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Schuljungenreport

Dr. D-chan klärt auf
von

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Vorbei

Irgendetwas war anders. Bloß... was?
 

"Guten Morgen, blonder Unschuldsengel."
 

"AAARGH!"
 

Okey, nun wusste er, was anders war.
 

Das hier war definitiv /nicht/ sein Zimmer. Und auch /nicht/ sein Bett. Es war das seines Klassenlehrers. Seines /schwulen/ Klassenlehrers.
 

...
 

Mit einem Satz war Chiaki aufgesprungen und zur Zimmertür gerannt.
 

"Fassen Sie mich ja nicht an, sonst schreie ich!", rief der Blonde mit leicht hysterischem Ton und fixierte seinen Lehrer argwöhnisch mit leicht panischem Blick, doch der andere saß seelenruhig weiterhin auf der Bettkante des Bettes, in dem der Junge gerade noch gelegen hatte und lächelte den wohl etwas irre gewordenen Blonden lieb an.
 

"Wollen wir zusammen frühstücken gehen?"
 

"Bitte was?! Ich... ich frühstücke doch nicht mit meinem Lehrer! Außerdem..."
 

"Was außerdem?"
 

"...äh, Sie sind verdammt nochmal schwul und ich hab nun mal keine Lust, mich von Ihnen anfassen zu lassen - vielleicht auch noch im Speiseraum!"
 

Der Lehrer seufzte, senkte seinen Blick und stand dann langsam auf. Chiaki kam es vor, als hätte der andere auf einmal eine viel unfreundlichere Aura bekommen, als er noch vor ein paar Sekunden besessen hatte.
 

"Also, Chiaki", begann der Rothaarige, "was denkst du eigentlich von mir? Glaubst du wirklich, nur weil ich das gleiche Geschlecht attraktiver und anziehender finde, dass ich keinen Anstand habe? Hast du etwa Angst, dass ich auf offener Straße über dich herfalle? Okey, ich meine, das würde ich schon gern... aber trotzdem kenne ich den Begriff "Beherrschung" nicht nur aus dem Duden!"
 

Chiaki war leicht sprachlos, als er die Worte des Älteren vernahm. Er hatte nicht wirklich bemerkt, dass er ihm unrecht getan hatte, indem er so über ihn dachte. Aber - Moment, hatte er nicht gerade gesagt, er würde sehr gern über ihn mal herfallen? Und... hatte er eigentlich nicht gerade die perfekte Gelegenheit dazu? Immerhin stand Chiaki noch in seinem Zimmer und war so gut wie wehrlos. Naja gut, aber wirklich nur fast. Der Blonde war durch seine nächtliche, zweite Identität sportlicher als die meisten Jungs hier in diesem Internat. Von daher brauchte er sich keine Sorgen machen. Oder... doch? Er konnte es nicht leugnen, dass Herr Shikaidou eine beeindruckende Erscheinung hatte und ihn somit verunsicherte. Woher sollte er wissen, wann er ihn sich krallen wollte? Vielleicht jetzt - oder aber auch erst in zwei, drei Monaten, wenn er genau ausspioniert hatte, wie er Chiaki am besten schnappen konnte? Was würde er dann mit ihm machen...?
 

"...Chiaki?"
 

"W-was?"
 

Der Jüngere blickte verwirrt auf den Lehrer, der mit einer hochgezogenen Augenbraue und leicht fragendem Blick vor ihm stand und auf ihn herunterblickte.
 

"Könntest du mir mal verraten, an was du gerade denkst? Doch nicht etwa an Sachen, von denen du noch keine Ahnung hast?"
 

"Ähm... bitte was?! Ich kann über das nachdenken, was ich will!"
 

"Verrat mir doch mal deine süßen Gedanken...", der Rothaarige hatte sich leicht zu ihm heruntergebeugt und sah ihm nun genau in die Augen, "Oder soll ich vielleicht deine Gedanken lesen? Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen muss du ja ein kleiner versauter Junge sein..."
 

