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Das Pentilar

von

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Ein Stein aus alter Zeit

Früh war die Stunde, in der ich wach wurde. Ich bemerkte auch den Grund dafür. Susan hatte den größten Teil der Decke in Anspruch genommen und ich fror ein wenig. Susan hatte ihre Arme an den Kopf und davor die Decke gezogen. Ich stand auf. Langsam schlich ich durch den Raum, um sie nicht zu wecken. Ich zog mir die Hose an und ging noch mal auf Susan’s Bettseite. Dann deckte ich sie richtig zu, da ihre Beine frei lagen und ich nicht wollte, dass sie sich erkältete. Die Luft war selbst in diesem Gebäude, morgens sehr kühl. Ich öffnete die Zimmertür und ging auf den Flur. Ich überlegte mir, die Tür nicht abzuschließen, falls Susan aufwachte und aus dem Zimmer wollte. So stieg ich die Stufen herunter und ging durch den leeren Saal, der gestern Abend noch gut gefüllt mit trinkenden Menschen gewesen war. Die Tische waren beiseite gestellt und die Stühle gestapelt. An der Wand sah ich das grüne Brett, von dem mir Oskar erzählt hatte. Ich riskierte einen Blick drauf und las einige Steckbriefe.
 

„Arbeiter für Salzmine gesucht!“,

„Spione für die Legion gesucht!“,

„Wer kennt diesen Mann?“,

„Lohneswerte Arbeit für wenig Geld“, stand dort geschrieben.
 

Mir fiel auf, dass einige Menschen vermisst wurden.
 

„Vergiss es Jim!“, hörte ich Oskar hinter mir.
 

„Da steht nur Mist!“
 

„Aber du sagest mir doch, dass ich da nachgucken sollte.“
 

„Habe ich, aber im Moment ist es ehr ungünstig.“
 

„Sehe ich! Es werden viele Menschen gesucht! Woher kommt das?“
 

Oskar kam nun näher und schaute sich das Brett an.
 

„Ist mir nicht wirklich aufgefallen. Ist aber normal. Wir haben hier ein großes Moor. Bei Nacht kann man mal einen falschen Schritt nach vorne machen und schon ist man weg!“
 

„Aber es ersaufen doch nicht alle im Moor!“, sagte ich etwas verwirrt, weil ich nicht so blöd wäre bei Nacht durch ein Moor zu laufen.
 

„Na ja! Das ist eine Variante! Ein großes Problem, was wir hier haben sind Diebe, Räuber und Mörder! Es kommt zunehmend zu Entführungen und zu Geldforderungen.“
 

„Ich hoffe, so was bleibt mir erspart“, wisperte ich.
 

„Eine Frage! Kann man sich hier waschen? Ich fühl mich elendig!“
 

Oskar nickte und zeigte auf eine Tür neben dem Tresen.
 

„Wir sind auf dem neusten Stand der Wassertechnik. Es war furchtbar, immer in den alten Wasserbehältern zu baden!“
 

„Neuste Technik?“, fragte ich und schaute Oskar misstrauisch an.
 

„Jup! Du wirst es sehen!“, sagte er mit einem hämischen Grinsen.
 

Ich ging durch die Tür und fand mich in einem langen, mit weißen Fliesen ausgelegten Raum wieder. Überall hingen Rohre an der Decke, aus denen das Wasser sprudelte. Es waren jeweils kleine abgegrenzte Räume und es schien, als würden viele Wasserfälle hier durchfließen.
 

„Beeindruckend nicht wahr?“, sagte Oskar.
 

„Sehr sogar! Wie kommt es, dass sie keiner benutzt?“, fragte ich.
 

„Du bist lustig! Es ist kurz nach fünf! Es ist noch keiner wach, außer dir und mir. Na ja! Ich muss die Tische zurrecht rücken. Viel Spaß!“
 

