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Schleifen in Blut und Zeit

Ein Todesfall, eine Hochzeit und die Krümmung der Raumzeit
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
In dieser Geschichte dreht es sich um die Theorie von Schrödingers Katze - oder Hanyou. Und die Tatsache, dass man besser die Finger von Zeitreisen lassen sollte. Oder auch von Zeitreisenden.
Und Sesshoumaru fragt sich bald, wer denn nur Interesse daran haben kann sein sowieso schon vollgepacktes Leben noch erheblich dornenreicher zu machen. Komplett anzeigen

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Urasae


 

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ie alte Frau, deren hervorquellende Augen eine Schilddrüsenerkrankung nahelegten, ordnete unbewusst etwas das lockere Haarband, ehe sie sich dem Feuer zuwandte. Sie konnte die Magie spüren, die sie gerufen hatte – und ihr Gesprächspartner, nun, ihr Herr, wartete nicht gern. Sie erkannte in den Flammen auch prompt seine Rückseite. Weiße Hosen lugten unter dem dunklen Umhang hervor, zeigten fast menschliche Beine, aber ihr war klar, dass der Daiyoukai nur bis zu seiner Taille einen, wenngleich auch nur scheinbar menschlichen, Körper besaß. Oberhalb des Gürtels bestand er mehr aus Nebel, ohne dass ihn das freilich gehindert hatte, sie aus dem Jenseits zurück zu rufen, ihr nicht nur das Leben, sondern auch mehr als interessante Aussichten zu geben. Sie würde Kaiserin von Japan werden. Zugegeben, zunächst war sie misstrauisch gewesen. Kein Youkai, schon gar kein Daiyoukai, schenkte etwas ohne Grund. Aber sein Argument, dass er, selbst, wenn er seinen Körper wieder hätte, doch in menschlichen Augen etwas abschreckend wirkte, hatte sie überzeugt. Sie wäre die wahre Kaiserin, würde auf dem Thron sitzen, umringt von Höflingen, nun ja, was in der heutigen Zeit sich so nannte, und Iwatakko würde sich mit den Youkai befassen und dem langweiligen Verwalten. Es stimmte, alles, was sie selbst als zauberkundige Hexe von ihm hatte sehen können, ließ sie nicht bezweifeln, dass er auf diese närrischen Menschen abschreckend wirkte. Immerhin besaß er wohl mehr als zwei Arme und unter dem Schatten der Kapuze leuchteten zwei rote, fast handtellergroße, Augen.

Sie neigte jedoch lieber den Kopf, sicher, dass er wusste, dass sie auf den Ruf reagiert hatte.

„Bericht, Urasae,“ kam auch prompt die Aufforderung.

„Das Gift wirkt nun schon seit Wochen hervorragend, Iwatakko-sama,“ sagte sie. „Der Hanyou wird immer schwächer, und ich konnte zufällig mitbekommen, dass er sich bereits nur noch in seiner menschlichen Form befindet. Das Zimmer selbst ist nun für alle, außer dem Taishou und dem Heiler gesperrt. Dieser ist ein Kappa, sehr alt und heilkundig, aber es gelang mir jeweils einem Eurer Kagemusha mit weiteren Kräutern dorthin zu senden, so dass seine, durchaus interessanten, Mittel versagten.“

„Warum ist er noch nicht … tot?“

Urusae hörte die leise Kritik und verteidigte sich prompt. „Er wehrt sich sehr gegen das Sterben. Er kämpft, wie ich es noch nie bei einem Menschen oder Youkai sah.“

„Natürlich, Hexe. Er ist etwas besonderes, darum will ich ja auch ihn, oder, genauer, seine Lebensenergie. Er ist das letzte Opfer, dann kann ich meinen Körper wieder vollständig herstellen.“ Allein der Daiyoukai, den er zu sich genommen hatte, hatte ihm schon einmal einen vollständigen Unterkörper beschert. Um wie viel mehr würde es das zaubermächtige Blut eines Wesens, das aus Daiyoukai und einer Sterblichen entstanden war. „Der Abtransport ist gesichert?“

„Ja. Es muss allerdings schnell gehen, denn ich vermute kaum, dass man den Hanyou jetzt noch allein lässt.“

„Der Heiler und der liebe Bruder? Man sollte annehmen, der hat auch andere Dinge zu erledigen. Immerhin schimpft er sich Taishou.“

„Ja. Es fand vorgestern eine Sitzung des Hohen Rates statt.“

Iwatakko sah sich noch immer nicht um. „Du konntest natürlich als die Dienerin, die du spielst, nicht hinein. Ein Kagemusha?“

„Nein, Herr. Aus zwei Gründen. Ihr habt sie mir zur Verfügung gestellt, damit wir Euch den Hanyou ausliefern können. Und es ist durchaus möglich, dass er jeden Moment stirbt. Ich wollte nichts versäumen, denn natürlich muss ich den Austausch unverzüglich und unauffällig stattfinden lassen. Sie müssen dann kurzfristig agieren. In dem Schloss wimmelt es von Youkaikriegern und Daiyoukai.“

„Der zweite Grund?“

„Ich habe immer noch gewisse Sorge, dass sie ihn nach Tokio schaffen in ein Menschenkrankenhaus. Darauf wollte ich auch vorbereitet sein und benötige Eure Musha.“

„So töricht wird der liebe Taishou doch nicht sein, obwohl, Brüder. Nun gut.“

„Darf ich fragen, ob sich Euer Bann verändert hat?“

„Nein. Um die gesamte Halbinsel liegt er. Kein Mensch, kein Youkai kommt durch. Nur ein sehr starker Hanyou käme.“

 

Und natürlich seine Musha und Urasae. Menschen, in diesem Gebiet hatten gut tausendreihundert gelebt, standen sowieso unter seiner Kontrolle. Lebende Tote, sozusagen. Immer wieder ließ er sich einige von seinen Kagemusha als Opfer bringen. Er benötigte Energie um den Bann zu halten, seinen Körper zu regenerieren, die Schattenkrieger am Leben zu halten und zu kontrollieren. Viel Energie. Bis er sein eigenes Youketsu in vollem Ausmaß wieder hatte, das hieß, diesen Hanyou besaß, musste er eben haushalten. Immerhin schienen selbst diese technikverliebten Menschen in dieser Zeit nichts von dem Bann mitbekommen zu haben. Sie schoben die Störungen in der Elektronik, oder wie man das heutzutage nannte, anscheinend den heftigen Erdbeben zu, mit deren Hilfe er seinen Palast langsam aber sicher vom Meeresgrund emporhob. Noch ein bisschen, dann war er und das umgebende Land wieder im Tageslicht.

Und, ja, die Menschen sollten da mal durch putzen. Jahrtausende auf dem Meeresgrund hatte seinem repräsentativen Palast sicher geschadet. Wenn die Hexe mit dem Hanyou hier war – und sie schien noch nicht mitbekommen zu haben, dass er sie über jeden seiner Schattenkrieger beobachten und abhören konnte – und er dessen Lebensenergie aufgenommen hatte, war sie sowieso wieder fällig. Sie hatte schon vor Jahrhunderten versucht mit Hilfe einer Armee tönerner Krieger Japan zu erobern, Und war letztlich, wie sie verlegen zugeben musste, von irgendeiner hergelaufenen Priesterin geläutert worden. Ein tödlicher Fehler, aber auch das bewies, dass sie unvorsichtig war – und zu ehrgeizig. Niemand, den man brauchen konnte, wenn man selbst an die Macht wollte.

Rein zufällig hatte sich herausgestellt, dass Urasae eine persönliche Rechnung mit dem Hanyou offen hatte, der hatte ihren Sohn getötet. Natürlich war das gut für ihn selbst. Der Daiyoukai hätte fast gelächelt, aber das war ihm noch immer versagt. Ja, die Gute würde sich alle Mühe geben den Kerl umzubringen und ihm auszuliefern. „Gut. Dann fahre wieder in das Schloss zurück. Übrigens, ich habe es vergessen, wie heißt eigentlich der Hanyou?“

„Inu Yasha.“
 

Der Brunnen


 

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ie Zeit ist der Same des Universums.

Mahabarata

 

Frau Higurashi war ein wenig erstaunt, dass Kagome nicht zum Mittagessen erschien. Sie hatte sich nicht verabschiedet, war aber auch nicht in ihrem Zimmer. Aber die Mutter ahnte plötzlich, wo ihre Tochter stecken könnte und ging aus dem Haus, über den Hof des alten Schreins zu dem Brunnenhäuschen.

Vor drei Jahren war der Brunnen für drei Tage verschwunden gewesen und sie, ihr Sohn und ihr Schwiegervater hatten sich die größten Sorgen gemacht, wussten sie doch, dass Kagome regelmäßig durch diesen Brunnen sprang um zwischen der Moderne und der Epoche der Kriegerischen Staaten zu reisen. Dann war der Brunnen wieder erschienen und mit ihm Kagome und Inu Yasha. Allerdings war der junge Hanyou gleich darauf wieder verschwunden und der Brunnen war, laut Kagome, versiegelt, ein vollkommen normaler Brunnen, ohne jede Magie. Das Mädchen hatte es hingenommen, ja, schien glücklich darüber wieder ganz normal in die Schule gehen zu können, ihren Abschluss zu schaffen.

Nach diesem Abschluss, genauer, nachdem sie vor drei Tagen ihr Zeugnis erhalten hatte, hatte sie sich allerdings verändert. Immer wieder sprach sie von den Leuten aus dem Mittelalter, erzählte Geschichten, in jedem Satz kam mindestens einmal Inu Yasha vor – nur ein Narr hätte nicht gesehen, dass sie ihn vermisste. Also war sie wohl bei dem alten Brunnen, in der Hoffnung irgendein Zeichen zu erkennen.

Die Mutter war ein wenig besorgt. Warum jetzt, nach drei Jahren, in denen Kagome doch scheinbar nie an den Hanyou gedacht hatte. Nun, sie hatte nicht darüber geredet. Ja, da hockte das Mädchen am Brunnen.

 

Vorsichtig ging Frau Higurashi näher. „Kagome?“

„Mama? Ist es schon so spät?“ Aber sie blieb da knien, die Hand an dem hölzernen Brunnen, und starrte in die Tiefe.

„Du denkst an Inu Yasha?“

„Ja. So sehr. Ich möchte so gern dorthin zurück.“ Kagome hörte selbst, dass ihre Stimme schwankte und zwang sich ihre Tränen zu unterdrücken. „Seit drei Jahren geht einfach nichts mehr. Keine Verbindung, nicht einmal über den alten Baum. Gar nichts.“ Nun, zugegeben, in der ersten Zeit war sie auch einfach nur glücklich gewesen mal länger bei ihrer Familie zu sein, mit ihren Freundinnen in die Schule zu gehen, lernen zu können, keine Youkai zu sehen oder jagen zu müssen.

„Du hast selbst einmal gesagt, dass du in das Mittelalter geschickt wurdest um das Juwel der vier Seelen zu zerstören. Da das getan war, ist auch deine Aufgabe beendet. Und ich fürchte, Zeitreisen sind einfach nicht … nun, sie entsprechen nicht dem Lauf der Dinge.“

„Ja, ich weiß.“ Kagome atmete tief durch und blickte noch einmal in den Brunnen. „Inu Yasha...“ Sie flüsterte es nur, ehe sie zusammenfuhr. „Mama! Der Himmel!“

„Was?“ Ihre Mutter trat näher. „Dort unten?“

„Ja, der Himmel der anderen Seite! Und ich spüre Magie! Der Brunnen geht wieder, ich kann zurück!“

„Ich kann nichts sehen …“ Aber Frau Higurashi fühlte sich nur stürmisch umarmt.

„Ich gehe lieber gleich, ja, Mama?“ Kagome setzte über den Brunnenrand. Der Himmel war so blau, kleine Wolken, sie kannte das so gut …. Und prallte hart auf den sandigen Boden, knickte mit einem Fuß um und blieb liegen.

„Kagome?“ Ihre Mutter blickte erschrocken hinunter. „Hast du dir weh getan?“

„Ja, etwas, aber … Wo ist die Leiter?“ Was auch immer schief gegangen war, sie musste es einfach noch einmal versuchen. Irgendwie hatte sie das immer drängendere Gefühl, dass Inu Yasha sie rufen würde, etwas, das sie drei Jahre und drei Tage nicht mehr gespürt hatte. Nun, nicht mehr, seit sie in dieser nicht enden wollenden Dunkelheit des Juwels gesteckt hatte. Da hatte er sie gerufen, um ihr Hoffnung zu geben. Sie musste zu ihm, das war ihr klar, wurde ihr immer bewusster. Er rief sie, er brauchte sie.

 

Vier vergebliche Sprünge später saß eine, in einer seltsamen Mischung aus Frust und Zorn weinende, Kagome neben dem Brunnen und rieb sich den schmerzenden Knöchel. Ihre Mutter kniete neben ihr und umarmte sie, eine Packung Taschentücher reichend.

„Kagome, Liebes, bist du dir sicher, dass du die ... die andere Seite erkennst? Magie? Ich sehe nur den Sandboden, aber ich bin ja auch keine Miko. Aber …“ Sie überlegte, wie sie es behutsam sagen sollte. „Manchmal ist es so, dass man sich etwas so sehr wünscht, dass man glaubt es sei Realität.“

„Nein, ganz sicher nicht. Ich sehe den Himmel des Mittelalters, ich höre die Baumwipfel rauschen, wenn ich springe, es ist wie früher. Und dann hält mich irgendetwas ab. Der Himmel ist noch immer da, aber er weicht vor mir weg, der Weg wird ewig …“ Und sie prallte unsanft auf den Boden des Brunnens. Oder der Tatsachen? Hatte Mutter recht? Bildete sie sich das alles nur ein, weil sie eben doch sich so wünschte ihren Hanyou wieder zu sehen? Vermisste er sie auch? Und, was bedeutete nur dieses Gefühl gerufen zu werden? Sie hatte auf der Jagd nach Naraku durchaus gesehen, dass sie ihren Gefühlen vertrauen konnte. Nun ja, meistens.

 

„Komm, lass deinen Knöchel verbinden. Danach kannst du ja wieder herkommen. Was auch immer es ist, Magie oder auch nur Wunsch …“ Sie hütete sich Einbildung zusagen, immerhin hatte sie gesehen, mit wem sich Kagome im Mittelalter und ab und an auch in der Neuzeit herumgetrieben hatte. Es hatte Youkai gegeben, es gab Magie.

„Er ruft mich, Mama. Ich bin sicher, er steckt in großen Schwierigkeiten. Das hat er so noch nie …“ Doch, als ihn diese Kaguya entführt hatte. Da war der Baum die Verbindung gewesen. Sollte sie es darüber noch einmal jetzt versuchen? Der uralte Baum war magisch, das wusste sie eigentlich seit ihrer Geburt, aber erst in den letzten Jahren war ihr bewusst geworden, wie sehr er die beiden Zeiten, die ihr Zuhause waren, verband.

„Na schön, komm. Setz dich in den Schatten. Und ich hole einen Verband und Salbe. Dein Knöchel wird dick. Da hast du einige Tage was davon. Wenn wir nicht doch zum Arzt gehen sollten.“

„Das wird schon. Ich kann ja auftreten.“ Auch, wenn das weh tat, aber sie wollte ihre Mutter nicht noch mehr beunruhigen. Außerdem hatte sie im Mittelalter auch öfter mal etwas abbekommen und war nicht so wehleidig gewesen. Nun ja, da gab es auch wenig Ärzte. Sie rieb sich die Tränen aus den Augen und stand mühsam auf. Der alte Baum war jetzt ihre einzige Hoffnung. Was sollte sie denn sonst machen, wenn der Brunnen sich geöffnet hatte, ihren Wunsch erfüllen wollte – und sie es aus irgendeinem Grund nicht schaffte? Was war nur los?

 

So stand sie vor dem alten Baum, die Hände daran und versuchte sich zu konzentrieren. Es kam keine Antwort.

Sie drehte sich um, als sie hörte, wie ihre Mutter sagte: „So, setz dich einmal. Und, mir ist etwas eingefallen.“

„Ja?“ Kagome gehorchte und streckte das verletzte Bein aus.

„So, jetzt einmal Salbe und ich habe auch einen festen Verband gefunden. - Ja, ich meine, wenn du dir sicher bist, dass die Magie des Brunnens wieder da ist, was sie ja drei Jahre nicht war, muss sich etwas verändert haben. Wolltest du vielleicht zuvor nicht so sehr zu Inu Yasha? Ich meine, du hast viel gelernt, so viel verlorene Zeit nachgearbeitet für die Schule …“

„Ja, daran dachte ich auch schon,“ bekannte das Mädchen kleinlaut. In der täglichen Hetze hatte sie ihren Hanyou zwar nie vergessen, aber erst jetzt, nach dem Abschluss, war ihr bewusst geworden, wie lange sie ihn nicht gesehen hatte, wohl nie wieder sehen würde. Und erst recht am Brunnen, als sie glaubte ihn nach ihr rufen zu hören. „Aber, warum kann ich dann jetzt nicht durch? Ich will es doch so.“

„Womöglich zu sehr?“

„Du meinst, ich bilde es mir nur ein. Ja, vielleicht, der Baum bleibt auch stumm…..“ Kagome hätte um ein Haar wieder zu weinen begonnen. „Wenn ich nur nicht so sicher wäre, jetzt.“

„Oder es gibt etwas, das dich noch in dieser Zeit hält. Eine Aufgabe, die du hier zu erfüllen hast.“

Jetzt starrte die Tochter die Mutter an. „Aber, was sollte das sein? Ich meine, du meinst so etwas wie das Juwel? Nur in Heute? In der Moderne? Aber, wirklich, Mama, was sollte das sein?“

Frau Higurashi legte den Verband um. „Das weiß ich natürlich nicht. Aber, du wusstest ja auch nichts von dem Juwel der vier Seelen, als du in das Mittelalter gingst.“

„Naja, das habe ich beim ersten Mal ja nicht freiwillig gemacht.“ Als diese Frau Tausendfuß sie in den Brunnen gezogen hatte, oh, was hatte sie für Angst gehabt. Und Inu Yasha gefunden, der sich zunächst wirklich wie ein Rabauke benommen hatte, als sie ihn in ihrer Not befreit hatte. Er hatte sich auf der Jagd nach Naraku ganz schön verändert. Sie wohl auch. Ob er sie auch so vermisste? Bestimmt, dachte sie dann. Er rief sie. Oder war das eben nur Einbildung, Wunschdenken?

„Hast du dich eigentlich schon beworben?“ erkundigte sich Frau Higurashi. „Wir hatten doch diese Briefe …“

„Ja, das ist alles weg. An zwei Universitäten, aber da rechne ich mir nicht so viel aus, an eine OK-Sicherheitsgesellschaft, eben alles, was wir ausgesucht hatten. Mama, bitte. Ich kann Magie spüren, aber ich bin nicht vollkommen lebensuntauglich!“ Das klang wie das Fauchen einer sehr großen Katze.

„Ich hoffe nur, dass du dein Temperament in der Ausbildung etwas zügelst.“

Kagome war prompt zerknirscht. Sie wusste doch nur zu gut um die finanziellen Engpässe der Familie, die Wichtigkeit, dass sie entweder ein Stipendium oder eine Stelle fand. Und jetzt machte sie Mama eine Sorge nach der nächsten. „Ja, doch, entschuldige. Es macht mich nur eben so fertig, dass ich den Himmel sehe, das Mittelalter plötzlich wieder so nah ist … und dann immer weiter zurückweicht, je mehr ich fliege. Danke.“ Denn ihre Mutter hatte den Verband fertig. „Es … das ist schlimmer, als wenn es gar nicht ginge, verstehst du?“

„Ja.“ Frau Higurashi setzte sich zu ihrer Tochter. „Aber vielleicht ist es auch nur die erste Stufe. Oder du musste eine Aufgabe erfüllen. Oder ein anderer Grund. Jedenfalls solltest du ruhig bleiben und abwarten. Weder Zorn noch Tränen können dir helfen.“

„Nicht einmal Pfeil und Bogen,“ versuchte das Mädchen einen Scherz. „Ja, ich rege mich schon ab, Mama. Es gibt sicher für alles einen guten Grund.“

 

Aber nachts, als sie allein im Dunkeln in ihrem Bett lag, hörte sie ihn immer wieder nach ihr rufen. Immer verzweifelter, immer leiser, immer, ja, schwächer. Sie begann wieder zu weinen.

„Inu Yasha!“ Sie flüsterte es. „Ich will ja zu dir, aber ich finde den Weg nicht. Der Brunnen ist versperrt, der Baum schweigt. Sag mir doch, was kann ich tun? Rede mit mir oder schicke mir ein Zeichen, einen Boten, was auch immer. Ich will doch zu dir und dir helfen. Ich würde doch alles für dich tun. Inu Yasha!“

Niemand antwortete ihr aus der Dunkelheit.

 

Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, saß sie erneut am Brunnen. Es hatte sie nicht sonderlich beruhigt, dass auch ihr Bruder nichts entdecken konnte, aber auch der hatte nie zuvor etwas gesehen, so wie Mama. Für sie selbst dagegen zeigte sich der heute graue Himmel der anderen Zeit. Er sah anders aus als gestern, anderes Wetter, andere Geräusche, und das machte es ihr leichter daran zu glauben, dass sie keiner Einbildung unterlag, sondern sich der Brunnen tatsächlich wieder geöffnet hatte.

Was war nur mit Inu Yasha passiert? Dass etwas geschehen war, daran zweifelte sie nicht. Aber warum nur verhinderte etwas oder jemand, dass sie zu ihm gehen konnte, durch den Brunnen gehen konnte? Er brauchte sie doch. Und der Brunnen hatte sich geöffnet, das war doch ebenfalls ein Zeichen.

Aber sie hatte schon wieder einen vergeblichen Versuch hinter sich, der ihrem Knöchel auch gerade nicht sonderlich gut getan hatte.

 

„Kagome.“

Sie wandte den Kopf. „Ich weiß, du sagst wieder es ist Einbildung, Mama. Aber, das Wetter ist heute anders, ich sehe die Regenwolken, es regnet dort im Mittelalter. Und ich habe in der ganzen Nacht immer wieder Inu Yasha gehört. Irgendetwas ist anders als letzte Woche, dringender. Ich habe nur keine Ahnung was. Ich ... ich habe ihn um ein Zeichen gebeten, irgendeinen Hinweis, was ich tun soll.“

„Es ist dir sehr ernst, nicht wahr?“

„Drei Jahre habe ich nichts gehört, nichts gesehen. Und jetzt ist der Brunnen auf, ich könnte doch eigentlich zurück in die Epoche der kriegerischen Staaten. Und doch geht es nicht. Vielleicht hast du recht und ich muss hier irgendetwas erledigen, irgendeine Aufgabe lösen. Vielleicht irgendein Medikament für ihn besorgen? Ich rätsle schon die ganze Zeit.“

„Ich wage nur zu bezweifeln, dass ein Medikament aus unserer Zeit auch für einen Hanyou taugt. Ich meine, bis auf ganz wenige Erscheinungen gibt es doch keine Youkai. Mehr.“

„Ja, das ist wahr. Und ich frage mich, was aus ihnen geworden ist. Sie leben doch eigentlich so lange. Aber, wenn Inu Yasha in dieser Zeit noch leben würde, wäre er doch zu mir gekommen, oder?“

Frau Higurashi zuckte ein wenig die Schultern. „Ich bin überfragt. Man hört nur manchmal im Fernsehen oder in Filmen, dass die Sache mit Zeitreisen sehr problematisch sein kann. Wenn er hier leben würde, ja, ich denke schon, dass er kommen wollte. Aber die Frage ist, ob das gehen würde. Ich meine, du wärst dann ja sozusagen doppelt da. In der Vergangenheit, mit ihm auf der Jagd nach Naraku, und dann hier und jetzt. Das erscheint mir nicht richtig.“

„Ja, vermutlich.“ Kagome seufzte. „Früher habe ich mir da nie Gedanken gemacht, es war so einfach in den Brunnen zu springen, hin und her zu gehen.“

„Vielleicht, weil du da doch noch fast ein Kind warst. Kinder sehen manches anders als Erwachsene. Einfacher.“

„Ja, vielleicht ist das genau das Problem. Ich denke zu viel statt einfach zu springen. Aber, es geht eben nicht.“ Das Mädchen blickte in den Schacht. Der Regen fiel auf der anderen Seite, sie sah es. Aber sobald sie auch nur versuchte sich vor zu neigen, an den Sprung war nicht zu denken, wich der jenseitige Himmel wieder zurück. Irgendwer oder irgendetwas wollte nicht, dass sie in das Mittelalter zurückkehrte. Der Weg war da, sie musste nur die Lösung finden.

Hm. Magie? War der Brunnen irgendwie verzaubert worden? Aber von wem? Sie konnte auch nichts spüren, nichts von dem Juwel, das, zugegeben verschwunden sein sollte. Kein Youki, keine Aura von Dämon, Hexe, Mensch. Nichts. Schön, sie war auch nicht unbedingt als Priesterin ausgebildet worden, eher das, was sie auf den Reisen, genauer, der Jagd nach Naraku, gelernt hatte, sei es von Kaede, von Miroku… Da ihre Mutter sich erhob, drehte sie erneut den Kopf. „Mama?“

 

„Ich glaube, Großvater sucht dich. Ich gehe einmal nachsehen. Eigentlich wollte er im Schrein vorn heute Amulette und so verkaufen.“ Und ein wenig Geld in die Familie bringen. Für Nachmittag hatte sich ein Touristenbus angekündigt.

„Ja, natürlich.“ Manchmal hatte sie ihm schon geholfen diese Amulette und Nachbildungen des Juwels der vier Seelen herzustellen. Vielleicht sollte sie auch öfter den Stand betreuen? Aber wichtiger wäre es wohl eine Ausbildung zu machen, eine Arbeit zu finden, damit sie ihrer Familie nicht auch noch auf der Tasche lag. Sie stand auf. Was auch immer Opa von ihr wollte, es wäre sicher entscheidender als hier vergeblich in den Brunnen zu starren.

 

Als Kagome aus dem Brunnenhäuschen trat, erkannte sie ihren Großvater, der hastig zur ihr winkte, aufgeregt hinter sich deutete. Er musste Mama gesagt haben was los war, denn die kam eilig zu ihr.

„Kagome, da ist ein Mann gekommen von der OK-Sicherheitsgesellschaft! Du hast dich da beworben und jetzt will er dich wohl persönlich kennen lernen.“

Kagome schluckte unwillkürlich. „Das … das ist aber ungewöhnlich.“

„Ja, zugegeben. Aber so eine Sicherheitsfirma hat vielleicht auch intern einiges an Sicherheit zu bedenken. Sie werden alle Leute, die sich bei ihnen bewerben gründlich überprüfen.“

„Ja, das ist wahr.“

„Großvater sagte, er sei um die vierzig, Anzug, und stellte sich als Herr Okami vor.“

„Okami, wie Wolf? Und, oh, der Name der Firma.“ OK.

„Ja, das könnte sein. Komm schon. Man lässt solche Leute nicht warten.“

 

Das Mädchen betrat mit klopfendem Herzen den Vorplatz ihres heimatlichen Schreins. Mit einem solchen Überraschungsbesuch hatte sie wahrlich nicht gerechnet, geschweige denn mit einer Art überfallartigem Vorstellungsgespräch. Der Mann, der dort stand, hatte einen schwarzen Anzug mit ebensolcher Krawatte an, kurze, schwarze Haare und betrachtete sie ein wenig abwartend, als sie näher kam. Was wollte er nur von ihr sehen oder hören? Dann allerdings entdeckte sie, dass das Bild von ihm ein wenig verschwamm. Hatte sie etwa peinlicherweise noch Tränen in den Augen? Nein. Dieses verwischte Sehen kannte sie, aus einer anderen Zeit. Ein Bannkreis.

Moment. Ein Bannkreis? Sie blinzelte etwas, dann schien die Magie wie ein Vorhang beiseite zu gleiten.

Vor ihr stand mitnichten ein menschlicher Mann Mitte Vierzig im Anzug, das war ein Youkai, den sie schon lange nicht gesehen hatte. Er war in den fünfhundert Jahren älter geworden, wirkte jetzt wie knapp dreißig, aber sein Grinsen war noch so vertraut, als er ihr Erstaunen bemerkte. Wie früher trug er Fell um Handgelenke und Beine, das Haar ein wenig wild, kaum durch das Stirnband gebändigt.

