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Arbeit und Ablehnung Arbeit, Callcenter, Persönliches

Autor:  -Broeckchen-

"...zu fragen ist nicht illegal, und sie brauchen ja auch nichts erzählen, wenn sie keine Lust dazu haben.", sage ich freundlich. Der Mann am anderen Ende wird lauter. "Sie haben ja wohl eine klare Ansage von mir gerade erhalten!", brüllt er mir in die Ohren, die schmerzhaft klingeln... dabei protestieren sie sowieso ja schon gegen das stundenlange Tragen des Headsets, dass auf meinem Kopf prangt. Ich versuche in beschwichtigendem Tonfall, dem Mann seine Aufregung zu nehmen. "Bitte beruhigen Sie sich doch... Wenn sie nicht möchten, ist das doch okay ich mag Ihnen einfach nur noch-" Tuten antwortet mir. "-einen schönen Abend wünschen.", beende ich den Satz resigniert und klicke in einer Dropdown-Box unten auf einer Registerkarte neben dem Wort "Ergebnis:" die Auswahlmöglichkeit "Kein Interesse" an.

Das Callcenter-Arbeit kein reiner Spaßjob ist, wurde mir schon klar, als ich mich für das Unternehmen Kirby an einen Tisch setzte, durch eine weiße Stellwand von meiner einzigen Mitarbeiterin getrennt, und man mir ein Handy und eine Liste mit Namen und Telefonnummern, sowie eine leere Tabelle für die Leute in die Hand drückte, die auf die mir zugewiesene Umfrage antworteten. Erst machte es mich stutzig, dass ich mir die Antworten auf diese Fragen gar nicht notieren brauchte. Dann verwunderte mich das Arbeitsmaterial. Und als ich dann feststellte, dass die meisten Leute, die überhaupt auf die Anrufe eingingen, die 70 überschritten hatten und scheinbar froh darüber waren, überhaupt mal mit jemandem reden zu können, legte ich der Arbeitgeberin meine Materialien hin, bedankte mich freundlich und stieg in den Zug nach Hause. Von wegen Umfrage.

Bei Telkas, der nächsten Firma, bei der ich mich bewarb, sah das gleich besser aus. 12 Euro Stundenlohn, beziehungsweise bei Festanstellung 400 Euro monatlich für zwei Vierstundenschichten in der Woche und 800 für fünf. Keine Scheinumfragen sollte ich machen, sondern jedem, der mich fragt, ruhig wahrheitsgemäß antworten, dass wir an einem Verkauf interessiert sind. Allerdings diesmal mit Vodafone als Vertragspartner und der Auflage, dass ein Verkaufsgespräch nur Leuten angeboten wird, für die sich der Tarif auch wirklich lohnen würde. Allein schon den Namen Vodafone im ersten Satz zu nennen bescherte mir dabei einen viel schöneren ersten Arbeitstag als bei Kirby, fielen doch selbst die Ablehnungen deutlich freundlicher aus.

Allerdings bleiben sie natürlich noch immer, die Menschen, die einfach nur auflegen, oder vorher kaum mehr als ein "Kein Intresse" rausdrücken. Und vereinzelt kommen die Fälle vor, die uns ausgiebig beschimpfen (Legendär: Der Herr, der sich bei Telekom über den Anruf des Vodafone-Subunternehmens beschweren gehen wollte!) als wären wir gierige Geier, die versuchen ihnen das letzte Hemd vom Leibe zu picken. Dabei sitzt der Betrüger nie selbst am Telefon. Die Leute, die in den Haushalten anrufen und durchklingeln, ackern sich für gewöhnlich für maximal 8 Euro die Stunde (Ja, mein Arbeitgeber ist die Ausnahme die die Regel bestätigt!) in langen Schichten ab, können das Freizeichen inzwischen genauso wenig mehr hören wie Besetzt-Tuten und Anrufbeantworter und lassen mit einem freundlichen Lächeln und einem "Ich wünsche Ihnen trotzdem noch einen schönen Tag!" pro Stunde dreistellige Zahlen von Absagen über sich ergehen. Manche bekommen noch nicht einmal ein richtiges Gehalt, sondern werden von den Firmen, die sie anstellen, mit dem Freibetrag für Arbeitslose abgespeist, verdienen sich also nur 160 Euro im Monat als Zubrot um ihr Hartz IV aufbessern.

Inzwischen wird in Callcentern jedem Mitarbeiter vorweg eines beigebracht: Wenn der Kunde nicht interessiert ist, ist er eben nicht interessiert, Punkt! Selbst jemand, der die Umfragen bis zum Schluss durchmacht, muss immer gefragt werden, ob er Interesse an einem Rückruf hat. Und dann kann man freundlich Nein sagen, bekommt nett einen schönen Abend gewünscht und kann auflegen. Sehr gefreut haben mich auch alle Leute, die sich supernett meldeten (bei manchen geht da schon beim "Hallo!" echt die Sonne auf!) und nach meinem ersten Satz antworteten: "Danke, kein Bedarf. Aber schönen Tag noch, tschüs!"Tatsächlich, es sind mehr Worte als "Kein Intresse!". Aber einem müden Callcenter-Mitarbeiter kann das wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Vielleicht kann ja jeder, der das liest und sich selbst, Freunde oder Verwandte wieder erkennt, das einfach mal umsetzen und dazu anregen. Denn ich weiß, ja, wir alle wissen, wie nervig oft Callcenter anrufen und um diese und jene Umfrage, Anfrage oder Befragung bitten - aber egal wer am anderen Ende sitzt, er hat garantiert in diesem Augenblick schon mindestens das Dreifache an solchen Anrufen hinter sich, und bei den meisten unfreundliche Absagen gekriegt. :3

Ganz großes Dankeschön an jeden unter euch und in eurem Bekanntenkreis, der freundlich zu solchen Anrufern ist. Es ist so schön, lieb begrüßt zu werden, einen schönen Tag oder viel Erfolg gewünscht zu bekommen, oder einfach mal ein wenig über seinen Gesprächspartner zu erfahren. Ganz besonders toll fand ich Mamis, deren Kinder im Hintergrund deutlich hörbar plärrten, die aber trotzdem geduldig und freundlich dranblieben. Alle haben sie kein Interesse bekundet - das aber so nett gemacht, dass es mir die eine oder andere graue Stunde sehr versüßt hat. Danke also an jeden, der sich mit einem Lächeln meldet, und es auch für Callis nicht verliert. :3

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Datum: 23.07.2009 02:52
Ich habe eine klare Regel: Keine Outbound-Arbeit im Callcenter. Kundendienst gerne, aber kein Outbound.
Sure, it's all fun and games until the tentacled lizard-spider that was your crotch tells you that everything is made of Tuesday because only the sky can cook happiness.


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