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Shiomari

Waffen, Brüder und andere Probleme
von

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Hito da

Mehr als zwei Monate waren inzwischen vergangen, seit Inochiyume Haru bewusstlos in den Bergen gefunden hatte. Mehr als zwei Monate Zeit, in denen sich alltägliche Gewohnheiten eingestellt hatten, die in ihrer Gleichförmigkeit lediglich durch die Begleitung von Erztransporten, den Auftrag für den Schutz von Gästen des Fürsten zu sorgen und durch die wechselnden Patienten Inochiyumes unterbrochen wurden.
 

Haru war nicht völlig unzufrieden mit diesem Leben, immerhin hatte er noch eines. Wenn ihn das Mädchen damals nicht gefunden hätte, wäre er in den Bergen erfroren. Aber Haru war auch weit davon entfernt mit diesem Leben glücklich zu sein. Es machte ihm zu schaffen, dass er sich trotz steter Bemühungen noch immer an rein gar nichts aus seinem früheren Leben erinnern konnte, er fühlte sich unausgelastet und von der abergläubischen Schlichtheit des Großteils der Bewohner in Schloss und Dorf gelangweilt und abgestoßen.
 

Im Schloss selbst hätten ihm vielleicht Hinagiku und Kaoru angenehme Gesellschaft sein können, wäre die Prinzessin nicht zu vernarrt in ihn gewesen und der stellvertretende Kommandant zu misstrauisch. Inzwischen genügte bereits die bloße Nähe Hinagikus, um Haru Kopfschmerzen und nervöses Adernzucken zu bescheren. Wenn er noch lange gezwungen wäre ihre Annährungsversuche zu ertragen, würde es mit Sicherheit Tote geben - Gehorsamspflicht hin oder her, auch seine Selbstbeherrschung kannte Grenzen. Die enervierende Eifersucht Kaorus war dagegen fast schon entspannend, wenn sie nicht so vollkommen unbegründet gewesen wäre und dafür gesorgt hätte, dass Haru alle möglichen belanglosen und niederen Aufträge erhielt, nur um ihn sowohl von Hinagiku-hime als auch von Inochiyume fernzuhalten.
 

Aufgrund dieser Einschränkungen hatte Haru inzwischen ein fein ausgeklügeltes System entwickelt, sowohl Kaoru als auch Hinagiku so oft wie möglich aus dem Weg zu gehen, ohne seine Dienstpflicht zu verletzen. Ironischerweise verbrachte Kaoru, Dank des Befehls des Fürsten, Haru solle sich von der Prinzessin fernhalten und dem stellvertretenden Kommandanten die Verantwortung dafür übertragen hatte, dass diesem Befehl auch Folge geleistet wurde, weit mehr Zeit in der Gesellschaft Hinagikus als je zuvor. Haru währenddessen trat, sobald es ihm irgend möglich war, den strategischen Rückzug ins Dorf an und verbrachte so den Großteil seiner freien Zeit in Gesellschaft von Ayako und deren Enkelin. Weitere Bekanntschaften vermied der Haru möglichst, sofern sie nicht unumgänglich waren. Er seinerseits wurde wiederum von den ansässigen Bewohnern gemieden, weil er ihnen unheimlich war.
 

Allerdings war auch die kleine Hütte, in der er häufig zu Gast war, nicht frei von Wermutstropfen, denn die anfängliche Scheu und Zurückhaltung – die sich zumindest bei Inochiyume bemerkbar gemacht hatten –, waren inzwischen beinahe vollkommen verschwunden und mit ihen auch der von Furcht gespeiste Teil an Respekt, dessen fehlen Haru gelegentlich schmerzlich spürte. Die beiden Frauen waren wohl die Einzigen, die es wagten sich hin und wieder einen Scherz mit dem schweigsamen, stoischen Krieger zu erlauben und damit auch unbeschadet durchkamen. Besonders Ayako pflegte sich gründlich und ausgiebig über Haru zu belustigen, und auch wenn Inochiyume ihre Großmutter in der Regel ermahnte etwas höflicher mit ihrem Gast umzugehen, hatte die Dreistigkeit Ayakos doch insoweit abgefärbt, dass das Mädchen den Krieger hin und wieder zu necken wagte. Der Grund dafür, dass sich die beiden Frauen diese Freiheit herausnehmen durften, lag einzig in der Tatsache begründet, dass sie Haru das Leben gerettet hatten – und vielleicht darin, dass sich jede auf ihre Art seine Achtung erworben hatte, auch wenn er das nie zugeben würde.
 