Herrn Shikaidous Grinsen wurde fast überdimensional und er sah den Kleineren triumphal an. Dieser starrte zurück und konnte nicht glauben, dass er wirklich so schaute, dass man anhand seines Gesichtsausdrucks erahnen konnte, woran er gerade dachte. Das wäre ja... katastrophal!! Dann hätte ja jetzt praktisch jeder sehen können, dass er an Sex mit seinem... Klassenlehrer gedacht hatte. Heilige Scheiße!
 

"Ich muss geh'n...!"
 

Ganz rot im Gesicht drehte sich Chiaki auf dem Absatz um und stürmte aus der Tür. Sie schlug zu und Hijiri vernahm noch die Schritte des anderen auf dem Korridor. Er stellte sich wieder gerade hin, weil er die ganze Zeit in der leicht gebückten Haltung geblieben war, um genauer in Chiakis Augen zu sehen und grinste nun leicht.
 

"Soso... hellblau...", flüsterte er leise und ging dann zu seinem Schreibtisch, um die Sachen für die heutigen Schulstunden zusammenzusuchen.
 


 

"Wo bist du denn gewesen, Mensch?!"
 

"Wir haben schon gedacht, du bist verschwunden!"
 

Chiaki saß zwei vorwurfsvoll und fragend schauenden Jungs gegenüber, die ihn leicht musterten und ihm dann wieder in die Augen sahen, weil sie wissen wollten, was mit Chiaki passiert war. Doch der wusste nicht so recht, wie er die letzte Nacht erklären sollte: 'Hört mal zu, ich bin ein gefährlicher, böser Meisterdieb, klaue jede Nacht irgendwelche Kunstwerke, in denen sich Dämonen versteckt haben und als ich gestern fertig war, zog mich Herr Shikaidou in sein Zimmer und ließ mich nicht mehr gehen, weil er was von mir will und deswegen musste ich in seinem Bett schlafen.' Nein. Das würde er diesen beiden Pappnasen vor sich ganz sicher /nicht/ erzählen. Den Teil mit seinem Lehrer würde er allerhöchstens Rijou erzählen, doch zur Zeit musste er es /niemandem/ erzählen und wenn er nicht dazu gezwungen wurde, tat er es auch nicht. Er sah ja gar keinen Sinn darin, jemandem zu erzählen, dass sein Lehrer auf ihn stand und... gern mal über ihn herfallen wollte, wie er heute früh noch so schön gesagt hatte.
 

"Ähm... Chiaki, kann es sein, dass du deinen Kopf woanders hast? Wir reden hier mit dir und du hast nichts besseres zutun, als an uns vorbei zu gucken und von sonstwas zu träumen?! Echt mal, Mann... wenn du stumm geworden bist, dann sag's einfach!"
 

Chiaki musste trotz seiner Erklärungsnot laut loslachen, ebenso wie Mizuki, der erst ein wenig Zeit brauchte, bis er verstand, was sein Kumpel Sanji gerade von sich gegeben hatte.
 

"Sehr intelligent, Sanji...", meinte er trocken und stand dann auf, weil er fertig gegessen hatte. Er räumte seinen Teller und das Besteck weg und verließ dann den Speiseraum. Jetzt rückte Sanji ein wenig näher und beugte sich über den Tisch. Er winkte den Blonden mit einer verschwörerischen Handbewegung zu sich heran und raunte ihm dann ins Ohr:
 

"So jetzt kannst du's ja erzählen. Also, warst du gestern noch in der Bar und hast eine flachgelegt?"
 

Chiaki bekam große Augen, was der Schwarzhaarige zum Glück nicht sehen konnte und musste schwer schlucken. Verdammt, was dachte Sanji eigentlich von ihm?! Er hatte nun mal keine Lust, so ein leichtes Mädchen zu nehmen! Warum verstand das dieser Dödel nicht?! Als er nicht antwortete, meinte der andere leicht skeptisch und mit ironischem Unterton:
 

"Oder bist du vielleicht schwul?"
 

