlang poliert worden. Aro, auf dem Boden liegend, grässlich zerstückelt. Japser, der mit unbeschreiblich trauernder und wütender Miene Asche durch seine Finger rieseln ließ. Seine Überreste, verteilte Gliedmaßen, Gebrüll.

Keuchend riß ich die Augen auf. Seit Tagen wirbelten diese Bilder in meinem Kopf herum, raubten mir jede Hoffnung auf alles, zeigten mir, wie ich versagen würde, wie ich gewinnen würde, wie andere sterben würde.

Meine eigene Unentschlossenheit war die Falle, in der ich gefangen war. Solange ich nicht wusste, was ich tun würde um meine Rache zu nehmen, solange ich nicht entschieden hatte, was der nächste Schritt war um das zu bekommen, was ich unter allen Umständen haben wollte, solange konnte Aro sich nicht entscheiden.

Ein Teufelskreis, den ich nicht durchbrechen konnte. Ich konnte mich erst entscheiden, wenn ich wusste, was er vorhatte und er würde erst etwas gegen mich unternehmen, wenn ich mich entschieden hatte und anfing zu handeln.

Ich stand mir selbst im Weg.

Ein Gefühl und eine Erkenntnis, die fremd für mich waren.

Ich versuchte weiter mich in mich selbst zu versenken, herauszufinden, was ich wollte. Was ich tun würde und wie es weitergehen würde. Ich durchwühlte mein Gehirn nach einer Antwort und ließ schließlich verzweifelt die Schultern hängen. Eine Sackgasse, wie ich sie noch nie erlebt hatte.

Langsam hob ich den Kopf und schaute hinauf in den dunklen Himmel. Der Mond klebte hoch über mir und trotz der Entfernung konnte ich dank meiner hervorragenden Seeschärfe die großen Krater ausmachen, für die Menschen ein Teleskop benötigten.

„Edward, was soll ich machen?“, fragte ich schließlich und hoffte einen verzweifelten Moment lang auf eine Antwort, bis mir wieder klar wurde, dass er weg war, dass er mir nie wieder zur Seite stehen würde, dass er mir nie wieder eine Antwort geben würde.

Seufzend stand ich auf, ging nachdenklich auf der Mauer Volterras entlang und kletterte schließlich ohne Schwierigkeiten auf eines der Dächer, so dass ich den Platz vor dem Turm betrachten konnte. Er war leer und mit einem wehmütigen Lächeln dachte ich daran, wie mein Bruder genau dort seine über alles geliebte Bella zur Frau genommen hatte.

Ich konnte vor meinem inneren Auge sehen, wie er auf sie gewartet hatte und wie sie schließlich an Carlisle Arm in dem langen, wunderschönen Hochzeitskleid auf ihn zu geschritten war.

Etwas auf dem Platz regte sich. Ich blinzelte und schaute genauer hin, während ich mich innerlich selbst dafür schallte, dass ich meine Aufmerksamkeit vernachlässigt hatte. Wie um alles in der Welt hatte ich vergessen können, dass ich mich in Volterra befand, nur einige hundert Meter von Aros Haus entfernt, bewacht von den Begabtesten und Geübtesten Kämpfern, die meines Gleichen zu bieten hatte? In Windeseile, für jedes menschliche Auge unsichtbar, versteckte ich mich hinter einem Dachgiebel.

Jemand war dort unten gewesen und dieser jemand war nicht irgendein nächtlicher Spaziergänger gewesen, der in diesem Ort Urlaub machte und die vom Mondenschein erfüllte Nacht genießen wollte.

Ich konzentrierte mich auf das, was geschehen würde und sah vor meinen Augen die Bilder einer sich öffnenden Holztür. Eine Tür, wie ich sie schon Mal gesehen hatte, sie konnte nicht weit entfernt sein – der Turm! Die Tür führte ins Innere des Turmes und wenn jemand dieses Gebäude verließ, dann sollte ich mich so schnell wie möglich entfernen.

Wieso war ich überhaupt hergekommen, wie hatte ich glauben können, vollkommen unbemerkt für Stunden durch die Straßen wandern zu können? Es war klar gewesen, dass ich irgendwann auf jemanden stoßen würde und die Tatsache, dass ich es zugelassen hatte herumzuträumen, anstatt die Zukunft im Auge zu behalten, führte jetzt dazu, dass ich auf der Flucht war.

Ich wusste nicht, ob man mich bemerkt hatte, aber sicher war sicher. Ich würde den Ort so schnell wie möglich verlassen. Ich rutschte das Dach herab, ließ mich in einer der Gassen fallen und nur einen Wimpernschlag später hatte ich sie wieder verlassen. Ich hörte, wie etwas hinter mir krachte und wusste, dass meine Anwesenheit nicht länger unbemerkt geblieben war und ich verfolgt wurde. Hochkonzentriert lief ich durch die Straßen, sprang auf die Dächer und wich allen, die die Verfolgung aufnahmen, gekonnt aus. Sie waren in der Überzahl, aber noch waren ihre stärksten Kämpfer noch nicht anwesend und ich dank meiner Zukunftsvisionen noch überlegen. Einen Kampf würde ich zwar auf keinen Umständen überleben, aber die Flucht bot mir noch genug Chancen, um nicht zu verzweifeln. Ich sah, wie in ein paar Sekunden ein Jäger von einem höheren Dach aus auf mich springen würde, noch bevor er in der Luft war, ließ ich mich wieder in eine der Gassen fallen, rannte um eine Ecke, sprang über eine kleine Mauer und erklomm erneut ein Gebäude. Ich schaute mich nicht um, denn ich wusste, dass sie mir noch immer auf den Fersen waren und ich wusste auch, dass Felix unterwegs war und mir in knapp einer Minute am südlichen Teil der Stadt den Weg abzuschneiden gedachte. Ich schlug einen Haken, steuere auf den Nordosten zu und sah zu meiner Überraschung, dass mein Plan funktionieren würde.

Sie wussten nicht, wer ich war, das war die einzige Erklärung. Sie wussten nicht, dass ich eine der Cullens war, diejenige, die in die Zukunft zu schauen fähig war und die den Tod ihres Bruder zu rächen gedachte. Sie hielten mich für einen einfachen, ungefährlichen Eindringling.

Ich sprang auf ein weiteres Dach und war froh, dass mein Rock an einer Ecke hängen blieb und mit einem lauten, hässlichen Geräusch auf Kniehöhe abriss. Wenn sie nicht wussten wer ich war, dann bedeutete das, dass meine Chancen einigermaßen heil aus der Sache herauszukommen nicht ganz so schlecht standen, wie ich befürchtet hatte. Alles hing davon ab, wie weit sie mich auch außerhalb der Stadt noch verfolgen würden.

Ich konzentrierte mich wieder auf die Flucht, konnte die leisen Sohlen, die geschickt über die Dächer rannten und mir folgten, hören und auch das leise, erstaunte Geflüster entging mir nicht. Dann sah ich etwas, was alles durcheinander brachte. Zwei weitere Personen, die sich langsam zwischen den Häusern bewegten und zwar genau in dem Teil der Stadt, durch den ich zu fliehen gedachte. Einen Moment lang zog ich es in Erwägung erneut die Richtung zu wechseln, einen Haken zu schlagen und meine Verfolger wieder zu verwirren, aber mir wurde schnell klar, dass es dafür zu spät war.

Ich hatte sowohl die Stadtgrenze als auch die beiden Vampire fast erreicht. Nur noch wenige Meter, ein paar Schritte – dann sprang ich über die Gasse hinweg und wusste schon im nächsten Augenblick, dass auch sie die Verfolgung aufgenommen hatten. Ich schaute mich nicht um, sprang kräftig ab, landete auf dem nächsten Dach und wich einem Angreifer von der Seite her aus. Die Wucht, mit der er auf mich zu gerannt war um mich umzustoßen, war so groß gewesen, dass es ihm nun, nachdem er mich verfehlt hatte, nicht möglich war noch rechtzeitig abzubremsen. Ich konnte hören, wie irgendetwas gedämpft ächzte und klirrte, als er schließlich in einer Gasse verschwand.

Noch immer traute ich mich es nicht, mich umzudrehen, denn ich konnte hören, dass sie nicht weit entfernt waren. Wieder sah ich, wie mich jemand von der Seite angreifen würde, aber irgendetwas stimmte nicht. Die Art und Weise des Angriffes, wie er ausgeführt wurde – es wirkte falsch, so als wäre der Jäger auf irgendetwas ganz bestimmtes bedacht. Dennoch wich ich ihm ohne zu zögern aus, auch wenn ich mir sicher war, dass es auf irgendeine Art und Weise eine Finte gewesen war. Weiter rennend konzentrierte ich mich voll und ganz auf die Mauer und als ich sie schließlich erreicht hatte, setzte ich mit einem finalen Sprung darüber hinweg. Noch im Fallen sah ich wieder einen dieser seitlichen Angriffe, genau so geplant, dass ich ihm nur durch meine Gabe ausweichen konnte, ansonsten wäre ich dem Jäger direkt in die Arme gesprungen.

Als meine Füße den Boden berührten, zögerte ich keine Sekunde sondern nutzte das kleine Feld vor mir um zu beschleunigen, ich durfte mir keinerlei Nachlässigkeit erlauben, doch schon nach ein paar hundert Metern stutzte ich. Das Geräusch, das meine Verfolger gemacht hatten, wenn sie über den Boden gerannt waren, das leise Geflüster, es war weg.

Eigentlich musste ich so schnell wie möglich weg, das wusste ich, trotzdem wurde ich langsamer und drehte mich schließlich um. Das Feld hinter mir war leer, vollkommen frei. Keine Person war dort zu sehen und selbst meine Augen konnten niemanden ausmachen, der sich eventuell in auf den Boden kauerte um meinem Blick zu entgehen.

Ich runzelte die Stirn. Irgendetwas war ganz gehörig schief gelaufen. Zum einen die Tatsache, dass ich so naiv, so dumm gewesen war zu glauben, dass ich einfach ein paar Mal hintereinander nach Volterra gehen konnte ohne aufzufallen, aber das man mich schließlich entdeckte, verfolgte und dennoch laufen ließ, sobald ich die Stadtgrenze überquert hatte, kam mir noch merkwürdiger vor.

Mein Blick wanderte über das noch immer leere Feld bis hin zu der Stadt, die jetzt in knapp einem Kilometer Entfernung lag. Dank des Mondlichtes konnte ich ohne weiteres erkennen, dass mehrere Personen auf den Dächern der Häuser am Rande der Stadt standen. Sie hatten die Verfolgung tatsächlich aufgegeben. Warum?

Ich konzentrierte mich auf die dunklen Schemen, die noch immer auf den Dächern verharrten und – da war ich mir vollkommen sicher – in meine Richtung schauten. Auf die Entfernung und in der Nacht sahen sie alle nahezu gleich aus, dunkle Umhänge und Tücher, die sie scheinbar noch nicht einmal während der Abwesenheit der Sonne ablegten. Aber sie strahlten nicht alle die gleiche Präsenz aus. Ich schloss die Augen und ließ meine Gedanken in die Zukunft abschweifen, ich war mir inzwischen sicher, dass sie mir nichts mehr tun würden, ansonsten wären sie nicht zurückgeblieben. Verzweifelt suchte ich nachdem, was geschehen würde, nach dem Grund für das, was sich zugetragen hatte.

Und ich fand ihn.

Fand die Antwort auf die Frage, wer dort drüber auf den Häuserdächern stand, warum man mich verfolgt und schließlich hatte laufen lassen. Wessen Willen dahinter stand und was diese jemand zu tun gedachte.

Erschrocken riß ich die Augen auf und starrte wie eine Wahnsinnige hinüber zur Stadt, deren Dächer inzwischen leer waren.

Ich konnte es nicht zulassen, ich musste es verhindern.

Ich drehte mich um und rannte.

Too late

Aloha hey:)

Ich melde mich zurück und jaaaaaaaa ich weiß, dass es ziemlich lange gedauert hat, aber wie ein paar Leute aus meinem Weblog vielleicht schon wissen hatte ich ein paar technische Probleme, die leider immer noch nicht behoben sind.

Zum Kapitel:

1) Es ist wieder nicht beta gelesen, weil es ohnehin schon so lange gedauert hat und ich euch nicht noch länger warten lassen möchte.

2)ich weiß, dass die Anführungsstriche im DEutschen vorne nach unten kommen, aber irgendwie will mexxe nicht und ich habe keine Lust das jetzt noch mal alles andes zu formatieren, also stört euch nicht so dran, ja??xD
 

Anonsten,

viel Spaß beim lesen.

lg

Biss
 

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Die Bilder, die in meinem Kopf widerhallten und einfach nicht verschwinden wollten, blendeten mich und so sehr ich sie auch zu verscheuen suchte, sie ließen mich nicht in Ruhe. Ich hatte so lange darauf gewartet zu wissen, was geschehen würde, hatte so lange ausgeharrt um zu erfahren ob es mir vergönnt sein würde meine Fänge in Aros jahrhunderte alte Haut zu schlagen und nun, da endlich ein Teil der Zukunft offenbart war, wünschte ich mir mehr als alles andere, es nie erfahren zu haben.

Meine Beine trugen mich vorwärts, immer weiter, immer weiter.

Ich rannte, so schnell wie ich konnte, so schnell, wie ich noch nie vorher gelaufen war, ohne zu wissen wohin. Der einzige Gedanke, der in meinem Kopf pochte, war, dass ich weg musste.

So weit weg wie möglich.

Ich durfte nicht zurückkehren, zu niemandem.

Mein seit Jahren totes Herz verkrampfte sich schmerzhaft in meiner Brust, während Jaspers Bild vor mir aufstieg und mir bewusst wurde, dass ich ihn nie wieder sehen durfte. Weder ihn, noch Carlisle, Esme, Emmett oder Rosalie.

Niemanden.

Ich war eine zu große Gefahr für sie alle geworden, ich würde ihr Untergang sein, ihr Tod. Meine Beine rannten weiter, ohne dass ich ihnen den Befehl dazu gab und als schließlich die Sonne am Horizont aufging, erreichte ich das Meer. Die Wellen klatschten gegen die Felsen und ich stand einfach nur da und betrachtete die Wassermassen.

Ich war alleine, hatte niemanden. Wusste nicht, wo ich hingehen sollte.

Noch immer ließen meine Gedanken mich nicht zur Ruhe kommen, wirbelten in meinem Kopf hin und her, gaben mir keine Gelegenheit dazu klar zu denken, zu beschließen, was jetzt das Beste für mich wäre.

Meine Sinne waren benebelt und ich hatte das Gefühl, dass sich langsam ein schwarzes Loch in meiner Brust auftat, das immer größer und größer wurde, alles schöne auf dieser Welt verschluckte und es nie wieder zurück geben würde, so dass ich nur noch eine eintönige Welt, in einen Grauschleier gekleidet, wahrzunehmen in der Lage war.

Ich war alleine.

Ich war eine Gefahr.

Eine Gefahr für die, die ich liebte.

Die Sonne stieg immer höher, während ich einfach nur dastand und ins Nichts starrte. Der Schmerz, der sich in meiner Brust hartnäckig festgekrallt hatte, wollte einfach nicht verschwinden. Es war, als würde er mich von Innen heraus auffressen, mich nie wieder in Ruhe lassen, mir den Verstand rauben.

Ich durfte sie nicht wieder sehen, ich durfte Jasper nicht wieder sehen. Nie wieder durfte ich mich auf die Zehenspitzen stellen um seine Lippen zu küssen, nie wieder durfte ich mich von ihm umarmen lassen, um mich geboren zu fühlen.

Nie wieder seine Anwesenheit bei mir spüren.

Nie wieder.

Nie wieder.

Es war zu ihrem Schutz.

Ich liebte sie zu sehr, als dass ich mich wieder in ihre Nähe begeben konnte. Jetzt konnte ich spüren, wie Edward gelitten hatte. Konnte fühlen, was ich ihm angetan hatte, in dem ich gut hundert Jahre lang nicht habe fortziehen lassen, konnte fühlen, was Aro im angetan hatte. Wie Aro ihn verletzt hatte, wie er es geschafft hatte ihn von innen heraus zu zerstören, so sehr, dass er selbst nach einem Jahrhundert nicht in der Lage gewesen war, er selbst zu sein. Und nun würde ich daran zu Grunde gehen.

Ich würde mich opfern müssen, um meine Liebsten leben zu lassen, leiden, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Meine Zähne bleckten sich, während die Sonnenstrahlen meine Haut kitzelten und sie zum leuchten brachten.

Aro war schuld.

Nur er war dafür verantwortlich, dass meine Familie zerbrach, langsam zugrunde ging und niemals mehr so sein würde, wie sie einmal gewesen war. Wie konnte es sein, dass ein einziger Vampire, egal wie lange er schon über diese Erde ging, das Recht dazu hatte, Liebende zu trennen, sie zu zwingen für einander zu sterben? Wie konnte es sein, dass niemand dem Einhalt gebot, der sich nicht an seine eigenen Regeln hielt, willkürlich Entscheidungen über Liebe und Hass traf, ohne das Recht dazu zu haben. Sein Gesicht stieg vor meinem geistigen Auge auf.

Ich konnte sine alte, beinahe weiße und pergamentartige Haut sehen, seine stechend rote Augen und seine Lippen die sich zu einem wissenden, überheblichen und selbstgefälligen Lächeln verzogen und seine spitzen Fänge, die gefährlich funkelten und eine Welle unkontrollierten Hasses fiel über mich herein. Sie überschüttete mich, drang in jede Zelle meines untoten Körpers hinein, drohte mich zu ertränken, während ich nicht in der Lage war, das Bild dieses schrecklich selbstsüchtigen Monsters aus meinem Kopf zu vertreiben.

Meine Fäuste ballten sich, meinte ganzen Muskeln spannten sich an und ich fühlte mich, als wenn ich vor Emotionen zu zerplatzen drohte.

Aro.

Aro.

Aro.

Aro.

Er kam immer wieder in meinem Kopf, immer und immer wieder, zeigte mir, dass ich Schuld war, dass ohne meine Existenz alle anderen in Sicherheit wären, zeigte mir, wie klein und unbedeutend ich in der Hierarchie war, wie wenig ich zu sagen hatte, wenn es um mein Schicksal und um das meiner Liebsten ging.

Ich ging in die Knie, ließ mich auf den Boden sinken, da ich das Gefühl hatte das Gewicht, das auf meinen Schultern lastete, nicht mehr tragen zu können. Mit geschlossenen Augen hockte ich da, spürte die Tränen in meinen Augen brennen, die ich nicht weinen konnte und versuchte meinem Herzen zu erklären, dass ich Abschied nehmen musste.

Das ich keine andere Wahl hatte.

Der quälende Gedanke pochte noch immer in meinem Kopf, während sich mir die Frage auftat, ob ich jetzt gleich abschied nehmen musste, sofort gehen und mein bisheriges leben hinter mir lassen musste, oder würde ich noch eine letzte Chance bekommen, wenigstens Japser noch einmal zu sehen und in die Arme schließlich zu dürfen?

"Alice?"

Ich fühlte mich so einsam, war so alleine, wünschte mir so sehr, dass alles anders kommen würde, dass sich alles zum guten wenden würde, aber ich wusste, dass er seine Meinung nicht ändern würde, nicht um meinetwillen.

"Alice?" Seine Stimme in meinem Kopf machte die Situation noch viel unerträglicher, sie quälte mich, hielt mich gefangen, weigerte sich mich loszulassen.

"Alice!"

Eine Berührung am Arm ließ mich zusammenzucken. Meine Vampirsinne waren so in sich gekehrt, dass sie nicht in der Lage gewesen waren irgendetwas von außen wahrzunehmen, so dass ihnen das erste Mal seit Jahren etwas entgangen waren. Ich rollte mich erschrocken zur Seite, sprang auf die Beine und wäre im nächsten Moment beinahe zusammengebrochen. Da stand er.

Der, den ich nie wieder sehen sollte, um ihn zu beschützen. Seine helle Haut funkelte im Sonnenlicht, seine wunderschönen Augenbrauen waren gerunzelt und aus besorgten Augen schaute er mich an.

"Alice?", fragte er dann leise und ich spürte wie mein ganzer Körper anfing zu zittern, wie er sich danach sehnte sich ihm in die Arme zu schmeißen, aber ich hielt mich zurück, hielt mir vor Augen wie wichtig es war ihn nicht zu kennen, ihn zu vergessen.

Ihn zu schützen.

"Was machst du hier?", flüsterte ich, starrte ihn an, konnte meine Augen nicht von seinem wunderschönen Gesicht abwenden, schaffte es nicht mich umzudrehen und zu laufen, ihn zu verlassen. Ein gequältes Lächeln huschte über sein Gesicht und hilflos vergrub er die Hände in den Taschen seiner Hose.

"Hast du wirklich geglaubt, dass ich zwei Wochen lang in Amerika sitze und darauf hoffe, dass du irgendwann wiederkommst, während ich genau weiß, dass du in Italien bist und dich in einen Kampf zu stürzen, den du wahrscheinlich nicht überleben wirst? Du hast doch nicht wirklich daran geglaubt, dass ich so schnell aufgeben und dich einfach gehen lasse, oder?" Wie hatte ich so naiv sein können?

Ich würde für ihn alles tun, die Welt opfern, wenn nötig mich selbst, wie hatte ich glauben können, dass er so schnell aufgeben und mich ziehen lassen würde?

"Aber wie kommst du hierher?", fragte ich mit gebrochener Stimme. Es zerriss mich ihn zu sehen, zu wissen, dass ich ihn liebte und gleichzeitig zu wissen, dass ich ihn nie wieder berühren durfte.

"Flugzeug. Ich bin schon seit ein paar Tagen in der Gegend, weil ich mir sicher war, dass du hier bist, aber ich hab dich einfach nicht gefunden."

"Ich war in Volterra", murmelte ich mehr zu mir selbst als zu ihm, aber er entging ihm trotzdem nicht. Seine Gesichtszüge verhärteten sich, auf seiner Stirn zeichneten sich tiefe Falten ab, als er mich unverwand anschaute.

"Du warst in Volterra?", wiederholte er leise.

Seine Stimme war voller Angst, Unglauben, aber auch Erleichterung lag darin, Erleichterung darüber, dass ich jetzt hier stand, unverletzt.

Scheinbar unverletzt.

Er musterte mich weiterhin, bis er schließlich nachhakte.

"Was ist los Alice? Was ist passiert? Ich kann fühlen, wie aufgeregt du bist, ich spüre, wie die Emotionen durch deinen Körper jagen, die nicht in Ruhe lassen und deine Sinne vernebeln. Ich fühle die Angst, den Zorn, den Hass, die Liebe und die unbändige Verzweiflung, die in deinem Herzen sitzen. Was ist passiert?"

Er war zum Ende hin immer leise geworden, so dass ich zum Schluss das Gefühl hatte, dass ich seine Worte nur noch in meinem Kopf hörte und nicht mit meinen Ohren. Ich schloss die Augen, atmete die salzige Meeresluft ein und öffnete sie dann wieder, während ich hoffte, dass Japser die unendliche Liebe für ihn, die aus meinen Augen sprach sehen konnte, als ich schließlich schluckte und leise sagte:

"Geh."

Es kostete mich so viel Überwindung dieses Wort auszusprechen, dass ich überrascht von mir selbst war, als ich ihm weiterhin in die Augen blickte.

"Geh Japser. Bitte geh."

Traurigkeit lag in seinen Zügen und Angst spiegelte sich in seinen Augen.

"Du willst, dass ich gehe?"

"Ja. Geh Jasper. Und komm nicht wieder. Mir zu Liebe."

Ich fühlte keinen Schmerz mehr, es war, als wäre in mir alles zerbrochen, ein riesiges Nichts, das nicht in der Lage war irgendetwas zu fühlen.

"Geh.", wiederholte ich und sah ihn flehend an.

Für deine Sicherheit.

Lauf so schnell du kannst und lebe bis in alle Ewigkeit. Erst jetzt verstand ich, wie viel Kraft es Edward damals gekostet habe musste Bella zu verlassen, mit uns weiter zuziehen, ihr zu sagen, dass er sie nicht mehr liebte, um ihrer Sicherheit Willen. Er schaute zur Seite, nicht in der Lage meinem Blick standzuhalten. Es war schrecklich ihn so zu sehen, so niedergeschlagen, aber noch schrecklicher war es, als er schließlich wieder den Kopf hob, mir direkt in die Augen schaute und "Nein", sagte.

"Bitte geh", flehte ich ihn an, aber er schüttelte den Kopf.

"Nein", wiederholte er. Ich wusste, dass er seine Wahl getroffen hatte, dass er bleiben würde, egal um welchen Preis, aber mein Inneres wollte es nicht akzeptieren.

"Geh"; forderte ich ihn wieder auf.

"Geh endlich", meine Stimme wurde immer lauter, ich konnte höre, wie sie immer schriller wurde, während ich ihn verzweifelt darum anflehte mich endlich zu verlassen, was mir innerlich das Herz brach.

Aber ich hatte mich entscheiden.

Für sein Leben.

Ich schrie ihn an, mit aller Kraft die ich aufbringen konnte, während der Hass auf Aro in mir immer größer wurde, aber egal was ich tat, Japser blieb mit verschränkten Armen stehen und machte keinerlei Anstalten endlich zu gehen. Erst als ich vor Verzweiflung in die Knie ging, ihn nicht länger anschauen konnte und leise schluchzte "Warum? Warum gehst du nicht?", bewegte er sich wieder und kam auf mich zu.

"Ich kann spüren, was du fühlst", murmelte er und nahm mich in den Arm. Obwohl ich wollte dass er ging, sein Leben rettete, genoss ich seine Berührungen. Ich wusste dass es falsch war, aber ich schlang meine Arme um ihn und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter.

"Und wenn du es irgendwann wirklich willst, dann werde ich gehen, aber ich spüre die Zuneigung in dir. Die Liebe die du für mich empfindest und so lange sie noch in deinem Herzen wohnt, werde ich dir überall hinfolgen, bis alle Ewigkeit, verstehst du. Und genau deshalb werde ich jetzt nicht gehen."

Er war ganz sachlich, ohne irgendeinen Vorwurf weil ich ihn angeschrien hatte, nicht sauer, weil ich gewollt hatte, dass er ging. Er würde nicht gehen, egal was ich tat, er würde mich nicht alleine lassen. Erleichterung darüber breitete sich in meinem Innern aus, obwohl ich wusste, dass es falsch war.

Ich hätte wütend sein sollen, weil er sich nicht in Sicherheit brachte, aber stattdessen ließ ich es mir gefallen, dass er mir sanft über den Rücken streichelte.

"Also, was ist passiert?"

Ich schwieg. Würde es ihn in noch mehr Gefahr bringen, wenn ich ihm davon erzählte? "Alice, was ist geschehen?"

Ich antwortete immer noch nicht, wusste nicht, was genau ich ihm erzählen würde und hatte Angst, dass er sauer auf mich sein würde, wenn er wüsste, dass ich der Grund dafür war, dass er nie mehr sicher sein würde.

"Alice! Ich bin vor zwei Tagen angegriffen worden. Ich weiß nicht wer es war, aber es war bestimmt kein einfacher Vampir vom Land und ich will wissen, was passiert ist!"

Mein Kopf zuckte hoch und ich schaute ihn entsetzt an.

"Du bist angegriffen worden?!"

Entsetzen und Besorgnis ergiffen von mir Besitz. Vor zwei tagen hatte ich noch gar nichts von Aros Entscheidung gewusst, wieso war sie mir entgangen? Hatte er schon zu diesem Zeitpunkt Jäger losgeschickt die meine Familie umbringen sollten? Außerdem war allein die Tatsache, dass mir der Angriff auf Jasper entgangen war ein Verrat. Ich war viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen und hatte es riskiert, dass anderen deshalb etwas zu stieß.

"Ja, vor zwei Tagen. Ein passabel ausgebildeter Kämpfer, allerdings nicht gut genug."

Er bleckte die Zähne und grinste schließlich, aber mir war nicht zum Lachen zu mute.

"Weißt du was er wollte?"

"So wie er sich verhalten hat, tippe ich mal darauf, dass er mich in kleine Stückchen haken wollte, aber ich habe ihn nicht noch einmal extra danach gefragt."

"Und was ist jetzt mit ihm?"

Japser zuckte die Achseln.

"Der wird uns keinen Ärger mehr machen, also mach dir mal keine Sorgen, aber jetzt will ich wissen, was passiert ist. Ich glaube nämlich nicht daran, dass mich irgendein Vampir, der das Kämpfen wenigstens eine Zeit lag gelernt hat, mich einfach so aus einer Laune heraus angreift."

"Er will euch töten", murmelte ich und schaute ihn nicht an, dennoch entging mir nicht, wie eine seine wunderbaren Augenbrauen in die Höhe schnellte.

"Wer will wen töten?", hakte er nach.

"Aro euch. Weißt du noch, dass er bis zum Schluss darauf gehofft hat, dass Edward sich ihm anschließt, sich auf seine Seite stellt?"

Es tat weh Edwards Namen auszusprechen, aber Jasper nickte nur und zeichnete mit dem Zeigefinger gedankenverloren meine Gesichtszüge nach.

Ich hatte ihn vermisst.

"Ja, du hast einmal gesagt, dass er dich und Edward gerne in seiner Garde gehabt hätte, weil er eure Fähigkeiten so reizvoll fand."

"Er fand sie nicht nur reizvoll, er wollte sie um jeden Preis haben, nur hat er damals keine Möglichkeit gesehen uns dazu zu überreden sich zu ihm zu gesellen. Hätten wir es gemacht und wären nach Italien gezogen, dann hätte er quasi eine uneingeschränkte Macht gehabt. Er selbst kann alle Gedanken einer Person lesen, die sie je gehabt hat, also quasi die Vergangenheit. Edward kann, konnte aus der Entfernung alle Gedanken lesen die der betreffende gerade gedacht hat und ich habe Visionen von der Zukunft. Er hätte die Macht über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gehabt und das war ein unheimlich reizender Gedanke für ihn und er hat bis zum Schluss gehofft, dass Edward sich so alleine fühlt, dass er zu ihm kommt und sein Garde beitritt. Deshalb hat er ihn damals überhaupt mit uns aus Volterra ziehen lassen, er wollte dass er trauert und dann gestärkt zu ihm zurückkehrt und sich an seine Seite stellt. Aber jetzt ist Edward nicht mehr-"

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, aber ich schluckte ihn runter und redete weiter. Leiser als vorher.

"Jetzt ist er nicht mehr und Aro möchte auf jeden Fall seine letzte Chance nutzen und nicht auch noch die Macht über die Zukunft verlieren."

"Er will es also auf keinen Fall riskieren, dass dir etwas zustößt", murmelte Japser leise und ich nickte.

"Ich war letzte Nacht in Volterra und man hat mich bemerkt und verfolgt, aber sobald ich über die Stadtgrenze hinaus war, hat man mich ziehen lassen. Sie müssen erkannt haben, wer ich bin und Aros Befehl lautet wahrscheinlich mir unter keinen Umständen etwas anzutun." "Und er will uns töten, hast du gesagt. Er will deine Familie umbringen lassen, damit auch du alleine bist und es in Erwägung ziehst dich irgendwann anzuschließen. Ist ihm klar, dass er da wahrscheinlich relativ lange warten muss?", unterdrückte Spott lag in Japsers Stimme, aber ich lächelte nur gequält.

"Er war auch bereit über hundert Jahre auf Edward zu warten. Er hat Zeit."

Sein Finger wanderte weiter über mein Gesicht, während er nachzudenken schien.

"Bist du nicht wütend auf mich?", fragte ich ihn leise und hatte Angst vor der Antwort. Überrascht schaute er mich an.

"Wütend? Auf dich?"

"Ich bringe euch in Gefahr."

"Nein tust du nicht."

"Wenn ich nicht wäre, dann würdet ihr alle glücklich weitermachen können, ohne vielleicht für den Rest eurer Tage verfolgt zu werden."

"Ohne dich wäre ich nicht einmal ansatzweise so glücklich, wie ich es jetzt bin und außerdem bringst du uns nicht in Gefahr. Das einzige was uns in Gefahr bringt ist die Tatsache, dass Aro so machtgeil ist."

Er küsste mich auf die Stirn und meinte dann:

"Dann wollen wir mal, wir haben viel zu tun."

Ich blinzelte.

"Ja?"

"Natürlich. Als erstes müssen wir den anderen bescheid sagen. Ich glaube zwar, dass sie durchaus in der Lage sind sich zu verteidigen aber die Volturi sind nicht ohne. Wenn ich ehrlich bin, dann wundert es mich sogar, dass mich nur einer von ihren Jägern angegriffen hat. Wir sollten sie wenigstens warnen, damit sie bescheid wissen, was los ist. Und dann müssen wir uns mit ihnen beraten ob es klüger ist, zusammen zu bleiben oder uns zu trennen…"

"Wir werden nicht gegen sie kämpfen."

"Uns wird wohl nichts anderes übrig bleiben die Sache irgendwie mit den Volturri zu regeln."

"Ich werde nicht zu lassen, dass du dich in solche Gefahr bringst."

"Wir können nicht ewig weglaufen, dafür sind ihre Sucher zu gut. Früher oder später würden sie uns finden. Wohl er früher als später."

Seine Miene verdüsterte sich und er schaute sich um.

"Aber jetzt sollten wir hier erst mal verschwinden. Wir müssen ihnen ja nicht direkt vor der Nase rumlaufen."

Bevor ich in irgendeiner Weise protestieren konnte, hatte er mich schon hochgehoben und rannte los, ohne das ich wusste wohin, aber war fest entschlossen ihn niemals gegen die Volturi kämpfen zu lassen, auch wenn ich mir darüber im Klaren war, dass irgendetwas getan werden musste.

Es war zu spät um umzukehren.

A small problem

05. A small problem
 

„Sie sind in Afrika.“

„Afrika? Schon wieder?“, fragte Jasper und zog eine Augenbraue hoch.

Ich lächelte.

„Du weißt doch, wie gerne Rosalie da unten ist und das Emmett es liebt in der Savanne jagen zu gehen.“

„Ja, aber dafür hat es deswegen auch schon fast Ärger gegeben, als er das letzte Mal zwei Jahre am Stück dort war und man sich schon gefragt hat, warum der Tierbestand so zurückgegangen ist.“

„Das ist wahr“, ich musste lachen, als ich mich daran erinnerte, wie die beiden vor ein paar Jahren zu Esme und Carlisle zurückgekommen waren, nachdem sie sich für zwei Jahre abgeseilt hatten. In diesen paar Monaten hat Emmett es geschafft, die Tierpopulation, insbesondere von männlichen Löwen, so zu verringern, dass es sogar schon aufgefallen war und er sich zähneknirschend aus Afrika zurückziehen musste.

„Damals hat er es aber auch extrem übertrieben, ich glaube, er hat dazu gelernt und hält sich jetzt ein bisschen zurück.“

„Hat Rosalie ein Limit gesetzt oder was?“, fragte er und streckte bei der Vorstellung amüsiert die Zunge heraus.

„So abwegig ist das gar nicht“, gab ich zu bedenken. „Du weißt doch, wie sehr sie es hasst ständig umziehen zu müssen. Sie mag es, wenn sie mal ein paar Jahre an einem Ort bleiben kann.“

„Also nur ein Löwe pro Tag für Emmett, oder was?“

Ich zog eine Grimasse. „Wahrscheinlich.“

Die Vorstellung war lustig und ich erlaubte es mir, einmal darüber zu lachen. Die letzten Wochen waren für mich ernst gewesen und obwohl mich mein schlechtes Gewissen in manchen Situationen fast erdrückte war ich doch noch immer egoistisch genug Jaspers Anwesenheit zu genießen. Obwohl ich vorgehabt hatte, mich zu seiner Sicherheit von ihm fernzuhalten, freute ich mich dennoch darüber, dass er noch immer an meiner Seite war, obwohl sie mir gleichzeitig auch nicht behagte.

Einem Teil von mir passte es einfach nicht zu wissen, dass ich ihn in Gefahr brachte. Es war komisch, in vielen Situationen wusste ich nicht was ich tun sollte und das, was mir noch absurder vorkam, war, dass ich in vielen Situationen noch nicht einmal wusste, was ich fühlen oder denken sollte.

Erst vor ein paar Tagen war mir klar geworden, dass all das, was ich momentan ertragen musste, eine nahezu beängstigende Ähnlichkeit mit dem hatte, was Edward vor mehr als hundert Jahren durchgemacht hatte. Schon damals war mir klar gewesen, dass er wirklich verzweifelt gewesen war, aber erst jetzt wurde ich mir darüber bewusst, wie schrecklich es für ihn gewesen sein musste, sich zu ihrer Sicherheit von Bella zu trennen.

Und Bella war ein wehrloser Mensch gewesen, Jasper hingegen war ein ausgebildeter Kämpfer, der nicht allzu leicht zu besiegen war.

Und trotzdem.

Es war so seltsam jemanden beschützen zu wollen, der nicht bereit war sich schützen zu lassen. Und es war schwer, wenn das eigene Herz einem sagte, dass man es eigentlich auch nicht wollte, nicht zu dem Preis, den man zu zahlen hatte.

Verlassen.

Allein das Wort hatte sich in den letzten Wochen so in mein Gehirn gebrannt, dass ich es langsam aber sich zu hassen begann.

Verlassen bedeutete Unheil, Verzweiflung, Unwissenheit.

Es war die Zusammenfassung von so vielen schrecklichen Dingen, dass man es eindeutig rechtfertigen konnte, dieses Wort zu hassen konnte.

„Also, fahren wir?“

Ich schaute auf.

„Nach Afrika?“

„Klar, ein bisschen Urlaub kann doch jetzt nicht schaden, oder? Und außerdem wäre es wahrscheinlich besser, wenn wir ihnen Bescheid sagen, du weißt doch wie schnell Rosalie sauer wird, wenn irgendetwas ist, was sie eventuell betrifft und sie nicht informiert wird.“ „Und sie wird sauer, wenn Emmett in Gefahr ist und wir es ihr verschweigen.“

„Emmett ist niemals in Gefahr.“

Jasper grinste.

„Der Kerl hat sich schon mit einem ganzen Rudel Löwen angelegt und genießt es seinen Instinkten freien Lauf zu lassen. In so einem Fall ist er schwer zu besiegen, dass weißt du.“

Ja, er war nicht ungefährlich.

Aber das hieß noch lange nicht, dass er sich ohne weiteres mit den Volturi anlegen konnte. Das gehörte eindeutig zu den Sachen, die man aus Sicherheitsgründen auch als Vampir vermeiden sollte.

Und nicht nur Emmett sollte sich von ihnen fern halten. Mein Blick wanderte zu Jasper und er beugte sich nur nach vorne und küsste mich auf die Stirn. Er wusste genau, was in mir vorging.

„Mach dir keine Sorgen“, flüsterte er leise und dann etwas fröhlicher: „Immerhin machen wir Urlaub in Afrika. Wenn du dich noch nicht einmal darauf freust, worauf denn dann?“

„Was ist mit Carlisle und Emse?“, fragte ich ihn und ging nicht weiter darauf ein.

„Ich weiß, wo sie sind und dort sind sie in Sicherheit“, bemerkte er nur kurz und knapp.

Ich schloss die Augen und schickte meine Aufmerksamkeit aus, suchte nach ihnen.

Aber ich fand ihre Gesichter nicht, das einzige was ich sah, waren Lippen, die sanft und gierig über Haut fuhren und bevor ich noch mehr sehen konnte, wandte ich meine Aufmerksamkeit von ihnen ab.

Sie waren beschäftigt und das ging nur die beiden etwas.

Jasper grinste ungehalten und ich streckte ihm nur die Zunge aus.

„Lass ihnen doch ihren Spaß“, lachte er und ich verdrehte nur gespielt die Augen.

„Natürlich lass ich ihnen ihren Spaß. Außerdem ist es schön zu wissen, dass sie es endlich schaffen sich von der Vergangenheit abzuwenden.“

Mein Blick wanderte nachdenklich auf das Meer hinaus. Wir waren einfach der Küstenlinie gefolgt, da ich das Rauschen des Meeres mochte und wir ohnehin weiter nach Süden mussten. Aber jetzt hatte ich gerade nicht sonderlich viel dafür übrig.

Meine Gedanken wanderten wieder zu meinem Bruder, zu meiner Freundin, die ich verloren hatte. Es tat noch immer so unbeschreiblich weh, wenn ich an die Tatsache dachte, dass Edward ein Jahrhundert lang ohne Bella sein Dasein gefristet hatte, wurde für mich immer unvorstellbarer.