„Er hatte tatsächlich recht, Kagome,“ sagte er. „Du kannst wirklich durch den Bannkreis sehen. Naja, du weißt ja auch, wie ich aussehe.“

Alles, was dem vollkommen überraschten Mädchen noch einfiel, war der Name. „Kouga!“

 

 
 

Kouga


 

K

agome holte noch einmal tief Luft, ehe sie bekannte: „Mit dir habe ich wirklich nicht gerechnet.“

„Ich ehrlich gesagt auch nicht, also, dass ich hergeschickt werde. - Deine Familie … haben die was dagegen, wenn ich dich mitnehme?“

Jäh wurde ihr eiskalt. Da war der erste Satz von ihm: ER hatte ja gesagt, ihre Besorgnis um ihren Hanyou … „Ist etwas mit Inu Yasha?“

Kouga konnte ihre Angst nicht überhören. „Äh, ja. Er … es geht ihm nicht gut. Und er will dich unbedingt noch einmal sehen.“

Darum also konnte sie nicht in das Mittelalter. Inu Yasha in dieser Zeit brauchte sie. Daran hatte sie beileibe nicht gedacht. „Ja, natürlich. Ich sage ihnen nur Bescheid.“

„Auf dem Weg erkläre ich dir dann, wie das hier mit Youkai abläuft und so. Es ist nur … du siehst aus wie damals, ehe du wieder zurück kamst …“

„Ich kam zurück? Ach du je, ja, für dich ist das ja dann Vergangenheit. Aber immerhin, es klappt dann.“ Sie war doch erleichtert, wenngleich überaus besorgt.

Ihrer Mutter und ihrem Großvater erklärte sie allerdings nur, dass der Mann sie zu Inu Yasha bringen würde, der anscheinend sehr krank sei. Und, dass sie anrufen würde, wenn sie genaueres wisse.

 

Vor dem Schrein wartete ein schwarzes Auto samt Chauffeur. Kouga öffnete galant die hintere Tür. „Setzt dich nur. Ich habe extra einen Fahrer genommen, damit wir reden können. Du weißt ja doch sicher einiges nicht, das passierte ja alles erst nach deinem Tod.“

Kagome blieb der Mund offen stehen. Zum Glück schloss der Wolfsyoukai die Tür und ging um das Auto, um sich hinter den Fahrer zu setzen.

„Fahr los.“

„Nach meinem ...Tod.“

„Oh, ja. War dir das nicht klar? Es sind fünfhundert Jahre her. Kein Mensch lebt so lange.“

„Ja, irgendwie wohl schon. Aber, ich war lange mit Inu Yasha verheiratet?“

„Ja, denke schon. Wir hatten uns da ja aus den Augen verloren. Ich hatte das Nordrudel und dann Ayame. Oh, und ich habe Nachwuchs.“

Sie musste trotz ihrer Besorgnis lächeln. „Herzlichen Glückwunsch. Junge oder Mädchen?“

„Mädchen. Aimi.“

„Ein hübscher Name. Wohin fahren wir eigentlich?“

„In das Schloss des Taishou.“

„Inu no Taishou? Das war doch der Titel von Inu Yashas und Sesshoumarus Vater.“

„Ja. Jetzt allerdings Youkai no Taishou. Sesshoumaru trägt den Titel. Ich fange mal besser vorne an, irgendwie. Also, nachdem du gestorben warst, war Inu Yasha ziemlich … naja. Allein. Und er ging zu seinem Halbbruder. Sie hatten sich ja doch immer mehr angenähert. Sesshoumaru hatte in der Zeit begonnen alle Youkai Japans hinter sich zu versammeln. Die Zwei kamen dann auch zu mir in den Norden. Und, wenn du es nicht wissen solltest, ich bin der Herr der Wölfe, der Alpha, der Daiyoukai, der alle Wölfe dominiert.“

„Sesshoumaru wollte, dass du dich ihm unterwirfst?“ Das konnte sie sich bei Kouga wirklich nicht vorstellen.

„So dumm… ich meine, auf diese Idee kam nicht mal er. Wölfe dulden keinen Fürsten über sich. Übrigens auch die Panther nicht und andere. Andererseits, du weißt sicher, dass ich mich gern mit deinem Hanyou geprügelt habe. Aber das ist eine Sache. Eine andere, den mit Tessaiga vor sich stehen zu haben und Sesshoumaru gleich dazu. Der Vorschlag, den sie anboten, klang … interessant. Um es kurz zu machen. Es wurden Verträge geschlossen. Alle Daiyoukai, die Völkern vorstehen, treffen sich im so genannten Hohen Rat, manchmal einmal im Jahr, manchmal öfter, wenn es etwas zu bereinigen gibt. Sesshoumaru ist der Taishou. Bei Streitigkeiten im Rat entscheidet er. Aber er ist eben nicht der Fürst. Das macht einen Unterschied, auch, wenn er natürlich Anspruch auf Respekt und Höflichkeit hat. Aber eben nicht auf blinden Gehorsam.“

„Und Inu Yasha machte da mit?“

„Klar. Ich meine, er war der Einzige, der sagen konnte, wie sich die Welt in der Zukunft entwickelt. Ich muss zugeben, die Zwei haben uns da ganz gut hingebracht. Wir leben jetzt zu einem guten Teil unter euch Menschen, wenngleich mit den Bannkreisen. Du kannst ja anscheinend durch sehen.“

„Nicht bei jedem. Ich meine, mir ist das zuvor nie aufgefallen. Und Inu Yasha, als er hier war, auch nicht.“

„Naja, ich denke mal, da gab es die Order, dass man euch lieber aus dem Weg bleibt. Stell dir mal vor, der Hanyou hätte sich selbst gegenüber gestanden.“

„Zeitreisen, ja.“ Kagome seufzte, war aber zu neugierig und zu besorgt, als dass sie nicht gefragt hätte: „Und er ist ernsthaft krank?“ Das konnte sie sich eigentlich nicht vorstellen, aber sie hatte ihn doch rufen gehört.

„Seit gut sechs Wochen, ja. Er wird immer schwächer, nicht einmal Yukio, das ist unser Heiler, ein Kappa, kann ihm helfen. Und der kennt sich wirklich aus. Seit einigen Tagen, genauer weiß ich es nicht, weil das Zimmer verboten wurde, ist er jetzt nur noch in seiner Menschenform. Außer Yukio und dem Taishou darf keiner mehr zu ihm. Und du, natürlich. Sesshoumaru sagte mir, ich soll dich holen. Daraus kann man schon ablesen, wie schlecht es Inu Yasha geht. Ich meine, es ist nicht üblich, dass der Taishou einen Daiyoukai als Botenjungen schickt. Aber er glaubte wohl, dass du mich erkennst und mir vertraust.“

„Ja, doch. Aber, welche Krankheit hat Inu Yasha denn?“

„Keine Ahnung. Das kann er dir sagen oder auch Yukio.“

„Und du hast tatsächlich jetzt die Sicherheitsfirma?“

„Ja, früher Samurai vermittelt, dann Leibwächter und jetzt auch Internetsicherheit. Einige recht fähige Programmierer arbeiten für mich. Meist Menschen, aber auch einige Youkai.“

Das klang so schrecklich normal. „Weißt du, was aus Shippou wurde?`“

„Ja, der ist Sekretär oder wie immer sie das nennen, bei den Beratern des Kitsune no kyuu, des Herrn der Füchse. Neun Schwänze hat er in seiner wahren Form, deswegen der neunschwänzige Fuchs. Er ist der Einzige.“

Ja, dachte sie. Die Zahl der Schwänze deutete die Macht bei den Füchsen an. „Und, du erwähntest vorher Panther?“ An ihre letzte Begegnung mit Wesen dieser Art erinnerte sie sich ungern, auch, wenn es ja gut ausgegangen war. Dank der beiden Hundebrüder.

„Toran ist als die älteste der Geschwister im Rat. Sie meinte ja, sie schulde Sesshoumaru und Inu Yasha ihr Leben, deswegen machte sie mit. Aber sie hat schon eine verflixt spitze Zunge, und legt sich gern mit unserem werten Taishou an.“

Äh, was? „Das überlebt sie?“

„Wir sind zivilisiert geworden, Kagome. Er darf sie zum Duell fordern, wenn sie ihn beleidigt. Aber Toran ist schlau genug immer auf der Schneide des Messers zu wandeln, bislang fiel sie noch nie runter.“

„Ärgert sie dich auch?“

„Ich bin uninteressanter.“ Der Wolf grinste. „Immerhin habe ich Ayame.“

„Ach herrje. Sie ist hinter Sesshoumaru her?“

„Nicht, was du jetzt denkst. Und halt da bloß den Mund! Ich hätte dir da gar nichts sagen sollen.“

Da er wirklich besorgt klang, hob Kagome die Hände. „Nein, ich will ja auch gar nicht lange bleiben. Nur wissen, was mit Inu Yasha ist. Tessaiga hat er doch noch?“ Für sie war es noch nicht sehr lange her, dass Halbbruder gegen Halbbruder um dieser Klinge willen gekämpft hatten.

„Ja, es liegt wohl bei ihm. Wie gesagt, ich war nicht in seinem Zimmer.“ Kouga blickte sie an. Es irritierte ihn zugegeben, dass sie nun noch immer fast so alt aussah, wie zu der Zeit als er sie kennengelernt hatte. Fünfhundert Jahre. Aber, das war eben so.

Das Mädchen hatte allerdings ein ähnliches Problem. „Weißt du ich finde es so seltsam ….Du wirkst so alt. Ich meine, natürlich nicht alt. Aber doch älter als früher. Naja, aber für dich ist das wohl andersherum.“

„Stimmt.“

„Inu Yasha, dann auch….“

„Ja, denke schon. Kagome, es sind fast fünfhundert Jahre, die gehen auch an Youkai oder meinetwegen einem Hanyou … schön, Inu Yasha nicht spurlos vorbei.“ Tja. Ja, ihr Temperament, das ihm einst so gefallen hatte. Er sollte ihr wohl mehr erklären, aber, wo anfangen?

Kagome atmete tief durch um sich zu beruhigen und suchte ihr Heil im Lernen. „Also, wenn ich das recht verstanden habe gibt es einen Hohen Rat, dem sitzt oder steht der Taishou, sprich, Sesshoumaru, vor. Inu Yasha ist seine rechte Hand, oder wie auch immer das genannt wird.“

„Und sein Erbe.“

„Oh.“ Daran hatte sie nicht gedacht. „Ja, wenn Sesshoumaru noch nicht verheiratet ist und Kinder hat….Ja, stimmt, eigentlich, irgendwie.“

„Deswegen ist das, also, dass Inu Yasha so krank ist, momentan auch eine Staatsaffäre und fast alle Ratsmitglieder sind in Tokio.“ Eigentlich alle, bis auf den alten Nezumiuro. Aber der war eben schon wirklich alt und verließ seine Wälder nie, wenn nicht etwas mehr als Wichtiges anstand. Zur Wahl des neuen Erben würde er dann doch wohl kommen. „Und, ehrlich gesagt, Kagome, du solltest aufpassen, was du sagst. Nein, das tust du nicht immer, nicht in deinem Alter jetzt,“ ergänzte er hastig. „Du weißt ziemlich wenig über unser Leben.“

„Mag ja sein.“ Sie fühlte sich ertappt. „Aber ich mache mir so Sorgen um Inu Yasha!“

„Zu Recht, fürchte ich, wenn sich schon Yukio nicht mehr auskennt. Aber, wir denken alle, dass das eben das mit Hanyou ist. Niemand kennt sie ja. Es gab nur noch eine Hanyou mit Hundeblut in Japan und die ist irgendwo in den Wäldern umgekommen. Erst vor einem Jahr, oder so. Inu Yasha war ziemlich sauer, kannst du dir vorstellen, aber auch er fand keinen Nachweis, dass ein Youkai sie getötet hatte. Sie wurde blutleer gefunden. Und, wie du sicher noch weißt, Youkaivampire sind ausgestorben.“

Nein, das hatte sie nicht gewusst. „Das heißt, auch sein Blut geht … weg?“ hauchte sie allerdings nur.

„Keine Ahnung, ehrlich. Sesshoumaru hat da alles dicht gemacht. Ich persönlich glaube ja er wollte Gift oder so verhindern, aber das scheint eben natürlich zu sein. Es ist eben doch so, dass Hanyou Menschenblut haben und irgendwie … ja, schwächer sind.“

Kagome seufzte. „Ich hoffe nur, dass es ihm besser geht, wenn er mich sieht. - Wer sitzt denn alles in diesem Hohen Rat? Dich und Toran kenne ich, habe ich gekannt, ist wohl besser. Sesshoumaru, natürlich.“

„Tomi, das ist der Herr der Tanuki.“

Marderhunde, sehr magiekundig. „Miroku hat, hatte einen Tanuki als Freund. Hachiemon.“ Sie wollte nicht fragen ob der wenigstens noch lebe.

„Dann, ich gehe jetzt mal nach der Sitzordnung, Hikari. Sie ist die Katzenkönigin. Also, der kleinen Katzen, aber auch der … na, eigentlich aller Katzenfamilien bis eben auf die, die Toran … Shinichi, der Kitsune no kyuu, der Herr der Füchse. Yukio, er ist salamanderartig, ein Kappa, genauer, der Herr der Kappa, und unser Oberster Heiler. Hayasa, der ist ein Falke und Herr der Vögel.“

„So wie Abi und ihre Mutter?“

„Sagt mir gerade nichts. Und dann natürlich noch der alte Nezumiuro. Der taucht allerdings schon wieder lange nicht auf. Er ist eben schon arg alt und hockt lieber in seinen Wäldern. Er ist der Anführer der Pfeifhasen, Lemminge und so.“

„Oh, dann kann ich mir vorstellen, dass er ungern kommt.“ Sie redete ohne nachzudenken.

Kouga warf einen seltsamen Blick beiseite. „Ja, er ist eben alt und…“

„Er ist der Einzige im Rat, der nicht mit Fleischfressern verwandt ist, naja, Kappa auch.“

„Kappa jagen schon auch.“ Er klang erstaunt. „Das habe ich noch gar nicht so gesehen. Stimmt eigentlich.“

„Aber, wenn ich mich recht entsinne, Inu Yashas und Sesshoumarus Vater war doch Herr der westlichen Länder? Es gab doch mal Fürsten?“

„Vier von der Sorte, ja. Aber nicht mehr. Es geht mehr um die Völker, die Stämme. Und Wölfe oder meinetwegen auch Hundeartige gibt es in allen vier Himmelsrichtungen. Und da regelt Streitigkeiten der Rat, damit es nicht zu Kämpfen untereinander kommt. Hat sich auch zugegeben als praktisch erwiesen, vor allem, weil wir nur gemeinsam, alle Daiyoukai, die Bannkreise gegen die Menschen halten können.“

„Wohin fahren wir eigentlich? Du sagtest, das Schloss?“

„Ja. Da ist auch die Ratshalle, Sesshoumaru und Inu Yasha leben da. Es liegt in einem riesigen Naturschutzgebiet, das sie vor mehr als einem Jahrhundert kauften. Jetzt ist es ein beliebtes Ausflugsziel für die Menschen aus Tokio, und keiner ahnt vermutlich, was da so nachts abgeht.“ Oder auch im und um das Schloss, das ebenfalls verborgen war.

„Ja.“ Sie hatte gerade den Wegweiser gesehen. „Da war ich auch schon öfter, mit der Schule, mit der Familie. Aber ich habe nie Youki festgestellt.“

„He, die Bannkreise wurden von gleich neun Daiyoukai hergestellt. Da kann man schon erwarten, dass da nicht jede Feld-, Wald- und Wiesenhexe …“ Kouga entsann sich, wenngleich etwas spät, ihres Temperaments, als ihre läuternde Magie aufflammte. „Ich meine ja nur, es soll ja auch niemand mitbekommen, selbst, wenn er Ahnung hat,“ formulierte er eilig um. Das fehlte noch, dass sie ausstieg. Sesshoumaru war sowieso angespannt, weil es Inu Yasha so schlecht ging, da käme dem ein nicht ausgeführter Auftrag vermutlich nur zu recht. Natürlich würde es kein tödliches Duell geben, das war nur bei Beleidigungen zwischen den Ratsmitgliedern möglich, aber eine höfliche Einladung zu einem Training reichte ja auch schon. Die konnte er nicht ablehnen ohne alle Wölfe das Gesicht verlieren zu lassen, und endete mutmaßlich ziemlich schmerzhaft. Zumindest, wenn der Kerl erbost war und Bakusaiga wirklich einsetzte. Der Herr der Wölfe hielt sich nicht gerade für schwach oder kampfunfähig, aber er wusste doch um seinen Platz in der Rangordnung.

Kagome machte sich allerdings viel mehr Sorgen um Inu Yasha, als dass sie so genau dem Crashkurs des Youkailebens in der Moderne zugehört hätte. „Glaubst du wirklich, dass es ihm so schlecht geht?“

„Wem … ich meine, Inu Yasha? Ja, schon. Yukio ist praktisch nur noch bei ihm und auch Sesshoumaru.“

„Sie vertragen sich also jetzt gut.“

Das bezog sich auf die Halbbrüder. „Ja, klar. Nun ja, sicher, viel besser, als du es in Erinnerung hast. Schon als,….ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen soll, das war doch, glaube ich, nach deiner Heirat mit Inu Yasha.“

„Ach, dann lass es lieber. Nicht, dass ich dann da noch etwas ruiniere, wenn ich endlich durch komme,“ erkannte sie weise. „Oh. Da geht es lang. Wo liegt denn das Schloss?“

„Ziemlich weit oben. Man hat von dort aus einen hübschen Blick über den See, manchmal bis hin zum Fujiyama.“

„Hübsch. Und sicher einkommenstechnisch nicht schlecht.“

„Ich denke, wir alle, also, die wir uns unter Menschen begeben, sind nicht gerade arm. Tomi, der Tanuki, hat Spielhallen, ich meine Sicherheitsfirma, Hayasa eine andere, so mehr Beobachtungen. Inu Yasha sagte uns ja, auf was wir uns vorbereiten sollten.“

„Aber es gibt auch Völker der Youkai, die nichts mit Menschen zu tun haben wollen?“

„Naja, wie du dir unschwer denken kannst. Nezumiuro, zum Beispiel. Und natürlich Toran und ihre Geschwister. Die wollten vor einiger Zeit, ein paar Jahrzehnten, zurück nach China, wo ihre Vorfahren mal herstammten, aber das ging dann nicht, weil sich die Menschen einen ziemlich großen Krieg lieferten. So sind sie im äußersten Westen Japans. Und außer Toran zu den Sitzungen kommt keiner von ihnen oder ihren Untergebenen je nach Tokio.“

„Kennt sich der Heiler, dieser Kappa, denn auch mit Menschen aus?!“ kam sie wieder auf ihr wichtigstes Anliegen zurück. „Du hast doch gesagt, Inu Yasha wäre momentan in seiner Menschenform, da …“

„Äh, ja. Du hast vielleicht schon von ihm gehört. Er ist wohl auch öfter mal im Fernsehen. Professor Yukio Kawasaki. Er ist Chefarzt an der Uniklinik in Tokio. Ich bin sicher, der kennt sich mit Youkai und Menschen aus.“ Er fügte besser nicht hinzu, dass sonst der Taishou ihn auch nicht zu seinem Bruder gelassen hätte. Wozu sie noch mehr verwirren und erschrecken. Seiner Meinung nach stand es sehr schlecht um den Hanyou, sonst würde niemand auf die Idee kommen Kagome in die verborgene Welt zu holen. Sie war seit drei Jahren wieder da, das hatte er für Inu Yasha überprüft, der sich doch immer Sorgen um seine Gefährtin gemacht hatte, auch, ob sie es wirklich schaffen würde zurück in die Vergangenheit zu gehen, wie sie es jedoch alle in Erinnerung hatten.

 

„Oh.“ Kagome bemerkte, dass das Auto von der Landstraße abbog und eine geschwungene Auffahrt nahm, die sich durch einen Bambuswald schlängelte. Und sie sah ein schmiedeeisernes Tor vor sich, das allerdings aufschwang, als der Fahrer eine Fernbedienung drückte. Dahinter schien wieder nur der dichte Wald eines Naturschutzgebietes zu liegen, aber sie erkannte ein Flimmern. „Ein Bannkreis.“

„Genau. Wir sind gleich durch, dann siehst du sicher das Schloss.“ Kouga lächelte. Sie sah noch immer so aus wie früher und irgendwie weckte das in ihm auch die Gefühle von früher. Nun ja, Nichts, was Ayame mitbekommen sollte. Oder auch nur Inu Yasha. Oder dessen Bruder.

 

Das tat Kagome auch, noch ehe sich das Tor hinter dem Wagen wieder schloss. Vor ihr dehnte sich eine große Mauer, hinter der allerlei verschieden hohe Gebäude auftauchten. Sie hatte solche Burgen, Schlösser schon gesehen, sei es im Mittelalter oder auch hier. Da war jemand sehr bemüht gewesen das Mittelalter in die Neuzeit zu holen, dachte sie, als der Chauffeur zu einem großen Holztor fuhr und Youkaikrieger es öffneten. „Das ist groß. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.“

„Naja, es leben hier auch eine Menge Youkai. Und das da drüben...links, ist die Versammlungshalle des Hohen Rates, samt der Bibliothek. Da wird alles gesammelt, was es so an Büchern und Gesetzen gab und gibt. - Das hohe Gebäude da ist der Wohnsitz, mitsamt angrenzendem Badehaus und Gästetrakt. Weiter hinten gibt es noch Küchenräume, Häuser für die Wachen und Dienstboten und so weiter. Das kennst du sicher. Nicht von hier aus sieht man den Garten. Der wurde von Tanuki angelegt. Mit Bäumen, Meditationsplätzen und einem kleinen See. Wenn sich wir Daiyoukai hier länger aufhalten, gehen wir gern zu dem See. Da gibt es Holzplattformen und man kann entweder da hin sehen und in den Wald oder sich umdrehen, und, je nach Wetter, im Hintergrund den Fujiyama sehen.“

„Du meditierst auch?“

„Ja, sonst wäre ich ja kaum zu einem Daiyoukai geworden, oder?“

Das wusste sie nicht, irgendwie zögerte sie jedoch den schnellen, oft emotionalen, Wolfsyoukai mit Meditation und Ruhe zu verbinden. Aber er war fünfhundert Jahre älter. Wie mochte sich dann ihr Hanyou verändert haben? Abgesehen von der ominösen Krankheit? Aber dazu wollte sie lieber nichts fragen. Das ging auch Kouga nichts an, zumal jetzt das Auto stoppte und der Wolfsyoukai eilig ausstieg.

 

Sie folgte nicht nur diesem Beispiel, sondern eilte ihm nach, Stufen empor, an denen wieder Krieger standen, männlich und weiblich, verschiedene Arten, aber alle bewaffnet. Notwendig oder Reputation, weil der gesamte Hohe Rat anscheinend momentan hier war? War Kouga schnell! Sie hastete hinterher, in den ersten Stock, wo erneut Wachposten standen, die sie fast aufgehalten hätten, aber dann das Ratsmitglied passieren ließen.

Wieder Wachen, die jedoch eine Tür beiseite schoben. Kouga blieb an der Tür stehen und neigte den Kopf. „Kagome.“

Sie trat an ihm vorbei. Es war ein Schlafzimmer, altmodisch, ein einfaches, kleines Schreibpult rechts, mit Holzgitter verschlossene Fenster, Tatamimatten. Aber sie hatte nur Augen für den Menschenmann, der unter dem Fenster lag, ignorierte den daneben knienden Youkai ebenso wie den Schatten links von ihr, als sie losrannte. „Inu Yasha!“ Sie warf sich neben ihm zu Boden, erschreckt über seine Blässe, seine Falten, die kaum das Alter verursacht hatte, wirkte er doch erst wie Mitte, Ende Zwanzig, fast in Panik, weil er nicht reagierte, sichtlich mühsam immerhin die Augen öffnete.

Und dann zuckte sie zusammen, als jemand hinter ihr sagte: „Geh, Kouga!“

Auch das noch. Sie war an Sesshoumaru vorbeigelaufen ohne ihn überhaupt zu sehen.

 
 

Inu Yasha

Der Tod hat so viele Ausgänge für das Leben.

Beaumont/Fletcher, London 1607

 

 
 

Kagomes sämtliche Befürchtungen, die sie gegenüber ihrem Fast-Schwager hatte – und das waren nicht wenige, kannte sie doch seine ausgeprägte Meinung von Höflichkeit – endeten prompt, als sie schwach ihren Namen hörte.

„Inu Yasha.“ Sie warf sich neben ihm einfach zu Boden, legte den Kopf auf seine Brust, die Arme um ihn. „Was machst du denn nur….?“ brachte sie hervor.

Etwas ähnliches wie ein Lachen ließ den selbst als Mensch schwachen Körper unter ihr erzittern. „Ja,“ flüsterte er. „Kagome. Ich habe auf dich gewartet….“

Ja, das war ihr klar. Sein Rufen war nicht umsonst gewesen, in jeder Hinsicht. Sie barg ihren Kopf fester an ihm, spürte seinen Arm nur lose um sich. „Was ist das nur für eine Krankheit? Oder hat dich jemand vergiftet…?“

„Keine Krankheit, die ich kenne, Kagome-sama,“ wandte der Youkai im Kimono neben ihr ein.

Sie sah erstaunt auf. So höflich wurde sie von Youkai nie angesprochen. Das musste der Arzt sein. Yukio. Professor Yukio Irgendetwas, wenn der auch in der Menschenwelt agierte. „Er ist ein Mensch geworden. Ändert das etwas?“ Sie hörte selbst, dass ihre Stimme zitterte. „Ich meine, eine Intensivstation?“ Der Heiler, Arzt, sah seltsam aus, fast zwei Meter, haarlos, das Gesicht mit dem ausgeprägten Kinn schwarz, mit Schuppen. Oh ja, ein Salamander, hatte Kouga gemeint. Ein Kappa. Oder besser, eine Kappa-Art.

„Ich bin Professor an der Universität Tokio und Chefarzt Internen Abteilung des Krankenhauses. Glaubt mir, Kagome-sama, hätte ich auch nur eine Chance gesehen, hätte ich Inu Yasha-sama auf meine Intensivstation bringen lassen. Aber, was auch immer ihn befallen hat, ich finde keine Lösung. Manchmal schien ich knapp davor, es wurde besser, aber dann …“

 

Sie war erst recht überrascht. Youkai, uralter Heiler, Professor, Chefarzt – und er sprach sie so respektvoll an? Allerdings konnte sie sich dann denken warum, als sein Blick über sie in den Hintergrund glitt. Ja, Sesshoumaru mochte es unter Umständen nicht leiden können, wenn ein Familienmitglied, was sie ja fast war, unhöflich behandelt wurde. Falls der sich nicht sehr verändert hatte. Aber der war gerade das geringste Problem. Sie richtete sich etwas auf und suchte den Blick ihres Hanyou. Und erschrak wieder. Unwillkürlich traten ihr erneut Tränen in die Augen, als sie erkannte, dass sein gewöhnlich in Menschenform schwarzer Blick trübe geworden war. Er war ebenso blass geworden wie die Haut des Gesichtes. „Inu Yasha,“ war alles, was sie hervorbrachte.

Etwas wie ein Lächeln zuckte um den Mund. „Kagome, ich … ich wollte dich nur noch einmal sehen …“ sagte er. „Tut mir leid, wenn ich das wieder vermasselt habe. Ich wollte dich nicht weinen ….“ Er schloss wieder die Augen.

Sie begriff entsetzt. Er lag im Sterben und hatte alle Energie, die er noch irgendwo aufbringen konnte, darauf verwendet sie noch einmal zu sehen.

 

Sesshoumaru hatte, nachdem er Kouga die Anweisung gegeben hatte zu gehen, sofort wieder zu seinem Bruder geblickt. Er hatte doch irgendwo gehofft, dass Kagomes Ankunft dem gut tun würde, aber das sah nicht so aus. Seit sechs Wochen wurde der Hanyou immer schwächer, als sauge etwas förmlich das Leben heraus. Und auch Yukio stand vor einem Rätsel.

Mehr als fünfhundert Jahre hatte er nun mit seinem Bruder zusammen gelebt, zusammen gearbeitet – und er wusste, er würde ihn vermissen, den immer loyalen, vorlauten, Inu Yasha, den Einzigen, der gefragt oder ungefragt immer an seiner Seite gewesen war, den Einzigen, der ihm offen und ehrlich die Meinung sagte, den Einzigen, an dem er sich reiben, lernen, konnte. Aber nun rächte sich offensichtlich das schwache menschliche Blut und Vaters so mächtiges konnte ihn nicht mehr retten.

 

Da er nur auf Inu Yasha achtete, war ihm entgangen, was gleich hinter Kagome in das Zimmer gehuscht war, ein schwarzer, flüchtiger Schatten, flach wie ein Stück Papier, der sich eilig zum Schreibtisch aufmachte und in das Tintenfass stürzte. Der Schattenkrieger hatte seine Anweisung genau befolgt. Und in der Tinte war auch keinerlei fremder Geruch selbst für feine Hundenasen mehr zu wittern. Der Kagemusha musste weder atmen noch hatte er andere Bedürfnisse. Er würde in der Tinte bleiben, bis das Drama hier vorbei war, dann das Portal öffnen und die Hexe holen. So lautete der Befehl, den sie ihm gegeben hatte, und den sein Herr und Erschaffer bestätigt hatte.