Es war jedoch nicht alles schlecht, was das Leben für Haru in dem Dorf bereit hielt. So waren das Schwerttraining und die Zeit, die er unbehelligt in den Schlossgärten verbringen konnte angenehme Lichtblicke, ebenso wie es eine willkommene Abwechslung geworden war, wenn Ayako aus der Zeit erzählte, als sie noch mit ihrem Mann durch das Land gereist war, um die Menschen mit ihren Darbietungen zu unterhalten.
 

Und es gab noch etwas, das Haru zusagte: Ein Lächeln. Es war dem Krieger zur Gewohnheit geworden, nach der Rückkehr von einem Auftrag bei den beiden Frauen vorbeizusehen, um zu erfahren, wie es ihnen ging. Jedes Mal, wenn er dann Inochiyume angesichts seiner unversehrten Rückkehr glücklich lächeln sah, hatte er für Sekunden das Gefühl, als wäre er tatsächlich nach Hause gekommen und nicht nur in eine vorübergehende Bleibe zurückgekehrt, die ihm lediglich als Aufenthaltsort diente, bis er in sein richtiges Leben zurückgefunden hätte.
 

Als Haru an diesem Tag die Hütte der beiden Frauen erreichte, traf er nur eine in trübsinniges Schweigen vertiefte Ayako an, die bei seinem Anblick tief seufzte und statt eine Begrüßung erklärte: „Yume-chan ist auf der Wiese.“ Womit die einzige größere Grünfläche in der näheren Umgebung des Dorfes gemeint war, die sich zwischen Wald und Felsklamm erstreckte. Haru zeigte keine Reaktion angesichts dieser Information Ayakos, sondern wartete schweigend darauf, dass die alte Frau ihm sagte, warum er sich offenbar die Mühe machen sollte, nach dem Mädchen zu sehen.
 

Ayako murrte ungehalten angesichts Harus stoischer Gleichgültigkeit und ließ sich zu der ergänzenden Bemerkung herab: „Yūjō ist tot. Sie wollte ihm auf der Wiese eine Feuerbestattung bereiten. Dort draußen ist sie weit genug vom Dorf entfernt, sodass sich niemand über den Gestank beklagen kann. Eigentlich wollte ich sie begleiten, aber meine Knochen sind zu alt, sie gehorchen mir nicht mehr richtig. Also beweg dich endlich, damit mein Mädchen nicht völlig allein da draußen ist!“
 

Haru kam nicht umhin die Ironie der Situation zu bemerken, dass gerade die Frau, die ihn vor nicht einiger Zeit noch davor gewarnt hatte, sich mit ihrer Enkeltochter einzulassen, ihn nun dazu aufforderte, sich gefälligst aufmerksam um eben diese Enkeltochter zu kümmern. – Frauen, ein ewiges Rätsel! Vermutlich von den Göttern erfunden, um die Menschheit zu ärgern und sich zu unterhalten.
 

Nichts desto trotz befand Haru sich bereits kurz darauf auf dem Weg zu der Hochwiese. Unwillkürlich erinnerte er sich auf seinem Weg an einen Tag wenige Wochen zuvor, als er diesen Weg mit genau dem gleichen Ziel schon einmal gegangen war. Damals nicht auf der Suche nach Inochiyume, sondern weil er den Auftrag erhalten hatte, zu überprüfen ob am Rand der Wiese tatsächlich Abdrücke des Wesens zu sehen waren, das Kizuki und seinen Luchs angegriffen hatte.
 

Dieser Schatten, wie ihn die Dorfbewohner in genialer Einfalt getauft hatten, terrorisierte noch immer ungehindert den Wald, klug genug die Soldaten des Fürsten zu meiden und sich nur wehrlose Beute als Ziel zu nehmen.
 

