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Namida Bandits

von

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Fünf

In den nächsten Wochen, hatte Hane immer wieder viel erlebt. Sie war Maki’ ans Herz gewachsen und es kam ihr schnell so vor, als wären sie schon immer Freunde gewesen. Auch mit Kurai war sie inzwischen dicke. Sie waren bei vielen Sachen einer Meinung, hatten zum Beispiel zusammen ein paar neue Mixe aufgenommen, was Hane wie eine kleine Ehre empfand. Sie arbeitete jetzt im Laden Harajuku für Yoshiko Hansaki und war ein fester Bestandteil der Clique geworden.
 

Nur mit Akai kam sie nicht zurecht. Vor allem, weil diese kaum zu Hause war. Sie arbeitete von früh bis spät und wenn sie zugegen war, schlief sie fünf Stunden am Tag. Hane hatte nur erfahren, dass sie als Tanzlehrerin in einer Tanzschule angestellt war, die so ziemlich alles an Kursen anbot. Wahrscheinlich würde sie GoGo-Kurse geben. Sie war keinesfalls unfreundlich und launisch, nur Hane gegenüber war sie so. Es kam ihr manchmal so vor, als würde sie auf sie herab schauen. Einmal hatte sie Hane beim Üben mit der Bassgitarre erwischt, sie hatte eine Weile in der Tür gestanden und ihr zugehört. Als Hane sie bemerkte, verspielte sie sich schrecklich und als sie sich umdrehte, sah sie nur wie Akai sich kopfschüttelnd umdrehte und ging.
 

In der Zwischenzeit hatte sie auch Suzu kennen gelernt. Ihr gehörte der Club Rollercoaster, sie war also die fünfte im Bunde. Eine ganz Liebe, die eher schlicht gekleidet und gestylt war und nur mit ihrem Charme und ihrer intellektuellen Frechheit überzeugte. Sie war kein Otaku mehr, zwar las sie ab und an noch ein paar Manga und konnte auch mitreden, aber sie hatte das Leben gezwungen sich mit anderen Sachen auseinander zu setzen. Irgendwie war sie weiter als der Rest der Mädchen. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie schon verheiratet und vierundzwanzig Jahre alt war. Hane erfuhr, dass sie die Tochter einer Freundin von Maki’s Mutter war. Also waren beide Mädchen in diesem Club aufgewachsen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie sich jeden Tag sahen und jeden Tag gespielt hatten.
 

Suzu hatte in den letzten Monaten sehr viel Pech gehabt. In ihrer Wohnung wurde eingebrochen und ihr Mann hatte sie verlassen, weil er nicht mit seiner Welt im Reinen war. Das letzte Mal hatte sie ihn gesehen, als er halb komatös nach einem Selbstmordversuch im Krankenhaus aufgewacht war. Er war in psychiatrischer Behandlung und seitdem hatte er sich nicht bei ihr gemeldet. Die Scheidungspapiere hatte er längst unterschrieben. Außerdem war Suzu im dritten Monat schwanger. Deshalb war sie aus einem Vorort wieder zurück nach Hamburg gezogen.
 

„Ach, ich hab das alles so vermisst“, meinte sie mit einem vielsagenden traurigen Blick, als sie mit den anderen vier im Café saß. Akai hatte sich heute frei genommen. Ihr war ihre Freundin wichtiger als ihre Arbeit. Das wusste Hane zu schätzen.
 

Sie erfuhr auch, dass die Mädchen damals vor Suzus Hochzeit eine Band gegründet hatten, lag ja auch nahe, bei so viel Talent auf einer Ecke. „Ich hab mich eines Abends an unsere Zeit mit „Namida Bandits“ erinnert“, ein Lächeln huschte über die Gesichter der anderen „und da wusste ich, dass ich nirgendwo anders auf der Welt sein will als bei euch.“
 

Hane empfand sie als eine unglaublich starke Frau. Mit Namida Bandits meinte sie natürlich die Band. Es bedeutete Tränenräuber. Maki’ hatte ihr, als sie eines Abends mit ihr auf dem Dach des Wohnblocks lag und die Sterne beobachte, erklärt, was es mit dem Namen auf sich hat. Den Mädchen ging es darum Emotionen mit ihren Liedern hervorzurufen. Der stärkste Ausdruck von Gefühlen sind Tränen. Aus Traurigkeit und auch aus Freude. Sie wollten den Menschen, die ihre Musik hören, eine Träne rauben. Denn an Tränen, egal ob aus Freude oder Trauer, beginnt man immer zu wachsen… Hane empfand den Gedanken aus dem Weinen heraus zu erstarken, großartig und das war es auch, was diese Mädchen ausmachte.
 