 

Kagome blieb auf der Brust ihres Hanyou liegen, als sie unter Tränen meinte: „Nein, das ist schon in Ordnung, Ich heule doch immer, wenn du stirbst, weißt du?“ Aber sie sah fragend zu dem Youkaiheiler. „Bislang bist du das nie endgültig…“

„Es gibt immer ein erstes Mal,“ brachte Inu Yasha mühsam hervor. Er wollte die Arme um sie legen, aber das fiel ihm so schwer. Sie roch noch immer so gut, selbst in dieser menschlichen Form bekam er es mit. Sie sah so aus, wie damals, als sie zu ihm zurückgekommen war, sie ihre Familie für ihn im Stich gelassen hatte. Bis zu dem Tag, an dem sie wieder in das Mittelalter ging, hatte er sich zurückhalten wollen und sollen, um nichts durcheinander zu bringen. Aber er war anscheinend Sesshoumaru lang genug auf die Nerven gegangen, dass der sie hatte holen lassen. Es war sowieso so eigen. Er war so müde. Und bei ihm waren der Kerl, der ihn einst hatte umbringen wollen und der sich in den letzten Jahrhunderten als wirklich guter Freund, ja, Bruder, herausgestellt hatte, die einzige Frau, die er liebte. Und natürlich der gute, alte Yukio, der in aller Ratlosigkeit ihn nicht mehr allein gelassen hatte. Er wollte Kagome fester halten, aber seine Hände verkrampften sich ohne sein Zutun. „Kagome!“ Es war nur mehr ein Flüstern.

„Ich bin da,“ beteuerte sie. „Ich bin doch immer da…“ Ihre Gedanken irrten in einem Nichts herum. So hatte sie sich das Wiedersehen wirklich nicht vorgestellt. Aber, Moment mal. Wenn Sesshoumaru hier war … Dann konnte er doch Tenseiga einsetzen? Würde der das für seinen Halbbruder tun? Oder gab es diese Klinge gar nicht mehr? Sie wandte sich etwas um, bemüht, sich nicht aus dem kraftlosen Griff ihres Hanyou zu drehen. Ja, da stand der Hundeyoukai. Und er trug keine Rüstung – aber ein Schwert im seidenen Gürtel. Tenseiga. Sie atmete unwillkürlich etwas auf. Nur, warum hatte er noch nichts unternommen? War das erst möglich, wenn Inu Yasha … Wenn die Boten aus dem Jenseits kamen? Oder etwa gar nicht, aus welchem Grund auch immer? Oder wollte Sesshoumaru schlicht nicht? Doch, sonst würde er nicht mit Tenseiga hier stehen. Sie spürte, wie der Körper unter ihr zitterte, sich verkrampfte, und sah in Panik zu dem Arzt.

Der nickte nur wortlos und blickte zu dem Taishou, ehe er sagte: „Da Kagome-sama nun hier ist, Inu Yasha-sama, solltet Ihr Euch entspannen, ein wenig schlafen.“

„Ka...go…“ brachte Inu Yasha heraus.

„Ja, ich bin da, ich bleibe hier.“ Sie hatte begriffen. Das Zittern, das jetzt erneut durch den so schlaffen, kraftlosen, Körper lief, war nur das Anzeichen. Irgendwie schaffte sie es das Schluchzen zu unterdrücken und zu wiederholen: „Schlaf einfach ein bisschen.“ Das würde ein sehr langer Schlaf werden, das war ihr nur zu bewusst geworden. Außer, Sesshoumaru konnte doch ein Wunder bewirken. Wie hatte der alte Toutousai Tenseiga genannt? Den Sargbetrüger.

Der Arm um sie fiel auf die Matte.

Sie schreckte hoch.

 

„Aus dem Weg.“

 

Kagome gehorchte eilig, rutschte beiseite, als ihr, nun ja, Schwager herantrat, die Klaue an den Schwertgriff legte. Sie hatte nie zuvor so vor ihm gekniet, zu ihm aufgesehen, aber selbst durch den Tränenschleier erkannte sie, dass er die Hand wieder sinken ließ. „Nein!“ flüsterte sie. „Es … es muss gehen!“

 

Närrin, dachte der Daiyoukai. Als ob ihm diese Lage Vergnügen bereitete. Es war gewiss seit Rins Tod der schrecklichste Tag. Und er hatte nicht einmal gewusst, dass ihm je wieder etwas solch einen Stich im Herzen verursachen würde wie jetzt, als Tenseiga stumm blieb. Nichts, was er tun konnte, würde Inu Yasha zurück bringen. Als sich das Menschenmädchen jetzt in Tränen aufzulösen schien, meinte er nur: „Yukio-sama, bringt sie in die Räume der Gefährtin hinüber und gebt ihr etwas, das sie sich beruhigt. Ich werde den Rat informieren. In zwei Stunden fahren wir.“

Er ging und der Kappaheiler zog Kagome am Arm auf, da sie sich über Inu Yasha werfen wollte. Der Kraft eines Youkai hatte sie nichts entgegen zu setzen. „Kommt,“ sagte er. „Ihr habt gehört, in zwei Stunden fahren wir.“

„Fahren?“ Sie war irgendwie vollkommen verwirrt, ließ sich aber quer über den Gang in ein großes, leeres Zimmer schieben.

„Die Bestattung.“

„Er… er soll verbrannt werden….?“ Sie suchte hastig nach einem Taschentuch

„Nein. Der Taishou will ihn zu ihrem Vater bringen.“ Er hatte, von ihr unbemerkt, seine Tasche mitgenommen, und suchte darin. „Hier, Taschentücher. Und ich gebe Euch jetzt ein Getränk. Weint nur, aber in zwei Stunden solltet Ihr Euch beruhigt haben. Es wäre Inu Yasha-sama nicht recht, wenn ihn seine Gefährtin vor dem Rat und den Daiyoukai bloß stellt.“

Vermutlich nicht, aber … Sie brach erneut in Tränen aus, weinte, wie sie noch nie geweint hatte. Irgendwann spürte sie einen Becher an den Lippen, ein Trank, der ihr mehr oder weniger aufgezwungen wurde, ehe sie der erfahrene Arzt an sich zog.

„Weint nur. Das ist etwas, das Youkai versagt ist.“

„Ich weine ja Euren Kimono nass,“ schluchzte sie irgendwann.

„Ja, die Schulter habt Ihr schon durch geweint. Aber, das macht nichts. Ich behandele viele Menschen. Ich kenne das. - Wird es langsam besser?“ Der Trank sollte wirken.

„Ja, ich denke. Ich … ich sehe vermutlich schrecklich aus….“

„Dort drüben ist das Bad. Wascht Euch nur ab. Danach begleite ich Euch hinunter.“

 

Kaum dass der Heiler mit Kagome das Zimmer verlassen hatte, war der Kagemusha aus dem Tintenfass gekrochen und hatte sich vor den leblosen Körper gestellt, eine schwarze, menschenähnliche Form angenommen. Jetzt musste es schnell gehen, denn es würden sicher gleich Youkai kommen, die diesen Inu Yasha mitnehmen wollten. Vor ihm öffnete sich ein kreisrundes Portal.

Urasae trat heraus, einen zweiten Schattenkrieger bei sich, der das Ebenbild des Hanyou im Arm hielt.

„Gut.“ Triumphierend bückte sich die Youkaihexe und nahm Inu Yasha auf. „Leg ihn hierher. Rasch!“ Sie selbst verschwand bereits mit ihrer Beute im Portal, die Musha folgten.

 

Kagome hatte überrascht festgestellt, dass sich altmodische Einrichtung definitiv nicht auf das Bad bezog. Hier war eine Dusche, Strom, Waschbecken, wie sie es nur zu gut aus ihrer Zeit ... nein, aus der Jetztzeit kannte. Warum auch immer so ein großes Zimmer und so ein großes Bad leer standen. Sie zog sich rasch aus. Duschen war jetzt wohl das Stichwort, auch, wenn sie keinerlei Zusätze entdecken konnte. Nun ja, Hundeyoukai. Aber sie war vollkommen durchgeschwitzt. Und der Kappaheiler hatte recht. Schon um Inu Yashas Willen sollte sie ihn auf seinem letzten Weg … oh, nein, jetzt begann sie schon wieder zu weinen … auch nicht vor vollblütigen Youkai, Daiyoukai noch dazu, blamieren. Das musste sie schaffen. Für ihn. Es war das Letzte, was sie für ihn tun konnte. Nein, was sie jetzt für ihn tun konnte. Denn, wenn Kouga recht hatte und sie wieder in das Mittelalter zurück konnte … oh, sie würde ihren Hanyou einfach nur gern haben. Und ihn in einer ruhigen Minute vielleicht warnen. Aber, vor was denn? Jeder musste sterben, auch da hatte der Wolfsyoukai recht gehabt. Sie, Inu Yasha, selbst Sesshoumaru. Die Zeit nahm jedes Lebewesen. Warum sollte sie ihm das also sagen? Er wusste es, vermutlich besser als jeder Mensch. Allerdings akzeptierten Youkai eher das natürliche Ende. Nur Menschen waren so töricht an ewig währendes Leben zu glauben. Sie drehte den Kopf zu dem Duschkopf und genoss das Wasser. Es fühlte sich fast wie eine Umarmung an.

Was hatte Yukio gesagt? Der Taishou wolle seinen Bruder zu ihrem Vater bringen? Um ehrlich zu sein fiel ihr da nur ein Platz ein – die Zwischenwelt. Da war sie zwar schon zwei Mal gewesen, aber das war eigentlich kein Ort wo man gern hinging.

 

Sie drehte das Wasser ab. Nur noch ein paar Stunden, dann hatte sie alles getan, was sie hier in dieser Zeit für Inu Yasha tun konnte. Sie musste sich beherrschen. Der Trank, den ihr dieser Professor gegeben hatte, schien zu wirken, immerhin. Sie wandte sich zu ihrer Kleidung und zögerte. Kein Handtuch, Pullover war verschwitzt… na toll.

Etwas klopfte an die Tür.

„Kagome-sama,“ rief Yukio laut. „Hier wären Handtücher und neue Kleidung für Euch.“

„Ja?“ Sie sah dennoch erleichtert, wie er die Tür nur knapp öffnete, Handtücher und etwas in rot und weiß von einer schwarzen Klaue hereingereicht und auf dem Waschbecken abgelegt wurde.

„Ich danke Euch, Yukio-sama.“ Sie blieb höflich. Er war Arzt und hatte versucht Inu Yasha zu helfen, wie er nun ihr half.

Handtücher, und das war ja … Eindeutig. Ein Miko-Gewand. Wollte etwa Sesshoumaru, das sie hier so auftrat oder war das eben die einzige Kleidung gewesen, die man auf die Schnelle in einem Youkaischloss auftreiben konnte? Gleich. Sie trocknete sich ab und zog sich an. Wie viel Zeit war inzwischen verstrichen?

 

Als sie aus dem Bad kam, wartete der Daiyoukai-Heiler bereits auf sie und musterte sie. „Ihr seht ruhiger aus, aber, habt Ihr Euch verletzt?“

„Äh … oh, der rechte Knöchel, ja, gestern, als ich versuchte in das Mittelalter zu springen,“ gab sie zu. Er wusste es schließlich.

„Ich darf kurz…?“ Yukio glitt vor ihr mit eindeutig unmenschlicher Eleganz auf die Knie und betastete ihren Knöchel. „Ja, verstaucht, würde ich sagen. Ihr habt ihn bereits behandelt?“

„Ja, meine Mutter gab Salbe drauf und einen Verband, aber den habe ich mir natürlich beim Duschen abgenommen.“

„Ich wickele Euch etwas darum, Kagome-sama. Ihr sollt ja nicht mehr Schmerzen als notwendig erleiden.“ Und wehleidig war die junge Dame offenkundig nicht.

Ihr Herz schmerzte, aber das meinte er wohl kaum. „Ja, danke, Yukio-sama.“ Und immerhin hatte er ihr diesen Trank gegeben, der anscheinend wirklich verhinderte, dass sie weinen … fast immer weinen musste. Sie rieb sich energisch über die Augen. Für Inu Yasha musste sie stark sein, befahl sie sich und streckte unwillkürlich etwas das rechte Bein vor. „Das wird schon …“

„Ohne Zweifel. Aber, denke ich …“ Der alte Salamander rieb behutsam den Fußknöchel ein. „Ihr werdet in jener anderen Welt auch auftreten müssen.“

„Äh, ja.“ Er wusste es? „Wie ist das jetzt geplant?“ erkundigte sie sich darum nur. Dass ihr Schwager da Wege benutzen konnte, war ihr nur zu bewusst.

Die Gefährtin Inu Yasha-samas. Yukio begriff, warum der so an ihr hing, gehangen hatte. Eine sehr ungewöhnliche Menschenfrau. „Vor dem Schloss warten die Autos und dann fährt der Konvoi in Richtung Westen zu der alten Begräbnisstätte des verstorbenen Taishou. Es wird einige Stunden dauern, bis wir dort ankommen. Dann werden alle aussteigen, sich noch ein letztes Mal vor Inu Yasha-sama verneigen und dann werdet wohl Ihr allein mit dem Taishou in diese andere Welt gehen und den Verstorbenen zu seinem Vater bringen.“

Kagome nickte mechanisch. Irgendwie war das sehr nett von Sesshoumaru, kein Vergleich mit dem früheren Ein-Hanyou-robbt-im-Dreck und sie fragte sich wirklich, was da alles in den letzten Jahrhunderten passiert war. „Und Tessaiga?“ fragte sie doch. Eine bessere Gelegenheit sich das Schwert zu schnappen, das er einst so begehrt hatte, hatte der Hundeyoukai doch noch nie gehabt.

„Soweit ich informiert bin soll es mit seinem Herrn dort ruhen.“ Yukio sah, wie sie aufatmete, und fragte dann doch aus schierer Neugier: „Es scheint Euch nicht zu verwundern, dass Ihr in das Jenseits reisen sollt.“

„Äh, nein. Ich war schon zwei Mal dort, also, bei dem verstorbenen Inu no Taishou. Mit Inu Yasha, natürlich. Und Sesshoumaru war auch dabei.“

Das erklärte dem alten Salamander noch mal einiges. Aber er warnte. „Wenn andere dabei sind, solltet Ihr nie vergessen Sesshoumaru-sama zu sagen.“

„Was?“ War sie etwa Jaken? Aber Kouga hatte ja gewarnt, sie solle sich zusammen nehmen, weil sie so viel nicht wisse. „Äh, gut….? - Reden ihn alle so an?“ erkundigte sie sich dann.

„Nein, nur die Mitglieder des Rates und, denke ich, Ihr. Alle anderen nennen ihn oyakata-sama.“

„Sagen Sie mir nicht, Professor … ich meine, sagt mir nicht, Yukio-sama, dass auch Inu Yasha ihn so angeredet hat.“ Ihrem Hanyou wäre das doch nie über die Lippen gekommen.

„Nein, der sagte nii-san. Oder, im Rat o-nii-san.“

Mein älterer Bruder und vor anderen sogar verehrter älterer Bruder. Eindeutig, da war eine Menge geschehen und sie sollte besser den Mund halten, zumindest, bis ...bis….Sie schluckte wieder einen dicken Kloß im Hals hinunter. „Ich hoffe, ich denke dran. Und ich werde mich zusammennehmen,“ versprach sie. Bis das hier vorbei war und sie endlich zurück ins Mittelalter durfte. Ganz offensichtlich hatte Inu Yashas Wunsch sie noch einmal zu sehen diese Barriere errichtet, da durfte sie jetzt auch nicht vor seiner Beerdigung, nun ja, das war eigentlich ja eine Bestattung, kneifen oder ihn gar blamieren. Schon gar nicht, wenn er zu seinem Vater sollte und Tessaiga mitbekam. Das hätte sie dem Sesshoumaru vor fünfhundert Jahren eigentlich überhaupt nicht zugetraut. Oder war das eben das Gesicht gewesen, das er nur Rin gezeigt hatte? Möglich. Sie entsann sich des weichen Ausdrucks, als er Inu Yasha und sie da bei seinem Vater angetroffen hatte. Nicht beim ersten Mal, zugegeben, später, als auch Naraku da gewesen war. Und bevor er Inu Yasha beschuldigte das Grab geschändet zu haben und dem einen Fausthieb gegeben hatte, hatte er seine Klinge weg geschoben. Sie hatte auch nicht vergessen, dass, als Inu Yasha sich einmal in dieses mordlüsterne Monster verwandelt hatte, er gekommen war und den bewusstlos geschlagen hatte – und entgegen aller Erwartungen dann schlicht gegangen war, unter dem eindeutig vorgeschobenen Grund ihn jetzt nicht töten zu wollen, weil es keinen Spaß mache. Er hatte letztendlich auch akzeptiert, dass Tessaiga zu Inu Yasha gehörte. Wann genau hatte dieser dämliche Hund eigentlich angefangen sich als großer Bruder zu benehmen – und es so gut versteckt, dass es keiner mitbekam? Und, warum? Aber, ja, sinnierte sie, während sie dem Kappaheiler durch das Schloss nach unten folgte – das war vermutlich die Erklärung. Die letzten fünfhundert Jahre war die Beziehung der Halbbrüder auf etwas gereift, dass sich schon in der Epoche der Kriegerischen Staaten ausgesät hatte.

 

Vor dem Schloss wurde sie wieder überrascht. Trotz der Dusche hatte sie die sonst so altmodische Bauweise und Einrichtung an das Mittelalter erinnert. Und jetzt standen hier mehrere Luxuskarossen, ein langer Wagen mit dem Kennzeichen einer großen Bestattungsfirma. Gehörte die etwa auch einem Youkai? Darin war wohl schon …

Nicht weinen!

Einige Youkai gingen herum, einige, da sie Kouga und Toran erkannte, also wohl Ratsmitglieder, standen daneben und unterhielten sich. Ein Kitsune mit neun Schwänzen, die er selbst in seiner Menschenform elegant über dem Kopf trug, sicher der Herr der Füchse. Andere konnte sie nicht identifizieren, aber da kam Sesshoumaru heran, mit Rüstung, aber unbewaffnet, und alle wandten sich ihm zu, neigten höflich den Kopf.

Sie tat das unwillkürlich auch, schon, um ihre Tränen wegblinzeln zu können, zumal sie auf den zweiten Blick erkannte, dass er Tessaiga in der Hand hielt, wohlweislich an der Scheide. Aber Bannkreis wies ihn wohl immer noch ab, obwohl sie früher gesehen hatte, wie er ihn zumindest kurzfristig überwinden konnte.

„Kagome.“

Sie wollte schon „äh, was“ sagen, ehe sie erkannte, dass er neben dem ersten Auto stand, die hintere Tür geöffnet wurde. Um sich und vor allem ihren geliebten Hanyou nicht zu blamieren, sollte sie wirklich besser aufpassen, So trat sie hin, spürte mehr als überrascht, wie ihr Tessaiga mehr oder weniger in die Hand gedrückt wurde, ehe ihr sozusagen Schwager um das Auto herumging, um sich auf den Platz hinter dem Fahrer zu setzen – der Platz des Ranghöchsten. Da sie kaum hier herumstehen sollte, stieg sie eilig ein, stellte Tessaiga aufrecht vor sich zwischen die Knie und klammerte sie daran. Das war das Beschützerschwert und sie konnte nur hoffen, dass es ihr in den nächsten Stunden helfen würde.

 
 

Bestatt8ng


 

A

ls Kagome da so in dem ruhig dahin fahrenden Auto saß, Tessaiga fest zwischen den Knien und in der Hand, riskierte sie einen Blick zurück. Ja, wie sie erwartet hatte, reihte sich dahinter das Auto der Bestattungsfirma ein… Nein, nicht weinen, beschwor sie sich, dahinter die Wägen mit den restlichen Ratsmitgliedern. Das war in der Tat eine Staatsaffäre. Auf dem Weg zurück den Kopf nach vorne drehend, wollte sie wirklich nicht ihren Schwager, naja, Fast-Schwager, angucken, der das noch nie hatte leiden können, aber irgendwie tat sie es doch. Auch er war, wie sie nun, reichlich spät und unnötig wie sie selbst erkannte, feststellte, älter geworden. Um die Dreißig, hätte sie ihm als Mensch zugestanden, knapp drüber. Seine Züge waren klarer geworden, schärfer, aber die Haare, die er nun nachlässig über der Boa und seiner anderen Schulter verteilt hatte, sahen noch immer so unglaublich weich aus. Hastig blickte sie lieber wieder auf Tessaigas Griff und Fell, da sie prompt bemerkte, dass er zu ihr sah. Das war ja peinlich. Sie sollte irgendeine harmlose Erklärung finden. „Äh, Yukio-sama meinte, dass wir, dass wir in die Zwischenwelt gehen. Dass du das kannst, weiß ich, aber ich….?“

„War das je ein Problem?“

Schön, was für eine Antwort, aber hey, er hatte sich dazu herabgelassen ihr immerhin zu antworten. Das war schon mal irgendwie positiv. Immerhin etwas an diesem grässlichen Tag. Nun gut. Sie sollte nicht unfair sein, der Salamanderheiler hatte sich auch redliche Mühe gegeben.

 

Sesshoumaru blickte aus dem Fenster. Immerhin hatte der Trank des Heilers sie soweit beruhigt, dass sie nicht ihn, aber auch und vor allem Inu Yasha nicht, vor den anderen Daiyoukai bloß stellen würde. Sie würde mitspielen. Gut. Das einzig Gute an diesem schrecklichsten Montag seit er überhaupt wusste, dass es Montage gab.

Als Inu Yasha damals zu ihm gekommen war, ihm seine Begleitung angeboten hatte, hatte er zugegeben zunächst nur an die Möglichkeiten Tessaigas gedacht. Wann war ihm eigentlich aufgefallen, wie sehr der Hanyou ihrem verehrten Vater glich? Nicht nur äußerlich, viel mehr als er selbst, sondern auch vom Denken her? Als er selbst damals in Erwägung gezogen hatte alle Daiyoukai zu fordern und im Notfall umzubringen, hatte Inu Yasha schlicht gesagt: „Weißt du, nii-san … wenn du alle umbringst, wen willst du dann noch beherrschen?“ Eine sehr berechtigte Frage, die ihn dann doch zum Nachdenken gebracht hatte. Es war auch Inu Yashas Einfall gewesen mit den Verträgen, da der als erstes erkannt hatte, dass der Titel eines Fürsten oder gar eines Kaisers der Youkai schon genügen würde um alle gegen sich zu haben. Mit „Taishou“ wurde der allseitige Stolz gewahrt. Und Sesshoumaru atmete für einen Moment tiefer. Als sein kleiner Bruder ihm diesen Plan ausgebreitet hatte, hatte dieser Vater so ähnlich gesehen. Er entsann sich des Tages als Vater gegen drei gegnerische Heere taktieren musste und mit dem gleichen Grinsen, wie sein Jüngster Jahrhunderte später, gesagt hatte: „Stärke ist nicht immer alles.“ Bauernschlau, nannten das manche. Eine Eigenschaft, die Vater eindeutig an seinen jüngeren Sohn weitergegeben hatte. Er selbst hatte Taktik gelernt und Hinterlisten – da war Mutter unübertroffen.

Tja. Und jetzt war er ohne Vater, ohne Bruder, neben sich immerhin eine erstaunlich ruhige Kagome. Inu Yashas Gefährtin. Es musste für sie überraschend gekommen sein, schockartig. Um ehrlich zu sein hatte er gehofft sie sei schon wieder ins Mittelalter zurückgekehrt, als er Kouga schickte. Inu Yasha hatte so gebettelt, geradezu, sie zu holen. Der letzte Wunsch seines kleinen Bruders. Es wäre undenkbar gewesen den nicht zu erfüllen. Aber auch ihm war klar gewesen, dass es schwierig werden konnte, wenn sie nun in dieser Zeit bleiben wollte. Dennoch. Sie hatte ja schon gesagt, dass sie zurück wollte, und dann wäre ja alles in Ordnung. Sie würde zurück gehen, Inu Yasha heiraten, altern und sterben, so, wie es geschehen war. Da konnte nichts schief gehen.

 

Irgendwann während der langen Fahrt zuckte Kagome derart zusammen, dass es der Daiyoukai mitbekam und zu ihr sah. Ließ der Trank nach? Solch einen Pfusch traute er Yukio eigentlich nicht zu.

Sie bemerkte den Blick und erklärte verlegen: „Ich habe Mama versprochen sie anzurufen, wenn ich Näheres weiß, als mich Kouga abholte. Sie macht sich sicherlich Sorgen.“

Sesshoumaru griff wortlos in die Seitentasche der Autotür und zog ein Handy hervor.

Kagome hielt fast den Atem an, ehe sie sich entsann, dass das hier ihre Zeit war, auch, wenn der Hundeyoukai die altmodische Seidenkleidung trug. Sie kam wirklich durcheinander.

Er nahm das Mobilphone mit offensichtlicher Übung und nutzte ebenso gewandt den Sprachassistenten. „Telefonat, Higurashi-Schrein, Tokio.“ Er reichte es ihr.

Sie war so verwirrt, dass sie es nahm, noch ehe sie den Rufton hörte. „Danke,“ brachte sie irgendwie hervor, als bereits abgehoben wurde. „Mama, ich bin es. Es … Inu Yasha ist … wir fahren jetzt zu der Trauerfeier …“ Das war kaum auszusprechen.

Ihre Mutter schien allerdings nur zu gut zu verstehen. „Du bist nicht allein, Kind?“

„Nein, Sesshoumaru, und auch andere….“

„Gut. Komm dann heim, wenn alles vorbei ist. Und Grüße an deinen Schwager.“

Kagome drückte das Gespräch weg und reichte das kleine Telefon zurück. „Danke,“ wiederholte sie. „Ich soll dich grüßen. Ich denke, Mama ist froh, dass ich nicht allein bin.“ Da sie keine Antwort erhielt, dachte sie nach. Natürlich. Wenn er in dieser Zeit ein Geschäftsmann war, und nichts anderes konnte es bedeuten, dass er und und Inu Yasha das Naherholungsgebiet Hakonen besaßen, waren sie sicher technisch auf dem Laufenden. Und, mit Krallen ein Handy zu bedienen war bestimmt komplizierter als den Sprachassistenten zu benutzen. Sie sollte sich geistig momentan aus dem Mittelalter verabschieden. „Wie lange dauert es noch? Ich meine, kann ich schlafen?“

War der Trank etwa überdosiert? Aber der Taishou erwiderte nur: „Schlaf.“

 

Kagome erwachte erst als das Motorengeräusch verstummte. Für eine Sekunde musste sie sich orientieren, aber da sie Sesshoumaru erkannte, der durch die von dem Youkai-Chauffeur geöffnete Tür eben ausstieg, begriff sie, dass sie nicht geträumt hatte. Auch Tessaiga. Ja. Sie hielt es zwischen ihren Knien, in ihren Händen. Es war wahr, dieser Alptraum. Da ihr ebenso der Schlag aufgemacht wurde, sollte sie wohl aussteigen. Mehr mechanisch tat sie es und blieb einfach stehen. Der ...das Auto des Bestattungsunternehmen hielt neben ihnen, die anderen Wägen, sicher mit den Ratsmitgliedern, folgten. Jetzt erst erkannte sie links von sich eine offenbar sehr alte Begräbnisstätte, Gebetsfahnen wehten um den Steinkreis, aber sie vermutete eigentlich nicht, dass sie dort hingehen sollte. Es hatte geheißen Inu Yasha sollte zu seinem Vater – und das ging nur über ein Portal. Besaß Sesshoumaru wieder diese schwarze Perle, die ihnen das ermöglicht hatte? Oder half das Meidou oder Tenseiga? Du liebe Güte. Sie kannte wirklich nicht nur einen Weg in das Jenseits?

Sie war offenkundig durch den Trank, den ihr der Salamanderheiler gegeben hatte, vollkommen verwirrt. Sie musste sich zusammennehmen, um nicht ihren armen Hanyou im Andenken dieser Daiyoukai bloß zu stellen. So umklammerte sie fest Tessaigas Scheide und sah zu ihrem Schwager. Es war einfacher ihn so zu nennen, irgendwie hilfreicher, auch, wenn er nicht zu ihr blickte, sondern zu der Trage, die zwei Youkai eben behutsam aus dem Auto zogen. Seidene Decken verhüllten, das … was darunter lag. Als die beiden Youkai die Trage allerdings in Bauchhöhe vor den Taishou hielten, fiel unter den Decken eine Hand hervor und sie atmete unwillkürlich tief ein. Inu Yasha.