Die Dörfler ließen sich jedoch trotz dieser Bedrohung nicht davon abhalten, sich das aus dem Wald zu holen, was sie brauchten. Sie nahmen die Bestie und den immer wiederkehrenden Tod mit beinahe tierischem Gleichmut hin. Als wäre es schon immer so gewesen, dass es nur Jäger und Gejagte geben konnte und wenn man eben zur Beute gehörte, sich darein zu schicken hatte und bestenfalls darum betete einen schnellen Tod zu sterben. Diese resignierte Hinnahme, ohne wenigstens den Versuch zu unternehmen sich zu wehren, hatte Haru schon bei der Sache mit den Schwärzlingen irritiert und tat es nun wieder.
 

Als er jedoch einmal eine beiläufige Bemerkung darüber hatte fallen lassen, dass sich die Dörfler wie Schafe verhielten, die sich mit ihrem unabänderlichen Schicksal abgefunden hatten, hatte Ayako ihn nur ruhig angesehen, an ihrer Pfeife gesogen und dann gefragt: „Was sollten wir deiner Meinung nach tun? Nicht einmal den ausgebildeten Kriegern gelingt es dieses Wesen zur Strecke zu bringen und wir sind nun einmal auf den Wald angewiesen. Also bleibt uns nicht anders übrig, als den Tod in Kauf zu nehmen.“ Einen Moment hatte die Alte darauf geschwiegen, bevor sie mit einem Seufzen gemurmelt hatte: „Der Tod ist ohnehin der Preis für das Leben, ist es nicht so?“ Damit mochte Ayako zwar Recht haben, aber Haru fand dennoch, dass man dieses Leben so teuer wie möglich verkaufen und nicht einfach ergeben darauf warten sollte zu sterben. Aber wie bereits bei den düsteren Bewohnern des Berges, entschied Haru auch hier, dass er sich nicht in die Belange der Dorfleute und des Fürsten einmischen würde. Zwischen ihm und ihnen gab es keinerlei Beziehung, die ihn dazu verpflichtet hätte einzugreifen, also tat er lediglich das, was ihm aufgetragen wurde und sah ansonsten schweigend zu, wenn wieder die kläglichen Überreste eines Schattenopfers unter klagen und weinen begraben wurden.
 

Abdrücke der Waldbestie hatte Haru damals, bei seinem letzten Besuch auf der Wiese, nicht gefunden. Dafür aber Inochiyume samt Yūjō und einer winzige Gruppe kleiner Mädchen, die ihr mit geröteten Wangen und leuchtenden Augen lauschten, wie sie eine Geschichte erzählte, während ihre Hände geschickt Blumenkränze flochten, die sie den Mädchen anschließend auf den Kopf setzte.
 

Als Haru zu dieser unbekümmerten Gruppe getreten war und ihnen brüsk befohlen hatte, ins Dorf zurückzukehren, war er umgehend der vollen Aufmerksamkeit der kleinen Mädchen ausgesetzt gewesen, die ihn mit großen, überraschten Augen anstarrten.
 

Die Mutigste von ihnen hatte schließlich an Inochiyume gewandt halblaut die Frage gestellt: „Ist er der König, von dem du uns erzählt hast?“ Was innerhalb der Mädchengruppe sofort die Diskussion auslöste, ob Haru tatsächlich der Märchenkönig wäre, von dem die Ältere erzählt hatte oder ob er es nicht war, weil er ja schließlich weder eine Krone, noch Dienerschaft oder sonstige Herrscherattribute bei sich hatte, an denen man einen König unzweifelhaft identifizieren konnte.
 

Haru hatte unterdessen die kleine Gruppe schnatternder Gänschen ignoriert und stattdessen Inochiyume ungehalten angesehen, die mit verlegen geröteten Wangen und auf dem Rücken verschränkten Händen fortgesehen hatte, unfähig seinem eisigen Blick standzuhalten.
 

Bevor sie jedoch zu einer Erklärung ansetzen oder die Kinder dazu bringen konnte, ins Dorf zurückzukehren, hatte das Mädchen, das die Diskussion über Harus Königtum ausgelöst hatte, an Inochiyumes Kleidung gezupft und ihr bedeutet sie solle sich zu ihr herunterbeugen, sobald sie die Aufmerksamkeit der Älteren erlangt hatte. Schweigend hatte sich Inochiyume angehört, was ihr das Mädchen anschließend ins Ohr flüsterte und schließlich begonnen zu lächeln, genickt und das Mädchen hochgehoben. Mit einem schnellen Schritt, war sie nah an Haru herangetreten, der das Geschehen nur überrascht verfolgen und über sich ergehen lassen konnte. Denn schon im nächsten Augenblick hatten sich Inochiyume und das Mädchen in ihrem Arm gestreckt, sodass das kleine Mädchen ihren Blumenkranz dem überrumpelten Krieger auf den Kopf setzen konnte, ihm gleichzeitig erklärend, nun könne niemand mehr bezweifeln, dass er ein König sei, wenn er eine Krone auf dem Kopf trug.
 