Wenn ich daran dachte, wie sehr mich bereits sein Verlust schmerzte, wie wäre es erst, wenn Jasper nicht mehr da wäre? Wäre ich in der Lage weitere hundert Jahre über diesen Planten zu laufen?

Mit einem Mal spürte ich, wie mir jemand unter die Arme griff und mich und ohne Mühe hochhob.

„Hey“, protestierte ich, aber Jasper ignorierte es und ging langsam zum Wasser, das das Mondlicht auf eine wunderbare Art und Weise zum Glänzen brachte.

„Was hast du vor?“, hakte ich weiter nach und Jasper zog eine Augenbraue hoch – ich liebte es, wenn er das tat – und antwortete:

„Vielleicht, bist du ja nicht die einzige, die sich von Vergangenheit lösen sollte.“

Ich wollte protestieren, aber er schnitt mir das Wort ab.

„Gut, lösen ist vielleicht zu viel verlangt, aber sie wenigstens zeitweise vergessen, ich denke, das sollte inzwischen funktionieren“, sagte er, dann wurde ich noch höher gehoben und er warf mich ohne weiteres ins von der kleinen Klippe ins Wasser.

In der vorherigen Nacht war ich hier bereits schwimmen gewesen, wusste deshalb, dass das Wasser klar und tief war – und dennoch konnte ich es nicht fassen.

Noch im Fallen wollte ich ihn anschreien, aber bevor ich mich versah war ich auch schon im Wasser. Ohne Probleme schwamm ich wieder an die Oberfläche und schaute nach oben zu dem Felsen.

Ich wollte wütend auf ihn sein, aber so schön wie er da oben stand, ging es einfach nicht. Ganz langsam und elegant hob er die Arme, streckte sich und sprang schließlich kopfüber hinunter. Es war als hätte er genau auf mich zugehalten, denn nur einen halben Meter von mir entfernt tauchte er ein, streckte die Arme nach mir aus und zog mich mit unter Wasser. Um mich herum stiegen Blasen auf, während er die Luft aus seinen Lungen herauspresste und es dauerte ein paar Sekunden, bis ich ihn wieder sehen konnte. Sein Gesicht war ganz nah bei mir, seine Haare wiegten leicht hin und her und langsam kam er näher.

Ganz langsam und ich konnte eine seltsame Sehnsucht in seinen Augen sehen, bevor er mich, mit einem Mal, zu sich heranzog, die Arme um meinen kleinen Körper schlang und seine Lippen auf meine presste.

Einen Moment lang schoss es mir durch den Kopf, dass ich das nicht machen konnte, es ging nicht, jetzt da Edward da tot war. Dass ich nicht mehr in der Lage war, ihm so etwas zu geben, aber er drängte sich weiter gegen mich und obwohl ich genau wusste, dass er nur im Sinne hatte mich abzulenken, konnte ich mich nicht wehren. Meine Hände verkrallten sich in seine Haaren, mein Körper stürmte ihm entgegen und ohne dass ich es wollte, ohne das ich mich dazu im Stande fühlte, ließ mich darauf ein, nur um festzustellen, dass ich ihn noch immer wollte.

Ganz.
 

„Sie sind noch weiter im Süden, aber wenn wir uns ranhalten, dann schaffen wir es noch in den nächsten zwei Stunden.“

„Und dann müssen wir sie nur noch finden, wer weiß in was für einer Höhle sie sich versteckt haben.“

„Noch sind sie jagen und momentan sind sie sogar in unsere Richtung unterwegs, wenn sie nicht umkehren – und momentan sieht es nicht danach aus – dann begegnen wir ihnen vielleicht sogar noch früher als gedacht“, antwortete ich und überholte ihn.

Ihm schien es zu meinem Leidwesen nichts auszumachen, ohne größere Schwierigkeiten holte er wieder auf und verzog keine Miene, als er schließlich wieder neben mir lief. Seit zwei Tagen rannten wir jetzt schon durch die Steppe und suchten nach unseren Geschwistern.

Na ja, suchen ist das falsche Wort, immerhin wusste ich in etwa wo sie waren, aber sie waren auch auf Wanderschaft immer weiter in Richtung Süden und da mussten wir ihnen natürlich zwangsläufig folgen.

Auch wenn ich aufgrund der Tatsache, dass wir verfolgt wurden nicht sonderlich begeistert von der Idee war.

Vor zwei Tagen hatte ich das erste Mal entdeckt, dass wir nicht alleine durch die doch relativ karge Savanne unterwegs waren. Mindestens zwei Gestalten verfolgten uns – in übermenschlicher Geschwindigkeit. Jasper hatte einen Test vorgeschlagen und egal wie schnell wir gelaufen waren, sie hatten ohne Probleme mithalten können und das wuchs sich so langsam aber sich zu einem Problem für uns aus. Eingeholt hatten sie uns bisher noch nicht und ich glaubte auch nicht wirklich daran, dass sie es schaffen konnten, wenn wir es voll drauf anlegten ihnen zu entkommen, aber da Jasper der Meinung war, dass eine Flucht schwachsinnig wäre, liefen wir natürlich nicht weg. Seine Argumente waren zu überzeugend. Wenn wir weglaufen würden, dann würden die beiden Verfolger, die ohne Zweifel aus Volterra stammten, die Umgebung absuchen um herauszufinden, was wir hier gesucht hatten. Dabei könnten sie eventuell auf Spuren von Rosalie und Emmett treffen, die dann nicht vorgewarnt wären und einen Überraschungsangriff alleine parieren müssten.

Jasper meinte, es wäre praktischer, wenn wir sie vorwarnen und zumindest er ihnen zur Seite stehen würde – sicher war sicher.

Ich war davon natürlich nicht sonderlich begeistert. Ich kann nicht genau sagen woran es liegt – immer hin ist mein Vampir nicht nur unglaublich gut aussehend und liebevoll, sondern vor allem ein ausgebildeter Kämpfer mit jahrzehntelanger Erfahrung, dem nur wenige etwas entgegen zu setzten hatten – aber es widerstrebte mir, wenn er in irgendeinen Kampf ziehen wollte.

Da er aber inzwischen wusste, wo genau sich unsere Geschwister aufhielten, meinte er, dass er ihnen auf jeden Fall einen kurzen Besuch abstatten würde, wenigstens um sie zu warnen und während er das gesagt hatte, hatte ich bereits gesehen, wie ich an seiner Seite zu den beiden gelaufen war.

Ich hatte mich nicht weiter gewehrt und dem Schicksal gefügt. Und jetzt hofften wir, dass wir die beiden noch diese Nacht erreichen würden und damit wir auch ein kleines bisschen Vorsprung hatten, beeilten wir uns auch, aber irgendwie waren unsere Verfolger nicht bereit uns so einfach ziehen zu lassen und holten sogar ein Stück auf.

Bilder durchzuckten mich, meine Lider flatterten und ich war versucht stehen zu bleiben, um genauer hinsehen zu können, aber das, was ich bisher erkennen konnte, veranlasste mich zum Gegenteil.

Die Schritte, die ich mit meinen kurzen Beinen machte, wurden noch größer und schneller. Jasper schwieg und beschleunigte ebenfalls.

Er spürte, dass ich gerade mit mir selbst beschäftigt war und lotzte mich, wenn ich einem Baum zu nahe kam. Erst als ich die Augen schließlich wieder aufschlug, wobei ich meine Geschwindigkeit beibehielt, fragte er mich trocken:

„Und?“

„Sie haben ihre Meinung geändert.“

„In wie fern?“, seine Stimme klang nicht sonderlich aufgeregt.

Nur ehrlich interessiert.

Irgendwie nervte mich das ein bisschen und als ich zur Seite blickte, erkannte ich, dass genau das ihn scheinbar amüsierte. Dennoch ließ ich mich nicht anstecken und blieb ernst.

„Sie haben beschlossen, dass sie uns nicht weiter verfolgen wollen. Dass wir immer schneller geworden sind, hat sie dazu gebracht zu vermuten, dass wir vor ihnen weglaufen wollen und außerdem würde ich sagen, dass sie schlichtweg keine Lust mehr haben den Babysitter für uns zu spielen, so wie Aro es wahrscheinlich angeordnet hat.“

„Und was haben sie jetzt vor?“

„Sie wollen uns einholen und gefangen nehmen. Sie scheinen keine schlechten Kämpfer zu sein, was anderes hätte mich ehrlich gesagt auch gewundert. Aro liebt zwar das Spiel, aber er neigt doch immer dazu, dass Risiko für ihn möglichst gering zu halten, weshalb er niemals zwei Anfänger auf uns ansetzten würde.“

„Ah. Und weil sie sich darüber bewusst sein, dass sie keinen schlechten Kämpfer sind, denken sie, dass sie mit unserer Gefangennahme nicht allzu überfordert sein werden?“

„So in etwa, ja“, antwortete ich und der leicht belustigte Ton in Jaspers Stimme, verleitete mich erneut meinen Kopf zu ihm zu drehen, obwohl ich noch immer in einer Geschwindigkeit über die Steppe raste, die viele Autos vor Neid hätte erblassen lassen.

Jaspers Mundwinkel zuckten.

„Du findest das doch nicht allen ernstes lustig, oder?“, fauchte ich genervt und stellte wieder einmal fest, dass ich mir in letzter Zeit selbst fremd geworden war.

Früher hätte ich eine solche Sache selbst etwas amüsant gewesen, aber dieses Mal, waren es nicht irgendwelche Vampire, die hinter Bella her waren. Dieses Mal waren sie hinter mir her und ich war die jenige, die die anderen in Gefahr brachte. Niemals hatte ich gedacht, dass die Schuldgefühle, die schon auf einem lasteten, ohne das etwas passiert war, so erdrückend sein konnten und kurz fragte ich mich, wie Bella es so lange ausgehalten hatten. Erst jetzt konnte ich voll und ganz nachvollziehen, was sie während ihrer Zeit an unserer Seite in dieser Hinsicht hatte durchmachen müssen.

Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie ich Bella immer erzählt hatte, dass wir eine Familie waren, das wir zusammenhalten würden, egal was kommt. Und erst jetzt verstand ich, warum sie solche Angst gehabt hatte. Nur mal angenommen, irgendetwas würde schief laufen, egal wie unwahrscheinlich es wäre, ich wäre schuld.

Das nagte an mir.

„Es wird schon alles gut gehen, Alice. Oder sieht du gerade irgendetwas, was dagegen spricht?“

Er wusste genau, dass es nicht so war, dennoch schüttelte ich den Kopf. Momentan konnte ich nur sehen, dass es nur noch wenige Minuten dauern würde, bis wir Rosalie und Emmett treffen würden.

Was dann geschehen würde, wusste ich nicht. Unsere Jäger zweifelten gerade an ihrem Plan und zogen es in Erwägung uns doch noch nicht einzufangen sondern einfach nur weiter zu verfolgen. Bevor sie selbst nicht wussten, was sie tun wollten, würde es mir auch verborgen sein, deshalb wandte ich meine Aufmerksamkeit von ihnen ab und schaute wieder nach vorne. Es konnte nicht mehr weit seit.

„Ich glaub dahinten ist jemand“, murmelte Jasper und ich schaute in dieselbe Richtung wie er. Dann wurde ich auf einmal von Bildern überflutet.
 

Emmett – Löwe – er blieb stehen – drehte sich- Überraschung.
 

„Er hat uns entdeckt“, ließ ich ihn wissen und schon im nächsten Moment konnte ich sehen, wie sich etwas in rasanter Geschwindigkeit auf uns zu bewegte.

„Da rennt man sogar bis nach Afrika und noch nicht einmal hier hat man seine Ruhe vor euch“, rief er und bremste abrupt ab, als er fast bei uns war.

Wir taten es ihm gleich und irgendwie war es schön, sein so kindliches und doch bärenhaftes Grinsen wieder zu sehen.

„Wir hatten Sehnsucht“, verriet Jasper ihm und knuffte ihn freundschaftlich in die Seite. Als Dankeschön wurde er erbarmungslos in den Schwitzkasten genommen, aus dem er sich jedoch bereits nach ein paar Sekunden befreite, aber noch bevor sie die Spielerei fortsetzen konnten, hielt Emmett inne und schaute an mir vorbei in die Steppe. „Ihr habt Besuch mit gebracht“, stellte er dann schließlich fest und im selben Moment wurde mir klar, dass unsere Verfolger beschlossen hatten einzugreifen.

Sie gingen davon aus, dass wir denjenigen, den wir gesucht, nun endlich auch gefunden hatten und hielten es für einen geeigneten Zeitpunkt anzugreifen und uns gefangen zu nehmen. Emmetts Blick lag nun fragend und zugleich fordernd auf mir.

Er wollte eine Erklärung, während mir - ohne dass ich mich umdrehte - klar war, dass unsere Feinde unaufhaltsam und schnell näher kamen, aber bevor ich etwas sagen konnte, antwortete Jasper:

„Genau genommen ist dieser Besuch der Grund für unseren Besuch, aber mehr dazu später. Sie haben uns nicht ganz so lieb wie wir sie musst du wissen. Gehst du mir dabei kurz zur Hand?“

Emmett reckte den Kopf, betrachtete die zwei näher kommenden Wesen und grinste.

„Aber nur weil du es bist Bruder.“

„Dafür gehen wir dann auch noch mal zusammen auf eine richtige schöne Jagdtour, einverstanden?“

„Ehrensache.“

Irgendwie nervte es mich, wie locker sie mit der ganzen Sache umgingen, aber ich verdrängte den Gedanken. Nicht sie waren es, die sich verändert hatten, ich war diejenige, die nicht mehr die Alte war.

In meinem Kopf sah ich unsere beiden Widersacher näher kommen und drehte mich schließlich um. Ich stand an der Spitze unserer kleinen Formation. Es war eine alte Kampftaktik, aber ich sah bereits, dass sie zumindest anfangs funktionieren würde.

Später würden wir dann wohl zwangsläufig interpretieren müssen.

„Wo ist Rose?“, hörte ich die beiden hinter mir quatschen und meine Augen verengten sich. „Ihr hat es eine Herde Zebras angetan. Mehr als ein paar Meilen wird sie nicht entfernt sein.“ Dann waren sie heran.

Während die beiden dunkel gekleideten Vampire auf mich zu steuerten, ging ich leicht in die Knie und kurz bevor sie mich erreicht hatten, sprang ich kraftvoll in die Höhe und überließ den Jungs das Feld. Gierig stürzten sie sich auf die beiden Fremden, aber schon nach Sekunden wurde mir klar, dass es nicht ganz so einfach werden würde, wie Jasper und Emmett es sich erhofft hatten.

Die Fremden waren eindeutig dazu ausgebildet worden zu kämpfen, dazu ausgebildet worden gegen jede Art von Vampiren zu bestehen. Sobald meine Füße wieder den Boden berührten, wirbelte ich herum, wandte mich nach rechts und stürzte mich auf eine der dunklen Gestalten, die mir den Rücken zudrehte.

Wie automatisch klammerten sich meine Beine um seine Taille und während Jasper ihn daran hinderte sich zu mir umzudrehen, legten sich meine Hände um seinen Hals und mit einer kräftigen Bewegung brach ich ihm das Genick. Zur Sicherheit drehte ich den Kopf noch ein paar Mal extrem weit nach rechts und links, wobei ich das knackende Geräusch der berstenden Knochen ignorierte. Dann wanderte meine Aufmerksamkeit für einen kurzen Augenblick hinüber zu Emmett, der aber noch keine Probleme damit hatte, sich zu behaupten. Aus den Augenwinkeln sah ich gerade noch, wie Jasper dem fremden Vampir brutal den Kopf abriss und noch bevor der Körper in sich zusammensacken konnte, ließ ich von ihm ab.

Von jetzt an brauchte ich mir keine Sorgen mehr um ihn zu machen, er würde seinen Angreifer fein und säuberlich in kleine Streifen zerteilen und kurz zog ich es in Erwägung Mitleid für ihn zu empfinden, aber dann überlegte ich es mir anders.

Der Jäger war selber Schuld.

Ich drehte mich um und wollte Emmett zur Hilfe kommen, der einem Vampir gegenüber stand, der noch größer und bärenhafter wirkte als er selbst und ihm ohne Zweifel ebenbürtig war, aber im selben Augenblick sah ich eine Schweif blonder Haare vor meinem Inneren Auge.

Sekunden später krachte Rosalie mit voller Power dem Feind in die Seite. Sichtlich aus dem Gleichgewicht gebracht, strauchelte er, was Emmett nutze, um ihm die Beine wegzuziehen, auf den Boden zu reißen und eine tiefe Wunde darin zu hinterlassen.

Eine Minute später war es vorbei.

Es war ein ungleicher, sogar unfairer Kampf gewesen, aber das interessierte mich nicht. Niemand hatte gefragt ob ich oder meine Familie kämpfen wollte, also sollten sich andere gefälligst nicht beschweren, wenn wir es auf unsere Art und Weise taten.

„Fünf Tage in irgendeinem Gebirge?“, fragte Emmett schließlich in das Schweigen hinein, während mein Blick noch immer auf den Resten der beiden toten Vampire ruhte.

Wir würden sie innerhalb der nächsten Minuten verbrennen müssen, nur um sicher zu gehen. Dennoch entging mir nicht, dass Jasper nickte.

„Klar, das gilt. Aber jetzt lass uns erst mal ein hübsches Feuerchen machen und den beiden hier die letzt Ruhe gönnen. Was hältst du davon, wenn wir Aro die Asche schicken?“, in seiner Stimme klang ein sadistischer Unterton mit.

Und Stolz.

Stolz darüber, zwei aus der Volturi Garde besiegt zu haben.

„Ach die kommen von Aro?“, fragte Emmett, aber wirklich überrascht klang er nicht.

Wer sonst sollte uns wohl zwei vollkommen schwarz gekleidete Vampire hinterherschicken, die uns ohne zu Zögern bis nach Südafrika in die abgelegensten Winkel der Savanne verfolgen?“ „Das ist war.“

„Und was zum Teufel habt ihr angestellt, dass er euch solche Leute auf den Hals hetzt?“, fragte Rosalies helle Stimme und ich drehte mich zu ihr.

Das war das erste, was sie bisher gesagt hatte.

Vor ein paar Minuten war sie ohne Vorwarnung aufgetaucht um ihren über alles geliebten Bären zu schützen und jetzt war sie wieder eiskalt und unnahbar. Sie war sauer auf uns, weil wir sie mit unserem Kommen in Gefahr gebracht hatten.

Wir hatten die beiden Jäger zu ihnen geführt und obwohl sie wusste, dass sie für uns vier keine zu große Herausforderung darstellten, war sie nicht gerade erfreut darüber.

„Es tut mir Leid, dass wir sie hierher geführt haben, Rose“, sagte ich und schaute sie direkt an.

„Aber du hast gesehen wie stark sie waren, zu zweit hätten wir damit eventuell Schwierigkeiten bekommen können.“

„Das stimmt und wir wollen doch nicht, dass unseren Geschwisterchen etwas zu stößt, oder?“, unterstütze Emmett mich und schlang die Arme um Rosalies perfekten Körper um sie an sich zu drücken.

„Und für uns vier war das ja wohl ein Klacks.“

Jetzt, da sie Emmett wieder nahe war, spürte, dass es ihm gut ging, fühlte sie sich sichtlich wohler und schien nicht mehr so sauer wie anfangs. Dennoch zog sie eine Augenbraue hoch und ließ ihren Blick zweifelnd zwischen mir und Jasper hin und her wandern.

„Aber dass ist es bestimmt nicht der einzige Grund, warum ihr in Südafrika unterwegs seid. Oder?“, hakte sie schließlich nach und es bereitete mir ein wenig Unbehagen, dass ich nicht voraus sehen konnte, wie sie reagieren würde, sobald ich ihr die Wahrheit sagte.

Sie wusste selbst noch nicht, was sie empfindet würde, weshalb es auch mir vorborgen blieb. Ich schwieg und schließlich ergriff Jasper das Wort.

„Du hast Recht. Wir haben da ein kleines, bis mittelgroßes Problem.“

Carlisles' will

Anmerkung: Das Kapitel ist noch nicht betagelesen worden. Ich weiß, dass man das merkt, aber meine Beta hat keine Zeit
 

Kapitel 06
 

Carlisles' will
 

„Ein kleines bis mittelgroßes Problem, ja?“, hakte Rosalie schließlich nach, als Japser geendet hatte.

Freundlicherweise hatte er es übernommen unsere Geschwister zu informieren, ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich wirklich dazu in der Lage gewesen wäre. Irgendwie hatte ich noch immer ein schlechtes Gewissen.

Und Angst.

Angst um alle die mir wichtig waren.

Angst um das Leben, wie ich es bisher geführt hatte.

„Ich würde sagen, dass es ein mittelgroßes ist“, präzisierte Emmett. „Ein kleines war das mit James damals. Aber wenn es um Aro geht, dann kann man das schon als mittelgroß bezeichnen.“

Er legte den Kopf schief und sah mich an.

Dann lächelte er.

Zuversichtlich.

Es viel mir schwer es zu erwidern, aber mit einigem Bemühen schaffte ich es schließlich doch.

„Stimmt. Mittelgroß“, erwiderte Rosalie sarkastisch. „Niemand anderes als Aro, einer der ältesten und mächtigsten Vampire überhaupt, mit den meisten Möglichkeiten und Gefolgsleuten, die zufällig auch noch die besten sind, hat es darauf angelegt unserer Familie den Gar auszumachen. Mittelmäßiges Problemchen. Natürlich.“

Sie schnaubte.

Ihre Zusammenfassung war meiner Meinung nach mehr als präzise und in meinem Hinterkopf flüsterte eine hartnäckige Stimme immer wieder:

Wegen dir….
 

wegen dir….
 

wegen dir….
 

wegen dir...

Aber nach einer Weile war ich es leid und ich schob sie zur Seite.

Ich wollte ihr nicht zuhören, also sollte sie gefälligst die Klappe halten.

„Wir schaffen das schon Rose…“, meinte Emmett beschwichtigend und wandte sich dann wieder an mich.

„Wie schaut’s aus, wenn ihr euch ne Weile zurückzieht, wird sich dann was ändern?“

Warten, einfach abwarten.

Auch darüber hatte ich mir bereits meine Gedanken gemacht, aber das war zu einfach.

Ich schüttelte den Kopf.

„Wenn Aro etwas will, dann hält er daran fest. Ich bezweifle, dass es reicht, sich einfach eine Weile zu verstecken….auf Edward hat er schließlich über hundert Jahre gewartet.“

Beim letzten Teil des Satzes drohte meine Stimme zu brechen, aber ich war tapfer und sprach zu Ende.

„Und was habt ihr vor? Ihr werdet doch immer hin eine Idee gehabt haben, als ihr hier runter zu uns gekommen seid.“

„In erster Linie wollten wir euch warnen. Wenn Aro wirklich vorhat Alice mithilfe eines der Familienmitglieder zu erpressen, dann sollten alle, die dafür in Frage kommen, auch bescheid wissen und gewarnt sein.“

„Esme und Carlisle?“, hakte Emmett nach und ließ sich im Schneidersitz auf dem staubigen Boden der Savanne nieder, in der wir uns noch immer befanden.

„Bei denen waren wir noch nicht“, antwortete ich. „Ich weiß aber auch nicht wirklich, ob Aro bereit wäre einen alten Freund…“

„Wäre er“, fuhr Emmett mir ins Wort. „Sie müssen auch bescheid wissen, deshalb solltet ihr sie schnellstmöglich kontaktieren. Also, was hattet ihr dann vor?“

Schweigen.

Ich zuckte meine kleinen Schultern.

Rosalie schnaubte wieder, aber aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie ein viel sagender Blick von Emmett sie davon abhielt, irgendetwas Spöttisches zu sagen. Ich war ihm dankbar dafür.

Neben mir streckte sich Jasper, der sich darauf hin auch auf dem Boden niederließ.

„Wirklich wissen, was wir jetzt machen sollen, tun wir nicht. Ich hab eine Weile überlegt, ob es Sinn machen würde Aro anzugreifen…“

„Auf keinen Fall, nicht so lange er von unzähligen Vampiren bewacht in seinem ollen Turm hockt.“

Sogar Emmett, der normalerweise vor relativ wenigen Dingen Respekt zeigte, hatte also Einwende.

Mein Mut sank immer tiefer.

Wie sollte ich meine Familie retten?

Wie sollte ich sie aus diesem riesigen Loch rausholen, in das ich sie hineinbefördert hatte? „…zu dem Schluss bin ich auch gekommen. Wir sind einfach zu wenige, das kann gar nicht funktionieren. Abgesehen davon, haben wir momentan nur Aro als Feind. Ich glaube nicht, dass seine Brüder nur halb so stark an Alice interessiert sind wie er, weshalb ich auch bezweifle, dass sie ihn momentan voll unterstützen. Wenn dem so wäre, wäre einiges mehr hinter uns her. Wenn wir sie aber in ihrer Stadt angreifen, dann geben wir ihnen ebenfalls einen Grund dafür, mit gutem Gewissen hinter uns her zu sein, was im anbetracht der Tatsache, dass schon Aro nicht gerade ein kleiner Hund ist, der uns da an der Ferse herumbeißt, zu vermeiden ist.“

Jasper lehnte sich zurück, schaute zu mir hoch und klopfte neben sich auf dem Boden, während er mir einen auffordernden Blick zu war. Ich tat ihm den Gefallen und ließ mich neben ihm nieder.

Nur Rosalie stand jetzt noch.

Ihre Stirn war in Falten gezogen und es machte noch immer nicht den Eindruck, als wäre sie dazu bereit sich zu uns zu gesellen und Kriegspläne zu machen. Ich konnte es ihr nicht verübeln. In den letzten Jahren hatte unsere Familie so viel Leid und Kämpfe ertragen müssen…ich hatte immer gewusst, dass sie sich auf die Zeit gefreut hatte, in der alles wieder geregelter, normaler verlaufen würde.

Und jetzt war sie da und die ganze große Scheiße ging von vorne los.

Emmett nickte gedankenverloren.

„Klingt logisch…“, murmelte er.

Rosalie seufzte laut.

Emmett ignorierte sie und kam auf eine neue Idee.

„Aber du hast gesagt, dafür sind wir zu wenige. Was wäre, wenn wir noch mehr Leute auftreiben könnten und in der Lage wären sie im wahrsten Sinne des Wortes zu besiegen?“

„Und wo willst du die Leute hernehmen?“

Er zuckte die Achseln.

„Wenn wir das ganze ein bisschen populärer machen unter unseren Leuten, dann wird einige geben, die mit der ganzen Sache bestimmt nicht einverstanden wären…“

„Und du glaubst wirklich, dass dann genug von ihnen bereit wären ihr Leben zu riskieren, in dem sie bei den Volturi einbrechen?“, fragte ich ihn ungläubig.

Rosalie seufzte lauter.

„Sag du es mir“, forderte Emmett mich auf und ich schloss die Augen.

Und konzentrierte mich.

Stellte mir vor, wie wir die anderen zusammentrommeln würden, stellte mir vor, wie wir die Vampire suchen um sie Hilfe bitten würden.

Dann schüttelte ich den Kopf.

„Es sind einige, aber bei weitem nicht genug. Mit Carlisle zusammen würden wir vielleicht-“ „Dann fragen wir ihn.“

„Nein“, widersprach ich ihm direkt.

„Wir sagen ihnen, dass sie auf sich aufpassen sollen, noch ein bisschen besser als sonst, aber ich will nicht, dass wir sie noch tiefer mit darein ziehen.“

„Aber uns ja?“, ertönte eine helle Stimme von über unseren Köpfen.

„Rose!“, sagte Emmett scharf und sie verstummte wieder.

Ein paar Sekunden später ließ auch sie sich auf dem Boden nieder.

So elegant, wie ich es nie im Leben, auch nach hundert Jahren Übung nicht vermocht hätte. Aber die Tatsache, dass sie sich setzte, erleichterte mich. „

Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass wir das voll und ganz von Emse und Carlisle fernhalten können, Alice“, murmelte Japser neben mir und schaute mir dann in die Augen. „Dafür ist die Sache ein bisschen zu groß, würde ich sagen.“

Rosalie nickte nur zustimmend und noch größere Verzweiflung machte in sich breit, da mir immer deutlicher vor Augen gehalten wurde, dass ich nicht alle beschützen konnte, die ich gerne schützen würde.

„Also, fest steht, dass wir irgendetwas machen müssen, weil Alice der festen Überzeugung ist, dass Aro nicht ruhen wird, bevor er seinen Willen hat, richtig?“ Emmett schaute mich auffordernd und ich nickte zu Bestätigung.

„Demnach muss nicht nur irgendetwas passieren, sondern Aro muss weg, um es mal auf den Punkt zu bringen“, fuhr er fort und irgendwie tat es gut mal zu hören, wie jemand das aussprach.

Das Übel all unserer Probleme musste weg.

„Ich weiß, du hast gehofft, dass man das möglichst schnell klären kann, Schwesterherz, aber ich fürchte, dass dem nicht so ist. Und ich bin außerdem dafür, dass wir Carlisle einschalten – ich weiß, dass dir das nicht passt…“, kam er meinem Einwand zuvor „Aber das ist keine kleine Sache, da brauchen wir die Familie und zwar nicht nur einen Teil, sondern die ganze. Und Carlisles Erfahrung, wenn einer von uns Aro kennt, dann er.“

Stille.

Nur irgendwo in der Ferne hörte ich ein paar Tiere grasen, aber es war eine ganze Ecke bis zu ihnen. Sie witterten uns und trauten sich nicht näher heran, sie rochen die Gefahr und wahrten Distanz. Auch wenn ihnen das rein gar nichts brachte. So lange sie das nicht wussten, fühlten sie sich in Sicherheit.

„Ich würde sagen, Emmett hat Recht“, sagte Jasper gedehnt und irgendwie fühlte ich mich ein Stück weit verraten, er wusste doch am meisten, wie ich meine Eltern schützen wollte. Die einzigen Eltern, die ich jemals gehabt hatte.

„Ich weiß, dass du dagegen bist, aber alleine schaffen wir das nicht. Aro ist nicht irgendjemand, denn wir da zum Feind haben.“

Seine Stimme war leise, eindringlich.

Und sie hatte Recht. Und das erschütterte mich nicht nur, sondern es nervte mich. Ich hatte noch nicht einmal Bella und Edward vor diesem Wahnsinnigen retten können und jetzt auch noch der Rest der Familie?

Aro nutze seine Macht voll aus, er war nicht bereit Mann gegen Mann zu kämpfen, sondern wollte uns in ein Spiel voller Intrigen zu ziehen.

Außerdem spielte er nicht nur mit Intrigen, sondern in erster Linie unfair.

Und unfaire Spiele mochte ich nicht.

„Also müssen wir zu ihnen“, wisperte ich leise, obwohl sich mein Beschützerinstinkt noch nicht wirklich mit dieser Vorstellung arrangiert hatte, sagte mir mein Verstand, dass die anderen Recht hatten.

Und selbst wenn ich mich ganz und gar sträuben würde, sie waren zu dritt…und sie würden sich durchsetzten.

Früher oder später.

Und je später es wäre, desto größer wäre letztendlich die Gefahr, der ich Esme und Carlisle aussetzen würde. Wir mussten zu ihnen gehen. So schnell wie möglich, da gab es keinen Weg mehr dran vorbei.

Ich erhob mich.

„So eilig auf einmal?“, lachte Emmett und sprang ebenfalls auf, was noch bärenhafter wirkte als sonst, da Rose sich gleichzeitig direkt neben ihm wie eine Elfe auf die Füße erhob.

„Ich denke, es ist eine passende Situation um es einmal eilig zu haben“, murrte ich, während ich aus den Augenwinkeln sah, wie Jasper sich neben mich stellte.

„Dann wollen wir doch mal gucken, wer in der Lage ist eiliger zu sein!“, Emmet streckte mir die Zunge raus, drehte sich um und rannte los.

Im ersten Augenblick konnte ich es nicht glauben, dass er in solch einem Moment solche Späße machen konnte, dann überkam mich der Drang nach Laufen.

Ich bleckte die Zähne und folgte ihm.

Die Richtung in die er lief war wahrscheinlich ohnehin diejenige, die wir einschlagen mussten, was konnte es also schaden?
 

Ich hatte gewusst, dass es keine gute Idee gewesen war.

Wir hätten das alleine klären sollen, nein, ich hätte das alleine klären sollen.

Ein Dingen zwischen mir und Aro. Aber ich war einfach nicht stark genug dafür, weder geistig noch körperlich und Aro war nicht mutig genug um sich hinter seiner Armee hervorzuwagen.

Und genau diese Tatsache hatte dazu geführt, dass ich jetzt Carlisle gegenüber saß, der leise mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte und in die Ferne starrte. Ich wusste nicht was er dachte, ich hatte nur gewusst, dass er so reagieren würde.

In Emses Gesicht zeichnete sich Sorge ab, auch wenn sie versuchte es zu verstecken, ich merkte es. Ich hatte es bereits vorher gesehen. Und jetzt wartete ich darauf, dass Carlisle eine Entscheidung traf, denn es war klar, dass von nun an er bestimmen würde, was zu tun war und wie es im Einzelnen weitergehen würde.

Ich blickte leicht unbehaglich um mich und fing Jaspers Lächeln auf.

Er kannte Carlisle als zuverlässig, genau wie ich.

Als jemanden, dem man vertrauen konnte.

Seine wunderschönen Augen brachten mich wieder etwas zur Ruhe, entspannten mich ein wenig und ermöglichten es mir, mich etwas in meinem Sessel zurück zu lehnen und nicht einfach nur wie ein Brett steif dazusitzen.

Dann kamen die Bilder.
 

Carlisle – alleine- dunkel – ein Fenster – Aros Fratze
 

„Nein!“; sagte ich direkt, noch während ich meine Augen von der Vision zusammen gekniffen hatte.

Als ich sie schließlich aufriss, schauten mich alle fragend und neugierig an.

Nur Carlisle nicht, er schien mit meinem Widerstand gerechnet zu haben und starrte weiter an irgendeinen undefinierbaren Punkt.

„Das kannst du nicht machen, damit läuft’s du im doch direkt in die Arme“, fing ich an auf ihn einzureden und beugte mich wieder vor.

Unruhig.

„Kann uns mal bitte jemand aufklären?“, fragte Esme schneidend dazwischen und nahm Carlisle so die Möglichkeit zu antworten.

Meine Reaktion machte ihr offensichtlich Angst, sie sorgte sich um ihren Gefährten.

„Ich denke, viel mehr bleibt uns nicht übrig, Alice.“

„Natürlich bleibt uns anderes übrig. Wir könnten ihn abpassen, fallen stellen…“

Mein Vater drehte den Kopf und schaute mich aus ernsten Augen an.

„Wenn er sich selbst in Gefahr sieht, dann wird er einfach die nächsten paar Jahrhunderte den Turm nicht verlassen und dann kommen wir nicht an ihn ran. Solche Krisenzeiten hatte er bereits, wie du siehst hat er sie ohne weiteres überwunden. Er hat Zeit.“

„Die haben wir auch“, konterte ich und wusste gleichzeitig, dass es zum Teil gelogen war. Zwar hatten auch wir Zeit, aber ich war keine Person, die in der Lage war sich für Jahrhunderte in einer einsamen Höhle zu verkriechen und nur alle paar Jahre mal einen Kopf nach draußen zu stecken.

Aber das tat jetzt nichts zur Sache, Tatsache war, dass Carlisle Plan totaler Mist war.

Er brachte sich nur in Gefahr.

„Alice“, jetzt schaute er mir direkt in die Augen. „Für mich ist es am ungefährlichsten von uns allen. Du vergisst, dass Aro den Hang dazu sich wichtig zu machen. Er ist wichtig, keine Frage, aber Gaius und Marcus sind auch noch da. Er wird mich nicht ohne weiteres umbringen können.“

„Du willst nach Volterra?“, hakte Esme jetzt ein und ihre Augen weiten sich. Jetzt, da alle verstanden hatten, sah ich es in ihren Köpfen arbeiten.

War es richtig was er tat oder war es nicht ehr sehr gefährlich, machte er damit nicht nur alles schlimmer oder war er tatsächlich in der Lage auf irgendeine Art das Unheil abzuwenden? Nein.

Ich wollte nicht dass er ging.

Er würde in Gefahr sein, meinetwegen und das war ganz und gar nicht in Ordnung.

„Ja, ich werde nach Volterra gehen. Und ich werde nicht einfach mit Aro reden, ich werde mit seinen Brüdern reden. Ihr wisst, dass ich lange dort gelebt habe und ich weiß, dass sie Aro oft freie Hand lassen, sich aber darüber bewusst sind, dass er gerne übertreibt. Wenn jemand in der Lage ist ihm einen Riegel vorzuschieben, dass Markus und Gaius. Ich glaube nicht, dass sie zulassen werden, dass ihr Bruder eine große Vampirgemeinschaft gegen sie aufbringt, denn ich denke, dass ihr Recht habt. Es wird nicht gerade auf übermäßige Freude stoßen, wenn bekannt wird, dass Aro noch machtgieriger geworden ist.“

Schweigen.

Und dann sah ich, dass die anderen einverstanden waren.

Alle.

Bis auf mich und Esme.

Meine Mum schüttelte den Kopf.

„Nein, ich will nicht, dass du dorthin gehst, was ist, wenn es schief läuft.“

Carlisle lächelte schief.

„Dann wird Alice hoffentlich nicht mehr böse auf mich sein und mich direkt anrufen, oder?“ Er schaute mich fragend und gleichzeitig wissend an.

Er durfte nicht gehen.

Er spielte Aro damit direkt in die Hände, er brachte ihm genau das, was dieser schreckliche Vampir haben wollte.

Ein Druckmittel gegen mich.

Aber ich konnte es nicht mehr ändern, ich sah ihn in meinem Kopf bereits in einem Flugzeug sitzen. Sah ihn aussteigen…er hatte seine Entscheidung getroffen und nur er konnte sie wieder ändern.

Aber ich kannte Carlisle nun schon lange genug um zu wissen, dass er es nicht tun würde.

Er war friedlich.

Er würde nicht bereit sein zu kämpfen, wenn nicht jede Chance auf eine friedvolle Lösung ausgeschlossen wäre. Ich spürte, wie sich eine Hand auf meine legte.

Carlisle schaute mich ernst an.

„Wir müssen es versuchen Alice, wir können es uns nicht leisten eine offene Feindschaft mit dem Volturiclan zu riskieren.“

„Und wie würde sich eine offene Feindschaft von der jetzigen unterscheiden?“

Einen Momentlang schwieg er.

Dann murmelte er: „Wir und unsere Ansichten, haben immer stark differenziert, aber ich habe lange bei ihnen gelebt. Vielleicht sind sie sogar ein Stückweit noch meine Freunde, ich weiß es nicht.“

Ich starrte ihn an, musste erst einmal verdauen, was er gesagt hatte. Gewusst hatte ich, dass er dort gewesen war und ich hatte auch gewusst, dass Carlisle noch lange nach seinem Aufenthalt mit den drei Vampiren dort in Kontakt gewesen war, aber…

„Er hat deinen Sohn und deine Tochter getötet, Bella und Edward. Er hat sie umgebracht und Marcus und Gaius haben es zugelassen. Vergiss das nicht, wenn du dorthin fährst“, flüsterte ich leise, kaum hörbar.

Aber ich wusste, dass er es verstanden hatte.

Mit einem Ruck stand ich auf, Sekunden später hatte ich das Haus, in dem sie momentan lebten, verlassen.

Ich war mir nicht sicher, aber ich glaube, ich wollte ihn vor meiner Abreise nicht mehr sehen.
 

Die Arme eng um meinen Körper geschlungen, so als würde ich frieren, stand ich zwischen den Bäumen und blickte hinunter in das Tal.

Carlisle und Esme hatten sich für ein paar Monate in Deutschland angesiedelt, weshalb wir mehrere Tage gebraucht hatten, um sie zu finden. Wir hatten damit gerechnet, dass sie noch immer in Amerika waren.

Aber die Berge, die dieses Land zu bieten hatte, waren auch ganz schön. Vielleicht nicht für immer, aber für einen Urlaub von zwei oder drei Jahren durchaus geeignet. Das einzige, was mir nicht behagte, war die Nähe zu Italien.

Selbst ohne Flieger war die Strecke von hier nach Volterra in vergleichsweise kurzer Zeit zu bewältigen.

Vorsichtig und ganz sanft legte sich eine Hand an meine Taille. Sekunden später stütze Jasper sein Kinn auf meinen Kopf. Er war groß genug um es ganz bequem dort oben ablegen zu können.