Sie musste sich zusammen nehmen. Nur das hier noch, nur noch einige Stunden und schon morgen könnte sie mit ihm zusammen leben bis zu ihrem eigenen Tod. Das war das Leben, das Youkai kannten und nur Menschen führten sich da so auf. Sie musste sich beherrschen, das war es doch, worauf diese Wesen so großen Wert legten. Oh. Da standen ja nicht nur Ratsmitglieder. Das war doch Jaken? Wenngleich älter, als sie ihn kannte. Die Wangen der Kröterichs waren nicht mehr so prall gefüllt, um die Augen lagen Falten. Und in seinen Händen trug er ein Kissen, in dem ein alter, sichtlich verheulter, Flohgeist lag. Myouga! Sie hatte ihn schon vor fünfhundert Jahren für alt gehalten – für einen Flohgeist musste er jetzt wirklich ein Methusalem sein. Kein Wunder, dass er nur mehr auf einem kleinen Kissen lag, offenbar nicht mehr stehen konnte.

 

Sesshoumaru hätte nicht sagen können was ihn stutzen ließ. Die Hand, die unter den Seidentüchern herausgefallen war, wirkte so kalt und irgendwie spröde? Ja, Inu Yasha war ein Mensch gewesen, als er gestorben war, aber war das etwa so, wie Menschen verfielen, wenn sie starben? Unwillkürlich hob er die Hand etwas an, um sie wieder unter die Decke zu schieben. Kalt, ja, Und spröde – nicht so, wie er seinen Bruder in Erinnerung hatte. Mehr instinktiv als bewusst neugierig ritzte er die Haut, doch bewusst darauf achtend mit dem Rücken zu den Ratsmitgliedern sein Handeln zu verstecken. Der Geruch … nein, das war weder sein eigenes noch Vaters Blut. Aber ebenso eindeutig das Blut eines Hundeyoukai und eines Sterblichen. Nun gut. Inu Yasha war in seiner Menschenform gewesen als er starb. Irgendwie logisch, dass das so mächtige Blut ihres verehrten Vaters nicht mehr voll durchschlug. Er zog das Tuch darüber und wandte sich um, ehe er eine kleine schwarze Perle scheinbar ins Nichts warf.

 

Kagome sah wie sich ein Portal öffnete, wie sie es schon öfter gesehen hatte.

„Spring!“ befahl ihr Schwager etwas deutlicher als notwendig und sie erwachte aus ihrer Erstarrung. Tessaiga fest an sich pressend machte sie den Satz in die andere Welt.

Sesshoumaru fasste mit beiden Händen unter den starren Körper vor sich und war keine Sekunde später ebenfalls den Blicken der Beobachter entzogen.

 

„Was für ein Mensch,“ konstatierte Tomi, der Herr der Marderhunde, und sicher, neben dem Kitsune no kyuu einer der Personen hier, die am meisten von Magie verstanden. „Springt ohne zu Zögern durch ein Portal, von dem sie nichts weiß.“

„Nun ja.“ Kouga war dazu gekommen. „Sie war wohl schon das eine oder andere Mal im Jenseits. Sie redete nur nie darüber.“

„Dennoch erfordert es Mut,“ meinte Hikari, die Königin der Katzen, deren langes weißes Haar einen goldenen Schimmer trug, ehe sie beiseite sah. „Ihr kennt sie, Toran-sama.“

„Ich kannte sie, ja,“ gab die Pantherkönigin zu. „Wir sollten allerdings unser weiteres Vorgehen im Rat besprechen.“

„Das ist klar, werte Toran-sama,“ sagte Tomi. „Höflicherweise sollten wir nachdenken, ehe wir am Mittwoch Abend Sesshouamru-sama seinen Nachfolger vorschlagen.“

„Genau das ist nicht meine Absicht.“ Toran sah, dass selbst die entfernter stehenden Ratsmitglieder aufmerksam wurden und bemühte sich um rasche Aufklärung. Es gab in den Verträgen strikte Regelungen für alle, notwendig und wichtig, wenn solche mächtigen und reizbaren Wesen zusammen koexistieren sollten. „Wenn ich mich recht entsinne gibt es ein uraltes Gesetz für die Nachfolge. Ich werde mich heute Abend in die Bibliothek begeben und nachsehen. Finde ich etwas, können wir die Nachfolge bereits morgen Abend besprechen – und entscheiden. Falls dem nicht so ist, ist der Mittwoch natürlich ein passender Zeitpunkt.“

Die anderen Ratsmitglieder sahen sich an. Toran war, neben ihren unbestrittenen Kampffähigkeiten mit Eisspeer und Dolchen. auch die Person im Rat, die sich am meisten mit den uralten Regelungen beschäftigt hatte. Womöglich, weil sie eben mit ihrem Volk eigentlich aus China stammte, wie es Shinichi, der Herr der Füchse, einmal erwähnt hatte. Aber die so genannten uralten Gesetze, jene Regelungen, die die ersten Fürsten der Youkai in Japan getroffen hatten, waren die Grundlage gewesen, auf die sich alle für die Verträge einigen konnten. Gab es eine solche Regelung der Nachfolge, würde sich auch Sesshoumaru ihr beugen. Beugen müssen, denn sonst konnte ihm der Hohe Rat Bruch der Verträge vorwerfen, mit allen Konsequenzen für ihn und alle anderen. Aber bislang hatte der Taishou nie gezögert sich an die Verträge oder die alten Gesetze zu halten.

 

Kagome dachte erst im freien Fall in der anderen Welt daran, dass diesmal kein Inu Yasha da war, der sie hielt, der sie auf einen der seltsamen Knochenvögel zog, die hier herumflogen. Und sie selbst eben nicht fliegen konnte. Sie würde wohl ziemlich ungebremst auf dem felsigen Boden aufkommen. So ein Mist! Wo hatte sie nur ihren Verstand gelassen? Irgendwo an der Garderobe abgegeben?

Da, ein Knochenvogel direkt unter ihr. Sie landete darauf, froh, dass sie doch dieses Miko-Gewand angezogen hatte. Mit Hosen war das doch einfacher. Und, was war das denn? Sie folgte dem weißen Band, das sich um den dürren Hals des Vogels geschlungen hatte, zu dessen Besitzer. Sesshoumaru flog neben ihr, in seinen Armen das verhüllte Paket. Und er hatte mit seiner Boa anscheinend diesen Vogel eingefangen. Sie atmete durch. Im Gegensatz zu ihr wusste er anscheinend was er tat.

Und dort vorne befand sich ja auch das riesige Skelett des verstorbenen Herrn der Hunde, das sie bereits gesehen hatte. Da ihr Schwager davor landete und seine Boa sich rasch wieder verkürzte, ja, physikalisch unmöglich sich wieder um seine Schulter schlang, glitt sie eilig von dem Vogel. Das fehlte noch, dass der samt ihr wieder abhob.

 

Kagome betrachtete ein wenig verwundert ihren Schwager, aber sie hatte den Daiyoukai bereits schon einmal so andächtig zu dem Skelett aufblicken sehen. Diesmal allerdings hielt er seinen Halbbruder in den Händen und schien ihm dem Toten ähnlich darzubringen wie ein Priester ein Opfer seinem Gott. Oder nein, eher wie eine Hebamme das Baby dem Vater. So oder so sollte sie besser nichts sagen, zum Einen, weil das für den stoischen Hundeyoukai anscheinend doch eine recht emotionale Sache war und sie nicht wusste, was sie dazu sagen sollte ohne dass er sie gleich hier ließ, zum Anderen, weil sie schon wieder ihre Tränen herunterschlucken musste, sich zusammen nehmen musste, zumal, als Sesshoumaru den Verstorbenen an die Wand neben ihren Vater setzte. Sie war wirklich froh, dass er verhüllt war. Das wäre doch zu viel gewesen. Die Hand, die vorher herausgefallen war, hatte irgendwie so unmenschlich ausgesehen, rissig. Sie brauchte ja nur zu dem toten Taishou aufzublicken um zu wissen, dass der nur noch aus Knochen und Panzer bestand. Nein, so wollte sie Inu Yasha sicher nicht sehen.

 

„Tessaiga!“ befahl Sesshoumaru ungeduldig. Er wäre froh, wenn das hier vorbei wäre.

 

„Äh, ja.“ Sie ging hinüber und bückte sich, um das Schwert seinem Herrn in den Schoss zu legen. Vielleicht hätte sie es ihm in die Hand geben sollen, aber, nein, das schaffte sie wirklich nicht.

Als sie sich aufrichtete, war sie allein.

Eine eiskalte Angst kroch ihre Wirbelsäule empor, als ihr plötzlich einfiel, dass es allerlei Kulturen gab und gegeben hatte, in denen die Witwe ihrem Ehemann ins Grab folgen musste. War das bei den Youkai etwa auch so und sie hatte nur vergessen nachzufragen?

Zu ihrer riesigen Erleichterung erkannte sie dann Sesshoumaru, der von weit oben herabsprang, offenbar etwas geholt hatte. Um was es sich handelte, konnte sie sich vorstellen, als sie schwarz zwischen seinen Fingern erblickte. „Hosenkis Perle?“ fragte sie nur, nicht willens zuzugeben, was für einen Schreck sie eben bekommen hatte.

„Der Weg zurück.“ Nun, auch ein neuer hier herein, da er zwei geholt hatte, aber das brauchte er nicht erwähnen. Er wollte sich nur eine Möglichkeit offenhalten, falls in der Zukunft aus irgendeinem Grund Tessaiga, oder, genauer das Meidou Zangetsu, unbedingt von Nöten wären. Nur der äußerste Notfall würde ihn dazu bringen seinem toten Bruder dessen Schwert zu nehmen. Das Gewand aus Feuerratten hatte er jedoch behalten, als einzige Erinnerung an Inu Yasha und auch an ihren Vater, wenn man von Tenseiga absah. Er warf die Perle und erschuf damit erneut ein Portal. Wie jeden magischen Weg würde man auch diesen nur einmal benutzen können. Umso wichtiger mochte es sein, dass er zwei von dem Perlenkönig geholt hatte. Kagome sprang unverzüglich. Nun, feige war sie nicht, noch nie gewesen, selbst in diesen jungen Jahren. Später hatte sie freilich besser abschätzen können mit wem sie sich nicht anlegen sollte, wie mit ihm. Aber in diesem Alter, ja, einmal hatte sie sogar versucht einen läuternden Pfeil auf ihn abzuschießen und war natürlich gescheitert. Während er selbst den Schritt in das Portal machte, fiel ihm auf, dass er seltsamerweise nicht mehr sagen konnte, wie alt sie gewesen war, als sie starb. Noch gestern oder vorgestern, da war er sicher, hätte er das vermocht. Hatte ihn Inu Yashas Tod und nun die Bestattung doch ein wenig aus der gewohnten Ruhe gebracht?

 

Kagome taumelte ein wenig bei der Ankunft in der realen Welt, fing sich aber rasch. Da sie alle anwesenden Youkai und Daiyoukai anstarrten, floh sie förmlich in das Auto, dessen Chauffeur eilig herum spurtete, um vor ihr die Tür zu öffnen.

Sesshoumaru dagegen trat zu dem Hohen Rat. „Wir sehen uns am Mittwoch Abend,“ sagte er. „Dann erwarte ich Vorschläge zur Nachfolgeregelung. Anschließend könnt Ihr alle zurück nach Hause kehren.“

„Falls sich eine wichtige Änderung im Plan ergeben sollte, Sesshoumaru-sama,“ meinte Toran nur: „Wäre Euch doch gewiss auch schon ein Treffen morgen Abend recht.“

Er musterte die Pantherkönigin, nickte aber nur, ehe er sich abwandte. Was auch immer Toran ausbrütete – es würde nach Recht und Gesetz ablaufen. Zu wichtig war es allen, dass man sich an die Verträge halten musste. Toran neigte manchmal dazu ihm mit ihrer spitzen Zunge auf die Nerven zu gehen, aber er gab zu, dass sie sich eisern an die Gesetze hielt. Was sie bislang auch davor bewahrt hatte sich mit ihm erneut ein Duell liefern zu müssen. Jetzt musste er nur noch Kagome los werden, der Hohe Rat abreisen, dann konnte er zum ersten Mal seit Wochen etwas entspannen. Wen auch immer sie ihm als Nachfolger vorschlagen würden, er würde ihn oder sie erst einmal nehmen. Ein leiblicher Sohn würde einen vom Rat ernannten Nachfolger immer übertrumpfen. Im Notfall musste er sich dann doch eine Gefährtin suchen, was er bislang schlicht durch Inu Yashas Anwesenheit vermieden hatte. Wozu die Aufmerksamkeit vieler Youkaidamen gegen die Pflichten einer einzigen gegenüber eintauschen?

 

Er stieg in den Wagen. Nun bitte. Der Trank ließ sichtlich nach, denn sie weinte ja schon wieder. „Kagome.“

„Ja?“ Sie versuchte hastig ihre Fassung wieder zu erlangen.

„Ich lasse dich am Schrein absetzen.“

„Oh, ja, das wäre nett, vielen Dank.“ Sie atmete tief durch. „Ich denke, dass die Barriere weg ist, dass ich nun in das Mittelalter kann, zu Inu Yasha. Ich glaube, er wollte mich so unbedingt in dieser Zeit noch einmal sehen, dass er dieses Hindernis unbewusst geschaffen hat.“

Tatsächlich war der Daiyoukai so froh, dass sie in das Mittelalter wollte, alles wieder in Ordnung käme, dass er etwas nickte.

„Ich werde dann morgen gehen oder so. Ich kann mich ihm doch unmöglich in solch einem Zustand präsentieren. Wir haben uns doch drei Jahre nicht gesehen.“

Das klang ebenfalls vernünftig. Sollte sie ihre Trauer loswerden, ehe sie seinen kleinen Bruder wieder heiratete, nein, überhaupt heiratete. Zeitreisen waren wohl doch ein wenig kompliziert.

 

 
 

Magie des Blutes


 

F

ast eine Stunde lang hing Kagome ihren Gedanken nach. Darunter war durchaus ein immer wiederkehrender. Sollte sie oder sollte sie nicht Inu Yasha sagen, dass er in ihrer Zeit sterben würde? Wozu, beschloss sie dann. Nachher würde er doch etwas anderes machen als es hier und jetzt geschehen war. Sie selbst konnte ja anscheinend problemlos durch die Zeit reisen, aber wenn sie schon allein daran dachte, was er teilweise angestellt hatte, als er im heutigen Tokio war … Und da war auch noch eine wirklich kleine, todtraurige, Erinnerung, die sie dann doch mal vorsichtig beiseite gucken ließ. Soweit sie wusste, hatte ihr Schwager eine recht endgültige Ansicht darüber einfach so angesprochen zu werden – wenn man nicht gerade sein Halbbruder war und Tessaiga schwenkte oder der zumindest daneben stand. „Äh, Sesshoumaru …“

Der Daiyoukai war tatsächlich so angetan über seine ausnahmsweise schweigende Schwägerin, dass er den Kopf wandte, zumal er annahm, es gehe um Inu Yasha.

„Da ja Inu Yasha jetzt, naja, nicht mehr da ist, was hast du mit Myouga vor? Er war doch schon bei deinem Vater und jetzt bei Inu Yasha ….“

Gut. Eine Sache, die sie wirklich mit Rin gemeinsam hatte: vollkommen überraschende Gedanken an vollkommen unnütze Dinge oder Personen zu verschwenden. Allerdings hatte sie recht. Myouga diente seit Jahrhunderten der Familie und hatte nie Anlass gegeben ihn der Illoyalität zu zeihen. „Ich habe dann zwei Berater.“

„Oh ja, das ist eine gute Idee,“ freute sich Kagome aufrichtig, die vermutete, dass es der alte Flohgeist ohne seine Hundefamilie nicht lange aushalten würde, zumal so hinfällig, wie er zuvor gewirkt hatte.

Da das Thema damit ja wohl beendet war, blickte der Taishou wieder aus dem Wagenfenster. Myouga, ja. Der alte Floh war in den vergangenen Wochen immer schwächer geworden, fast, als sei er an Inu Yashas Sein gekoppelt. Hatte der buchstäblich mitgelitten? Oder hatte das einen anderen Grund? Der wahrlich im Blut lag? Das ließ sich leicht herausfinden. Der Alte hatte keine Chance ihm eine Antwort zu verweigern. Nicht, wenn er an seinem bisschen Leben noch hing.

„Lebt Toutousai eigentlich noch?“

„Nein.“ Ein guter Grund, den Inu Yasha vor allem, aber auch er selbst, in den letzten zwei Jahrhunderten gehabt hatten mit Tessaiga und Tenseiga pfleglich umzugehen. Nun, pfleglicher als früher.

Redselig wie eh und je, seufzte Kagome, wenngleich nur in Gedanken. Es wäre ihr lieb gewesen von etwas anderem zu reden, gemeinsam zu trauern, aber das machte wohl der Herr Taishou auf seine Art. Immerhin tat er es und das hätte sie bis heute nicht erwartet. Aber sie hätte wohl so einiges im Hier und Heute nicht erwartet. Jedenfalls sollte sie besser den Mund halten und vielleicht noch einfach ein bisschen selbst weinen.

 

So fiel das nächste Wort erst am Higurashi-Schrein, als der Wagen hielt und der Youkaichauffeur heraussprang um vor der Witwe Inu Yasha-samas die Tür zu öffnen.

„Danke, Sesshoumaru ...“ Eingedenk der Mahnung des alten Heilers und der Tatsache, dass da ein Youkai, noch dazu ein Hundeyoukai, neben ihr stand, ergänzte sie hastig: „Sesshoumaru-sama.“ Wohl gerade noch gut gegangen. So stieg sie aus, da sie zu recht kein Abschiedswort erwartete.

Der erste Weg zu Hause führte sie zu dem Brunnenhäuschen. Jetzt musste doch die Barriere weg sein, sie hatte doch hier alles erledigt? Aber sie sollte wirklich nicht so verheult springen. Inu Yasha würde ja sonst etwas denken. Nein, sich ausweinen, etwas essen, baden, eine ruhige Nacht verbringen, dann … Wenn es dann ging. Nein, so durfte sie nicht denken. Es musste doch jetzt funktionieren.

Oh. Das Bild hatte sich verändert. Als sie sich über den Brunnen beugte, erkannte sie zu ihrer Erleichterung wieder die andere Welt, die andere Zeit. Aber da musste ja schreckliches Wetter herrschen. Der Himmel war rot und schwarze Schatten bewegten sich. Ach, das mussten die Bäume sein. Das sah nach einem Unwetter im Abendrot aus oder so. Sehr ungewöhnlich, aber ein guter Grund nicht jetzt zu springen. Da wäre ja nicht einmal ihr Hanyou in der Lage zu wittern, dass sie durch den Brunnen gekommen war, und würde sie abholen. Nein. Besser eine ruhige Nacht und sie konnte sich auf ihn konzentrieren.

Da sich Kagome voller Hoffnung abwandte bemerkte sie nicht mehr, dass das Bild in Rot und Schwarz förmlich gefror, erstarrte.

 

Im Schloss angekommen befahl der Taishou nur kurz Myouga solle zu ihm gebracht werden. Allein.

Als er sich in seinem Arbeitszimmer auf das Polster auf dem hölzernen Podest niederließ, schob er das kleine Schreibpult etwas beiseite. Jaken, der das Kissen samt dem Flohgeist vor dem Platz des Hausherrn ablegte, bemerkte die kurze Handbewegung und beeilte sich nach draußen zu kommen. Was Myouga wohl angestellt hatte?

Das fragte sich der Flohgeist auch, dem aus langer Erfahrung bei solchen Zweiergesprächen mit Sesshoumaru aus gutem Grund sehr blümerant zu Mute war. Aber ihm war auch klar, dass es kein Entkommen gäbe. Selbst falls es ihm, und das war in diesem geschwächten Zustand schon kaum möglich, gelänge den Raum lebendig und in einem Stück zu verlassen – alle Youkai im Land würden ihn auf Befehl des Mannes vor ihm jagen und ihn ausliefern. Selbst sein eigenes Volk. Augen zu und durch. Hoffentlich war der Taishou milde gestimmt, immerhin kam er von der Beerdigung des jungen Herrn … Ja, oder das Gegenteil.

„Du wirst seit Wochen schwächer.“

Eine reine Feststellung, dachte Myouga, bemühte sich jedoch sich zumindest ordnungsgemäß hinzu knien. Immerhin hing er noch nicht in der Klaue und wurde platt gedrückt. „Ja, oyakata-sama.“ Nur schön, lieber extrem, höflich bleiben.

„Hast du dich bei Inu Yasha angesteckt?“

„Nein, und ich auch ihn nicht, wirklich. Seit der junge Herr so ... Seit er begann so krank zu werden habe ich sein Blut nicht mehr getrunken.“ Ach du je. Wurde er etwa verdächtigt schuld am Tod des armen jungen Herrn zu sein? Dann konnte er von Glück reden, wenn er nur gevierteilt wurde. Das galt als Hochverrat.

„Und seit du sein Blut nicht mehr getrunken hast, wirst du schwächer.“ Leider bekam man auf direkte Fragen auch immer nur direkte Antworten. Nachteil einer strikten Hierarchie, wenngleich der einzige, den er als Alpha entdecken konnte.

„Ja. Das ist immer so. Früher hielt ich es länger aus, als ich jung war.“ Das war zwar ausführlicher als gefragt, aber der Alte begann zu ahnen auf was das hinaus lief.

„Oder hielt Vaters Blut nur länger als Inu Yashas.“

„Nein, das … Ich glaube, das liegt an mir und meiner zunehmenden Altersschwäche, oyakata-sama.“

„Du hast seit all der Zeit nur das Blut meines verehrten Vaters und meines Bruders getrunken.“

„Ja, bis auf einmal Kagomes, sie war vergiftet worden und ich sollte helfen. Ich war Eurer Familie immer treu.“

„Dafür erhieltest du auch ein ungewöhnlich langes Leben für einen Flohgeist.“

Nun ja, dumm war Sesshoumaru wirklich noch nie gewesen, dachte Myouga und seufzte etwas. Das klang nicht so, als ob ihm ein viel längeres beschieden wäre. „Ja, so ist es wohl, oyakata-sama. Ich redete einmal mit Yukio darüber, er ist ein sehr erfahrener Heiler. Er meinte auch, dass ich schon viel älter sei als gewöhnlich. Und, dass das daran liegen könne, dass ich seit meinen Jugendtagen nur das Blut eines sehr mächtigen Daiyoukai, Eures Herrn Vaters, zu mir genommen hatte, zuerst bei ihm selbst, dann Inu Yashas, das ja so ähnlich war. Da ich, wenn Ihr den Ausdruck gestattet, nie den Wirt gewechselt habe, war es mir vergönnt durch dieses edle Blut so lange zu leben.“ Tja. Einen anderen Wirt zu suchen würde der Daiyoukai als postume Beleidigung von Vater und Bruder auffassen, mit finalem Ergebnis. Allerdings, wenn er nicht bald Blut trinken konnte, wäre er auch tot. Was für ein Flohleben oder eher Sterben.

Um Sesshoumarus Mund zuckte etwas wie ein Lächeln.

Myouga fiel fast in Ohnmacht. Er kannte den Hundeyoukai seit dessen Geburt und wusste nur zu gut, wenn dieser lächelte würde irgendwer einen Gedenkstein zwingend benötigen. Es gab nur ganz wenige Personen, die je ein anderes Lächeln gesehen hatten, Rin sicher, auch Inu Yasha in den letzten Jahrhunderten, aber eigentlich war er selbst ja nie dabei gewesen. Und wieso streckte der jetzt den Arm aus, drehte die Hand? Nein, fassen wollte er ihn nicht.

Der Youkai no Taishou erkannte, dass der Flohgeist schwer von Begriff war, vermutlich schon sehr erschöpft. „Trink,“ befahl er. „Ich werde nicht dulden, dass mein Berater vor der Zeit verschwindet.“

„Berater?“ keuchte Myouga, aber dieses Angebot war zu verlockend. So hüpfte er neben die mörderische Klaue. Natürlich würde ihm Sesshoumaru niemals gestatten aus seinem Hals zu trinken, aber allein das Handgelenk war schon … Ohne weiter nachzudenken ließ ihn sein Hunger seinen Rüssel direkt neben einen magentafarbenen Streifen stoßen. Während er schluckte, brachte er vollkommen überwältigt zwischendrin irgendwie hervor: „Oh, ich danke Euch vielmals, Sesshoumaru-sama …..Ich werde Euer Berater sein… nur zu gern….“ Dieses süße, mächtige, edle Blut! „Wünscht Ihr … auch den Aufspürbann?“ Damit hatte der verstorbene Inu no Taishou ihn stets rufen können, wenn er seiner bedurfte.

Dieser Alte schien wirklich kurz vor dem Ende gewesen zu sein. „Den habe ich längst gelegt.“

Was?! Der alte Flohgeist hätte fast das Trinken vergessen, nahm sich aber eilig zusammen. Natürlich. Spätestens als die Halbbrüder zusammen durch Japan zogen und er immer bei Inu Yasha war, hatte sich der Ältere absichern wollen. Sich und den Jüngeren, denn Inu Yasha hätte keinen magischen Bann legen können, und wenn dessen Leben davon abgehangen hätte.

 

Nun gut, dachte Sesshoumaru. Für einige Tropfen seines Blutes erhielt er einen überaus loyalen, durchaus intelligenten, Berater, der der Einzige war, der Vater und Inu Yasha jahrhundertelang begleitet hatte. Eine lebende Erinnerung. Früher hätte er ihn zum Gehorsam gezwungen, heute wusste er, dass Zuverlässigkeit auch immer auf Gegenseitigkeit beruhte. Sein verehrter Vater hatte recht gehabt. Loyalität war das Höchste, was man geschenkt bekommen konnte, denn niemand konnte sie erzwingen. Und das hatte ihm ausgerechnet Inu Yasha gezeigt. Unhöflich, vorlaut, selbstbewusst, ein Hanyou, eine Missgeburt, der ihm gegenüber nicht nur flegelhaft, sondern geradezu frech aufgetreten war – den er trotz allem nicht umbringen konnte. Und irgendwann auch nicht mehr wollte. Wann war ihm, schon lange vor Kagomes Tod, klar geworden, dass es da jemand gab, der ähnlich wie er selbst dachte, ihm nicht nur nicht schaden wollte, sondern immer bereit gewesen war an seiner Seite zu kämpfen? Inu Yasha.

Er zog die Hand zurück, die Myouga eiligst freigab. „Lass dir von Jaken alles erklären.“

„Ja, oyakata-sama.“ Der alte Flohgeist konnte förmlich das Youki spüren, die Energie die durch seinen Körper strömte, ihn aufweckte. Da das die Verabschiedung gewesen war, hüpfte er buchstäblich aus dem Raum.

Der Taishou erlaubte sich, als er allein war, etwas, das einem Seufzen nahe kam. Was für Wochen lagen hinter ihm. Und diese hier hatte schon mit einem wirklich verheerenden Montag angefangen. Nun gut. Mittwoch noch die Sitzung des Hohen Rates, dann konnte er etwas ausspannen.

 

Der Dienstagmorgen begann mit strahlendem Wetter über Tokio und Kagome hatte sich in der Nacht beruhigt. Jetzt hatte sie gefrühstückt, sich noch von ihrer Familie verabschiedet und war zum Brunnen gegangen.

Sie blieb stehen. Da stimmte doch etwas nicht? Etwas leuchtete ja förmlich in dem Häuschen? Deutlich vorsichtiger trat sie näher. Tatsächlich. Ein rotes Leuchten. Was war denn nun schon wieder passiert? Sie konnte nichts spüren, jedenfalls nichts, was auf einen Youkai hingewiesen hätte oder auch nur einen Oni, wobei sie doch schwer hoffte, dass niemand so lebensmüde war etwas gegen die Schwägerin des Youkai no Taishou unternehmen zu wollen. Aber – da war etwas, eine ihr vollkommen unbekannte Magie. Sie kauerte sich neben den Brunnenrand, als ob sie so Schutz finden konnte, ehe sie behutsam einen Blick hinunter warf.

Wie befürchtet sah sie dort nur das Bild, das sie gestern schon gesehen hatte – die andere Zeit, aber nur in rot und schwarz. Jetzt jedoch bewegten sich dort nicht einmal die Bäume mehr. Es war, als sei das Bild eingefroren. Was war denn nur passiert? Lag es an Inu Yashas Bestattung in der Zwischenwelt? Hätte er verbrannt werden müssen, um mit … nun ja, mit Kikyou zusammen zu sein? Hatte es da einen uralten Bann gegeben, den die Priesterin damals gelegt hatte? Oder lebte die sogar noch? Wobei, leben war das ja nicht unbedingt zu nennen. Existierte die noch und verhinderte nun, offenkundig erfolgreich, dass sie zurück zu Inu Yasha konnte? War das möglich? Aber so sehr sie sich auch konzentrierte, sie konnte keine Magie einer miko feststellen, allerdings auch nichts anderes. Es war, als ob etwas vollkommen Fremdes den Brunnen übernommen hätte.

Das durfte doch nicht wahr sein!

Wer hatte denn nur etwas dagegen, dass sie und ihr Hanyou wieder zusammen fanden?

Sollte sie zusehen, dass sie Sesshoumaru informierte? Der verstand doch eine Menge von Magie und kannte im Zweifel auch Leute wie diesen Hohen Rat, die ihr möglicherweise helfen konnten.