Die Blumenkrone saß ziemlich schief auf dem Haupt des unwilligen Königs, während Inochiyume das kleine Mädchen wieder absetzte und die Anderen ergriffen schwiegen.
 

Haru hingegen hätte in diesem Moment Inochiyume gern gewürgt, um sie zu Verstand zu bringen. Was fiel ihr ein, ihn derart lächerlich zu machen?! Auf die sie umringenden Kinder konnte er schlecht wütend sein, sie wussten es nicht besser. Was sollte man schließlich von Kindern erwarten, deren Eltern nicht mehr von der Welt wussten, als das, was in den engen Grenzen ihres Dorfes und dessen näherer Umgebung vorging. Dass Inochiyume dieses Dorf ebenfalls nie verlassen hatte, hatte Haru geflissentlich übersehen, schließlich war sie den Kindern im Alter voraus und sollte doch auch mehr Erfahrung darin besitzen zu wissen, was sich gehörte und was nicht.
 

Das Demütigendste für Haru allerdings war wohl, dass sein Zorn auf Inochiyume lautlos in sich zusammenfiel als sie ihn mit einem Blick ansah, in dem vollkommenes Vertrauen lag und sie ihm ein anerkennendes Lächeln schenkte.
 

Er hatte keine Ahnung womit er sich dieses Vertrauen verdient haben mochte und zog es nicht einmal vage in Betracht, dass sie es ihm auf Vorschuss gewährte, bis er sich dessen unwürdig erwies. Ebenso wenig wusste er, wofür sie ihm Anerkennung zollte. Fakt blieb jedoch, dass es ihm aufgrund dieser beiden Dinge völlig unmöglich war, weiterhin auf Inochiyume wütend zu sein. Wodurch er sich noch um einiges lächerlicher vorkam, als er das ohnehin schon tat.
 

Er hätte sich nur zu gern den albernen Blumenkranz vom Kopf gerissen, um anschließend beleidigt davon zu stapfen. Das Einzige, was ihn davon abhielt, war sein Stolz und das Wissen, dass er damit seiner Entwürdigung die Krone aufgesetzt hätte - das unbeabsichtigte Wortspiel, ließ ihn innerlich zusammenzucken. Aber so albern er sich auch vorkam, er konnte einfach nicht mehr wütend sein.
 

Von diesem äußerst unangenehmen Zustand reichlich irritiert, hatte er letztendlich nur äußerst beherrscht den Blumenkranz abgenommen, diesen dem Mädchen wieder auf den Kopf gesetzt und anschließend ebenso gefasst befohlen: „Bring die Kinder zurück ins Dorf“, bevor er sich abgewandt hatte und würdevoll davon geschritten war, die ihm fasziniert nachsehenden Blicke in seinem Rücken bewusst ignorierend.
 

Dieses Mal flocht Inochiyume keine Blumenkränze. Erzählte sie keine Märchen von Blumenkönigen oder hatte sie eine Kinderschar um sich versammelt. Dieses Mal stand sie allein und kerzengerade vor einem kleinen Scheiterhaufen, auf dem gerade die letzten Reste eines Hundeleichnams verbrannten.
 

Sie sah Haru nicht an, als dieser schweigend neben sie trat; noch warf sie einen Blick zur Seite, um überhaupt herauszufinden wer sich da neben sie gestellt hatte. Stumm starrte sie geradeaus auf die emporzüngelnden Flammen und schien sich keinen Moment an dem stechenden Geruch von verbrennendem Fleisch, Fett und Haar zu stören.
 

