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Cruel, bloody Paradise

Ihr heiliges Spiel um meine verdammte Seele
von

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Die Insel der Stille

Rion und seine Freunde traten gerade aus der schweren Tür nach draußen, als ein grelles Licht sie erfüllte und sie und alles um sie herum gefangen nahm.

„Was ist das?“, fragte Maideya erschrocken in die Runde, doch sie bekam keine Antwort mehr darauf.

Das weiße Leuchten schien alles, sie inbegriffen, zu verschlingen.

Sie fühlten sich gefangen in einem kalten, Trance ähnlichen Zustand. Unfähig sich zu bewegen. Dann wurde alles um sie herum schwarz, als fielen sie in ein Loch ohne Boden. Sie fielen und fielen immer tiefer ins Nichts.
 

„Was hast du nun wieder mit ihm vor?“, erkundigte Wisdom sich mit einem fast abfälligen Unterton in seiner Stimme, „Hat er im Moment denn nicht schon genug Sorgen?“.

Sein wissender Blick verdeutlichte ihr jedoch, dass er alle ihre Antworten, gar ihre Gedanken bereits zu kennen schien. So wie er es immer tat.

Die Himmelkönigin tat auch nicht sonderlich überrascht, weder wegen Wisdoms Erscheinung in ihrem Schlafgemach, noch wegen seiner schneidenden Frage, welche für sie nicht mehr als eine Farce war.

Sie lächelte stolz auf ihre Taten, wie sie es immer tat, da war sie ihm sehr ähnlich: „Nun, ich dachte mir schon, dass meine Handlung dich auf den Plan rufen würde. Ich war zu lange untätig und habe nicht vor ihn den Dämonen zu überlassen. Sie sind sehr aktiv dieser Tage. Diese Tatsache ist dir doch nicht etwa entgangen?“.

Er hob die Brauen und rang sich ein Lächeln ab: „Nicht im geringsten Hoheit. Sie machen jedoch noch immer die gleichen Fehler…“.

„Ist das so?“, sie lehnte sich in ihrem Bett zurück, das goldblonde Haar fiel seidig auf die Kissen.

„Ich weiß, dass ihr es wisst“, erinnerte Wisdom sie.

„Was bist du doch für ein Spielverderber“, entgegnete sie mit ruhiger Stimme, „Ich habe nicht vor ihre Fehler zu machen. Das Pendel schlägt weder zum einen, noch zum anderen aus. Er ist innerlich zerrissen. Ich habe vor diese Schwäche, dieses typisch menschliche Verhalten zu nutzen. Er hadert mit sich. Er zweifelt an allem. Es macht ihn angreifbar, es macht ihn schwach. Er ist verwundbar… ich würde fast sagen besiegbar“.

Er schüttelte leicht den Kopf: „Es ist beinahe schade…“.

Sie sah zu ihm herüber und drehte eine Haarsträhne um die Finger: „Was ist schade?“.

„Auch Ihr habt noch immer nichts gelernt“, fügte Wisdom hinzu und beendete somit seinen Satz.

„Was weißt du schon? Sieh dich doch an. Deine Erscheinung ist so lächerlich schwach und durchscheinend. Du verblasst immer mehr, so schwach bist du geworden“.

„Das ist wahr…“, musste er zugeben, „Meine Kraft verblasst. Aber ich bin gewillt aus eigenen Fehlern zu lernen. Dies solltet auch ihr tun, solange euch die Zeit dazu bleibt“.

„Ich brauche deinen Ratschlag nicht“, meinte sie kühl, „Ich weiß was ich tue“.

Wisdom seufzte theatralisch.

„Och lass das“, bat sie ihn, „Bist du nur hier um mich zu belehren? Bald wirst du zu mir kommen, um mich zu beglückwünschen. Ich werde am Ende siegen, Wisdom. Du wirst schon sehen“.

„Ich bin gekommen, weil ich befürchtete ihr hättet etwas gefunden, das Rions Mission scheitern lassen könnte. Darum kam ich zu euch, ich hörte mir eure Ausführungen an… nun kann ich mich beruhigt zurück ziehen. Auf wieder sehen, eure Hoheit“, verabschiedete er sich höflich und verschwand.