"Nein!"
 

Diesmal kam die entrüstete Antwort sofort.
 

"Natürlich nicht! Ich hab gestern so ein Mädchen aufgerissen, ja! Und deswegen war ich auch erst so spät wieder hier, weil ich sie die ganze Nacht gevögelt hab! Bist du nun zufrieden?!"
 

Chiakis Stimme war laut geworden und so hatte wohl jeder sich im Speiseraum befindliche Mensch, der funktionierende Ohren am Kopf hatte, mitbekommen, was der Blonde (angeblich) die letzte Nacht erlebt hatte. Einige Jungs fingen an zu grölen, andere applaudierten trocken und die Lehrer machten betretene Gesichter. Bis auf einer von ihnen: Hijiri Shikaidou.
 


 

Der Blonde fühlte sich nicht gerade wohl, nachdem er so laut eine Lüge herausgeschrieen hatte. Erstens log er nicht gern und zweitens war es eine ziemlich intime Sache, die er so freizügig ausgeplaudert hatte - und sie stimmte nicht einmal! Was dachten denn jetzt die anderen von ihm?!
 

Nachdem nun der Schultag wie im Fluge vergangen war, wollte er noch einmal nachschauen, ob er vielleicht wieder eine e-Mail bekommen hatte. Vielleicht hatte ihm ja Marron oder sein Vater geschrieben. Aber... die wussten ja noch nichts von seiner neuen Adresse und er konnte nur auf einen Brief von ihnen hoffen. Er lachte leise. Von seinem Vater war das schon mal /sehr/ unwahrscheinlich und Marron hatte er mit seinem letzten Anruf sicher auch ganz vergrault. Okey, wer würde ihm sonst noch schreiben? ...hijiri_in_chiaki vielleicht?! Der Junge grummelte leicht und sah nach der elektronischen Post. Doch er hatte nicht eine einzige Mail. Es wunderte ihn leicht, dass sein "Verfolger" ihm nicht geschrieben hatte. Vielleicht hatte er es doch begriffen, dass er nicht bei ihm landen konnte. Gut so. Warum er bei diesem Gedanken ein seltsam leeres und einsames Gefühl nicht unterdrücken konnte, verstand er nicht. Doch er musste sich auf die bestimmt kommende Mission heute Abend vorbereiten. Am besten er schlief jetzt schon ein bisschen, damit er morgen früh ausgeruhter war. Im Gästebett seines Lehrers hatte er aber erstaunlich gut geschlafen, obwohl die gestrige Mission wirklich spät gewesen war... Aber das war ja jetzt vorbei. Wahrscheinlich. Eigentlich sollte er froh darüber sein.
 


 

~*~
 


 