Sie hatten alle ihr Päckchen zu tragen. Maki’ vermisste ihren Bruder, der im Irak stationiert war und als ihre Eltern sich scheiden ließen, war sie gerade sieben Jahre alt. Über Akai wusste sie immer noch nichts, aber sie hatte so viel zu tun und arbeitete so hart, um über die Runden zu kommen, dass ihre Füße von Tanzen grün und blau waren und sie ständig Schmerztabletten schluckte und übermüdet war. Kurai machte auch immer noch ein großes Geheimnis um sich, aber Hane hatte lägst gesehen, dass hinter der lockeren Fassade eine lange Kette von Problemen lag und Kurais größtes Problem darin bestand, dass sie nicht darüber reden wollte. Und trotzdem verblüffte es Hane, dass Maki’ obwohl sie mit ihr schon zwei Jahre unter einem Dach lebte, genauso wenig über sie wusste wie sie, Hane selbst. Und Hane konnte sich mit ihrem alkoholabhängigen Vater und der Ehekrise ihrer Eltern gut in die Liga einfügen.
 

„Ja, und weil mir diese Zeit so unsagbar viel Kraft gegeben hat“, und nun legte sich doch ein glasiger Schimmer über Suzus Augen, doch sie lächelte, eindeutig Tränen der Freude, „wollte ich euch bitten, dass wir es noch mal versuchen.“
 

Hane wurde traurig. Da gab es etwas zwischen den anderen, von dem sie ausgeschlossen war. Ein unsichtbares Band, dass sie zusammenhielt und nie zerreißen würde.
 

„Ich hab schon mit Maki’ darüber geredet, am Telefon… und ich bitte euch wirklich darum… Ich brauche euch jetzt.“ Und von Geisterhand griffen alle nach ihren Händen, die aufgeklappt wie ein Buch auf dem Tisch lagen.
 

Hane nicht. Sie saß nur da und lächelte tapfer weiter. Das war ohne Zweifel ein ungesagtes, aber klares Ja. Maki’ drehte sich zu Hane um, sie sah sie erwartungsvoll an… Was sollte sie denn tun? Sollte sie einfach auch ihre Hand dazulegen?
 

Maki’s Mund formte ein Lächeln. „Bist du dabei?“
 

Sie schaute die anderen an. Suzu lächelte ein Muttilächeln, „Cool, dann haben wir endlich wieder eine Bassistin …“, meinte Kurai und Akai funkelte sie böse an, dann warf sie einen Blick in Maki’s Gesicht und seufzte: „Von mir aus…“
 

Maki schaute wieder Hane an. „Bist du dabei…?“, diese zögerte. „Eine von uns… Hane“, langsam hob sie die Hand und legte sie auf Kurais, die oben war.
 

Suzu ergriff wieder das Wort: „Also sind wir von jetzt an fünf. Wir sind fünf… und … bleiben fünf.“
 

Diese Worte hatten etwas Magisches, denn für eine ganze Weile traute sich niemand etwas zu sagen. „Go…“, das japanische Wort für fünf.
 

Nach ein paar Minuten nahmen sie die Hände wieder voneinander und Maki’ holte ein Tuch hervor. Ein schwarzes halbtransparentes Tuch mit roten Stickereien. „Hane… ich wusste, du würdest dich uns anschließen, ebenso wie ich wusste, dass ihr alle damit einverstanden seit, Namida Bandits wieder zu beleben… also… das hier ist für dich … Das ist unser Erkennungszeichen. Es ist nur ein albernes Tuch, aber es ist unser Symbol und steht für so viel. Damit bist du … offiziell … eine von uns.“
 

Nun wurde auch Hane ganz anders. Ihr stiegen die Tränen ins Gesicht, so dass Maki’ ihren Arm um sie legte.
 

