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Statement zum GamesCom-Beitrag von RTL Explosiv gamescom 2011, gamescom, Kranker Scheiß

Autor:  DavidB
Ich bin kein Gamer.

Vielleicht ist gerade das der Grund, weshalb ich die recht großen Reaktion auf den GamesCom-Beitrag von RTL Explosiv nicht nachvollziehen kann. Bei mir scheitert es schon beim Ernstnehmen eines Berichtes von RTL Explosiv.
"Sollten irgendwann doch Außerirdische bei uns auf der Erde landen, könnten sie auf folgender Veranstaltung wirklich enge Freundschaften schließen. Wir wissen zwar, dass es auf der GamesCom in Köln, der größten europäischen Spielemesse, um virtuelle Welten geht, trotzdem laufen da teilweise echt komische Gestalten herum."
So wird der Beitrag eingeleitet und, wenn wir mal ganz ehrlich sind, so falsch liegt Nazan Eckes' Kommentar (auch wenn er nur abgelesen war) nicht. Cosplayer wirken seltsam, manchmal sogar für andere Cosplayer. Für Fans gilt dasselbe. Vielleicht hätte es statt "komisch" besser "seltsam" heißen sollen, aber das ist ja kleinlich.
Und wenn wir schon kleinlich sein wollen: Außerirdische, welche die ganze Reise bis zu unserem Planeten geschafft haben (zum Vergleich: Der Mensch schaffte es bis heute nicht zum nächstliegenden Planeten), müssen verdammt intelligente Wesen sein. Und Science Fiction ist in Videospielen auch ein gerne benutztes Thema.

"So, Zeit für ein kleines Ratespiel: Hier im Bild ist etwas merkwürdig. Aber was? Ist es A: die rosa leuchtende Haarfarbe des jungen Mannes mit dem Basecap? Oder B: die Tatsache, dass diese drei Jungs morgens um neun schon ein Bier trinken? Oder ist es C: die Selbstverständlichkeit, mit der sie maskiert und mit mit Messer- und Maschinengewehr-Attrappen bewaffnet über einen Zeltplatz am Rhein spazieren? Die Antwort lautet: alle drei Dinge sind merkwürdig."
Okay, machen wir das Ratespiel mal mit: Rosa Haare sind nichts Ungewöhnliches mehr. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, soll jedem selbst überlassen sein. Da verwundert mich die Käppie schon eher. Die Bierflasche hielt ich auf den ersten Blick für ein Requisit, ein Stück Deko, das zum Cosplay gehört. Selbst wenn es das nicht sein sollte, handelt es sich dabei um eine einzelne Flasche für drei Leute. Drei Cosplayer, wohlgemerkt. Die Maschinenpistole ist dabei für ein Videospiel gedacht, wie der freundliche junge Herr (Altenpfleger Pablo) auf Nachfrage erklärt. Und wie selbstverständlich Menschen mit einem Controller auf einer Spielemesse gehen, sollte eigentlich nicht betont werden. Da ist das Messer ungewöhnlicher, aber auch nicht seltener als gefärbte Haare.
Schon gewusst? "Merkwürdig" kann durchaus auch als Kompliment benutzt werden.

"...Aber nur für uns Außenstehende. Insider wissen: Für diese GamesCom-Besucher ist das alles völlig normal."
Anscheinend schon. Ich war nicht vor Ort, aber da schien sich keiner über Cosplayer gewundert zu haben, oder? Gelogen ist das also nicht.
Und nochmal: Es stimmt, Cosplayer und Fans können auf Außenstehende seltsam wirken.

"Dass die Jungs bewaffnet hierherkommen, findet auf der GamesCom niemand komisch, im Gegenteil! Man fällt auf der weltgrößten Computerspielmesse in Köln eher auf, wenn man nicht verkleidet ist."
Im Internet las ich, dass letztes Jahr die Cosplayerzahl größer war... egal!
Es ist eine interessante Eigenschaft von Nicht-Cosplayern, dass sie Verkleidungen außerhalb vom Karneval und Sex-Rollenspielen seltsam finden. Aber das ist nun mal so, und das nicht gerade erst seit Neustem.

"Man fällt eher auf wenn man nicht verkleidet ist. Entweder als grimmiger Maskenzombiesoldat, als liebesbedürftiges Tigerdrachenmonster oder auch so, als buntes was-auch-immer."
Natürlich könnte man jetzt locker mit fehlender Recherche (oder fehlender Nachfrage) argumentieren, aber der Kommentator macht nur klar, dass er den Standpunkt des Außenstehenden wahren möchte.
Und, wenn man mal ganz ehrlich ist, wirkt ein Digimon mit "Hug me"-Schild schon etwas seltsam.