Preisfrage: wie informieren? Das Schloss lag unter Bannkreisen und selbst, wenn sie ihn in der Verwaltung des Parks sprechen wollte – er war da der Chef und solche Leute wurden in der Menschenwelt in aller Regel von diversen Sekretärinnen abgeschirmt, die sie kaum durchstellen würden, sagte sie es gehe um Magie. Dass sie seine Schwägerin sei, war bestimmt auch nicht sonderlich glaubhaft, hatten sie sie doch nie bei Inu Yasha gesehen.

Seufzend und den Tränen nahe ließ sie sich zu Boden sinken.

Sie hasste es so hilflos zu sein. Irgendetwas musste sie doch tun können.

Hm. Ja, wenn sie versuchte den Zauber zu brechen? Aber, wie? Sicher, sie konnte mit Pfeilen darauf schießen, aber nicht einmal Kagome war sich sicher, ob sie damit nicht mehr Schaden als Nutzen anrichten würde. Sollte sie warten, bis Sesshoumaru mitbekam, dass sie noch immer in dieser Zeit war? Er würde sich doch bestimmt wundern und Kouga nach ihr schicken? Oder gar selbst kommen?

Was war das nur für eine seltsame Magie? Sicher ein Bann, aber was für einer? Vage glaubte sie sich an etwas ähnliches zu erinnern, aber was war das nur gewesen? Ein Lebewesen oder etwas anderes, an das sie nicht dachte? Doch irgendetwas, weil sie erneut in der Zwischenwelt gewesen war? War sie jetzt etwa in dieser Zeit gefangen, weil Inu Yasha von hier aus in die Zwischenwelt gebracht worden war? Ja, Zeit. Irgendetwas hielt sie noch hier. Doch noch eine Aufgabe, wie Mama schon vermutet hatte? War es mit Inu Yashas Tod und Beerdigung etwa noch nicht vorbei?

Schön, beschloss sie energisch. Heute noch würde sie abwarten ob etwas geschah, morgen es irgendwie schaffen sich zu Sesshoumaru durchzuschlagen, wenigstens telefonisch. Vielleicht würde es helfen, einfach der Sekretärin oder was auch immer er hatte, zu sagen, er solle Kagome Higurashi zurückrufen. Das würde, wenn es denn ausgerichtet wurde, den hohen Herrn doch auf Trab bringen, da er wusste, dass sie ins Mittelalter zurück wollte. Hm. Sie hatte doch die Miko-Kleidung noch hier, die sie im Schloss erhalten hatte. Vielleicht war das ein Vorwand, sie ihm zurück bringen zu wollen? Sie musste nachdenken, dachte sie und erhob sich mit einem letzten Blick auf das seltsame Bild im Brunnen. Irgendetwas lief hier furchtbar schief. Nur, was?

 

Der Herr der Youkai stand am Rande des Plateaus, auf dem das Schloss stand und sah in die Natur, den schützenden Bannkreis knapp vor sich. Unten auf dem See fuhren Ausflugsschiffe, die Gondelbahn drüben war ebenfalls trotz des Wochentages gut besucht. Aber er blickte nicht auf die Dinge, die ihn über diverse Tarnfirmen reich machten, sondern lieber über das Grün der bewaldeten Berge, versuchte sich ein wenig zu entspannen. Ganz würde er es erst können, wenn die Ratsmitglieder samt ihrer Entourage endlich, nach zwei Wochen, wieder abgezogen waren. Solange sie hier waren fand er kaum Zeit für die Firmen, kaum Zeit für die permanent auflaufenden Anfragen. Viel war sowieso liegen geblieben, seit Inu Yasha so erkrankt war und ihm Yukio besorgt mitgeteilt hatte, er sei ratlos. Die letzten Tage hatte er das Zimmer seines Bruders nicht mehr verlassen, den nicht allein lassen wollen.

Jaken.

Er drehte sich mit einem nur inneren Seufzen um. Was war denn nun schon wieder?

Der Kappa kannte seinen Herrn seit langen Jahrhunderten und wusste sich den Blick zu deuten. Das galt nicht ihm oder seiner behutsamen Annäherung – Sesshoumaru-sama war mit der gesamten Lage und natürlich dem Tod seines Halbbruders nicht zufrieden. Aber natürlich würde der mächtige Youkai no Taishou das nie nach außen zeigen. So verneigte er sich eilig. „Der Hohe Rat lässt Euch um ein Treffen in zwei Stunden bitten.“

Toran! Was hatte sie denn nur zum Thema Nachfolge herausgefunden? Ihm fiel kein altes Gesetz ein, aber die Pantherkönigin wusste da wirklich viel, hatte sich überaus gründlich mit dem Studium der alten Papiere beschäftigt. Und sie hatte erwähnt, dass, sollte sie etwas finden, die Ratssitzung bereits heute Abend stattfinden sollte. Nun gut. So war er den Rat einen Tag früher los und es würde am Ergebnis nichts ändern. Ein leichtes Nicken, dann wandte er sich wieder der Aussicht auf die Natur zu.

 

Pünktlich um achtzehn Uhr betrat er den Versammlungssaal des Hohen Rates, einen Raum, der fast zu groß für die Personenanzahl schien, die sich hier befand. Aber oft genug waren auch Berater, manchmal auch Berichterstatter, Boten oder Offiziere dabei. Während er auf seinen Platz auf der Rückseite des Saales schritt, beachtete er weder die kunstvollen Holzverzierungen an Säulen und Wänden noch die Höflichkeit der Ratsmitglieder, die die Köpfe neigten. Nur ein Platz in der Runde war noch immer frei. Nezamiuro, dem Herrn der Pfeifhasen und anderen Nagetiere, schien es gesundheitlich wahrlich nicht gut zu gehen, wenn er nicht einmal wegen einer solchen Staatsangelegenheit wie es der Tod Inu Yashas, und damit des zweiten Mannes der Youkai, nach Tokio kam.

Er ließ sich, wie alle hier, auf ein Polster nieder. Allerdings befand sich seines auf einem hölzernen Podest, während die Ratsmitglieder auf Kissen im Kreis davor auf dem Boden knieten. Die beiden weiblichen Ratsmitglieder trugen ihre gewohnte Kleidung – Toran in Hosen und lockerem Oberteil, Hikari im Kimono. Die Katzendame war deutlich weniger kampfbetont als die Pantherin, die nun jedoch von allen angesehen wurde. Sesshoumaru schloss daraus, dass die Anderen auch noch nichts wussten. Wenn Toran ihr Wissen derart zurückhielt, offenkundig selbst Berater ausgeschlossen waren, war es mit Sicherheit überaus heikel.

„Toran-sama?“ fragte er daher. „Ihr habt etwas herausgefunden.“

„In der Tat, Sesshoumaru-sama.“ Die Pantherdame legte ihre Hände fast sittsam in den Schoss, um sich zu konzentrieren, ehe sie die eisblauen Augen auf den Taishou richtete. „Es existiert ein altes Gesetz aus der Zeit der ersten Youkaifürsten Japans, das die Nachfolge regelt. Es wurde von allen Vieren durch einen Blutbann besiegelt, wie alle hier Anwesenden wissen kann das nicht mehr rückgängig gemacht werden und betrifft uns heute noch. Die Regelung besagt: Wenn ein männliches Mitglied eines Fürstenhauses ohne Erben verstirbt, jedoch ein Bruder existiert, wird dieser die Gefährtin seines Bruders zur Gefährtin nehmen. Ein Kind aus dieser Ehe gilt dann als Erbe des Verstorbenen. In diesem, aktuellen, Fall, also als Inu Yashas. Und damit natürlich auch als Euer Erbe.“

Ein Blutbann, Blutmagie, dachte der Taishou. Ja, das war mächtigste, höchste Magie. Dennoch gab es auf diesen Unsinn nur eine Antwort: „Nein.“

 
 

Rat


 

D

as sachliche „Nein“ des Taishou bewirkte prompt, das ihn alle Daiyoukai im Raum anstarrten.

Fast vorsichtig erkundigte sich Toran, sicher, sich verhört zu haben: „Ihr wollt Euch doch an die alten Gesetze und unsere Verträge halten.“

„Ich habe aus mehreren Gründen Zweifel daran, dass dieses Gesetz uns heute noch betrifft.“ Da die Pantherkönigin Luft holte, bemühte sich Sesshoumaru um prompte Erklärung. Es ziemte sich nicht in seiner Stellung keine Würde und Sachlichkeit zu zeigen – überdies könnte es mehr als unschöne Folgen haben, wären alle im Rat dieser Meinung. Und, wenn sich Toran beleidigt fühlte, zurecht, konnte sie auf einem Duell bestehen. Er würde zwar gewinnen, aber … Ja, aber. „Ich bin mir auch sicher, Toran-sama, dass Eure Recherchen gründlich waren. Nur, diese Reglung wurde getroffen als die ersten Youkaifürsten Japan beherrschten. Heute gibt es nicht einmal einen Fürsten mehr.“

„Das ist wahr.“ Shinishi, der Herr der Füchse richtete sich etwas auf. Seine neun Schwänze zeigten noch immer die rote Haarfarbe seiner natürlichen Gestalt, sein Kopfhaar war dagegen grau geworden und er trug es auf Schulterlänge, nicht zuletzt seinen prachtvollen Anhängseln geschuldet. „Euch ist jedoch bewusst, Sesshoumaru-sama, dass diese Regel eingeführt wurde um Nachfolgestreitigkeiten zwischen den Fürsten zu verhindern, gar Anreize zu schaffen für gegenseitige Ermordung, wenn man eine Tochter in eine andere Familie gegeben hatte, allerdings auch aus anderen Gründen.“ Da er bemerkte, dass ihn alle ansahen: „Zum Einen ist eine kinderlose Witwe, nun, wenn man von den Katzendamen absieht, immer in gewissen Nöten und solcherart abgesichert. Auch durch die Ehe geschlossene Allianzen bleiben so erhalten. Zum Dritten wird so die männliche Erbfolge sichergestellt, auch sichergestellt, dass das Erbe in einer Hand bleibt. Dies ist auch in Eurem Fall, der Stellung des Taishou, natürlich nur sinnvoll.“

Sie wollten ihn wohl an die Wand drängen. Sesshoumaru legte ein wenig den Kopf schräg. Immerhin war der kitsune no kyuu der mächtigste Youkai, was Magie betraf. Dass der hier, wie stets eigentlich zumeist, mehrlagigen Kimono trug, besagte nur, dass dieser es nicht nötig hatte mit einem Schwert zu kämpfen – nicht, dass der es nicht könnte. Und gegen die Fuchsmagie dieses Mannes würde auch er sich ein wenig härter tun. „Ich sehe mich allerdings gezwungen darauf hinzuweisen, dass meine Schwägerin zwar gestern verwitwet sein mag, aber noch immer in der Vergangenheit bis zu ihrem Tod mit meinem Bruder verheiratet ist.“

„Das ist wahr!“ entfuhr es Kouga, der sicher war, seine Jugendliebe wäre alles andere als entzückt statt Inu Yasha dessen Bruder heiraten zu sollen.

„Oh ja, Zeitreisen.“ Der alte Salamanderheiler seufzte, ehe er fortfuhr: „Das ist natürlich richtig, Sesshoumaru-sama. Und niemand würde Euch zumuten eine Frau zu ehelichen, die bereits mit Eurem Bruder verheiratet ist. Nicht wahr?“ Yukios Blick glitt allerdings zu dem Daiyoukai der Füchse.

 

Sesshoumaru war prompt alarmiert. Was lief hier, was hatte er übersehen? Er plante wirklich nicht im Mindesten diese vorlaute Menschenfrau zu heiraten, mal vollkommen abgesehen von Inu Yasha. Er hatte Jahrzehnte nicht gewusst, wie das sein Bruder mit der ausgehalten hatte.

Shinishi zuckte mit allen neun Schwänzen. „Sie wollte wohl zurück? Nun, wenn ihr das gelang, können wir diese Diskussion beenden, weil es dann schlicht unmöglich wäre. Und der Blutbann gebrochen, oder, werter Tomi? Blutmagie ist Euer Spezialgebiet.“

Der so angesprochene Tanuki, dessen Augen selbst in seiner Menschenform von schwarzen Ringen umrahmt waren, zupfte unwillkürlich ein wenig den Kimono zurecht, den er über Hakama und Haori trug, um seine mit den Jahren doch fülliger gewordene Gestalt zu kaschieren. Wie alle Marderhunde neigte er zur Rundlichkeit. „Ja, in diesem Fall wäre der Zauber gebrochen. Ich fürchte allerdings, dass es ihr nicht gelang. Mit dem Tode Inu Yashas-samas wurde der Blutbann ausgelöst, der vor so langer Zeit gesprochen wurde. Und er kann nur gebrochen werden, wenn die Bedingung erfüllt ist. In diesem Fall, ein Kind. Danach kann sie gewiss in die Vergangenheit.“

Sesshoumaru fielen auf Anhieb zehn Dinge ein, die er lieber tun würde, als sich Kagome auf sein Lager zu holen, angefangen bei einem Mord an sämtlichen anwesenden Daiyoukai. Aber das war einer der Haken an den Verträgen. Er musste den Hohen Rat überzeugen. Er stand ihm nur vor, besaß keine absolute Befehlsgewalt. „Das, Tomi-sama, würde voraussetzen, dass der Blutbann überhaupt ausgelöst wurde. Wenn ich Toran-sama richtig verstand, haben die ersten Youkaifürsten diese Regel beschworen. Das Gesetz der Vier gilt für uns alle, da habt Ihr recht. Es gilt jedoch nicht für Hanyou oder gar Menschen.“

„Es sei denn, es wurde etwas erwähnt.“ Tomis Blick glitt zu der Pantherkönigin. „Toran-sama?“

„Ich muss zugeben, ich habe nicht so genau weitergelesen,“ erwiderte diese.

Sesshoumaru sah seine Chance und nutzte sie. „In diesem Fall würde ich vorschlagen, dass wir uns erst morgen Abend wieder treffen. Bis dahin werden meine Berater gründlich die Unterlagen durchforsten. Toran-sama, Ihr seid gewiss so freundlich sie auf die Lage dieser Buchrolle hinzuweisen. Desgleichen solltet Ihr, Kouga-sama, überprüfen, ob sich Kagome noch im Schrein ihrer Familie befindet oder bereits weg ist. Sie kennt Euch.“

„Morgen früh,“ meinte der Wolfsyoukai. „Es ist doch schon abends und Menschen schlafen. Soweit ich mich entsinne haben sie immer die Fensterläden zu. Die Witterung mag täuschen. Ich sollte Kagome persönlich sehen.“

Das kam ihm nur zupass. Zeit war das, was er erst einmal bekommen musste. Falls das Undenkbare eintrat und Kagome nicht zurück in die Vergangenheit konnte – dass sie wollte, davon war er überzeugt – so musste er weitere Hinweise finden. Und er kannte, abgesehen von der Bibliothek des Rates, nur einen Ort und ein Lebewesen, zu dem er mit solchen Frage und auch einer berechtigten Hoffnung auf Antwort gehen konnte. Seine eigene Mutter zählte nicht dazu, trotz all ihrer magischen Fähigkeiten. Jenseitsreisen ja, Zeitreisen, nein. Allerdings war der Weg von Tokio in die einsamen Wälder des Westens weit. Er wollte überdies seine beiden Berater mitnehmen. Sie sollten besser bis Sonnenaufgang mit der Überprüfung der alten Gesetze fertig sein. Irgendwo musste es eine andere Lösung geben, als Inu Yasha dadurch zu brüskieren, dass sein großer Bruder mit seiner Ehefrau ein Kind zeugte. Und er selbst Kagome am Hals hatte.

 

Kurz nach Sonnenaufgang sprang Sesshoumaru in Rüstung und mit zwei Schwertern im Gürtel in einen Flug, der ihn weit in den Westen bringen würde. Schon bald war er den auch nur möglichen Blicken von Menschen entzogen, als er den kürzesten Weg quer über den Park nahm, den Fuji rechts von sich haltend. Seine Laune hatte sich nicht gehoben, als sein beiden so genannten Berater ihm mitteilten, mitteilen mussten, dass Toran recht hatte, Der Spruch existierte, der Bann existierte und die einzige Einschränkung bestand nicht etwa in „Mensch“ oder wenigstens „Hanyou“ sei nicht betroffen, sondern nur in der Tatsache, dass es sich um Mitglieder einer regierenden Familie handeln müsse. Kein weiterer Ausschluß.

Myouga war danach sehr still geworden und hielt sich nun auch schweigend und behutsam an seinem Schulterfell fest. Jaken erwies sich als schwerer, zumal der sich ganz hinten an seine Boa klammerte, weil er ein Handy in der anderen Hand trug. Kouga würde anrufen, der geplagte Taishou konnte nur hoffen, dass sich seine nichtsnutzige Schwägerin bereits in der Vergangenheit befand. Dann wäre sie ihm aus den Augen – und er dieser vermaledeite Pflicht los. Inu Yasha freilich durfte von dieser Tatsache nie erfahren Es fragte sich überdies, wie Kagome auf diese Neuigkeiten reagieren würde.

Eigentlich fast unglaublich, dass diese Narren nicht noch ein Gesetz ausgegraben hatten nachdem er seine eigene Mutter heiraten musste. Aber Vater hatte immerhin einen Sohn, einen Erben, hinterlassen, gestand er zähneknirschend zu. Er selbst bislang nicht, hatte er sich doch auf die Gegebenheit verlassen, dass Inu Yasha Jahrhunderte jünger war und er davon ausgegangen war, dass dieser eine ebensolche Lebenserwartung wie er selbst habe. Gleich. Vorbei. Er musste mit den Tatsachen leben. Allerdings hieß das nicht, dass er nicht herausfinden sollte wo die Schwachstelle in diesem unsäglichen Eid der Vier und dem Plan des Rates lag. Es musste eine geben.

 

Er hatte mit seinem lästigen Gefolge bereits das ehemalige Fürstentum des Westens erreicht, als er das Summen des Handy vernahm. Jaken krallte sich prompt fester in sein armes Fell, als der das Mobilphon herausholte,

„Ja? Kouga-sama… ja, ich werde es ausrichten.“ Der Kappa sah voran. Oh, wie er es hasste schlechte Nachrichten zu überbringen. Aber der sich ihm langsam zuwendende Kopf des Taishou sagte ihm, dass dieser durchaus bereits wusste, dass es keine guten Neuigkeiten gab. So schrie er gegen den Wind: „Kagome ist zuhause und weint offenkundig. Kouga sah sie und ihre Mutter an dem alten Baum, achtete jedoch darauf nicht bemerkt zu werden. Er glaubt, dass in dem Brunnenhäuschen seltsame Magie ist.“

 

Das war doch…! Sesshoumaru sah geradeaus und presste die Fangzähne zusammen. Kagome war noch hier – der Blutbann existierte offenkundig. So weit so schlecht. Hoffentlich wusste der Baumgeist etwas positiv Neues! Bei der Vorstellung, dass er Kagome um ihre Hand bitten sollte. wurde ihm fast schlecht. Und deren Reaktion auf das konnte er sich durchaus vorstellen. Es musste einfach einen anderen Weg geben, irgendeinen!

 

Er landete auf einer Lichtung, seine beiden leid erprobten Berater setzten sich unverzüglich einige Meter ab. In dieser Stimmung war der Taishou in der Lage erst zu töten und dann nachzudenken. Und den zwei kleinen Geistern war bewusst, dass sie das einzig Tötbare auf dieser Lichtung waren.

Sesshoumaru wandte sich jedoch wortlos um und schritt einen wohlbekannten, fast unsichtbaren Pfad, in den dichten Wald. Erst eine Stunde später blieb er auf einer kleinen Lichtung vor einem riesigen, uralten, Magnolienbaum stehen. Seine kleinen Begleiter schlossen eilig auf.

Keine Sekunde später zeigte sich in dem Stamm des Baumes ein hölzernes Gesicht. „Ich wollte, ich könnte sagen ich freue mich dich zu sehen, Sesshoumaru. Der Junge ist tot, hörte ich.“

Woher auch immer der Baumgeist seine Informationen bezog. Aber der Taishou achtete ihn durchaus für sein Wissen und war deutlich höflicher als zu anderen. „Bokuseno. Ich kam nicht um Dinge her, die mir bereits bekannt sind. Jaken.“

Der kleine Kappa berichtete eilig von der Ratssitzung, dem Blutbann – und, dass Kagome offenbar nicht mehr zurück in die Vergangenheit reisen konnte.

Bokuseno schloss kurz die Augen, ehe er verschwand, eine Unhöflichkeit, die Sesshoumaru wortlos duldete, sicher, dass der uralte Baumgeist sein gesamtes Wissen durchforstete und es besser war ihn dabei nicht zu stören.

 

Endlich tauchte Bokuseno wieder auf und sah zu seinem Sorgenhund. „Unselig ist das,“ meinte er. „Wie verworren.“

„Eigentlich ist die Lage doch klar, Sesshoumaru-sama würde doch niemals …“ begann Jaken für seinen Herrn stellvertretend empört, fühlte sich dann durch dessen Handbewegung zwei Meter weggeschleudert und somit unterbrochen.

„Ich bin mir über die Macht der Blutmagie im Klaren,“ sagte der Taishou ruhig. „Halte mir keinen Vortrag.“

„Wenn es nur die Blutmagie wäre,“ entgegnete der uralte Baumgeist ungerührt. „Die könntest du, wie jeden Blutbann, einfach dadurch lösen, in dem du die Bedingung erfüllst, Kagome zur Frau nimmst und einen Sohn zeugst. Ich denke, du willst eben das aus verschiedenen Gründen nicht, also halte du mir jetzt keinen Vortrag.“

Da nichts dem Daiyoukai ferner lag, schwieg er.

So fuhr Bokuseno fort: „Und ich nehme ebenso an, so unbedingt, wie sie in die Vergangenheit will, zieht Kagome Inu Yasha dir vor. Leider nimmt Blutmagie auf freien Willen keine Rücksicht. Das ist jedoch das kleinere Problem.“

Wie bitte? Sesshoumaru hätte sich nie als sonderlich phantasievoll bezeichnet, aber er konnte sich kein größeres Problem vorstellen, als seine eigene Schwägerin, noch dazu auf beiden Seiten widerwillig, ehelichen zu sollen. Leider neigte der Baumgeist nicht zu Übertreibungen.

Bokuseno schien durchzuatmen, ungewöhnlich für einen Magnoliengeist. „Das größere Problem, Sesshoumaru, nein, Taishou, ist es, dass Kagome nach deinem, eurem, Wissen bereits vor Jahrhunderten Inu Yasha geheiratet HAT, nachdem sie aus dieser Zeit wieder endgültig in die Vergangenheit gereist ist. Deswegen ist sie nun Inu Yashas Witwe. Der Blutbann greift. Das bekannte Problem. ABER, da sie jetzt eben durch den Blutbann nicht mehr in die Vergangenheit reisen kann, kann sie auch Inu Yasha nicht mehr heiraten, ist ergo nicht seine Witwe und der Blutbann wird nicht ausgelöst.“

„Das wäre doch gut,“ erklärte Jaken und Sesshoumaru hätte fast geseufzt, da er das besagte größere Problem bereits erkennen konnte.

„Wenn der Blutbann nicht ausgelöst wird,“ fuhr Bokuseno sachlich fort: „Kann sie zurück. Sie heiratet Inu Yasha – und unverzüglich greift wieder die Magie des Blutes. Und holt sie wieder zurück in diese Zeit. Ich denke, in dem gleichen Moment, in dem sich kein Lebender mehr an diese Heirat erinnern kann, kann sie in die Vergangenheit. Sesshoumaru, verblasst bereits deine Erinnerung?“

Der Taishou musste zugeben, dass er sich schon kaum mehr entsann wann sie gestorben war oder wie sie zu diesem Zeitpunkt ausgesehen hatte, ihre letzten Jahre mit Inu Yasha. „Weiter.“

Bokuseno sah ihn an. „Es wird dir nicht gefallen.“

Als ob irgendetwas in den vergangenen Wochen ihm gefallen hätte!

„Nun gut, wie du bereits ohne Zweifel selbst erkannt hast, ist das Ganze wie eine Schleife, alles voneinander abhängig. Genauer gesagt, der Fluss der Zeit, er dreht sich durch Kagome im Kreis. Ich kann nicht sagen, wie oft wir diese Besprechung bereits abgehalten haben, und das ist nicht gut.“

Die Zeit lief im Kreis, durch wessen Schuld? „Würde Kagomes Tod etwas ändern?“ Seine Hand wanderte zu Bakusaiga.

Der alte Baumgeist seufzte. „Sesshoumaru, Mord ist nicht IMMER die richtige Lösung. Das solltest du inzwischen erkannt haben. Im Gegenteil. Der Fluss der Zeit wird nur durch Kagome eben im Fluss gehalten. Stirbt sie, stirbt die Bewegung. Die Zeit hört auf sich zu bewegen, alles steht still. Das wäre, wie dir bewusst ist, das Ende der Welt.“ Bokuseno bemerkte durchaus, dass sein Besuch die Augen zusammenzog – andere hätten nach Luft gerungen. „Ja. Das nächste Problem ist, selbst wenn du sie beschützt, sie wird mit jeder Wiederholung der Zeit älter. Nicht im Aussehen, das bleibst sicher gleich, aber in ihrem Körper. Je öfter sie die Zeitschleife durchläuft – und ich sage nochmals, dass niemand eine Ahnung hat, wie oft wir dieses Gespräch schon führten – desto mehr wird sie altern. Und irgendwann wird sie eines natürlichen Todes sterben. Und das wäre das Ende der Welt.“

 

Hatte er wirklich geglaubt, diese Woche hätte mit einem schrecklichen Montag begonnen? Nun war Mittwoch und es gab offenkundig deutliche Steigerungen. „Ein Rat, Bokuseno.“

„Keinen, den du hören willst. Nun gut. Erstens. Der Blutbann sorgt dafür, dass du und diese Kagome bereits aneinander gebunden seid, ob ihr nun wollt oder nicht. Ihr seid bereits Gefährten. Nimm sie offiziell zu dir als deine Frau und sei ihr Schutz. Durchsuche noch einmal alle Papiere aus der Zeit der Vier. Ich werde meine äußersten Kontakte nutzen und fragen, welche Möglichkeiten es noch gibt. Denn das Ende der Welt würde ich auch gern verhindern. Ich werde dir Nachricht zukommen lassen, sobald ich etwas Neues in Erfahrung bringen konnte.“

Gut, ein Rat, der ihm missfiel, aber immerhin die Zusage weiter zu suchen. „Ich warte, Bokuseno.“ Sesshoumaru drehte sich um und ging.

Dem uralten Magnolienbaum entkam ein seufzendes Blätterrascheln. Das Schicksal der gesamten Welt hing an diesem unwilligen Paar.
 

Bindung


 

K

agome saß noch immer unter dem uralten Baum und dachte nach. Sie hatte das Weinen aufgehört, ihre Mutter sie soweit beruhigen können, aber sie brauchte nur einen Blick seitwärts zum Brunnenhäuschen zu werfen um die Welt nicht mehr zu verstehen. Da war eine fremdartige, unbekannte Magie, die ihr den Weg zu ihrem Hanyou versperrte. Warum nur? Natürlich wusste auch sie, dass es Magie gab, man konnte nicht mit einem Hanyou durch das Mittelalter ziehen, selbst praktisch eine ungelernte miko sein, ohne das zu wissen. Aber ihr war beim besten, oder eher schlechtesten, Willen nicht klar, wen sie dermaßen verärgert haben könnte. Doch etwa Kikyou? Aber sie hatte gedacht, sie wären durchaus in gewissem Frieden geschieden.

Schön. Sie richtete sich etwas auf. Sie sollte sich an ihren eigenen Plan halten und heute noch abwarten, sich morgen allerdings um jeden Preis an Sesshoumaru wenden. Vielleicht wusste der, was hier so schief lief, vielleicht wusste er, wo man nachfragen konnte. Sicher, sie hatte ihn nicht unbedingt als sonderlich hilfsbereit kennengelernt, aber wenn sie so bedachte, wie er mit Rin umgegangen war, offenkundig auch später, oder eher vor kurzer Zeit, mit Inu Yasha … Vielleicht wollte er ihr helfen, oder sah zumindest die Notwendigkeit ein, dass sie wieder in das Mittelalter konnte. Kouga hatte doch gesagt, das sei ihr gelungen – also, wenn man nicht alles durcheinander bringen wollte, sollte man etwas gegen diesen mehr als eigenartigen Zauber unternehmen.

Kouga.

Sie wandte den Kopf als sie Youki sich nähern spürte. Wie schon bei ihrem ersten Treffen glitt der tarnende Bannkreis wie ein Wasserschleier für sie beiseite. „Was stimmt nicht?“ fragte sie direkt.