Bei seinen nächsten Missionen war kein Noyn zu sehen und auch tagsüber hatte er keinen Verfolger mehr. Ja, er sollte /wirklich/ glücklich darüber sein. Aber naja, scheinbar gab es ein Gesetz, welches das strikte Verbot erteilte, dass Chiaki Nagoya glücklich sein durfte. Dem Blonden gingen die beiden Männer partout nicht mehr aus dem Kopf. Und zudem wurden die Dämonen nachts immer stärker und es fiel ihm zunehmend schwerer, diese Biester zu bannen. Er musste es tun, ob es sein Leben kostete oder nicht, aber langsam ging ihm die Puste aus. Und alles war so eintönig. Der Schulalltag hatte ihn eingeholt und die Tage vergingen im Gleichschritt der Unterrichtsstunden und der freien Zeit, die Chiaki dazu nutzte, um etwas zu lernen und viel Sport zu treiben, damit er für seine Missionen fit blieb. Ein wenig Gymnastik, Liegestütze und andere kleine Sachen gehörten zu seinem Frühsport und auch im Schulsport schnitt er mit seinen Noten sehr gut ab. Der Lehrer war begeistert von seinen Akrobatikkünsten und wollte ihn sogleich zu einen Wettkampf schicken, bei dem er sicherlich gewinnen würde. Das meinte jedenfalls der Lehrer. Der blonde Schüler aber war nicht sonderlich begeistert davon. Sicher, so ein Wettkampf bedeutete Abwechslung, ein paar Stunden in einem anderen Kaff und vielleicht fand er dort auch ein nettes Mädchen... doch selbst letzteres reizte ihn nicht sonderlich. Wenn man mal beachtete, dass ihn seine nächtlichen Ausflüge ins Reich der Dämonen schwer mitnahmen und er kaum noch Kraft hatte, konnte man es sich einfach nicht vorstellen, wie Chiaki in diesem Zustand bei einem Mädchen landen könnte. Er sah nicht sehr gesund aus und hatte ab und zu tiefe Augenringe, die höchstens Sanji und Mizuki bemerkten, doch sie waren die einzigen. Dachte Chiaki. Man konnte schon sagen, dass es dem Jungen, der irgendwie auch immer dünner wurde, nicht gerade gut ging. Nein, wirklich nicht.
 

"Du musst zum Arzt, Chiaki."
 

"Ja, da hat Sanji ausnahmsweise mal recht. Du siehst aus wie ein verprügelter Sack Kartoffeln."
 

"Und wenn schon...", der Blonde hatte nicht wirklich Lust, sich in die Hände eines Schul-Quacksalbers zu geben, der hier bloß einen Job hatte, weil ihn kein anderer machen wollte.
 

"Ich halte nicht viel von Ärzten."
 

"Und wir halten nicht viel davon, dass du uns eines Tages noch umklappst!", kam es fast synchron von den beiden Zimmergenossen des Blonden, der nicht mal im Traum daran gedacht hätte, dass er den beiden so wichtig war. Oder wollten sie nur nicht allein in dem 4-Bett-Zimmer sein?! Nein, das war auch eine sinnlose Annahme. Irgendwie, so fand Chiaki, war er nicht mehr wirklich dazu fähig, sinnvolle Thesen aufzustellen. Und leider wusste er nicht einmal, warum es ihm seit kurzem so beschissen ging. Er hatte keinen Hunger mehr und schaffte die nächtlichen Missionen kaum noch. Er war meist erst gegen 5 Uhr in der Früh fertig und konnte dann nur noch 2 Stunden schlafen, bevor er - meist ungewaschen und ohne Essen - todmüde in den Unterricht stolperte. Nach den vielen Stunden des Lernens stieg er in die Dusche, vollführte eine geringe Körperhygiene und fiel dann ins Bett, um unruhig zu schlafen, ohne Träume, ohne Erholung. Dass das körperschädlich war, wusste der Blonde auch ohne Möchtegern-Arzt. Und er wusste auch ohne fremde Hilfe, dass er das nicht mehr lange durchhalten würde. Aber ein Gegenmittel wusste er auch nicht. Seine seelische Verfassung war fast am Tiefpunkt und seine Mundwinkel waren nicht mehr gewillt, ihren Weg nach oben zu finden. Wozu denn auch? Er fand nichts lustig. Nicht einmal den Biologie-Unterricht, in dem Herr Shikaidou zum zweiten Mal in diesem Schuljahr das Skelett zur Veranschaulichung des menschlichen Knochengerüsts zu Boden warf. Nein, das war nicht amüsant. Überhaupt nicht. Chiaki hatte desinteressiert aus dem Fenster gesehen, während alle anderen sich halb kaputt gelacht hatten - inklusive dem rothaarigen Lehrer, der mit dieser Aktion eigentlich nur bewirken wollte, dass Chiaki mal wieder lachte...
 

"Komm jetzt mit, sonst prügeln wir dich ins Krankenzimmer, du Nuss!"
 

"Ich... ich will nicht!!"
 