„Oh…“, machten die anderen, was Hane fast schon peinlich war. „Ich danke euch…“
 

„Ja! Ich bin nicht mehr das Nesthäkchen“, sagte Maki’, alle lachten, „Jetzt bist du auch eine Banditin.“
 

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Hane war komplett überwältigt von den Songs von Namida Bandits, die größtenteils auf Japanisch waren. Sie waren also tatsächlich eine Visual Kei-Band. Hane hatte zwar gewusst, dass Maki’ ziemlich fließend Japanisch sprach, doch dass sie sich auch traute Liedertexte zu schreiben, war toll. Suzu hatte die Musik komponiert. Sie war auch die Sängerin, was Hane zuerst gewundert hatte, aber sie merkte schnell, dass Suzu professioneller war als Maki’ und das wiederum diese ein Vorbild in ihr sah. Von ihr hatte Maki’ alles gelernt, was sie konnte, zumindest musikalisch.
 

Wegen ihrer Bassstimme hatte Hane sich doch tatsächlich mit Akai zusammengesetzt. Diese hatte in letzter Zeit einen ihrer Jobs verloren, weil das Restaurant, in dem sie arbeitete Konkurs ging. „Wir beide in einer Band… na, ob das gut geht…“, meinte sie und setzte sich mit ihrer Gitarre auf einen alten Barhocker, den sie wahrscheinlich immer zum üben nahm. Hane war nach zehn Wochen das erste Mal in ihrem Zimmer.
 

Hier sah es ganz anders aus, als bei den anderen Mädchen. Ihr Zimmer war leer. Es gab eine Matratze auf dem Boden, zwei Kommoden und einen Kleiderschrank. Einen kleinen Tisch und viel Platz … zum Tanzen. Das, was sie an Extravaganzen besaß, hatten ihr die Mädchen geschenkt. An der Wand hingen Bilder von ihr und ihrem Freund. Den hatte Hane noch nicht kennen gelernt. Auf dem Schrank stand ein schwarzer Schuhkarton. Irgendetwas Bedeutsames ging davon aus. Hane hätte gerne gewusst, was darin war. Es lag eine merkwürdige Atmosphäre in der Luft, die Hane fast die Kehle zuschnürte. Aber sie wusste, dass sie sich früher oder später mit Akai auseinandersetzen musste und sie tat es für die Band.
 

Akai war eine kühle Realistin, in ihrem Leben gab es keinen Platz für Traumtänzereien. Hane versuchte tapfer zu sein, doch Akais bloße Anwesenheit trieb ihr die Schweißperlen auf die Stirn. Sie verspielte sich oft, was Akai sichtlich nervte. Hane konnte nicht mal ansatzweise mit ihr mithalten, obwohl sie ihr Bestes gab. Das war unglaublich schwer für sie und es war ja nicht nur Akai, auch die anderem waren so talentiert, jede auf ihrem Gebiet. „Wenn du das nicht hinkriegst, hast du bei uns nichts zu suchen“, meinte Akai kalt, als sie bemerkte, dass Hane anfing zu zittern.
 

„Ich… ich werde üben, ich krieg das hin, ich versprechs dir.“
 

„Viel Glück“, meinte sie und schob Hane auf den Flur. „Wir machen Morgen weiter…“
 

„Gute N…“, die Tür klappte zu, „acht…“ Hane lief eine Träne die Wange runter. Doch dann erinnerte sie sich daran, was Maki’ gesagt hatte. Sie würde Akai beweisen, dass sie die Lieder spielen und sich verbessern konnte. Sie würde wachsen. Sie wünschte sich ihre benahe große Schwester herbei, und schon klickte ein Schlüssel im Schloss. Ein Lachen kam damit herein. Maki’ konnte wirklich Gedanken lesen.
 

Sie kam mit Kurai nach Hause. Zuerst kam ihr aber Dumpfi entgegen, der fette Kater hatte das Rascheln von Einkaufstüten gehört und Futter gewittert. Hane hatte den Schwarzen ja von Anfang an ins Herz geschlossen und nachdem ihre Mutter ihr immer was aus der Küche für den kleinen Drops mitgegeben hatte, beruhte diese Zuneigung auf Gegenseitigkeit. Maki’s Lächeln versagte sofort, als sie bemerkte, dass Hane den Kater etwas zu fest drückte und ihre verlaufene Schminke sah. Sie fasste an ihr Kinn und drehte wortlos das Gesicht ihrer Freundin zu ihr. „Was ist denn los?“, ein sanftes Streicheln über den Rücken folgte.
 