Verwundert stellte Haru fest, dass Inochiyume weinte. Er wusste, dass sie sehr viel Zeit mit diesem dreibeinigen Hund verbracht hatte, aber er war alt gewesen, sein Tod nur eine Frage der Zeit; jetzt über etwas vollkommen Natürliches zu trauern, erschien Haru mehr als sinnlos. Da es jedoch nicht so aussah, als würde das Mädchen die ganze Sache genauso rational betrachten wie er, brach er schließlich das herrschende Schweigen und befahl kühl: „Hör auf zu weinen.“
 

Inochiyume richtete sich noch ein wenig höher auf, während sie sich bemühte dem Krieger mit der gleichen Ruhe zu antworten, mit der er sie angesprochen hatte, auch wenn die vom Weinen verstopfte Nase das Ganze weniger eindrucksvoll wirken ließ, als es eigentlich sollte. „Ich weine nicht. Der Rauch reizt nur meine Augen.“
 

Skeptisch sah Haru auf den Rauch, der eindeutig in von ihnen abgewandter Richtung langsam gen Himmel stieg, erwiderte jedoch nichts auf die offensichtliche Lüge Inochiyumes, sondern sah ihr gleichmütig dabei zu, wie sie, nachdem das Feuer erloschen war, ein kleines Gefäß aus gebranntem Ton mit der Asche Yūjōs füllte und das Gefäß anschließend mit einem Deckel verschloss. Noch immer schweigend begleitete Haru das Mädchen danach zur Felsklamm, in der Inochiyume schließlich das Tongefäß in eine Felsnische stellte, noch für einen kurzen Moment still davor stehen blieb, sich schließlich entschlossen abwandte und davon ging.
 

Als sie sich bereits wieder auf dem Rückweg ins Dorf befanden, erkundigte sich Inochiyume plötzlich bei ihrem nach wie vor schweigenden Begleiter: „Warum hast du mich eigentlich gesucht, Dono?“ „Habe ich nicht“, war dessen knappe Antwort darauf, von der sich das Mädchen jedoch nicht abschrecken ließ. Stattdessen runzelte sie verwundert die Stirn und hakte neugierig nach: „Wenn du mich nicht gesucht hast, dono, was wolltest du dann draußen auf der Wiese? Es gab doch in den letzten Tagen gar keine Angriffe von dem Schatten.“ Bei der Verwendung des albernen Titels, den die Dörfler dem tödlichen Waldbewohner gegeben hatten, erhielt das Mädchen einen strafenden Blick ihres Begleiters, blieb davon jedoch ebenfalls unbeeindruckt und sah ihn stattdessen nur erwartungsvoll an. „Das geht dich nichts an“, wies Haru sie kühl ab, er hatte nicht vor ihr zu erzählen, dass er tatsächlich einmal getan hatte, was ihm Ayako befohlen hatte. Es genügte völlig wenn er und die alte Hexe davon wussten.
 

Nachdem sie daraufhin erneut eine Weile geschwiegen hatten, unterbrach schließlich Haru die Stille mit der Frage: „Warum hast du geweint?“ Es war etwas, das ihn tatsächlich beschäftigte, weil es ihm einfach unmöglich war, einen vernünftigen Grund dafür zu finden.
 

Inochiyume bestand nicht auf ihrer Lüge, dass sie nicht geweint hätte, sondern erwiderte leise: „Er war mein Freund - und er fehlt mir.“ Eine Antwort, die nicht dazu angetan war Haru die Sache verständlicher zu machen. „Dann weinst du um jedes Wesen, das aus deinem Leben verschwindet?“ Inochiyume schüttelte den Kopf, „nicht um jedes. Aber um die, die ich gern habe.“ Nachdenklich runzelte Haru die Stirn und stellte fest: „Dann wirst du auch weinen, wenn Ayako stirbt.“ Inochiyume zuckte bei dieser Feststellung zusammen, nickte dann jedoch in schweigender Zustimmung. „Und du würdest auch weinen, wenn Kaoru stirbt.“ Verwundert über dieses fortgesetzte Nachhaken, sah Inochiyume zu Haru auf, der ihren Blick aus durchdringenden, kühlen Augen erwiderte, als versuchte er auf diese Weise herauszufinden, warum sie so empfand und reagierte wie sie es tat.
 