Chiaki hatte einen zornigen Gesichtsausdruck, sträubte sich mit Händen und Füßen, doch trotzdem saß er wenige Minuten später auf einem weißen Stuhl in einem völlig weißen Raum, in dem ein weiß gekleideter Mann ein weißes Blatt Papier mit Chiakis persönlichen Daten ausfüllte. Weiß war eine scheiß Farbe. Auch wenn es keine Farbe war. Der Blonde fühlte sich miserabel. Nach der Routineuntersuchung sah er den Arzt mit einer gelangweilten Miene an:
 

"Und? Bin ich krank?"
 

"Ruhe. Strikte Ruhe, möglichst Bettruhe, inklusive Lern- und Ausgehverbot."
 

"WAS?!"
 

Plötzlich war wieder viel Leben in Chiaki. Der Junge sah den Arzt aus großen Augen an und hatte mit der Faust auf den kleinen Tisch gehauen, sodass es schepperte - was auch immer.
 

"Ich muss aber..."
 

"Nein, du musst dich nur ausruhen. Du bist überarbeitet, eindeutig."
 

Irgendwie war der Blonde ganz froh, dass ihn der Doktor in seiner Aussage unterbrochen hatte, denn er konnte dem ja sehr schlecht auf die Nase binden, dass er nachts stundenlang unterwegs war, um Dämonen unschädlich zu machen. Klang ja auch /voll/ glaubwürdig, zumindest für die, die nichts von Chiakis - Sindbads - Mission wussten. Aber, mal abgesehen von diesen ganzen Umständen - wie sollte er denn jetzt seine Arbeit machen, wenn man jetzt genauer auf ihn Acht geben würde, ob er im Bett liegen blieb oder nicht. Er würde sich hinausschleichen müssen, anders ging es nicht. Oder er hatte sehr viel Glück und er hatte in der nächsten Zeit keine Aufträge mehr. Doch so, wie es momentan aussah, würde er sich wohl jede Nacht einen Dämon zur Brust nehmen müssen. Und er musste doch diese Biester killen, sonst erfüllte er seine Bestimmung nicht! Und was dann passierte, wollte er lieber nicht wissen. Was war, wenn er stattdessen eliminiert und durch jemand anderes ersetzt wurde? Wäre er dann nutzlos? Würde er dann irrelevant sein? Für niemanden interessant?
 

"Geh jetzt am besten gleich ins Bett und versuche zu schlafen. Mach dir keine Sorgen wegen der Schule. Was ich so von dir gehört habe ist nicht schlecht und du schaffst den Stoff, den du nachzuholen hast, mit links."
 

Der Mensch in weiß lächelte freundlich, doch er erreichte den Jungen mit seinen Worten nicht. Denn dieser hatte ganz andere Probleme als Schule. Die interessierte ihn nicht wirklich. Er war eh gegen den Willen seines Vaters hier und auch wenn er bis jetzt immer versucht hatte, sein bestes zu tun, mittlerweile war er an einem Punkt angelangt, wo er nicht mehr wollte. Es war ihm so ziemlich alles egal, bis auf seine Missionen. Denn ehrlich gesagt hatte er Angst vor dem was kam, wenn er sie nicht zur Zufriedenheit des Herren ausführte. Er wollte nicht bestraft werden, vielleicht sogar mit dem Leben bezahlen...
 

Als er in seinem Zimmer ankam, warteten dort nicht nur Mizuki und Sanji, sondern auch ein kleiner, weißer, unauffälliger Briefumschlag, der unter seine Nachttischlampe geklemmt war. Chiaki seufzte tief. Diese und die folgenden Nächste würden sein Untergang werden, wenn er nicht heute Abend schon so verzweifelt war, dass er einfach resigniert liegen blieb und sein Schicksal abwartete.
 

"Wir lassen dich am besten ein bisschen in Ruhe, Chiaki."
 

"Oder sollen wir dir was bringen?"
 

