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Cruel, bloody Paradise

Ihr heiliges Spiel um meine verdammte Seele
von

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Das Finale I

Es war nur eine weitere, unruhige Nacht. Als Rion erwachte, fühlte er sich noch immer matt. Er war weder ausgeschlafen noch fühlte er sich in irgendeiner Form fit oder erholt. Eher das Gegenteil war der Fall. Er setzte sich auf, schlug die Decke über den Beinen zurück und renkte sich unter lautem Knacken den Nacken wieder ein. Es schmerzte mehr als erwartet und brachte nicht gerade den erwünschten Effekt. Ein Blick zu Roen herüber zeigte ihm, dass es noch nicht allzu spät sein konnte. Er schlief noch. Rion seufzte tief, sein Rücken hatte sich noch immer nicht an die Pritsche gewöhnt. Das signalisierte er ihm erneut sehr deutlich.

„Ach komm, ich kann doch nichts dafür“, meinte er zu sich selbst, „Es ist ja nur noch heute… Überhaupt, was stellst du dich so an? Du bist doch noch jung… also hör auf zu jammern“.

Er sprang auf und schlüpfte in seine zur Verfügung gestellten Klamotten. Sie erschienen ihm bereits wie ein ungeliebter Teil von ihm selbst. Als gehören sie dazu.

Aufgrund dieses absurden Gedanken musste er grinsen: „Oh man, bloß nicht. Ich bin froh, wenn ich hier raus bin…“.

Roen schreckte plötzlich hoch.

Rion sah ihn fragend an: „Hab ich dich geweckt? Sorry. Ich führe nur mal wieder Selbstgespräche. Is so´ne blöde Angewohnheit, nichts Ansteckendes glaube ich“.

Roen verneinte nur.

„Okay…“, gab Rion sich damit zu frieden.

Er wusste, dass Roen nicht viel geschlafen haben konnte, denn er war sich sicher dieser verschwand irgendwann in der Nacht und blieb einige Zeit weg. Zumindest bildete Rion sich ein die Tür gehört zu haben. Genau wusste er es jedoch nicht mehr, befand er sich zu dieser Zeit gerade im Halbschlaf. Zumindest dümpelten seine Gedanken träge vor sich hin.

„Wo willst du jetzt schon hin?“, wunderte Roen sich, „Warum bist du überhaupt schon auf?“.

„Ich hab die letzten Tage zu viel herumgegammelt. Jetzt gehe ich uns zur Abwechslung mal das Frühstück holen. Damit du nicht wieder denken musst, du wärst mein Dienstmädchen“, der Fingerzeig war zu deutlich als das Roen ihn nicht verstanden hätte und eigentlich würde er es auch damit belassen, doch dieses Mal ging das nicht.

„Ich mache das schon!“, stand er mit einem Satz an der Tür und schien hellwach.

„Ach quatsch, ich war viel zu faul…“, wollte Rion widersprechen.

Doch Roen hatte die Türklinke bereits gedrückt und trat in den Gang hinaus: „Spar dir deine Kraft für das Finale auf“.

Rion setzte sich auf die Bettkante und hob die Augenbrauen. So wartete er eben hier auf sein Frühstück. Es war schon ziemlich ungewöhnlich, dass Roen sich plötzlich so darum riss das Essen zu holen, sonst hatte er sich doch immer beschwert. Den Schlaf aus den Augen wischend, warf er sich nach hinten und schlug hart mit dem Kopf gegen die Wand, von welcher er sich sicher war, sie hätte sich vorhin noch nicht dort befunden. Seufzend fuhr er sich mit den Fingern über die lädierte Stelle und erwartete in den nächsten Minuten eine dicke Beule am Hinterkopf.

Die Tür schwang auf und Roen balancierte die zwei Holzschüsseln gekonnt hindurch. Wortlos reichte er eine davon zu Rion herüber. Dieser nahm sie dankend entgegen. Der junge Ritter nahm still auf seiner Pritsche platz und begann. Rion tat es ihm gleich. Roen blickte von seiner Schüssel auf und fixierte ihn ohne jede Regung. Als dieser seinen prüfenden Blick bemerkte, sah er ihn verwundert an. Roen schwieg.

