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Einzelposting: Wieviel darf eine Commission kosten?


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Von:   abgemeldet 28.06.2021 09:42
Betreff: Wieviel darf eine Commission kosten? [Antworten]
Wie schon von Yenni angesprochen, hat sich vieles verändert. Heute ist es gemeinsamer Konsens, dass man für Bilder, die man für eine bestimmte Person ausarbeitet, Geld als Gegenleistung anbietet. Und als jemand, der sich so eine Kunstwelt von der Jugend an wünschte, fand ich das lange Zeit super. Man hat mich für diesen Wunsch früher verprügelt und 80 km entfernt von Zuhause ausgesetzt, damit ich "klar im Kopf" werde. Nun ist mein Wunsch erfüllt worden und die Kunstwelt, die daraus entstand, finde ich schrecklich.
Ich habe es zwar schon in meinen Blogs beschrieben, aber hier nochmal: Ich finde, wenn Kunst nur noch produziert wird, um damit Gewinne zu erzielen (die nicht unbedingt monetär sein müssen), dann versklavt sich der Künstler selbst. Er zwingt sich dazu, nur noch das zu produzieren, das von ihm erwartet wird. Wirklich "freie" Kunst ist also gar nicht möglich. Einem Apfelbauern wird man vielleicht noch sein neues Produkt wie Eier oder Mehl abkaufen. Aber was wenn er stattdessen plötzlich Dildos produziert? Er würde nicht nur seine keine neuen Käufer finden, sondern einen Großteil seiner Stammkunden verlieren. Jean-Paul Sartre beschrieb es als "Zur Freiheit verurteilt."
Der Mensch kann zwar tun oder sagen, was er möchte. Aber was einmal getan oder gesagt wurde, dafür ist er dann verantwortlich. Er kann es dann nicht mehr ändern oder zurücknehmen.

Bei mir war es so, dass ich vor kurzem zwar Geld mit meinem Zeug verdient habe - und das nicht wenig. Hätte ich mich angestrengt, wäre ich auf mindestens 2.000 € pro Monat gekommen, was auch mein Ziel war. Allerdings fühlte sich meine Kunst nicht mehr wie meine Kunst an. Ich lebte bzw. malte nur noch für die Zuschauer. Hatte ich dann etwas Neues, Eigenes ausprobieren wollen, gingen die Zuschauer auf die Barrikaden. Verständlich, denn sie bezahlten ja dafür, BESTIMMTE Dinge und keine neuen Dinge zu sehen.
Die industrielle Kunstwelt in Studios und Verlagen ist ähnlich, wie ich schmerzlich feststellen musste. Mir war schon zuvor bewusst, dass man dann nicht mehr malt und zeichnet, was man will. Aber 18 Stunden am Tag? Für 100 bis 400 € pro voller Illustration? 24/7/356? Wofür lebt der Künstler dann noch? Wo soll er seine Inspiration herholen? Zumal immer das gleiche Niveau, immer ähnliche Motive verlangt werden. Eine Entwicklung des Künstlers ist oft nicht erlaubt, da er dann nicht mehr so arbeitet, wie man es von ihm gewohnt ist.
Also fiel das für mich auch weg und ich musste die (nicht wenigen) Angebote in den Wind schießen. Blieben noch Commissions für mich. Letztens schätzten mehrere Leute meine Werke auf bis zu ungefähr 2.000 € pro Stück. Ich fühlte mich sehr geschmeichelt. Allerdings, wie ich Eingangs sagte, ist die Kunstwelt heute anders geworden. Zwar wird heute häufiger dafür bezahlt, aber diese Einstellung senkte die Preise im Allgemeinen. Wer würde denn heute noch 2.000€ für ein Werk bezahlen, obwohl der Künstler 72 Stunden daran gearbeitet hatte? Besonders der digitale Bereich ist weiterhin verpönt, obwohl man dabei sogar wesentlich mehr Arbeit hat, als in der traditionellen Kunst. Mehr Werkzeuge bedeuten mehr Möglichkeiten. Mehr Möglichkeiten bedeutet, dann man mehr Faktoren beachten, lernen und bearbeiten muss.

Darum: Ich würde zwar sogar bis zu 3.000 Euro verlangen, was noch vor dem Internet für meine heutige Qualität ein marktüblicher Preis war, aber das würde heute niemand mehr abdrücken wollen. Darum finde ich, dass sich viele hier im "Hobby-"Bereich weit unter Wert verkaufen. Ich sehe oft Künstler/innen, die ihre Werke für das zehnfache verkaufen könnten. Würden das alle machen, wäre es kein Problem. Aber 20 Euro für so viel Arbeit? Um anderen eine Freude zu bereiten? Wir sind keine koreanischen Animationstechniker hier, die als Sklaven im Keller arbeiten. Wir sind Illustratoren und zum Teil auch Concept Artists oder Comic Artists. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Es gibt Leute, die eine Sakimi bei weitem überflügeln und dennoch sahnt sie (für euer schlechte und vor allem immer gleichbleibende Artworks!) Preise in Form von Auszeichnungen, Geld und Zuschauer ab. Sie ist rein gewinnorientiert und das macht den kompletten Kunstmarkt kaputt. Quantität über Qualität. Wegen solchen Künstler/innen, ist es heute kaum möglich mehr Geld als die obligatorischen 20 - 60 Euro zu verdienen.

Ich selbst möchte mit meinen Artworks nichts mehr verdienen. Ich möchte nichts einnehmen, sondern ausgeben. Etwas der (Nach-)Welt hinterlassen. Klar, es wäre schön, wenn ich einen Mäzen hätte und nie wieder "normal" arbeiten gehen bräuchte. Aber ich musste schmerzlich erfahren, dass die Kunstwelt nicht mehr dieselbe ist wie früher, als wir alle damit anfingen in unserer kindlichen Naivität. Mir ist es nur noch wichtig, mich auszudrücken. Etwas mit meinen Bildern zu sagen. Ohne Gegenleistung. Ich bin auch kein Buddhist gewesen, nur um anderen die Welt aus meiner Sicht zu erklären - mit dem Ziel, damit Geld zu verdienen. Ich will einfach nur sein. Auch als Künstler.
Zuletzt geändert: 28.06.2021 09:48:51

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