Er ließ mich alleine. Ich ging näher an die seltsamen Wasserfälle und hörte unter mir ein Rauschen. Hier musste der kleine Fluss durchfließen, da das Gasthaus ziemlich nahe an der Brücke lag. Ich zog mir die Kleider aus und legte sie auf einen Tisch. Danach stellte ich mich unter einen der Wasserfälle. Es war eisig kalt, aber es machte mich sofort wach. Es war, als würde man in einen See springen, der kurz vor dem Gefrieren war. Das musste ich Susan umgehend erzählen, weil man bei uns im Dorf solche Anlagen nicht kannte. Ich fragte mich, ob Männer und Frauen hier gleichzeitig aufhielten. Das kalte Wasser lief mir an den Ohren entlang und ich vernahm alle Geräusche als dumpf und leise, allerdings konnte ich im Eingangsbereich ein lautes Klirren vernehmen sowie laute Menschenstimmen. Was war da los? Ich bewegte mich wieder aus dem Wasserstrahl und trocknete mich mit einem der Handtücher ab. Ich konnte nicht genau ausmachen, was für Stimmen es waren, denn das Rauschen des Wassers war ziemlich laut. Die Stimmen klangen sehr aggressiv und ich ahnte nichts Gutes. Ich zog mir meine Kleider wieder über und öffnete die Tür. Vor mir sah ich Oskar mit erhobenen Händen.
 

„Hey du! Hände über den Kopf!“, rief eine Stimme durch den Raum.
 

Nun wusste ich was los war. Es befanden sich noch drei weitere Leute im Raum. Alle drei hatten ihre Münder mit Tüchern verdeckt. Einer der drei hatte einen Bogen in der Hand und zielte auf Oskar und mich. Die andern beiden schienen etwas zu suchen.
 

„Was genau wollt ihr hier?“, fragte ich.
 

„Halt die Schnauze du Bengel!“, rief einer wütend herüber und warf einen Tisch beiseite.
 

„Verdammt noch mal! Wo hast du den Stein versteckt? Wir wissen, dass du ihn hast!“
 

Einer der drei kam nun näher und drohte Oskar mit einem Messer.
 

„Ich weiß nicht wovon ihr redet. Was für einen Stein meint ihr? Ich habe viele Steine gebraucht, um dieses Haus zu bauen!“, sagte er schroff.
 

„Du willst uns auf den Arm nehmen nicht wahr? Ich sag dir mal was! Wenn du nicht sofort…“
 

„Aufhören!“, rief jemand. Ich erkannte ihre Stimme sofort. Ich blickte das Treppengeländer hinauf und erkannte Susan. Sie hatte ihren Bogen gespannt und zielte auf den Mann, der vor uns stand und gerade gesprochen hatte.
 

„Was zum…! Bringt mir diese Göre sofort hier runter!“, rief er. Ich sah den Schützen am Eingang und rief: „Susan! Pass auf! Am Eingang!“
 

Sie konnte sich ducken und der Pfeil prallte von der Steinwand ab. Ich sah eine Möglichkeit und stürzte mich auf den Vermummten Mann vor mir. Ich konnte ihm mit großem Kraftaufwand das Messer wegnehmen. Oskar half mir dabei und hielt ihn fest, während ich auf den Schützen zu rannte, der immer noch auf Susan zielte. Als er mich allerdings erkannte, schoss er auf mich. Er verfehlte mich glücklicherweise und ich rannte einfach gegen ihn und stieß ihn gegen die Wand. Er war sofort bewusstlos.
 

„Ich sag dir. Fass mich nicht an oder du kannst was erleben!“, drohte Susan und ich blickte wieder zur Treppe. Der dritte kam die Treppe hinauf. „Dann schieß doch! Töte mich!“, rief er und kam näher.
 

Ich fragte mich, warum sie nicht schoss.
 

„Na ja, aber was du nicht kannst, das kann ich umso besser!“, sagte er und zog ein Schwert aus seinem Mantel.
 

In diesem Moment trat Susan ihm ins Gesicht und der Mann verlor das Gleichgewicht und fiel die Treppe hinunter. Als er unten ankam, war auch er nicht mehr bei Bewusstsein.
 

„Was kannst du besser?“, fragte Susan monoton und stieg die Treppe herunter.
 

„Alles in Ordnung“, fragte sie.
 

„Sicher!“, sagte ich. Meine Hände zitterten.
 

„So was braucht man nicht unbedingt, um morgens wach zu werden“, sagte sie mit einem Zittern in der Stimme.
 

„Also ehrlich! Ihr habt mir das Leben gerettet! Wie kann ich euch dafür danken?“, fragte Oskar, offenbar etwas verlegen.
 

Wenige Minuten später kamen einige Stadtwachen und nahmen die Räuber fest. Das Spektakel hatte Aufsehen erregt. Viele Menschen kamen in das Gasthaus und fragten nach. Susan und ich hatten uns wieder aufs Zimmer verflüchtigt und ruhten uns aus.
 