„Was´n?“, wandte Rion sich an ihn, „Hab ich was im Gesicht?“.

„Nein…“, die Antwort kam erst noch kurzem Zögern, „Das ist es ja…“.

„Das ist was?“, sein Blick wurde herausfordernd.

Roen stellte sein Geschirr zur Seite: „Unsere Prügelei gestern. Meine Schrammen sieht man noch immer. Das ist normal. Deine sehe ich jedoch nicht mehr…“.

„Echt?“, es war mehr ein froher Ausruf als eine Frage, obwohl es sich danach angehört hatte.

Roen antwortete nicht.

Rion fuhr sich vorsichtig mit den Fingerkuppen über das Gesicht. Tatsächlich. Keine Schwellungen, keine wunden, kein verkrustetes Blut, keine Schrammen. Ganz im Gegensatz zu Roens mitgenommenem Gesicht.

„Das hat mit meinem Körper zu tun…“, meinte Rion und leerte seine Schüssel um sie zur Seite zu stellen, „Bei mir geht das ziemlich schnell mit der Wundheilung“.

Roen sah ihn skeptisch an: „Warum? Wie kommt das?“.

Er zuckte mit den Schultern: „Man hat mir mal gesagt ich hätte ein seltenes Gen in mir, eines welches die Selbstheilung des Körper erhöht. Ein regenerierendes Gen. Die Zellen heilen sich damit um ein vielfaches schneller als normal“.

Er konnte nicht genau sagen, ob Roens Reaktion darauf nun Verwunderung, Ungläubigkeit oder Entsetzen zeigte. Es war zu undefinierbar, wie seine wachen Augen auf ihm ruhten. Er erhob sich nach einiger Zeit und sammelte das Geschirr ein um es wegzubringen. Rion blieb noch immer auf seinem Bett zurück. Er beschloss noch eine Weile liegen zu bleiben um sich völlig auf den Kampf zu konzentrieren und alles andere auszublenden. Roens seltsame Anflüge von was auch immer konnte er später noch hinterfragen. Jetzt war etwas ganz anderes wichtig. Lebenswichtig. Nicht für ihn selbst, sondern für Andere. Das machte die Sache für ihn nicht einfacher. Bei weitem nicht.

Roens Rückkehr deutete ihm an, dass es Zeit war sich vorzubereiten. Es war bereits einige Zeit vergangen. So erhob er sich und griff nach Aura.

„Rion“, sprach er ihn nun doch überraschend an.

Dieser wandte sich nach ihm um: „Noch anwesend!“

„Wie fühlst du dich?“, überraschte er ihn mit seiner absurden Frage.

Rion grinste leicht: „Ein bisschen müde, ich hab Kopfschmerzen, mein Nacken ist verrenkt und ich hab keinen Bock mehr auf dieses Spielchen hier und Ventan und seine Bazille kotzen mich mächtig an. Ansonsten bin ich okay. Warum?“.

Roen griff plötzlich nach seiner Schulter und hielt ihn davon ab auf den Gang hinaus zu gehen: „Rion, ich muss etwas wissen…“.

Er blieb stehen und blickte zu ihm herüber: „Dann frag doch… was ist eigentlich los?“.

„Bist du ein Mensch?“, hämmerte er ihm die Frage an den Kopf.

„Was soll den der Mist jetzt? Natürlich bin ich ein Mensch“, empörte er sich, „Was soll ich denn sonst sein?“.

Er zuckte mit den Schultern: „Ich weiß nicht, ist ja auch nur so eine Frage“.

„Dann muss ich jetzt auch noch was wichtiges wissen“, begann Rion.

Roen schien darauf zu warten.

„Hast du sie noch alle mich so´nen Dreck zu fragen?“, konterte er ihn, „Wenn ich deine Probleme hätte…“.

Er riss sich los und verließ das Zimmer in Richtung Arena.

„Sei froh, dass du die nicht hast, Rion…“, hauchte Roen und sank auf seinem Bett zusammen, den Blick zur Decke gewandt, „Es tut mir leid…“.