Chiaki schüttelte nur leicht den Kopf und legte sich in sein Bett.
 

"Danke, ist schon gut. Ich soll mich schonen."
 

Die beiden anderen nickten und verließen seltsam leise und vorsichtig den Raum, als wäre der Blonde schwerkrank und würde beim leisesten Geräusch einen Anfall bekommen. Gut, so weit entfernt war diese Möglichkeit gar nicht, denn der Junge war kurz davor, auszurasten. Die Mission diese Nacht würde ihn wieder einmal töten. Jedes Mal ein bisschen mehr. Früher hatte er es doch auch geschafft, war ein fröhlicher, gut gelaunter Mensch ohne Probleme - außer die, die jeder Jugendliche hattee. Aber hier, in diesem Kaff, auf diesem Internat, mit diesen starken Dämonen, diesen schweren Missionen und diesem verdammten Noyn... auch wenn der in letzter Zeit nicht mehr da gewesen war, das schaffte ihn alles. Vielleicht brauchte er wirklich mal Ruhe. Aber wer sollte dann seine Arbeit machen?
 

Marron... aber sie wohnte so weit weg und würde es nicht schaffen, hier rechtzeitig einen Dämon zu bannen. Und außerdem hatte er schon ein paar Wochen lang kein Wort mehr mit ihr gewechselt. Die letzten waren zustande gekommen, als er kläglich versucht hatte, ihr mitzuteilen, das er sie vermisste. Und nach diesem missglückten Anruf hatte er keinen Mut mehr, sich bei ihr zu melden. Sie hatte ihn sicher schon vergessen.
 

War ja auch ziemlich einfach. Er war ja nur ein Junge unter so vielen.
 

Als es plötzlich an seiner Zimmertür klopfte, wurde der Blonde aus seinen Gedanken hochgeschreckt und er sah erschrocken auf seine Uhr, die kurz nach zwanzig Uhr anzeigte. Bestimmt waren es Sanji und Mizuki, die sich langsam ins Zimmer begeben und lernen wollten, denn sie schrieben morgen eine wichtige Klausur. Da konnte man es ihnen natürlich nicht übel nehmen, wenn sie in ihr Zimmer wollten. Umso größer war Chiakis Erstaunen, als er "Herein" rief und keine zwei ihm bekannten Jungs in das Zimmer traten, sondern sein "Verfolger", Hijiri Shikaidou. Chiaki blinzelte erstaunt und sagte kein Wort mehr. Komisch, sonst motzte er den Lehrer immer gleich an, wenn er ihn sah. Aber dieses Verhalten hatte er aus Kraftmangel in den letzten Tagen nicht mehr aufbringen können.
 

"Hallo Chiaki."
 

"...Hi."
 

Der Ältere kam auf das Bett des Jungen zu und zog sich einen Stuhl heran, um sich neben besagte Schlafstätte zu setzen. Er betrachtete den Blonden, der teils nervös, teils fragend eine Augenbraue hob und ebenfalls den anderen ansah.
 

"Du fragst dich bestimmt, was ich hier will."
 

Ein stummes Nicken und fragende, hellblaue Augen, die in einem Gesicht eingebettet waren, welches Stress, Unruhe, Müdigkeit und Erschöpfung ausdrückte, mit jeder Miene, die der Junge machte, dem es gehörte.
 

"Ich hatte gehört, dass du das Bett hüten musst und war sehr besorgt um dich. Die letzten Wochen... haben dich ganz schön gestresst, nicht wahr?"
 

Chiakis Blick wurde müde, als er bemerkte, was der Lehrer wollte und er nickte gelangweilt. Kam jetzt eine schöne Pädagogen-Predigt? Von diesem rothaarigen Typen wollte er sich gar nichts sagen lassen. Der wollte doch nur, dass Chiaki in seinem Unterricht mitkam, auch wenn er jetzt so lange im Bett blieb und sich nicht anstrengen durfte.
 