Etwas, dass Hane nicht kannte. Zu Hause kümmerte sich niemand um sie und es merkte auch niemand, wenn es ihr schlecht ging. Sie hatte es sich immer verkniffen, mit ihren Eltern über ihre Probleme mit den Mitschülern zu reden, weil sie sie nicht damit belasten wollte. Dass jemand sie von sich aus darum bat, ihr ein Problem zu schildern, kannte sie gar nicht. Auch Kurai kam dazu.
 

Maki’ bemerkte die Bassgitarre, die immer noch neben ihr an der Wand stand. „Akai?“, fragte sie geradeheraus.
 

Hane nickte, dann lehnte sie sich an Maki’s Schulter und ließ ihrem Kummer freien Lauf. Dieses Nicken hatte mehr als viele Worte gesagt. Sie hatten am Küchentisch gesessen und geredet und zum ersten Mal ging es in einem Gespräch um sie. Die Mädchen sprachen ihr Mut zu und versuchten Akais Verhalten zu erklären.
 

„Weißt du, was das ist?“ Maki’ und Kurai grinsten sich an.
 

„Das ist ein klarer Fall für…“, erweiterte die Zweite den Satz und beide beendeten: „Oko!!!“ Was folgte, war eine weitere Episode von „Kurai und Maki’ kochen Japanisch“, heute: Okonomyaki. Das war ein Gericht, das aus Kohl, Fleisch und einem eierkuchenähnlichen Teig mit einer speziellen Soße bestand. Die Besonderheit daran war, das Maki’ und Kurai das Rezept mit Zucker verfeinert hatten, was eine unwiderstehlich aufheiternde Wirkung hatte. Das gemeinsame Kochen mit den Beiden zauberte Hane wieder ein Lachen ins Gesicht, was ihr jäh im Hals stecken blieb, als Akai aus ihrem Zimmer kam, um sich was zu trinken zu holen.
 

Ihr Blick sagte so viel wie: „Wolltest du nicht üben?“
 

Hane verschluckte sich an einem Stück Kohl und auch Maki’ und Kurai schwiegen einen Augenblick. Dann verschwand Akai wieder.
 

Kurai seufzte. „Willst du heute Nacht in mein Zimmer? Da kannst du üben, ohne dass jemand dich hört. Ich schlaf dann bei Maki’“, meinte sie kurzerhand und die Freundin mit dem Seitenzopf willigte ein.
 

Auch Hane war einverstanden und sie machte sich auch gleich auf den Weg. Sie bemerkte, als sie ihre Gitarre von der Wand weg nahm, dass irgendjemand was an die Stimmmechaniken gehängt hatte. Eine kleine Rolle weißes Pflaster. Was hatte denn das zu bedeuten? War das Akai? Hane nahm sie erst mal mit ins Zimmer. Sie hatte offensichtlich eine lange Nacht vor sich.
 

Und sie spiele tatsächlich wie besessen und am nächsten Morgen irgendwann um sechs Uhr in der Frühe bekam sie plötzlich eine Ahnung davon, was Akai ihr mit den Pflastern sagen wollte. Ihre Finger taten furchtbar weh. Aber sie riss sich zusammen, sie würde es schaffen und sie merkte tatsächlich, dass sie immer besser wurde. Zwei der Lieder konnte sie bereits aus dem FF spielen. Einige der Stücke waren so raffiniert komponiert, dass sie manchmal glaubte, sich jeden Finger zu verdrehen, zumal sie offensichtlich zu kleine Hände hatte.
 

Nun war sie in der Phase angekommen, dass sie jedes mal vor Schmerz das Gesicht verzog, wenn sie eine Saite zupfte. Ihr kamen die Saiten irgendwie immer rutschiger vor. Als sie kurz Pause machte, um nachzusehen, was los war, merkte sie schnell warum. Ihr Daumen fühlte sich starr an, Zeige- ,Mittel- und Ringfinger bluteten, die Nägel kurz davor aufzugeben.
 

Ihr Blick fiel auf die kleine Rolle, die neben ihr auf dem Tisch mit den Turntables lag. Sie legte die Bassgitarre kurz zur Seite und umwickelte ihre Finger mit dem weißen Pflaster, dass anscheinend noch auf DDR-Zeiten stammte. Überraschend. Der Schmerz ließ sofort nach und als Nächstes nahm Hane ein Tempotaschentuch aus der Packung und wischte die Gitarre sauber. Sie trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche.
 