Rion stapfte zur Arena, betrat sie wie üblich durch das Tor. All das wurde bereits zur Routine. Es war ihm in diesem Moment so, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Sein Alltag war fremdgesteuert, vielleicht war er deshalb so reizbar in den letzten Tagen. Er verlor zu viel Zeit. Aber dennoch war es nicht er selbst, der seinen Alltag regelte, es war Ventan. Mit dieser neu gewonnenen Erkenntnis stellte er sich seinem Gegner, Gladian, gegenüber. Er war es nun noch, der ihn von seinem eigentlichen Ziel trennte. Der Weg führte nur über ihn. Rion war nicht in der Lage Ventans flammender Rede zu folgen. An ihm prallten seine großen Reden und die Worte über Mut und Heldentum ab. Sie waren ganz weit weg, drangen nicht zu ihm hindurch. Sein Herzschlag übertönte alles, so schien es ihm. Er hatte nur seinen höher schnellenden Puls in den Ohren. Es war ein eigenartiges Gefühl. Als wäre er ganz wo anders, weit weg. Er schüttelte es ab und fühlte sich doch so, als wäre er nicht er selbst. Es entging ihm beinahe, dass Ventan den Kampf für eröffnet erklärte. So zückte er etwas verspätet seine Waffe und konnte nur noch um Haaresbreite Gladians Klinge ausweichen. Eine Weile gelang es ihm das Duell offen zu halten, einige Treffer zu landen und ihn in Schach zu halten, doch sein Körper funktionierte nicht so, wie er es sonst tat. Er wirkte einen Schritt langsamer als sein Kopf es war. Zudem war Rions Blickfeld beeinträchtigt. Hastig wischte er sich mit der freien Hand darüber. Es war, als läge ein leichter Schleier über den Augen. Er sah Gladian nur verschwommen. Sein Körper sträubte sich zunehmend gegen jede seiner Bewegungen. Sein Herz schlug schneller, der Atem wurde schwerer, schleppender. Es schien ihm so, als wollte sein eigener Körper ihn besiegen. Die Schwerthand wurde schwer, zu schwer. Rion war schneller den je außer Atem. Nur noch mit großer Mühe gelang es ihm Gladians immer stärker werdende Schläge zu blocken. Er fühlte sich unglaublich schwach, wechselte die Führungshand und hatte doch nur eine geringe Chance. Seine Augen wurden schlechter, alles verschwamm zu einer nicht mehr zu identifizierenden Masse, zu einem Gemisch aus Farben. Er reagierte stark auf jegliche Einflüsse von Außen – seien es nun Farben, Licht oder Gerüche. Dem wirren Bild vor ihm welches Aufflackerte und erstarb folgte ein dunkler Schatten. Er sah so gut wie nichts mehr, versuchte sich auf sein Gehör zu verlassen. Nichts wollte funktionieren. Alle Stimmen waren weit weg von ihm. Die Welt begann sich zu drehen, zu schwanken. Der Boden unter ihm machte Wellenbewegungen, gab nach. Er stolperte einen Schritt nach vorn. Die Zuschauer trauten ihren Augen nicht. Einige riefen empört, doch er hörte sie längst nicht mehr. Schloss die Augen. Die Menge hatte sich erhoben. Bis auf einen, Ventan. Mit ruhigem Lächeln saß dieser auf seinem Platz und beobachtete das Geschehen und nickte Gladian zu es zu beenden. Dieser verbeugte sich standesgemäß und fasste seine breite Klinge fester in der rechten Hand. Mit einem Lächeln der Genugtuung holte er weit aus und ließ seine Klinge dann blitzartig nach vorn schnellen. Rion stand ihm ahnungslos gegenüber und versuchte angestrengt seinen Gegner ausfindig zu machen. Unsicher bewegte er sich auf ihn zu mit dem Versuch etwas aus dem Dunkel vor seinen Augen zu erkennen. Bis dort wirklich ein sich aus dem dunklen grau ein noch dunklerer Umriss abzeichnete.

„Welch süßer Sieg“, hallten Gladians Worte in der Arena zu ihm hindurch.

Eine Stimme wie aus Eis ließ seinen Puls noch höher steigen, sein Herz hämmerte gegen die Brust als wolle es herausbrechen. Worte aus solchem Hass geformt, als wollen sie sein Blut gefrieren lassen.