„Was sollte das nun wieder? Wisdom ist ein Blender und ein furchtbar schlechter Lügner. Wenn er denkt er könnte mich verunsichern, dann muss ich ihn leider enttäuschen. Dieses Mal wirst du alles verlieren, mein Lieber…“, war sie sich sicher.
 

„Sie ist auf dem Holzweg“, Wisdoms Stimme klang im Turmzimmer nach, „Das sie sich in diese Sache verrennen würde, war schon vorher glasklar. Zudem unterschätzt sie ihn noch immer. Nach allem war passiert ist, sieht sie nur einen schwachen, dummen Menschen in ihm. Sie hat keine Chance, dies verschafft uns einen großen Vorteil… das Problem ist nur, dass er einfach nicht zu lenken ist. Er hört auf niemanden“.

Destinya blickte in seine Richtung: „Sie gibt sich keine Mühe ihn zu kennen zu lernen, ihn zu verstehen. Das ist ein Fehler“.

„Es ist mehr als das“, entgegnete Wisdom.

„Aber du willst doch, dass sie scheitert…“, wusste das Mädchen.

Er lächelte: „Ja, ich möchte die alte Ordnung zurückerlangen. Den Zustand des starken Himmels mit einem unbesiegbaren Gott und einem besonnenen Herrscher über dieses wunderschöne Reich“.

„Du willst deinen Posten zurück, du willst deine Schuld mildern… alles ungeschehen machen“, durchschaute sie ihn problemlos.

Er nickte: „Es bringt nichts dich täuschen zu wollen“.

„Wie wahr“, stimmte sie ihm zu, „Aber du gibst dir ja auch keine große Mühe mit ihm. Du kennst ihn gar nicht, weil er dir eigentlich völlig egal ist“.

„das ist nicht wahr. Er kennt sich selber nicht. Ich wette ich kenne ihn sehr viel besser als er sich selbst“, murmelte Wisdom und wirkte sehr nachdenklich dabei.

Sie schüttelte das lange, offene Haar: „Nein, das tust du nicht“.

„Sag das nicht so vorwurfsvoll und hör auf mich so anzusehen. Diese Dinge von denen du sprichst haben nur eine untergeordnete Bedeutung bei unserem Vorhaben. Die Königin ist derzeit keine Gefahr für Rion oder unsere Mission…“, beruhigte er sich selbst.

„Unsere Mission?“, fragte sie nach.

Wisdom zuckte mit den Schultern: „Wie soll ich es nennen? Es ist der beste Weg zum Ziel“.

„Ist es das? Oder ist es nur der Weg des geringsten Widerstands? Und zu wessen Ziel? Zu deinem? Oder zu seinem?“, konfrontierte sie ihn mit Fragen.

Er verzog die Mundwinkel: „Es ist nötig Destinya. Rion ist unsere einzige Chance den Himmel zu retten und die Dämonen zurück zu schlagen“.

„Was hat er davon?“, fragte sie ihn ganz offen.

„Persönlich wohl nicht viel. Ich gebe zu Rion hat wenig davon, aber er hängt doch schon mitten drin. Er kann sich dem nicht mehr entziehen. Es geht hierin doch auch zu einem großen Teil um ihn und sein Leben, seine Zukunft“, erklärte er ihr.

Sie seufzte tief: „Versuch es nicht weiter. Er steckt nur mit drin, weil du ihn da hineingezogen hast“.

„Das ist nicht wahr“, stellte er richtig, „Es war Schicksal“.

Sie blickte ihn mit traurigen Augen an: „Ja… wenn es keinen anderen Grund, keine Erklärung gibt, dann ist es immer das Schicksal. Ich will nicht Schuld sein an Rions Leid“.

„Du bist das Schicksal Destinya, du darfst dich hier nicht einmischen. Überlass es dem Lauf der Zeit“, erinnerte er sie und zog sich zurück.