„Wie kommt es, dass du uns zur rechten Zeit zur Hilfe gekommen bist?“ „Na ja! Ich hatte gestern ja etwas im oberen Stockwerk gehört. Das Geräusch vernahm ich heute Morgen wieder. Ich wachte auf und war erst mal geschockt, weil du nicht mehr da warst. Dann hörte ich wie mehrere Leute am Zimmer vorbei schlichen. Ich öffnete die Tür einen Spalt weit und sah den Typen hinter her. Die sahen mir gleich etwas suspekt aus. Deswegen hab ich meinen Bogen geschnappt und hab gewartet.“
 

„Wieso hast du gewartet?“
 

Sie sah mich jetzt etwas böse an. „Meinst du, dass ich mich gleich alles traue? Ich hatte furchtbare Angst!“
 

Sie zitterte wieder und sagte abschließend: „Ich kann nicht sagen, warum ich im letzten Moment noch reagiert hatte. Er hätte mich auch töten können!“
 

„Du hast gut gehandelt, weil du ihn nicht getötet hast!“
 

Sie nickte.
 

„Du hast Recht! Ich kann niemanden umbringen. Ich könnte es nicht übers Herz bringen.“
 

Es klopfte an der Tür. Sie war nicht verschlossen und wurde geöffnet. Eine Wache kam herein.
 

„Ihr seid diejenigen, die Herrn Furan das Leben gerettet haben?“, fragte er.
 

Ich nickte leicht und er machte eine auffordernde Geste.
 

„Wenn ihr mir bitte folgen wollt! Wir müssen etwas besprechen.“
 

Susan sah mich kurz an und stand dann auf. Ich folgte zuletzt und schloss die Türe mit dem Schlüssel ab. Als wir die Treppe hinunter stiegen, blickten uns viele Menschen an.
 

„Aus der Bahn! Hier gibt es nichts mehr zu sehen! Bitte lassen Sie uns unsere Arbeit machen. Die Wache, die uns aus dem Zimmer geholt hatte, verdrängte alle Schaulustigen und schloss die Türe zum Gasthaus. Allein seine große Gestalt würde mir reichen, um ihm Respekt zu zollen. Susan und ich konnten uns problemlos hinter ihm verstecken. Seine silberne Rüstung spiegelte sämtliche Gegenstände im Raum wieder und er sah fast so aus, wie ein beweglicher Spiegel.
 

„Nehmt platz!“, sagte er auffordernd und bot uns zwei Stühle an.
 

Er setzte sich selbst an das andere Tischende. „Herrn Furan haben wir bereits angehört! Wir wollen lediglich sicher gehen, ob alles so abgelaufen ist, wie er es berichtet hat.“
 

Ich nickte unsicher und sagte dann: „Ich bin erst später dazu gekommen, als die drei Personen bereits im Raum waren.“
 

„Schon gut! Alles zu seiner Zeit! Eure Namen bitte!“ Er hatte einen Notizblock und eine Schreibfeder in der Hand. „Wir sind Jim Bavor und Susan Leoz“, sagte ich.
 

Die Wache nahm den Helm ab und legte ihn auf den Schreibtisch.
 

„Ich hasse diese dämlichen Formalien, aber sie müssen gemacht werden. Tut mir Leid!“, sagte er und fuhr fort.
 

„Es handelten sich also um drei vermummte Räuber. Einer hatte einen Bogen und die beiden anderen hatten Nahkampfwaffen. Das ist korrekt so weit. Was ich nur nicht verstehe ist Folgendes. Herr Furan sagte, dass sie etwas suchten, er aber nicht wisse, was es sei.“
 

„Das stimmt. Sie fragten nach einem Stein! Oskar sagte ihnen, dass er nicht wisse, was sie meinen.“
 

„Verstehe! Und diese drei Typen habt ihr beide ganz allein fertig gemacht?“, fragte er mit einer leichten Verwunderung.
 

„Kann man so sagen! Mit mehr Glück als Verstand“, bestätigte Susan.
 

Die Wache nickte. Sein Haar hatte einen ähnlich silbernen Farbton, wie seine Rüstung, jedoch schimmerte es nicht. Er schrieb sich noch einige Sachen auf und stand dann auf.
 