Rion öffnete die Lippen, doch es dräng nichts heraus. Er hatte jede Kontrolle über sich selbst verloren. Die Schwertspitze schoss wie ein Pfeil auf Rions Brustkorb zu, zielte nur auf eine Stelle, das sich überschlagende Herz. Mit einem Mal wurde es in der Arena totenstill. Niemand rührte sich, die Menschen vergaßen gar zu atmen. Die Klinge war so schnell, man konnte sie kaum sehen. Rion bemerkte von alledem nichts, bis sich etwas Hartes, Kaltes durch das Kettenhemd bohrte. Schlagartig versteifte der Körper sich. Er hielt den Atem an. Wusste nicht recht wie ihm geschah. Riss die Augen auf. Um ihn herum war es still. Ihm war es, als würde sein Körper schweben. Völlig schwerelos. Er spürte, dass er müde wurde, nicht nur sein Körper… auch sein Geist.

„Rion…“, erreichte ihn schließlich eine Stimme wie aus einem fremden Universum.

Sie wiederholte seinen Namen. Ruhig, Gebetsmühlenartig, als wäre es eine geheime Formel.

Langsam schlug er die Augen auf. Nach und nach gewann sein Umfeld Form anzunehmen. Er blickte um sich. Sein Körper schwebte tatsächlich. Er befand sich in einem unwirklichen Raum, dessen Wände zerflossen. Es gab keinen Boden. Keinen Halt. Nichts. Verwundert tastete er nach der Stelle in seinem Kettenhemd. Dort befand sich ein Loch, kein großes, aber dennoch hatte etwas seinen Schutzpanzer durchbohrt. Rion richtete sich auf, so gut das im schwebenden Zustand ging. Er sah eine kleine Wunde an der Stelle unterhalb des Lochs. Die Haut war verletzt, doch die Wunde blutete nicht, obwohl das Gewebe verletzt war. Es musste bluten. Rions Augen wanderten suchend umher. Er wusste nicht so ganz genau was er suchte. Aber ein Ausgang wäre eine gute Option.

„Rion“, endlich war es ihm möglich die Stimme klar und deutlich zu hören – und sie jemandem zuzuordnen.

„Wisdom?“, seine Stimme war dennoch unsicher.

Eine ebenso zerfließende Gestalt entstieg der unrealen Wand: „So ist es…“.

„Wo bin ich hier?“, löcherte er ihn sogleich, „Wie komme ich hierher? Was ist passiert?“.

„Was bist du so ungeduldig“, scholl er ihn, „Eigentlich hast du nun doch alle Zeit der Welt“.

„Bist du wahnsinnig?“, entgegnete er ihm bereits wieder sehr energisch, „Ich darf nicht noch mehr Zeit verlieren. Ich muss zum Duell zurück“.

„Das ist eine dumme Idee“, meinte er ruhig wie eh und je.

„Warum?“, die Frage stellte er ihm mit einem Blick, dass es Wisdom hätte durchbohren müssen.

Dieser lächelte sanft: „Du bist tot…“.

Rion riss die Augen auf: „Tot?“, das Wort hämmerte in seinem Kopf, „Du lügst…“.

Wisdom schüttelte den Kopf.

„Wisdom, ich kann nicht tot sein!“, fuhr er ihn an und versuchte nach ihm zu greifen, doch er fasste komplett durch ihn hindurch.

Den Gedanken konnte er einfach nicht akzeptieren: „Wisdom… ich muss zurück! Ich kann jetzt noch nicht sterben. Ich brauche noch etwas Zeit“.

„Keine Chance Rion“, lehnte Wisdom ab und seine Augen waren kalt wie sie es immer waren, „deine Zeit ist abgelaufen“.

„Was wird aus meinen Freunden? Ich kann sie nicht einfach so im Stich lassen!“, platzte seine ganze Verzweifelung aus ihm heraus, „Ich muss sie da raus holen. Ich muss wissen, dass sie in Sicherheit sind, dass es ihnen gut geht. Ich war immer für sie da und ich werde es immer sein. Ich schwöre dir, ich hole sie da raus, wo auch immer sie jetzt sind. Ich breche mein Versprechen gegenüber Maideya nicht!“.

Wisdom blickte ihn schweigend an.