„Wegzulaufen vor der Wahrheit wird dich niemals vor deiner Schuld bewahren, Wisdom. Du weißt das…“, gab sie ihm flüsternd mit auf den Weg und sie wusste genau, dass er es hören würde. Diese Schuld verfolgt ihn immerhin bereits eine ganze Weile.
 

Das grelle Licht erlosch und übergab Rion einer endlosen, grünen Wiese voller Blumen. Große, starke Bäume mit riesigen Baumkronen säumten die kleinen Hügel. Sie hatten dicke, kräftige Wurzeln. Schmetterlinge und Bienen belebten die stillen Wiesen. Von weitem war der Gesang der Vögel zu hören. Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel. Alles wurde von ihren kräftigen Strahlen erwärmt. Rion fühlte sie genauso, wie bei seiner Ankunft auf diese Insel. Mit dem Unterschied, dass er niemanden seiner Freunde sah. Auf sein Rufen bekam er keine Antworten. Alles schien menschenleer zu sein. Er machte sich auf, um nach ihnen zu suchen.

Sein Weg führte ihn zu einer unscheinbaren Quelle, er folgte dem schmalen Bachlauf zu einem großen See. Sein Wasser war ganz still. Der See lag ruhig wie eine Spiegeloberfläche. Er hatte bereits eine ganze Weile nach seinen Freunden gesucht, doch nichts gefunden. Erschöpft vom langen Fußmarsch machte er am See halt und setzte sich an sein Ufer in das hohe Gras. Die Ruhe an diesem Ort war herrlich erholsam. Selten hatte er einen solchen inneren Frieden gespürt. Lange konnte er diesen Zustand allerdings nicht beibehalten. Die Sorge um seine Freunde war zu groß. Obwohl er müde und kraftlos war, beschloss er sich aufzuraffen und weiter nach ihnen zu suchen. Sie mussten schließlich hier sein. Irgendwo.

Nachdem er sich aufgerichtet hatte, weckte die klare Wasseroberfläche erneut seine Aufmerksamkeit. Es schien als würde es beginnen unter der Oberfläche zu brodeln. Rion hob die Brauen und warf einen Blick hinein. Aus dem Wasser stiegen kleine Luftblasen auf und formten sich zu einer schimmernden, durchscheinenden Gestalt. Das Sonnenlicht brach sich darin und reflektierte in all seinen Spektralfarben wie ein Regenbogen auf dem wieder stillen See.

Rion musste zweimal hinsehen, um es wirklich zu realisieren: „Wow, was ist das jetzt wieder für ein Effekt?“.

„Rion, erkennst du mich wieder?“, fragte die nur schwer erkennbare Gestalt ihn mit der Stimme einer jungen Frau.

„Ich denke nicht“, musste er verneinen.

„Lass dich nicht von Äußerlichkeiten täuschen, das ist so…menschlich“, riet sie ihm.

Er lächelte: „Ich kann nichts für das, was ich bin“.

„So?“, wunderte sie sich, „Was bist du?“.

Er antwortete ohne zu zögern: „Ich bin Rion, aber das weißt du doch schon. Wer bist du? Warum sollte ich dich kennen? Ich habe dich noch nie gesehen“.

„Doch, das hast du. Nur nicht in dieser Form“, gab sie zurück, „Deine Antwort ist clever. Aber ich fürchte du weißt nicht wirklich wer oder was du bist“.

„Meine Antwort reicht mir, wenn sie dir nicht genügt, hat es nichts mit mir zu tun. Ich bin einfach nur Rion“, beharrte er stur.

„Mir soll es egal sein“, räumte sie ein, „Nun zu mir. Ich bin dasselbe wie der Mönch aus dem alten Kloster oder die Materie, die die Mädchen davon abhalten wollte das Heiligtum zu betreten. Alles, was du hier siehst ist aus mir gemacht und ich bin aus allem gemacht, was du hier siehst“.

„Das gibt nur wenig Sinn“, meinte er knapp.

„Das stimmt. Dennoch ist es Fakt. Kannst du die Dinge denn nie so annehmen, wie sie sind?“, wollte sie ganz ehrlich von ihm wissen, „Warum zweifelst du an allem was du siehst?“.