Eine Tatsache, die mich ja immer ein bisschen wurmte, mir in diesem Moment aber egal war. Ich hatte ihn nicht kommen sehen, zu sehr war ich mit Volterra, den Vorgängen und den Bergen um mich herum beschäftigt gewesen.

„Carlisle packt seine Sachen. Er will unbedingt fahren.“

Zärtlich blies er mich durch die strubbeligen, kurzen Haare.

„Das wird schon“, murmelte er dann und ich spürte, wie ich ruhig wurde und lehnte mich an ihn, während er mich fest im Arm hielt.

Never forget

Carlisle
 

Ich wusste genau, dass es auf die anderen nicht gerade den Eindruck gemacht hatte, als würde es mir sehr schwer fallen, nach Volterra zu gehen, aber in Wahrheit kostete es mich um einiges mehr Kraft, als sie es sich vielleicht vorstellen konnten.

Dennoch war es meine Pflicht, das einzige, was ich tun konnte, denn es ging um meine Familie, die ich um jeden Preis beschützen musste. Schon hundert Jahre zuvor hatte ich versagt und sie leiden lassen, noch einmal durfte mir das nicht passieren.

Egal wie, ich musste sie alle am Leben erhalten, ich musste einen Weg finden, wie alle Verbliebenen Cullens mit den Volturi in einer Welt existieren konnten. Ich wollte nicht kämpfen, alles in mir sträubte sich dagegen meine alten Freunde anzugreifen und gleichzeitig war da der Teil, der noch immer, auch nach hundert Jahren, nach einer Entschuldigung verlangte.

Nicht mehr nach Rache, es würde ohnehin nichts ändern.

Aber doch nach einer Entschuldigung.

Dafür, dass man meinen Sohn unvorstellbare Seelenqualen hatte erleiden lassen, die ihn sogar in den Selbstmord getrieben hatten.

Ein bisschen Reue und eine friedliche Existenz.

Mehr wollte ich nicht.

Alles andere war sinnlos und führte zu nichts.

Ich brauchte nicht aus dem Fenster zu sehen um zu wissen, dass mein Flugzeug sich im Landeanflug befand, ich spürte es und dachte noch immer über das nach, was ich jetzt tun würde. Und vor allem, wie ich es tun würde. Markus und Gaius wussten um Aros Temperament, wussten, dass er sich gerne zu viel heraus nahm, aber ich wusste auch, dass sie ihm in ihrer Gier nach Macht und Kontrolle nicht um vieles nachstanden.

Als das Flugzeug auf der Landebahn aufsetzte, wusste ich zwar was ich tun würde – sie als Freund um Hilfe bitten, viel mehr blieb mir nicht übrig – aber ich hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würden.

Einen Moment lang zog ich in Erwägung Alice anzurufen, aber ich wusste, dass sie noch immer sauer auf mich war und wenn sie etwas wirklich Entscheidendes gesehen hätte, hätte sie mich wahrscheinlich längst kontaktiert. Doch so lange Markus und Gaius keine Entscheidung getroffen hatten, konnte sie sie auch nicht sehen und die beiden konnten sich nicht entscheiden, so lange sie noch nicht wussten, dass sie sich entscheiden mussten.
 

Die restlichen Meilen bis Volterra legte ich zu Fuß zurück, die Bewegung und die Geschwindigkeit lenkte mich ein wenig ab und da ich es aufgrund der Sonne nicht all zu eilig hatte, reichte es völlig bis Sonnenuntergang in der Stadt zu sein, vorher konnte ich sie ohnehin nicht einfach so betreten – das Leben war hier nicht so einfach wie im teils verregnetem Deutschland oder in Forks.

Trotz allem ging die Zeit schnell um, fast so als wollte sie mich ärgern, und als die Sonne gerade untergegangen war, trat ich auf das Tor der Stadtmauern zu, doch bevor ich es durchschreiten konnte, klingelte mein Handy. Noch bevor ich ran ging, oder auch nur einen Blick auf das Display warf, wusste ich, wer es war.

„Alice hat gesagt, dass du gleich in die Stadt gehen wirst“, flüsterte ihre leise Stimme. „Pass auf dich auf und komm zurück. Ich liebe dich.“

Noch bevor ich viel sagen konnte, hatte Emse schon wieder aufgelegt und das kalte Herz in meiner Brust zog sich zusammen. Auch nach so vielen Jahren fiel es mir noch schwer sie zurück zu lassen, auch wenn es nur für ein paar Tage war. Aber es ging nicht anders, ich musste sie und den Rest meiner Familie beschützen.

Entschlossen machte ich einen Schritt über die Schwelle und trottete den steinernen Weg entlang, ich war sicher, dass meine Anwesenheit nicht allzu lange unbemerkt bleiben würde, falls man mich nicht schon längst gesehen hatte.

Und tatsächlich, schon nach einer Minute gesellte sich eine völlig in schwarz gekleidete Person zu mir. Sie war klein und trotz ihres verdeckten Gesichts war ich mir sicher, dass es Jane war.

„Sie sind ziemlich überrascht von deinem Besuch, aber sie freuen sich dennoch. Du wirst bereits erwartet, folge mir.“

Damit beschleunigte die Gestalt ihre Schritte so dass wir in weniger als zwei Minuten auf dem großen Platz angelangt waren, der von dem großen Turm bewacht wurde. Es war als würde mein Herz anfangen zu bluten, als ich mich umsah und daran erinnerte, wie ich hier Bella in ihrem langen, weißen Brautkleid zu Edward geführt hatte.

Wie mein Sohn, der so lange hatte allein sein müssen, hier endlich glücklich geworden war. Wenn auch nur für kurze Zeit.

Er hat deinen Sohn und deine Tochter getötet, Bella und Edward. Er hat sie umgebracht und Marcus und Gaius haben es zugelassen. Vergiss das nicht, wenn du dorthin fährst.

Ich gab mir Mühe Alice Stimme zu verdrängen, aber immer wieder hallten ihre Worte in meinem Kopf wieder.

Nein, ich würde es nicht vergessen.

Niemals.

Wir näherten uns weiter dem Turm und mit einer spöttischen Verbeugung öffnete mir der Vampir von dem ich annahm, dass es Jane war, eine schwere Holztür. Ich ignorierte die Geste trat hindurch und sobald die Tür ins Schloss gefallen war, bestätigte sich mein Verdacht. Es war Jane.

In einer für uns Vampire üblich eleganten Geste zog sie sich die große Kapuze nach hinten und schaute mir direkt in die Augen.

„Aro freut sich schon darauf dich zu sehen. Komm.“

Sie ging weiter, doch ich blieb stehen. Es galt Problem Nummer eins zu lösen. Ich durfte Aro nicht begegnen, bevor ich mit Markus und Gaius geredet hatte, die Gefahr, dass er mich vorher berührte und meine Gedanken las, war zu groß.

Ich musste mit seinen Brüdern reden, bevor diese von ihm bereits etwas anderes eingetrichtert bekommen hatten. Falls es dafür nicht längst zu spät war.

„Was ist?“, fragte Janes kalte Stimme und ich blickte auf. „Ich freue mich auch darauf Aro wieder zusehen, dass kannst du ihm bitte ausrichten. Aber der Grund meiner Reise ist ein anderer, weshalb ich vorher gerne mit Markus und Gaius gesprochen hätte. Ich will das Notwendige dem Angenehmen vorziehen, damit ich etwas habe, auf das ich mich freuen kann.“

Ich lächelte freundlich, aber Jane erwiderte das Lächeln nicht.

Ihr Gesicht blieb eine Maske.

„Ich werde es ihm ausrichten und ich bin sicher, dass er nur umso mehr wissen will, was der Grund deiner Reise ist, Carlisle.“

„Es ist kein Geheimnis, dennoch hätte ich lieber gerne mit Gaius und Markus gesprochen.“ „Passt auf ihn auf“, befahl sie auf einmal und die zwei Wächtervampire, die im Schatten neben der Tür gestanden hatten, machten einen Schritt nach vorne. Sekunden später war Jane verschwunden. Und sie ließ mich warten, es dauerte bestimmt eine gute Stunde, bis sie zurückkam.

„Sie warten auf dich“, war das einzige was sie sagte, dann machte sie eine Geste ihr zu Folgen und ich tat wie mir geheißen. Der Raum in den sie mich führte, war alt, ich war schon Ewigkeiten nicht mehr hier gewesen, aber die Tatsache, dass sie tatsächlich einverstanden waren und nur Markus und Gaius auf mich warteten, erleichterte mich.

Sie lächelten mich freundlich, wenn auch ein wenig distanziert an, aber sie erhoben sich nicht, während sie mich begrüßten und warteten darauf, dass ich auf einem der um einen großen Tisch verteilten Sessel platz nahm. Dann schickte Markus Jane und noch zwei weite mir unbekannte Vampire vor die Tür.

Wir waren allein.

„Wie gesagt, wir freuen uns über deinen Besuch, Carlisle, schließlich hatten wir in den letzten Jahren nicht so viel Kontakt. Dennoch wirst du verstehen, dass es uns überrascht, dass du einer gemeinsamen Begrüßung nicht zugestimmt und Aro aus unserem Kreis ausgeschlossen hast.“

Er legte die Fingerspitzen aneinander und beobachtete mich aufmerksam. Ich beugte mich ein wenig vor.

„Ich habe ihn keinesfalls ausgeschlossen. Ich freue mich darauf ihn wieder zu sehen, auch wenn euch klar sein dürfte, dass ich die jüngsten Geschehnisse noch nicht vergessen habe und sie meine Familie noch immer stark belasten.“

Gaius neigte den Kopf leicht. Sie wussten, was geschehen war, schließlich waren sie zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in Volterra gewesen.

Er hat deinen Sohn und deine Tochter getötet, Bella und Edward. Er hat sie umgebracht und Marcus und Gaius haben es zugelassen. Vergiss das nicht, wenn du dorthin fährst.

„Ich bin gewiss nicht hergekommen um irgendwelche Schuldfragen aufzuwerfen.“

„Wozu dann, wenn man bedenkt, dass du auf Aros Anwesenheit verzichtest?“

„Ich bin gekommen, weil ich euch in gewissem Sinne um Hilfe bitten möchte.“

Ich schaute auf.

Keinerlei Regung in den Gesichtern der alten Vampire, die ich vor einer Zeit als meine Freunde bezeichnet hatte, auch wenn es immer mal wieder Differenzen gegeben hatte.

„In gewissem Sinne?“, hakte Markus nach und ich nickte.

„Ja. Wie ihr euch sicherlich denken könnt, ist in meiner Familie noch lange keine Ruhe eingekehrt. Es dauert, bis man nach solch einer Tragödie wieder in sein altes Dasein zurückkehren kann.“

„Natürlich. Dennoch ist uns nicht klar, was wir damit zu tun haben.“

Ich holte tief Luft.

Ich brauchte den Sauerstoff nicht zu leben, aber es war wie ein Reflex. Der schwierigste Teil stand jetzt noch bevor.

„Wie ihr wisst ist meine Tochter Alice mit der besonderen Gabe der Hellsicht ausgestattet. Hin und wieder ist es ihr möglich einen Blick in die Zukunft zu werfen.“

„Und?“

„Vor kurzem sah sie, dass Aro ihre Gabe sehr hilfreich findet und mit dem Gedanken spielt, sie an seine Seite zu holen. In die Garde der Volturi. Wie ihr wisst hat er auch Edward dieses Angebot unterbreitet.“

Ich schwieg kurz und musterte die beiden. Gaius nickte schließlich.

„Ja, Edward hat es ausgeschlagen. Er zog es vor das Menschenmädchen zu heiraten und Teil deiner Familie zu bleiben.“

Die Stimme war kalt, so dass es fast den Anschein erweckte, als wäre das der Grund für all das, was ihm und Bella widerfahren war.

Nur die Tatsachte, das er nicht zu den Volturi wollte.

Ich nickte ebenfalls.

„Ja. Ich kann natürlich nicht sagen, ob er seine Meinung noch geändert hätte, aber darum geht es auch nicht. Der Grund dafür, dass ich gekommen bin, ist, dass auch sie nicht nach Italien kommen möchte.“

„Sie lehnt es ab in der Volturigarde zu dienen, bevor sie auch nur ein Angebot bekommen hat?“, fragte Gaius ein wenig amüsiert nach und ich lächelte leicht.

„Es mag komisch klingen, aber es stimmt in gewisser Weise. Sie ist momentan nicht in der Lage zu so was. Ihr müsst wissen, dass Edward und sie aufgrund ihrer Fähigkeiten sehr stark miteinander verbunden waren. Sie trauert um ihren Bruder und weder sie noch ich halten es für eine gute Idee, sie so kurz nach der Tragödie vor so eine Entscheidung zu stellen.“

Die Tatsache, dass Alice es niemals in Betracht ziehen würde der Volturigarde beizutreten und in erster Linie nach Rache trachtete, ließ ich dabei außen vor. Ich war der Meinung, dass das für das Gespräch nicht sonderlich förderlich sein würde.

„Wenn ihr ein Angebot gemacht werden sollte – und wir haben uns noch nicht näher damit befasst –hat sie jeder Zeit die Möglichkeit es auszuschlagen, das weißt du Carlisle.“

Ich nickte leicht.

„Weshalb bist du dann gekommen?“

„Weil…“, ich zögerte und wusste nicht wirklich wie ich weitermachen sollte. Es stand so viel auf dem Spiel.

„Weil sie mithilfe ihrer Visionen gesehen hat, dass gerade Aro nicht sonderlich angetan davon wäre, wenn sie das Angebot ausschlagen würde. Er hätte sie gerne an seiner Seite, da er aufgrund seiner Gabe natürlich am meisten davon profitieren würde. Sie hat Angst ihn zu verärgern.“

„Glaubt deine Tochter vielleicht, dass Edwards Schicksal dadurch besiegelt wurde, dass er das Angebot Aros ausgeschlagen hat und dieser daraufhin das Menschenmädchen mit Absicht tötete?“

Es war Markus leise Stimme, die jetzt sprach und ich zuckte nur leicht mit den Achseln.

„Ich weiß nicht was sie glaubt oder was sie denkt.“

„Glaubst du es?“

Noch immer diese leise Stimme.

Er hatte sie schon vor Jahrhunderten gehabt.

Sie war so leise und doch kristallklar und durchdringend.

Ich schaute ihn an.

„Ich glaube gar nichts. Ich habe nicht das Recht mir darüber ein Urteil zu bilden, weil ich nicht anwesend war und ich möchte es auch gar nicht.“

Einen Momentlang starrte Markus mich aus seinen kleinen, alten Augen an. Dann lächelte er. „Immer noch der Alte, nicht war? Du kannst einfach keinen Streit aufkommen lassen. Richtig harmoniebedürftig.“

Jetzt lachte er und ich grinste ebenfalls ein wenig. Schon damals hatten sie sich darüber lustig gemacht und die Tatsachte, dass sie einen alten Scherz wieder aufleben ließen, konnte nicht allzu schlecht sein.

„Aber jetzt einmal die Wahrheit, Carlisle, was willst du von uns?“

„Nicht viel“, antwortete ich eilig. „Nur, dass ihr ein Auge auf Aro habt. Ich habe lange genug hier gelebt um zu wissen, dass er gerne auf eigene Faust handelt, sobald er weiß was er will und es ihm wirklich wichtig erscheint. Wobei das in meinen Augen nicht zwangsläufig etwas Negatives ist.“

„Und?“

„Markus…es ist viel geschehen, dass kann keiner von uns leugnen, aber ich werde mich deshalb nicht als Feind gegen euch stellen. Das einzige was ich verlange ist, dass ich und meine Familie in Ruhe leben können, ohne Angst davor zu haben, dass Aro sich vielleicht doch auf irgendeine Art und Weise durchsetzen möchte.“

Markus Augen blitzen und ich wusste, dass ich zu viel gesagt hatte.

„Auf welche Art und Weise denn?“

„Das weiß ich nicht…“

„Doch Carlisle, du weißt es. Wir sind genau so wenig dumm wie du es bist. Es gibt einen Grund dafür, dass du hier bist und das ist nicht irgendein Friedensgespräch, das du schon vor Jahren hättest führen können. Was hat die Schwarzhaarige gesehen?“

„Ich kenne ihre Visionen nicht…“

„Nein, nicht alle. Aber diese kennst du, weil sie voll Sorge zu dir gekommen ist. Was hat sie gesehen?“

Die beiden Vampire starrten mich an, mit ihren kalten, durchdringenden Augen. Ich wusste, dass ich keine Chance mehr hatte, ich musste es ihnen sagen.

„Sie hat gesehen, dass Aro sie erpressen wird, wenn sie nicht freiwillig kommt. Er will ihren Gefährten umbringen.“

Das Aro laut Alice auch bereit war den Rest unserer Familie sterben zu lassen, erwähnte ich nicht. Ich wollte ihn nicht brutaler darstellen, als es unbedingt sein musste, um seine Brüder nicht gegen mich aufzubringen.

Die beiden Vampire lehnten sich ein Stück zurück.

„Das hat er vor?“

„Ich weiß es nicht. Die Visionen, die sie hat sind sehr unbeständig, aber es zeigt, dass er es zumindest kurz in Erwägung gezogen hat. Um einen erneuten Streit zu unterbinden bin ich deshalb hergekommen. Das einzige, was ich mir für meine Familie jetzt wünsche, ist Ruhe und ein angstfreies Leben.“

„Deshalb bist du gekommen.“

„Ja, in der Hoffnung, dass wir noch Freunde sind und ihr mir dabei helfen würdet. Schließlich hat weder sie, noch irgendjemand aus meiner Familie euch jemals etwas getan.“

Sie schwiegen. Eine ganze Weile lang, dann standen sie auf einmal auf.

„Wir werden mit Aro reden.“

Dann waren sie weg. Ich lehnte mich nach hinten und schloss die Augen.

Einatmen.

Ausatmen.

Das war alles gewesen, was in meiner Macht stand. Alles.

Der Rest lag nicht bei mir.
 

„Glaubst du wirklich, dass ich deiner Tochter etwas antun wollte, Carlisle?“, rief Aro von der offenen Tür aus.

Er lächelte. Gute

Miene zum bösen Spiel

„Sie hat sich Sorgen um ihren Gefährten gemacht, Aro, ich habe ihr versprochen, dass ich mit dir rede, nichts weiter.“

„Verständlich, verständlich. So ist das mit unserer Gefährten, man tut alles für sie, nicht war? Ich habe von der schrecklichen Tragödie mit Edward gehört, Carlisle. Es war gewiss schwer für dich und deine Familie.“

„Ja“, murmelte ich leise.

Ich wollte nicht darüber reden.

Mit fiel auf, dass Aro verdächtige nahe an meinem Sessel vorbei ging, während er auf den seinen zusteuerte, aber er schien zu dem Schluss zu kommen, dass es unhöflich wirken würde, wenn er mir zu nahe kam und mir einen Finger auf die Wange legte, nur um meine Gedanken zu lesen. Er ließ sich auf dem Sessel nieder und auch Markus und Gaius, die jetzt wieder den Raum betraten, setzten sich.

„Nein, wirklich Carlisle, sie kann unbesorgt weiter durch die Lande ziehen. Ich werde dafür Sorgen, dass sie nicht eines Tages in Form von Asche auf dem Boden liegt, gewiss nicht.“ Mir entging nicht, dass Aro dies nur auf Alice bezog, nicht auf Japser. Ich wandte den Blick leicht von ihm ab und sah Markus an.

Er nickte leicht.

Ich wusste, was das hieß.

Sie standen auf meiner Seite.

Zwar war Aro noch immer mächtig, aber solange seine Brüder ihm auf die Finger schauten, bestand keine allzu große Gefahr. Ich konnte es in diesem Moment selbst kaum glauben, aber ich hatte es geschafft.
 

Alice
 

Ich sah die Bilder in meinem Kopf. Sah wie er dort an diesem Tisch saß und mit ihnen redete. Und ich wusste, was das hieß.

Aro würde weder mir, noch Japser etwas anhaben können.

Jetzt, da Markus und Gaius Bescheid wussten und Carlisles Bitte gefolgt waren, seiner Familie Zeit zu geben, war ich quasi in Sicherheit.

Nicht nur ich.

Auch die anderen, die wegen mir in Gefahr gewesen waren.

Rosalie, Emmett, Esme, Carlisle – Jasper.

Eine tiefe, nicht zu beschreibende Erleichterung durchfuhr mich und ich spürte, wie auf dem Sofa ein Stück in mich zusammensackte.

Sie waren in Sicherheit.

Alle.

All die, die mir wichtig waren, waren in Sicherheit.

Ich konnte bei ihnen bleiben.

Langsam öffnete ich die Augen und während ich all die Gesichter, die mich wartend, neugierig und besorgt anstarrten, betrachtete, wurde mir klar, was das noch bedeutete.

Ich würde meine Rache nicht bekommen, niemals.

Wenn man Aro und seine Gefolgsleute zu meinem Schutz nicht in seine Nähe ließ, dann würde ich auch ganz sicher nicht an ihn herankommen.

Bei diesem Gedanken ballten sie meine Fäuste. Ich hatte dafür gekämpft Rache nehmen zu dürfen, ich hatte es Edward versprochen.

Noch immer starrten mich alle an und schienen meine Reaktion falsch zu deuten.

„O mein Gott“, murmelte Esme und vergrub das Gesicht in den Händen.

„Nein, nein“, sagte ich schnell und beugte mich ein wenig vor, wobei ich erst bemerkte, dass Jasper mir seinen Arm eng um die Taille geschlungen hatte.

„Nein Esme, es ist alles in Ordnung. Er kommt zurück. Er hat es geschafft.“

Meine Stimme war leise, doch das was ich sagte, bewirkte so viel.

Die spannungsgeladene Atmosphäre verschwand, Erleichterung machte sich breit. Doch ich bemerkte nicht viel davon, sondern ließ mich wieder rücklings in die Kissen sinken.

Er würde ungestraft weiterleben.

Er würde einfach warten, bis sich eine Gelegenheit bot, die es ihm ermöglichte, seinen Willen doch noch zu bekommen.

Ich würde mein Versprechen brechen.

Meine Gedanken wanderten hin und her und auf einmal, war ich wieder in Volterra und konnte ihn vor mir sehen.

Den Raum, in dem sie miteinander gesprochen und den Carlisle inzwischen verlassen hatte – und Aro. Es war als würde er mich ansehen – direkt in die Augen, als wüsste, dass ich ihn sehen konnte.

Und wieder spürte ich den aufsteigenden Hass in mir, das alles überdeckende Verlangen danach, ihm den Kopf abzureißen und ihn in unzählige kleine Stück zu zerteilen. D

och dann sah ich noch etwas.

Ich sah, wie ich gegen ihn kämpfte.

Ich würde meine Chance bekommen.

Irgendwann einmal würde er mir gegenüber stehen.

Ich wollte gerade die Augen öffnen, als mich erneut eine Vision durchfuhr.

Wieder sah ich ihn.

Ich sah ihn, wie er starb.

It's not over yet

Aro
 

Schon als ich Carlisle bei meinen Brüdern sitzen sah, seinen gequälten, oder vielleicht ein wenig ängstlichen Gesichtsausdruck registriert hatte, wurde mir klar, dass ich denselben Fehler wie bei Edward gemacht hatte.

Ich unterschätze sie.

Alice hatte mir Jahrzehnte zuvor einen Einblick in ihre Gedanken gewährt, der mir viel über sie und ihre Persönlichkeit verraten hatte. Eine Information, die ich bis heute sehr hilfreich fand war die, dass sie alles tun würde, um die, die ihr lieb waren, zu retten.

In diese Hinsicht war sie ihrem Bruder sehr ähnlich, nur dass er klarere Prioritäten gesetzt hatte. An erster Stelle hatte bei ihm seine Partnerin, das Menschenmädchen gestanden. Vielleicht war es ein Fehler gewesen denselben Rückschluss bei Alice zu ziehen und sie mithilfe von Jasper nach Volterra zu zwingen.

Oder vielleicht hatte sie sich auch einfach zu sehr verändert.

Oder dieser Jasper hatte mehr Einfluss und Überzeugungskraft, als ich angenommen hatte. Eine Schande, dass ich mich nie näher mit ihm unterhalten habe. Sogar als er sich zu der Hochzeit vor knapp hundert Jahren hier aufgehalten hatte, hatte ich meine Chance nicht genutzt.

Ich war ärgerlicher Weise zu selbstsicher gewesen. Wenn ich damals gewusst hätte, wie sich alles weiterentwickeln würde – so gar nicht nach meinem Plan – dann hätte ich mich damals schon mit ausnahmslos jedem Mitglied dieser Familie unauffällig um einiges näher vertraut gemacht.

Aber dann war diese ärgerliche Sache mit Bella dazwischen gekommen.

Ich hatte sie nicht umbringen wollen, wirklich nicht.

Dafür war ich viel zu neugierig gewesen, was wohl aus ihr werden würde, wenn die erst einmal die Unsterblichkeit erlangt hätte. Das einzige, was ich wieder ins rechte Licht hatte rücken wollen, war die Machtverteilung.

Die Cullens waren zu groß und durch zu mächtige Talente ausgezeichnet, als dass man sie unbeobachtet hätte lassen können. Gerade ihre Fähigkeiten hatten sie dazu verpflichteten sich der Garde anzuschließen, um die ihren zu schützen, aber bis zum Schluss hatten sie sich geweigert.

Es war Zeit gewesen dieser Willkür Einhalt zu gebieten.

Zu lange waren sie zu unabhängig gewesen, deshalb hatte ich darauf bestanden, dass sie hier in Volterra blieben, bis aus Isabella ein Vampir geworden war. Um sie auf ihre Position zurückzuweisen. Die Idee, dass ich sie selbst verwandeln könnte, war mir erst später gekommen.

Auf diese Art und Weise konnten die Volturi zeigen, dass sie das, was geschah, duldeten, aber jeder Zeit nach ihrem belieben darauf Einfluss nehmen konnte. Die Idee war wirklich gut gewesen, daran ließ sich nicht rütteln.

Aber ihr Blut…es war so unglaublich köstlich gewesen...

Während ich Platz nahm und Carlisle ein freundliches Lächeln schenkte, rief ich mir den Geschmack ins Gedächtnis.

Wahrscheinlich war es unhöflich, jemandem gegenüber zu sitzen und sich währenddessen daran zurückzuerinnern, wie gut seine Tochter geschmeckt hatte, als man ihr den letzten Tropfen Blut aus den Adern gesogen hatte.

Immer wenn ich daran zurückdachte, viel es mir schwer, es zu bereuen.

Sie hatte so gut geschmeckt.

Aber ich musste doch einräumen, dass es nicht gut gewesen war, dass ich sie schließlich doch umgebracht habe. Anfangs hatte ich es nicht für allzu schlimm gehalten, ich war mir sicher gewesen, dass Edward jetzt nichts mehr hatte, was ihn bei seiner Familie hielt. Ich war mir sicher gewesen, dass ihre Anwesenheit ihn nur an das erinnert hätte, was er verloren hatte und dass er sie deshalb meiden würde.

Nach ein paar Jahren der Trauer würde er gewiss nach Volterra zurückkehren, angelockt von der Macht, die ihm demonstriert worden war – ich war mir so sicher gewesen. Doch als er dann nach zehn Jahren tatsächlich zurückgekehrt war, hatte ich in seinen Augen nur eines gelesen: Hass.

Aber ihm schien klar gewesen zu sein, dass er den Volturi nichts entgegen zu setzen hatte. Als ich vor kurzem dann erfahren habe, dass er es tatsächlich geschafft hat, sich das Leben zu nehmen, wurde mir erst das volle Ausmaß meines Fehlers bewusst.

Er war nicht wie so viele andere Vampire gewesen, die ihren Partner zwar liebten, aber deren wahren Liebe der Macht galten…er war ein Vampir gewesen, der nichts anderes begehrte als dieses Mädchen.

Und in dem ich sie ihm genommen hatte, hatte ich mein einziges Druckmittel gegen ihn verloren.

Eine sehr ärgerliche Sache, wie ich inzwischen zugeben muss. Diese Fähigkeit des Gedankenlesens, die er besaß, wäre eine perfekte Ergänzung zu der meinen gewesen. Wer konnte schon sagen, wie lange ich jetzt würde warten müssen, bis mir wieder ein solches Schmuckstück unter die Finger kam?

Das einzige, was mir für den Moment noch geblieben war, war seine Schwester. Sie würde es mir ermöglichen in die Zukunft zu sehen, sie würde mir dabei helfen, unsere Sippe zu schützen.

Es war ihre Pflicht eine solche Gabe uns zur Verfügung zu stellen und trotz allem, was ihrem Bruder zugestoßen war, weigerte sie sich. Als Alice nach Volterra gekommen war, hatte ich mich für ein paar Sekunden der Illusion hingegeben, dass sie freiwillig zu uns kommen würde, aber mir war schnell bewusst geworden, dass dem nicht so war, dass ich sie würde zwingen müssen.

Und zwar bald, damit nicht noch einmal eine solche Tragödie geschah. Das sie allerdings Carlisle hierher geschickt hatte, anstatt selbst zu kommen um ihre Familie zu schützen, hatte ich nicht erwartet.

Dumm war sie nicht.

Wenn irgendjemand meine Brüder dazu überreden konnte ihre Familie ihren Frieden zu geben, dann Carlisle. Er war der einzige, dem die beiden eventuell zuhören würden und dass er sich als erstes an Gaius und Marcus gewandt hatte, war auch geschickt. Ja, ich musste mir wohl oder über eingestehen, dass ich diese Runde verloren hatte.

Aber was war schon eine Runde in einer ganzen Schlacht?

Für den Augenblick blieb mir auf jeden Fall nichts anderes übrig, als mich reumütig zu geben und Carlisle zu beteuern, dass es niemals in meiner Absicht gelegen hatte, seiner Familie schaden zu zufügen. Das entsprach sogar der Wahrheit. Ich wollte ihn nicht in irgendeiner Art und Weise verletzen, das einzige was ich wollte, was ich brauchte, war Alice.

Der Rest war lediglich Mittel zum Zweck.

Während ich den anderen Gesellschaft leistete, wurde schnell deutlich, dass Markus und Gaius sich vorerst auf Carlisles Seite geschlagen hatten. Ich wusste, dass sie ihn mochten, auch wenn sie ihn ein wenig seltsam fanden und dass sie die Gefahr, die seine bis vor kurzem immer größer werden Familie für uns bedeutete hatte, nicht hatten wahrhaben wollen. Außerdem hatten sie noch immer ein schlechtes Gewissen, weil sie sich mit dafür verantwortlich fühlten, dass Edward sich umgebracht hatte.

Auch wenn sie das niemals zugeben würden. Das würde eine zu große Schwäche offenbaren. Aber mir konnten sie nichts verheimlichen.

Es würde eine Weile dauern, bis sie das ganze aus den Augen lassen würden und ich wieder freier agieren konnte. Das bedeutete nicht, dass Alice gewann, es bedeutete lediglich, dass ich Zeit verlor.

An sich keine schlimme Sache, Zeit hatte ich mehr als genug, aber die jüngsten Ereignisse hatten gezeigt, dass sich einfaches warten nicht immer lohnte.

Nein, ich würde handeln müssen, sobald sich die Möglichkeit bot.

Sobald meine Brüder mich aus den Augen lassen würden, mich nicht mehr argwöhnisch betrachten würden, würde ich das tun, was schon immer meine Aufgabe gewesen war. Unseren Clan zu schützen, damit er die Vampire schützen konnte.

Manchmal war es notwenig solche Dinge zu tun, auch wenn dafür Opfer gebracht werden mussten, die nicht unbedingt wünschenswert waren.

Irgendjemand musste es tun und ich würde mich der Aufgabe annehmen. Irgendwann, auch wenn ich noch nicht sagen konnte wann, werde ich ihr gegenüber stehen und sie bitten, mit nach Volterra zu kommen. Und wenn sie sich weigern sollte, dann werde ich sie mitnehmen und wenn sie sich wehren sollte, dann würde ich sie töten.

Ich konnte nicht dulden, dass ein Vampir, der in der Lage war in die Zukunft zu schauen und die Pläne andere, insbesondere der Volturi zu sehen, außerhalb der Garde, in der ich ihn kontrollieren konnte, existierte.

Es war zu gefährlich.

Alice wusste genau, dass sie mir nichts entgegen zu setzen hatte, das war auch einer der Gründe dafür, dass ich jetzt Carlisle gegenüber saß und nicht ihr.

Ihr war bewusst, dass sie keine andere Wahl gehabt hatte, als sich zu verstecken.

Doch jetzt, jetzt da Carlisle die anderen auf seine Seite gezogen hatte, konnte sie mir sogar vor der Nase herumtanzen ohne dass ich etwas dagegen machen konnte.

Ich würde warten müssen.

Mindestens zwanzig oder dreißig Jahre.

Das war nicht geplant gewesen und das nervte mich.

Aber dennoch würde ich nicht aufgeben, irgendwann werde ich sie wieder treffen, wenn niemand sich mehr an die Sache erinnert und dann wird sie mein werden, damit unsere Talente endlich die Möglichkeit hatten sich zu ergänzen, so wie es schon seit Jahren sein sollte.
 

Alice
 

Ich spürte wie meine Muskeln sich kurz anspannten, aber schon nach ein paar Sekunden war es vorbei. Jetzt wusste ich immerhin, warum mir die Chance vergönnt war, eines Tages gegen Aro zukämpfen.

Sein Ego ließ nichts anderes zu.

Er wollte mich in seiner Garde haben und wenn er mich mithilfe meiner Familie nicht erpressen konnte, weil Markus und Gaius ihm einen Riegel vorschoben, dann würde er sich halt eine andere Möglichkeit suchen.

Und jetzt war er zu dem Schluss gekommen, dass er mich notfalls auch mit Gewalt dazu bringen würde, sich ihm anzuschließen. Ich öffnete die Augen und starrte vor mich hin.

Ich war alleine.

Nachdem ich den anderen erzählt hatte, dass Carlisle lebte und sein Ziel erreicht hatte, waren sie nacheinander verschwunden.

Auch Jasper.

Vermutlich wollte er mich für eine Weile alleine lassen, bevor wir nachher jagen gehen wollten. Ich war ihm dankbar dafür, denn ich hatte noch keine Ahnung, wie ich ihm erklären sollte, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem ich Aro im Kampf gegenüber treten musste.

Würde er mich gehen lassen?

Ich zog die Beine an meinen Körper und schlang die Arme um meine Knie.

Es war noch nicht vorbei.

Noch lange nicht vorbei.

Wenn sich dieser machtbesessene Vampir erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ er so schnell nicht wieder davon ab, da war ich mir sicher.

Er würde nicht vergessen.

Niemals.

Er würde warten, wenn nötig, hunderte von Jahren nur um mir zu zeigen, wo ich hingehörte und dass ich seinen Befehlen Folge zu leisten hatte.

Auf Dauer würde nur einer von uns weiter existieren können, denn mir war von Anfang an klar, dass ich lieber sterben würde, als mich für den Rest meines unendlichen Lebens Aro anzuschließen.

Erst in diesem Augenblick wurde mir bewusst, was das eigentlich bedeutete. Egal wie es kam und wie lange es dauern würde, irgendwann würde ich Aro, den König der Vampire, töten müssen um selber überleben zu können.

Es gab keinen anderen Weg.

Ich musste ihn umbringen, um mich selbst zu retten, denn für uns beide war in seiner Welt kein Platz.

Einer würde gehen müssen.

Den Gedanken, dass auch ich es sein könnte, schob ich beiseite.

Daran wollte ich noch nicht denken.

I have to - there is no other way

Kapitel 09
 

I have to - there is no other way
 

„Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich dich gehen lasse, oder?“

Nein, das glaubte ich nicht. Ich war mir vollkommen im Klaren darüber, dass er genau das Gegenteil tun würde. Wahrscheinlich wäre er bereit mich zu entführen und auf Ewigkeiten irgendwo festhalten, anstatt mich auch nur einen Schritt alleine gehen zu lassen– was für ihn durchaus möglich wäre, wenn man bedachte, dass er stärker war als ich. Zumindest würde ich das an seiner Stelle tun.

Wenn ich größer und stärker wäre, als ich bin und wenn er das verlangen würde, was ich nun von ihm verlangte, ich würde meinen Arme um ihn schlingen, ihn festhalten und ihn nie wieder loslassen, bis in alle Ewigkeit nicht, wenn ich ihn dadurch halten konnte.

„Ich muss Jasper“, flüsterte ich leise.

„Gar nichts musst du!“, rief er wütend.

Seine Miene wirkte verbittert und das Sonnenlicht, dass durch die Fensterscheiben hereinfiel, beleuchteten seine Narben, die auf so viele im ersten Moment abschreckend wirkten, ihn in meinem Augen aber noch attraktiver machten, als er mit seinem schönen Gesicht ohnehin schon war.

„Er ist nicht irgendjemand, Alice. Bergreif das doch! Du hast keine Chance gegen ihn, genauso wenig wie ich oder Emmett eine hätten. Dieser Vampir ist Jahrtausende alt und hat schon schlimmeres überlebt als einen Kleinkrieg mit einer rachsüchtigen Vampirin, die sauer ist, weil er ihren Bruder in der Tod getrieben hat!“

„Ich weiß.“

„Warum machst du das dann?“

Ich blinzelte und sah ihn direkt vor mir stehen. Er musste sich zu mir herabbeugen um mir in die Augen sehen zu können, so klein war ich neben ihm. Sein Gesicht war direkt vor meinem, sein Blick war durchdringend, wütend, seine Lippen fest aufeinander gepresst.

Ich mochte es nicht, wenn er so um sich schaute.

Ich schnellte nach vorne und stahl mir einen Kuss von seinem Mund. Er erwiderte ihn nicht, stand noch immer steif vor mir, versuchte zu verstehen.

Mein schlechtes Gewissen fraß sich immer weiter durch meinen Körper und der Hass auf Aro, der dabei war, das zu zerstören, was mir am wichtigsten war, indem er sich zwischen mich und Jasper stellte, schien alles einzunehmen.

Wieder ließ ich mich ein bisschen nach vorne fallen, stellte mich auf die Zehenspitze und schlang die Arme um seinen Hals. Mein Gesicht drückte ich an seine Brust um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.

Wann hatte ich das das letzte Mal getan?

Wann hatte ich das letzte Mal davor zurückgescheut ihm in die Augen zu sehen?

Nie.

Nie, bevor Aro entschieden hatte, dass ich ihm gegenüber eine Verpflichtung hatte.

„Ich muss“, murmelte ich wieder leise und war mir sicher, wenn ich ein Mensch gewesen wäre, hätte ich genau in diesem Moment geheult und nur noch schluchzen können.

Ich spürte, wie Jasper sich ein wenig aufrichtete, seine Arme um mich legte und meinen Körper noch näher an den seinen heranzogen. Seine Lippen fuhren über meine Kopfhaut, ich fühlte die Nähe, doch dann hielt er auf einmal inne.

„Woher kommt er Alice? Woher kommt dieser Hass in dir?“

Seine Stimme war leise, zärtlich und doch verzweifelnd.

Was sollte ich ihm sagen, er hatte doch recht. Niemand hatte sich in den letzten Wochen mehr verändert als ich selbst.

Ich war nicht mehr die Alte.

Was hatte Edward einmal gesagt?

Wir Vampire sind wie Steine. Hart und unveränderlich. Aber wenn etwas geschieht, das eine Veränderung nach sich zieht, dann ist es etwas Bedeutendes, etwas Unumkehrbares.

Was war, wenn ich nie mehr so sein würde wie früher, wenn ich diesen Hass in mir, in dem ich bereits jetzt zu versinken drohte, nie wieder loswerden würde? Voller Angst drängte ich mich noch enger an Jasper und er drückte mich fest an sich.

Er bot mir eine Stütze, für die ich unglaublich dankbar war.

Doch wie würde es sein, wenn es so blieb, wie es jetzt war? Würde er das akzeptieren können?

Kälte machte sich in mir breit.

Es war schlimm genug gewesen meinen Bruder zu verlieren. So schlimm, dass ich bis jetzt nicht ruhen konnte, doch was es für mich bedeuten würde ohne Jasper zu sein, daran wollte ich nicht denken. Daran konnte ich nicht denken.

„Was ist los?“

Ich atmete tief ein, bevor ich antwortete:

„Ich habe Angst.“

Schon als ich es ausgesprochen hatte, hörte ich sein trockenes, gekünsteltes Lachen.

„Angst? Ja, Angst hätte ich auch, wenn ich mir vorgenommen hätte gegen Aro zu kämpfen.“ Ich machte mich von ihm los und trat einen Schritt nach hinten. Nur seine große, rechte Hand hielt ich noch zwischen meinen vergleichsweise kleinen Finger und strich sanft über den Handrücken.