Dabei entdeckte sie einen kleinen Zettel, der an der Tischkante hing. Darauf stand ihr Name: „Hane: Summ die Bassstimme mit, und merk sie dir ohne Noten.“, daneben war ein kleines Bildchen von einem Auge und einer geschwungenen Linie, die sie sofort als Karikatur von Maki’ erkannte. Das sollte funktionieren? Aber Hane vertraute Maki’ einfach mal und versuchte es auf diesem Weg und es ging tatsächlich besser. Hane war wahrscheinlich wie Maki’ auch jemand, der sich Melodien eher nach Gehör merkte, als auf Noten zu achten und auch eher nach Gehör spielte. Maki’ hatte sofort gemerkt, dass es für Hane so einfacher würde, weil sie es schon im Chor immer so gemacht hatte. Suzus Notenfolgen erschienen ihr so komplex, dass sie den Überblick verlor. Aber so konnte es tatsächlich klappen.
 

Und in dem Moment klopfte es schon wieder an der Tür und Maki’ stand natürlich darin. „Und, hast du meinen Zettel gefunden?“
 

„Um ehrlich zu sein, habe ich ihn gerade eben erst gesehen …“
 

Maki’ rümpfte kurz die Nase. „Aber hast du verstanden, was ich dir damit sagen will?“
 

„Ich denke schon.“
 

Sie setzte sich an das Keyboard, dass neuerdings für Suzu am anderen Ende des Raumes vor dem Fenster stand. Unterwegs dorthin hatte sie Hane die Notenblätter weggenommen. „Pass auf, ich spiele dir die Bassstimme vor und du spielst nach. Ich sing auch dazu, dann bekommst du ein besseres Gefühl für die Melodie, geht mir zumindest immer so.“ Sie lächelte. Maki’ war so lieb.
 

Also rückten sie beiden zusammen und fingen an zu üben. Hane war natürlich aufgefallen, dass Maki’ immer noch sehr müde war. Tatsächlich hatte sie sich die ganze Nacht lang Sorgen gemacht. Maki’s Konzept ging auf. Sie hatte sich gut in Hane hinein versetzt. Diese wiederum war ihr unendlich dankbar. „Von wem hast du denn die Pflaster? Die benutzt doch eigentlich nur Akai?“, fragte sie Maki’ zwischendurch.
 

„ …hing an meiner Gitarre.“
 

Maki’ lächelte in sich hinein.
 

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Am nächsten Tag hatten sie eine kleine Probe in Kurais Zimmer. Alle hatten sich versammelt. Hane dachte sich: Hab ich nicht schon genug Zeit in diesem Zimmer verbracht… so ganz allein mit Kai…?! Das einzigste, was ihr noch Probleme bereitete, war ihr Daumen, der immer noch weh tat. Und natürlich Akais Anwesenheit. Sie würde heute garantiert auf jeden Ton achten. Sie war routiniert genug, um ihren Part im Schlaf spielen zu können.
 

Hanes Herz schlug ihr mal wieder bis zum Hals. Sie fühlte sich wie bei einer Prüfung. Sie würde nie mit Akai zurecht kommen, das wusste sie. Auch wenn sie die Lieder perfekt spielen konnte, würde Akai sie immer wieder unter Druck setzen. Ihr war richtig flau im Magen und sie spürte einen eisigen Hauch, der von rechts kam. Sie war froh, dass Suzu noch dazwischen stand.
 

Sie fingen an zu spielen. Zum Glück war es eines der einfachen Lieder. Jetzt kam ihr Einsatz. Sie drehte sich um und schaute zu Maki’, die ihr zunickte. Hane war so froh, dass sie da war. Die ersten paar Takte waren gut. Es hörte sich toll an. Das gab Hane einen Schub. Sie war glücklich. In ihr sprudelten Endorphine hervor. Es hatte sich gelohnt. Dann verabschiedete sich Suzu kurz dach hinten, weil der Bridgeteil einsetzte.
 