Er verzog das Gesicht: „Wenn du wüsstest was ich schon alles hier erlebt habe“.

„Ich weiß es… ich habe es gesehen“, entgegnete sie.

Er nickte kurz: „Ja, klar hast du. Dann weißt du sicherlich eine Menge Dinge, richtig? Dann hast du bestimmt nicht nur mich beobachtet?“.

„Vielleicht…“, wich sie aus.

„Das war ja klar. Wenn man hier einmal eine klare, deutliche, vernünftige Antwort von euch haben will, dann weicht ihr nur feige aus. Wer macht eigentlich die Regeln in diesem dämlichen Spiel? Es ist absolut nicht fair“, beschwerte er sich.

„Nein, das ist es nicht“, musste sie ihm zustimmen, „Das Schicksal macht die Regeln. Aber nicht alleine. Das Tempo und die Art des Spiels gibt ein anderer vor“.

„Wer?“, fragte er nach.

„Du, Rion“, war die Antwort.

Er sah sie ungläubig an: „Ich? Klar… ich hatte seit ich hier bin nie die Chance irgendetwas zu entscheiden, geschweige denn auch nur eine winzige Regel zu stellen“.

„Das ist nicht wahr. Mit jedem Schritt den du machst, mit jedem Wort das du sprichst mit jeder deiner Entscheidungen beeinflusst du das Schicksal und die Menschen, die zu diesem großen Spiel gehören. Wir sind alle nur Spieler Rion, auch ich. Aber im Vergleich zu deiner Rolle in diesem Spiel sind wir alle nur die Randfiguren. Wir existieren hier nur einzig zu einem Zweck. Jeder von uns hat seine ganz spezielle Aufgabe“, erklärte sie ihm ruhig.

„Und was ist dein Part?“, harkte er nach.

Sie lächelte traurig: „Ich bin nur hier, um dich vor einem qualvollen Ende zu beschützen“.

„Um mich zu beschützen?“, er war nun wirklich überrascht und hockte sich zu ihr an den See, „Vor was? Ich denke nicht, dass mich jemand wirklich vor etwas beschützen kann, aber vielleicht reicht eine Warnung…“.

„Vor dir selbst“, antwortete sie zögerlich, „Wie sollte ich dich vor dir selbst warnen?“.

Er seufzte: „Was soll das nun wieder? Noch so eine doppeldeutige Sache? Ein neues Rätsel? Ich bin auf der Suche nach meinen Freunden, da habe ich wenig Zeit zu verlieren. Wenn du mir helfen möchtest, dann tu das bitte. Aber so, dass ich auch etwas davon habe“.

„Hast du dich nie gefragt, warum man dich ständig von deinen Freunden zu isolieren versucht?“, wollte sie nach kurzer Stille von ihm wissen.

„Ich schätze mal, dass es kein Zufall ist“, war seine wage Vermutung.

Sie sah ihn direkt an, ihre Augen waren kaum vom Rest zu unterscheiden und trafen ihn doch direkt: „Weil sie deine schwächste Stelle sind. Sie sind der wunde Punkt. Du bist sonst nur schwer zu treffen, du bist nicht leicht zu verwunden oder zu verletzen. Deine Gegner versuchen vielleicht nicht mehr lange dich oder deinen Körper zu verletzen, sondern etwas ganz anderes zu treffen“.

Rions Pupillen weiteten sich vor Schreck: „Warte, du meinst sie versuchen nicht mehr mich zu verletzen, sondern meinen Freunden weh zu tun?“.

„Würde dir das schaden?“, frage sie nach.

„Machst du Witze? Hast du keine Freunde?“, Rion war fassungslos.

Sie verneinte ohne jede Regung: „Hier gibt es niemanden außer mir“.

„Das ist traurig…“, meinte er mit gedämpfter Stimme, „Was soll ich jetzt machen?“.

„Es gibt einen Weg, auf dem alle ohne Schaden bleiben. Niemandem wird etwas geschehen“, eröffnete sie ihm.