„Das meine ich nicht“, sagte ich und traute mich wieder nicht ihn anzusehen.

Ich verachtete mich dafür.

„Was meinst du dann?“

Kurz schaute ich auf, sah in seine goldenen Augen, sein schönes Gesicht, betrachtete all das, was ich bisher ganz selbstverständlich als mein eigen angesehen hatte. Dann wandte ich mich wieder ab und spürte wie dabei wieder ein Teil von mir starb.

Warum konnte ich ihn nicht anschauen, warum konnte ich seinen Blick nicht mehr direkt ertragen?

„Was meinst du?“, fragte er wieder leise und ich starrte auf seine Hand, von der ich genau wusste, wie zärtlich sie sein konnte.

„Ich…ich habe Angst, dass ich nie wieder die Alte werde, verstehst du? Ich fühle den Hass in mir und weiß genau, dass es das früher für mich nie gegeben hätte. Ich habe mich verändert und hoffe so sehr, dass das alles vergehen wird, wenn Aro nicht mehr da ist um mein Leben zu bestimmen, mir damit zu drohen all das zu nehmen, was ich liebe.“

Ich führte seine Hand zu meinem Mund und küsste sie zärtlich.

„Was, wenn ich nie wieder so werden kann wie früher, was machst du dann?“

Aus den Augenwinkeln sah ich seinen verdutzten Blick, erst jetzt schien er zu begreifen. Sein anderer Arm streckte sich auch noch aus und zog mich näher zu sich heran.

„O Alice“, hörte ich ihn leise murmeln und mir war, als würde mir übel werden. Ich wusste zwar nicht genau, wie es sich anfühlt, wenn einem Menschen übel wurde, aber in diesem Moment hatte ich ein Gefühl, von dem ich glaubte, dass es dem der Übelkeit sehr nahe kam.

Ein Finger legte sich unter mein Kinn und drückte es nach oben. Ich wollte wieder ausweichen, aber er zwang mich dazu ihn anzusehen.

„Das ist es, wovor du Angst hast? Du befürchtest wirklich, dass ich dich nicht mehr mögen könnte, wenn du nicht wieder ganz so wirst wie früher?“

Ich schwieg und schloss die Augen.

Seine Finger wanderten über meine Wange und ich merkte, dass er darauf wartete, dass ich etwas sagte, doch ich tat mich schwer.

„Würdest du?“, fragte ich schließlich leise und spürte dann, wie er mich küsste.

„Ich liebe dich Alice. Ich liebe dich, dafür, dass du mich aus meiner Einsamkeit gerettet hast. Ich liebe dich dafür, dass du mich nie alleine gelassen hast und einfach dafür, dass du mich liebst. Ich würde dich niemals alleine lassen. Niemals, hörst du? Aber das heißt nicht, dass ich dich alles machen lasse, was du dir in deinen kleinen Kopf setzt. Schon gar nicht dann, wenn auch nur die geringste Chance besteht, dass ich dich dabei verlieren könnte. Hast du das verstanden?“

Eigentlich hatte ich es ja gewusst.

Aber irgendwie tat es gut, dass er es sagte.

Dass er es auf eine so schöne Art und Weise sagte.

„Danke“, flüsterte ich und lehnte mich wieder an ihn.

„Für dich immer“, antwortete er schlicht drückte seine Lippen auf meine Stirn.

„Heißt das auch, dass du mir helfen wirst gegen ihn zu kämpfen?“

„Nein“, sagte er ganz bestimmt. „Ich werde dich davon abhalten.“

„Du bist gar nicht mehr sauer“, nuschelte ich in sein Hemd.

„Nein. Ich habe mich damit abgefunden, dass du es willst. Jetzt bist du dran dich damit abzufinden, dass ich es nicht zulassen werde.“

Ich wollte das ausdiskutieren, ich wollte das endlich klären, doch jetzt, da ich so nah bei ihm stand und von ihm so liebevoll umarmt wurde, hatte ich das Gefühl, wieder ich selbst zu sein. Wenigstens ein kleines bisschen, deshalb schwieg ich.

Es war so schön einfach bei ihm zu sein, zu wissen, dass ich mit meinen Selbstzweifeln nicht alleine war.

Früher hätte ich mir niemals vorstellen können, was es bedeutete verzweifelt zu sein.

Ich hatte sehen können, wie andere verzweifelt gewesen waren, ja, und bei Edward, da hatte ich mit gelitten, wenn ich seinen Gesichtsausruck gesehen hatte, während seine Gedanken bei Bella weilten. Doch es selbst zu erleben, es war so anderes.

Eine so andere Erfahrung.

Dieses Gefühl der Einsamkeit, der Angst, des Hasses….doch ich war nicht alleine.

Ich hatte jemanden, der darum kämpfte, dass alles mit mir durchzustehen. Ich presste mich noch enger an ihn, wollte ihn nie wieder loslassen und den Moment genießen, denn ich wusste, dass die anderen bald von der Jagd wiederkommen würden.

Nur noch ein oder zwei Minuten, dann würden sie hier sein. Und vorher würde ich ihn nicht loslassen.

„Und was machen wir jetzt, bis die anderen kommen? Uns weiter streiten?“

Er war ein Scherz, doch ich ging nicht darauf ein, sondern sagte nur stur:

„Nein. Wir bleiben so stehen. Genauso.“

Jasper lachte leise, ich konnte spüren, wie seine Brust leicht bebte. Vorsichtig tastete ich mich mit meinen Fingern unter sein Hemd und strich über seine Bauchmuskeln. Es war, als würde ich das alles neu entdecken, als würde ich es wieder mit ganz anderen Augen sehen.

Das war meins, alles meins.

„Nur stehen, ja?“, flüsterte er mir leise ins Ohr und wieder lachte er, bevor er mir zärtlich ins Ohr biss.

„Na ja“, murmelte ich, durchaus bereit mich auch noch zu anderem überreden zu lassen, doch als ich meine Hand noch höher schob, drückte er meinen Arm sanft wieder zurück.

Entsetzt schaute ich zu ihm auf.

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Die anderen sind sehr bald wieder da, ich kann spüren was du fühlst, vergiss das nicht.“

Ich zog eine Schnute.

„Dann müsstest du ja eigentlich noch war ganz anderes fühlen.“

Jetzt lachte er richtig.

„Ja, das tu ich und ich bin dem ganz bestimmt nicht abgeneigt.“

Noch einmal küsste er mich auf die Stirn.

„Aber?“, hakte ich nach.

„Meinst du wirklich ich bin bereit unsere Versöhnung innerhalb von einer Minute zu feiern? So leicht kommst du mir nicht davon.“

Er zwinkerte und ich wusste in diesem Moment nicht, ob ich sauer sein oder mich freuen sollte. Ich entscheid mich für ein Mittelding und ließ mich von ihm zur Couch ziehen um ganz brav auf die anderen zu warten.

„Darf ich wenigstens auf deinen Schoß?“, murrte ich.

„Ausnahmsweise“, antwortete Japser und zog mich auf seine Beine. Noch weniger als eine halbe Minute und sie würden da sein, als mir noch etwas einfiel.

„Jasper?“

„Mhm?“

„Tust du mir einen Gefallen?“

Er zog die Augenbrauen hoch und schaute mich fragend an. Erleichtert stellte ich fest, dass ich ihm wieder in die Augen sehen konnte.

„Behältst du das Ganze erst einmal für dich? Ich weiß noch nicht wo und wann und ich will den anderen die Freude darüber, dass Carlisle es geschafft hat, nicht kaputt machen.“

„Ich kann dir sagen, wo und wann. Gar nicht und nirgendwo.“

Ich beschloss nicht mit ihm zu streiten und lächelte nur schwach.

„Ein Grund mehr, nichts zu sagen, oder nicht?“

„Einverstanden, das bleibt vorerst unser Streit.“

Ich wollte noch etwas erwidern, doch in diesem Moment öffnete sich die Tür und Esme trat ins Wohnzimmer und strahlte uns an. Ich wusste, dass sie einfach nur unglaublich erleichtert darüber war, dass es Carlisle gut ging und er schon auf dem Rückweg von Volterra war und dass sie am liebsten die ganze Welt umarmt hätte.

Ich konnte es ihr nicht verdenken.

„Es tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat“, sagte sie und setzte sich zufrieden in einen der großen Sessel, während auch Rosalie und Emmett hereinkamen und die Tür hinter sich schlossen.

„Du musst dich nicht entschuldigen, Esme. Du kannst solange wegbleiben, wie du willst, dass weißt du doch“, sagte ich, doch sie schüttelte den Kopf.

„Wenn ich sage, ich bin bis fünf wieder da, ist es nicht nett, erst abends um acht Uhr zu kommen. Ich habe doch Kinder, die zu Hause auf mich warten.“

Sie strahlte mich an.

„Ach ja, das hab ich ganz vergessen“, gab ich lächelnd zurück. „Schön dass du wieder da bist Mum und nein, ich bin nicht sauer, weil es so lange gedauert hat und du brauchst dir kein schlechtes Gewissen einzureden, ich hatte auch keine Angst. Ich hab jemanden gehabt, der gut auf mich aufgepasst hat“, erwiderte ich grinsend und tätschelte Jasper die Wange.

Der murrte, ließ es aber geschehen.

„Dann hab ich ja Glück gehabt. Weißt du, wann Carlisle ankommen wird?“

Natürlich, warum sollte sie es sonst so eilig gehabt haben?

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Es dauerte ein wenig bis die Bilder in mich strömten, doch dann sah ich ihn im Flugzeug sitzen.

„Er ist noch im Flugzeug, ich glaube es dauert noch gute drei Stunden bis sie landen. Wenn du den Ferrari nimmst und den ein oder anderen Strafzettel riskierst, solltest du durchaus noch rechtzeitig da sein können, um ihn abzuholen“, ließ ich sie schließlich wissen und es tat meinem Herzen gut zu sehen, wie glücklich ich sie damit machte.

„Wenn ich den Ferrari nehme, dann hab ich auch noch ein paar Minuten Zeit“, sagte sie und schaute mich dann noch erwartungsvoll an.

„Wolltet ihr auch noch jagen gehen?“, fragte sie und mir wurde bewusst, dass sie meistens ziemlich genau einschätzen konnte, wie durstig einer von uns war. Und es stimme, es wäre schön mal wieder jagen zu gehen, aber momentan hatte ich ganz andere Dinge im Kopf die ich nachher zu tun gedachte und war irgendwie froh, dass gerade keiner da war, der mir in den Kopf gucken konnte.

Und der Gedanke machte mich dann auch gleich wieder traurig.

Früher hatte Edward dann immer nur ein Grinsen unterdrückt und ich hatte ihm heimlich gedroht, damit er den anderen nichts davon erzählte, wie meine Fantasie manchmal mit mir durchging, auch wenn ich immer gewusst hatte, dass nie ein Wort über seine Lippen gekommen wäre.

Einmal hatte ich ihm nur trotzig die Zunge rausgestreckt und gesagt, irgendwann würde es ihm genauso gehen. „Das glaube ich nicht“, hatte er ernst geantwortet. Und doch war es so gewesen, als Bella gekommen war. Er hatte jemanden gefunden, dem er seine ganze Liebe schenken konnte.

Nur die Angst sie zu verletzten hatte ihn zurückgehalten und dennoch hat sie ihn zu seinem größten Glück verholfen, wofür ich ihr bis heute dankbar bin und ich bereue es, ihr das nie gesagt zu haben.

Auch die Blicke der anderen an diesem Tag würde ich nie vergessen. Wir hatten gerade mit einer anderen Vampirfamilie zusammen gesessen, als mir der Gedanken daran gekommen war und Edward darüber gelacht hatte.

Niemand hatte diesen kurzen Wortwechsel nachvollziehen können, wenn überhaupt Jasper, der vielleicht die veränderte Gefühlsregung bei Edward gespürt hatte, aber ich habe ihn nie darauf angesprochen.

Aber dieser Nachmittag und diese Gespräche waren einfach öde gewesen und Jasper sah in seiner neuen Jeans, die ich für ihn gekauft hatte und dem perfekt sitzendem Hemd mit den lässig hochgekrempelten Ärmeln einfach zu sexy aus, als das ich diesen Gedanken hätte verscheuchen können.
 

Ich schüttelte mich und wandte mich wieder Esme zu, als ich bemerkte, dass ich wieder einmal ganz meinen Gedanken nachhing.

„Morgen“, wich ich ihr aus, doch ihr schien es zu genügen, denn sie nickte zufrieden und stand auf.

„Ich geh mich noch eben umziehen“, sagte sie und schon war sie verschwunden.

„Zieh den knielangen, schwarzen Rock mit der roten Bluse an, du weißt dass er das mag“, rief ich ihr noch hinterher, als Jasper aufstand und mich dabei elegant hochhob.

Verdutzt schaute ich ihn an, während er mich ohne Schwierigkeiten auf den Armen trug, doch er schaute in Emmetts Richtung und warf ihm ein keckes Grinsen zu.

„Ihr entschuldigt uns?“, fragte er galant und wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern drehte ihm und Rosalie den Rücken zu.

„Ich dachte, wir wollten pokern!“, rief Emmett uns halb beleidigt, halb amüsiert hinterher, doch Jasper antwortete nur:

„Morgen!“ und fügte dann ganz leise hinzu: „Oder übermorgen, mal schauen.“

Ich hörte Emmett noch lachen, doch ich sah ihn bereits nicht mehr, denn schon Sekunden später hatte Jasper mich die Treppe hoch getragen und steuerte auf unser Zimmer zu.
 

*
 

Ich wusste nicht wie viel Uhr es war und ich wollte es auch gar nicht wissen.

Zeit gehört für Vampire mit zu den unwichtigsten Dingen überhaupt, so ist das, wenn sie einem im Überfluss zur Verfügung steht.

Ich hatte mich dicht an Jasper gekuschelt und genoss es, so nahe bei ihm zu liegen und außerdem die Möglichkeit zu haben, immer wieder mit den Fingern über seinen nackten Bauch zu fahren.

„Jasper?“

„Mhm?“

„Darf ich mir was wünschen?“

„Das wäre?“

„Einen Kuss“, sagte ich.

„Einen Kuss? Ich weiß nicht, du verlangst viel, weißt du das?“

Ich lächelte, auch wenn er es gar nicht sehen konnte.

„Ja, ich weiß, so bin ich halt. Aber ich will den Kuss dahin haben“, sagte ich und deutete auf meinen Bauch.

Ich liebte es, wenn er mich dort liebkoste, am Bauchnabel und ein Stück darunter…Es gab nichts Schöneres für mich.

„Dafür müsste ich mich bewegen.“

„Das ist richtig“, stimmte ich ihm zu.

„Und dann würde ich dich ja von mir runterschubsen, wenn man bedenkt, dass du halb auf mir liegst.“

„Ich glaube, damit kann ich dann leben.“

Er seufzte gekünstelt auf.

„Na, wenn du meinst.“

Ohne Schwierigkeiten schob er mich sanft von ihm herunter, so dass ich wieder auf der Matratze lag. Ich sah sein Gesicht näher kommen und schloss die Augen, ich wollte es so genießen.

Dann spürte ich sie.

Seine Lippen.

Erst knapp unterhalb meiner kleinen Brust, dann wanderte er langsam zum Bauchnabel hinab. Ich seufzte wohlwollend und gerade als er anfing seine Küsse in kleinen Abständen auch auf meinem Unterleib zu verteilen, spürte ich es.

Es war so entscheidend, dass ich es gar nicht übersehen konnte, obwohl ich so abgelenkt war. So etwas war schon ein paar Mal passiert und ich hasste es, wenn meine Visionen mich unterbrachen, wenn Jasper und ich gerade auf eine so wundervolle Art und Weise miteinander beschäftigt waren.

Aro hatte noch eine Entscheidung gefällt.

Er hatte beschlossen, wo es stattfinden sollte.

Ich wollte es nicht wahrhaben, überspielte das ganze und tat so, als wäre nichts gewesen, obwohl ich genau wusste, dass ich es Jasper nicht würde verheimlichen können, dass ich etwas gesehen hatte.

Und tatsächlich, seine Lippen fingen langsam wieder an aufwärts zu wandern, über den Bauchnabel, zwischen meinen Brüsten entlang, meine Kehle, mein Kinn und schließlich lagen sie zärtlich auf meinem Mund.

Als er sich von mir löste und ich die Augen öffnete, schaute er mich erwartungsvoll an.

„Und, was hast du gesehen?“, wollte er wissen. Er klang nicht sauer, er war in so einem Fall nie sauer, weil er wusste, dass es einfach eine natürliche Begabung war, der ich nichts entgegenzusetzen hatte.

„Nichts“, sagte ich und er legte mir den Finger auf die Lippen.

„Keine Lügen“, flüsterte er leise, dann gab er meinen Mund wieder frei.

„Ich habe wirklich nichts-“

Er verschloss ihn mit seinen Lippen, dann murmelte er:

„Keine Lügen, was hast du gesehen?“

„Aro“, wisperte ich schließlich.

Er wirkte nicht überrascht.

Er hatte meine Gefühle schon vorher gespürt und kannte mich gut genug um seine Schlüsse daraus ziehen zu können.

„Einfach nur so?“, fragte er nach. Ich hätte ihn anlügen können, aber zum einen hätte er es gemerkt und zum anderen wollte ich das nicht.

„Nein. Ich habe gesehen, wie er irgendwann auf einer Lichtung stehen und auf mich warten wird. Er weiß auch, dass wir kämpfen werden und jetzt hat er einen Ort festgelegt. Aber ich weiß nicht wann, wahrscheinlich wird es noch dauern, weil seine Brüder auf ihn aufpassen, aber irgendwann-“, ich brach ab und musterte Jaspers Gesicht.

Er verzog keinen Muskel.

Ich hasste es, wenn er sein Pokerface aufsetzte, er hatte es in seiner Vergangenheit so gut einstudiert, dass man ihm nicht die geringste Gefühlsregung ansehen konnte.

„Jasper bitte, du musst mir beibringen wie man richtig kämpft. Ich kann mich verteidigen, aber mehr nicht. Zeig mir, wie ich ihn umbringen kann, damit ich Frieden habe, bitte“, flehte ich ihn an.

Er sagte nichts, sondern beugte sich nur ein wenig über mich, küsste mich auf den Mund, dann auf das Kinn und ließ seine Lippen schweigend immer weiter an meinem Körper hinabwandern, als wäre nichts gewesen.

A part of me

A part of me
 

„Alice! Sag deinem Freund, er soll aufhören mich auszunehmen, das ist unfair!“

„Du bist ein schlechter Verlierer Emmett. Ich bin besser, finde dich damit ab!“

„Gar nichts bist du, es zählt nicht, dass du mit deinen emotional angehauchten Fähigkeiten ständig weißt, was ich für Karten habe!“

„Dann lern deine Gefühle besser unter Kontrolle zu haben. Gehört alles zu einem Pokerface dazu. Ich bin weg.“

„Siehst du Alice! Er macht es schon wieder, sobald er weiß, dass ich gute Karten habe, schmeißt er seine weg und steigt aus, das ist mies!“

Ein Seufzer entfuhr meinen Lippen und ich lugte durch die Tür ins Wohnzimmer.

Es war immer dasselbe.

Jasper hatte im Laufe der Jahrzehnte jeden von uns so gut kennen gelernt, dass er genau wusste, was unsere Gefühle über uns aussagten und Emmett, der in jedem Casino ohne irgendwelche helfenden Fähigkeiten abräumte, weil er ein Pokergenie war, verzweifelte daran.

„Du weißt doch, dass du verlierst, warum spielt ihr nicht irgendwas, wo Jasper nicht so entscheidend im Vorteil liegt?“, merkte ich an, doch Emmett warf mir nur einen bösen Blick zu.

„Weil ich ihn irgendwann besiegen werde. Ich habe Zeit, Jahre, Jahrhunderte, und irgendwann werde ich es schaffen ihn zu verwirren!“

Im selben Moment kam Rosalie durchs Wohnzimmer. Emmett warf ihr einen kurzen Blick und eine Kusshand zu, als ihm eine Idee zu kommen schien, während sie das Zimmer schon wieder durch eine andere Tür wieder verließ. Gehässig grinsend nahm er seine Karten auf und schaute Jasper dann direkt in die Augen.

Ich betrachtete sein Gesicht, doch er ließ sich rein gar nichts anmerken. Einen Moment lang schien Emmett das aus dem Konzept zu bringen, doch dann fing er sich wieder und schien sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Leichtfüßig näherte ich mich dem Tisch und betrachtete die Spielchips, die vor den beiden lagen.

Der eindeutig größere Haufen befand sich auf Jaspers Seite.

Wie immer.

Beide erhöhten und als sie schließlich ihre Karten offen legen mussten, sprang Emmett mit einem Ruck auf:

„UND ICH BIN DOCH BESSER! ICH HAB GEWONNEN! ICH HAB SO WAS VON EINDEUTIG GEWONNEN, DU WURM!“, rief er und tanzte mehr oder weniger elegant durch den Raum, wobei er es gerade eben noch schaffte einen Schlenker um das Klavier zu machen.

Edwards Klavier.

„Und mir sagst du, ich soll nicht unfair spielen“, murmelte Jasper nur, doch er grinste. Ich fuhr ihm durchs Haar und wollte mich gerade auf seinen Schoß setzen, als Emmett erneut eine Runde um den Tisch drehte:

„Unfair? Ich spiel nicht unfair. Du bist selber Schuld, wenn du mir so halb in den Kopf guckst. Nanana, ich hab gewonnen, ich habe eine Runde gewonnen!“

Auch wenn ich es mir nicht wirklich eingestehen wollte, irgendwie hatte die Situation etwas Altes. Sie erinnerte mich an vergangene Zeiten. An Zeiten mit Edward, als wir zusammen Poker gespielt hatten und es immer auf dasselbe Duell hinausgelaufen war: Wer würde die Fähigkeit des anderen zuerst überlisten können?

„Was hat er gemacht?“, fragte ich Jasper leise und setzte mich auf seine Knie. Er zog mich näher an sich und legte sein Kinn auf meine Schulter.

„Willst du es wirklich wissen?“, fragte er mich und ich konnte das Grinsen in seiner Stimme hören.

„Ich hab gewonnen, Rose, du bist die Beste!“

Verwirrt drehte ich zu Jasper um.

„Was hat Rose damit zu tun?“, fragte ich, während Emmett den Raum verließ.

„Er hat an Sex gedacht.“

„Was?“

„Als Rose rein gekommen ist, hat er an Sex gedacht und sich die ganze Zeit darauf konzentriert, ich hab nur sein Verlangen gespürt.“

Ich verdrehte die Augen, doch dann musste ich trotzdem lachen.

„Ich bin so gut!“, schallte es durch das Haus, aber ich ignorierte es.

„Das heißt ihr seit euch beim Pokerspielen jetzt endlich ebenbürtig?“, neckte ich ihn.

„Nur, wenn er sich wirklich stundenlang auf Sex konzentrieren kann, ohne welchen zu haben. Und er muss intensiv daran denken“, erklärte Jasper und küsste mich auf die Nase.

„KEINE SORGE, DARAN SOLL ES NICHT SCHEITERN!“, schrie Emmett vom Treppenhaus her und Jasper kicherte.

„Ja, das befürchte ich auch“, murmelte er dann. „Also meine kleine Schönheit, was liegt dir auf dem Herzen?“

Es wunderte mich nicht, dass er wusste, dass ich nicht ohne Grund zu ihm gekommen war. Ich wollte aufstehen, doch er ließ mich nicht, sondern faltete seine Hände vor meinem Bauch. „Ja?“, hackte er dann nach.

„Ich hab mit Carlisle geredet“, fing ich an.

„Und?“

An sich war es nur eine Kleinigkeit, nur ein Besuch. Das Problem waren nur die Gastgeber. Ich holte tief Luft – eine menschliche Angewohnheit, die ich aus irgendeinem Grund beibehalten hatte, während die restlichen Erinnerungen aus dieser Zeit einfach nur dunkel waren – und sagte dann:

„Die Volturi haben uns nach Volterra eingeladen. Sie wollen, dass wir kommen und unsere Versöhnung feiern.“

Dass ich so etwas in der Art schon vermutete hatte, bevor Carlisle wieder bei uns angekommen war, weil ich gesehen hatte, wie Aros Brüder darüber nachgedacht hatten, erwähnte ich nicht. Wahrscheinlich war er sich darüber sowieso im Klaren.
 

Wann hatte ich damit angefangen, fragte ich mich auf einmal.

Wann hatte ich damit angefangen ihn zu belügen, ihm Dinge vorzuenthalten? War das nicht ein Zeichen dafür, dass ich ihm nicht mehr vertraute? Das konnte nicht sein, er war ein Teil von mir.

Oder?

Diese Zweifel, wie ich mich selbst dafür hasste.

Ich verscheuchte sie.

Er war ein Teil von mir.

Ganz sicher.

Das war schon besser.
 

„Ich weiß“, antwortete er schließlich. „Ich hab schon mit Carlisle darüber geredet, gestern, als du mit Esme jagen warst. Wahrscheinlich warst du zu abgelenkt um es zu sehen. Ich hab ihm gesagt, dass wir nicht mitkommen können. Es ist zu gefährlich, auch wenn er anderer Meinung ist.“

Ich streichelte über seine noch immer zusammengefalteten Hände.

„Er wird mir nichts tun können“, murmelte ich leise. „Seine Brüder sind zu wachsam. Die Zeit ist noch nicht gekommen, Jasper. Es ist noch nicht so weit. Er wird noch zu aufmerksam beobachtet, weil Gaius und Marcus ihn genau kennen und fürchten, dass er sich nicht an die Abmachung hält, uns in Ruhe zu lassen. Momentan ist es noch zu gefährlich für ihn. Außerdem wird es ganz gewiss nicht in Volterra geschehen, zu viele, die Zeuge werden könnten, zu viele die ihn zurückhalten und des Vertragsbruchs anklagen könnten.“

„Wieso willst du unbedingt dorthin?“, fragte er leise.

„Das hab ich nie gesagt. Aber eine Einladung der Volturi auszuschlagen…“

„Die anderen würden fahren, sie schlagen sie nicht aus.“

Ich schwieg.

Dann drehte ich mich so, dass ich ihm in die Augen schauen konnte.

Wunderschöne Augen.

„Wir wissen beiden, dass es ihnen nicht um Emmett oder Rosalie geht. Die Einladung gilt in erster Linie mir.“

„Und trotzdem werden wir nicht fahren. Finde dich damit ab. Ich fahr mit dir wohin du willst und ich renn mit dir auch drei Mal am Stück um die Erde, wenn es dir helfen würde, aber ich werde nicht zu lassen, dass du dich nach Volterra und damit direkt in Aros Reichweite begibst.“

„Ich kann auch alleine gehen“, sagte ich und machte mich los um aufzustehen.

Seine Augen wurden kalt.

„Glaubst du wirklich, ich lass dich alleine nach Volterra gehen, wenn ich es dir noch nicht einmal in meiner Anwesenheit erlaube?“

„Du kannst mich nicht einfach davon abhalten und die nächsten Jahrhunderte irgendwo einsperren“, erwiderte ich sauer.

Jetzt stand auch er auf und schaute von oben auf mich herab, böse, als wäre ich ein kleines Kind, dass etwas Unerlaubtes getan hätte.

„Oh doch, das kann ich, wie wir beide wissen und wenn es sein muss, dann werde ich es auch tun.“

Ich hatte den Kopf in den Nacken gelegt und schaute von unten zu ihm herauf. In sein schönes Gesicht, das von kaum sichtbaren Narben geziert wurde.

Ja, er konnte es, daran gab es keinen Zweifel.

Aber im selben Moment, in dem ich mir das ins Gedächtnis rief kam mir in den Sinn, dass wir in letzter Zeit viel zu häufig Gespräche wie dieses führten. Dieses Thema rief immer wieder Streit zwischen uns hervor und es war zu allgegenwärtig, als das man es für längere Zeit verdängen konnte. Aro hatte mir wirklich alles genommen.

Meine Fähigkeit zu Vertrauen, sich zu freuen, zu amüsieren, zum Teil hatte er mir sogar die Liebe genommen und sie durch Hass ersetzt. Aro war der Vampir, der von uns allen am ehesten einem Monster entsprach.

„Es hat alles kaputt gemacht, oder?“, fragte ich ganz unvermittelt, doch Jasper wusste sofort was ich meine.

„Nein, hat er nicht. Er ist nicht ansatzweise stark genug, als dass er das, was uns verbindet kaputt machen könnte.“

Zärtlich strich er mich über die Wange. Egal, über was wir uns gerade stritten, er wusste immer, wann ich Trost brauchte.

„Aber alles ist anders. Früher hättest du mir geglaubt, wenn ich gesagt hätte, es ist ungefährlich nach Volterra zu fahren. Ich habe mich so verändert, dass noch nicht einmal du mir noch vertrauen kannst“, flüsterte ich.

Es tat weh das auszusprechen.

Es lag alles an mir. Wenn ich es einfach geschafft hätte, die Alte zu bleiben, dann wäre das alles nicht geschehen.

„Ich vertraue dir Alice, ich würde dir mein Leben anvertrauen, also hör auf dir was anderes einzureden. In letzter Zeit bin ich mir nur nicht immer sicher, was dir wichtiger ist, deine Rache, oder dein Leben. Und wenn ich nicht nach Volterra gehen will, auch wenn du sagst, dass er nicht in Lage sein wird, dir irgendetwas anzutun, dann stelle ich mich nur gegen deine Meinung um das geringste Risiko, dass dir irgendetwas zustoßen könnte, auszuschließen. Du kannst nicht verlangen, dass das Wichtigste in meinem Leben einfach so in die Höhle des Löwen marschiert und ich dabei zuschaue.“

„Also vertraust du mir noch?“

Er beugte sich zu mir herab und gab mir einen zärtlichen Kuss.

„Natürlich“, murmelte er.

Ich wusste, dass ich damit wahrscheinlich alles kaputt machen würde, doch ich schlang meine Arme um ihn und flüsterte:

„Dann lass uns nach Volterra fahren. Bitte. Ich weiß, dass es dir nicht gefällt, aber ich will nicht, dass die anderen alleine fahren. Es geht dabei um mich und ich kann nicht zu lassen, dass Aro vielleicht sauer wird, weil ich nicht mitgekommen bin und ihnen etwas antut.“

„Sie müssen nicht fahren.“

„Du weißt genau, dass Carlisle gehen wird, er ist schon letztes Mal ein zu großes Risiko eingegangen, dass ich kann ich nicht noch einmal von ihm verlangen. Es ist sicherer für die anderen wenn ich mitkomme und ich will nicht ohne dich gehen.“

Jasper rückte ein Stück zurück.

„Du willst nur dorthin, um die anderen zu beschützen?“

„Sie sind unsere Familie, oder nicht?“

Sein Gesicht wirkte hart, doch er nickte.

„Was?“, fragte ich ihn leise, doch er antwortete nicht. Stattdessen presste er seine Lippen aufeinander und musterte mich. Ich konnte spüren, wie er nachdachte, bis er schließlich eine Entscheidung gefällt zu haben schien.

„Alice“, flüsterte er, nahm meine Hand, zog mich wieder zu sich und platzierte seinen Mund ganz nah an meinem Ohr.

„Ich weiß, wie wichtig dir ein jeder von ihnen ist und weil es dir so viel bedeutet und weil ich weiß, wie sehr du schon jetzt von sinnlosen Schuldgefühlen geplagt wirst, werde ich mit dir nach Volterra gehen.“

Dann wurde seine Stimme noch leiser und ich wusste, dass nur ich sie hören würde, auch wenn jemand oben mit feinen Vampirohren zufällig mithören sollte.

„Aber ich will, dass du weißt, dass wenn dort irgendetwas passiert, wenn es aus irgendeinem Grund zu einem Streit oder sogar Kampf kommen sollte, dann werde ich dich da rausbringen und ich werde, wenn es sein muss, jeden anderen zu rücklassen. Jeden. Hörst du? Ich setze ganz klare Prioritäten und würde alles dafür opfern um dich in Sicherheit zu bringen, ich will, dass du das weißt.“

Dann ließ er mich los und lächelte, als wäre nichts gewesen.

„Packst du wieder für mich, oder habe ich dieses Mal Mitspracherecht was den Inhalt des Koffers angeht?“

„Ich muss doch zeigen, was für einen gutaussehenden Gefährten ich an meiner Seite habe“, murmelte ich, auch wenn ich mit den Gedanken noch bei dem war, was er zuvor zu mir gesagt hatte. Irgendwie war es mir natürlich immer klar gewesen, schließlich würde ich dasselbe für ihn tun, aber dass er es mir so sagte, war etwas anderes.

„Dann solltest du wohl anfangen, denn wenn ich das richtig verstanden habe, dann will Carlisle spätestens morgen Abend los fahren.“

Das holte mich wieder in die Realität zurück.

„Ich brauche doch keine vierundzwanzig Stunden zum Packen!“, gab ich zurück doch Jasper hob nur spöttisch eine Augenbraue.

„Blödmann“, murmelte ich und stolzierte hoch erhobenen Hauptes an ihm vorbei.

„Nur, weil du kaum Sinn für Mode hast und auch kein Problem damit hättest wochenlang in denselben Klamotten rumlaufen, wenn ich es dir erlauben würde, heißt das nicht, dass jeder so sein muss.“

Einmal drehte ich mich noch zu ihm herum, bevor ich mich endgültig auf den Weg zu meinem Kleiderschrank machte.

„Ohne mich wärst du völlig aufgeschmissen“, klärte ich ihn auf, mehr im Spaß als alles andere, doch er blickte mich aus völlig ernsten Augen an.

„Da hast du Recht“, erwiderte er dann. „Und ich glaube, selbst du mit deinen Visionen kannst dir nicht vorstellen wie sehr. Und jetzt geh packen.“ Er streckte mir die Zunge raus und grinste.

Wie sehr ich ihn liebte.

Ich schenkte ihm noch ein Lächeln, dann drehte ich mich gespielt beleidigt um und wackelte davon, während ich ihn noch lachen hörte.

Ein Teil von mir.

Ganz sicher.
 

*
 

Rot oder blau?

Eigentlich hatte ich mich schon längst entschieden. Rot sollte es sein.

Doch irgendwie…

Das blaue Kleid, hatte ich erst einmal getragen und es war wunderschön und auch praktisch, da es nur knielang war und seitdem Rosalie die gräuliche Spitze an den Saum genäht hatte, war es perfekt.

Und ich wusste, dass Jasper es mochte.

Aber das rote mochte er auch. I

Ich hatte beide Kleider bereits angezogen um einfach noch einmal zu sehen, welches vielleicht besser geeignet wäre, aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden und es passte definitiv nur noch ein Kleidungsstück in den übergroßen Koffer.

Und einen zweiten wollte ich auf gar keinen Fall mitnehmen um zum einen den Volturi nicht das Gefühl zu geben, dass ich längere Zeit dort gastieren wollte und zum anderen um Jasper nicht wieder so triumphierend grinsen zu sehen, da er bereits angekündigt hatte, dass ich nie im Leben mit einem Koffer auskommen würde.

Es wurmte mich, aber er hatte Recht, es war verdammt schwer sich so sehr zu beschränken, aber ich würde es schaffen.

Das Blaue.

Ich würde das Blaue mitnehmen.

Eilig faltete ich es zusammen, packte es in den Koffer, schlug den Deckel zu und verschloss ihn, bevor ich mich wieder anders entscheiden konnte. Jaspers Koffer hatte ich bereits fertig gepackt, aus irgendeinem Grund fiel es mir um einiges leichter seine Sachen einzupacken, als meine eigenen.

Ich wusste genau, wie er in welchen Kleidungsstücken aussah und ich wusste genau, wie er mir gefiel, wie ich ihn haben wollte. Aber ich haderte immer mit meinen eigenen Dingen und hatte immer Angst, dass sie ihm vielleicht nicht zusagen würden.

Ich hob mein Gepäck vom Bett und stellte es zu Jaspers neben der Tür. Vielleicht hatte ich die Wette, dass ich nicht mit einem Koffer auskommen würde, ein bisschen unfair angegangen. Meiner war um einiges größer als seiner.

Egal, ich hatte mich auf einen Koffer beschränkt, dass konnte keiner bestreiten, wie groß der Koffer sein durfte, war schließlich nie Thema gewesen. Gerade als ich das rote Kleid wieder zurück in meinen begebaren Schrank bringen wollte, tauchte Rosalie in der Tür auf.

„Carlisle lässt anfragen, wie weit du bist und ob wir wie geplant in einer Stunde fahren können“, sie grinste.

Es war ein alter Witz, der eigentlich schon ziemlich platt getreten war, aber irgendwie brachte er irgendjemanden immer mal wieder zum Lachen, obwohl man sich schon ausreichend über meine Packgewohnheiten lustig gemacht hatte.

„Ich bin fertig und du kannst ihm ausrichten, dass ich es geschafft habe und mit einem Koffer ausgekommen bin“, murrte ich und ihr Blick fiel auf das rote Kleid in meinen Händen.

Sie grinste.

„War es sehr schwierig?“, ich konnte mich bei weitem nicht über alles mit ihr unterhalten, aber was das Thema Mode betraf war sie meine einzige Verbündete in diesem Haushalt.

Ich seufzte.

„Jaaaaaa“, stöhnte ich dann und schaute auch auf das Kleid. „

„Ich hab noch ein bisschen Platz, wenn du willst kann ich es noch mit einpacken. Ich petz auch nicht.“

„Das wäre so unglaublich nett von dir-“, setzte ich an, doch dann brach ich wieder ab.

Wenn sie das Kleid einpacken würde, dann hätte ich die Wette verloren.

Es würde niemand wissen, aber ich hätte verloren.

Seufzend schaute ich wieder auf das Kleidungsstück herab, dann schüttelte ich den Kopf. „Nein, nein, das brauchst du nicht“, sagte ich dann schweren Herzens, obwohl ich es wirklich gerne mitgenommen hätte. Vielleicht war es ja doch besser als das Blaue…

„Alles fertig gepackt zum Abflug?“, war auf einmal Emmett zu hören, der neben Rosalie in der offenen Tür auftauchte. Er drückte meiner Schwester einen Kuss auf die Schläfe und schaute mich dann mit einem Grinsen auf den Lippen an.

„Du bist echt mit einem Koffer ausgekommen? Ich bin beeindruckt, ganz ehrlich, das hätte ich dir nicht zugetraut.“

Ich schnitt eine Grimasse in seine Richtung und brachte das Kleid in den Schrank und hörte, wie auch Jasper die Treppe hinaufkam.

„Natürlich hat sie es geschafft“, wies er Emmett scherzend zurecht. „Sie kann alles, wage es nie wieder an ihr zu zweifeln.“

Ich hörte die Ironie in der Stimme deutlich heraus und wusste nicht wirklich ob ich sauer sein oder lachen sollte. Ich entschied mich für ersteres und stampfte mit düsterer Miene zurück in mein Zimmer, wo Japser mich sofort in den Arm nahm und mich durch die Luft wirbelte wie ein kleines Kind.

Dann drückte er mich an sich und sagte: „Ich bin stolz auf dich!“

Das ganze war so lächerlich, dass ich schon wieder lachen musste.

„Komm, wir bringen die Koffer runter, Carlisle wartet schon.“

Auch Emmett und Rosalie verschwanden um ihr Gepäck nach unten zu bringen. Sobald sie aus dem Türrahmen verschwunden waren, drückte mir Jasper noch einen zärtlichen Kuss auf die Lippen.

„Ich weiß, dass du dich fürchtest. Nicht nur um die anderen, sondern auch um dich selbst, mehr um deine Persönlichkeit als um dein Leben. Aber er wird dich nicht brechen können, das weiß ich, das spüre ich. Du bist stärker als er und bevor er sich mit dir anlegen kann, muss er an mir vorbei, denn ich werde nicht zulassen, dass er dein Leben bestimmt. Und ich verspreche dir, ich werde es ihm nicht leicht machen und immer auf dich aufpassen.“

Maybe

Maybe
 

„Es hat Verspätung“, verkündete ich, als ich die Augen öffnete.

Emmett ließ sich mit einem genervten Seufzer wieder zurück auf den harten Plastiksitz in der Wartehalle des Flughafens sinken und Jasper stellte die Koffer ab. Wir waren gute zwei Stunden zu früh. Esme war es immer lieber, wenn wir nicht allzu knapp dran waren, wenn es sich vermeiden ließ, was aus irgendeinem Grund ständig der Fall war. Wir hatten schnelle Autos, konnten schneller rennen als jedes andere Wesen und sollten mit den Jahrhunderten auch ein Gefühl für die Zeit bekommen haben, aber in den letzten Jahren war es immer wieder vorgekommen, dass wir nur knapp rechtzeitig irgendwo angekommen waren.