„Ich weiß nicht, aber ich denke schon“, erwiderte Inochiyume schließlich etwas verspätet auf Harus letzte Bemerkung, worauf dieser seinen Blick abwandte, erneut einen Moment schwieg und sich dann vollkommen gleichmütig erkundigte: „Wirst du auch weinen, wenn ich gehe?“ Er sagte nicht „falls“, nicht „würde“, es stand für ihn offenbar unumstößlich fest, dass er gehen würde. Die Frage war lediglich, wann er ging.
 

Inochiyume hatte bei Harus Frage ebenfalls den Blick abgewandt, während sie statt eine Antwort zu geben, leise die Gegenfrage stellte: „Würdet Ihr denn wollen, dass ich weine?“ Instinktiv war sie wieder in die formellere Anredeform verfallen, in dem Versuch die Dreistigkeit ihrer Frage ein wenig zu dämpfen. Haru schien sich jedoch nicht weiter an deren Ungebührlichkeit zu stören, sondern erwiderte lediglich mit ruhiger Entschiedenheit: „Ich lege keinen Wert auf Tränen.“ Ein kleines, undeutbares Lächeln huschte kurz über Inochiyumes Gesichtszüge, bevor sie leise und ebenso ruhig erwiderte: „Dann werde ich nicht weinen, Dono.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Tigerin
2009-01-16T17:03:11+00:00 16.01.2009 18:03
Traurig. Ich hab Yoyo gemocht.
Man merkt, dass „Haru“ irgendwo noch immer Sess ist. Der hätte bestimmt auch nachgefragt und nicht gleich verstanden warum Menschen gerade so handeln.
Der Rückblick mit dem Märchen vom Blumenkönig war niedlich. Die kleinen „Gänse“.. *g*
Dann fand ich diesen Satz gemein:
„Frauen, ein ewiges Rätsel! Vermutlich von den Göttern erfunden, um die Menschheit zu ärgern und sich zu unterhalten.“
Den habe ich meiner Freundin geschickt. Wir waren der Meinung, dass Sess mal wieder den Stock von Ayako braucht… *g* Böser Noch-Mensch.
Was mir auch noch gefallen hat, war das Ende. Inochiyume und „Haru“ zusammen war niedlich. Schön, dass sie von einem etwas traurigerem Thema wieder auf das Unbeschwertere zurückgekommen sind und besonders Inochiyume wieder lächeln konnte. Mal schauen, WANN „Haru“ gehen wird.
Schade ist es schon, dass er gehen wird. Immerhin fühlt er sich ja dort schon zu Hause, wenn er mit dem Lächeln begrüßt wird. Ich hätte gedacht, dass er sich vielleicht durch dieses Lächeln oder vielleicht durch Blumen an Rin erinnern könnte… egal, ob die Tonfigur seine Erinnerungen hat..
Wieder bis zum nächsten Kommi.^^

LG, Tigerin
Von:  Carcajou
2008-12-14T23:43:26+00:00 15.12.2008 00:43
wie, ich habe noch nicht...?
Schande über mich!

In diesem Kapitel erinnert mich Inochiyume umso mehr an Rin. Das Lächeln, das ihm so gut tut, der Blumenkranz (rin wird traurig sein, das sie das noch nie hat tun dürfen^^), ihre Art, auf seine Kühle zu reagieren...

YuYo...*seufz*

Haru ist trotz des Gedächtnisverlustes ja immer noch der Selbe... es wundert nicht, das es ihn forttreibt. Er gehört dort nicht hin, das ist für ihn offensichtlich.
Ich frage mich, wie lange es ihn dort noch hält- und wie die Schatten und die Ungeheuer aus dem Berg noch hineinspielen könnten^^
Ich vermute, du hast sie nicht umsonst erwähnt.

Und Inuyasha samt Jaken haben ja auch noch ihr Päckchen zu tragen.

lg,
Carcajou
Von:  Hotepneith
2008-12-11T19:26:32+00:00 11.12.2008 20:26
Er wird gehen, ja....
Die Zeit vergeht ja immerhin und irgendwann wird auch der friedlicheste Krieger unruhig. Zumal ihm selbst ja immer bewusster wird, dass er nicht zu den Dorfleuten gehört. (und wohl auch nicht zur Prinzessin:))

Aber die Sache mit dem dreibeinigen Hund...wunderschön, dass du das so beiläufig mit eingeflochten hast.

Mal sehen, wie es weiter geht. Da gabs doch auch noch Leute, die das "Auge" suchten...

bye

hotep



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