Rion wusste, dass sein Urteil bereits gefällt war, dennoch fand er sich nicht damit ab: „Ich werde zurück gehen. Mit oder ohne deine Hilfe. Ich finde einen Weg, Wisdom. Verlass dich darauf“.

„Das ist Schwachsinn…“, entgegnete Wisdom ihm nüchtern, „Es gibt keinen Weg zurück“.

Rion fuhr sich nervös durchs Haar: „Du hast die Zeit angehalten, richtig?“.

„Richtig“, nickte er, „Ich habe die Zeit angehalten, aber ich kann sie nicht zurück drehen“.

Rion schluckte hart und blickte auf die kleine Wunde an seinem Körper. Eine Weile blieb es still. Der Engel der Weisheit schien nicht sehr gesprächig zu sein.

Plötzlich sah Rion zu ihm herauf: „Ich bin wirklich bereits tot?“.

„Was soll das?“, seine Mimik verriet es nicht direkt, doch Wisdom schien aufgebracht zu sein.

„An einer solchen Wunde stirbt man nicht…“, bemerkte Rion und hob die Augenbraue.

Wisdom blickte ihn an, die Pupillen weiteten sich kaum sichtbar: „Gib es auf…“.

Doch Rion konnte seiner Bitte nicht folgen: „Wenn seine Klinge meine Haut bereits verletzt hat, bleibt mir noch eine Chance, ich muss nur schneller sein und den Überraschungseffekt nutzen“.

„Lass es!“, sein Blick war noch immer starr, doch seine Worte dröhnten in einem ungekannten Befehlston im unwirklichen Zimmer.

Rion hob eine Braue: „Wenn es auch nur den Hauch einer Möglichkeit gibt, dann werde ich sie nutzen“.

„Du hängst zu sehr an den Menschen“, warf Wisdom ihm hart vor, sofern man dies bei ihm ausmachen konnte.

„Ich bin nun mal kein so arroganter Egoist“, konterte Rion, doch er unterbrach ihn.

„…Wie ich es bin?“, führte er Rions Satz zu Ende.

Rion schluckte, in Wisdoms kühlen Augen lag eine Spur von Schmerz.

„Du wirst hier bleiben“, beschloss der Engel und wandte sich ab.

„Nein“, widersprach Rion ihm entschlossen, „Du kannst mich hier nicht einschließen!“.

„Du wirst dich wundern, was ich alles kann“, seine Stimme war klar.

In Rion stieg eine innere Wut auf: „Zumindest weiß ich, was du nicht kannst…“.

Wisdom fuhr auf halben Weg herum, seine Augen trafen ihn als wolle er ihn zur Salzsäule erstarren lassen.

Rion widerstand seinem Blick mit dem eigenen. Zu seiner Überraschung war es sogar Wisdom, der das Duell verlor. Er wand den Blick von ihm ab.

Rion fühlte sich seltsam, als er begann: „Du bist doch der Engel der Weisheit. Dann musst du das Ende doch kennen…“.

Auf dessen Lippen formte sich ein angedeutetes Lächeln, wenn es auch ein trauriges war: „Dieses Ende kenne ich nicht“.

Diese Antwort überraschte und irritierte ihn gleichermaßen.

„Wenn ich in deine Zukunft schaue, sehe ich immer etwas anderes. Sie ist nicht berechenbar oder gradlinig. Sie ist mir ein Rätsel, sowie du uns allen ein Rätsel bist“.

„Das ist doch kein Nachteil“, stieg Hoffnung in ihm auf, „Dann könnte es sein, dass ich hier mit einem blauen Auge davon komme, dann kann ich mein Versprechen halten“.

Wisdom sah ihn verächtlich an: „Du bist ein Risiko, niemand vermag dich mehr zu kontrollieren. Du wirst zu gefährlich Rion…“.

Er grinste leicht: „Soll ich dir was sagen, was deine Welt erschüttern wird? Mich hat noch nie jemand kontrollieren können, das hättest du wohl gern“.

„Reiz mich nicht“, warnte Wisdom ihn, „Was bist du so hitzig?“.

„Warum kapierst du nicht einfach, dass ich bin wie ich bin?“, entgegnete Rion streitlustig.

Wisdom fasste sich seufzend an den Kopf.