"Ich hab mir Sorgen gemacht."
 

"Das ist doch Schwachsinn", antwortete Chiaki schnell, ohne sich wirklich bewusst zu werden, was der Lehrer da gerade gesagt hatte. Doch als die Worte sein Gehirn erreicht hatten, verarbeitet worden waren und er registrierte, was ihm da von diesem rothaarigen Mann ernsthaft gesagt wurde, biss er sich auf die Unterlippe und ihm fiel mit einem Male ein, dass dies der Mann war, der ihn ins Bett kriegen wollte. Und vor dem sollte er sich verdammt nochmal in Acht nehmen! Wenn er Schwäche zeigte, nutzte dies der Ältere vielleicht noch aus und machte es sich zum Vorteil...
 

"Ich scheiß drauf."
 

"Das finde ich sehr schade."
 

"Tja, dafür kann ich nichts. Ihre falsche Fürsorge trifft hier nicht auf fruchtbaren Boden."
 

Der Lehrer blieb etwas länger stumm und Chiaki glaubte nun, dass er es endlich begriffen hatte. Doch er irrte sich mal wieder.
 

"Ich bin ein ziemlicher Idiot, dass ich mir gedacht habe, dass es mir nichts ausmacht, dass du scheinbar wirklich auf Frauen stehst. Ich hab es ignoriert, dass du die eine Nacht erst bei einem Mädchen warst und dann zu mir kamst. Ich hab es einfach nicht beachtet... aber dein verhalten heute zeigt mir, dass ich es mir wohl abschminken kann."
 

Herr Shikaidou stand auf, stellte den Stuhl wieder an den Schreibtisch und sah Chiaki noch einmal kurz an, bevor sich umdrehte und das Zimmer ohne ein weiteres Wort verließ. Der Blonde saß wie elektrisiert in seinem Bett und starrte auf die Tür, aus der der Ältere vor wenigen Sekunden gegangen und ihn allein gelassen hatte. Das... konnte doch nicht sein, oder? Dieser Idiot hatte wirklich gedacht, dass das, was er den einen Tag in der Kantine erzählt hatte, der Wirklichkeit entsprach?! Er dachte wirklich, dass er in der Nacht in der Bar gewesen war, um mit einem wildfremden Mädchen zu schlafen?! Vielleicht auch noch für Geld?! Gut, einerseits wusste er dann nichts von seinen Missionen, aber andererseits... ja, warum machte sich Chiaki jetzt eigentlich Gedanken darüber, den Älteren verletzt zu haben?! Yeah, er war ihn los...
 

Oder doch nicht yeah?
 

Chiaki bemerkte, dass es ihm irgendwie besser gegangen war, als der Lehrer noch in seinem Zimmer gewesen war. Er war wie elektrisiert gewesen, als er gehört hatte, dass sich der Ältere Sorgen um ihn gemacht hatte. Auch wenn er wusste, dass er ihn ins Bett bekommen wollte. Nun war alles wieder wie vorher und das schwarze Tuch der Schwere und der Müdigkeit hatte sich wieder über ihm ausgebreitet. Er kuschelte sich tiefer in seine Kissen, schloss die Augen und zog die Decke bis unter das Kinn. Wieso musste er jetzt dauernd an diese roten Augen denken, die ihn so traurig angesehen hatten? Er war doch derjenige, der traurig sein sollte. Schließlich würde er morgen oder heute Nacht sterben, weil er seine Mission nicht ausführen konnte. Zum ersten Mal seit Tagen fiel er in einen tiefen, schweren Schlaf, der ihn so bald nicht loslassen sollte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  silvermoonstini
2008-02-08T23:48:18+00:00 09.02.2008 00:48
Armer Chiaki, er weiß echt nicht was er will! Und Hijiri tut mir auch Leid!Dass er es so schwer hat mit Chiaki wo er sich doch solche Sorgen macht!

Wieder mal ein Super Kapitel!Ich liebe diese Fanfic!


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