Rion war mit einem Mal ganz starr und sah sie wortlos an. Sein Blick traf sie hart. In seinen Augen las sie vieles zur gleichen Zeit. Allem überwog jedoch ein Gefühl, so stark, dass sie meinte es selbst zu spüren: Hoffnung.

So fuhr sie fort: „Die einzige, sichere Lösung deines Problems ist eigentlich ganz banal. So einfach, dass du wohlmöglich niemals darauf kommen könntest. Wie solltest du es auch? Ihr könnt einem großen Unglück entgehen. Ihr… nein, eigentlich nur du könntest unbeschreibliches Leid vermeiden“.

Er nickte, seine Kehle war wie zugeschnurrt. Sein Hals fühlte sich trocken an.

„Dies ist ein Punkt in diesem Spiel an welchem du dich entscheiden musst Rion. Für das Eine oder das Andere. Du wirst vielleicht nie wieder die Chance dazu haben, darum solltest du deine Antwort sehr gut überdenken. Bitte sei dir jeglicher Konsequenzen bewusst“, erinnerte sie ihn.

Er zögerte kurz: „Meine Entscheidung kann ich wohlmöglich nie wieder korrigieren…“.

„Nein, das ist nicht möglich. Sie ist endgültig“, musste sie zugeben.

Rion hob eine Augenbraue: „Ich soll diese Entscheidung so völlig aus dem Nichts treffen? Über die Köpfe all meiner Freunde und Begleiter hinweg? Das ist so egoistisch. Das kann ich nicht so einfach“.

„Aber es geht hier einzig und allein um dich“, gab sie zu bedenken.

„Das stimmt nicht“, widersprach er, „Ohne sie wäre ich nicht so weit gekommen. Wir sind ein Team. Ich kann nicht einfach so mit einem Satz über ihr Leben, ihre Zukunft entscheiden“.

„Sie sind für dieses Spiel nicht von Bedeutung. Ihr Leben hat keinen höheren Sinn. Deines schon. Das Spiel würde mit deinem Scheitern enden, das bedeutet… mit deinem Tod“, erklärte sie mit ruhiger Stimme.

Er verzog das Gesicht: „Wie kannst du so von ihnen reden? Du weißt gar nichts über Freundschaft oder über die Menschen oder das Leben“.

„Auch das ist richtig. Ich bin ewig. Ebenso bin ich ewig allein. Ich lebe nur durch mich. Immer und immer wieder neu. So wird es bleiben bis zum Ende dieser Welt“, sagte sie unberührt.

„Es hat keinen Sinn mit dir darüber zu streiten. Du hast deine eigene, kleine Welt. Ich muss deine Ansichten nicht teilen. Also, was hast du mir vorzuschlagen?“, war er gespannt und seine Stimme war doch voller Ablehnung.

„Um das Leben deiner Freunde zu schützen, musst du deine Mission hier beenden“, begann sie.

Rion blickte sie ungläubig an.

Sie fügte unbeirrt hinzu: „Dies ist eine winzige Sphäre zwischen den Ebenen der Welten. Es ist der schmale Grad, die Kehrseite, die Linie auf welcher sich beide Weltenebenen treffen. Die verfluchte Vulkaninsel der Feuerläufer hat eine Rückseite. Diese kleine, Insel der Stille. Man nennt sie auch die heilige Insel. Ein legendärer Ort wie die Insel Avalon. Wenn du hier bleibst, wird niemanden etwas geschehen. Hier kann dich niemand erreichen. Du kannst in Frieden leben, Rion. Von aller Welt vergessen und von niemandem behelligt“.

„Ich denke nicht, dass ich das könnte“, musste Rion einräumen, „Zu vieles würde auf dem Spiel stehen. Ich würde zu viele enttäuschen. Dieser Kampf hätte nie ein Ende und ich könnte wohl auch nie wieder nach Hause zurück“.

Sie stimmte zu: „Ja, das ist wahr. Du würdest dein Leben hier verbringen. Wie lange das auch immer sein mag“.

Er biss sich leicht auf die Unterlippe und blickte zu Boden: „Meine Leuten wären alle mega enttäuscht. Das kann ich wohl kaum bringen…“.