"Geht ihr auch so in die örtliche Sparkasse?" "Ja. gerade eben noch. Wird man aber immer nur rausgeworfen."
Ganz ehrlich: Der Dialog war verdammt witzig, sowohl von Reporter- als auch von Cosplayer-Seite.

"Man merkt schnell, das ist ein besonderes Publikum hier – eben Computerfreaks."
Mit dem "besonderen Publikum" ist nichts Falsches gesagt worden.
Mal eine Winz-Recherche:
"Computerfreak" bei Google: 760.000 Ergebnisse
"Computerfreak" bei Wikipedia: "kurz Freak, Geek oder Nerd genannt, [...] umgangssprachliche Bezeichnung für einen Computerenthusiasten, dem überdurchschnittliche Kenntnisse im Umgang mit Computern oder im Bereich der Informatik sowie Eigenschaften wie hohe Intelligenz, mitunter auch soziale Zurückgezogenheit oder Eigenbrötlertum zugeschrieben werden."
...fühlen sich Gamer und Cosplayer wirklich davon beleidigt? Ich dachte, es gibt "geek chic" mit modischen "Nerdbrillen" und vielen Kinofilmen, die auf diese Interessen zugeschnitten sind - Geektum ist inzwischen so normal, dass es keine Beleidigung sein solle.
Und der Eigenbrötler-Teil von Wikipedia sollte sich ja mit einer so vollen Veranstaltung wie der GamesCom (254.000 Besucher) geklärt haben.

"Irgendwann in seinem Leben steht jeder pubertierender Junge vor der Frage: 'Kaufe ich von meinem Taschengeld einen Rasierapparat oder doch lieber ein Computerspiel?' Wenn man sich da falsch entscheidet, landet man hier, sagen Gerüchte. Böse Gerüchte."
Ich musste lachen, da ich Bartträger bin und auch einige nerdige Bartträger kenne. Der Vergleich von Rasierapparat und Computerspiel ist allerdings wirklich seltsam.
Und für den außenstehenden Reporter ist die Gewichtung da wohl anders, was man auch an der schnippischen Bemerkung bezüglich gepflegter Bärte hören kann. Allerdings: Wessen Meinung ist euch bezüglich Bart wichtiger, die von RTL oder die von visuellen Vorbildern wie Robert Downey Jr. oder Leonardo diCaprio?
Der Zusatz mit den Gerüchten zeigt auch nur den augenzwinkernden Umgang mit dem Thema. Warum sollte also der Zuschauer diesen Gag ernst nehmen, wenn es nicht einmal der Reporter tut?

"Erzähl mir doch mal wieviel du am Tag Computer spielst?" "Och, so zwei, drei Stunden... Und X-Box eine Stunde nur." "Wieviel Gedanken machst du dir um dein Styling?" "Nich sehr viel. Bin nunmal so wie ich bin."
Hausmeister Oliver hat doch die richtige Einstellung zum Leben. Immerhin ist er ein Hausmeister, da braucht man keine Model-Figur, wenn man ohnehin den ganzen Tag über hart arbeitet an den Dingen, welche den meisten Hausnutzern ohnehin sch...egal ist. Ich gönne ihm die tägliche Auszeit.
Aber was für Antworten hat RTL auch erwartet? Menschen im legeren Outfit tragen diese nicht ohne Grund, und Besucher der GamesCom werden wohl auch weitgehend zur Zielgruppe gehören.

"Warum hast du dir diesen Hut aufgezogen?" "Den muss man sich in einem speziellen Stand... muss man sich den quasi erkämpfen, muss man schön nach vorne und sich den fangen, ist quasi schon eine Art Trophäe." "Hast du eine Freundin?" "Nein." "Warum nicht?" "Warum nicht... ja... Zwischenstand: Ich kann halt einfach nicht auf Mädels zugehen."
Frage eins ist absolut berechtigt, denn Student Marco wird auch wissen, dass der leicht blöde wirkt. Dass der Hut in "Plants vs. Zombies" eine Rolle spielt, ist für die Frage eigentlich gleichgültig, wenn der/die Fragende keine Ahnung vom Spiel hat.
Die zweite Frage ist nur auf den ersten Blick eine Frechheit, aber der Reporter möchte nicht unbedingt auf Klischees hinaus. Dies erläutert er auch daraufhin in Bezug auf die Booth-Babes:

"Das Problem mit den Computer Nerds und den Mädchen scheinen die Aussteller auch schon zu kennen, überall, an jeder Ecke stehen hübsche Hostessen. Die machen die Computerfreaks ein bisschen nervös [...]"
Sehen wir den Fakten mal ins Auge: Auf der GamesCom gab es Unmengen Hostessen. Das stimmt nun einmal. Der Gag, dass dies an fehlenden Freundinnen liegen kann, ist so naheliegend, dass er noch nicht einmal vom Reporter ausdrücklich erwähnt wird.
Und, was für eine Überraschung: Die Typen, welche sich von ihren Kumpels mit den Damen ablichten lassen, werden nervös, wenn alle Welt das dank Kamerateam sieht.