„Nun denn! Vielen Dank für eure Informationen. Wenn ich Fragen habe, werde ich darauf zu sprechen kommen. Wohnt ihr hier irgendwo?“
 

Wir schüttelten den Kopf. „Wir sind gestern Abend erst angereist und bleiben auch nicht lange.
 

„Hm! Das macht es alles ein wenig komplizierter. Aber gut! Schönen Tag noch!“
 

Er nahm seinen Helm, setzte ihn auf und verließ mit seinen Gefolgsleuten das Gasthaus. Nun kam Oskar aus dem Hintergrund auf uns zu.
 

„Oskar?“, fragte Susan ihn: „Was hatte es mit dem Stein auf sich?“
 

„Stein?“, er überlegte.
 

„Ach so! Ja klar! Der Stein. Ich hab keine Ahnung.“
 

„Oskar!“, rief ich.
 

„Du bist kein guter Lügner. Und denk daran, dass wir deine Haut gerettet haben!“
 

Er schüttelte den Kopf.
 

„Es tut mir Leid. Ich habe wirklich keine Ahnung, was diese Räuber bei mir wollten. Ich weiß nichts von irgendeinem Stein!“
 

Wir gaben es kurzerhand auf und beschlossen ein wenig die Gegend zu erkunden. Da wir die Stadt am Vortag schon fast gesehen hatten, machten wir eine kleine Wanderung um Cleefeld herum. Abgesehen von dem unheimlichen Wald direkt im Süden der Stadt, war es eine ganz schöne Umgebung. Blickte man gen Norden sah man immer steiler werdende Berge und die eisigen, mit Schnee bedeckten Gebiete. Die Sicht war allerdings nicht sehr gut, da es etwas nebelig und diesig war.
 

„Jim? Erinnert dich das an etwas?“, fragte Susan wieder und deutete gerade aus, auf eine kleine Insel, die mitten in einem kleinen See lag.
 

„Sicher! Ich hab es doch gestern angesprochen.“
 

„Stimmt! Glaubst du, dass man auf die Insel fahren kann?“
 

„Wie meinst du das?“
 

„Na ob man diese netten Fischer fragen kann, ob die uns dort hinfahren!“, sagte sie und deutete auf die kleinen Boote, die überall im Wasser waren.
 

Jedes kleine Nussschälchen hatte eine Angelrute am Heck befestigt. Einige Fischer warteten geduldig auf die Fische während andere in ihren Booten dösten. Bevor wir allerdings jemanden fragen konnten, sprach uns jemand an.
 

„Hey ihr zwei! Ihr seid gestern hier angekommen nicht wahr?“
 

„Ja das stimmt!“, bestätigte ich.
 

Der Junge war in etwa, in unserem Alter.
 

„Ich bin auch ein Pilger, aber ich hab meine Anschlussgruppe verloren und seitdem sitze ich hier fest!“
 

„Wie bitte? Du hast deine Gruppe verloren? Merken die nicht, wenn du weg bist?“
 

„Das mit Sicherheit! Nur die glauben vermutlich, dass ich alleine weiter gewandert bin.“
 

Susan sah mich mit einem etwas misstrauischen Blick an.
 

„Was glaubst du, wo deine Gruppe zurzeit ist?“, fragte sie.
 

„Ich schätze, dass sie jetzt in Krupp sind. Das ist etwas nordwestlich von hier. Da braucht man mehr, als einen Tag für!“
 

„Woher weißt du das so genau?“
 

„Ihr scheint keine erfahrenen Pilger zu sein oder? Ich bin seit gut drei Monaten unterwegs. Da kann man Distanzen gut abschätzen.“
 

Er streckte uns die Hand entgegen.
 

„Ich bin übrigens Hans Wöhler“
 

Wir stellten uns vor und ich musterte den Pilger. Er sah etwas abgemagert aus und hatte seine Tasche auf dem Rücken. Einige blonde Strähnen schauten aus seiner Wollmütze heraus.
 

„Was meint ihr? Nehmt ihr einen armen, verlorenen Pilger in eure Gruppe auf?“
 

Ich sah Susan an, die mit den Schultern zuckte: „Von mir aus gerne“, gab sie zur Antwort.
 

„Wir bleiben noch eine Nacht und dann brechen wir auf!“
 

„Ich danke euch vielmals!“
 

Er verbeugte sich und begleitete uns ein Stück.
 

„Wie lange bist du schon hier?“; fragten wir ihn.
 