Diesmal war es anders.

Wir waren, dank meiner Adoptivmutter, pünktlich. Überpünktlich um genauer zu sein und jetzt kam auch noch dazu, dass unser Flugzeug Verspätung hatte. Zu den wenigen Dingen, die ich nicht mochte, gehörte das Warten unter tausenden von Menschen ohne irgendetwas tun zu können, um die Sache irgendwie zu beschleunigen.

„Na super“, hörte ich, wie Rosalie links neben mir grummelnd von sich gab und sich dann mit einer eleganten Handbewegung die langen blonden Haare aus dem Gesicht strich. Irgendwie hatte ich sie um ihre Lockenpracht nie beneidet, auch wenn ich bei der Wahl meiner Frisur nicht sonderlich viel Mitsprachrecht gehabt hatte, als ich ausgerechnet zu dem Zeitpunkt verwandelt worden war, als meine Haare am nachwachsen waren.

Aber eigentlich fand ich es ganz praktisch so und inzwischen wusste ich auch mit Sicherheit, dass es Jasper gefiel. Ich blickte zu ihm auf, schenkte ihm ein Lächeln und stand bereitwillig auf, als er die Koffer unter den Sitzen verstaut hatte. Er ließ sich auf meinem Platz nieder und ich machte es mir auf seinem Schoß bequem.

Mit geschlossenen Augen lauschte ich schließlich in mich hinein.

Falls Aro irgendetwas im Sinn hatte, dann wollte ich es wissen um meine Familie rechtzeitig warnen zu können. Doch so sehr ich mich auch anstrengte und meine Gedanken auf Volterra konzentrierte, ich konnte rein gar nichts Verräterisches finden, das darauf hinwies, dass unser Besuch dort sich bereits jetzt als gefährlich herausstellte.

Schließlich gönnte ich mir ein wenig Ruhe, ließ mich an Jaspers Brust sinken und genoss es, wie er mir unauffällig den Rücken kraulte. Wir waren beide nicht der Typ, der darauf bestand eine Beziehung nach außen hin für alle sichtbar zu machen, aber die ein oder andere Zärtlichkeit zwischendurch war schon erlaubt. Das genüssliche Schnurren, das – wie Jasper mir einmal gesagt hatte – an das einer zufriedenen Katze erinnerte, unterdrückte ich allerdings. Stattdessen lauschte ich dem Ticken der großen Uhr, die ein paar Meter über uns hin.

Doch nach elftausendeinhundert wurde es mir zu langweilig das Geräusch zu zählen und als ich schließlich sah, dass die Maschine mindestens zwei Stunden Verspätung haben würde, was insgesamt also noch vier Stunden warten bedeutete, konnte auch ich das Seufzen nicht unterdrücken.

„Zwei Stunden“, murmelte ich als Antwort auf die Frage, die Carlisle gerade im Begriff war zu stellen.

„Oh man“, entfuhr es Emmett jetzt wieder. „Zwei Stunden? Dann sitzen wir hier ja noch gut und gerne vier Stunden rum. Ganz toll. Hast du Lust noch eine Runde laufen zu gehen Rose?“, hörte ich ihn dann fragen und öffnete gerade rechtzeitig die Augen um zu sehen, wie sie den Kopf schüttelte. Sie hatte sie sich anscheinend gerade einen Haufen neuer Modezeitschriften am Kiosk gekauft, in das sie bereits vertieft war.

Emmett seufzte wieder.

„Ich geh mit“, überwand ich mich schließlich zu sagen. „Wenn wir uns beeilen schaffen wir es weit genug um vielleicht noch irgendwas zu essen zu finden. Ich bin zwar nicht wirklich hungrig, aber ich will ehrlich gesagt nicht wissen, was die Volturi uns da vorsetzen.“

Wenn wir unter Menschen waren, dann benutzten wir mit Absicht Wörter wie ‚Essen’ und ‚Hunger’, denn Carlisle hatte uns irgendwann mal darauf aufmerksam gemacht, dass es einfach ein bisschen zu auffällig war von ‚Durst’ und ‚Tieren’ zu reden.

„Super“, erwiderte Emmett jetzt schon ein bisschen besser gelaunt, stand auf und streckte sich genüsslich.

„Soll ich auch mitkommen?“, flüsterte Jasper leise, aber ich schüttelte den Kopf.

„Du warst doch gestern noch jagen, wenn du keine Lust hast, kannst du ruhig hier bleiben. Dann kannst du dich noch ein bisschen von mir erholen, weil du dich schon mal darauf gefasst machen kannst, dass ich die ganzen vierundzwanzig Stunden im Flugzeug nicht von deiner Seite weichen werden“, scherzte ich und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich aufstand. Er lächelte nur und ließ mich dann ohne ein weiteres Wort gehen.

Es dauerte lange bis Emmett und ich den Weg aus dem überfüllten Gebäude herausgeschafft hatten, zumindest lange für unsere Verhältnisse. Sobald wir es einmal in einer der umliegenden Grünanlage geschafft hatten, kamen wir erheblich schneller voran und hatten bald die Stadtgrenze erreicht.

„Denk dran, dass wir rechtzeitig zurückmüssen“, ermahnte ich meinen Begleiter, nachdem er einen ausgiebigen Sprint hingelegt hatte, der uns noch ein paar Meilen weiter von der Stadt entfernte.

„Ja ja, das schaffen wir schon. Also, wonach steht dir heute der Sinn? Ein Reh, ein Hirsch oder doch ein Bär?“

Seine Augen leuchteten.

Er liebte es jagen zu gehen, es war wie ein Spiel für ihn und auch wenn ich das ganze zeitweilig auch als amüsant empfand, so war ich doch nicht halb so verrückt danach, wie er. Zuweilen kam es mir sogar richtig lästig vor.

„Mal schauen, was ich so finde. Du passt auf?“, fragte ich dann.

Wenn wir in einer Gegend jagen gingen, in der Menschen zumindest in Reichweite geraten konnten, dann taten wir es nie alleine, sondern waren immer zu zweit. Einer jagte, der andere hielt ihn währenddessen im Auge, da es schwer fiel sich zurückzuhalten, wenn man seinem Durst einmal erlegen war. Er nickte nur knapp und ich ließ meinen Instinkten freien Lauf. Ohne, dass ich viel von der Umgebung um mich herum wahrnahm sortierte ich die Gerüche der einzelnen Tiere, die vor kurzem hier gewesen waren, und rannte los.

Je länger meine Jagd dauerte, desto intensiver wurde der Blutgeruch, auf den ich mich spezialisierte hatte und nur wenige Minuten später lag ein Reh im Todeskampf vor mir. Egal wie makaber es für Menschen sein musste, während ich meine Zähne durch die dicke Haut rammte und schließlich gierig den roten Lebenssaft in mich saugte, versuchte ich gleichzeitig darauf zu achten, dass ich mich nicht allzu sehr beschmutzte.

Aufgrund meiner Vergangenheit und allem was ich durchgemacht hatte, hatte der Durst nicht mehr annähernd so viel Kontrolle über mich, wie er es ein Jahrhundert zu vor gehabt hatte. Sogar während ich trank gelang es mir, zeitweilig bei vollem Bewusstsein zu sein, auch wenn ich wusste, wie ungewöhnlich das war.

Früher hatte ich so etwas speziell trainiert. Ich hatte mich heimlich darin geübt mich voll im Griff zu haben für den Fall, dass Edward sich doch noch geweigert hätte Bella zu verwandeln. Wäre es so gekommen, hätte ich es halt getan und da ich mir dieser Möglichkeit von Anfang an bewusst gewesen war, hatte ich keine Zeit verschwendet, sondern direkt begonnen zu üben, nachdem Bella das erste Mal bei uns gewesen war.

Obwohl sich dieser Gedanke, den ich normalerweise nicht so schnell wieder abschütteln konnte, in meinen Kopf drängte, vergas ich ihn rasch wieder. Ein ganz anderes Wort blieb in mir haften.

Trainieren.

Ich trank das Reh leer, warf es in ein hohes Gebüsch, damit es nicht allzu sehr auffiel und schaute mich dann um. Emmett stand ein paar Meter entfernt und lehnte an einem Baum. Er grinste.

„Hat’s denn geschmeckt?“, fragte er, doch ich ging nicht darauf ein.

„Würdest du mich trainieren?“, wollte ich stattdessen wissen.

„Was?“, er wirkte überrascht.

„Ob du mich trainieren würdest. Nur ab und an. Ich kann zwar viele Dinge sehen, bevor sie geschehen, aber ich will in der Lage sein, mich besser zu beschützen, falls es irgendeine überraschende Wendung geben wird. Egal ob während unseres Aufenthaltes in Volterra oder danach. Ich traue Aro nicht.“

„Aber du kannst dich doch verteidigen“, stellte er dann ganz sachlich fest.

„Ja“, stimmte ich ihm zu. „Doch das reicht nicht. Ich will mich nicht nur verteidigen, ich will kämpfen können.“

„Ahhh“, machte er und tat so, als hätte er erst jetzt verstanden, um was ich ihn bat.

„Also, tust du`s?“

„Wann?“

„Jetzt“, erwiderte ich und warf einen schnellen Blick auf die Uhr. „Das Flugzeug geht in frühestens drei Stunden. Wir brauchen maximal eine Stunde bis zum Flughafen. Bleiben zwei. Reicht das für eine erste Lektion?“

Emmett blieb an seinem Baum angelehnt stehen und verschränkte dann die Arme vor der Brust. Er schien nachzudenken.

„Du weißt, dass Jasper dagegen ist?“, fragte er schließlich und ich presste die Lippen aufeinander. Also hatten sie schon mit einander gesprochen, oder Jasper hatte ihm gesagt, dass Emmett nicht mit mir kämpfen sollte, egal wie inständig ich ihn darum bat.

„Hat er das gesagt?“, entgegnete ich nüchtern.

„Ja. Er hat mir gesagt, dass du eventuell zu mir kommen und mich heimlich um so etwas bitten würdest und er meinte, dass er nicht wüsste, ob das eine so gute Idee wäre.“

„Und was meinst du?“, fragte ich ihn schließlich herausfordernd und streckte das Kinn vor.

Er schwieg und betrachtete mich. Dann stieß er sich von dem Baumstamm ab und ging auf mich zu.

„Ich meine“, fing er schließlich an. „Dass du alt genug bist, um das selber zu entscheiden.“

Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Das war mein Bruder und dafür hatte ich ihn so gerne.

„Das heißt, du tust es?“

„Ich weiß nicht, ob ich dir wirklich helfen kann. Ich kämpfe anders als du, weil ich größer und schwerer bin. Wenn du wirklich geschickte Tricks haben willst, musst du dich früher oder später an Jasper wenden. Ich weiß zwar nicht, warum das ein Problem ist, aber es ist auf jeden Fall besser. Es nervt mich zwar es sagen zu müssen, aber er ist mir haushoch überlegen was den direkten Kampf angeht.“

Er verdrehte die Augen bei dem Gedanken daran und ich nickte, denn all das wusste ich bereits. Jaspers war um einiges älter als ich und hatte zu dem Zeitpunkt an dem wir uns kennen gelernt hatten, bereits viel erlebt. Die ein oder anderen schönen Dinge, aber auch viel Grausamkeit, die ihn zwangsläufig gelehrt hatte, wie man am Leben blieb.

Er war derjenige, der mir am besten würde helfen können, aber er wollte es erst tun, wenn wir aus Volterra zurück waren. Mir war es lieber, wenn ich meine Fähigkeiten schon vorher ein wenig auffrischte, auch wenn ich mir sicher war, dass unser Besuch dort keinerlei Probleme bereiten würde.

„Na dann wollen wir mal keine Zeit verlieren“, grinste mein Gegenüber breit und ich konnte ihm ohne Schwierigkeiten ansehen, dass er sich darauf freute.
 

*
 

Wir hatten nicht ganz solange geübt, wie ich es eigentlich gewollt hätte, aber da ich mitten in einem Angriff von einer Vision überwältig wurde, die mir zeigte, dass das Flugzeug doch nur eine Stunde Verspätung haben würde, hatten wir uns rechtzeitig auf den Weg gemacht. Wahrscheinlich wurde am Flughafen schon eine Durchsage gemacht, dass sich der Abflug doch nicht so lange herauszögern würde, wie befürchtet und ich wollte Emse nicht allzu lange in der Angst lassen, dass das vielleicht an mir vorbeigegangen war und dass wir deswegen zu spät kommen würden.

„Das musst du übrigens noch irgendwie abstellen!“, rief Emmett, während er knapp dreißig Meter neben mir im vollen Lauf durch ein dichtes Gebüsch brach.

„Was genau meinst du?“, fragte ich und schaute hinüber, während ich über einen umgestürzten Baumstamm sprang.

„Das mit den Visionen. Oder glaubst du allen Ernstes, dass Aro dir eine Pause gönnt, damit du dir das Wetter von morgen angucken kannst?“

Er drehte mir das Gesicht zu und zog eine Grimasse. Ich lachte und wich mehreren dicht beieinander stehen den Bäumen aus.

„Und du musst dir übrigens mal angewöhnen, dass du nicht durch jedes Dickicht springen kannst, wenn du dich danach noch in die Öffentlichkeit wagen musst. Rose wird einen Herzinfarkt bekommen, wenn du gleich mit zerrissenen Klamotten in der Halle auftauchst“, stellte ich fest, aber er winkte ab.

„Ach was, das liebt sie an mir. Ganz sicher“, verkündete er selbstbewusst, aber mir entging nicht, dass er die dornigen Gewächse von nun an mied. Das änderte dennoch nichts daran, dass er einfach nur unmöglich aussah, als wir schließlich aus dem Wald brachen.

Sein Hemd war überall aufgerissen und in seinen Haaren hatten sich kleine Äste und Dornen verfangen. Er blieb stehen und blickte an sich herunter.

„Ganz toll, großer Bruder“, zog ich ihn nur auf und beobachtete ihn dabei, wir er einzelne Dornen aus seiner Wade pflückte. Dann zog ich mein Handy heraus und rief Rose an.

Sie schien schon damit gerechnet zu haben, denn es dauerte nicht lange, bis sie sich zu uns an den Rand eines angrenzenden Waldes gesellte und Emmett neue Kleidung brachte.

Er hatte den mit Abstand höchsten Verbrauch an T-Shirts und Hosen von uns allen. Zwar besaßen auch ich und Rose eine Menge, doch das lag daran, dass wir es hassten allzu oft dasselbe anzuziehen und deswegen eine große Auswahl brauchten. Er hingegen hatte schlichtweg so viel zum anziehen, weil er es ständig kaputt machte.

Nachdem wir ihm noch den Dreck aus den Haaren gesucht hatten, währenddessen Rose und ich lachend die Augen verdrehten, entsorgten wir den Müll und kehrten zum Flughafen zurück.

Die anderen warteten bereits, da man schon ausgerufen hatte, dass wir uns zu unserer Maschine begeben sollten. Während Jasper mit Leichtigkeit die beiden verschieden großen Koffer hinter sich herzog, hackte ich mich noch bei ihm ein.

„Erfolgreich?“, fragte er und grinste. „Immer“, erwiderte ich und leckte mir genüsslich über die Lippen.

Der Blick, den er mir dann zuwarf, sagte mir, dass er genau wusste, was ich getan und das ich Emmett angefleht hatte, mir das Kämpfen beizubringen. Er kannte meine Gefühlswelt einfach zu gut, als dass ich es vor ihm hätte geheim halten können.

Irgendwie hatte das ganze eine gewisse Ironie. Edward hatte direkt in meinen Kopf schauen können und doch hatte ich es nach jahrzehntelanger Übung irgendwie fertig gebracht, ihn das ein oder andere Mal verwirren oder ihm Dinge verheimlichen zu können.

Bei Jasper war es anders.

Er wusste nicht was ich dachte, er fühlte mich.

Und obwohl ich ihn nun schon so lange mein Eigen nannte, war es mir bis heute nicht möglich, ihm irgendetwas vorzuenthalten. Im Gegenteil, mit jedem Jahr wurde es schwerer. Aber ich wollte jetzt nicht darüber diskutieren, dass ich das getan hatte, was ich für richtig hielt und da er mich nicht darauf ansprach, beließen wir es dabei.

Das Gepäck wurde abgegeben und nur wenig später saßen wir endlich im Flugzeug. Großzügig gewährte Jasper mir den Fensterplatz, denn ich liebte es von oben auf die Wolken hinabzublicken und da ich in den nächsten Stunden ohnehin nicht viel anderes vorhatte, würde ich wohl einige Zeit dieser Beschäftigung widmen können.

Ich zog die Knie an meine Brust, umschlang sie mit meinen Armen und lehnte mich gegen Jasper.

„Weißt du, wie lange wir nicht mehr zusammen in einem richtigen Urlaub waren?“, fragte ich ihn dann auf einmal, denn die untergehende Sonne rief Sehnsuchtsgefühle in mir wach. Wir zwei ganz alleine, ohne Sorgen und Ängste. Ein Paradies, das mir seit langem vorenthalten blieb.

„Lange“, erwiderte er nur. „Aber bitte sag mir, dass du unseren Ausflug nach Volterra nicht als Urlaub ansiehst.“

„Nein“, widersprach ich direkt. „Ehr als ein notwendiges Übel.“

Er schlang einen Arm um mich und legte sein Kinn auf meine kleine Schulter, so dass wir zusammen aus dem Fenster schauen konnten.

„Wenn wir das alles hinter uns haben, dann fahren wir weg. Nur wir zwei“, flüsterte er leise. „Irgendwohin, wo wir alleine sind, wo es dir gefällt und wo wir das alles hinter und lassen können“, versprach er dann.

„Das wäre schön“, murmelte ich, schloss die Augen und stellte mir einen verlassenen Sandstrand vor, mit einem wunderschönen blauen Meer. Oder vielleicht doch mal lieber einen Ausflug in den Dschungel? Ich war erst einmal dort gewesen und es einfach nur als fabelhaft empfunden durch die nahezu unendlich hohen Bäume zu klettern.

Als das Flugzeug abhob, hatte ich mich bereits in meinen Träumen verloren und dachte über die Frage nach, ob es wohl jemals wieder so schön werden konnte wie früher. Mir war klar, dass die Antwort darauf vor kurzem noch ein deutliches Nein gewesen war, aber Jasper hatte mir geholfen wieder ein Stück von mir selbst zu finden, das in all dem Hass und der Wut, die mich erfüllten, verloren gegangen war.

Das gab mir nun genug Selbstvertrauen, um die Frage mit einem wagen ‚vielleicht’ beantworten zu können. Aber mit Einschränkungen. Vielleicht würde alles wieder gut werden, wenn Aro nicht mehr existierte. Vielleicht würde alles wieder gut werden, wenn ich es schaffte ihm den Kopf vom Hals zu schlagen.

Vielleicht.

Do you remember?

Do you remember?
 

Es war ein seltsames Gefühl wieder in Italien zu sein. Zwar lag mein letzter Besuch noch nicht allzu lange zurück, doch ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie unerwünscht ich hier gewesen war. Allein hatte ich mich durch die Stadt geschlichen, sowohl tagsüber als auch nachts und hatte doch tatsächlich geglaubt, dass es niemand bemerkte.

Im Nachhinein erschien mir meine Einstellung einfach nur unglaublich naiv.

Wie war ich bloß darauf gekommen, dass ich einfach so hier auftauchen und mich mit Aro anlegen konnte? Und ich war auch noch so eingebildet gewesen, dass ich der festen Überzeugung war, dass ich ihn besiegen würde.

Aber war ich jetzt tatsächlich besser?

Hatte ich mich geändert?

Schließlich nährte sich an dem Hass in mir, noch immer der Wunsch, ihm seinen Kopf vom Hals zu reißen und ihn höchstpersönlich ins Feuer zu werfen. Und noch immer war ich bereit, dafür mein Leben zu geben, obwohl Jasper mich schon oft mit seinen wunderschönen Augen darum gebeten hatte, mich von diesem Gedanken abzuwenden. Doch ich konnte es nicht, ich vermochte es einfach nicht, denn dieser Wunsch war ein Teil meiner selbst geworden.

Jetzt, da Jasper das nicht nur gemerkt, sondern auch als unumkehrbar akzeptiert hatte, war er mir ein treuer Verbündeter geworden. Zumindest in gewisser Hinsicht.

Er war nicht der Verbündete meiner Pläne, er war der Verbündete meiner selbst.

Jemand, der mich glücklich machen wollte.

Aber er hatte seine Prinzipien, das hatte er mehr als deutlich gemacht.

„Ich will, dass du weißt, dass wenn dort irgendetwas passiert, wenn es aus irgendeinem Grund zu einem Streit oder sogar Kampf kommen sollte, dann werde ich dich da rausbringen und ich werde, wenn es sein muss, jeden anderen zu rücklassen. Jeden. Hörst du? Ich setze ganz klare Prioritäten und würde alles dafür opfern um dich in Sicherheit zu bringen.“

Ich spürte, wie er meine Hand drückte, als wir auf die drei großen schwarzen Autos mit getönten Scheiben zugingen. Ich erwiderte die Geste.

Von diesem Moment an, gab es kein zurück mehr. Die Vampire, die uns vom Flughafen abholten und nach Volterra bringen sollten, kannte ich nicht. Doch das sie zu unserer Rasse gehörten, war ebenso klar wie, dass die Sonne den Mond in der Nacht zum leuchten brachte. Trotz ihrer dunklen Kleidung, der Umhänge und der Tücher und Mützen konnte ich es ohne Schwierigkeiten erkennen.

An ihren Bewegungen, ihrem Gang.

Ihrem Geruch.

Sie redeten nicht mit uns, nur mit Carlisle wechselten sie ein paar Worte und ich war froh darüber, dass er das auf sich nahm. Ich wollte nicht noch mehr Verantwortung auf mich nehmen, in dem ich für die Begrüßung zuständig war.

Da die Fremden danach schwiegen, hielten wir es ebenso. Emmett und Rosalie hielten sich an den Händen. Nicht ängstlich, aber so, dass sie deutlich zeigten, dass sie zusammengehörten. Esme hatte sich bei Carlisle untergehackt.

Ein schlechtes Gewissen meldete sich wieder.

Ich wusste, dass sie nicht hier sein wollten, alle nicht.

Und nur meinetwegen waren sie es jetzt doch.

Jasper öffnete mir die Autotür und ich rutschte durch, so dass er sich neben mich setzten konnte. Zu meiner Überraschung stieg kurz darauf auch noch Emmett bei uns ein, so dass es ein wenig eng auf der Rückbank wurde. Es war ein so kurzfristiger Entschluss gewesen, dass ich ihn nicht hatte kommen sehen. Ich warf ihm einen fragenden Blick zu, während meine Hand auf Jaspers Oberschenkel ruhte, doch er schüttelte nur den Kopf.

Ich verstand.

Nachher, wenn wir alleine waren.

Die Fahrt dauerte knapp zwei Stunden. Die Entfernung an sich war ein Klacks und ich wäre sie lieber gelaufen, als dass ich sie im Auto zurückgelegt hätte, aber wahrscheinlich hätte das einen schlechtes Eindruck bei unseren Gastgebern gemacht. Ich schaute aus dem Fenster und betrachtete die vorbeirauschende Gegend.

Ich mochte Autofahren nicht, nur wenn ich selbst hinterm Steuer saß war es eine meiner Lieblingsbeschäftigungen mit über dreihundert Sachen über eine Straße zu brettern. Aber so, hätte ich gerne darauf verzichtet. Als wir schließlich nach Volterra hineinfuhren, beschäftigte ich mich das erste Mal mit der Frage, wo man uns unterbringen würde. Ich schloss die Augen und hielt mit meinen Visionen Ausschau, nur um erleichtert festzustellen, dass wir im selben Hotel unterkommen würden, wie bei unserem letzten Besuch. Im selben Hotel, in dem wir damals auch noch mit Edward und Bella gewesen waren.

Scheinbar hielten Markus und Gaius es für keine gute Idee, uns im Turm unterzubringen, schon allein, weil wir allzu oft Aro ausgesetzt worden wären. Nicht, dass er uns nicht auch im Hotel aufsuchen konnte, aber dort würde er uns nicht fünf Mal am Tag zufällig über den Weg laufen.

Ich lehnte meinen Kopf gegen Jaspers Schulter und ich spürte, wie mir leicht ins Haar pustete, so dass einzelne Strähnen ein wenig hin und her wirbelten. Ich musste lächeln, sehnte mich aber noch immer danach endlich aussteigen zu dürfen. Als es schließlich so weit war, mussten die Männer noch nicht einmal einchecken und die, mit viel Liebe gepackten Koffer, hinauf in die Zimmer tragen. All das erledigten die fremden Vampire für uns.

Reden taten sie dennoch nicht mit uns.

Auch verabschiedeten sie sich nicht, sondern waren mit einem Mal einfach verschwunden. Ich registrierte es erst, als Jasper die Tür hinter ihnen schloss und sich neben mich auf das Bett legte.

„Ich hätte dir das gerne erspart“, murmelte ich schließlich, während ich die Verziehrungen an der Decke betrachtete. Sie waren in den hundert Jahren, in denen wir nicht hier gewesen waren, erneuert worden, denn das Zimmer war dasselbe wie früher.

„Ich weiß. Aber du kannst es nicht. Es ist OK.“

Ich rollte mich auf die Seite und kuschelte mich an ihn. Er legte schweigend einen Arm um mich und zog mich noch näher zu sich heran. Irgendwie war ich in der letzten Zeit unglaublich liebesbedürftig geworden, aber ich konnte nichts dagegen tun. Es war einfach so schön, endlich begriffen zu haben, dass es wirklich jemanden gab, der mich so sehr liebte, dass er sogar die Veränderungen, die ich durchmachte ohne mit der Wimper zu zucken miterlebte. Und dass er auch mein neues Ich genauso sehr liebte wie mein altes.

Dabei fand ich selbst es so unglaublich abscheulich, was aus mir geworden war.

„Irgendwie ist es seltsam wieder hier zu sein. An diesem Ort ist so unglaublich viel geschehen. So unglaublich viel Schönes und auch so unglaublich viel Schreckliches. So vieles, an das man sich erinnern will und so vieles, dass man lieber für immer vergessen möchte.“

Ich wusste, was er meinte, ich wusste genau, was er meinte.

„Weißt du noch, wie unglaublich schön Bella ausgesehen hat, als sie in diesem weißen Kleid über den Platz vor dem Turm gegangen ist?“, fragte ich ihn leise.

Er kicherte.

„Ja, ich weiß es noch. Und sie ist nur ein einziges Mal gestolpert, aber Carlisle hat sie gerettet. Ich glaube, sie war bis zum Schluss davon überzeugt, dass es keiner gesehen hat.“

Als ich daran zurückdachte, musste ich ebenfalls lachen.

„Ja, stimmt. Ich weiß noch genau, wie ich hinter ihr her gegangen bin und gedachte habe, dass sie das viel besser macht, als ich erwartet habe. Und dann ist sie gestolpert, aber zum Glück ist alles gut gegangen.“

„Allerdings. Obwohl ich richtig Angst um sie hatte, als ich das erste Mal diese Schleppe gesehen habe, die ihr genäht habt. Ich weiß, dass du und Rosalie das ohne weiteres hinbekommen würdet, aber ich bin ehrlich. Bei Bella hatte ich meine Zweifel. Vor allem weil sie so unglaublich aufgeregt war. Ich habe noch nie so viele widersprüchliche und intensive Gefühle bei jemandem gefühlt, wie bei ihr an dem Tag.“

„Noch nie?“, hackte ich nach und schaute auf.

Er schüttelte den Kopf.

„Nein noch nie. Und so unglaublich viel Liebe bei einem Menschen, das hat mich fasziniert.“ „Du hast noch nie so viel Liebe gespürt?“

Solche Dinge wollte ich genau wissen. Er fühlte, was ich fühlte, was die anderen fühlten. Aufgrund dessen trug er eine ganz besondere Art der Erinnerung in sich, an der ich so gut wie möglich teilhaben wollte.

„Das habe ich nicht gesagt. Ich habe einmal noch viel mehr Liebe gespürt.“

Interessiert richtete ich mich noch weiter auf und schaute ihn an. Niemand hatte für Edward solche Gefühle gehabt wie Bella, absolut niemand, auch nicht die unzähligen Damen, die um ihn geworben hatten.

„Als wir das erste Mal geheiratet haben. Da war da noch viel mehr Liebe in mir“, sagte er schließlich leise und ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Zärtlich drückte ich meine Lippen auf seine Wange.

„Und was ich noch viel schöner fand, ich hab sie auch bei dir gespürt“, er strich mit seinem Finger über meine Nase.

„Natürlich“, neckte ich ihn. „Hast du etwas anderes erwartet?“

„Nein. Aber es war trotzdem schön.“

Ich legte mich wieder hin und kehrte in seine Umarmung zurück.

„Weißt du was mir bei dem Thema gerade einfällt?“, fragte ich dann.

„Mhm?“, machte er.

„Ich habe damals den Brautstrauß gefangen. Ich habe noch eine Hochzeit gut.“

„So viele, wie du willst mein Engel.“

Ich schloss die Augen.

„Das machen wir auch noch, wenn wir hier durch sind. Wir heiraten noch einmal. Richtig schön. Und dann fahren wir in den Urlaub, wir zwei.“

„Flitterwochen?“, hackte Jasper neben mir nach und ich konnte das Grinsen in seiner Stimme hören.

„Lange Flitterwochen“, verbesserte ich ihn.

„Einverstanden“, stimmte er schließlich auch noch zu.

Gerade wollte ich anfangen dieses Ereignis zu planen, als ich sah, wie Carlisle sich auf den Weg zu uns machte. In wenigen Minuten würde er an die Tür klopfen. Ich wusste, warum er kam und es störte mich. Der Augenblick war so schön. Dennoch machte ich Jasper darauf aufmerksam, dass er bald da sein würde. Er nahm es nur murrend zur Kenntnis und kurz darauf klopfte es. Ich stand auf, öffnete die Tür und nickte meinem Vater zu.

„Wir sind in einer halben Stunde fertig, in Ordnung?“

„Natürlich, wir treffen uns unten.“

Damit wandte er sich wieder ab und machte sich auf den Weg zu Rosalie und Emmett. Ich schloss die Tür wieder und lehnte mich mit dem Rücken an sie an.

„Sie erwarten uns in einer knappen Dreiviertelstunde im Turm“, sagte ich schließlich. „Hoffentlich sind sie nicht auf die dumme Idee gekommen uns zum Essen einladen zu wollen“, murmelte Jasper und stand elegant auf.

Ich lächelte schwach über den Witz und wandte mich dann meinem Koffer zu. Ich hatte meine Kleidung vor weit über vierundzwanzig Stunden angelegt, war mit ihnen quer über den Atlantik geflogen und hatte in ihnen das Kämpfen trainiert.

Es war an der Zeit sich umzuziehen.

Mit dem Fuß trat ich gegen das Gepäck, so dass es auf die Seite fiel und ich es öffnen konnte, ohne, dass mit die Hälfte entgegen kam. Dann betrachtete ich den Inhalt.

Was würde Jasper am besten gefallen?

Was wollte er zu einem solchen Anlass wohl an mir sehen?

Zögernd griff ich nach einem schwarzem, knielangen Rock und einer passenden grauen Bluse. Vorne war sie mit kleinen Rüschen versehen, die dem ganzen einen leicht eleganten Eindruck verlieh.

Skeptisch betrachtete ich die Konstellation, aber auch wenn ich nicht ganz zufrieden war, sah ich bereits jetzt, dass ich es dabei belassen würde. Ich hatte nicht die Zeit und auch nicht genug Auswahl um eine wirklich angemessene Garderobe, so wie ich es mir vorstellte, herauszusuchen.

Ich schlüpfte aus meiner Jeans, zog mir das T-Shirt über den Kopf und zog die neuen Sachen an. Sollte ich die Bluse in den Bund des Rockes stecken oder lieber nicht? Mit hochgezogener Augenbraue drehte ich mich vor dem großen Spiegel, der zum Vorschein kam, wenn man den Kleiderschrank öffnete.

Ich würde sie nicht hineinstecken, beschloss ich schließlich. Blieb nur noch die Frage nach passenden Schuhen.

Hoch oder nicht?

In diesem Augenblick fiel mir ein, dass ich der Hinsicht nicht ansatzweise so viel Auswahl hatte, wie sonst. Der Wette mit dem Koffer waren vor allem Schuhe zum Opfer gefallen. Ich zog eine Schnute.

Mit Turnschuhen zu gehen, kam gar nicht in Frage, aber ich konnte mich genau daran erinnern, dass ich auch noch schwarze Sandalen eingepackt hatte. Ich wühlte in meinem Gepäck, bis ich sie gefunden hatte und brauchte nicht lange um die langen Bänder an der Wade zuschüren und schaute schließlich wieder in den Spiegel.

Es gefiel mir nicht.

Die Höhe des Absatzes gefiel mir nicht.

Sie waren ein wenig hoch, wie mir jetzt auffiel, da keine Jeanshose sie zum Teil verdeckte. Ich konnte auf ihnen laufen, das war kein Problem, doch ich wusste sicher, dass Jasper es nicht mochte, wenn ich zu groß war.

Nein, das war gelogen.

Es war nicht so, dass er es nicht mochte. Er hatte rein gar nichts dagegen, aber er hatte es halt noch lieber, wenn ich so klein blieb, wie ich war. Aber ich hatte keine anderen Schuhe, die auch nur ansatzweise zu dem Outfit passen würden. Ein Seufzer entfuhr mir. Ich würde mich wohl oder übel damit zufrieden geben müssen. Zu mehr war einfach keine Zeit.

Blieb nur noch die Sache mit meinen Haaren, doch das Problem löste sich schneller als ich dachte. Jasper umarmte mich von hinten, küsste mich auf den Nacken und betrachtete, wie ich mich noch immer skeptisch musterte.

„Nicht zufrieden?“

„Nein“, erwiderte ich und er sagte nichts.

Früher, ganz früher hatte er häufiger auf mich eingeredet, aber inzwischen hatte er es akzeptiert, dass ich andere Ansprüche an mein Aussehen stellte als er. Ich ließ die Schultern hängen.

„Ich habe keine passenden Schuhe mitgenommen“, murrte ich schließlich. „Und ich schaffe es auch nicht mehr, mir die Haare zu machen.“

Als Antwort nahm er seine Hände wieder von meinem Bauch und strubbelte mir einmal über den Kopf, so dass meine kurzen Haare in alle Richtungen abstanden. Dann beugte er sich vor und zupfte ein paar der Strähnen aus meinem Gesicht. Zum Schluss pustete er einfach noch einmal und ich spürte seinen Atem auf meiner Kopfhaut.

„Fertig“; verkündete er schließlich. „Komm, wir gehen runter zu den anderen.“

Ich betrachtete mich.

Früher hatte ich meine Haare immer auf diese Art und Weise getragen. Wild durcheinander, ein wenig struppig und lebendig wirkend. In den letzten Jahren hatte ich es immer öfter streng nach hinten gekämmt. Das hier war die alte Alice, denn damals hatte Jasper mir auf diese Art und Weise häufig die Haare hergerichtet.

Dann wandte ich mich ab und ergriff die mir dargebotene Hand. Ich würde die Frisur so lassen, wie sie war. Irgendwie war es ein schönes Gefühl wieder ein bisschen mehr zu sein, wie früher.
 

Es war Abend, als wir aus dem Hotel hinaustraten. Drei Vampire, die geschickt worden waren um uns abzuholen, begleiteten uns, doch ich wusste genau, dass aus der Dunkelheit der ganzen Gassen, die es hier gab, noch viele Augenpaare auf uns gerichtet waren.

Zügig gingen wir durch ein paar Straßen und kamen schließlich auf dem großen Platz vor dem Turm an.

Der Turm war noch immer derselbe, der Platz nicht neu gepflastert worden und auch der alte Brunnen stand noch immer an demselben Ort, wie vor hundert Jahren. Das Wasser darin wirkte ein wenig trüb, als wäre es seit langem nicht erneuert worden.

Während ich mich umschaute, fühlte ich mich, wie in die Vergangenheit zurückversetzt.

Als ich das erste Mal mit Bella hier gewesen war, hatte sie Edward gerettet. Sie war über diesen Platz gerannt, als ginge es um ihr eigenes Leben.

Beim zweiten Mal hatte sie hier geheiratet und nicht Edward war in Gefahr gewesen, sondern sie selbst. Und wir hatten sie nicht beschützen können vor dem, was kommen sollte.

Die Wut in meinem Herz kam wieder an die Oberfläche, als mir schließlich wieder die Bilder durch den Kopf schossen, wie man mich überfallen hatte.

Alles hatte ich gesehen.

Ich hatte gesehen, was Aro vorhatte.

Ich hatte gesehen, dass Edward dagegen sein würde.

Ich hatte gesehen, dass Bella sich einverstanden erklären würde, um Edward vor Schmerzen zu bewahren.

Ich hatte gesehen, ich hatte gewusst, dass Aro nicht stark genug sein würde.

Und dennoch hatte ich nichts tun können.

Minuten nach meiner Vision, als ich zurückgeeilt war um sie zu warnen, weil ich mein Handy vergessen hatte, hatten sie mich überfallen. Zu sechst waren sie gewesen, diese feigen Wesen. Zu sechst hatten sie sich in ihren schwarzen Mäntel über mich hergemacht und ohne, dass ich auch nur die geringste Chance gehabt hatte, war ich eingesperrt worden.

Die Verzweiflung von damals erfüllte mich wieder.

Die Verzweiflung, mit der ich gekämpft hatte, obwohl ich schon am Anfang gewusst hatte, dass es hoffnungslos war, dass ich nicht würde gewinnen können. Dennoch hatte ich für alles, was ich vielleicht hätte retten können, gekämpft.

Ein bitterer Geschmack lag mir im Mund, noch schlimmer als der, an dem man litt, nachdem man kaltes Blut getrunken hatte. Ich spürte, wie Jasper meine Hand drückte und mich damit wieder zurück in die Realität holte.

Sofort wurde ich von Reue durchströmt.

Alles, was mich bewegte, traf auch zwangsläufig ihn. Ich wollte nicht, dass er so leiden musste, wie ich es tat, nur weil ich mich einfach nicht von meinen Erinnerungen lossagen konnte.

Er drückte wieder meine Hand.

Er hatte mich verstanden, wollte mir sagen, dass ich nichts dafür konnte. Dass es in Ordnung war. Dieses Mal erwiderte ich den Druck.

Danke.

Wir waren inzwischen vor dem Turm angekommen und ich rief mir ins Gedächtnis, dass ich eine Gabe hatte, die ich nutzen konnte. Während man uns die Tür öffnete und hineinbat, konzentrierte ich mich auf das, was ein paar Stockwerke über uns geschah.

Was man dort dachte, was man dort für Entscheidungen traf, das würde ich ohne weiteres herausfinden. Ich verließ mich darauf, dass Jasper auf mich Acht geben würde, so lange ich mit anderen Dingen beschäftigt war und machte mich auf die Suche.

Sie hatten beschlossen, uns zum Essen einzuladen.

Kurz fühlte ich eine gewisse Panik. Ich wollte nicht, dass sie uns Menschenblut vorsetzten. Nicht nur, weil wir uns geschworen hatten, es nie wieder zu trinken, sondern auch, weil sie uns dadurch gewisse Ansichten darlegen würden. Es wäre kein guter Start für unseren Aufenthalt hier. Aber zu meiner Erleichterung konnte ich bald feststellen, dass man die Gastfreundschaft darauf ausgedehnt hatte, extra für uns Tierblut zu besorgen.

Das war um einiges besser, jedoch würden wir sie nicht davon abhalten können, dass sie in unserer Anwesenheit tranken was sie wollten, schließlich räumten sie uns dasselbe Privileg ein.

Eine Flügeltür wurde vor uns geöffnet und schließlich betraten wir die große, mit Marmor verkleidete Empfangshalle. Sie waren da, alle saßen sie auf ihre Stühlen, die mehr den Thronen ähnelten, auf denen Könige früher gesessen hatten, als allem anderen.

Und sie sahen genauso aus, wie noch vor hundert Jahren.

Für mich war es eine lange Zeit gewesen, für sie nur ein Sprung vom gestern ins heute.

Was waren hundert Jahre für Vampir, die bereits seit Jahrtausenden existierten.