Hane merkte dass Akai total in ihrem Element war und was sie tat sah so wahnsinnig professionell aus. Dagegen kam Hane sich vollkommen steif vor und Akais Talent schien so weit entfernt. Plötzlich merkte sie, dass Akai auf sie zu kam. Was hatte sie vor? Wollte sie sie etwa von ihrem Platz drängeln? Und es funktionierte tatsächlich. Hane versuchte ihr zu entkommen. Dabei übersah sie das Kabel neben sich und verhedderte sich darin. Plötzlich verlor sie die Konzentration und damit auch die Kontrolle über sich. Sie verriss die Saite und stolperte. Dann stürzte sie!
 

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Hane saß schmollend im Bett… im Krankenbett. Im Krankenhaus! Und ein dicker Verband zierte ihr Gesicht! Glatter… Nasenbeinbruch! Dieser Tag war ein absolutes Desaster!! Sie fühlte sich schrecklich. Das war eine absolute Niederlage, Akai gegenüber - eine tausendfache Demütigung. War das etwa das, was Akai wollte? Hoffte sie, dass Hane jetzt aufgeben würde? Den Gefallen würde sie ihr nicht tun… sobald sie diesen Tag irgendwie aus ihrem Gedächtnis streichen und ihren Stolz wieder aus dem Mülleimer ziehen konnte. Aber im Moment wollte sie einfach nur heulen.
 

Maki’ saß neben ihr. „Wenn du weinen willst, dann tus einfach. Vor mir brachst du dich doch nicht genieren.“
 

„Wie denn?!“, kam es fast ersterbend von ihr. Selbst weinen konnte sie nicht vor Schmerzen.
 

Es klopfte an der Tür und kurz darauf schauten rote Strähnen durch den Spalt. Das hatte Hane gerade noch gefehlt. Sie schaute schnell aus dem Fenster. Akai hingegen begab sich in Richtung Bett und bat Maki’ mit einem Blick kurz raus zu gehen. Maki’ hatte keine Bedenken jetzt zu gehen. Hane fühlte sich ein kleines bisschen verraten. Aber dann dachte sie sich, dass Maki’ das aus Höflichkeit tat. Die Tür ging zu. Akai setzte sich nicht auf den Stuhl, sondern auf die Bettkante.
 

„Was willst du? Mich weiter demütigen?!“, es gab für Hane jetzt keinen Grund nett zu sein, oder sich einzuschleimen. Dass Akai sie hasste, war ihr jetzt mehr als bewusst.
 

Doch diese lachte nur kurz auf. „Ich glaube, das kriegst du allein am besten hin.“ Hane hätte ihr jetzt am liebsten eine gefeuert. Aber der Arzt hatte ihr erst mal verboten hastige Bewegungen zu machen. „Schau mich mal an!“ Hane wollte nicht. Sie hasste dieses schöne Gesicht. Dann rang sie sich doch dazu durch, aber nicht ohne einen Todesblick loszuwerden. „Ich hatte nicht vor, dich von der Stelle zu drängen“, sagte sie und einen Moment lang kam es Hane so vor als wäre ihr Ausdruck ein wenig weicher geworden. Und tatsächlich. „Ich wollte dich eigentlich nur antanzen. Ich dachte ja nicht, dass du dich dadurch bedroht fühlst. Dass sich das so aus der Bahn wirft…“, fand Akai diesem Kalauer jetzt witzig?
 

„Antanzen?“
 

„Ja, das machen Gitarristen manchmal“, kam es von ihr mit einem Zwinkern.
 

„Du wolltest mir gar nichts Böses?“
 

„Nein. Ich wollte nur ein bisschen mit dir abfeiern, weil ich mich gefreut hab, dass du die Bassstimme mittlerweile und nach so kurzer Zeit so gut spielen kannst. Wenn ich an deine ersten Versuche denke… oh je…“
 

„Ich wollte dir unbedingt beweisen, das ich es perfekt kann.“
 

„Ja, aber du warst so konzentriert, dass ich dachte da steht eine Eisenstange neben mir. Wahrscheinlich hattest du deshalb so eine Anziehungskraft auf mich, dass ich dich antanzen wollte.“
 

„Ha, ha…“, machte Hane überzogen. Sie musste dann aber bei der Anspielung an Akais Job als GoGo-Tänzerin lachen. Was sie im nächsten Moment auch schon bereute. Weinen ging nicht, lachen auch nicht. „Au…“
 

„Hör mal, es geht nicht darum, dass du perfekt bist. Du musst einfach Spaß haben und dann ist es den Menschen auch egal, wenn du dich mal verspielst… du bist doch keine Maschine… Fehler machen dich sympathisch und wenn du dazu stehst, dann fängst du an über den Dingen zu stehen. Das hat eine unwahrscheinliche Wirkung auf andere. Das macht dich zu einem größeren Menschen.“
 

Hane musste an die Bedeutung des Namens Namida Bandits denken. Wachsen war genau das, was sie wollte.
 