„Genau zwei Tage! Es ist todlangweilig so ganz alleine und ohne seine Freunde. Wie kommt es, dass ihr beiden aufgebrochen seid?“
 

„Es war ehr spontan“, sagte ich.
 

„Ein kleines Abenteuer reizt uns immer.“
 

Hans nickte.
 

„Zu zweit ist es aber auch nicht gerade ungefährlich. Vier oder fünf Leute sollte man schon sein!“, sagte er.
 

„Und wieso? Was ist so gefährlich?“, fragte Susan.
 

„Seit einiger Zeit tauchen immer seltsame Wesen auf. Sie sind unbeschreiblich hässlich und boshaft. Es wurde nur von ihnen berichtet. Gesehen habe ich zum Glück noch keines.“
 

„Und woher kommen diese Wesen?“
 

„Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass man vorsichtig sein sollte, wenn man bei Nacht durch die Wälder streift.“
 

„Weißt du etwas von dem verfluchten Dorf im Westen von Cleefeld?“, fragte ich spontan, da Hans gut bescheid zu wissen schien. Allerdings schien er unsicher und schüttelte den Kopf.
 

„Ich hab gehört, dass dort im Inies-Wald eine verschollene Stadt sein soll, aber mehr weiß ich auch nicht.“
 

Er packte eine Karte aus seiner Seitentasche und zeigte uns, wie er vorher gelaufen war und welche Route er noch vor sich hatte. Seine Karte war wesentlich besser, aber der Punkt, der bei uns auf den Karten verzeichnet war, fehlte bei ihm. „Ihr wollt einmal durchs ganze Land?“, fragte ich.
 

„Genau das! Aber wir haben nicht mal ein Viertel geschafft. Das Land ist verdammt groß.“
 

Wir beendeten unsere Runde um die Stadt und kamen am Tor an. Hans verabschiedete sich und sagte, er müsse noch etwas nachprüfen. Susan und ich streiften durch die Straßen und kauften einige Sachen ein, die uns fehlten. Unter anderem Brot. Wir konnten nicht viel mitnehmen, da die Ernte im vergangenen Herbst nicht sehr gut ausgefallen war.
 

„Du Jim! Was hältst du von Hans?“, fragte Susan, während sie das Brot bezahlte.
 

„Eigentlich macht er auf mich einen seriösen Eindruck. Ist irgendetwas mit ihm?“
 

„Ich weiß nicht! Wir werden es sehen“, flüsterte sie.
 

Im Gasthaus angekommen, kam uns Oskar direkt entgegen.
 

„Ich muss mit euch sprechen!“
 

Er wies uns in ein Hinterzimmer und hatte eine kleine Schatulle in der Hand.
 

„Es tut mir Leid! Ich konnte es euch nicht ehr sagen. Ihr müsst mir einen Gefallen tun.“
 

Ich blickte ihn etwas fragend an.
 

„Was genau sollen wir tun?“
 

„Hier ist der Stein, den die Räuber gesucht haben. Es sind keine gewöhnlichen Räuber und es werden mehr kommen. Sie dürfen ihn auf keinen Fall in die Hände bekommen!“
 

Er reichte uns die Schatulle hin und öffnete sie. Auf einem roten Samtkissen lag ein bräunlich schimmernder Kristall.
 

„Was ist das?“ „Das ist ein Stein des Pentilars!“
 

„Ein Stein des was?“, fragten wir zugleich.
 

„Des Pentilars! Das Pentilar ist ein dunkles Tor. Die fünf Steine öffnen es. Damit dies nicht geschieht, hat man die Steine versteckt.“
 

„Ich versteh kein Wort! Kann man das nicht etwas genauer erläutern?“, fragte Susan etwas empört.
 

„Soweit ich weiß ist es sehr lange her, seit das Pentilar verschlossen wurde. Ein Herrscher namens Silomir Tuhlius wollte die Herrschaft über dieses Land. Lange Zeit scheiterte er mit seinen Angriffen und verfluchte die Menschen. Sein Hass stieg ins Unermessliche. Keiner weiß, wie er zu dieser Macht gelangt ist. Ein Magier soll ihm dazu verholfen haben. Er öffnete ein magisches Tor, was durch fünf magische Steine geöffnet bleiben konnte. Das Tor bildete die direkte Verbindung zur Unterwelt. Zur Welt der Dämonen und Geister. Mit ihnen gelang es ihm Städte zu zerstören und Völker auszulöschen. Eine kleine Gruppe von Auserwählten wurde losgeschickt, um das Tor zu schließen. Es waren sieben gewesen und fünf kamen wieder zurück. Jeder von ihnen besaß einen Stein. Sie hatten das Tor verschlossen und die Steine aufgeteilt. Jeder brachte seinen zu einem geheimen Ort, wo sie nicht wieder gefunden werden sollten, denn zerstören konnte man sie nicht.“ Verwirrt sah ich Susan an und sie erwiderte meinen Blick.
 