Ein Wimpernschlag, eine unbedeutende Minute.

Noch bevor es geschah, wusste ich, dass Markus derjenige sein würde, der uns begrüßte. Aro schienen sie ein wenig in den Hintergrund gedrängt zu haben, als wollten sie ihn nicht direkt mit all dem Konfrontieren.

„Carlisle!“, rief er aus und ging mit offenen Armen auf ihn zu.

Ohne mich zu bewegen, folgte ich ihm mit meinem Blick. Carlisle umarmte ihn und schien sich tatsächlich darüber zu freuen, ihn wieder zu sehen. Er hat Jahre hier verbracht, hatte Monate als ein Teil von ihrer Gemeinschaft gelebt, erinnerte ich mich selbst. Er hatte das Recht, sich ein wenig über einen alten Freund zu freuen.

Aber er hatte nicht das Recht, zu vergessen, was er ihm angetan hatte.

Nicht in diesem Fall.

Auch Gaius begrüßte ihn höflich, wenn auch ein wenig distanzierter. Schließlich drehte sich Carlisle wieder zu uns.

„Meine Familie“, sagte er schließlich. „Ihr kennt sie ja bereits.“

Damit war alles in dieser Hinsicht gesagt, es schien, als würden sie sich nicht noch einmal an jeden von uns persönlich wenden. Mir war es egal, ich legte keinen Wert darauf, von ihnen in ihre alten Arme genommen zu werden.

„Wir freuen uns sehr, euch alle wieder hier zu haben. Zu sehr hätte es uns belastet, wenn wir unsere Streitigkeiten nicht durch einen Besuch wieder aus dem Weg geräumt hätten“, sagte Markus schließlich und ich musste mir ein Schnauben verkneifen.

Als wenn dieses eine Treffen, das mehr erzwungen, als gewollt war, all das wieder gut machen würde. Als wenn man all das überhaupt wieder gut machen konnte.

„Alice“, hörte ich ihn schließlich sagen.

Sein Blick legte sich auf mich und so stolz wie ich es vermochte, erwiderte ich ihn. Er kam auf mich zu und deutete mit dem Kopf schließlich eine kleine Verbeugung an. Die Überraschung, die mich angesichts dessen durchlief, zeigte ich durch keine Regung. „Insbesondere bei dir wollen wir uns natürlich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen, die durch dieses Missverständnis entstanden sind. Es lag nie in unserer Absicht, dir und deinen Liebsten in irgendeiner Art und Weise Schaden zuzufügen.“

Ohne zu blinzeln starrte er mich mit seinen blutroten Augen an. Schließlich machte ich einen Knicks, genauso, wie man es in alten Zeiten ihm zu Ehren getan haben musste.

„Natürlich nicht“, erwiderte ich.

Und aus irgendeinem Grund glaubte ich ihm das sogar. Irgendetwas in mir wusste, dass diese ganzen Hinterhältigkeiten, die nur das Ziel hatten meine Familie auszulöschen und mich selbst als Wächter nach Volterra zu bringen, von Aro ausgegangen waren.

Noch immer ausgingen.

Nach all dem, was Carlisle erzählt hatte, hatte er sich immer gut mit den Vampiren verstanden. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass er sich in allen dreien so getäuscht haben sollte. Ich wolle einfach nicht, dass es wirklich keine Hoffnung gab, denn für den Fall, dass Markus und Gaius genauso dachten, wie Aro, gab es kein Entkommen für uns.

Aber sie waren nicht so, zu unserem Glück.

Er nickte mir zu und ließ sich sogar zu einem Lächeln herab, dann wandte er sich wieder anderen Dingen zu. Ich hätte mich gerne noch etwa näher an Jasper herangestellt, aber ich unterließ es. Das waren die Momente, in denen man stark sein musste und ich würde mich nicht vor den Augen der Volturi hinter irgendjemandem verstecken.

„Aber wir wollen euch natürlich nicht einfach hier herumstehen lassen“, sagte Gaius schließlich und deutete elegant auf eine kleine Seitentür.

„Wollen wir uns nicht lieber ein wenig zurückziehen? Diese Halle hat immer so etwas offizielles, das ist nun nicht mehr nötig, oder etwa doch?“

Niemand antworte, stattdessen folgten wir alle schweigend seiner Einladung. Auch Aro erhob sich nun von seinem Stuhl. Wie seine Brüder begab er sich zuerst zu Carlisle. Ich war froh darüber, wusste aber auch, dass es mir nicht erspart bleiben würde, mich auch mit ihm zu unterhalten.

Als wir schließlich das Nebenzimmer betraten konnte ich es einen Moment lang nicht glauben. Ich musste kurz die Augen zusammenkneifen und sie wieder öffnen, bevor ich schließlich realisierte, dass meine Sinne mir keinen Streich spielten. Der Raum war altmodisch eingerichtet, es hingen Bilder an den Wänden und bequeme Sitzmöbel standen herum.

Genug, dass alle gemütlich darauf Platz finden konnten.

Markus ließ sich augenblicklich in einem Sessel nieder und seufze erleichtert auf, doch ich blendete aus. Meine Gedanken waren ganz woanders, während ich das Sofa anstarrte. Erst als Jasper mich anstieß, gelang es mir mit Mühe wieder in die Gegenwart zurückzukehren. Direkt vor mir stand Aro.

„Alice“, sagte er mir seiner seltsamen Stimme. Damals war sie mir ungeheuer erhaben vorgekommen, inzwischen empfand ich sie nur noch als schleimig.

„Es ist lange her, dass wir uns getroffen haben, nicht wahr?“, fragte er charmant lächelnd, als wäre nie etwas geschehen.

„Nicht ganz so lange, die du vielleicht meinst“, entgegnete ich nur und gab mein Bestes ebenfalls nett zu lächeln, um dem ganzen eine gewisse Ironie zu verleihen. Ich wusste, dass ich es eigentlich nicht tun sollte. Ich sollte ihn nicht reizen, nicht ärgern, aber die Versuchung war einfach zu groß.

Er winkte ab.

„Das vor einer Weile, zähle ich nicht mit. Dein kurzer nächtlicher Abstecher in die Stadt ist es nicht würdig als Besuch bezeichnet zu werden. Umso mehr freue ich mich natürlich, dich heute hier begrüßen zu dürfen.“

„Ich habe nichts anderes erwartet, Aro, und ich muss sagen, deine Gastfreundschaft ist mal wieder überragend.“

Er machte einen zufriedenen Gesichtsausdruck.

„Ich habe mich auch extra darum gekümmert, dass ihr dieselben Zimmer bekommt, wie beim letzten Mal“, sagte er schließlich. „Und auch dasselbe Mobiliar, wie ich sehe.“

Mein Blick wanderte ein wenig zur Seite und fixierte das blutrote Sofa, das in einer Ecke stand. Er sah es und ich bemerkte, wie er registrierte, dass ich es gesehen hatte, auch wenn ich nie hier gewesen war.

Es war genau das Sofa, auf dem Bella sich vor hundert Jahren unter Schmerzen gewunden hatte, in der Hoffnung Edward retten zu können. In der Hoffnung, so zu werden wir ihr. Das Sofa, auf dem sie gestorben war.

Scheinbar hatte Aro vergessen, dass ich es in meinen Visionen gesehen hatte, auch wenn die anderen es nie in diesem Zusammenhang zu Gesicht bekommen hatten. Schließlich fing er sich wieder, während meine Gefühle wieder die Überhand zu nehmen drohten.

„Ein wenig veraltet“, sagte er. „Es wird Zeit, dass wir dieses Zimmer mal wieder ein wenig umgestalten. Mit steht der Sinn ohnehin nach etwas modernerem“, wieder lächelte er.

Am liebsten hätte ich ihm einfach in sein pergamentartiges Gesicht gehauen. Mittenrein, mit aller Kraft die ich aufbringen konnte, doch ich hielt mich zurück. Es war noch nicht so weit, ansonsten hätte ich es gesehen.

„Ich würde mich freuen, wenn eine junge Dame wie du, die einen solch außerordentlichen Geschmack besitzt, mir bei der Planung helfen würde.“

Die unglaubliche Dreistigkeit, die in diesen Worten lag, hätte mich beinahe umgeworfen. „Nun, ich werde mich mal wieder ein wenig zu meinen Brüdern begeben. Es freut mich, dass du gekommen bist Alice. Es freut mich, dass wir wieder Freunde sind“, erklärte er dann und streckte die Arme aus, damit ich als Zeichen der Versöhnung seine Hände ergreifen konnte.

In diesem Moment fiel es mir schwer, nicht einfach laut loszulachen.

Ein größeres Theater konnte es einfach nicht geben. Die Ironie in der Situation, war einfach erschlagend.

„Auch ich bin froh darüber“, erwiderte ich schließlich galant und deutete einen Knicks an. Meine Hände reichte ich ihm nicht.

Mir war bewusst, dass ich ihm damit nicht nur ein Symbol der Versöhnung, sondern auch meine Gedanken überreichen würde. Er schien die Geste des Verweigerns durchaus zu verstehen. Ich würde dieses Spiel mitspielen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, denn eines ließ sich bei all der falschen Freundlichkeit nicht leugnen.

Wir waren Todfeinde und wir würden es auf ewig bleiben. Er nickte Jasper, der etwas hinter mir stand, noch kurz zu, dann begab er sich zurück zu den anderen. Kurz darauf spürte ich Jaspers Hand meine Hüfte streifen.

Sonst nichts, aber mehr war auch nicht nötig.

Ist alles in Ordnung?

Anstatt einer Antwort hob ich mein Kinn und blinzelte einmal kurz.

Ja.

Mein wanderte mein Blick wieder zu dem roten Sofa, das so pompös in einer Ecke des Raumes stand. Ich konnte mich einfach nicht davon abwenden. Ich wollte es nicht zerstören, so wie ich Aro den Kopf abreißen wollte, aber ich wollte es betrachten.

Endlos lange betrachten, denn es war ein stummer Zeitzeuge, der mehr zu erzählen wusste, als viele andere Dinge. Ohne genau sagen zu können, wie lange ich es anstartre, hatte ich schließlich das Gefühl, dass es eine Ewigkeit gewesen sein musste, als Jasper mich wieder leicht an der Hüfte streifte.

So leicht und zärtlich, dass ein Mensch es wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen hätte. Wie sollte ich ihm erklären, was das für ein Möbelstück war?

Wie sollte ich ihm erklären, was es bedeutete?

Etwa zwei Meter neben mir blieb er stehen und strich sich wie zufällig mit einem Finger über die Lippen.

Ich weiß, Alice, ich weiß.

Ich lächelte schwach, dann drehte ich dem Sofa den Rücken zu, als sich eine Tür öffnete. Vampire kamen herein, vier an der Zahl, und brachten große Gläser, die mit einer roten Flüssigkeit gefüllt waren. Mir entging nicht, wie Carlisle mir einen schnellen, fragenden Blick zuwarf. Ich nickte kurz und er schien erleichtert, dass man uns kein Menschenblut anbieten würde.

„Natürlich haben wir an eure Vorlieben gedacht“, erklärte Markus genau in diesem Moment, während man ihm sein Glas reichte. Tatsächlich bekamen wir warmes Tierblut, dennoch war der intensive Geruch von Menschen dank der Gläser der Volturi im ganzen Raum.

Meine Augen huschten hinüber zu Jasper.

Es war wie ein Reflex. Nachdem ich solange auf ihn hatte aufpassen müssen, konnte ich in solchen Situationen gar nicht anders, obwohl er sich inzwischen perfekt im Griff hatte. Er bemerkte es direkt und sein linker Mundwinkel zog sich minimal nach oben.

Jemand, der ihn nicht ganz genau beobachtete, hätte es nicht bemerkt.

Er nahm das Glas an und strich sich mit einem Finger an der Nase entlang, so wie es die Menschen häufig taten. Es war seine Art zu sagen:

Alice, ich liebe dich.

Nach außen hin wirkte unsere Beziehung häufig oberflächlich, ein wenig platt. Ich wusste es, weil Edward mir erzählt hatte, wie andere darüber dachten. Viele spürten unsere Verbindung, doch sie sahen sie nicht, was sie irritierte.

Dabei standen wir uns unglaublich nahe, selbst dann, wenn wir durch einen großen Raum und viele Menschen getrennt waren. Wir hatten eine andere Art uns zu unterhalten.

Eine weniger aufdringliche.

Eine schönere, wie ich fand.

Ich nahm ebenfalls mein Getränk an, hob meine Hand ein wenig und tat so, als würde sich irgendetwas auf meinem Handrücken befinden, das ich wegpusten wollte. Dabei hauchte ich einen Kuss auf die Haut und lächelte unterdrückt.

Ich wusste genau, dass Aro es sah, da er mich beobachtete.

Aber ich wusste auch, dass Jasper der einzige war, der es verstand.

Ich liebe dich auch.

A king shouldn’t be megalomaniac

A king shouldn’t be megalomaniac
 

Ohne sagen zu können warum, hatte ich es mir zur Angewohnheit gemacht, all die Plätze in Volterra aufzusuchen, die ich für wichtig hielt. Alle Plätze, die einen besonderen Stellenwert in der Vergangenheit hatten.

Einer der letzten, der noch übrig war, war das Dach. Das Dach des Hotels, auf das Bella sich damals heimlich geschlichen hatte und auf dem sie von Aro überrascht worden war. Warum genau es mir so wichtig schien, wusste ich nicht. Aber aus irgendeinem Grund war in mir das Gefühl, dass Aro an diesem Ort das erste Mal mit dem Gedanken konfrontiert gewesen war, den er schließlich in die Tat umgesetzt hatte. Als er mit Bella alleine gewesen war, als sie ihm so hilflos ausgeliefert gewesen war, als er gesehen hat, wie bezaubernd sie sein konnte, da musste in ihm das erste mal diese Idee gewesen sein, sie selbst verwandeln zu wollen. Aufgeregt und wütend, wie ich gewesen war, weil Bella sich einfach alleine aus dem Staub gemacht hatte, in einer Stadt, die von Vampiren beherrscht wurde, war es mir entgangen.

Ich hatte nicht gemerkt, was in ihm vorging, hatte mich in diesem Augenblick nicht genug auf ihn konzentriert, um zu registrieren, dass kaum merklich ein fürchterlicher Plan in ihm wuchs. Heute weiß ich genau, woran es gelegen hat.

Ich hatte nach offensichtlichen Dingen Ausschau gehalten. Danach, dass die Volturi eine Entscheidung trafen. Danach, dass Aro alleine eine traf, ohne sich mit den anderen abzusprechen, ohne mit ihnen darüber zu diskutieren, darauf war ich einfach nicht vorbereitet gewesen.
 

Ich streckte den Arm aus und meine Hand umfasst den Türknauf. Sie war verschlossen. Kurz musste ich lächeln. Wäre sie doch damals auch verschlossen geblieben, hätte sie es Bella doch bloß nicht ermöglicht, auf das Dach zu gehen.

Wie viel Leid wäre uns vielleicht erspart geblieben?

Es war kaum zu sagen.

Ohne größere Kraftanstrengung schlug ich gegen das Schloss. Die Tür sprang auf. Langsam stieg ich die Treppen, die dahinter lagen, hinauf. Ein Schritt vor den anderen.

Hätte mich jemand beobachtet, hätte er gewiss gesagt, ich wäre wie in Zeitlupe gegangen. Und er hätte Recht gehabt.

Noch langsamer, als ein Mensch bewegte ich mich fort, als würde ich dadurch alles weit von mir schieben können, während ich immer weiter in der Vergangenheit versank. Denn es war nicht nur Aros Schuld gewesen, dass ich es nicht hatte kommen sehen.

Viel mehr meine eigene.
 

Schon lange hatte ich mich nicht mehr so auf eine Hochzeit gefreut, wie auf die von Bella und Edward. Mein Bruder sollte endlich so glücklich werden, wie ich es war.

Ein Erlebnis, dass mich vollkommen machen sollte.

Denn obwohl Jasper mein Seelengefährte war, für den ich alles geben würde, so war mein Glück aufgrund unserer Fähigkeiten und daraus resultierenden, engen Beziehung zweifellos auch an das, von Edward gebunden.

So viele Träume waren in mir gewesen.

So viele Hoffnungen auf eine wunderschöne, unbeschwerte Zeit.

So viel Freude und Liebe, dass es mich ganz geblendet hatte.

Wenn ein Mensch in zu grelles Licht geschaut hatte, kann er danach den den kleinen schwarzen Punkt nicht wahrnehmen. Er kann die drohende Finsternis einfach nicht erkennen, so geblendet ist er von der Macht des Lichtes, das eine unsägliche Freude in ihm auslöst.

Ich hatte Aro nicht wahrgenommen. Seine Launen und Gefühle, die sich tief in ihm verbargen, nicht wahrgenommen, wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen wollen.

Nichts hatte damals mein Glück zerstören sollen, ich hatte mich unangenehmen Dingen einfach nicht befassen wollen. Allein Victorias Anwesenheit hatte vollauf genügt. Doch für diese engstirnige Sichtweise hatte ich einen bitteren Preis bezahlen müssen.

Einen Preis, der definitiv zu hoch war.

Erst als Aro die bewusste Entscheidung getroffen hatte, Bella verwandeln zu wollen, hatte ich es bemerkt. Es war mir nahezu ins Gesicht gesprungen und es war auf Anhieb so offensichtlich gewesen. Man hatte mich erst mit der Nase darauf stoßen müssen, bevor ich in der Lage gewesen war, zu erkennen. Aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät gewesen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits versagt.
 

Als ich das Ende der Treppenstufen erricht hatte, öffnete ich die Tür, die auf das Dach führte. Sie war nicht verschlossen. Wie leichtsinnig. Wie sollte eine einfache, verschlossene Tür am Fuße der Treppe jemanden daran hindern sollen, hier herauf zu kommen. Selbst Bella hätte sie überwinden können.

Wieder stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen und ich freute mich darüber. Seit Jahrzehnten trauerte ich um sie, konnte mich nicht von meinen Schuldgefühlen lösen und doch war ich endlich wieder in der Lage, zu lächeln, wenn ich an sie dachte.

Zu lächeln, wenn ich an diesen wundervollen Menschen dachte, der unsere Familie mit ihrer sympathischen und etwas hilflosen Art und Weise durcheinander gewirbelt hatte. Es war ein schönes Gefühl, sich endlich an den Erinnerungen erfreuen zu können, es endlich geschafft zu haben, nur an Bella zu denken und nicht daran, wie es zu Ende ging.

Zweifellos etwas, dass ich allein Jasper zu verdanken hatte.

Er war so viel mehr, als ich verdiente.
 

Ich stieß die Tür auf und betrat das Dach. Ich war schon einmal hier gewesen, als ich Bella gesucht und hier zusammen mit Aro gefunden hatte. Aber dieses Mal war es anders. Alles geschah langsamer, ich ließ mir mehr Zeit, mit dem, was ich tat und versuchte zu fühlen, was sie gefühlt hatte.

Ich ging zum Rand und schaute hinunter auf Volterra. Es war dunkel, es musste ungefähr drei Uhr morgens sein, und der Anblick hatte etwas Geheimnisvolles. Wie eine lockende, gefährliche Schönheit. Irgendwie konnte ich es verstehen, dass Bella damals hier gestanden und fasziniert hinunter geblickt hatte.
 

„Ich wusste, dass du früher oder später herkommen würdest.“
 

Seine Stimme war kalt, sie kam plötzlich.

Überraschend aus dem Dunkel.

Ich hatte aus meinem Fehler nicht gelernt, wieder hatte er geschafft mich zu überlisten. Wieder hatte ich nicht kommen sehen, was geschehen würde.

„Jeden einzelnen Platz hast du besucht. Hast Stunden dort verbracht. Ich sehe alles in dieser Stadt.“

Ich drehte mich nicht um, mein Blick haftete weiter auf einem unbestimmten Punkt in der Dunkelheit. Alles würde ich anschauen, aber ich würde mich nicht dazu herablassen, mich zu ihm herumzudrehen. Wenn er mir ins Gesicht schauen wollte, dann sollte er sich bewegen.

Es machte mir keine Angst, mit dem Rücken zu ihm zu stehen, denn auch wenn ich viele Einzelheiten verpasst hatte, so wusste ich doch mit Sicherheit, dass er jetzt gerade nicht im Begriff war, mich anzugreifen.

Das Risiko war zu hoch.

Er war in Volterra und auch wenn wir scheinbar alleine in der Nacht standen, so wimmelte es doch vor Vampiren um uns herum. Einige von ihnen waren von Markus und Gaius darauf angesetzt worden, Aro bei seinen einsamen Streifzügen im Auge zu behalten. Carlisle hatte mir davon erzählt, denn er hatte mitbekommen, dass Aro davon nicht im Geringsten begeistert davon war. Aber seine Brüder hatten ihn überstimmt. So war es schon immer gewesen, zwei überstimmten einen.

Aro hatte weder das Recht, noch die Macht an der Entscheidung der anderen etwas zu ändern. Er musste sich ihnen beugen, zumindest in diesem Moment, in dem Zeugen es gab. Aber es würde der Tag kommen, an dem alles anderes sein würde. An dem wir uns gegenüber stehen und uns nicht zurückhalten würde.

Ich konnte es fühlen, wir konnten es fühlen.

Doch noch war es nicht soweit.

„Du kannst sie durch diese Besuche nicht wieder lebendig machen, Alice.“

Ich atmete tief ein.

„Vielleicht wäre es gar nicht nötig, sie wieder lebendig zu machen, wenn du dich an deine Abmachung gehalten hättest.“

Nie würde ich ihn anlügen, nicht, um mein Leben zu retten. Stolz rann durch meine Adern und durchströmte mich, genauso wie das Adrenalin in solchen Momenten durch einen menschlichen Körper gepumpt worden wäre.

„Zweifelst du an mir, Alice?“

„Ich zweifele an jedem, der sein Wort bricht.“

Es war eine Diskussion, die dazu verdammt war ins Leere zu laufen. Niemals würde ich verstehen können, was er getan hatte, niemals würde ich es nachvollziehen und gar verzeihen können. Genauso wenig, wie er einsehen würde, dass er einen Fehler begangen hatte, in dem er eine große Liebe zerstört hatte.

„Und dennoch hast du Respekt vor mir“, hörte ich ihn leise hinter mir lachen. Er war sich seiner immer und zu jedem Zeitpunkt sicher. Zu sicher, wie mir in diesem Moment bewusst wurde, denn mir wurde klar, dass er Unrecht hatte. Dies war eine seiner größten Schwächen, er glaubte sich unfehlbar.

Entgegen dem, was ich mir vorgenommen hatte, drehte ich mich zu ihm. Ich tat es betont langsam und es dauerte, bis ich ihm schließlich komplett zu gewand war und in die Augen schaute. Ich schaffte es zu lächeln, es war viel einfacher, als ich dachte.

Jetzt, da ich wusste, was ich empfand.

„Ich hatte ihn, Aro“, entgegnete ich schließlich schlicht. „Aber jetzt….“

Ich zögerte ein wenig, wusste nicht, wie ich es in Worte fassen sollte, während er mit seinem schönen, aber steinernem Gesicht vor mir stand.

„Ich glaube, dass was ich jetzt habe, ist Mitleid. Mitleid mit einem Vampir, der sich für einen großen König hält und dabei ist auf seinen Untergang zuzusteuern.“

Seine Mundwinkel hoben sich, doch ich konnte sehen, dass es nur vorgetäuscht war. Allerdings nicht ansatzweise so gut, wie er sonst schauspielerte.

Er nahm es ernst, was ich sagte. Er war wütend darüber, doch er würde es sich nicht so schnell anmerken lassen.

„Mitleid“, wiederholte er dann. „Nur, weil ich es als König verstehe, durchzugreifen, wenn man mir nicht gehorcht?“

„Mitleid, weil du es als König nicht verstehst, zu herrschen. Es zeugt nicht von Entwicklung, wenn man sich in den vielen hundert Jahren, die du nun schon lebst, nicht von den alten Regeln lösen kann. Wenn man einfach nicht in der Lage ist, zu erkennen, dass es Dinge gibt, die heilig sind. Auch für uns. Du hast Mitleid verdient, weil du die Talentiertesten deiner Art in den Tod treibst, anstatt sie zu schützen.“

„Sag mir Alice, ist es besser für einen König geliebt, oder gefürchtet zu werden?“

Sein Gesicht war ernst, seine Augen funkelten.

In diesem Moment sah ich ihn kommen. Sah ihn am Fuße der Treppe mit meinen Gedanken. Jasper. Er würde mich vor Aro retten, genauso wie ich damals Bella an dieser Stelle vor ihm beschützt hatte.

„Das Beste für einen König ist es, nicht größenwahnsinnig zu werden“, sagte ich schließlich, dann wurde die Tür hinter Aro aufgestoßen, durch die auch ich auf das Dach gekommen war. Jasper stand im Rahmen, seine weiße Haut leuchtete im Mondlicht, das direkt auf ihn fiel. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen, er sah sauer aus, doch innerhalb von Sekunden entspannte sich sein Ausdruck.

Er schien zu merken, dass es mir gut ging und er schien zu fühlen, wie sehr ich mich freute ihn zu sehen. Aro warf mich noch einen kurzen, intensiven Blick zu, dann wandte er sich ab. Das zwischen uns war noch nicht vorbei, es hatte gerade erst richtig angefangen.

Doch es war ein Kampf, den wir alleine austragen würden.

Ohne Hilfe, ohne Zeugen.

Nicht hier und jetzt.
 

„Jasper“, sagte er nur, nickte ihm kurz zu und verschwand dann durch die Tür, nachdem Jasper ihm bereitwillig, aber ein wenig verstimmt, Platz gemacht hatte. Er schaute ihm noch hinterher, wahrscheinlich um sicherzugehen, dass Aro wirklich verschwand, dann drehte er sich zu mir und kam langsam auf mich zu.

Ich blieb einfach nur stehen und sah ihn an. Ich hatte doch Angst, dass er sauer war, weil ich alleine im Dunkeln hierherauf gekommen war, obwohl ich ihm versprochen hatte vorsichtig zu sein. Zärtlich nahm er mein Gesicht in seine Hände beugte sich zu mir herab und hauchte mir einen sanften Kuss auf die Lippen.

„Was machst du denn für Sachen? Ich hab mir Sorgen gemacht“, sagte er leise und ich schlug die Augen nieder.

„Es tut mir Leid, ich wollte noch einmal herkommen, bevor wir fliegen. Ich wusste nicht, dass er hier oben ist.“

Wieder spürte ich seinen Mund auf meinem.

Ganz zart, fast schüchtern war der Kuss.

„Nur wegen des schönen Ausblickes? Es kann doch keine deiner guten Erinnerungen sein, wie du Bella hier oben vor Aro hast bewahren müssen.“

Noch immer so leise.

„Hier oben hat er ihr gesagt, wo sie heiraten werden, wusstest du das?“

Ich musste keine Namen nennen, er wusste auch so was ich meinte.

„Hier oben hat er ihr gezeigt, dass sie auf dem Platz heiraten werden, nachts. Der Mond hat genauso geschienen, wie jetzt und während er sie im Arm gehalten hat, hat er mit einer Hand hinunter gedeutet und gesagt: ‚An dem Ort hätten wir uns fast verloren, aber es ist alles gut gegangen und wir haben uns wieder gefunden, erinnerst du dich? Da haben wir uns wieder gefunden, Bella und dort werden wir heiraten.’ Das hat er gesagt“, murmelte ich. „Ich musste einfach noch einmal herkommen.“

Wieder ein Kuss.

„Ok“, sagte er. „Lass uns runter gehen, offiziell fahren wir in einer Stunde los, bestimmt müssen wir noch einmal in den Turm um uns zu verabschieden.“

Ich nickte.

Bald würden wir wieder fort von hier sein. Nachdem wir fast siebzehn Tage hier gewesen waren, war Carlisle nun endlich der Meinung, dass wir ohne schlechtes Gewissen wieder abreisen konnten. Wir hatten unsere Pflicht erfüllt und würden eine Weile Ruhe haben. Nicht für immer, aber für ein paar Jahre.

Ich konnte noch nicht wirklich sagen, ob ich in der Lage sein würde, diese Zeit zu genießen, denn ich würde nicht vergessen, dass ich noch eine Aufgabe zu erledigen hatte. Dass mir noch ein Kampf bevorstand. Doch ich hoffte darauf, dass ich würde es verdrängen können. Dass ich all das, was ich mit Jasper erleben würde, voll ausleben konnte.

Nur für den Fall, dass danach alles vorbei war.

Nur für denn Fall, dass ich es nicht schaffen würde, Edward zu rächen.

Denn ich wusste, dass ich es versuchen würde, egal wie gering die Chance auf Erfolg war. Wenn nötig, würde ich bei dem Versuch sterben. Ich war es ihm einfach schuldig, denn irgendeine Stimme in mir sagte mir, dass er dasselbe für mich getan hätte.

Dass Bella dasselbe für mich getan hätte, obwohl schon die Vorstellung davon, wie sie mit ihren Fäusten voller Wut auf Aro losging, amüsant war. Aber sie hätte es versucht, auch wenn Edward sie mit allen Mitteln davon abgehalten hätte.

Ich war es dieser unglaublichen Liebe zwischen den beiden schuldig, dass ich sie rächte, auch wenn Edward es nicht von mir gewollt hatte. Niemals würde er von mir verlangen, dass ich all das auf mich nehmen würde, um sein Andenken in Ehren zu halten. Doch inzwischen ging es nicht mehr nur um ihn und Bella.

Es ging um mich, darum wieder mein altes Ich wieder zu finden.

Ich tastete nach Jaspers Hand und als ich sie gefunden hatte, drückte er sie sanft. Dann spürte ich den Kuss, den er mir auf die Stirn hauchte.

„Komm.“
 

*
 

Es war seltsam wieder zu fahren, nein das war nicht ganz richtig. Es war seltsam Aro zurückzulassen, ohne versucht zu haben, ihn zu töten. Es war klar gewesen, dass es nicht geschehen würde, dass es an diesem Ort gar nicht geschehen durfte, weil sonst all die, die ich liebte und die mir noch geblieben waren, in Gefahr sein würden.

Aber dennoch war es komisch ihn an einem Stück zurückzulassen, ohne ihm wenigstens die Ohrfeige zu verpassen, die er zweifelsohne verdient hatte. Doch ich schaffte es, mir nichts anmerken zu lassen.

Ohne ihm die Hand zum Abschied zu schütteln, verabschiedete ich von ihm.

Und währenddessen musterten wir uns gegenseitig mit einem Blick, der zeigte, dass wir wussten, dass wir uns wieder sehen würden. Aber in diesem Moment, in dem wir wieder voreinander standen und all die Blicke unauffällig auf uns lagen, wurde mir noch etwas ganz anderes klar. Dass ich Zeit hatte, denn es würde dauern, bis wir uns an irgendeinem einsamen Ort treffen würden. Markus und Gaius würden ihn im Auge behalten um den wiederhergestellten Frieden zwischen und Familien nicht zu gefährden.

Jasper würde mich im Auge behalten, um mich nicht verlieren zu müssen.

Die Brüder würden Aro aus Machtgier zurückhalten, denn sie wussten, dass es Konsequenzen haben würden, wenn er mich in den nächsten Jahren töten würde. Dafür hatte sich die Geschichte schon zu weit herumgesprochen, dafür hatte Carlisle einfach zu viele Freunde, die im Falle eines Krieges auf seiner Seite stehen würden.

Und auch meine Familie, insbesondere Jasper würden mich nicht ohne weiteres gehen lassen. Sie würde auf mich aufpassen, mich zurückhalten, doch es war ein tröstender Gedanke für mich zu wissen, dass sie es im Gegensatz zu Markus und Gaius aus purer Liebe taten.

Ein erneutes Gefühl der Zuneigung für sie durchströmte mich.

Carlisle, Esme, Rosalie, Emmett, Edward, Bella und vor allem Jasper – keinen von ihnen hatte ich verdient und doch standen sie hinter mir. Im entscheidenden Moment fiel es mir schwer, meine Augen von Aro zu lösen, als die Autos ankamen, die uns zum Flughafen bringen sollten.

Auch er schien damit Probleme zu haben, doch schließlich riss ich mich von ihm los. Die Zeit für unseren Kampf war noch nicht gekommen. Wir würden uns gedulden müssen, bis wir mit all dem Hass, den wir füreinander empfanden aufeinander losgehen durften.

Der Tag würde kommen, doch noch war er fern.

Bevor es so weit sein würde, hatte ich noch viel vor, wie mir auf einmal bewusst wurde. Ich wollte noch einmal in den Regenwald und in eine Wüste. Es würde mir Spaß machen, noch einmal durch irgendeinen Ozean zu schwimmen oder stundelang in irgendwelchen Riffen zu tauchen, ohne zum Luftholen auftauchen zu müssen. Und ich wollte noch einmal heiraten. Die Liebe meines Lebens, meines Daseins.

Ich drückte Jaspers Hand und strich ihm in leichten Schlangenlinien über den Handrücken. Mein ein und alles.

Dann lehnte ich mich an seine Schulter und beobachtete Carlisle, wie er sich freundlich von allen verabschiedete. Dabei fuhr ich weiter mit meinen kleinen Fingern über Jaspers Haut und strich sanft über seinen Ringringer. Unauffällig tat ich so, als würde ich ihm einen Ring überstreifen.

Willst du mich heiraten?

Obwohl es keine unserer kleinen deutlichen Liebesbekundungen war, verstand er doch sofort. Und ein zufriedenes, glückliches Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als er sich ein wenig hinabbeugte und mich sanft auf Schläfe küsste. Sein Ringfinger hackte sich um meinen und leise, selbst für Vampirohren kaum hörbar, murmelte er:

„Jederzeit.“

Ja, wir würden noch einmal heiraten, bevor der Tag der Entscheidung kam.

Nur für den Fall, dass es das letzte Mal sein würde.

Time has come

Time has come
 

147 Jahre später
 

Über mir donnerte es, als wollte in den nächsten Minuten die Welt untergehen, oder als hätte der Gott, der Bella und Edward hoffentlich in seine Arme genommen hatte, eine Rechnung zu begleichen. Schon seit Tagen tobte dieses Unwetter und ließ die Gegend einfach nicht mehr los. Starker, tornadoartiger Wind, Hagel und Regen wechselten sich ununterbrochen und unermüdlich ab, um die Menschen in ihren Häusern festhalten.

Ich hob die Hand, strich mir das kurze Haar zurück und zog mir die Baseballkappe tiefer ins Gesicht. Mir machte der Regen nichts aus, auch der Donner ließ mich kalt.

Obwohl, ganz richtig war das nicht.

Er bereitete mir Freude, denn er gab uns das erste mal seit langem wieder die ideale Chance ein kleines Spielchen zu spielen, das länger als nur eine Stunde dauerte. Seit dem frühen Morgen waren wir auf dem Feld und inzwischen war es schon Abend.

Die Sonne war kurz davor unterzugehen und in einer knappen Stunde würde es dunkel sein. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.

Dann würde es erst richtig spannend werden.

So viel es Spaß es machte mit den anderen unter normalen, schon recht stürmischen Bedingungen Baseball zu spielen, eine wirkliche Herausforderung würde es erst werden, wenn sich die Dunkelheit herabgesengt und die Landschaft im Griff hatte.

Wir würden mit schwarzen Bällen spielen und nicht mit weißen. Emmett hatte sich voller Vorfreude extra die Mühe gemacht, sie per Hand anzumalen, damit es noch ein wenig spannender wurde. Weiße Bälle waren für unsere Augen einfach zu auffällig, selbst im Dunkeln.

Ich grub mein Standbein ein wenig in den Boden, damit ich einen sicheren Halt hatte, dann griff ich nach dem Schläger, der neben mir auf dem Boden lag. Anschließend zwinkerte ich Carlisle zu, der sich ebenfalls fertig gemacht hatte.

Er grinste, dann nickte er.

In Sekundenschnelle hatte er den Ball geschleudert, mit so viel Kraft, wie nicht ein einziger Profispieler der Menschen hätte aufbringen können. Meine Augen verfolgten den Ball, der die Luft zerschnitt und als es schließlich so weit war, holte ich mit dem Schläger aus.

Ich traf, wie immer.

Ein lautes ‚Dong’ hallte über die Lichtung hinweg und der Ball war verschwunden. Emmett war dran mit Laufen was bedeutete, dass ich mich beeilen musste. Man sah es ihm nicht an, aber er war nicht nur stark, sondern auch schnell.

Der einzige, der es im Regelfall mit ihm aufnehmen konnte war Jasper.

Und Edward.

Den Schläger wegwerfend rannte ich los.

Unser Spielfeld war deutlich größer, als ein normales, und die Meter flogen unter meinen Füßen hinweg. Ich kniff die Augen ein wenig zusammen, so dass sie zu Schlitzen verengt waren und konzentrierte mich aufs Rennen.

Meine Mannschaft lag hinten, nur wenige Punkte, aber sie lag hinten und es galt diesen Rückstand aufzuholen, bevor wir das erste Mal mit dunklen Bällen in der Finsternis spielen würden. Schließlich konnte ich nicht vorhersehen, wie gut das ganze funktionieren würde.

Es hatte nichts mit bewussten Entscheidungen zu tun, es war lediglich ein Experiment und ich war gespannt darauf, wie es ausging. Doch ich war nicht die einzige, auch Carlisle war neugierig zu wissen, wie gut die Sinne von Vampiren wirklich waren.

Dass sie schlichtweg als unvergleichbar bezeichnet werden konnte, stand ohne Frage fest, aber würden wir einen kleinen, schwarzen Ball sehen können, der in tiefster Nacht von einem Vampir geschleudert wurde, so dass er unglaublich schnell war?

Ich machte eine Kurve, die Hälfte des Weges hatte ich zurückgelegt und ich war mir sicher, dass meine Chancen nicht schlecht standen.

Der Ball war weit geflogen, Emmett würde weit laufen müssen. Dennoch, durfte ich ihn nicht unterschätzen. Ich legte alle meine Kraftreserven in meine Beine und beschleunigte noch einmal. Ich raste durch den Wald, konnte die Bäume an mir vorbeirauschen sehen und ließ sie schließlich hinter mich, als ich wieder die Lichtung erreichte. Ich war nur noch zweihundert Meter von meinem Ziel entfernt, als ich Emmett in meinem Kopf sah, wie er gerade beschloss, gleich nach dem Ball zu greifen.

Ich beschleunigte ein weiteres Mal und schloss die Augen, ich wusste, wo ich hinmusste, ich brauchte meine Augen nicht. Ich rannte einfach nur und passierte schließlich die letzte Base nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor ein lauter Pfiff ertönte.

Ich stoppte so gut es ging, musste aber dennoch hundert Meter zurück zu Esme gehen, die den Schiedsrichter für diese Runde gemacht hatte.

„Glückwunsch“, begrüßte sie mich, als ich bei ihr ankam und grinste.

„Du hast ihn geschlagen. Ich will nicht sagen, dass es nicht knapp war, genauer gesagt war es sogar mehr als knapp, aber du hast ihn geschlagen.“

Ich grinste und schmierte den Dreck von meinen Fingern auf meine Hose. Einer der wenigen Nachteilen dieser Sportart war, dass man sie aufgrund des Wetters, bei dem wir sie ausüben musste, einfach immerzu dreckig wurde.

„Ja, das wurde aber auch mal wieder Zeit.“

Ich zog eine Grimasse, während ich Emmett mit einer unglaublichen Geschwindigkeit aus dem Wald rennen sah. Sekunden später war er bei uns angekommen. Ich streckte ihm die Zunge raus.

„Verloren Bruderherz. Ich war schneller.“

Er streckte mir ebenfalls die Zunge raus und wandte sich dann gespielt beleidigt direkt wieder ab. Ich und Emse schauten uns an und lachten gleichzeitig los. Jasper und Carlisle, die nun zu uns herüberkamen, konnten sich ein Grinsen ebenfalls nicht verkneifen. Auch sie gönnten es Emmett einmal nicht der schnellste gewesen zu sein.

„Nächstes Mal, Schwesterlein, nächstes Mal bist du wieder fällig“, murmelte er nun, inzwischen selber lachend und ich musste kichern.

„Natürlich“, sagte ich nur. „Ganz bestimmt. Aber ich würde sagen, wir steigern das ganze mal ein bisschen. Jetzt, da sich so eindeutig auf deinem Niveau bin, können wir uns ruhig einmal mit schwierigen Dingen auseinandersetzten.“

Ich zwinkerte ihm zu und voller Vorfreude grinsend zog er einen der dunkel angemalten Bälle aus seiner Hosentasche.