"[...] so wie Laura. Sie ist 23 Jahre alt, arbeitet heute den ersten Tag auf der Messe und das ist lang genug, um die verschiedenen Computerfreak-Kategorien zu durchschauen."
Natürlich sieht der Reporter das so, immerhin ist die Dame nur unwesentliche Stunden länger auf der Messe als er.
Und irgendwie ist es schon interessant, was so ein Booth-Babe über die Typen denkt, welche sie zum Spielen animieren soll und die sich mit ihr ablichten lassen. Ich vermute mal stark, dass sie selbst kaum mehr als Farmville spielt und keine Cosplayerin ist. Reine Vorurteile, ich weiß, aber die passen ziemlich gut zu der jungen Dame.

"Man kann die halt schon so in verschiedene Gruppen einteilen. Da sind halt die, die sich immer verkleiden, je nachdem was für Spiele die gerne spielen, sich auch passend anziehen dazu. Oder da gibt’s halt die, die total in sich gekehrt sind und introvertiert und einfach nur hier so schnell drüber laufen und gar nicht gucken. Und dann gibt’s auch die Gruppe von Leuten, diese Jungs, die gerade in dem Alter sind, wo die auch nicht so oft gerne das Bad aufsuchen, sag ich mal..."
Wir rufen uns in Erinnerung: Die Dame ist ein Booth-Babe. Es gibt die Leute, die sich nicht für sie und das Spiel, welches sie promotet, interessieren und weitergehen. Es gibt aber auch diejenigen, welche sich schon für sie interessieren und sich mit ihr ablichten lassen wollen. Dabei kommen sie ihr so nahe, dass sie schon den Schweißgeruch der Menschen wahrnehmen kann - also eindeutig zu nahe. Verständliche Unterteilung für einen halben Tag Arbeit und verständliche Kritik. Immerhin soll es ja auch recht warm im Messegelände gewesen sein.
Die Unterteilung in Cosplayer und nicht-Cosplayer entspricht interessanterweise nicht der Reporter-Meinung, der sich noch zu Beginn als Unverkleideter als rare Spezies fühle.

"Das soll Laura auch mal vorführen. Wir bitten sie, uns einmal ein paar typische Vertreter der einzelnen Gruppen zu zeigen [...]"
Da hätte der Reporter nur ein wenig am Stand warten müssen. Verkleidete soll es laut ihm genug geben, Vorbeilaufende und Aufdringliche wären dann auch zu sehen gewesen.
Und dass RTL Leute vorführen möchte, ist nichts Neues.

"[...] zum Beispiel einen aus der Schlabber-T-Shirt-Fraktion." "Seine Haare sind länger als meine und er hat diese typischen Schlabbersachen an, also - ist unrasiert und sowas alles. Ich glaube nicht dass ihm das so wichtig-" "Unrasiert, aber gut gestutzt!" "gut gestutzt, das muss man zugeben. Nein, aber ich glaube, er legt jetzt nicht so viel Wert auf sein Äußeres." "Ich lege schon wert drauf, gerade momentan, wenn es darum geht, Bewerbungen zu schreiben [...] Das ist natürlich nur so 'ne Jugenphase."
Der junge Herr (keine Bauchbinde mit seinem Namen und Job? Schlampige Arbeit, lieber Reporter!) ist nicht nur schlagfertig, sondern auch intelligent genug, um in die Zulunft zu blicken. Lange Haare und ein Bart scheinen wohl nicht Lauras Geschmack zu sein, aber dafür kann ja der Reporter nichts.
Außerdem hat der junge Herr Humor und selbstsicherer vor der Kamera als Laura.

"Eine andere Kategorie sind die Verkleideten. Und Laura soll mal raten, was macht diese Kandidatin wohl gern? Also, außer Haarspangen-Sammeln."
Ich lasse mal Lauras freundlichen Vermutungen raus, dafür kann der Reporter sowieso nichts, der die Dame eben auch für eine weitere Außenstehende hielt und deshalb so prominent vertritt.
Die Cosplayerin (oder ist es J-Mode?) wird insgesamt sehr freundlich von Laura und dem Reporter behandelt.

"Die überwiegende Mehrzahl aller Messebesucher trägt aber den Computerspieler-Einheitslook: Dunkle Schlabberklamotten, die manchmal etwas streng riechen."
Das streng-Riechen ist ein Laura-Zitat.
Und dunkle Shirts sind anscheinend wirklich eine Mode, das sieht man ja auch auf der Straße. Modische Messebesucher also.