„Tja. Wenn das alle so genau wüssten,“ gab er zu und kam heran. „Es gab wegen dir schon eine Ratssitzung, aber nein, ich darf darüber nicht reden, geheim. Allerdings will sich Sess ...der Taishou mit dir unterhalten und ich denke, der kann dir dann alles erklären, soweit wir es wissen, jedenfalls.“

„Ach ja?“ Sie klang kämpferisch. Da war die Lösung, so nahe, und jetzt zierte sich dieser dämliche Wolf?

Der Daiyoukai hob eine Hand. „Reg dich nicht auf. Geheime Besprechungen sollen das auch bleiben, da haben wir alle einen Eid geschworen. Und du kannst doch nicht wollen, dass ich wegen Verrates dran bin. Sesshoumaru darf und will mit dir reden, also komm schon mit, wenn du neugierig bist. Bin ich übrigens auch. Das ist eine ganz eigene Form der Magie. Sehr mächtig, das kann sogar ich spüren.“

Das entsprach leider den Tatsachen. „Und du willst mir auch nicht sagen, was das Ganze soll?“

„Ich sag ja, der Taishou … Komm schon, Kagome, du kannst nicht vergessen haben wie ungemütlich der Kerl werden kann, wenn man ihn hintergehen will.“

„Ja, schon gut, ich komme ja mit. Soll ich … oh, warte einen Moment. Ich ziehe mir das Gewand über, das von einer miko, dann kann ich es ihm zurückgeben und mein eigenes Zeug wieder mitnehmen. Das liegt doch sicher noch im Schloss herum.“

Ja, und zwar gewaschen und getrocknet in den Räumen der Gefährtin, aber Kouga hatte einen gesunden Selbsterhaltungstrieb. „Dann beeile dich. Je eher dieser Bann gebrochen ist, desto besser. Das ist eine sehr alte Magie. Und eben, sehr mächtig.“

„Und sehr eigen, fremd. Das war kein Youkai.“

Nein, sondern vier Youkaifürsten und deren Blut, aber das sollte er lieber nicht ausplaudern. „Sehr fremd, ich habe das noch nie so zu spüren bekommen. Keiner vom Rat. Jetzt komm, es ist schon nachmittags und der werte Taishou kehrte gegen Mittag in alles andere als guter Laune, nein, er zeigt ja nie welche, aber so in etwa, zurück und berief unverzüglich diese Ratssitzung ein. Eben, top secret. Und ich soll dich holen, weil es sich ja irgendwie auch um dich handelt.“

„Stimmt, ich kann nämlich nicht mehr in die Vergangenheit zurück. Wenn ich den Idioten erwische, der mir das hier alles eingebrockt hat.“

Der Herr der Wölfe hielt es für erklärlich besser ihr nicht zu sagen, dass sie sich in diesem Fall mit den ersten vier Youkaifürsten Japans plus dem jetzigen Taishou plus dem gesamten Rat anlegen würde. Und das so nebenbei das Ende der Welt bedeuten würde. Er würde ja zu gerne Mäuschen spielen und zuhören, was davon Sesshoumaru alles seiner Schwägerin oder eigentlich Ehefrau erzählen wollte und würde – und vor allem, wie diese darauf reagierte, aber die Anweisung war klar gewesen: sie in das private Arbeitszimmer bringen und verschwinden. Den Herrn der Hundeyoukai bespannen zu wollen war noch nie eine sonderlich gute Idee gewesen, wie vor langen Jahren ein ebensolcher feststellen durfte, der unbedingt herausfinden wollte mit wem der Taishou das Bett teilte, und durch das vergitterte Schlafzimmerfenster gespäht hatte. Nun ja, das Fenster hatte man neu machen können, den tranchierten Youkai nicht. Allerdings gab Kouga zu, dass er ähnlich reagieren würde, wenn sich jemand so an seine Ayame heranschleichen wollte. „Beeile dich jetzt mit dem Umziehen, das Auto steht im Parkverbot.“

„Ach, du fährst diesmal selbst?“

„He, ich habe einen Führerschein, keine Panik.“

„Bin gleich wieder da, du kannst schon zum Auto gehen!“ rief sie noch und rannte weg, doch zu neugierig geworden, was diese ganze Geheimnistuerei sollte. Diese Youkai taten ja gerade so, als ob an diesem Bann die ganze Erde hängen würde! Sicher, es war ein Problem, aber das konnte man doch bestimmt lösen. Selbst ohne ihren Hanyou. Sie musste schon wieder schlucken. Aber immerhin war das andere doch Sesshoumaru und Kouga hatte doch auch viel Erfahrung, von diesem Fuchsherrn ganz zu schweigen. In den Sagen hieß es ja immer, der sei der zaubermächtigste Dämon in ganz Japan, womöglich sogar darüber hinaus. Sie würde einfach lieb um Hilfe bitten. In Punkto Sesshoumaru würde sie vermutlich zwar deutlich weniger Erfolg haben als Rin, aber der wollte sie ja wohl in die Vergangenheit loswerden, oder eher, das wieder so werden lassen, wie er es in Erinnerung hatte. Du liebe Güte, war das alles verworren geworden.

 

Sie warf sich keuchend in den Kleinwagen,wo Kouga bereits am Steuer saß. „War ich schnell?“

„Naja.“ Er startete. „Und ehe du fragst, ja, das ist mein Privatwagen. In Tokio fahre ich lieber mit dem.“

„Kannst du mir nicht einen Tipp geben? Es hat mit dem Bann zu tun, der so plötzlich aufgetaucht ist. Betrifft der nur mich?“

„Wenn du außer dir noch jemanden kennst, der permanent zwischen den Zeiten rumkugelt, nein.“

„Wenn ich nur wüsste, was da falsch gelaufen ist. Ich wollte wie immer einfach springen, als sich der Brunnen wieder geöffnet hat, dann dachte ich, es geht nicht, weil Inu Yasha … weil er nach mir rief. Aber das jetzt ist etwas anderes, irgendwie. Ich kann es fühlen, jedoch nicht beschreiben.“

„Naja, Magie ist nicht so ganz meine Sache. Mir reicht es schon mein Youki mit dem der anderen im Rat verbinden zu müssen. Da muss man sich schon konzentrieren, um sich anzugleichen. - Ich hoffe, du hast deiner Familie gesagt, dass es spät oder auch morgen werden kann. Ich glaube, wenn der Taishou dir alles erklärt hat ist noch eine Ratssitzung fällig, oder sonst was. Das artet langsam echt in Arbeit aus.“

„Regierung ist immer Arbeit“ erklärte sie prompt. „Es gibt keine Macht ohne Leiden, sagte mein Lehrer in Geschichte.“ Ob das auch für die ihre galt? Sie hatte bislang eher mit Hexen oder eben Kikyou Scherereien diesbezüglich gehabt. Nun ja, Naraku war eben ein anderes Kaliber.

„Nun ja, zumindest nicht ohne Anstrengung,“ gab der Wolf zu. „Ich habe ziemlich gebraucht um zu einem Daiyoukai zu werden.“

„Dabei bist du doch so stark geworden, in der ganzen Naraku-Sache.“

„Schon, aber das reicht eben nicht. Dazu gehört auch, dass man sein Youki, bei dir wohl eher deine läuternde Sache, beherrschen kann, sich konzentrieren kann. Die Besten, die ich kenne, sind da Shinichi, der Kitsune no kyuu, und auch der Herr der Marderhunde, Tomi. Und in ganz anderer Hinsicht eben auch dein ...äh, dein Schwager.“ Jetzt hätte er doch fast geplaudert. Und mochte auch Sesshoumaru noch nie ohne Ursache, zumindest in dessen Augen, getötet haben – das Verraten von Staatsgeheimnissen, noch dazu seinen Geheimnissen, gehörte mit Sicherheit dazu.

„Lass mich raten, er ist Krieger, die anderen Magier?“

„Kann man so sehen, ja.“ Er ordnete sich auf die Fahrbahn ein. „Und jetzt tu mir den Gefallen und frag nicht weiter nach. In zwei Stunden wirst du alles zu hören bekommen, was du willst.“ Oder auch nicht willst, aber auch da hielt er lieber den Mund. Er war kein Jüngling mehr, sondern für das gesamte Volk der Wölfe verantwortlich.

 

Kagome fühlte sich an die Vergangenheit vor zwei Tagen erinnert. Wieder hastete sie hinter dem Wolfsyoukai die Stufen des Schlosses hoch, wieder standen überall Krieger und huschten andere Youkai durch die Gänge. Ja, offensichtlich war der Rat noch immer hier. Und warum gingen sie jetzt wieder in den ersten Stock, in dem die Privaträume lagen? Immerhin in kein Schlafzimmer, dachte sie dann unwillkürlich, als eine Tür, vor der eindeutig zwei Hundekrieger standen, vor Kouga beiseite geschoben wurde. Das war unmissverständlich ein Arbeitszimmer.

Sie ging jedoch hinein, hörte noch, wie die Tür hinter ihr geschlossen wurde, ehe sie das ungewöhnliche Bild vor sich musterte. Ungewöhnlich daran war nicht der Sitz des Hausherrn auf einem niedrigen hölzernen Podest auf einer Tatamimatte, das kleine Schreibpult davor. Altmodisch, selbst für einen Nicht-Fürsten, ja. Ungewöhnlicher fand sie dann doch, dass direkt vor diesem Podest rechts und links zwei kleine Youkai saßen, die sie kannte – und die sie anstarrten. Immerhin, Myouga schien es besser zu gehen.

Da sie nur den Flohgeist anguckte, machte der hektisch eine Handbewegung, allerdings gleich mit allen vier Händen.

Ja, dachte sie, es war unhöflich nicht den Schlossherrn zu begrüßen. So sah sie zu ihrem Schwager und neigte entsprechend den Kopf.

„Kagome.“ Die einzige Replik, ehe der Taishou sein Schreibtischchen etwas beiseite schob. Er rechnete mit einer heftigen Reaktion der doch recht veritablen miko, obwohl in diesem Alter eigentlich ihre wahre Macht noch verschlossen sein sollte.

Das war immerhin eine Begrüßung und so ließ sie sich auf der Matte vor dem Podest nieder, bemüht, jetzt keinen Fehler zu machen, der alle ihre Fragen nie beantworten lassen würde. Ehe sie allerdings dazu kam auch nur eine Auskunft zu ihrem Problem zu erheischen, fiel das nächste Wort Sesshoumarus.

„Jaken.“

So blickte sie zu dem Kappa, der den Endruck erweckte nicht sonderlich glücklich zu sein. Gab es nur schlechte Nachrichten? Nach den letzten Tagen war sie gewillt zu glauben jemand hänge ihr etwas vor die Nase, nur, um es ihr wieder zu entziehen und sie weiter in die Trauer zu stürzen. „Ja, Jaken.“ Das klang daher nicht besonders freundlich.

Aber der kleine Berater war Kummer gewohnt. So berichtete er möglich sachlich über Torans Vorschlag, genauer, das uralte Gesetz. Und unterbrach sich erst, als er feststellte, dass die spirituelle Energie vor ihm aufwallte. „Es ist nun einmal ein Gesetz,“ erklärte er eilig.

„Ein saudämliches!“ fauchte Kagome prompt, blickte dann jedoch zu dem Daiyoukai im Raum. Nun ja, wenn sie den auch nur einigermaßen kannte – der war absolut nicht begeistert. Und das erklärte auch, warum Kouga so verschwiegen gewesen war. „Das ist akuter Blödsinn. Ich meine, Kouga sagte, dass ich in die Vergangenheit zurück gekehrt bin. Also bin ich mit Inu Yasha verheiratet. Zwei mal geht nicht. Aus.“

„Nein, da gibt es noch ein Problem.“ Jaken rettete sich in Hüsteln. „Der Blutbann verhindert ja, dass du in die Vergangenheit zurück kannst. Also bist du jetzt Witwe.“

„Das kann auch nur dir einfallen,“ zischte sie mit einem ähnlichen Tonfall wie eine schwarze Mamba kurz vor dem Angriff. „ Du hast selbst gesagt, dass ich nicht in die Vergangenheit zurück kann, wegen des dämlichen Gesetzes und dem noch dämlicheren Blutbann vierer irgendwas für Youkai! ALSO bin ich nicht mit Inu Yasha verheiratet nach eurem Gesetz und also auch nicht seine Witwe und also auch nicht verpflichtet meinen Schwager zu heiraten! Da Kouga mir aber sagte, dass er wisse, dass ich im Mittelalter meinen Hanyou geheiratet habe ...Lasst mich einfach zurück und nix passiert.“

„Das geht doch nicht, du dumme Pute!“ bäumte sich der Kappa auf.

Kagome, die für ähnliche Wortwahl selbst Inu Yasha mehr als zwanzig Mal auf den Boden geschickt hatte, musterte ihn finster, während in ihr nicht nur Zorn, sondern auch ihre Energie weiter hochkroch.

 

Jaken spürte es nur zu deutlich, wie die helle Magie vor ihm immer stärker wurde – und leider auch die dunkle Energie hinter ihm. Es fiel nicht schwer sich auszurechnen, wo genau sich die beiden gegensätzlichen Mächte treffen würden, wenn er jetzt nicht schleunigst einen Ausweg fand. „Äh, ja, das mag ja logisch klingen. Aber es geht eben nicht. Der Blutbann, Blutmagie insgesamt, kann nur gelöst werden, wenn die Bedingungen erfüllt sind. Ergo, du kannst nur zurück, wenn du jetzt Sesshoumaru-sama heiratest und ein Kind bekommst.“

„Eher sterbe ich!“ fauchte die junge Dame, ehe sie einen Blick in das Gesicht ihres Schwagers warf und feststellen durfte, dass dem diese Alternative offenbar gut gefiel. So nahm sie sich zurück. Um ihres eigenen Lebens willen. „Und nein, ich werde Inu Yasha nie betrügen. Egal mit wem und warum. - Außerdem, sollte euch allen Youkai doch klar sein, dass es in jeder Hochzeitszeremonie einen Punkt gibt, an dem die Braut ja oder nein sagen kann. Und ich werde nein sagen!“

Zwei gute Punkte für sie, dachte Sesshoumaru, der sich gerade wünschte, er hätte diese Sachen im Rat erwähnt – und hoffte, diese törichten Berater würden irgendetwas zustande bringen.

Tatsächlich hüstelte nun Myouga. „Kindchen, die Sache ist schlimmer, als du annimmst.“

Kagome sah prompt zu dem Flohgeist. Sie wusste nur zu gut, dass er der Einzige gewesen war, der dem armen Inu Yasha in seiner Kindheit beigestanden, ihm wenigstens irgendetwas erklärt hatte, der Einzige, zu dem der Vertrauen hatte fassen können. Nein, der würde den Hanyou auch nie betrügen, da war sie sicher. So zwang sie sich etwas zur Ruhe. Noch schlimmer, als mit dem adeligsten Massenmörder, den sie kannte, gegen ihren Willen verheiratet zu werden?!

„Äh, leider ist das so mit der Blutmagie, dass sie funktioniert, gleich, was die Betroffenen wollen. Kagome, um es kurz zu machen, du und Sesshoumaru-sama SEID bereits aneinander gebunden, ob ihr nun wollt oder nicht. Alles, was bleibt, ist die Frage wie man diesen Zauber wieder lösen kann.“

Kagome spürte, wie ihr Magen sich plötzlich irgendwo in Kniehöhe zu befinden schien. Sie wurde blass. „Myouga“ hauchte sie endlich, da niemand etwas sagte. „Du ... das kann nicht sein. Du weißt es doch, wie sehr Inu Yasha litt, wie lange er brauchte, um Vertrauen fassen zu können, zuerst zu ...Kikyou, dann zu mir und so. Und dann soll ich hingehen und sagen, oh, ich will mein restliches Leben mit dir verbringen, denn das will ich ….aber ich habe leider in der Zukunft inzwischen deinen Halbbruder geheiratet und mit dem ein Kind, hier, halt mal?“ Der nächste Satz war eindeutig lauter: „Ich habe keine Ahnung, was ihr Youkai gestern getrunken oder geraucht habt, aber das muss wirklich harter Stoff gewesen sein. Nein, ich will und werde Inu Yasha nie betrügen. Ist das klar?“

„Es war ja laut genug,“ murmelte Jaken und musste sich beiseite drehen um einer Welle läuternder Energie zu entgehen.

Sesshoumaru begriff, dass es falsch gewesen war in einer so heiklen Angelegenheit seinen Beratern zu vertrauen. Großartig reden lag ihm nicht, auch nicht, wie er jemanden beruhigen sollte, überzeugen, noch dazu, den er durchaus verstehen konnte. Dass sie Inu Yasha nicht untreu werden wollte – und gewesen war – glaubte er trotz der fliehenden Erinnerung bestätigen zu können. Das war absolut keine falsche Einstellung. Alles, was sie sagte, war, wenngleich menschlich - emotional - durchaus berechtigt.

Myouga war seit Jahrhunderten in den Diensten sehr schwieriger Herrschaften und nickte eifrig. „Ja, ich weiß, Kagome. Wir alle wissen das. Nur, es gibt da ein kleines Problem, dass dir …“ Auch er konnte Schuld gut abwälzen. „Dass dir Jaken sicher erklären kann. Es handelt sich um die Zeit, genauer, eine Zeitschleife.“

„Eine Zeitschleife?“ wiederholte die absolut unwillige Braut verwirrt. „So wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier“?“ Da sie jedoch erkannte, dass wohl kein Youkai diesen Film je gesehen hatte: „Es wiederholt sich alles? Aber, wieso wissen wir es denn nicht?“

„Es ist noch schlimmer,“ murmelte der Kröterich, nicht willens, sich irgendeine schmerzhafte Beule durch sie einzuhandeln. „Wir wissen nicht einmal wie oft das schon passiert ist. Und das hat mit dir zu tun. Kennst du Bokuseno?“

„Äh, nein.“

„Natürlich, alter Magnolienbaumgeist, sehr alt und sehr weise. Er sagte uns …“ Jaken versuchte es möglichst wörtlich wiederzugeben und Kagome hörte fast ungläubig zu.

Als er endete hob sie den Kopf, um sich mit einem raschen Blick auf das Gesicht ihres Schwagers Bestätigung zu verschaffen. Eigenartig. Nie zuvor war ihr aufgefallen, dass Inu Yashas Brauen deutlich dicker und schwärzer waren, als die, die nun zusammengezogen über bernsteinfarbenen Augen lagen, die allerdings bereits zu glühen schienen. Sie wusste dass er in seiner wahren Gestalt leuchtend rote Augen hatte – nun, nichts, was man sehen musste. Es schien wirklich ernst zu sein, aber … Ja, aber. „Inu Yasha,“ brachte sie nur hervor. Du liebe Zeit, was war nur seit Sonntag mit der Welt los?

Ja, Inu Yasha, dachte der Taishou. Der hatte sich fein abgesetzt und ihn, nun, um fair zu sein, sie beide, hier in der Bredouille zurück gelassen. Am liebsten würde er in das Jenseits gehen und Vater … Nein, das ziemte sich dem Herrn aller Youkai nicht auch nur zu denken. Aber ihm war gerade bewusst geworden, worin eigentlich die Probleme seiner Schwägerin lagen. Jedenfalls war klar, dass sein beiden Berater unnütz waren und er nun, wie wohl von Anfang an, die Sache in die eigenen Klauen nehmen sollte. „Myouga, Jaken.“

Ein Kopfnicken zur Tür ließ die Beiden aufspringen und förmlich los rennen, alle zwei froh, dass sie noch die Chance erhielten, ehe es hier zur Sache ging. Denn sowohl das Youki des Daiyoukai als auch die leider vollkommen entgegengesetzte, läuternde Magie der miko waberten inzwischen förmlich durch den ganzen Raum und rieben sich fast aneinander. Fast. Noch. Niemand wollte bei dieser Explosion dazwischen sein. Nun eigentlich nicht mal im gleichen Trakt des Schlosses.

Kagome wartete kaum bis die Tür hinter den zwei Youkai zu geschoben wurde. „Ach, der hohe Herr will endlich seinen Heiratsantrag persönlich machen?“ erkundigte sie sich zynisch.

Natürlich überließ man Heiratsverhandlungen seinen Beratern. Oder – tatsächlich. Sie hatte ihm Feigheit unterstellt!

 
 

Einstimmung


 

D

iese Amateurpriesterin betrachtete ihn, Sesshoumaru, als Feigling, weil er in ihren Augen offenbar die Berater vorgeschickt hatte. Das zumindest sollte er ausräumen, um sie von etwas zu überzeugen, das er ebenfalls nicht wollte. Wer auch immer dafür verantwortlich war, war praktisch schon tot, wenn er dessen Namen nur erfuhr.

Kagome war allerdings schon in Fahrt. „Und, wie will der Herr das anstellen, dass ich ausgerechnet den verschwägerten Killer heirate? Zwangsjacke oder Elektroschocker oder doch eher dein Youki, was du hier so im Zimmer verbreitest?“

Er erkannte gerade noch, dass der Hinweis darauf, dass auch ihre läuternde Energie gut die Hälfte des Raumes benutzte, absolut fehl am Platze war. So sagte er nur: „Vernunft.“ Hoffentlich kannte sie wenigstens das Wort.

Sie holte tief Atem, doch überrascht. Fast sittsam ließ sie ihre Hände in den Schoss sinken, wollte sich beruhigen, ohne freilich der altmodischen Konvenienz genüge zu tun und den Kopf zu neigen. Statt dessen suchte sie seinen Blick. „Dann warte ich mal neugierig. Ich will zurück ins Mittelalter, zu Inu Yasha, deinem Halbbruder, den ich zufällig liebe.“

Dessen war er sich bewusst. Und ebenso, bestätigt durch die letzten Minuten, dass sie sich eher in Stücke reißen lassen würde als Inu Yasha untreu zu werden. Nichts, was man als großer Bruder nicht durchaus anerkennenswert finden konnte und sollte. Nur gab es da ein bis zwei Probleme. „Hat dir Kouga gesagt, wie ich zu dem Rat stehe?“

„Äh, ja. Er sagte, dass Inu Yasha und du, naja, du und Inu Yasha, die Daiyoukai überzeugt habt mitzumachen und in den Rat zu gehen. Es gäbe Verträge. Und du bist eben der Taishou und stehst dem Rat vor, du entscheidest bei Streitigkeiten, hast aber keine absolute Befehlsgewalt …“ Sie brach ab.

Das war schon einmal richtig. Er hasste es ausschweifend zu werden, aber hier hing zu viel dran. Sie würde sich eher selbst umbringen als willenlos eine Ehe mit einem anderen als seinem kleinen Bruder einzugehen. Die Konsequenz wäre dann das Ende der Welt. „Sie folgen mir, solange ich unsere Verträge und die alten Gesetze beachte.“

Kagome starrte ihn erneut an, diesmal allerdings eher entsetzt als wütend. „Deswegen ist das mit diesem dämlichen alten Gesetz der Vier so wichtig? Sie würden dich absetzen?“

„Umbringen.“

„Das würden sie schaffen?“

Der Zweifel in ihrer Stimme war zwar schmeichelhaft, half jedoch nicht weiter. So sah sich der Taishou zu weiteren Erklärungen gezwungen. „Sie sind zu acht. Danach allerdings gäbe es Krieg um die Stellung des Taishou. Krieg unter Youkai.“ Er machte eine Handbewegung.

Sie begriff. Dort draußen lag Tokio. „Und der würde auch die Menschen betreffen,“ meinte sie, nach einer Bedenkpause. „Die Menschen würden sich wehren wollen und haben inzwischen allerlei Waffen entwickelt, wenn auch Atomwaffen in Japan verboten sind. Oh, liebe Güte. Darum dieses Gespräch ... Und natürlich wegen der Zeitschleife. Glaubst du diesem Bokuseno?“

Er erkannte, dass sie sich beruhigt hatte, nicht mehr Mikokräfte sein Arbeitszimmer durchwaberten und nahm sein Youki ebenfalls zurück, das er soweit aufgerufen hatte um als Schutz gegen mögliche unüberlegte Dinge ihrerseits zu wirken. „Ja.“

„Das ist ja eine geradezu phantastische Lage.“ Kagome konnte durchaus spüren, dass er sich ebenso beruhigt hatte wie sie. Sie steckten zu zweit in dieser Patsche und, wenn sie nicht ganz Japan oder die gesamte Welt in den Untergang treiben wollten, mussten sie sich zumindest einigen. „Irgendeinen Vorschlag? Außer, dass ich dich heirate und ein Kind von dir bekomme?“

„Wir sind bereits verheiratet,“ erinnerte er.

„Das macht die Sache nicht gerade besser. Schön, Sesshoumaru. Was soll ich deiner Meinung nach machen?“

„Zieh hier ins Schloss als meine Gefährtin.“ Hatte er das gerade wirklich gesagt?

Kagome schluckte, ehe sie hervorwürgte: „Nein. Das kann ich nicht.“ Sie konnte allerdings nur zusehen, wie er sich erhob, langsam auf sie zukam. Ihr war bewusst, dass ihre Magie ihm womöglich schaden konnte, aber jedenfalls nicht davon abhalten konnte zu tun, was er unbedingt wollte. Instinktiv sprang sie förmlich auf, bereit zur Flucht. Aber da war er längst vor ihr. Sie spürte, wie ihre Hände gepackt und auf den Rücken gedreht wurden, nur von einer Hand dort umspannt, und sie an ihn gepresst wurde. Seltsamerweise kam ihr in den Sinn, dass sie froh sein musste, dass er seine Rüstung hier nicht trug, sonst wären die Dornen in ihren Augen gewesen. Panik schoss mit eigenartiger Verzögerung in ihr hoch, aber dann spürte sie sein Gesicht in ihrem Haar.

Leise sagte er in ihr Ohr: „Ich werde niemals die Gefährtin meines Bruders auf mein Lager nehmen.“

Dann gab er sie frei und saß keine Sekunde später, als sei nichts geschehen.

Kagome sank eher mit zitternden Knien zu Boden. Was war das denn jetzt gewesen? Auf jeden Fall eine Zusage. Aber …. Da bemerkte sie seinen unwillkürlichen Blick zur Tür. Ja, da waren Wachen und auch die zwei Berater und allesamt waren höchstwahrscheinlich nicht taub. Er hatte ihr sein Wort gegeben und sie bezweifelte nicht, dass er das halten würde. Inu Yasha hatte erzählt, dass sein Halbbruder ein eiskalter Mistkerl sei, aber niemals lüge. Wenn er einen umbringen wolle, sagte er es auch. Er würde sich also auch an das Versprechen halten, wollte aber offenkundig aus welchen Gründen auch immer – gab es da wieder irgendein ominöses Gesetz? - nicht, das jemand davon erfuhr. So atmete sie tief durch. „Ich werde hier bleiben,“ sagte sie. Schließlich wollte sie nicht an dem Tod ihres Schwagers und einem dann folgenden Krieg die Schuld tragen, geschweige denn am Ende der Welt. Sich zu ergeben lag freilich nicht in ihrer Natur. Sesshoumaru war ihr allerdings sicher weit entgegengekommen. „Aber ich möchte auch etwas.“ Da er sie nur fragend ansah, und, da war sie sicher, seine Erleichterung gut verbarg, meinte sie: „Kannst du mir diese Gesetze und Vorschriften bringen lassen? Ich würde sie mir gern ansehen.“

„Ja.“ Und er war sicher niemand würde sie so akribisch durchforsten wie sie. Ihr Interesse daran war bestimmt ebenso groß wie das seine. Nur hatte er noch andere Dinge am Hals. „Die Räume der Gefährtin kennst du bereits. Du wirst sie nur in meiner Begleitung verlassen.“

„Das ist doch… willst du mich einsperren?“ fuhr sie prompt auf.

„Zu deiner Sicherheit.“

„Du glaubst diesem alten Baum wirklich, dass, wenn ich aus Versehen die Treppe runter falle, ist das das Ende?“ Aber sie seufzte seltsam ergeben, langsam überfordert von schlaflosen Nächten und der Achterbahn der Gefühle. „Na schön, ein paar Tage kann ich das ja mitmachen. Dann sehen wir weiter. Und, kannst du Kouga zu mir schicken?“ Sie erkannte, dass er stutzte. Nun ja. Hatte sie wirklich ihren sozusagen, oder eher faktischen, Ehemann darum gebeten einen anderen Mann in ihr Schlafzimmer zu schicken? Wenn man das so altmodisch streng wie ein Youkai sah, wohl schon. „Ich wollte mit ihm reden, wegen Souta, das ist mein Bruder,“ erklärte sie daher eilig. „Er kommt jetzt in die letzte Klasse und muss sich in den nächsten Monaten bei der Universität bewerben. Du weißt ja sicher, dass man mit Abschlüssen bei privaten Universitäten mehr Aussicht auf Karriere hat, aber die sind teuer und Mama hat das Geld nicht. Für ein Stipendium braucht man Fürsprecher und ich dachte Kouga hat doch diese Sicherheitsfirma … und….“ Sie brach ab, denn er hatte sich schnell bewegt. Für einen Moment glaubte sie schon, dass werde ein Angriff, ehe sie erkannte, dass er sich nur gedreht hatte und seitwärts zu dem Schreibpult gegriffen hatte, etwas und einen Füller nahm, schrieb,

„Hier.“ Er warf ihr den Zettel zu.