„Deine Freunde? Sie würden es nie erfahren. Sie befinden sich nicht hier, Rion. Sie sind irgendwo im Nichts. Dort wird sie niemand finden und niemand ihnen weh tun“, widersprach sie seinen Gedankengängen.

„Was?“, Rion konnte seinen Schrecken nicht verbergen, „Du meinst sie sind irgendwo im Nichts? Für immer? Willst du mir verklickern, dass meine Freunde die Ewigkeit allein in irgendeiner parallelen Sphäre herumhängen und ich alleine hier bleiben soll?“.

„So kannst du es auch ausdrücken“, war ihre knappe Antwort.

„Du willst mich verarschen?“, war er sich sicher, „Alles ist besser als hier mutterseelenallein abzuhängen und auf den Tod zu warten“.

„Du siehst das zu negativ“, schüttelte sie den Kopf, „Das hier ist verglichen mit dem was auf dich zukommen wird das Paradies Rion…“.

„Nein“, seine ganze Körpersprache drückte Entschlossenheit aus, „Das hier ist nur eine schöne Lüge“.

Sie schaute ihn fast mitleidig an: „Dann kann ich nichts für dich tun. Meine Mission ist es dich vor dem zu warnen, was dich ereilen wird“.

„Dann lasse ich es kommen“, entschied er und wandte den Blick von ihr ab, „Ich würde es mir nie verzeihen mich wie ein Feigling hier zu verstecken und alle anderen sich selbst zu überlassen. Ich habe diese Sache begonnen und ich werde sie auch zu ende bringen“.

„Ich beneide dich darum, dass du dir deiner Konsequenzen nicht bewusst sein kannst. Deine Entscheidung ist falsch. Diese Lüge, wie du es nennst wäre die einzige Chance auf Frieden für dich gewesen“, bedauerte sie ihn und ihre Worte schienen ihm ehrlich gemeint zu sein.

„Ich bin nicht wie du“, gab er zu bedenken, „Ich entscheide nicht nur für mich. Ich kann mir nicht immer den bequemsten weg aussuchen. Ich bin entschlossen zu meiner Entscheidung zu stehen. Mit all ihren Konsequenzen“.

„Dann wirst du sie in vollem Umfang tragen müssen“, nickte sie und ihre Stimme wurde mit jedem Wort leiser, „Höre auf diesen Rat und versuche nicht überall nach der Wahrheit zu graben, Rion. Denn oft ist die Wahrheit zu grausam, als dass du sie sehen wolltest. Du hättest in dieser schönen Lüge bleiben sollen. Es war eine Lüge, doch sie war so viel schöner und besser als diese brutale Wahrheit, die du und deine Freunde hier sehen werden…eine Lüge kann zu einer Wahrheit werden, wenn du nur lernst sie zu glauben“.

„Warte!“, bat er sie, „Wie kommen wir hier wieder weg?“.

„Es gibt eine zweite Wand, sie öffnet sich, wenn das Paradies geschlossen ist. Das Tor zum Paradies hat sich vor deiner Nase geschlossen Rion. Jetzt wartet das Höllentor auf euch. Alles was euch von jetzt an geschehen wird ist einzig und allein deine Schuld. Ich frage mich, wie du damit leben willst?“.

Mit dem letzten, kaum mehr zu hörenden Satz, löste sie sich in aber tausende, kleine Luftbläschen auf, die auf der Wasseroberfläche zerplatzten.

„Das tue ich seit ich hier ankam…“, murmelte er leise für sich.

Von einer Sekunde auf die andere wurde erneut alles von diesem verschlingenden, grellen Licht erfasst. Fast als würde man träumen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  alana_chan
2010-11-14T21:12:27+00:00 14.11.2010 22:12
Es wird immer spannender^^. Aber ich kann ihn voll und ganz verstehen. Das Angebot war verlockend doch Freunde kann man nicht einfach im NICHTS hängen lassen das geht nicht.
Wisdom und Destinya waren wieder dabei und meine gebliebte Königin. Wie schön :-)

bis zum nächsten
lg
lana


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