„Du hast keine Chance“, sagte er und ich erwiderte:

„Nicht die geringste. Aber vorher musst du dich noch einmal beweisen, du bist zu erst dran.“ „Ich werde dir eine Vorgabe machen, der du rein gar nichts entgegen zu setzten hast“, sagte er feixend und warf Carlisle den Ball zu, dann machte er sich bereits startbereit.

Ich verdrehte in gespielter Genervtheit die Augen und brachte die anderen auf diese Art wieder zum Lachen.

Dann machte ich mich gemächlich auf den Weg zu meinem Schläger, den ich kurz zuvor so achtlos von mir geschleudert hatte. Schließlich ließ ich mir Zeit dabei, mich ebenfalls in Position zu bringen. Es schadete meinem Bruder nicht ein wenig zu warten.

Ich streckte mich ausgiebig, dann warf ich Carlisle, der ebenfalls fertig bereit stand einen fragenden Blick zu. Er bedeutete mir, Emmett nicht zu sehr zu ärgern, und ich nahm meine Stellung ein.

Dann nickte ich.

Ein Augenblinzeln später verließ der schwarze Ball Carlisle Hand und obwohl es noch immer nicht vollständig dunkel war, bewirkten die fehlenden Sonnenstrahlen, dass er schlechter zu sehen war. Ich kniff die Augen wieder ein wenig zusammen und fixierte ihn. Als er nah genug heran war, holte ich mit dem Schläger aus und zielte.

Doch mit einem Mal geschah alles gleichzeitig.

In dem Moment, in dem der Ball den harten Schläger berührte, schien mein Kopf zu explodieren.

Es wurde schwarz, die Kräfte flossen aus mir heraus, wie Wasser aus einem undichten Eimer und mein Ich schien von einer Sekunde auf die nächste an einem anderen Ort. Die Farben waren verschwommen, sie verflimmerten, wie bei einem defekten Fernseher. Um mich herum erkannte ich die unscharfen Umrisse von Bäumen und als ich meinem Geist befahl, sich umzuschauen, erblickte ich in meinem Rücken eine Klippe.

Erinnerungen überfielen mich.

Ich kannte diesen Ort, war bereits dort gewesen, vor einer Ewigkeit.

Doch dieses Mal war es anders, aus den Farben bildete sich eine Person heraus, die auf mich zutrat, die die Arme öffnete, um mich willkommen zu heißen.

Eine Stimme suchte sich ihren Weg zu, flüsterte mir ein zärtliches ‚Alice’ ins Ohr. Noch während ich mich in ihr befand, spürte ich, wie die Vision mich auslaugte, wie keine andere zuvor. Wie sie mich angriff, obwohl sie mir eigentlich nichts anhaben konnte.

Es ist soweit’, hallte es durch die seltsame Welt, die nur für mich existierte und nicht loslassen wollte. Etwas in mir wollte all das nicht sehen, aber ein anderer Teil war begierig darauf, noch mehr zu erfahren, so dass ich es einfach nicht schaffte, mich von der Vision zu befreien.

Komm’, hörte ich ihn, dann fing er an sich aufzulösen. Immer weiter verschwanden die Farben, die seine Person gezeichnet hatten und bildeten die Konturen von Bäumen und Gräsern. Dann lösten auch diese sich wieder auf, verschwammen und wurden schwarz.
 

Ich atmete tief durch und genoss die frische Luft, doch ich traute mich noch immer nicht, die Augen zu öffnen. Aber irgendwann war da dann die Erkenntnis, dass die Vision unwiederbringlich vorbei war.

Die Botschaft hatte mich erreicht, es gab keinen Grund, nach weiteren Ausschau zu halten. Eine Hand berührte mich sanft an der Wange.

„Alice“, flüstere Jasper und ich schlug schließlich doch die Lider auf. Ich sah ihn nur schweigend an, während seine Hand noch immer an meiner Wange ruhte.

„Alles in Ordnung?“, fragte er leise und ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Dann nickte ich schließlich leicht.

Ein Seufzer entfuhr ihm, es war offensichtlich, dass er mir nicht glaubte. Ein Finger strich vorsichtig über meine Haut und ich wartete auf die Frage, die er unweigerlich stellen würde, stellen musste, doch sie kam nicht.

„Wir gehen nach Hause. Schluss für heute mit den Experimenten und keine Widerrede“, fügte er noch hinzu und legte seinen Finger auf meine Lippen. Es war zwecklos etwas anderes zu sagen. Hinzukam, dass mir nicht mehr nach Baseballspielen zu Mute war.

„Soll ich dich tragen?“, fragte er und ich kniff nur, wütend über die Frage, die Augen zusammen.

„Dann nicht“, sagte er und ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören.

Dennoch hielt er mir die Hand hin, um mich auf die Beine zu ziehen, und ich ergriff sie dankbar. Es bereitete mir keinerlei Probleme mich zu halten und zu den anderen zu gehen, die ein wenig Abseits besorgt warteten.

Vampire hatten nicht dieselben Probleme wie Menschen, die nach einem Zusammenbruch erst einmal eine Weile liegen mussten, schließlich war auch nicht mein Kreislauf für den kleinen Aussetzer verantwortlich.
 

Der Regen prasselte noch immer herab und lief mir nun in den Nacken und ich musste feststellen, dass ich noch dreckiger war, als zuvor, da ich genau in eine Schlammpfütze gefallen war. Dann kam mir in den Sinn, dass das Spiel, auf das alle so lange gewartet hatten, nur wegen mir abgebrochen wurde.

Ein Seufzer entfuhr mir und ich lehnte mich an Jaspers Schulter, der einen Arm um mich legte, während wie weitergingen.

„Jetzt habe ich den ganzen Tag kaputt gemacht und es dauert bestimmt noch eine ganze Weile, bis es wieder ein so schönes Gewitter gibt.“

„Red keinen Unsinn. Du kannst nichts dafür, wenn du auf einmal eine Vision hast, die dich so aus den Socken haut. Und wenn die anderen wollen können sie ja noch weiterspielen.“

Ich drehte den Kopf.

„Zu fünft? Das ist eine ungrade Zahl, das ist doch Mist.“

„Vier“, erwiderte er nur, während ich schon wieder meinen Gedanken nachhing.

Ich sah verwirrt auf.

„Was?“ „Zu viert. Du glaubst doch nicht, dass ich dich allein nach Hause laufen lassen, nachdem du mir das erste mal überhaupt so umgekippt bist.“

„Aber das Spiel-“, widersprach ich, doch er zog mich noch näher an sich heran.

„Du bist eindeutig wichtiger“, sagte er, doch die Frage danach, was ich gesehen hatte, stellte er noch immer nicht.

Wollte er es nicht wissen?

Oder wusste er es schon und wollte es einfach nicht wahrhaben? Bis wir bei den anderen waren, schwiegen wir, während ich mir in meinem Kopf eine Antwort zu Recht legte.

Nein, ganz stimmte es nicht.

Vielmehr versuchte ich mir eine Antwort zurechtzulegen. Nur für den Fall, dass ich ihm schließlich doch davon erzählen musste.

„Wir gehen nach Hause, Alice muss sich ein wenig ausruhen“, fing Jasper an, als Emmett uns einen fragenden Blick zuwarf, doch fast gleichzeitig widersprach ich, als ich sagte:

„Es ist alles in Ordnung, wir können weiterspielen.“

Ich sah Emmetts Mundwinkel nach oben schnellen, als er das hörte, doch Carlisles besorgter Blick entging mir nicht.

„Geht es dir gut?“

„Natürlich“, erwiderte ich und log noch nicht einmal. Rein körperlich betrachtet war alles in bester Ordnung, ich hatte noch nie einen Tag erlebt, an dem es mir aufgrund einer Krankheit schlecht gegangen wäre. Es lag einfach nicht in der Natur eines Vampirs krank zu werden. Doch seelisch betrachtet hatte ich schon bessere Tage erlebt.

Aber das war mein Problem und nicht das ihre.

„Wir können weiterspielen“, betonte ich wieder, doch Jasper zog nur eine Augenbraue hoch. Es war offensichtlich, dass er dagegen war, aber es war nicht unsere Art uns vor anderen zu streiten. Es war allgemein nicht unsere Art miteinander zu streiten.

„Ich bin dafür, dass wir jetzt am besten nach Hause gehen“, schlug sich Carlisle allerdings auf seine Seite und auch Emse nickte zustimmend.

„Wir spielen ja schon seit frühmorgens, bestimmt schon sechzehn Stunden. Eine Pause tut uns allen bestimmt mal ganz gut. Alice, du hast doch gesagt, dass das Gewitter noch eine Weile anhalten wird, oder nicht? Dann können wir ja in ein paar Stunden weitermachen.“

Man musste ihr lassen, dass sie es verstand Kompromisse zu schließen und ich gab mich geschlagen. Wir waren zwar alle Vampire und durchaus als Erwachsene zu bezeichnen, aber wir waren auch eine Familie, nicht weniger.

Und in der hatte Carlisle und an seine Seite Esme nun einmal in mancher Hinsicht das

Sagen. Emmett verzog das Gesicht und auch als Rose sich an ihn kuschelte und er einen Arm um sie legte, schien er noch nicht wieder versöhnt.

Ich konnte es nachvollziehen, denn ich wusste, wie sehr er sich darauf gefreut hatte, zwei Tage am Stück Baseballspielen zu können. Als wir unsere Sachen zusammensuchten und ich den Schläger aufhob und einen Ball, der herumlag in die Tasche steckte, murmelte ich ihm leise zu:

„Es tut mir Leid. Wirklich.“

Als Antwort grinste er nur schief, zog mir meine Kappe vom Kopf und strubbelte mir durch die Haare.

„Schon in Ordnung Schwesterherz. Du kannst ja nichts dafür, ich weiß, dass du weitergespielt hättest.“

Er streckte mir eine Hand entgegen und ich reichte ihm den Schläger. Dann hakte ich mich bei ihm unter und wir machten uns auf den Weg nach Hause, wobei ich froh darüber war, dass er nicht wirklich sauer zu sein schien.
 

*
 

Die schlammverschmierten Sachen, die ich auf dem Spielfeld getragen hatte, lagen im Mülleimer. Ich hatte sie direkt entsorgt, als wir nach Hause gekommen waren, denn in meinen Augen waren sie ohnehin zu nichts mehr nütze.

Inzwischen trug ich einen Jogginganzug aus Plüsch.

Eigentlich mochte ich solche Kleidung nicht und war der Meinung, dass man jederzeit das Beste aus sich herausholen sollte, aber in diesem Moment war mir einfach danach. Auch wenn ich es eigentlich nicht nötig hatte, denn auch wenn ich nackt hin und her gelaufen wäre, wäre mir nicht kalt gewesen.

Ich betrachtete mich im Spiegel und musste feststellen, dass er mir der Anzug zu groß war, wie so viele Dinge, weshalb ich die Ärmel ein wenig aufkrempelte. Die Hose ließ ich, wie sie war. Es gefiel mir, wie sie meine Füße verdeckte.

Auf meinem Weg ins Schlafzimmer nahm ich ein Buch aus dem Regel neben der Tür und besorgte mir außerdem ein paar Blatt Papier, sowie einen Füllfederhalter aus Carlisle Büro. Normalerweise betrat ich es nie ohne seine Erlaubnis, aber ich wollte mir nur einen Stift borgen und war mir sicher, dass er nichts dagegen einzuwenden hatte.

All diese Dinge waren vergleichbar einfach, denn zuvor hatte ich schon mit einer Fluggesellschaft telefoniert und mir einen Platz im Flieger reserviert. In zwei Tagen würde ich nach Italien fliegen und ich hasste mich dafür. Ich hatte diese Entscheidung so schnell und hilflos getroffen hatte, ohne die Gelegenheit gehabt zu haben, mit Jasper zu reden.

Aber auch jetzt ging ich nicht zu ihm.

Es gab noch etwas anderes, was erledigt werden musste.

Ich zog mich in das Zimmer von mir und Jasper zurück.

Vorsichtig ließ ich die Tür ins Schloss fallen. Ich verzichtete darauf abzuschließen und vertraute darauf, dass Jasper spürte, dass ich ein wenig Zeit für mich brauchte und er diesen Wunsch für ein oder zwei Stunden akzeptierte.

Dann schlurfte ich in meiner viel zu langen Hose zum Bett und ließ mich erschöpft darauf nieder. Schlafen konnte ich zwar nicht, aber ich hatte immer darauf bestanden ein Bett zu haben, denn es gab nichts schöneres, als in unzähligen Kissen zu versinken und sich vor seinen Sorgen darin zu verstecken.

Doch schnell spürte ich, dass es diesmal nicht funktionierte. Es war einfach zu viel, was auf meine Seele lastete, so dass ich es nicht ignorieren konnte. Ein Seufzen entfuhr mir, als ich zurück an die Vision dachte.

Die Person, die zwischen den Bäumen hervorgetreten war, hatte ich nicht genau erkennen können, sie war zu verschwommen gewesen. Doch ich wusste ohne Zweifel, wer es war und was er wollte.

Aro.

Er hatte nach mir gerufen.

Über hundert Jahre hatte es gedauert, bis er sich regte, über hundert Jahre hatte ich weitergelebt, als wäre nichts gewesen. Viel mehr hatte ich gelernt zu leben, hatte einen Teil meines alten Ichs wieder gefunden und jetzt war es so weit.
 

Den Ort, den ich gesehen hatte, kannte ich.

Er war nicht sehr weit entfernt von Volterra, hundert, vielleicht einhundertfünfzig Kilometer. Als ich voller Wut und Hass über Edwards Tod das erste mal dorthin geflogen war, um Aro zu stellen, hatte ich mich dort in der Nähe versteckt gehalten.

Und jetzt würde es dort zu Ende gehen, für ihn oder für mich.

Ich wälzte mich auf den Bauch und vergrub das Gesicht in den Kissen.

Ich würde gehen, es stand für mich unweigerlich fest, dass ich gehen würde. Eine Stimme in mir machte seit mehr als hundert Jahren deutlich, dass es für mich keinen anderen Weg gab. Doch jetzt, da es so weit war, wusste ich nicht, wie ich es ihnen erzählen sollte.

Wie ich es Jasper erzählen sollte.

Und wie ich von ihm verlangen sollte, mir zu verziehen, dass ich jetzt einfach ging und vielleicht nie wieder zurückkam. Das Papier neben mir knitterte, als ich mich wieder bewegte und ich setzte mich auf.

Im Schneidersitz machte ich es mir bequem, nutze das Buch als Unterlage und starrte auf das weiße Papier, während ich in der anderen Hand einen Füller hielt. Für den Fall, das ich nicht wiederkommen würde gab es so vieles, was gesagt werden musste, so vieles was in Worte gefasst und niedergeschrieben werden musste.

Doch wo sollte ich anfangen, wo sollte ich aufhören?

Wie sollte ich diese unbeschreiblichen Gefühle in mir, die ich für Jasper empfand in Worte kleiden, ohne durch ihre Schlichtheit die Liebe in mir zu ihm zu beleidigen?

Beinahe hätte ich angefangen auf meinem Stift herumzukaufen, doch mir fiel rechtzeitig ein, dass es keine gute Idee war, wenn ich ihn nicht zerstören wollte.

Schließlich, nach einer Ewigkeit, setzte ich die Spitze des Füllers auf das Blatt und begann zu schreiben.

Ich schrieb alles auf, was mich bewegte, was ich erzählen wollte, alles, was ich erklären wollte und versuchte Jasper verzweifelt deutlich zu machen, wie sehr ich ihn liebte. Außerdem gab ich mir Mühe ihm begreiflich zu machen, dass ich nicht ging, um zu sterben und dass ich auch nicht mehr gehen würde, um zu rächen.

Nach so vielen Jahren, war ich endlich in der Lage einzusehen, dass man manchmal friedlich sein sollte, auch wenn einem nicht danach war.

Manchmal konnte auch nicht rächen eine Rache sein.

Aber ich wusste, dass Aro mich niemals in Ruhe lassen würde.

Er würde mich verfolgen, weil ich ihm gedroht hatte, er würde mich verfolgen, um mich zu ärgern, um mit ihr zu spielen und er würde bis an das Ende seine Existenz alles geben, um mich zu einem Teil seiner Garde zu machen.

Er würde sich nicht ändern, er konnte sich schlichtweg nicht ändern.

Er hatte es in den letzten tausend Jahren nicht geschafft hinzuzulernen und er würde mir gewiss nicht den Gefallen tun, sich für mich anders zu verhalten, als er es seit Anbeginn der Zeiten tat.

Ich würde zu ihm gehen, um für mein Leben zu kämpfen, denn unser Naturell erlaubte es uns nicht, gleichzeitig zu existieren. Er würde mir auf Ewig das Leben zur Hölle machen und ich war nicht bereit mir das gefallen zu lassen. Ich hatte etwas Besseres verdient. Jasper hatte etwas Besseres verdient.
 

Ich konnte nicht genau sagen, wie lange ich an diesem Brief saß, aber ich weiß, dass ich noch nie so viel Zeit für ein Schriftstück aufgebracht habe.

Auch war mir noch nie zuvor eines so wichtig gewesen.

Als ich schließlich fertig war, war ich unzufrieden, hatte das Gefühl, dass der Brief nicht ansatzweise an das herankam, was in mir vorging. Aber ich entschied mich gegen die Idee noch einmal von vorne anzufangen.

Es würde auch beim zweiten oder dritten Versuch nicht besser werden.

Ich streckte mich zur Seite, öffnete eine Schublade meines Nachtschränkchens und zog einen Briefumschlag hervor. Die beschriebenen Seiten faltete ich vorsichtig und verstaute sie darin. Anschließend versiegelte ich den Brief und schrieb klein, aber ordentlich ‚Jasper’ auf die Rückseite. Ich wollte nicht, dass er den Brief las, wenn ich ginge.

Ich wollte nur, dass er ihn las, falls ich nicht wiederkam.

Ich betrachtete den Umschlag, als es leise an der Tür klopfte. Ich schaute auf und kurz darauf öffnete sie sich.

Jasper lugte durch den Spalt und als ich ihm ein schwaches Lächeln schenkte, trat er ein. Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich und ließ den Brief, den ich geschrieben hatte, unauffällig zwischen die Seiten des Buches gleiten und legte beides auf den Nachttisch.

Dann schaute ich wieder zu ihm. Er kam nicht näher, sondern lehnte sich an die Wand.

„Alles in Ordnung?“

„Ja“, sagte ich. Er schwieg kurz, dann fuhr er fort:

„Ich habe gespürt, dass du in den letzten Stunden ziemlich durcheinander warst. Du hast viel nachgedacht und dich mit vielen Dingen auseinander gesetzt.“

Es war keine Frage.

Es kannte mich zu gut, wahrscheinlich wusste er ziemlich genau, was ich getan hatte, denn meine Gefühle waren ihm so gut vertraut, dass er sie in manchen Situationen so gut lesen konnte, wie Edward meine Gedanken.

Wieder schwiegen wir beide, dann fragte ich:

„Willst du gar nicht wissen, was ich gesehen habe?“, ich schaute ihn nicht an, während ich das fragte und hörte nur, wie er sagte:

„Wenn du es mir erzählen möchtest.“

„Du weißt es doch schon längst“, flüsterte ich erstickt und betrachtete die Kissen. Ich hörte ihn näher kommen und schließlich ließ auch er sich elegant auf dem Bett nieder.

Er fasste mein Kinn und zwang mich sanft ihn anzusehen.

„Du musst das nicht tun“, flüsterte er und schaute mich mit ernsten Augen an.

„Doch, ich muss. Das weißt du.“

Mehr konnte ich nicht sagen. Früher hatten wir ständig über dieses Thema geredet, darüber diskutiert und gestritten, denn es war das erste Mal, dass wir uns so uneinig waren. Aber irgendwann war das Thema in den Hintergrund gefallen, denn es rückte immer weiter weg. Ich hatte regelmäßig mit Emmett geübt und auch mit Jasper.

Ich war gut im Kampf geworden, viel besser, als ich es mir jemals zugetraut hätte.

Aber mit der Zeit war auch der Grund für diese Trainingskämpfe in den Hintergrund gerückt, sie waren nur noch zum Spaß veranstaltet worden. Und jetzt waren wir wieder mit dem alten Problem konfrontiert, mit dem alten Streit.

„Würdest du hier bleiben, wenn ich dich bitten würde, es mir zuliebe zu tun?“, wollte er schließlich wissen und in mir rumorte es.

Was sollte ich tun? Dieses Gefühl der Zerrissenheit, war das schrecklichste, was ich je hatte empfinden müssen. Stufte ich mein Verlangen nach einem ruhigen Leben, mein Verlangen nach Rache und mein Verlangen danach wieder vollkommen ich selbst zu sein, höher ein, als meine Liebe zu Jasper?

Wie sollte ich ihm jemals wieder in die Augen schauen können, wenn diese Frage irgendwann mit Ja beantwortet werden würde? Ich hob die Hand und ließ meinen Finger langsam an seinem Hals herabwandern.

„Würdest du mich darum bitten, wenn du wüsstest, dass ich die Entscheidung auf ewig bereuen würde, egal für welchen Weg ich mich entscheiden würde? Es würde mich viel mehr Schmerzen eine solche Bitte voll Liebe abzuschlagen, als einfach gegen deinen Willen zu gehen und für unsere Freiheit zu kämpfen.“

Mein Finger wanderte immer weiter hinab und schließlich ließ ich mich einfach gegen ihn sinken, vergrub mein Gesicht an seinem Hals, in dem Pullover, den er trug, und suchte mit meinen Händen verzweifelt nach Halt.

That's the reason. So easy.

15.
 

That’s the reason. So easy.
 

Alles war bunt.

Viel bunter, als sonst. Zumindest glaubte ich das. Ich hatte das Gefühl, als wollten die Farben mich erschlagen. Als wollten sie mir noch ein allerletztes Mal zeigen, wie wunderschön sie waren. Ich nahm es viel intensiver wahr, als zuvor. Mir war bewusst, dass ich vielleicht schon bald nicht mehr die Möglichkeit haben würde, mich an dieser einzigartigen, farbenfrohen Schönheit zu ergötzen.

Meine Schritte setzte ich langsam und ganz gezielt, so dass ich möglichst wenig von dem weichen Waldboden, der gerade erst begann, sich vom Winter zu erholen, zerstörte. Seltsamer Weise wurde ich gerade in diesem Augenblick von einem unglaublichen Friedensbedürfnis durchströmt. Alles sollte gut werden, so schön, wie es vorher gewesen war. Als ich gerade wieder angefangen hatte zu leben und zu genießen und meine Tage nicht mehr von Trauer und nicht geweinten Tränen gefüllt wurden.

Ich strich mir durch die Haare, doch die widerspenstige Locke, die sich oberhalb meines linken Auges befand, schlich sich immer wieder zurück in mein Gesicht. Normalerweise bändigte ich sie mit einer ganzen Menge Haarspray, aber ich war schon seit drei Tagen unterwegs und hatte keines mitgenommen. Ich hatte allgemein ziemlich wenig Gepäck, für meine Verhältnisse. Nur das, was ich am Leibe trug. Und ein paar Kleinigkeiten. Erinnerungsstücke, die mir ein bisschen Mut geben sollten, ein bisschen Kraft.

Und einen Glücksbringer.

Ein dünnes Armband.

Es war aus Wolle gefertigt und so Leid mir es tat, sonderlich hübsch war es nicht. Die Farben passten nicht wirklich zueinander und es war schlecht geflochten. Aber so war Bella halt immer gewesen. Alles, was in irgendeiner Art und Weise mit Geschicklichkeit zusammenhing, war einfach nicht ihr Ding gewesen. Ganz bekümmert hatte sie es mir nach der Textilstunde gezeigt und ich hatte überschwänglich behauptet, wie wunderschön es war. Denn ich hatte immer nur eins gewollt.

Alle glücklich machen.

Dann hatte ich es ihr abgenommen und verkündet, ich würde es tragen, sobald sich eine Gelegenheit bot. Aber dann hatte ich es vergessen, verloren, was auch immer geschehen war. Keiner von uns beiden hatte einen weiteren Gedanken daran verschwendet. Bis ich es dann wieder gefunden hatte, als wir vor kurzem in unserem Haus in Forks waren.

Unter meinem Bett hat es gelegen und auch wenn ich mir bis jetzt nicht erklären konnte, wie es dorthin gekommen war, war ich doch froh darüber, dass Jasper es durch Zufall gefunden hatte.

„Ich hab es ja versprochen Bella. Bei einer passenden Gelegenheit, werde ich es tragen. Es tut mir Leid, dass ich dich solange hab warten lassen“, flüsterte ich leise und strich mit den Fingern über die leicht ausgefranste Wolle, die dem ganzen einen noch seltsameren Anblick verliehen.

Dann richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Umgebung. Es konnte nicht mehr weit sein. Zwei, vielleicht auch drei Meilen, dann war es soweit. Ein Teil von mir konnte es kaum erwarten, ein anderer, der ängstliche, der nicht so siegesgewiss war, drängte danach einfach wieder umzukehren. Doch ich hörte nicht auf ihn, ich ging weiter, auch wenn ich mich nach den anderen sehnte, auch wenn ich mich nach Sicherheit und nach Jaspers Armen sehnte. Um gewinnen zu können, musste man nun einmal auch riskieren und jetzt war es ohnehin zu spät, um irgendetwas zu ändern.

Meine Finger strichen über die Äste, die sich mir entgegenstreckten. Jede einzelne Unebenheit spürte ich. Nichts entging mir und ich hätte den gesamten Weg, den ich so ertastete bis ins letzte Detail beschreiben können, wenn man mich danach gefragt hätte. Aber mich fragte niemand danach, als ich schließlich an der Stelle ankam, die ich in meiner Vision gesehen hatte.

Sie war verlassen, ich war alleine.

Dennoch war ich mir sicher, dass er kommen würde. Ich wusste nicht genau wann, vielleicht dauerte es auch noch einen Tag, aber er würde kommen. Ansonsten hätte er mich nicht gerufen. Oder war er vielleicht doch so böse, dass er mich aus Spaß hier hergeholt hatte? Einfach aus der Freude daran, mich leiden und treu kommen zu sehen?

Nein, daran wollte ich nicht glauben.

Diese Sache zwischen ihm und mir, das war einfach zu ernst für einen solch geschmacklosen Streich. Und irgendetwas sagte mir, dass er das genau so sah, wie ich.

Ich ging weiter in die Mitte der kleinen Lichtung und ließ mich dort einfach auf dem Boden nieder. Ich würde warten, so lange, wie ich halt warten musste. Die Augen schließend konzentrierte ich mich auf die Geräusche um mich herum. Sogar das Meer konnte ich hören, denn ich wusste, dass es nicht weit entfernt war. Schließlich war Italien umgeben von Wasser. Dann hörte ich einen Vogel, einen der ersten seit ich in diesem Land angekommen war. Warum es so lange gedauert hat, weiß ich nicht. Vielleicht sind sie geflohen von diesem Ort. Wissend, dass er in ein paar Stunden für eine Weile der gefährlichste der Welt sein wird. Denn es gibt es nichts schlimmeres, als wenn Vampire Krieg führen, das hat Carlisle mir einmal gesagt. Sie spüren so viel, diese Tiere, warum nicht auch so etwas? Wieso sollten sie nicht fliehen vor dem, was geschehen wird? Vor der Wut, Rache und Grausamkeit, die hier bald freigesetzt werden wird.

Es ist ihr Recht und eine gute Entscheidung zu fliehen. Denn wenn der Kampf lange dauern sollte, dann würden wir Kräfte benötigen und auch wenn mir der Gedanke nicht behagte, so war mir doch klar, dass auch ich in einer solchen Situation rücksichtslos jedes Tier in meiner Umgebung töten würde, um an sein Blut zu kommen. Um seine Kraft in mich aufzusaugen und gegen Aro zu verwenden.

Ich wusste nicht, wie lange ich dort saß, als ich schließlich das Gefühl hatte, nicht mehr alleine zu sein. Es kann eine Stunde gewesen sein, aber auch ein Tag, oder eine Woche. Mein Zeitgefühl war völlig verschwunden. Aber was bedeutete Zeit schon in einem Leben wie meinem? Ich hielt die Augen geschlossen und erst als das Gefühl immer stärker wurde, öffnete ich sie.

Da war nichts, rein gar nichts.

Die Lichtung war verlassen.

Keine Vögel, keine Rehe, rein gar nichts konnte ich riechen.

Aber mein Gefühl täuschte mich selten. Ich spürte, wie eine Vision mich zu überwältigen drohte, doch ich hielt die Augen starr geöffnet und unterdrückte sie. Nicht immer, aber manchmal schaffte ich es, eine Vision einfach abzuweisen. Früher hatte ich es häufig geübt in der Hoffnung mehr Kontrolle über meine so unberechenbare Fähigkeit zu erlangen. Aber in den Jahren, auf denen ich auf diesen Augenblick gewartet habe, hatte ich es nicht gewagt. Zu groß war die Angst gewesen, diese eine, ganz entscheidende Vision abzuweisen und Aros Ruf nicht zu hören. Dementsprechend fiel es mir jetzt schwer, aber ich konzentrierte mich auf meine Umgebung, auf das, was real war und schaffte es schließlich doch.

Wie ein Nebel verschwand der Faden von Bildern aus meinem Kopf und zog sich zurück.

Ich schenkte ihm keine Aufmerksamkeit mehr, sondern widmete mich wieder den bunten Farben um mich herum und dann kam er. Genau so, wie ich es vorhergesehen hatte in meiner Vision beim Baseballspiel.

Er trat zwischen den Bäumen hervor und es war so, als würde er aus den Farben heraus geboren werden, als würde er aus ihnen bestehen. Es war hell um uns herum und die einzelnen Sonnenstrahlen, die hinab auf die Lichtung schienen ließen ihn glitzern. Ließen ihn so unglaublich gefährlich und erfahren aussehen, wie nur ein Jahrtausende alter Vampir es konnte. Nur wenige Schritte von mir entfernt blieb er stehen und schaute auf mich hinunter, da ich noch immer im Schneidersitz auf dem Boden saß und auch nicht vorhatte aufzustehen. Es würde noch ein paar Minuten dauern, bis es soweit war.

Ich spürte, dass er reden wollte, dass er noch ein paar letzte Worte an mich loswerden wollte. „Alice“, sagte er nur und um die Tradition zu waren, blinzelte ich freundlich und begrüßte ihn ebenfalls:

„Aro.“

„Es freut mich, dass du hergefunden hast. Kurzzeitig hatte ich bedenken, dass du den Ort vielleicht nicht finden würdest. Ich kann einfach nicht genau abschätzen, wie viel deine Visionen dir zeigen.“

Er lächelte trocken, als er so schnell auf dieses Thema zu sprechen kam.

Auf meine Fähigkeit, um die er mich so beneidete.

„Ich hatte keine Probleme“, erwiderte ich nur, noch immer auf dem Boden sitzend, um ihm nicht allzu viel darüber zu verraten. Wenn er mich töten würde, dann würde ich wenigstens so wenig wie nötig vorher ausplaudern, egal worum es ging. Obwohl es wahrscheinlich sinnlos war, denn schon beim ersten Hautkotakt würde er alles wissen, was er zu wissen begehrte. Dennoch würde ich ihm nichts sagen.

Gedanken auszusprechen war etwas gänzlich anderes, als wenn sie einem direkt aus dem Kopf gestohlen wurden.

„Das freut mich. Und es tut mir auch Leid, dass ich dich habe warten lassen. Meine Brüder hatten ein Auge auf mich.“

„Ich hoffe wir sind ungestört“, sagte ich nur und meinte es vollkommen ernst. Wenn jemand aus der Garde herkommen würde, würde er mich töten, auch wenn Aro gegen den Befehl seiner Brüder mich angegriffen hatte. Eines der obersten Gesetze war es, den König zu schützen.

Mein Leben war dabei nicht wichtig, es würde ohne weiteres geopfert werden, auch wenn ich unschuldig war. Aber von der Garde umgebracht zu werden, wäre etwas anderes, als von Aro getötet zu werden.

Es war unser Kampf, ansonsten hatte sich niemand darin einzumischen.

„Natürlich“, entgegnete er nur freundlich, doch dann wurde sein Gesicht traurig. Ich wusste, dass es gespielt war. Aro kannte Gefühle wie Trauer nicht. Nur Hass, Machtgier und Schadenfreude waren ihm vertraut. Dennoch musste ich mir eingestehen, dass er seine Rolle gut spielte. Würde ich ihn nicht kennen, hätte ich es ihm abgenommen.

„Es muss nicht so enden, Alice. Du weißt, dass es einen anderen Weg gibt. Einen Weg der viel sinnvoller und sicherer wäre. Für dich und deine Familie.“

Sicherer.

Ja, das wäre er mit Sicherheit.

Aber mehr auch nicht.

Außerdem würde Jasper nicht aufgeben, ich wusste es. Wenn ich mich der Volturigarde anschließen würde, würde er alles dafür geben, mich zu befreien oder ihr ebenfalls beitreten. Aber das wollte ich nicht. Das konnte ich nicht zulassen, denn es widersprach schlichtweg allem, was wir je von Carlisle gelernt hatten. Und das, was er mir als Vater beigebracht war immer mein einziger Anhaltspunkt gewesen, was mein Verhalten betraf. Ich wollte, dass es so blieb, deshalb schüttelte ich den Kopf und flüsterte:

„Nein, Aro. Es gibt keinen anderen Weg. Nicht für mich. Genauso wenig wie es einen für Edward gab.“

„Es wäre eine Verschwendung“, widersprach er direkt und widerte mich einfach nur an, mit dem, was er sagte. Für ihn zählten nur die Fähigkeiten, die Persönlichkeiten die sich dahinter verbargen waren ihm völlig egal.

„Ja, wahrscheinlich“, stimmte ich deshalb zu und schwang mich auf die Beine, um ihm in die Augen zu sehen. Dann fügte ich hinzu: „Die ganz allein du zu verantworten hättest.“

Sein Gesicht regte sich nicht, es war eine Maske, eine steinerne Maske, die er sich in ewiger Übung angeeignet hatte. Und nichts, rein gar nicht vermochte sie zu erschüttern.

Ob es wohl etwas gab, was ihm wirklich wichtig war, etwas, das ihm am Herzen lag? Etwas anderes als Macht und Prestige, sondern vielleicht eine Person.

Konnte Aro lieben, so wie ich Jasper liebte und Edward Bella geliebt hatte?

War er überhaupt in der Lage solche Gefühle zu haben?

Die Fragen drängten sich mir mit einem Male auf, obwohl ich vorher nie darüber nachgedacht hatte. Wenn es nämlich nicht so war, wenn Aro keine Ahnung davon hatte, was auch ein Vampir empfinden kann, dann würde es seine Schuld zwar nicht mindern, aber es würde es einfacher machen zu verstehen, was er tat.

„Die Verantwortung liegt bei euch, Alice. Niemand sonst hat mit daran zu tragen. Es ist eure Pflicht euren Königen zu dienen. Wenn ihr euch weigert, dann müsst ihr bestraft werden.“ Mein Inneres zog sich zusammen.

In Situationen wie diesen, in denen ich mich mit meinem größter Kummer auseinander setzten musste, fühlte ich mich seltsam. Manchmal glaube ich, dass ich mich dann fast wie ein Mensch fühle, auch wenn ich mich nicht daran erinnere, wie es ist, einer zu sein. A

ber vielleicht ist mir das ja geblieben. Diese Fähigkeit in größter Verzweiflung von menschlichem Kummer heimgesucht zu werden.

„Du hast uns genug betraft, Aro. Du hast unsere Familie auseinander gerissen, du hast sie zerstört. Und du hast es nicht getan, weil wir uns geweigert haben deiner Garde beizutreten. Du hast es getan, weil du Angst hattest. Carlisle ist beliebt, unsere Familie war etwas Besonderes. Du hingegen bist einfach nur grausam und machthungrig.“

Ich atme schnell, ich hatte so ein Bedürfnis nach Luft, auch wenn ich gar keinen Sauerstoff brauchte, dass ich es kaum erklären konnte. Aber es half mir dabei, mich zu beruhigen, denn ich spürte, wie die Flut der Erinnerung über mich zu kommen drohte. Ich wandte den Blick nicht von Aro ab und erkannte, dass seine Maske zu fallen drohte, dass ich seinen wunden Punkt getroffen und ihn wütend gemacht hatte.

Und mit einem Mal erkannte ich es. Konnte das, was in seinen Augen stand, lesen. Erschrocken stolperte ich zurück.

„Du hattest nicht einfach nur Angst“, flüsterte ich schließlich erstaunt. Warum hatte ich es nicht schon viel früher durchschaut? Ich hatte eine Gabe, die es mir erlaubt mehr zu sehen, als alle anderen, aber dennoch habe ich wieder versagt und Aros wahre Beweggründe waren mit jahrzehntelang verborgen geblieben. Edward war besorgt um Bella gewesen, hatte in ihm nur das Monster gesehen. Carlisle war geblendet von seiner alten Freundschaft zu den Volturi, aber ich hatte keine Entschuldigung!

„Du-“, fing ich wieder an, musste aber abbrechen, weil ich es noch immer nicht glauben wollte. Er war kein gefühlsloses Monster. Im Gegenteil.

„Du warst eifersüchtig“, stieß ich schließlich hervor und schüttelte den Kopf. „Das ist der Grund für alles. So einfach. Du wolltest uns nicht nur in der Garde haben, um sie zu stärken, sondern um sich unserer Fähigkeiten zu bedienen, die du nie haben würdest. Und du hast unsere Familie nicht aus Angst zerstört. Du hast sie auseinander gerissen, weil Carlisle und wir alles hatten, wonach es dich seit Jahrhunderten verlangt. Vertrauen, Liebe, Zuneigung, Freundschaft. Du hast danach gesucht und es nie gefunden. Und dann kam Carlisle, hat eine Weile bei euch gelebt und hat sich nicht von deinen Brüdern beeinflussen lassen. Er hat das gelebt, was er leben wollte und das hast du nie geschafft. Er hat das bekommen, was du dir immer erträumt hast und du warst bis zum Schluss nicht stark genug es ihm zu gönnen.“ Fassungslos machte ich noch einen Schritt nach hinten, um mich von ihm zu entfernen.

Es machte alles einen Sinn, es war so logisch und keiner von uns war in der Lage gewesen es zu erkennen.

Aber hätte es etwas geändert?

Hätten wir anders gehandelt, wenn wir gewusst hätten, dass Aro nicht nur neidisch auf seine Fähigkeiten, sondern auf seine Liebe war?

Hätten wir Bella retten können, wenn uns klar gewesen wäre, dass er sie auf seine ganz eigene Art und Weise gehasst hat, weil sie Edward geliebt, sogar vergöttert hat und das sogar über die Grenzen des Vampirsein hinweg?

Und dann wurde mir noch etwas klar.
 

Etwas, was viel schlimmer war, als alles andere.
 

„Du hast es mit Absicht getan“, platze ich heraus und der Blick, der mich durchbohrte, wurde immer intensiver. Immer bösartiger.

„Ich dachte immer, dass du die Ehre haben wolltest, sie zu verwandeln und einfach nicht geschafft hast aufzuhören! Aber du hast es mit Absicht getan. Du hast sie getötet, weil sie Edward geliebt hat und zwar Edward als Person, nicht als Vampir. Du hast sie getötet, weil sie Edward etwas gegeben hat, was du nie bekommen hast!“

In diesem Moment sprang er.

Er sprang so schnell, dass ich es gar nicht sah. Ich registrierte es erst, als er gegen mich prallte. Die Wucht warf mich zu Boden, denn ich war kleiner als er und überrascht.

Ich hatte ihm rein gar nichts entgegen zu setzten, in dieser unglaublichen Wut, die er schon so lange in sich trug und die ich nun entfacht hatte. Ich schlug auf dem Boden auf, doch es war harmlos.

Was einem Menschen vielleicht den Rücken schwer verletzt hätte, war für mich nur eine Kleinigkeit, doch mir war bewusst, dass ich Glück gehabt hatte. In einem Bruchteil von Sekunden reagierte ich und zog, während ich fiel, intuitiv die Beine zwischen mich und Aro, und stieß ihn mit aller Kraft von mir. Sein Angriff war keine Herausforderung gewesen, ich hatte mir viel Schlimmeres ausgemalt, doch als er kurz darauf wieder auf beiden Beinen stand, erkannte ich, dass er anfing nachzudenken.

In seiner unkontrollierten Wut hatte er mich einfach angegriffen, er hatte mich einfach töten wollen. Doch jetzt hielt er sich zurück, ich sah ihm an, wie er anfing seine Angriffe zu planen und das Bewusstsein durchströmte mich, dass es begonnen hatte.