„Das klingt sehr verwirrend!“
 

Oskar lachte: „Ich hab mich schiefgelacht, als ich die Geschichte das erste Mal gehört habe, aber es ist wahr. Ich war selbst beim verschlossenen Tor und hab das Pentilar gesehen!“
 

„Und diesen Stein hast du gefunden?“ Oskar nickte und flüsterte dann. „Lasst niemanden davon erfahren! Bringt ihn zu meinem Freund Vladimir Hites. Er ist ein guter Freund und weiß bestimmt mehr, als ich.“
 

„Moment mal! Und wo ist dieser Vladimir?“, fragte ich.
 

„Er hat seinen Sitz am auf dem Ringberg. Es ist eine ziemlich lange Reise!“
 

„Oh ja das ist es“, bemerkte Susan misstrauisch.
 

Auf unserem Zimmer angekommen seufzte Susan hörbar.
 

„Was ist los?“, fragte ich sie.
 

„Nichts! Es ist alles bestens. Unsere Reise beginnt irgendwie anders, als geplant.“
 

Ich legte die kleine Schatulle in meine Tasche und legte das Brot, was wir gekauft hatten darüber.
 

„Wenn es jetzt nicht noch schlimmer wird, ist es eigentlich doch noch recht interessant“, argumentierte ich.
 

„Oh ja! Interessant wird es allemal, wenn die Typen herausfinden, dass wir den Stein haben und uns verfolgen.“
 

„So schlimm wird es nicht werden“, beruhigte ich sie.
 

„Und außerdem“, begann ich und lief zu ihr herüber und hielt ihre Hände fest.
 

„Wenn uns jemand zu nahe kommt, können wir uns wehren. So wie du heute morgen!“
 

Plötzlich fiel mir wieder etwas ein.
 

„Hab ich dir schon von den seltsamen Wasserfällen erzählt?“
 

„Seltsame Wasserfälle? Nicht das ich wüsste.“
 

Ich zog sie hinter mir her.
 

„Ich zeig es dir! Folge mir!“
 

Unten angekommen, war es immer noch leer im Gasthaus.
 

„Wo wollt ihr denn hin?“, rief Oskar uns hinterher.
 

Aber er schien zu verstehen und nickte. Ich öffnete die Türe zu den Waschräumen.
 

„Jetzt versteh ich!“, sagte Susan.
 

„Das sind wirklich seltsame Wasserfälle. Und die sind zum Waschen?“
 

Ich nickte.
 

„Aha! Interessant! Das würde ich gerne mal ausprobieren.“
 

Sie räusperte sich und ich drehte mich um.
 

„Wir sollten uns nicht an so was gewöhnen, sonst werden wir bestimmt oft enttäuscht“, sagte sie und reichte mir ihre Sachen über die Schulter.
 

„Wie meinst du das?“
 

„Na, dass wir verwöhnt werden. Ich glaube nicht, dass alle Gasthäuser so etwas besitzen. Ach ja! Wo wollen wir eigentlich als nächstes hin?“
 

„Als nächstes? Wir müssen zum Ringberg, um den Stein weg zu bringen.“
 

„Aber wir haben Hans versprochen ihn zu seiner Gruppe zurück zu bringen. Und Krupp liegt in einer anderen Richtung.“
 

„Das wird etwas schwer werden. Dann einigen wir uns, dass wir erst Hans helfen und uns dann um die Angelegenheiten mit dem Stein kümmern.“
 

„Wie bitte?“, rief Susan, die mich offenbar nicht hören konnte, da sich gerade unter dem Wasser stand.
 

„Ah! Ziemlich erfrischend findest du nicht?“, fragte sie.
 

„Ja ich war heute Morgen schon!“
 

„Also helfen wir erst Hans?“, fragte ich erneut.
 