Sie nahm ihn, ohne drauf zu gucken, da ihr etwas anderes eingefallen war. „Ich werde dann Mama anrufen, dass ich einiges brauche. Lässt du es holen?“

„Nur private Dinge.“ Er sah, dass sie schon wieder tief Atem holte. Ihr Temperament war wirklich beklagenswert. „Für Kleidung bin ich zuständig,“ sah er sich daher gezwungen zu erläutern. Wahrlich, er hatte nur an Inu Yasha mehr Worte verschwendet. „Jaken wird dir etwas bringen. Und, ich werde Myouga zu dir schicken, damit er dir die Regeln erklärt.“

„Ja, das könnte nützlich sein.“ Nun gut, sollte der Herr Taishou doch für einen dieser sündhaft teuren Kimono sorgen. Wenn diese Farce vorbei war, würde sie das wenigstens als Genugtuung behalten. Aber anscheinend trug eine Gefährtin eines Taishou keine Jeans. Und dieses Miko-Gewand war in einem Youkai-Schloss vermutlich auch nicht gern gesehen.

„Jaken.“

Das genügte, dass der Kappa eiligst wieder in das Arbeitszimmer schoss, wohlweislich ohne erkennen zu geben, wie erleichtert er war, dass sich die Lage beruhigt hatte.

„Bring meine Gefährtin in ihre Räume. Und sorge für Kleidung. Lass die Gesetze der Blutmagie zu ihr bringen.“ So, das sollten die letzten Worte für heute gewesen sein. Er blickte zu seiner, nun ja, Ehefrau.

Kagome seufzte etwas, stand allerdings auf. „Ich schreibe die Liste,“ sagte sie nur. „Jaken sollte es mir bringen können.“

Doch nicht die letzten Worte. „Jaken.“

„Äh, ja, natürlich, Sesshoumaru-sama,“ beteuerte der Berater eilig, ohne genau zu wissen welche Liste. Aber es war ganz klar, dass der Herr diese ungestüme miko soweit gezähmt hatte, dass sie erst einmal mitspielte. Ha. Sesshoumaru-sama eben. Die Perfektion, die tötete.

 

Ja, sie kannte die Räume, in die sie Jaken nur wenig schräg gegenüber des Arbeitszimmers des Hausherrn brachte, hier war sie schon mit Yukio gewesen. „Ich brauche zu schreiben,“ sagte sie allerdings.

„Ja, ich bringe es, Kagome-sama.“ Der Kappa eilte hinaus.

Kagome-sama. Von Jaken. Irgendwie war das der Satz, der all die Verworrenheit und den Irrsinn der letzten Tage beinhaltete. Kagome begann haltlos zu kichern, gleichzeitig zu weinen. Sie konnte den hysterischen Anfall nicht mehr unterdrücken.

 

Erst fast zwanzig Minuten später realisierte sie, dass sie im Bad saß, in Ermangelung von Taschentüchern sich Toilettenpapier geschnappt hatte, durchgeschwitzt und vollkommen am Ende war. Mühsam raffte sie sich auf. Sie war matt, müde, geistig am Ende. Nur noch schlafen. Immerhin konnte sie sicher sein, dass ihr Schwager, nun ja, ihr Ehemann, dafür sorgen würde, das nichts und niemand sie belästigte. Mühsam zog sie sich das miko-Gewand aus. Wieso bekam sie diese Dusche immer nur durchgeschwitzt und mit Tränen zu sehen? Auch schon egal. Nur noch ins Bett.

 

Sie duschte und wickelte sich ein Handtuch um. Drüben, da erinnerte sie sich jetzt, lag immerhin die Kleidung, die sie vor Tagen, bei Inu Yashas … nein, nicht daran denken, beschwor sie sich, als ihr schon wieder Tränen in die Augen stiegen,.

Im Schlafzimmer angekommen – wie weit ihr der Weg schien – erkannte sie, dass inzwischen wohl tatsächlich jemand dagewesen war. Auf der vorherigen Tatami-Matte lag eine Matratze, Kissen, Decken. Für Menschen, offenkundig. Nett. Dann jedoch quiekte sie förmlich auf, als sie in große, etwas erschreckte, Augen starrte.

„Äh, ich habe Schreibsachen und Kleidung gebracht,“ erklärte Jaken eilig. „Hier, die ganze Kiste voll.“

„Und das hat dir ….“ schnappte sie nach Luft. Nun ja, es war peinlich sich hinter dem Schwager zu verstecken, aber sie war echt am Ende. Und eine Kröte vor ihr, während sie praktisch unbekleidet war ... „Und das hat dir Sesshoumaru-sama erlaubt? Mich zu bespannen, während ich dusche?“

Das war in jeder Hinsicht wirklich nicht der Fall gewesen, aber der Kappa wusste, dass allein der Anblick der nur in ein großes Handtuch gewickelten Gefährtin, noch dazu mit bloßen Füßen und nassen Haaren anderen männlichen Wesen sicher nicht gestattet war. „Ich habe nur den Befehl befolgt,“ beteuerte er. „Ich gehe jetzt auch und weitere Wege wird Eure Hofdame übernehmen.“ Er schoss förmlich aus dem Zimmer. Nicht auszudenken, wenn Sesshoumaru-samas neue Gefährtin dem bei passender Gelegenheit diesen Patzer ins Ohr flüstern würde. Der Herr mochte in den vergangenen Jahrhunderten ruhiger geworden sein – tödlich war er immer noch, wenn es gegen seine Interessen ging.

 

Hofdame? Kagome schüttelte etwas den Kopf. Sie hatte sich sicher verhört. Nun, mal sehen, ob dieser dämliche Frosch auch an so etwas wie Pyjamas gedacht hatte. Sie öffnete den Kasten. Oh. Alles fein zusammengelegt, offenkundig teure Ware – und alles ebenso eindeutig miko-Kleidung. Sie wäre fast erneut in hysterisches Kichern ausgebrochen, ehe sie bedachte, dass eigentlich alles vollkommen gleich war. So zog sie sich an und legte sich einfach hin. Nur noch schlafen.

 

So viel Glück hatte sie allerdings nicht. Irgendwann wurde sie wach, als sie Youki spürte. Instinktiv griff sie zu ihrem nicht vorhandenen Bogen, noch ehe sie bedachte, wo sie war.

Im matten Licht der Beleuchtung des Ganges draußen erkannte sie in der beiseite geschobenen Tür eine weibliche Gestalt, die sich eilig verneigte, da das Aufflackern läuternder Magie deutlich gewesen war.

„Ich bin Noriko,“ erklärte die Hundeyoukai. „Oyakata-sama befahl mich zu Euch.“

Eine Hundedämonin als Hofdame, wie das Jaken formuliert hatte? Die junge miko wusste nur zu gut, dass diese das als Bestrafung empfinden würde. Was hatte sich der Herr Taishou denn bloß dabei gedacht? „Äh, ja, komm nur rein. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, mit was …“ Ihr Blick fiel auf einen Zettel, der am Boden lag. Den hatte Sesshoumaru doch gestern geschrieben und sie hatte ihn sich nicht einmal angeguckt. „Ich brauche mehr Licht,“ murmelte sie und war erstaunt, dass sofort die Lampe an der Decke brannte. Die Hundedame hatte den Lichtschalter umgelegt. Verflixt. Sie sollte nicht vergessen, dass sie sich im 21. Jahrhundert befand. So nahm sie den Zettel. „Danke, Noriko.“ Sie las und ihr wurde schwach. Das war kein Zettel. Und sie hatte sich nicht einmal bedankt. Das war ein Scheck, ausgestellt auf das Konto eines gewissen Sesshoumaru Taishou. Und dieser … der Kerl hatte unterschrieben, aber keine Summe eingesetzt. Das war ein Blankoscheck, das Stipendium für Souta, und sie hatte sich nicht bedankt! War ihm ihre vorläufige Einwilligung diese Farce mitzuspielen so viel wert gewesen? Nun ja, da gab es diesen Blutbann und die Zeitschleife und … „Noriko. Dieser Scheck sollte zum Higurashi-Schrein. Zu meiner Mutter. Kannst du das organisieren?“

„Ja, Kagome-sama.“ Die Youkai nahm ihn und verschwand. Einer Menschenfrau zu dienen! Aber ihr war klar, dass das der Herr der Hunde, nun ja, aller Youkai, durchaus noch immer als Bestrafung für ihr Verhalten sah, das er wohl als überaus unziemlich empfunden hatte. Als er sie in seinem privaten Schlafzimmer gefunden hatte, mit freundlichem Lächeln und unbekleidet auf seinem Lager, hatte er schlicht erst einmal ihre Kleidung mit seiner dokka-so vernichtet, ehe er sie rauswarf. Nun gut, das war unerwartet gewesen, nicht jedoch die spöttischen Nachfragen der Wachen und Kolleginnen. Jedenfalls war das hier nur die zweite Stufe der Bestrafung und Noriko wollte die dritte sicher nicht kennen lernen. Das konnte, würde, nur mehr als peinlich oder sogar tödlich werden.

 

Kagome erkannte seufzend, dass die Youkai zwar die Tür geschlossen hatte, jedoch das Deckenlicht an. So stand sie auf und tapste zur Tür, betätigte den Schalter. Dabei hörte sie leises, metallisches Klirren. Das dufte doch nicht wahr sein. Wachen vor ihrer Tür? Ihr erster Impuls war hinauszulaufen und die mindestens zwei Youkai zur Rede zu stellen, aber dann beschloss sie, sich an den wahren Verursacher, nämlich den Herrn Heerführer, ihren Schwager-Ehemann, zu wenden und dem ihre Meinung dazu zu sagen. Es war ja irgendwie nett, wenn er auf sie aufpassen wollte, aber albern. Befürchtete er etwa wirklich so, dass ein alter Baum recht hatte? Unsinn. Der fürchtete doch nie was. Jedenfalls sollte sie sich hinlegen und richtig schlafen. Irgendwie war sie jetzt seit Sonntag Nacht nicht dazu gekommen. Und morgen war Donnerstag.

Als sie wieder die Augen schloss, dachte sie noch, dass es ein recht deutlicher Hinweis darauf war, dass Sesshoumaru das, was er gesagt hatte, auch durchsetzen wollte. Wie war das? Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

 

Sesshoumaru stand in seinem Schlafzimmer am holzvergitterten Fenster und sah in die Nacht hinaus. Der beginnende Regen passte gut zu seiner Stimmung. Er hatte es zwar vermocht Kagome dazu zu bekommen in das Spiel einzuwilligen, mit einem Versprechen, das ihnen beiden nur zu recht war, aber er gab sich nicht der Illusion hin, dass die temperamentvolle Schwägerin das lange durchhalten würde. Hoffentlich fiel Bokuseno etwas ein, hoffentlich erhielt er selbst bald einen vernünftigen Rat wie man mit dieser unsäglichen Situation umgehen sollte. Natürlich hatte er selbst als Ehemann das Recht Kagome zu bestrafen, je nach Vergehen bis hin zum Tod, aber zum einen war sie eben die Gefährtin seines kleinen Bruders und eigentlich nicht die seine, wofür er den Göttern dankte, zum zweiten … nun ja. Auch, wenn sie sich selbst umbrachte, bedeutete das das Ende der Welt. Es half nichts. Die nächsten Tage würden zu einer Strapaze seiner Geduld werden, seine Ruhe und Sachlichkeit mehr gefordert als in den letzten Jahrhunderten zusammengerechnet. Es musste einfach eine andere Lösung geben als die offensichtliche. Vermutlich lag die Lösung so unverhüllt vor allen, dass sie sie nicht sahen.

Und noch immer fragte er sich, an was Inu Yasha eigentlich gestorben war. Doch banal das gemischte Blut, das eines Daiyoukai und der niederen Art? War Vaters Stärke schlicht aufgebraucht gewesen nach all den Jahrhunderten? Der Hanyou hatte weit länger gelebt als jeder Mensch. Yukio hatte jedenfalls alles versucht, was er als Heiler und Arzt in langen Jahrhunderten an Berufserfahrung gesammelt hatte. Nein, dem Ratsmitglied war kein Vorwurf zu machen.

Jaken?

War Kagome etwa auf dem Weg nach Hause? Dann hätte sie zuvor Youkai läutern müssen und das hätte doch Alarm geben sollen. In diesem Schloss schlief so gut wie niemand nachts.

„Komm herein.“

Der Kappa schob die Tür auf und hinter sich wieder zu. Er wusste, dass der Taishou wenigstens in diesem Raum ungestört sein wollte und verneigte sich eilig so tief, dass er fast seine Mütze verlor. „Äh, ich bitte um Vergebung, Sesshoumaru-sama …“

Keine langen Ausreden. „Kagome?“

Jaken atmete auf, dass er eine positive Antwort hatte. „Sie schläft, vermute ich. Noriko ist bei ihr, wie befohlen zwei Krieger als Wachen vor der Tür.“

Immerhin etwas. Jetzt entsann er sich an die leisen Schritte im Gang, die ihn weniger als nicht interessiert hatten. Und warum suchte ihn sein Berater dann mitten in der Nacht auf?

„Äh, ja, Sesshoumaru-sama, der Rat …“

Es würde bald acht tote Daiyoukai in Japan geben! „Was.“

„Da die Herrschaften morgen abreisen wollen, bitten sie Euch noch um eine kurze Ratssitzung.“

Dass sie abreisen wollten, war in diesem Zusammenhang wirklich erfreulich. Zwar würden einige, wie Kouga und Yukio in Tokio bleiben, aber da ihren eigenen Angelegenheiten nachgehen und ihn nicht belästigen. „Sofort.“

„Der mächtige kitsune no kyuu, der es übernahm mir die Mitteilung zu machen, sagte, nur, wenn Ihr nicht … äh… zu beschäftigt seid.“

Sie hatten also mitbekommen, dass Kagome hier war und in den Räumen der Gefährtin. Nun gut. Wenn sich Shinichi mit den neun Schwänzen als Botenjunge hergab war es wohl wirklich so, dass die Ratsmitglieder langsam wieder nach Hause wollten. Sie hatten selbst einiges zu erledigen und es wäre unmöglich hier zu bleiben und abzuwarten ob und wann Kagome schwanger wäre. Immerhin etwas. Morgen früh würde er sich noch kurz um einige Kleinigkeiten hier im Schloss kümmern und dann endlich hinüber in die Firma fahren, wo doch einiges aufgelaufen war. Und Kagome würde sich bestimmt noch einmal diese unsäglichen Gesetze angucken.

 
 

Spannung


 

B

okuseno schloss fast entsetzt seine Augen, als könnte er damit das Gehörte ungeschehen machen. „Nein,“ meinte er, noch immer die hölzernen Lider zusammenpressend. „Ich werde das Sesshoumaru nicht sagen. Der Kerl trägt immerhin Tenseiga und kann damit umgehen. Nicht auszudenken, was er anstellen könnte, wenn ich ihm mitteile, dass Inu Yashas Seele nicht im Jenseits eingetroffen ist. Und niemand eine Ahnung hat, wo sie abgeblieben sein könnte.“ Er öffnete die Augen, aber er war allein.

 

„Man darf doch zu Eurer Ehe gratulieren?“ Tomi lächelte, als sich der Rat niederließ.

 

Heute saßen hinter jedem der Daiyoukai zwei Berater. Kouga, begleitet von seinen alten Freunden Ginta und Hagakku, zwinkerte dem Jüngsten der Runde zu. Hinter dem kitsune no kyuu saß nicht nur dessen Berater, ein sehr alter Fuchs mit weißen Haaren und fünf Schwänzen, sondern auch Shippou, der solcherart angelernt werden sollte.

Das einstige Kleinkind war in den vergangenen fünfhundert Jahren und durch viele Schulungen erwachsen geworden. Allerdings hatte er zu seinem Bedauern noch immer nur einen Schwanz. Jetzt hatte er natürlich mitbekommen, dass Kagome hier war – aber ebenso natürlich war ihm bewusst, dass ein Berater des Fuchsherrn nicht mal eben in das Zimmer der Gefährtin des Youkai no Taishou stürmen durfte, alte Bekanntschaft hin oder her. Das einzige Wesen, das Sesshoumaru in diesem Fall davon abhalten könnte ihn umzubringen, war leider tot. Auf Inu Yasha hatte der doch gehört. Und der kitsune no kyuu verstand bei persönlicher Ehre auch keinen Spaß. Der würde eher seinen Kopf Sesshoumaru auf dem Silbertablett überreichen, als das Verhalten seines Sekretärs zu entschuldigen. Irgendwann würde er sie schon zu sehen bekommen.

 

Der Taishou hatte Tomis nur scheinbar höfliche Bemerkung mit Nichtachtung gestraft. „Ihr wollt abreisen.“

„Es wird Zeit,“ meinte Toran. „Meine Geschwister und mein Volk warten bereits seit Wochen im Westen auf mich, auf uns. Ich glaube, es steht nur noch eine Zeremonie aus.“ Sie bemerkte, dass Sesshoumaru sie tatsächlich ein wenig verwundert anblickte und zuckte etwas die Schultern. „Nun, ich weiß, dass es bei den Panthern nicht üblich ist, Hikari-sama, wie ist das bei den Katzen?“

„Ich verstehe nicht, liebe Toran?“ Die Katzenkönigin strich ein wenig ihre weißen, goldschimmernden Haare zurück. „Jedes Volk hat gerade bei Heiraten andere Sitten.“

„Ja, ich benötige gar keine Zeremonie, da es vollkommen gleich ist, wen ich nehme oder mit wem ich ein Kind habe. Das älteste Kind des Pantherkönigs dominiert seine Geschwister. Aber nur ein Kind meines Bruders wird die nächste Generation anführen.“ Toran blickte erneut zu Sesshoumaru. Wenn man ihn kannte, konnte man sehen, dass er nicht begriff. So erläuterte die Pantherkönigin. „Bei Hunden und anderen, männlicher geprägten Völkern der Youkai ist es, meines Wissens nach, immer eine öffentliche Zeremonie, wenn die Ehe vollzogen wird.“

„Nein.“ Sesshoumaru sagte es sachlich, ohne erkennen zu geben, dass er soeben versucht war Toran den Hals umzudrehen. Ja, sie hatte recht, aber das machte es nicht besser. Er hatte Kagome sein Wort gegeben. Und überhaupt!

„Das geht nicht!“ knurrte Kouga förmlich. „Kagome ist keine Youkai, sondern ein Mensch. Sie würde lieber sterben als das mitzumachen.“

„Das kann ich mir lebhaft vorstellen,“ warf Youkio ein. Der Salamander legte das schwarze, schuppige Gesicht etwas schräg. „Menschen, werte Toran-sama, besitzen eine Eigenschaft, die uns fehlt. Schamgefühl. Zumal menschliche Frauen. Ich bin sicher, Kagome-sama würde das nicht nur als Zumutung, sondern als Höchststrafe betrachten.“

Zwei waren schon einmal auf seiner Seite. Sesshoumaru ertappte sich dabei etwas erleichtert zu werden, als er bemerkte, dass ein Ratsmitglied etwas die Hand hob. Hayasa! Der Herr der Falken sagte wenig, aber wenn, so verspürte er selbst oft genug das Bedürfnis aus dessen Innereien ein nettes neues Mosaik auf dem Saalboden zu legen.

Die langen, grauen Haare des Falkenherrn glitzerten in dem gleichen metallischen Ton wie sein Brustpanzer. „Das mag ja sein, aber sie ist nur eine Frau, ich meine, vergebt, Toran-sama, Hikari-sama, sie ist nur eine Menschenfrau. Ihr Wille zählt nicht. Und wir müssen sicher gehen, dass ihr mögliches Kind auch wirklich Euer Kind ist, Sesshoumaru-sama.“

Das war doch …. Das Youki des Taishou flirrte für einen Moment derart auf, dass selbst die anderen Daiyoukai ein leichtes Frösteln verspürten, zumal die Luft um ihn vibrierte. Und das rote Leuchten seiner Augen deutete nur zu sehr darauf hin, dass er dabei war in Rage zu verfallen, seine wahre Gestalt anzunehmen. Instinktiv duckten sich die Berater hinter die Daiyoukai, die eilig ihre eigenen Energien aufriefen um sich und ihre Gefolgsleute zu schützen. Aber Sesshoumaru nahm sich zusammen. Allerdings erinnerten seine nächsten vier Worte an die Temperatur eines sibirischen Sees an einem Mittwintermorgen. „Ihr zweifelt an mir.“

Hayasa schluckte unwillkürlich. Ihm war bewusst, dass die Verträge bei persönlichen Beleidigungen das Recht beinhalteten den Verursacher zu einem Duell auf Leben und Tod zu fordern. Den letzten Zweikampf in wahrer Gestalt hatte er gegen Sesshoumaru verloren, danach die Verträge unterschrieben. Nicht notwendig sich dem mit dem Schwert gegenüber zu stellen, zumal, wenn der sich beleidigt fühlte und die Wahl der Waffen hatte. Offenkundig hatte der Taishou durch den Tod des Halbbruders und die nunmehrige, zugegeben, erzwungene Ehe, etwas mehr Impulsivität als gewöhnlich. Obwohl, es war wirklich unglücklich formuliert gewesen. Zweifel an der eigenen Männlichkeit hörte niemand gern. „Ich bedauere, wenn ich mich etwas missverständlich ausgedrückt habe, Sesshoumaru-sama. Ich zweifele selbstverständlich nicht an all Euren Fähigkeiten, die Euch zum Taishou machen. Es ging mir nur darum, dass Euer verstorbener Bruder ein Hanyou war, der lebende Beweis dafür, dass ein Kind zwischen einem Daiyoukai und einem Menschen möglich ist. Nur, es geschieht eben sehr selten. Kinder zwischen einfachen Youkai und Menschen sind doch häufiger. Man sollte aufpassen, dass Kagome, Kagome-sama, unter Beobachtung steht.“

Gerade noch raus gewunden, Vogel. „Es sind zwei Wachen vor der Tür und eine Hundeyoukai bei ihr, alle mit dem Befehl sie nicht aus den Augen zu lassen.“ Irgendwann würde er diesem Falken alle Schwanzfedern einzeln ausreißen. Als Einstimmung, ehe er mit ihm den Boden pflasterte.

„Eine weise Entscheidung, Sesshoumaru-sama,“ erwiderte der kitsune no kyuu scheinbar gelassen. „Natürlich habt Ihr dies bereits bedacht. - Wir sollten uns um neun am Teich treffen und noch einmal unsere Mächte vereinen, den Bannkreis verstärken, ehe wir abreisen.“

Das war nur zu gut, zumal die Fuchsmagie die Basis bildete – und einfachere Youkai, die unter Menschen gehen wollten, auf diese Macht zurückgreifen konnten, um sich zu tarnen.

 

Kagome drehte sich auf die Seite und öffnete die Augen. Sie hatte endlich einmal tief geschlafen. Für einen Augenblick war sie verwirrt als erstes in die braunen Augen einer Hundeyoukai zu sehen, die sittsam neben der Tür kniete, ehe sie sich erinnerte. „Oh, Noriko, guten Morgen,“ sagte sie höflich. Die konnte ja sicher nichts für die ganze Lage. Sie setzte sich auf. „Ich habe Hunger und Durst. Wo kann ich frühstücken gehen?“

Noriko erstarrte. „Äh, frühstücken? Das geht nicht, Kagome-sama.“

„Was?“ Sollte sie etwa verhungern? Oder meinte der Herr Schwager-Ehemannn das mit dem Raum nicht verlassen etwa buchstäblich?

„Es gibt in diesem Schloss nichts für Menschen oder eine Küche. Ich müsste zusehen, dass ich etwas unten in der Stadt besorge.“

„Ja, mach das. Und ich möchte viel Tee, grünen Tee. Ich habe so Durst.“ Der Hysterieanfall gestern hatte sie anscheinend vollkommen ausgedörrt.

Die Hundedame erkannte, dass ihre Strafversetzung schwerer wurde als sie bereits gedacht hatte. In einen menschlichen Supermarkt zu gehen, natürlich in Tarnung, und einzukaufen! Der Taishou war offenbar wirklich erzürnt über sie gewesen. Aber sie hatte keine Wahl als der Gefährtin zu gehorchen. Falls die sich über sie beschwerte … oh, nicht auszudenken. Noch heute erzählte man sich von den Strafen, die einst der Mutter des Herrn eingefallen waren um unbotmäßige Dienerinnen zu bestrafen. Stundenlang mit Eiswasser übergossen zu werden, stundenlang kopfüber von der Decke zu hängen, waren noch die harmloseren Varianten gewesen. So meinte sie nur: „Es dauert nur etwas, ich muss ja erst hinunter fahren.“

„Ja, danke. Ich gehe ja auch erst ins Bad. Wohin soll ich dann gehen?“

Ach du Schande. „Ihr sollt hier bleiben, lautet die Anweisung des Herrn, Kagome-sama. Soweit ich mitbekam hat sein Berater auch bereits Sachen für Euch vor die Tür gelegt.“

Sie sollte hier wahr und wahrhaftig eingesperrt werden? Aber, Moment mal, das musste sich dann um diese Gesetze handeln. „Ja, das lese ich dann. Und, jemand sollte zu meiner Mutter fahren, ich rufe sie an, wegen einiger Sachen, die ich noch benötige. Handykabel und so,“ ergänzte sie eilig. Sie wollte ihren Scheinehemann ja nicht unbedingt vor einer Hündin blamieren und ihm unterstellen, dass er nicht für sie sorge.

„Ich werde jemanden schicken,“ erklärte Noriko hoheitsvoll. Frühstück holen gut. Handykabel und sonstiges, irgendwo musste man eine Grenze ziehen. Sie war eine Youkai aus gutem Haus, ihr Vater einer der mächtigsten Vasallen des Herrn der Hunde. Leider hatte sie ihren ersten Gedanken, sich bei diesem über ihre Strafe zu beschweren, gleich verwerfen müssen. Vater war altmodisch und hatte gewiss keinen Sinn dafür, dass sie sich wie ein mehr als loses Mädchen benommen hatte, ja, ihre Heiratschancen mit Sesshoumaru ruiniert hatte. Was der Taishou nun von ihr hielt, demonstrierte er ja mehr als ausgiebig. Er war offenkundig ebenso altmodisch wie ihr Vater. Leider. Denn sie war einfach sterblich und unsterblich in ihn verliebt. Und, schrecklich eifersüchtig auf diese miko, die erst mit Inu Yasha und nun mit Sesshoumaru verheiratet war. Glücksmensch!

 

Da ihre Hofdame die Tür beiseite schob, stand Kagome auf. Irgendwie fühlte sie sich besser, aber der erste Schritt verriet ihr, dass ihr Knöchel nach der gestrigen Sprint zum Auto nicht gerade heiler geworden war. Nun gut. Sie sollte ja Texte lesen, da konnte sie ihn schonen. Und tatsächlich, Noriko bückte sich und nahm ein Tablett mit altmodischen Schriftrollen auf, aber sie erkannte auch Schulhefte und Kugelschreiber. Sie sollte arbeiten. Leider entdeckte sie auch zwei Hundekrieger, bewaffnet, die mit dem Rücken zu ihr standen. Sie wurde bewacht! Also, das musste sie noch einmal dringend mit ihrem Schwager, ihrem Ehemann, klären. Das war ja wohl … Was befürchtete der nur? Wenn sie sowieso schon hier im Schloss hausen sollte, konnte ihr doch gar nichts passieren? Selbst, wenn man davon ausgehen sollte, dass wirklich an ihr das Schicksal der Welt hing. Wer wohl dieser Bokuseno war? Offenkundig jemand, auf den sogar Sesshoumaru hörte. Davon gab es garantiert nicht viele Leute.

Die Hundeyoukai platzierte das Tablett in einer Ecke. Die miko entdeckte daneben ein kleines Schreibpult, das auf einer Tatamimatte stand. „Danke, Noriko.“

Nun ja, höflich war sie ja, dachte die Youkai, die dennoch lieber hinausging um sich im Fuhrpark ein Auto zu besorgen.

 

Kagome zog sich das miko-Gewand, in dem sie geschlafen hatte, aus und ein anderes an. Tatsächlich. Dieser Jaken hatte ihr eine komplette Kiste davon besorgt, Unterwäsche und Pyjamas waren aber offenkundig als Ausgabe nicht einmal angedacht gewesen. So rief sie ihre Mutter an und bat um einige Dinge in einem Rucksack. „Ja, mir geht es gut, Mama. Wir müssen hier nur noch einiges klären Weißt du, für die hier gelte ich wirklich als Inu Yashas Witwe und er war doch an einigen Firmen beteiligt und so … Das hast du doch schon am Scheck gesehen.“ Das war nicht mal gelogen, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie ihrer Mutter sagen sollte, dass sie mit jemand anderem als Inu Yasha verheiratet war, sie alle Zwei davon nicht begeistert waren … Ja. Diese dämlichen Gesetze. Und sie musste sich wirklich, wirklich noch bei Sesshoumaru für Soutas Stipendium bedanken.