„Es hat keinen Sinn mit mir zu diskutieren“, meinte Rion, „Ich gewinne eh…“.

Wisdom erwiderte nichts darauf. Er wusste nicht recht was er dazu sagen sollte. Dieser uneinsichtige, dumme Junge schien in diesem Punkt Recht zu haben. Wenn auch nur in diesem.

„Wisdom“, begann Rion, „Ich werde gehen…und du weißt das“.

„Du bleibst!“, entschied Wisdom.

„Du spielst dich auf als wärst du mein Vater!“, warf Rion ihm an den Kopf, „Du kannst nicht über mich entscheiden. Wir drehen uns im Kreis und ich hab keine Zeit für diesen Mist“.

Wisdom wiederholte seinen Satz als hätte er ihn nicht gehört.

„Warum gibst du mir keine Chance mehr? Habt ihr wirklich solch eine Angst vor mir?“, wollte er nun ehrlich von ihm wissen, „Warum willst du meinen Tod?“.

„Ich will deinen Tod nicht“, warf er sogleich ein.

Rion blickte ihn verwirrt an.

„Ich will dich vor einem viel schmerzhafteren Tod retten. Nimm es so hin, Rion. Ich gebe dir eine neue Chance. Aber in einem anderen Leben“.

Er konnte nicht so ganz glauben was Wisdom da vor ihm ausbreitete: „Was soll das?“.

„Leg dich schlafen, Rion. Es war dumm zu glauben ein Mensch könnte diese Aufgabe übernehmen. Es war ein Fehler. Ruh dich nun aus. Lass deinen Körper fallen und schließ deine Augen. Du sollst den Frieden bekommen, den du nie gekannt hast…“.

„Das kann ich nicht“, Rion schüttelte energisch den Kopf, „Das fällt euch deutlich zu spät ein. Ich kann jetzt nicht gehen“.

„Leg dich hin. Hör auf mich“, seine Stimme war eher ein verzweifeltes Flehen als der gedachte Befehl.

„Nein“, seine Augen funkelten ihn an.

„Rion…“, versuchte Wisdom einzulenken, „beruhige dich“.

„Schick mich zurück! Ich werde nicht einen Moment länger hier bleiben. Es kann jede Sekunde zu spät sein. Warum glaubst du mache ich das hier? Für wen? Für dich? Das kannst du vergessen! Du kannst mich mal!“.

Rion traute seinen Augen kaum, vor ihm erschien Wisdom für einen Augenblick in seiner wahren Gestalt. Dann zerfloss er wieder, personifizierte sich. Jeder Zustand hielt nur wenige Momente an.

„Was machst du da? Hör auf damit“, rief Wisdom fassungslos.

„Ich mache gar nichts…“, verteidigte Rion sich und blickte auf Aura hinab.

Sie reagierte nicht.

„Das ist nicht Aura…“, hauchte Wisdom, „das bist du selbst“.

„Ich mache nichts“, versicherte er seine Unschuld.

„Gib nach, bitte. Ich bin nicht mehr in der Lage dich zu beschützen. Geh nicht mehr da raus“.

Doch er konnte Wisdom nicht gehorchen: „Ich sagte ich werde gehen…“.

„Du bist der dümmste Trottel, den ich kenne…“, mit diesem wenig schmeichelhaften Satz versank er in einer der in sich zerfließenden, sich auflösenden Wände, „die Menschen müssen alle Masochisten sein“.

„Ich weiß“, grinste er leicht und bereitete sich darauf vor zurück zu kehren an jenen Ort, an welchem Gladian und dessen Klinge ihn bereits erwarteten. Während er die Sphären durchquerte war ihm, als hätte der Engel eine Träne vergossen. Doch er schob den Gedanken als völlig irrsinnig beiseite. Oder war es wirklich möglich, dass Engel weinen können?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  alana_chan
2009-02-03T22:51:29+00:00 03.02.2009 23:51
Wisdom kam vor und er tut mir so leid: rion kann richtig fies und gemein sein, dabei macht er sich doch nur sorgen um ihn. Wer weiß ob dass der richtige weg für rion war. Er soll sich bloß nicht beschweren wenn es jetzt noch schlimmer wird für ihn. Er hatte sein Chance umzukehren.

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lana


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