„Das wollte ich dir zeigen. Es war ja gar nicht böse gemeint. Dass du dich von mir so einschüchtern lässt, hätte ich nicht gedacht, zumal du dich ja so gut vorbereitet und die ganze Nacht geübt hast“, sie warf einen Blick auf ihre Finger. „Aber es stimmt. Ich konnte dich am Anfang wirklich nicht leiden…“
 

„Aber warum denn, was habe ich dir getan?“
 

Akai lachte kurz in sich hinein und schaute auf die Decke, dann wieder in das Gesicht ihres Gegenübers. „Soll ich ehrlich sein?“, sie machte eine Kunstpause, „Ich war neidisch.“
 

Das hatte Hane nicht gedacht. „W-Wie meinst du das?!“
 

„So wie ich es sage…“, ihr Gesicht wurde ernst. „Ich bin neidisch auf dich… Sieh dich doch an. Du bist… so vielseitig talentiert. Du kannst so hammergut Zeichnen. Zumindest hat mich das umgehauen, was ich in Maki’s Conhon gesehen habe, du bist eine super Bassistin und ich hab dich vorhin kurz singen gehört, du hast eine schöne Stimme. Du wirst dein Abi wahrscheinlich mit eins machen. Du bist belesen und hast eine hohe Allgemeinbildung. Dazu bist du noch sehr hübsch. Du hast einfach so viele Möglichkeiten, etwas aus dir zu machen. Und jetzt sieh mal mich an. Ich hab gerade mit ach und krach meinen Realschulabschluss gemacht, weil ich einem Traum nachgejagt bin, der sich so wie so nie erfüllt hätte. Ich bin, was ich bin. Ich hab nichts außer meinem Aussehen. Ich kann nichts außer tanzen und Gitarre spielen. Ich wäre gerne wie du. Ich bewundere dich richtig.“
 

Hane saß wie versteinert da und ließ die Worte über sich regnen. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte.
 

„Das überrascht dich jetzt, oder?“
 

„Das hätte ich nie gedacht. Ich hab zu dir aufgesehen und das tue ich immer noch. Wenn du wüsstest, wie schlecht mir war, als ich dich das erste Mal hab Gitarre spielen hören.“
 

„Ha, ha… das glaube ich. Du hast wirklich noch eine Menge zu lernen, aber zieh dein Ding einfach durch. Ich hab gleich gehört, dass du dich wahnsinnig weiterentwickelt hast. Ich glaube, ich muss Angst haben, dass du mich einholst.“
 

„Quatsch, an sich komm ich doch nicht ran.“
 

„Na … sag das nicht zu laut. Komm, der Arzt hat gesagt du darfst gehen. Willst du mit zu uns, oder sollen wir dich nach Hause bringen?“
 

„Nee, ich glaube, ich möchte bei euch bleiben. Aber sag mal, es ist Samstag, hast du denn heute keine Arbeit?“
 

„Ich hab mir frei genommen, weil ich mit dir reden wollte.“
 

„Aber deine Arbeit ist doch so wichtig für dich…“
 

„Nicht wichtiger als eine Freundin…“, sie lächelte, dann wurde daraus ein Lachen.
 

„Was ist denn auf einmal?“
 

„Du… siehst jetzt aus wie Reita…“
 

„Sehr witzig!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  eiko
2010-03-04T12:49:01+00:00 04.03.2010 13:49
*reinhopps*
huch?
so leer? *blinzel*
*sniff*
also... dann komm ich mal zur sache, ne?
*hibbl*
schöööö~n
*schmacht*
ach.. da fängt man wieder an zu träumen. wirklich sehr gelungen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich die namen und die parts noch nette so drauf hab >>°
aber ich hoffe, hier gibts auch ne fortsetzung? *blinzel*

lg eiko

ps: *auch son großes kai-poster ham will* >//////<


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