Der Kampf, der seit Jahren auf mich wartete, hatte angefangen. Und es war unumkehrbar, denn egal was ich nun sagte, es würde nichts mehr ändern. Rein gar nichts.

Ich tat einen Schritt nach hinten, dann kniff ich leicht die Augen zusammen und konzentrierte mich. Ich fixierte alle meine Gedanken auf Aro und konnte jede Entscheidung sehen, die er traf.

Als er mich wieder angriff, konnte ich ihm erneut ohne Probleme ausweichen, denn egal was er zu tun beabsichtigte, ein paar Sekunden vor dem eigentlichen Angriff, wusste ich, was er vorhatte und konnte mich darauf vorbereiten. Oft hatte ich Jasper stundenlang hingehalten und war auch Emmett eine Ewigkeit immer wieder aus dem Weg gehüpft, aber das würde mich in dieser Situation nicht weiterhelfen.

Ich musste nicht ausweichen, ich musste siegen.

Obwohl mein Verstand mir das immer wieder einredete, hielt ich an meiner Taktik fest. Ich wich ihm aus, vermied es, ihm zu Nahe zu kommen und konzentrierte mich darauf, so häufig wie möglich ein und auszuatmen. Es hatte eine beruhigende Wirkung auf mich und half mir, andere Gedanken aus meinem Kopf zu verbanne.

Ich sah, wie er auf die Bäume springen und mir von hinten in den Nacken falle wollte, doch ich war schneller, kam ihm zu vor und sprang auf die Äste. Geschickt kletterte ich durch einen Baum und ließ mich nur wenig später auf der anderen Seite hinter Aro wieder hinunter gleiten. Er wirbelte herum und ich bemerkte, dass er sich keine Strategie mehr zu Recht legte. Er rannte einfach mit aller Kraft auf mich zu, handelte willkürlich und instinktiv.

In letzter Sekunde wich ich ihm erneut aus, doch er bekam mich noch zu packen und mitsamt meinem Arm wurde ich nach hinten gerissen. Ich bäumte mich auf, musste aber schnell einsehen, dass ich seiner körperlichen Stärke nichts entgegen zu setzten hatte.

Doch er tötete mich nicht, rannte einfach weiter, schleifte mich halb hinter sich her, so blind war er in seiner Wut. Verzweifelt versuchte ich Schritt zu halten und nutze den Schwung schließlich um mich abzudrücken.

Ich sprang in die Luft und rammte ihm meine Knie in den Rücken. Aus dem Gleichgewicht gebracht stolperte er kurz und den Moment, den er brauchte, um sich erneut zu fangen, nutze ich, um mich loszureißen.

Sofort suchten seine stechend roten Augen nach mir und nahmen die Verfolgung auf, als er mich hundert Meter von ihm entfernt entdeckte. Seine Zähne waren gefletscht, sein Blick war verrückt. Er hatte dem Monster in sich freien Lauf gelassen und konnte sich selbst nicht mehr kontrollieren.

Selbst wenn er in diesem Moment entschieden hätte mich zu verschonen, wäre er nicht dazu in der Lage gewesen.

Ich rannte weiter.

Ich rannte einfach nur vor ihm weg, während ich fieberhaft nach einem Weg suchte, ihn zu besiegen. Doch mir fiel keiner ein. Immer war ich davon ausgegangen, dass es ein Kampf werden würde von Vampir zu Vampir. Aber nicht hatte ich mit einer Jagd gerechnet, in der Aro die Kontrolle über sich selbst verlor.

Ich versuchte zu sehen, was seine Absicht war, doch das einzige, was in seinem Kopf widerhallte, war der besessene Gedanke daran, mich zu töten.

Immer wieder, ohne Pause.

Er war besessen und rannte einfach nur hinter mir her und mir wurde klar, dass ich nur eine Chance hatte. Ich musste ihn überraschen. Es war ein verzweifelter Versuch, doch meine einzige Möglichkeit, denn irgendwann würde mich einholen. Meine Augen verengten sich wieder und kurz wanderten meine Gedanken zu Jasper.

Ich wollte noch ein letztes Mal sein Bild vor Augen haben, nur für den Fall, dass ich mich falsch entschied. Viel lieber wollte ich ihn noch ein letztes Mal in Armen halten, ihn an mich drücken und ihm ins Ohr flüstern, dass er alles für mich war, aber ich gab mich keiner Hoffnung hin.

Ich hatte ein dringenderes Problem, dass mit einer unglaublichen Geschwindigkeit dabei war aufzuholen.

Ich liebe dich Jasper.

Ich hoffte verzweifelt, dass er es auf irgendeine Art und Weise hören würde, dann bremste ich ab und blieb abrupt stehen. Wie erwartet verstand Aro nicht, was ich tat. Er versuchte ebenfalls zu bremsen, doch er kam nicht so schnell zum Stillstand wie ich. Während er an mir vorbei rannte, streckte er wieder die Arme nach mir aus und bleckte seine Zähne. Doch ich wich ihm aus und sprang auf ihn zu. Er sah meinen Angriff kommen, doch er drehte sich nicht schnell genug. Mit aller Kraft die ich aufbringen konnte, prallte ich gegen ihn, aber er fiel nicht.

Stattdessen knallte er gegen einen Baum. So fest, dass der Stamm wackelte. Er schüttelte sich und zögerte keine Sekunde den Angriff zu erwidern, aber ich drückte mich ab, sprang über ihn hinweg und griff ihn erneut von hinten an. Ich schaffte es, mich an seinem Hals festzuhalten, zog mich an ihn heran und versenkte meine Zähne in seinem Nacken. Ich konnte spüre, wie er immer mehr seiner Raserei verfiel. Er drehte sich im Kreis, denn ihm war bewusst, dass er mich nicht einfach loswerden würde, da ich mich wie an Affe an seinen Rücken klammerte. Er drehte sich immer schneller, während ich meine Zähne immer tiefer in seiner faltigen Haut versenkte und versuchte meine Hände so zu platzieren, dass ich ihm das Genick brechen konnte.

Doch bevor er mir gelang, drehte er sich so schnell um sich selbst, dass ich von ihm geschleudert wurde. Ich hatte einfach nicht genug Halt gehabt und spürte, wie ich durch die Luft flog. Erst ein Baumstamm hielt mich auf, als ich mit voller Wucht gegen ihn knallte. Ich gönnte mir keine Sekunde Ruhe, zog mich an einem Ast hoch, doch dieses Mal schaffte ich es nicht, Aros erneutem Angriff völlig auszuweichen. Wieder erwischte er mich am Arm und Sekunden später spürte ich, wie er zubiss.

Schmerz fuhr durch mich hindurch, als er seine giftigen Zähne brutal in meinen kleinen dünnen Arm rammte und ich wusste, dass ich mich nicht würde befreien können. Mit aller Kraft zog er mich näher zu sich und obwohl ich mich wehrte, hatte ich ihm nichts entgegen zu setzten. Ich ermahnte mich zu atmen, als sein Griff noch fest wurde. Verzweifelt versuchte ich meine Konzentration wider zu finden und rammte ihm meine Schulter ins Gesicht. Schmerz durchzuckte mich, als sein Kopf zu Seite geschleudert und seine Zähne mit einem widerlichen Geräusch aus meinem Arm gezogen wurden.

Dennoch zögerte ich keine Sekunde, sprang in die Luft und hielt mich dort an einem Art fest. Kurz darauf ließ ich mich wieder fallen, landete hinter Aro und schaffte es erneut auf seinen Rücken aufzuspringen. Es war die einzige Möglichkeit für mich zu gewinnen, denn wenn ich ihn von vorne angriff, bot ich ihm damit zu viel Angriffsfläche.

Ich beugte mich nach vorne, klammerte meine Hände fester um seinen Hals, da ich wusste, dass er mich auf die selbe Art und Weise abschüttelten wollte, wie zuvor. Ich schlang ihm die Beine um den Bauch und drückte sie so fest es ging zusammen, um Halt zu finden, als er anfing sich zu drehen.

Aber ich verzichtete darauf ihn zu beißen.

Es würde ihn nur in zusätzliche Raserei versetzten.

Er drehte sich, immer schneller und der Sog, der mich von ihm wegzog, wurde immer stärker. Doch ich widersetzte mich und war nicht bereit aufzugeben. Sobald ich losließ, hatte ich verloren. Immer wieder hämmerte ich mir den Gedanken in den Kopf und schloss die Augen, um zu warten, bis er aufgab.

Es dauerte.

Es dauerte lange.

Unermüdlich drehte er sich in einem atemberaubenden Tempo.

Schneller als Emmett und Jasper es jemals gekonnt hätten. Trotzdem schaffte ich es, mich festzuhalten und nicht aufzugeben. Ich klammerte und versuchte zu vergessen, wo ich war. Ich konnte nicht sagen, wie lange es so ging, aber schließlich war es nicht das Drehen, das mich aus dem Konzept brachte, sondern das abrupte Abbremsen. Mit einem Mal hielt Aro inne und noch während ich dabei war zu registrieren, was geschehen war, verfluchte ich mich selbst dafür, dass ich die Konzentration verloren und nicht mit so etwas gerechnet hatte. Innerhalb von Sekunden spielte ich so viele Varianten im Kopf durch, wie mir einfielen, bis ich bemerkte, dass Aro nicht meinetwegen angehalten hatte. Er starrte nach vorne in den Wald, während er sich um mich nicht zu kümmern schien.

„Unfair“, hörte ich ihn dann murmeln. Ich wusste nicht wovon er sprach und es war mir egal. Er hatte nichts anderes verdient als den Tod und die drei Sekunden, die er abgelenkt war, würden seinen Untergang bedeuten. Ich veränderte meine Position ein wenig, legte meine Hände um seinen Hals und auch wenn ich ihn nicht mit eigenen Kräften besiegt hatte, sondern nur, weil er abgelenkt war, zögerte ich nicht und brach ihm das Genick.

Schlaff hing sein Kopf in meinen Händen und ich atmete tief ein, während sein Körper mitsamt mir zu Boden fiel. Ich rollte mich von ihm herunter, betrachtete ihn kurz, dann raffte ich mich auf. Ich hatte noch nicht gewonnen, noch lange nicht gewonnen.

Ich drehte seine Leiche und sah bereits, wie seine Knochen wieder zusammenwuchsen. Er war noch nicht tot, aber ich würde ihn nicht noch einmal auferstehen lassen. Noch zweimal brach ich ihm den Hals und als mir klar wurde, dass es zu lange dauern würde ein Feuer zu errichten, zog ich eine Grimasse. Es war widerlich, aber es war notwenig, also beugte ich mich ein weiteres Mal vor und versenkte meine messerscharfen Zähne in seiner Haut. Zuvor hatte ich so etwas nie gemacht, es lag nicht in meiner Natur, weshalb es lange dauerte, bis ich den Kopf zu Großteil abgeschnitten hatte.

Anschließend riss ich ihn einfach von dem toten Körper ab und positionierte ihn hundert Meter von der Leiche entfernt, um sicherzugehen, dass er nicht wieder heilen konnte. Ich war mir nicht sicher, wozu Aro fähig war.

Ich warf einen Blick auf das steinerne Gesicht, das von langen Haaren umgeben wurde und mich aus kalten, nun nicht mehr roten Augen anstarrte.

Aber da war nichts in mir. Kein Triumph. Keine Freude. Nur das Bedürfnis zu weinen und die Sehnsucht danach in den Arm genommen zu werden.

Ich riss mich los und versuchte die Gedanken zu verscheuchen.

Ich hatte noch eine Aufgabe zu erledigen, weshalb ich auf die zwei Bäume zuging, um Feuerholz zu besorgen. Langsam bückte ich nach den Ästen und gönnte mir einen Moment lang Ruhe. Es war naiv, doch ich hatte einfach nicht mehr die Kraft, alles in sekundenschnelle herzurichten. Zwar gab ich mir Mühe, meine Konzentration aufrecht zu erhalten, aber mir war bewusst, dass es mir nicht gelang. Deshalb gab ich es auf und, griff einfach nur nach einem zu Boden gestürztem Ast, um daran zu ziehen. Dann spürte ich den Atem in meinem Nacken.

Finally, it’s burning

Der Atem in meinem Nacken verschwand nicht und ich wagte es nicht, mich umzudrehen. Ich wollte nicht mehr kämpfen, ich konnte es einfach nicht mehr.

Zu lange führte ich diesen Krieg schon, über Jahre, Jahrzehnte.

Ich brauchte Ruhe, einfach Ruhe und die Gewissheit, dass es vorbei war.

Mich rumzudrehen und in Aros Augen zu sehen, bedeutete dieses Gefühl aufzugeben und wieder zu wissen, dass das alles noch nicht zu Ende war. Ich würde mich ihm wieder stellen müssen.

Dabei war es so einfach, nur dazustehen und darauf zu warten, dass er mir seine Hände um den Hals legte, um mein Dasein zu beenden. Vielleicht sollte ich ihm dankbar dafür sein. Dankbar dafür, dass er etwas so armseliges wie mich, endlich aus der Welt schaffen wollte. Doch wenn er mich einfach nur töten wollte, dann wäre es schon längst vorbei.

Er genoss den Moment, deshalb stand er einfach nur in meinem Rücken, ohne zu handeln. Er wusste, dass ich innerlich bereits aufgegeben hatte.
 

„Alice“, flüsterte es hinter mir und ich schloss die Augen. Dieses Gefühl, dass mich durchströmte, als ich die Stimme hörte, lässt sich nicht in Worte fassen.

Es ist zu groß, zu außergewöhnlich.

Ohne die Lider zu öffnen, drehte ich mich um.

Ganz ohne Angst, sondern voller Zuversicht.

Meine Arme schlangen sich um seine Brust, während er mich nah an sich zog. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Shirt und ich musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass alles gut werden würde. Ich hatte ihn nicht kommen sehen, so abgelenkt war ich gewesen. Seit Tagen hatte ich mich gegen Visionen gewehrt, hatte nichts gewusst und jetzt stand er hier und nahm mich in die Arme.

Ich presste mich näher an ihn, als würde ich in ihm versinken wollen, als würde ich ihn nie wieder loslassen wollen. Die Zeit verstrich, aber was bedeutet Zeit? Irgendwann spürte ich, wie er sich regte und mir vorsichtig über den Kopf strich.

„Deine Haare sind ganz durcheinander“, hörte ich ihn murmeln und allein seine Stimme zauberte mir ein Lächeln auf das Gesicht. Vorsichtig löste ich mich ein wenig von ihm, um den Kopf in den Nacken legen und ihn anschauen zu können. Jasper lachte ein wenig, aber ich konnte die Erleichterung sehen, die in seinen Augen stand.

Und die Liebe, diese unendliche Liebe.

Ich runzelte die Stirn, angesichts meiner ruinierten Frisur und sein Lächeln wurde breiter. „Aber es steht dir“, fügte er schließlich noch hinzu und fuhr mir mit seiner Hand wie zur Bestätigung wieder durch meine Haare. Ich antwortete nichts, sondern vergrub mein Gesicht wieder an seiner Brust.

Es war vorbei.

Alles war vorbei, hatte ein Ende.

Edward und Bella waren gerächt, mein Leben war gerettet.

Wäre es nicht so, würde noch Gefahr bestehen, dann wäre Jasper nicht so ruhig. Diese Zuversicht, die er ausstrahlte, sagte mir, dass wir gewonnen hatten. Ich hatte alles riskiert, alles was ich hatte, alles was mir wichtig gewesen war, aber ich hatte gewonnen.

Mehr, als ich mir jemals erhofft hatte.

Die Arme, die mich festhielten zogen sich noch fester zusammen. Jeder Mensch hätte diese Umarmung als schmerzhaft empfunden, doch für mich gab es nichts Schöneres. Ich spürte, wie Jasper sich bewegte und seinen Kopf zu mir herunterbeugte, um mir einen Kuss auf die Stirn zu hauchen.

„Es ist vorbei“, flüsterte er leise und es tat gut das zu hören.

„Es ist vorbei“, wiederholte er wieder und dann schwieg er.

Er war einfach nur da und hielt mich fest.

Vielleicht hätten wir bis an unser Ende dort gestanden, doch irgendwann vernahmen meine feinen Ohren das Geräusch von knisterndem Feuer. Ich löste mich ein wenig von Jasper und warf einen fragenden Blick in die Richtung aus der das Knacken kam.

„Emmett überlässt nichts dem Zufall, du weißt doch wie er ist“, erklärte Jasper und in diesem Moment konnte ich das erste Mal richtig lachen.

Nicht nur mein Freund, sondern auch mein großer Bruder war gekommen, um so gut wie möglich auf mich aufzupassen.

„Er wollte mich nicht alleine gehen lassen. Und obwohl wir zu zweit waren haben wir zu lange gebraucht, um dich hier zu finden. Ich wäre so gerne früher hier gewesen, Alice. Ich hätte dir diesen Kampf so gerne erspart.“

Er hob die Hand und strich mir zärtlich über die Wange. Aber ich war ihm nicht böse, wie konnte ich auch, wo ich ihm in den letzter Zeit das Leben doch so schwer gemacht hatte?

„Ich bin so dankbar dafür, dass du überhaupt gekommen bist“, antwortete ich nur leise und stellte mich auf die Zehenspitze, um mir einen flüchtigen Kuss von seinen Lippen zu rauben. Doch kaum hatte mein Mund den seinen wieder verlassen, da spürte ich seine Hand in meinem Nacken.

Ohne Rücksicht, fast brutal, zog er mich wieder näher an sich und presste seine Lippen auf meine. Mein Kopf ruhte in seinen Händen, aber er ließ es nicht zu, dass ich mich wieder von ihm entfernte. Der Kuss schmeckte nach so vielen Gefühlen.

Nach Sehnsucht, Erleichterung, Freude.

Er war wie ein Willkommensgruß in meinem neuen Leben, eine Leben ohne Aro.

Schließlich trennten sich seine Lippen wieder von meinen, langsam, zärtlich, zögerlich. Als wollte Jasper es gar nicht.

Er lehnte seine Stirn an meine, so dass sich unsere Gesichter noch immer unglaublich nahe waren. Seine Augen waren geschlossen, doch der Druck mit dem er seinen Kopf gegen meine presste, zeigte mir deutlich, wie sehr er sich um mich gesorgt hatte.

„Ich liebe dich Alice“, flüsterte er leise, „Versprich mir, dass du das niemals vergisst. Und versprich mir, dass du mich nie wieder auf diese Art und Weise verlässt.“ Dann riss er sich von mir los und stellte sich neben mit. Nur unsere Finger blieben ineinander verschränkt. „Ich verspreche es“, murmelte ich nur leise. Mehr musste ich nicht sagen. Seine Fähigkeit zu spüren, wie ich mich fühlte, was ich empfand, machte vieles zwischen und so viel einfacher. Er wusste, dass ich es ernst meinte. Ich würde es nicht aushalten, noch einmal von ihm getrennt zu sein.

„Wenn ihr dahinten nicht bald fertig seid, dann verpasst ihr das ganze Spektakel“, war mit einem Mal Emmetts Stimme durch den Wald zu hören.

Das Grinsen auf meinem Gesicht wurde noch breiter, so fern das überhaupt möglich war. Ich strich mit meinem Daumen über Jaspers Handrücken, drückte sie noch einmal kurz und löste mich dann von ihm.

Ohne mich noch einmal zu ihm umzudrehen, rannte ich durch den Wald auf die Stelle zu, an ich Aros Leiche zurückgelassen hatte und nun ein Scheiterhaufen vor sich hinprasselte. Emmett stand dicht neben dem Feuer und war gerade dabei einen kleinen Baumstamm in die Flammen zu werden. Als er mich kommen hörte drehte er sich strahlend zu mir um und breitete die Arme aus, wie man es bei kleinen Kindern tat um sie aufzufangen, wenn sie auf einen zu liefen. Ich bremste nicht, schließlich wusste ich, dass er stärker war als ich und mich würde halten können.

Mit voller Wucht prallte ich gegen ihn und schlang meine Arme um seinen bärenhaften Körper. Er musste einen Schritt nach hinten machen, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten und ich hörte sein tiefes Lachen.

„Langsam Schwesterherz.“

Er hörte gar nicht mehr auf zu lachen und ich fühlte mich einfach zu Hause. Emmett war immer wie mein großer Bruder gewesen und er würde es immer bleiben.

Zusammen mit Jasper gab er mir in diesem Moment das Gefühl von vollkommener Sicherheit. Ich umarmte ihn noch fester und war einfach nur unglaublich froh darüber, dass die beiden mir gefolgt waren, obwohl ich es ihnen verboten hatte.

Und ich war auch erleichtert darüber, dass Emmett nicht tatenlos zugesehen hatte, als Jasper alleine aufbrechen wollte. Zusammen waren sie sicherer, gerade hier in Italien.

Ich schuldete Emmett etwas dafür, dass er Jasper nicht im Stich gelassen hatte, als dieser beschloss sich in Gefahr zu begeben und mir beizustehen. Ich lockerte meinen Griff und trat einen Stück zurück, um mein Gegenüber besser betrachten zu können.

Emmett sah glücklich aus, zufrieden.

Es war faszinierend und gleichzeitig beängstigend zu sehen, wie erleichtert wir alle über Aros Tod waren. Es zeigte mir irgendwie, wie sehr wir uns von ihm hatten beherrschen lassen.

„Ich würde ja sagen, wir sind genau richtig gekommen, was? Ich könnte schwören, dass Aro uns gehört hat, obwohl wir uns Mühe gegeben haben leise zu sein. Es könnte sein, dass ihn das ein wenig aus dem Konzept gebracht hat.“

Er zwinkerte mir zu und ich wusste, dass ich ihm noch viel mehr schuldete, als mir ihm ersten Moment bewusst gewesen war. Wären Jasper und Emmett nicht gekommen und hätte Aro dies nicht gehört, dann hätte ich ihn niemals überlisten können. Wären sie nicht gekommen, hätte ich ihn nicht besiegen können.

Es war dumm von mir gewesen das alles alleine machen zu wollen.

Dumm und naiv.

„Danke“, sagte ich nur. Ein so unglaublich schlichtes Wort, das noch nicht einmal sonderlich schön klang und doch so unglaublich viel sagte. Emmett lächelte nur, bückte sich und hielt mir einen Ast hin, der nur ein paar Zentimeter kleiner war als ich.

„Du solltest auch was zu dem Feuerchen beitragen, es tut gut so ein bisschen Holz drauf zu schmeißen und ihm beim Brennen zu zuschauen.“

Ich war mir nicht sicher, ob ich das wirklich wollte, aber dennoch nahm ich den Ast. Die Zeit des Zögerns war vorbei. Ich würde kein schlechtes Gewissen bekommen, denn das was ich getan hatte, war richtig gewesen. Und ich würde mir von niemand etwas anders einreden lassen. Am wenigstens von mir selbst.

Ich ging näher an die Flammen heran.

Das Feuer um Aro brannte schon so lange, dass von ihm nichts mehr zu sehen war. Es war mir egal, allein das Wissen, dass seine Existenz in diesen Flammen sein Ende nahm, genügte mir.

Vorsichtig und ohne viel aufsehen legte ich den Ast zu den anderen und beobachtete, wie das Feuer sich ihn Stück für Stück einverleibte. Es dauerte eine ganze Weile bis die Hitze das Stück Holz völlig gefangen genommen hatte und es anfing zu brennen. Irgendwie erinnerte es mich an einen Kampf, wie die Flammen Stück für Stück den trockenen Ast in Besitz nahmen. Erst als er lichterloh brannte, war ich in der Lage mich davon abzuwenden und dem Feuer den Rücken zu zuwenden.

Jasper saß etwa zwanzig Meter entfernt an einem Baum angelehnt.

Seine Augen waren auch mich gerichtet und ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Links neben mit brach Emmett wieder aus dem Unterholz und zog einen neuen Baum hinter sich her, den er auf den ohnehin schon großen Haufen richtete, unter dem Aro lag.

Er grinste nur breit, als er meinen Blick bemerkte und streckte mir die Zunge raus.

Er war voll in seinem Element.

„Ich glaube das reicht Emmett. Je mehr Holz wir drauf schmeißen, desto länger wird es dauern, bis das Feuer runter gebrannt ist.“

Er zuckte nur mit den Schultern.

„Ich habe seinen Kopf auf einem anderen Haufen verbrannt“, er deutete auf einen kleinen Holzhaufen zwischen den Bäumen.

„Hat wunderbar funktioniert. Die Asche nehmen wir mit, den Rest können wir dann ohne weiteres hier lassen.“

Er hatte an alles gedacht.

„Ich weiß, ich bin gut“, sagte er nur, als er meinen Gesichtsausdruck sah und ich boxte ihm in die Seite. Wahrscheinlich nahm er es nicht einmal ansatzweise wahr, aber es ging ums Prinzip. Wieder lachte er und seine gute Laune wirkte einfach nur unglaublich ansteckend auf mich. Er legte einen Arm um mich, drückte mich kurz und sagte:

„Ich kümmere mich schon um den Rest, in zwei Stunden können wir los. Spätestens. Versprochen. Und bis dahin hast du dir eine Pause verdient.“

Damit wandte er sich wieder von mir ab und widmete sich erneut dem Feuerchen, das er noch immer voller Begeisterung schürte. Ich wollte mich gerade umdrehen, als mir noch etwas einfiel:

„Emmett-“, setzte ich an, aber er hob nur die Hand, ohne mich anzusehen.

„Ich hab schon mit Carlisle telefoniert. Er ist unglaublich glücklich darüber, dass dir nichts zugestoßen ist. Esme hat das erste Mal seit deiner Abreise geatmet und Rose lässt ausrichten, dass sie sich darauf freut uns wieder zu sehen“, seine Stimme wurde leiser.

Wahrscheinlich hatte er sich mit ihr gestritten. Nie im Leben war sie damit einverstanden gewesen, dass er mit Jasper ging um den König der Vampire zu töten. Aber das Lächeln auf seinem Gesicht zeigte mir auch, dass das geklärt war, dass Rose erleichtert war. Wahrscheinlich sauer, wütend, aber erleichtert und voller Vorfreude ihn wieder zu sehen. „Und Carlisle hat gesagt, wir sollen sichergehen, dass er nicht mehr auferstehen kann. Er würde sich lieber mit seinen Brüdern anlegen, als mit einem Aro, der getötet worden und zurückgekommen ist, um Rache zu nehmen.“

Er zog eine Grimasse.

„Und wir sollen schnellstmöglich Italien verlassen. Er kümmert sich vorerst um den Rest.“

Er hob den Kopf und schaute mich direkt an.

Diesmal lächelte er nicht, aber er sah erleichtert aus.

„Danke“, wiederholte ich und er nickte nur.

Er wusste, was es bedeutete, wenn ich das sagte.

Dann drehte ich mich um, ließ ihn mit seinem Feuer allein und ging auf Jasper zu. Schweigend ließ ich mich neben ihm auf den Boden nieder und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Er legte einen Arm um mich und wir saßen einfach nur und betrachteten das Feuer, das immer heller brannte und immer mehr Wärme ausstrahlte.

„Es ist vorbei“, murmelte ich leise und konnte es noch immer nicht fassen. Ich konnte gar nicht sagen, wie oft ich es mir vorgestellt hatte, an einem Feuer zu stehen in dem Aro verbrannte. Wie oft ich es mir gewünscht hatte, wie oft ich davon geträumt hatte.

Vielleicht war genau das der Grund dafür, dass ich es noch nicht glauben konnte, dass es so unwirklich war.

Zu häufig hatte ich es erlebt, dass Wünsche Wünsche und Träume einfach nur Träume geblieben waren. Wirklich an ein glückliches Ende zu glauben, dass ich mich nie getraut, dass war mir immer viel zu abwegig erschienen.

Ich hatte es nicht gewagt, um nicht enttäuscht zu sein, wenn sich dann Aros Reiszähne in meinen Hals bohrten. Doch jetzt war es so gekommen, wie ich es gehofft hatte.

Nach so viel Leid und Enttäuschung hatte das Schicksal endlich einmal auf meiner Seite gestanden. Und ich hatte es mit verdammt noch mal verdient, auch einmal Glück zu haben. Ich drängte mich näher an Jasper und legte meine Hand in seine.

Er sagte nichts, nahm sie nur breitwillig auf und drückte sie sanft.

"You will be part of us - forever"

"You will be part of us - forever"
 

Der Wind blies an diesem Teil der Küste so stark, dass er sogar meine kurzen Haare, die ich mit Haarspray fixiert hatte, zerzauste.

Einzelne Strähnen blies er mir immer wieder ins Gesicht, aber mich störte es nicht. Das Wetter war unbeständig, kühler Wind, große und unberechenbare Wellen, die etwa zehn Meter unter mir immer und immer wieder mit unglaublicher Kraft gegen die Felsen prallten. Der Himmel war behangen von grauen Wolken, die in ihren verschiedenen Farbnuancen ein skurriles Muster bildeten.

Erneut musste ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischen.

Es war ein wunderschöner Tag.

Einfach perfekt.
 

Den Ort hatte ich schon immer gemocht, aber dieses Wetter verlieh ihm etwas mysteriöses, etwas großes und fantastisches. Ich machte einen Schritt auf die Kante zu und nur wenige Zentimeter von mir entfernt begann der Abgrund.

Es war schön dort zu stehen. Früher war ich häufig hier gewesen, aber es war auch immer einer von Edwards Lieblingsorten gewesen, weshalb ich ihn in den letzten Jahren gemieden hatte.

Aber eine neue Zeit war angebrochen, für mich und auch für den Rest der Familie.

Mit dem Verlust von Edward und Bella hatte man uns nahezu das Herz herausgeschnitten, aber wir hatten es geschafft, die Wunde zu flicken. Wir hatten den Urheber für diese Tragödie zur Rechenschaft gezogen und Rache genommen, für die, die wir liebten. Und wir hatten hart darum gekämpft eine Familie zu bleiben, trotz allem, was uns zugestoßen war.

„Ihr werdet immer ein Teil dieser Familie sein“, flüsterte ich leise in den Wind hinein. Meine Hand ruhte an meinem Hals und umklammerte das winzige Döschen, das ich dort an einer Halskette trug.

Meine Muskeln verkrampften sich ein wenig und ich spürte, wie ich den Anhänger zusammendrückte, aber es war egal. Ich würde mich nun endlich von ihm trennen. Ich besaß ihn schon zu lange. Mal hatte er in meinem Schrank gelegen, mal auf dem Nachttisch, mal in einem Koffer, weil ich den Anblick nicht ertragen konnte. Aber oft hing er auch um meinen Hals, um mich an meine Aufgabe zu erinnern.

Mit meiner anderen Hand fuhr ich in meine Umhängetasche und zog einen zerknitterten Brief daraus hervor. Auch dieses Stück Papier war lange mein Begleiter gewesen, zu lange. Vorsichtig zog ich den Brief daraus hervor. Er war leicht vergilbt und das Papier wellte sich an den Seiten bereits, doch die verblasste Tinte darauf war noch immer gut lesbar. Edwards wunderschöne Schrift, Edwards Wunsch nach Vergebung.

Meine Finger strichen vorsichtig darüber, wie sie es so häufig getan hatten. Von nun an würde ich ihn ohne diese Gegenstände in Erinnerung behalten. Als meinen Freund, meinen Bruder und einen Vampir, den ich von Herzen gern hatte und der ein anderes Schicksal verdient hatte, als das, was ihm zu Teil wurde.

Ich benötigte das Stück Papier nicht mehr. Ich kramte wieder in der Tasche und zog das Feuerzeug hervor, das ich eingesteckt hatte. Ich entzündete es und hielt die kleine Flamme an das alte und trockene Papier. Es fing sofort Feuer, doch es machte mir nichts aus. Mit diesem Teil meiner Vergangenheit hatte ich abgeschlossen, musste ich abschließen, um mein eigenes Leben nutzen zu können.

Der Brief wurde schwarz und die Flamme fraß es innerhalb von zwei Minuten vollständig auf. Nur ein wenig schwarze Asche blieb zurück, die ich auf den Boden fallen ließ. Dann atmete ich tief durch. Ich hatte diesen Tag festgelegt, um all das zu beenden und ich war innerlich darauf vorbereitet, dennoch gönnte ich mir eine kurze Pause, bevor ich schließlich in meinen Nacken griff und die Kette öffnete, an der das kleine Döschen baumelte.

Vorsichtig nahm ich es in die Hand. Dann schraubte ich den Verschluss auf und ließ den Inhalt auf meine Hand rieseln.

Es war schwarze, feine Asche.

Etwas in mir verzog sich und ein Stich durchfuhr mich, als ich sie anschaute. Jasper hatte mit mir gehen wollen, aber ich hatte mich gewehrt. Es war eine Sache, die ich alleine angefangen hatte und die ich auch alleine beenden musste. Er hatte auf mich gehört und war mit den anderen Jagen gegangen. Sie würden vor dem nächsten Morgen nicht zurück sein.

Ich hob die Hand ein wenig und betrachtete die Asche.

„Ich habe mein bestes gegeben Edward. Ich wünsch mir so sehr, dass du da bist, wo Bella ist. Und ich wünsch mir auch, dass wir uns an diesem Ort irgendwann in der Ewigkeit wieder treffen. Ich vermisse dich, Bruder.“

Ich wusste nicht, ob er mich hören konnte, aber ich hoffte einfach darauf. Ich gönnte mir noch einen letzten Blick auf die Asche, dann schloss ich die Augen und warf sie mit aller Kraft, die ich hatte in den Wind. Er sollte sie verteilen und an viele verschiedene Orte tragen.
 

Als ich die Augen wieder öffnete, war alles genauso wie vorher.

Die Wolken hingen noch immer vom Himmel, der Wind blies und die Wellen krachten gegen die Felsen. Nur die Asche war fort und das Döschen, in der sie so lange geruht hatte, war nutzlos geworden.

Meine Aufgaben waren erfüllt.

Ich hatte einen winzigen Teil von Edwards Asche mitgenommen, um zu verhindern, dass er wieder auferstand. Denn Rest hatte ich bei Bella gelassen, ganz wie er es sich gewünscht hatte. Lange Zeit hatte ich es nicht über mich gebracht, von diesem Döschen zu trennen, aber nun war es so wie. Ich hatte seine Asche verstreut, weil er es wollte. Und obwohl er es niemals von mir verlangt hätte, hatte ich Rache genommen. Weil ich es wollte.

Von nun an galt es, die Vergangenheit Ruhen zu lassen, insbesondere da auch die verbliebenen Volturi angekündigt hatten, unsere Familie trotz der Geschehnisse nicht weiter zu drangsalieren. Dank Carlisles Redekunst hatten sie eingesehen, dass Aro all das selbst provoziert hatte.

Ich warf noch einen kurzen Blick auf das Meer, dann drehte ich mich um und ging zurück zum Haus. Ich beeilte mich nicht, weshalb ich über vier Stunden benötigte, bis ich dort ankam. Dennoch waren die anderen noch nicht von der Jagd zurückgekehrt. Der Pakt mit den Wölfen bestand schließlich noch immer, weshalb sie möglichst weit außerhalb jagen gingen. Langsam betrat ich das leere Haus.

Seit drei Wochen waren wir wieder in Forks, ich hatte darauf bestanden, dass Edwards restliche Asche an diesem Ort verstreut wurde.

Der Ort, an dem er gelernt hatte, glücklich zu sein.

Ich ging bis ins Wohnzimmer und ließ meine Tasche dort einfach zu Boden fallen. Still stand ich da.

Mein Blick lag auf dem Flügel, der noch immer an demselben Platz stand wie vor hundert Jahren. Niemand hatte ihn seitdem angerührt, nur Esme wischte regelmäßig und liebevoll den Staub von dem schwarz lackierten Holz. Und doch hatte niemand es über sich gebracht es auch nur in Erwägung zu ziehen, das Klavier zu entsorgen.

Es war ein Teil von uns, das sich niemand anzurühren traute. Einfach weil es Edwards Flügel war.

Schritt für Schritt ging ich darauf zu.

Die Vergangenheit war vorbei, sagte ich mir selbst immer wieder.

Er würde nicht wollen, dass er einfach nur dort herumstand. Ich näherte mich immer weiter und strich schließlich zärtlich über das Holz. Vorsichtig klappte ich das Holz hoch, das die weißen Tasten schütze.

Es quietschte, so lange war es nicht geöffnet worden.

Langsam ließ ich meine Finger über die weißen und schwarzen Tasten wandern, denen Edward so wundervolle Töne entlockt hatte. Ich ließ mich auf dem Hocker nieder und schluckte.

Es war sein Klavier.

Er war immer derjenige gewesen, der das Instrument perfekt beherrschte. Ich war es nicht würdig darauf zu spielen, weshalb ich den Flügel so lange gemieden hatte. Doch die Vergangenheit war vorbei.

Ich holte tief Luft und legte meine Finger, die so viel kleiner waren, als sie von Edward, auf die Tasten. Dann schloss ich die Augen und fing an zu spielen. Nicht ansatzweise so gekonnt und schön wie Edward, aber ich spielte.

Um ihn und Bella niemals zu vergessen, würde ich spielen.
 


 

Vielen lieben Dank für das Lesen dieser Fanfic



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Kommentare zu dieser Fanfic (163)
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Von:  jennalynn
2011-07-26T13:19:46+00:00 26.07.2011 15:19
*heul schnief*
Ach man das ist ja alles so grausam und doch so schön.
Ein Happy End, das ich mir lieber anders gewünscht hätte. Nähmlich Bella mit Goldenen Augen an Edwards Seite LEBEND.
Aber wenigstens sind sie nun wieder vereint.
Nur ich hätte es schön gefunden, wenn Alice so eine Art Zeichen bekommen hätte.
Ich meine als sie sich verabschiedet hat und seine Asche versträut hat. Weiß nicht Sonnenstrahlen die direkt auf sie fielen oder so. Halt etwas wo sie weiß, das es ihnen beiden gut geht und sie zusammen sind. Ich weiß ziemlich schnulzig aber das währe schön gewesen. Oder besser eine Vision wo Bella und Edward zusammen auf den Wolken tanzen und auf die Cullen´s mit einem lächeln runter blicken. Gut das ist wirklich schnulzig, ich lasse es lieber. *grins*

Großes Lob und liebe Grüße Alexandra
Von:  jennalynn
2011-07-26T13:04:36+00:00 26.07.2011 15:04
Gott sei Dank ist er nur noch Asche.
Schönes Ende nun hat deine Geschichte doch noch ein Happy End, wirklich toll.

LG
Von:  jennalynn
2011-07-26T12:50:42+00:00 26.07.2011 14:50
Ich wusste es, er hat es mit absicht getan, dieses Schwein.
Bitte lass es Jaspers Atem sein den sie spürt.
Mach ein HAppy End daraus
Von:  jennalynn
2011-07-26T12:25:41+00:00 26.07.2011 14:25
147 Jahre musste sie warten, nun wird es aber wirklich mal Zeit.
Aro lebt eindeutig schon viel zu lange, dass muss ein Ende haben. *grins*
Von:  jennalynn
2011-07-26T12:04:21+00:00 26.07.2011 14:04
Und schon wieder bin ich am heulen, wie machst du das nur immer wieder.
Hoffe wird die Hochzeit von Alice und Jasper nicht auch von den Volturi gesprngt.
LG
Von:  jennalynn
2011-07-26T11:46:18+00:00 26.07.2011 13:46
Oh man das Sofa.
Wie abartig ist dieser Aro eigentlich, arme Alice.
Super wie JAsper sich jetzt im Griff hat mit dem Menschenblut.
LG
Von:  jennalynn
2011-07-26T11:22:22+00:00 26.07.2011 13:22
jetzt wirds spannend.
Bin gespannt was noch passiert.
LG
Von:  jennalynn
2011-07-26T11:03:15+00:00 26.07.2011 13:03
WOW super Kapitel.

LG
Von:  jennalynn
2011-07-26T10:25:42+00:00 26.07.2011 12:25
So was nennt man dan wohl Ablenkungmanöver was Jasper da gerade gemacht hat.
Bloss nicht auf Alice bitte eingehen und schön ablenken. CLEVER

Bin gespannt wie es weiter geht.
Von:  jennalynn
2011-07-26T09:59:58+00:00 26.07.2011 11:59
Aros Sicht zu lesen war wirklich interessant.
Und irgendwie auch lustig, wie er total bedeppert feststellen musste, das es keine gute Idee war Bella umzubringen.
Gut das er es gemacht hat, stört mich immer noch.*grins*
Aber das er sich nun selbst dafür in den Arsch treten könnte, gefällt mir. *lach*

LG


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