"Die achten einfach weniger auf ihr Äußeres. Vielleicht haben sie einfach auch zu wenig Zeit dafür, weil... man wird ja irgendwie auch süchtig nach diesen Spielen, da spielt man halt den ganzen Tag, und dann denkt man sich vielleicht einfach 'Keine Lust'."
Laura amüsiert mich. Trägt sie nicht auch schwarz als Arbeitsklamotte? Und sie verdient Geld mit ihrem Aussehen, das tun die Messebesucher natürlich nicht. Und wozu sollten sie sich auch schick machen? Für einen Messebesuch? Sie wollen ja nichts verkaufen, die können ruhig leger gekleidet sein.
Übrigens: Hausmeister Oliver spielt zwei, drei Stunden - laut Laura also den ganzen Tag.

"Oder halt auch mit dem Alter, glaube ich, da hat man andere Interessen."
Wie zum Beispiel die, weshalb man auf eine Spielemesse geht? ;)
Ernsthaft, wer glaubt, dass diese so simpel denkenden Dame jemanden beleidigen möchte? In ihrer simplen Welt läuft es eben so, wie sie es beschreibt.

"Und ganz zum Schluss haben wir auch die drei Jungs mit den Spielzeuggewehren wieder getroffen. Das Bier ist inzwischen alle, bei dreißig Grad im Schatten haben sie unter ihren Verkleidungen ganz ordentlich geschwitzt. Das sieht man und riechen kann man es auch."
Und wieder scheint keine Lüge dabei zu sein. Spielzeuggewehre auf einer Spielemesse? Stimmt. Dreißig Grad im Schatten? Laura wird's bestätigen. Man schwitzt bei solchen Temperaturen übrigens auch ohne Verkleidung.

"...und ein Mädchen haben sie hier heute auch noch nicht kennengelernt."
Wenn dort alle Mädchen so wären wie Laura, würde ich sie auch meiden.
Moment, nochmal: Die drei Jungs sind auf einer Spielemesse, nicht auf einer Datingbörse.

"Und es könnte sein, dass das alles irgendwie zusammenhängt."
Da ist es wieder, das eindeutige Zeichen, dass der Reporter den Schalk im Nacken hat.
Denn natürlich hängen hohe Temperaturen mit Schweiß zusammen, und natürlich interessieren sich Jungs auf einer Spielemesse eher für Spiele als für Booth-Babes. Natürlich hat die ahnungslose Laura Vorurteile, wenn die Temperaturen diese bestätigen. Wenn Laura aber die falschen Voraussetzungen dafür schafft, ist das ihr Problem.
Und auch das Problem von jedem, der sich von diesem Beitrag beleidigt fühlt.

(Die Zitate sind größtenteils nach Gehör und Erinnerung, also wahrscheinlich nicht hundertprozentig authentisch. Das tut mir Leid.)

Kann man diesen Beitrag ernst nehmen? Sollte man das überhaupt? Erwartet man seriöse Berichterstattung von einem Fernseh-Magazin, welches auch über Promi-Hochzeiten und Brust-OPs berichtet?

Nach der Terrorisierung von anscheinend humorlosen Videospielern, welche das Konzept hinter RTL Explosiv nicht verstanden haben, gab es eine kurze Entschuldigung während einer folgenden Ausgabe des Magazins.

"So, und jetzt ist es Zeit für eine Stellungnahme in eigener Sache. Sie haben vielleicht unseren Bericht über die GamesCom vergangene Woche gesehen. In diesem Beitrag haben wir verallgemeinert und überzeichnet. Und wenn wir Gefühle verletzt haben sollten, dann entschuldigen wir uns ausdrücklich dafür."
Erstens: RTL Explosiv hat nichts überzeichnet, das war Laura. Verallgemeinert hat der Reporter schon.
Zweitens: RTL Explosiv entschuldigt sich für diesen einen sarkastischen Beitrag, aber nicht für ihr sonstiges Programm?
Drittens: Mein zweiter Punkt war vielleicht falsch formuliert. Etliche Beschwerden kamen für diesen einen Beitrag, aber nicht für RTLs sonstiges Programm? Der Beitrag unterscheidet sich überhaupt nicht von RTLs sonstigen karikierenden Programmen, im Gegenteil: Hier kommentierte nur Laura, kein Reporter.
Viertens: Wie viele Menschen haben keinen Humor? Gibt es noch sowas wie Lachen über sich selbst? Wenn South Park es macht, ist es witzig, aber wenn es in einem Magazin kommt, ist es beleidigend? Ganz dicke Doppelmoral, Freunde, ganz dick.

Ich hoffe, mit diesem Kommentar kein allzu totes Pferd mehr geprügelt zu haben.


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