„Ja das wäre besser!“
 

Mir kam wieder ihr Blick in den Sinn, den sie mir zugeworfen hatte, als wir Hans getroffen hatten.
 

„Warum hast du mich eigentlich so misstrauisch angeschaut, als er uns gefragt hat?“
 

„Hmm… Ich weiß nicht. Er machte einen unglaubwürdigen Eindruck auf mich, aber wir werden sehen. Kannst du mir mal ein Handtuch reichen?“
 

Ich brachte ihr eines und sie wickelte es sich um ihren Körper, um ihre Blöße zu bedecken.
 

„Ich denke man kann ihm trauen, aber er ist trotzdem seltsam“, sagte sie noch.
 

Die Türe öffnete sich und zwei junge Männer traten ein.
 

„Schönen Tag!“, sagten sie und liefen an uns vorbei.
 

Wir setzten uns auf eine Holzbank, am Eingang. Ich gab Susan ihre Sachen an und sie wartete, bis die beiden Männer in ihren Kabinen verschwunden waren.
 

„Glaubst du, dass dort draußen wirklich seltsame Wesen auftauchen?“, fragte sie etwas ungewiss.
 

Ich wusste allerdings keine Antwort und sagte ihr: „Ich denke wir werden vorsichtig sein müssen, aber Hans hat in seinen drei Monaten des Pilgerns kein einziges gesehen! Deswegen glaube ich, dass wir relativ sicher sind!“
 

Susan nickte und stand auf. Sie drehte sich um und nahm das Handtuch ab. Auf ihrem Rücken erkannte ich nun eine längliche Narbe. Es war ein furchtbarer Tag gewesen. Susan und ich kletterten auf eine hoch gewachsene Eiche, die in der Nähe unseres Dorfes lag. Wir kletterten oft um die Wette und verbrachten viel Zeit damit, Sonnenuntergänge zu beobachten. Doch eines Tages, brach der Ast, auf dem wir normalerweise saßen und sie fiel mehrere Meter tief zu Boden.
 

„Als du dir diese Narbe zugezogen hast… War das nicht der Tag, an dem ich mir auch den Arm gebrochen habe?“
 

„Eh… was?“, fragte Susan plötzlich und zog sich ihr Oberteil an.
 

„Diese Narbe auf deinem Rücken. Die hast du doch von dem Tag, als du die Eiche herunter gefallen bist.“
 

„Das ist wahr und du warst so blöd mir hinterher zu springen.“
 

„Das stimmt, aber ich hab dich bis nach Hause getragen!“
 

Sie zog den Rock hoch, das Hemd zu Recht und drehte sich dann zu mir um.
 

„Ich weiß. Ich weiß Jim! Du warst, bist und wirst immer mein bester Freund bleiben!“
 

Sie lächelte und deutete an, den Raum zu verlassen. Wir gingen hinaus und setzten uns bei Oskar an den Tresen.
 

„Wie kann es sein, dass heute so wenig los ist?“, fragten wir.
 

„Die sind noch alle in der Kirche. Die kommen alle erst in ein paar Stunden, um sich zu betrinken! Geht ihr nicht in die Kirche?“
 

„Schon, aber wofür braucht man ein Gemäuer um zu glauben?“
 

Oskar grinste: „Ja, ja! Ihr habt ja Recht. Wollt ihr was trinken?“
 

„Ich immer und gerne!“, bestätigte ich.
 

„Für mich bitte Wasser“, sagte Susan.
 

„Wisst ihr. Ihr beiden erinnert mich, an mich selbst mit meiner Frau Juliett.“
 

„Du bist verheiratet?“, fragte ich ungläubig.
 

„War verheiratet. Juliett starb vor einigen Jahren!“
 

„Das tut uns Leid!“
 

„Ach nicht doch!“, sagte Oskar.
 

„Sie starb als glückliche Frau. Meine Liebe zu ihr wird nie versiegen. So ist es scheinbar auch mit eurer Freundschaft.“
 

Susan und ich sahen uns kurz an.
 

„Das hoffen wir sehr!“, versichere ich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dudisliebling
2007-08-08T11:24:44+00:00 08.08.2007 13:24
Hey hey!
Das ist doch mal nen supa ff *_*
das du da noch keine kommis drauf hast wundert mich!
Der ff ist supa ich freu mich auf fortsetzung JaDaGo^^
mach nur weiter so!
ich bin gespannt wie es weiter geht^^


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