Sie setzte sich hin und rollte vorsichtig das Papier auf. Ach du Schande. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Das war ja kein modernes Japanisch. Das war alte Sprache, alte Schrift. Schön, sie hatte in den letzten Jahren auch einen Kurs belegt gehabt, aber das würde mühsam werden. Erst einmal sollte sie den Text abschreiben, in moderne Sprache übersetzen. Und dann richtig lesen. Das würde dauern!

 

Kagome war froh, als sie buchstäblich Säcke an Teedosen und Bentoboxen und Sandwiches gebracht bekam. „Danke.“ Noch während sie die erste Dose öffnete und einen tiefen Schluck nahm, sah sie allerdings verwundert, dass sich die Dämonin neben der Tür niederließ. „Äh, danke, Noriko, aber du kannst doch jetzt gehen.“

„Der Befehl oyakata-samas lautet, dass ich stets zu Eurer Verfügung stehen soll.“ Und sie wollte wirklich nicht ausprobieren was die nächste Stufe seiner Sanktionierung wäre.

„Auch, wenn ich dich wegschicke?“ Was sollte das denn?

„Ich bedauere, Kagome-sama.“

Ja, wie hieß es so nett, der Ober sticht den Unter? Kagome war klar, dass ein Youkai, zumal ein Hundeyoukai, eher auf seinen Alpha hören würde als auf irgendein Menschenmädchen, das mehr oder weniger zufällig hier aufgeschlagen war. Aber sie verspürte nicht die mindeste Lust dauernd unter Beobachtung zu stehen. Das mochte ja für Youkaiprinzessinen üblich sein, aber .. Nein! Sie trank die Dose aus und stand auf. „Schön. Das will ich klären.“ Noch ehe Noriko begriff, was ihr Schützling vor hatte, war sie zur Tür geschritten, hatte die eigenhändig geöffnet - und prallte fast gegen vor ihrer Nase gekreuzte Schwerter. „Was soll das?“

„Ich bedauere,“ sagte der ranghöhere Hundekrieger. „Der Befehl lautet, dass Ihr diesen Raum nicht verlassen dürft.“

„Ich will mit Sess ...mit Sesshoumaru-sama sprechen!“

„Unser Befehl.“

„Ist mir gleich!“ fauchte sie. „Haltet mich doch auf!“ Sie war im Begriff die Klingen zu fassen.

Das war allerdings ein Problem. Die Krieger sahen hilfesuchend zu Noriko, aber auch die war überfordert. Natürlich besaß niemand das Recht die Gefährtin des Herrn festzuhalten, anzufassen, aber da war eine klare Anweisung und … Zu allem Überfluss zeigte sich jetzt die läuternde Energie einer durchaus respektablen miko.

 

„Kagome, Kindchen, was machst du denn nur?“

Die so Angesprochene wandte unwillkürlich den Kopf.

Krieger und Hofdame erkannten aufatmend den erfahrensten Berater des Taishou, der schon dessen Vater und jüngeren Sohn durch die Zeiten geholfen hatte „Myouga-sama!“ war daher die dreistimmige, durchaus erleichterte, Begrüßung.

Der Flohgeist sprang ohne weiter das Hofprotokoll zu beachten auf die Schulter der sichtlich verärgerten miko. „Was ist denn hier los? Gehen wir mal ins Zimmer, ich soll dir ja die Regeln erklären. Und du sagst, wo dein Problem liegt, ja? - Denk doch bitte an Inu Yasha-sama. Er wäre nicht begeistert, wenn du ihn blamierst,“ flüsterte er nur mehr.

Kagome seufzte und drehte zur Beruhigung der Hundeyoukai um. Noriko blieb draußen und schob die Tür zu, ehe sie aufatmete.

„Myouga muss nur kommen,“ flüsterte der Krieger. „Er ist so alt und erfahren.“

„Aber er ist jetzt allein mit ihr,“ gab Noriko zu. „Ich sollte wohl …“

„Warte mal etwas, bis diese Energie weg ist. Sie läutert dich sonst noch aus Versehen.“

Ein weiser Rat.

 

Keine zwei Minuten später wusste Myouga, was Kagome störte, empörte und überhaupt. Er seufzte. „Nun ja. Erstens: du hast es wohl nicht so ganz erfasst, du hattest ja eine Menge um die Ohren, gestern. Wenn dir etwas passiert, endet die Zeit. Das gilt es doch unter allen Umständen zu verhindern, nicht wahr?“

„Man sollte annehmen, ich sei in diesem dämlichen Schloss voller Youkai und Militär sicher!“

„Ja, natürlich. Aber, gerade du als Mensch solltest wissen, dass es immer wieder den ein oder den anderen Verwirrten gibt, der eben das Weltende will. Auch Youkai sind nicht vor Wahnsinn gefeit. Sesshoumaru will dich unbedingt beschützen, um eben das Ende der Welt zu verhindern. Das solltest du verstehen.“

„Deswegen die Wachen.“

„Ja, und Noriko. Sie ist eine junge Hundedame aus recht vornehmen Haus. Keine Kriegerin, aber gut erzogen …“ Fast, aber das sollte er ihr lieber nicht sagen. „Und im Notfall sicher auch mit ihren Klauen ganz gut. Zweitens steht dir als Gefährtin des Taishou eine Hofdame zu, ja, Sesshoumaru ist verpflichtet sie dir zu stellen, will er sich nicht selbst bloß stellen. - Ah, Jaken hat dir die Gesetze gegeben.“

„Ja, aber ich muss sie erst noch umschreiben,“ erklärte sie unwillig, „Aber, ich lasse mich hier doch nicht einsperren!“

„Das ist der nächste Punkt. Niemand wird sich einem Befehl des Taishou widersetzen. Und, wenn du so unhöflich bist … Kagome, das war unhöflich, in Worten, aber auch mit deiner Energie zu drohen.“

„Ach ja, was hätte ich denn dann sagen sollen?“

„Ich bitte den mächtigen Youkai no Taishou um Audienz, meinetwegen um Gehör.“

Kagome bemerkte, dass sie schon wieder haltlos zu kichern begann. „Komm, das ist albern. Er ist mein Schwager!“

„Er ist dein Ehemann und damit dein Schutzherr und dein absoluter Herr.“ Der Flohgeist klang ernst. „Das solltest du um seiner Stellung willen nicht vergessen.“

„Hat das Inu Yasha auch gemacht?“ Das konnte sie sich nicht vorstellen.

„Er war ein Mann und die Nummer Zwei.“

Altmodisches Patriarchat! „Das ist doch ….“

„Aber auch er fragte an. Sieh, Sesshoumaru hat die Youkai, aber auch die Firma. Inu Yasha hat ihm da, eben in der Verwaltung, wirklich viel abgenommen, jetzt hat er das alles allein. Im Moment ist er noch im Schloss, danach aber in der Firma. Du weißt ja gar nicht, ob er überhaupt hier ist.“

Das mochte ja alles richtig sein, aber … „Aber er darf jederzeit bei mir hier reinschneien?“

„Theoretisch ja, aber, wenn er was von dir will, wird er dich sicher in sein Schlafzimmer rufen lassen.“ Myouga sah besorgt, wie blass sie wurde. „Kagome, alles in Ordnung?“

Er wusste nichts von der Zusage, rief sie sich in Erinnerung. „Ja, irgendwie schon. Es ist nur alles so irrsinnig, seit einigen Tagen.“

„Ja, das kann ich mir vorstellen.“

„Ich freue mich übrigens, dass es dir wieder besser geht. Hast du so mit Inu Yasha mitgelitten.“

„Ja, sozusagen. Ich brauchte Blut, aber ich wagte nicht das seine zu trinken, da ja niemand wusste, warum er so krank geworden ist.“

„Dann hast du jetzt jemand anderen … aber …“ Er würde doch nie der Hundefamilie untreu werden? Ihre Augen wurden weit. „Sag nicht, dass du …“

„Sesshoumaru-sama war so freundlich, ja.“

„Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Aber, naja, ich kannte ihn ja auch vor fünfhundert Jahren. Da ist einiges passiert.“

„Ja. - Noriko!“

„Was soll das?“ Kagome war froh gewesen mal allein mit Myouga zu reden.

„Du kannst nicht allein mit einem männlichen Wesen in einem Zimmer sein,“ erklärte der Flohgeist. Da er sah, dass sie fast in Lachen ausbrach: „Kagome, denk an deinen Ruf und an den deines Ehemannes!“

Sie konnte trotzdem keinerlei Gefahr für sich von diesem winzigen, uralten Geist ausgehen sehen.

Die Hundeyoukai kam prompt und ließ sich wortlos neben der Tür nieder, doch froh, dass der alte Flohgeist wenigstens Ahnung hatte, wie man mit dieser temperamentvollen miko umgehen sollte.

Kagome hätte fast geseufzt, ließ es aber vor der Youkai aus persönlichem Stolz sein. „Ich bin langsam …. ach, egal. Schön, dann erkläre mir noch ein paar Regeln, Myouga-jiiji. Und dann werde ich die Gesetze übersetzen. Da muss es einfach einen Fehler geben,“

Schön, dachte Noriko. Wieder etwas gelernt. Einen Berater des Taishou, des Ratsvorsitzenden, als Onkelchen anzusprechen war für Menschen doch eigentlich gewagt, oder?

Den schien es freilich nicht zu stören. „Kagome, bedenke einfach, dass du dich wie bei Hofe verhalten musst. Also, ungefähr. Und du bist als Gefährtin eben die ranghöchste Dame. Das wirst du hinbekommen?“

Da er besorgt klang, erwiderte die miko prompt: „Ja, wenn ich weiß, was ich machen muss.“ Sie wollte den bemühten hilfreichen Geist nicht beunruhigen. Aber langsam wurde ihr klar, dass es auch die Sorge um das eigene Prestige gewesen war, das Sesshoumaru dazu gebracht hatte sie hierher zu verbannen. Nun, da sollte sie ihm zeigen, dass sie sich benehmen konnte. Und nützlich war. Alles, was sie zu Letzterem brauchte, war ein Fehler in diesem dämlichen Gesetz der Vier. „Also, erzähle.“

 

Sesshoumaru betrat den Privattrakt nach der Sitzung in nicht sonderlich guter Laune, gefolgt von Jaken. Myouga hatte sich bereits vor Minuten verabschiedet mit Hinweis auf den Befehl, dass er Kagome Nachhilfe in Benehmen geben sollte. Nun ja, da dürfte einiges fehlen. Sie war zu diesem Zeitpunkt achtzehn oder neunzehn, alles was sie von Youkai wusste war, dass sie sie im Notfall umbringen konnte. Sie hatte gegen Naraku gekämpft, gemeinsam mit Inu Yasha und auch ihm … Und dabei nicht unbedingt immer eine schlechte Figur gemacht. Kampffähig, ja, stur wie Inu Yasha selbst, und impulsiver als der, wozu schon etwas gehörte. Hoffentlich würde der Floh wenigstens etwas Vernunft in sie bekommen. Gut. Zwei Krieger vor ihrem Zimmer, die eilig die Köpfe neigten. Hm, warum nicht. Da er abbog, und einer der Youkai eilig die Tür öffnete, meinte er nur: „Jaken, in mein Arbeitszimmer.“

Ein Rundlick in dem Schlafzimmer ließ ihn beruhigter werden. Myouga saß da, die Gesetze lagen herum, seine sozusagen Ehefrau wirkte deutlich entspannter. Und eine Hofdame war auch dabei. Gut. „Kagome.“

Wollte er gucken, wie ihr ihr Gefängnis gefiel? Sie wollte sich schon wieder aufbäumen, erkannte gerade noch, dass Myouga fast hektisch den Kopf neigte. Ach ja, sie sollte ja höflich bleiben, zumal vor anderen. So senkte sie den Kopf und erwiderte mühsam verbindlich: „Guten Morgen, Sesshoumaru-sama.“

„Komm mit.“

Sie sprang sofort auf, mit einem geradezu eifrigen Gehorsam, der ihn fast stutzig gemacht hätte, wüsste er nicht, das sie hoffte, er habe eine Lösung dieser unsäglichen Lage. Nun, hatte er nicht, aber ihm war klar, dass sie ein Vier-Augen-Gespräch führen sollten, ehe er sich erneut mit dem Rat beschäftigen musste. Was war nur in den vergangenen Tagen aus seinem Leben geworden?

 
 

Magie


 

K

agome folgte Sesshoumaru etwas langsamer. Tatsächlich spürte sie gerade auf den Treppen ihren Knöchel wieder ausgeprägt. Der Schwager schien nichts Ungewöhnliches zu bemerken, aber sie sah nur zu deutlich, wie sich Krieger aller Arten verneigten, Hofdamen auf die Knie vor ihm gingen. Gebeugte Knie und Nacken, wohin man guckte. War das etwa das Leben das er gewohnt war, ja, schon immer gewesen war? Hatte Jaken nicht vor fünfhundert Jahren schon gesagt, er solle einmal Berater werden? War das Sesshoumaru einfach geläufig – Befehl erteilte er, alle anderen gehorchten? Kein Wunder, dass der sich mit Inu Yasha, nun ja, auch mit ihr, hart tat.

 

Vor ihnen lag jetzt ein großer Garten, mit Teich. Das musste der sein, von dem Kouga geredet hatte. Dahinter, nun, hinter einem starken Bannkreis erkannte sie ein grünes, bewaldetes Tal mit einem See tief unten. Der Hintergrund war wolkenverhangen. Ihr Schwager blieb stehen.

„Schmerz?“

Er wandte nicht einmal den Kopf zu ihr, dachte sie wütend, ehe sie sich entsann, dass das immerhin unerwartet nett war. „Äh, ja, falscher Sprung in den Brunnen. Yukio hat es schon angesehen.“ Sie wollte ja nicht den Salamanderheiler in die Pfanne hauen oder sich als wehleidig darstellen. Fast entging ihr die leichte Handbewegung des Daiyoukai, die einen Krieger sofort herankommen und sich vor seinem Taishou verneigen ließ.

„Yukio-sama zu meiner Gefährtin.“ Eine sachliche Aussage.

Kagome wollte versichern, dass es ihr gut gehe, aber irgendwie war sie doch überrascht wie viel Fürsorge sie hier bekommen sollte. Natürlich, sein Image. Es sollte nicht so aussehen, als ob er sie vernachlässige. Hm Was dann wohl der Rat mit ihm machen würde? Okay, das wollte sie nicht wissen, wenn es da schon von Mord und Krieg geheißen hatte. Youkai eben, stolz, stur und immer auf Kampf aus. Na schön, spielte sie also weiter mit. Wenn er sie schon hier in den Garten schleifte war wohl ein vertraulicheres Gespräch angesagt als in ihrem Zimmer möglich.

Tatsächlich führte er sie an den Rand des Plateaus und sie starrte fasziniert auf den See unten, wo sich Schiffe aufmachten, die Gondeln den jenseitigen Berg empor fuhren. Sie war dort schon gewesen, ohne zu ahnen…. Aber sie wandte sich um. „Hast du etwas Neues?“ Da sein Blick ihre Frage bereits beantwortete: „Ich auch noch nicht. Aber das ist sehr alte Schrift, zum Glück hatte ich da mal einen Kurs. Ich muss es übersetzen, um es zu verstehen.“

„Eine Schwierigkeit.“

„Ja, zeitaufwendig, aber machbar.“ Erst dann erkannte sie, dass das Problem wohl auf seiner Seite lag. Noch eins. „Was ist?“

Sesshoumaru hätte fast zu tief eingeatmet, dass er schon wieder erklären musste. Leider war es zu wichtig. „Der Rat machte klar, dass die Ehe vollzogen werden soll. Öffentlich.“

Sie schnappte nach Luft. „Du hast abgelehnt. Ja, natürlich.“ Sie hatte sein Wort. Aber?

„Ich werde dich heute Abend zu mir in mein Schlafzimmer befehlen. Du solltest zuvor duschen und einen Yukata tragen.“

Die Frage, ob sie einverstanden wäre, stellte sich ihm offenkundig nicht einmal? Kagome spürte, wie heiße Wut in ihr aufbrandete, ehe sie begriff. „Reines Schauspiel.“

„Du kannst schlafen. Oder wachen. Aber du gehst erst im Morgengrauen.“

„Es muss ziemlich schwer sein der Taishou zu sein, immer diese dämlichen Regeln,“ entkam es ihr fast mitleidig. „Ja, schön, ich mache mit. Und hoffentlich habe ich bis dahin etwas Vernünftiges aus diesen alten Texten. Ich meine, was uns weiterhilft.“ Sie sah, dass aus dem Schloss, wenngleich eine etwas entferntere Treppe, wohl der Rat kommen würde, denn Youkaikrieger und Kriegerinnen der Katzenvölker vor allem, stellten sich dort auf. „Nicht schon wieder eine Ratssitzung?“

„Magie.“

„Für den Bann,“ antwortete sie.

Er war überrascht, dass sie doch deutlich begriff, wenn er auch nicht ausführlich sprach. Noch verblüffter wurde er allerdings, als seine Schwägerin sehr nahe zu ihm trat und zu ihm aufsah.

„Gut. Ich spiele mit, du spielst mit, weil irgendwie sonst die Erde draufgeht,“ sagte Kagome leise. „Denk dran, ich mach das nur für Inu Yasha, damit ich endlich zu ihm ins Mittelalter kann. Wenn der Rat glauben soll, dass wir heute Abend,… naja, du weißt schon, sollten wir es ihnen beweisen. Küss mich!“

 

So einen Befehl hatte Sesshoumaru wahrlich noch nie erhalten. Aber, das wusste auch er, sie hatte recht. Demonstrierten sie eheliche Einigkeit würde niemand mehr zweifeln können. So legte er die Klauen auf ihre Schultern.

Ja, Inu Yasha. Das war, neben dem Beweggrund die Erde retten zu wollen, ihre alleinige Motivation. Vermutlich die einzige Frau in mindestens dreihundert Meilen Umkreis, die eben nicht hinter IHM her war. Seltsamerweise machte es das leichter ein Wesen der minderen Art auch nur zu berühren, geschweige denn zu küssen. Sie wollte nichts von ihm und er nichts von ihr. Sie hatten nur eine Gemeinsamkeit. „Für Inu Yasha,“ flüsterte er, ehe er ihren Mund berührte.

 

Für Inu Yasha, dachte Kagome verbissen, noch ehe sie realisierte, wie wohlüberlegt der Kuss des Daiyoukai war. Sicher, sie hatte noch nie jemandem außer ihrem Hanyou geküsst und das war von beiden Seiten, naja, unerfahren gewesen, aber ihr …. ja, ihr Ehemann hätte anders gekonnt, da war sie sicher, so schonend, wie er bewusst vorging. Behutsam, unerwartet zärtlich – und nicht vergessend wem sie gehörte. Sie legte instinktiv ihre Hände auf seine Schultern, verkrampfte sie dann darum, als sie einen Schatten neben sich sah, ließ los.

Sesshoumaru hob den Kopf und nur ein Narr hätte nicht gesehen, dass er die Störung für unerwünscht hielt.

Der Heiler verneigte sich eilig. „Ihr habt mich her befohlen,“ entschuldigte er sich rasch.

„Ihr Knöchel.“ Der nächste Blick galt Kagome. „Keine Magie.“ Er wandte sich ab um zu dem großen Teich zu gehen.

Sie sah ihm etwas irritiert nach, aber die Erklärung kam von dem Heiler.

„Wenn Ihr Euch dort auf den Stein setzt, Kagome-sama? Dann kann ich Euren Knöchel verarzten, ehe ich zum Teich gehe. Wir werden alle unser Youki verbinden und den Bannkreis um das Schloss verstärken. Das tun wir immer, ehe wir abreisen. - Oh ja, der ist noch angeschwollen. Ich gebe Euch noch einmal Salbe und einen festen Verband darum. - Ich denke, das meinte Sesshoumaru-sama. Wenn wir alle unser Youki zusammenlegen ist das eine Menge. Und, mit Verlaub, Ihr besitzt läuternde Magie. Das Ritual zu stören könnte unerwünschte Folgen haben.“

„Ich werde mich schon zusammen nehmen, Yukio-sama,“ versprach sie, doch neugierig auf eine derartige Youki-Zeremonie, die, da war sie sicher, noch keines Menschen Auge gesehen hatte.

„Dann setzt Euch dort hinten doch unter den Baum. So seit Ihr noch gut hundert Meter weiter weg. Ich kann Euch versichern, dass es Euch überraschen wird.“

„Danke,“ murmelte sie höflich und zog das Hosenbein hinunter. Sie kannte durchaus Mengen an Youki, allerdings, das musste sie zugeben, hatte sie noch nie acht Daiyoukai auf einen Haufen gesehen. So stand sie auf und zog sich etwas weiter zurück.

Als sie sich auf einen Stein dort setzte, die hier anscheinend wahllos verteilt waren, aber sicher irgendeinen Sinn erfüllten, bemerkte sie, dass sich der Rat um den Teich gruppiert hatte, jeder zu einem der hölzernen Sitzplätze. Nur zwei waren noch frei, aber Yukio kam nun ebenfalls dazu und schritt zu seinem Platz. Der noch leere gehörte bestimmt dem alten und kranken Pfeifhasen, von dem ihr Kouga erzählt hatte. Sesshoumaru ließ sich als erster langsam nieder, dann folgten die Anderen, sicher wieder in irgendeiner Rangordnung. Das musste wirklich schrecklich kompliziert sein sich immer daran zu erinnern, wer wann und so, damit man kein Duell auslöste. Wie das Inu Yasha wohl erlebt hatte? Hatte er sich anpassen können oder sogar müssen?

Sie sah, wie sich der Rat sehr aufrecht hinsetzte, die Hände auf die Oberschenkel stützte und alle die Augen schlossen. Sie begannen wohl zu meditieren. Nur kurz darauf fühlte sie die Energie ansteigen. Ja, das waren Daiyoukai, dachte sie. Sie kannte Sesshoumaru ja aus der Zeit als er Bakusaiga erhielt, aber selbst Kouga lag da jetzt schon. Und sie war sicher, ihr Schwager war im letzten halben Jahrtausend auch nicht schwächer geworden. Selbst die Wachen hatten sich alle zum Schloss zurückgezogen, ohne allerdings ihre jeweiligen Gebieter aus den Augen zu lassen. Das musste für normale Youkai schon auch eine Machtdemonstration sein.

Dann jedoch blickte sie nur mehr fasziniert zu dem Schauspiel. Die Luft um den Teich schien zu vibrieren, immer dichter zu werden, ehe sich, offenbar geleitet von dem Herrn der Füchse, aus der Macht ein Wirbel bildete, der vor den Sitzenden im Kreis um den kleinen See drehte, immer rascher, immer, ja, bunter. Anscheinend hatte jeder der Daiyoukai eine eigene Färbung seines Youki. Es gab dunkel, bläulich, rot, braun, aber sie vermochte nicht zu unterscheiden von wem was kam. Sie mussten sich einander wirklich angepasst haben. Und die Magie stieg immer weiter.

Sie konnte nur zu deutlich fühlen, wie ebenso ihre eigene Macht aufsteigen wollte, dagegen halten wollte, aber das war aus mehreren Gründen sinnlos. Sie war nicht in Gefahr, das sagte sie sich immer wieder vor, während sie tief ein und aus atmete, zum anderen – dagegen kam sie niemals an. Immerhin war ihr nun klar, warum niemand in ihrer Zeit etwas über Youkai wusste. Um einen Bannkreis zu erkennen, geschweige denn zu durchbrechen, der von diesen mächtigen Wesen gemeinsam gelegt worden war … Nun, da hätte man eine Menge überaus talentierter Priester und mikos benötigt, die sich auch noch blind verstehen mussten. Kaum anzunehmen.

Gemeinsam waren diese Daiyoukai kaum zu überwinden.

 

Und, jetzt begriff sie zum ersten Mal das Verhältnis ihres Schwagers zum Rat, das sie doch schon recht verwundert hatte, wenn sie mal Zeit gefunden hatte darüber nachzudenken. ER, der Kerl, der jeden abgemurkst hatte, der ihm auch nur im Weg stand – und ließ sich dermaßen von anderen Daiyoukai domptieren? Ja, er und Inu Yasha hatten das so erschaffen? Aber es war wohl der einzige Weg gewesen, den die beiden Halbbrüder gesehen hatten, um so Sesshoumarus Willen nach der Rolle des Alpha zu erfüllen, Frieden zwischen Youkai und Menschen zu haben – daran war allerdings wohl mehr ihr Hanyou interessiert gewesen – und auch Frieden unter den Youkai zu halten. Vermutlich hätte damals und könnte noch heute ihr Schwager jeden einzelnen der Daiyoukai im Kampf besiegen – aber niemals alle gemeinsam. So waren sie doch gebunden, an Regeln, und auch unter seiner Herrschaft. Es war vermutlich ein sehr komplizierter Prozess gewesen, wie das alles abgelaufen war, über Jahrzehnte, Jahrhunderte. Und, es hatte auch Sesshoumaru verändert, aller Voraussicht nach auch Inu Yasha. Sie waren erwachsen geworden. Und sie war noch immer die Neunzehnjährige, die nur einfach ins Mittelalter zurück wollte.

 

Jetzt geschah etwas und sie konnte nur mehr hinstarren. Aus der Mitte des Teiches erhob sich etwas wie eine schlanke Säule, eher eine Stange, deren fuchsrot verriet, dass es sich um deren Magie handelte, genauer um die des neunschwänzigen Herrn. Eine andere rötliche Energie schloss sich an, wendelte sich um diese Stange. Sesshoumaru? Sie hätte geglaubt sein Youki wäre bläulich, wenn sie so an seine Drachenwelle dachte, aber konnte er die Farbe auch ändern? Jetzt schwarz, wohl der Tanuki. Das war eine der beiden Katzendamen. Sie saßen ja auch immer nebeneinander. Zufall, oder weil sie eben die einzigen beiden Frauen waren? Und noch dazu beides Katzenartige? Toran sah menschenähnlicher aus als Hikari, so hieß sie doch?, die Königin der Katzen. Sie hatte zwar weiße Haare, allerdings mit einem deutlich goldenen Schimmer, aber ihre Augen standen schräg und waren grün, sehr viel mehr denen eines Tieres ähnlich als Torans. Oh, dass musste die Energie des Herrn der Falken sein, wie hieß der nur, Hayasa? Jedenfalls war das Youki silbern, wie eigentlich der ganze Typ. Jetzt waren eigentlich alle verbunden, nein, Kouga fehlte noch. Ja, das war dann beige, braun, irgendetwas. Seine Farbe. Er war anscheinend, wenn er der Letzte war, der sein Youki dazu gab. der Rangniedrigste, sei es, dass er der Schwächste war, sei es, dass er derjenige war, der als Letzter dazu gekommen war, der Neuling. In jeder Sportgruppe war der Neuling immer der Rangniedrigste und musste für die anderen arbeiten, in jeder Schule. Das kannte sie.

Das Youki wurde immer höher und sie musste sich zwingen ruhig zu atmen, ruhig zu bleiben.

Jetzt bildete sich die Säule weiter aus, berührte fast den Bannkreis, den sie mehr erahnte als wirklich erkennen konnte, da das Youki dermaßen hell flammte. Und dann erinnerte es sie an einen gigantischen Baum. Unterhalb des Bannkreises bogen Streifen der jetzt gemischt farbigen Energie ab, wie Äste, Zweige eines gewaltigen Gehölzes und verschmolzen mit der Magie des Bannzaubers. Sie konnte spüren, wie diese in die Höhe schoss.

Das war verrückt. Warum machten das diese Daiyoukai offenbar jedes Mal, wenn sie sich trafen? Wie dick wollten sie diesen Schutz denn bekommen?

 

Der magische Baum verschwand, als habe es ihn nie gegeben. Es kehrte sozusagen Ruhe ein, wie sie es empfand und erleichtert durchatmete. Sich bei diesem Gegenüber an Youki noch mit ihrer läuternden Energie zurück halten zu können, war wirklich eine Probe ihrer Selbstbeherrschung gewesen. Das Einzige, was sie doch immer wieder beruhigt hatte, war, dass dort drüben auch Leute saßen, die sie kannte. Natürlich ihren Schwager, Ehemann, aber auch Kouga und Yukio, der Arzt. Hatte Sesshoumaru das etwa als Prüfung gesehen oder ihr das zugetraut? Sollte sie ihn das fragen? Naja, erst mal lieber nicht. Er wirkte durch diesen Hohen Rat sowieso leicht angefressen, da sollte sie nicht den nur zu willkommenen Blitzableiter spielen. Immerhin sollte sie die nächste Nacht in seinem Schlafzimmer verbringen.

Gut, er hatte versprochen nicht mit ihr … aber eben nur das. Und sie hatte inzwischen durchaus mitbekommen, dass es wohl unter Youkai als vollkommen normal galt, wenn er sie schlug, so als Ehemann, Taishou, Ratsvorsitzender. Sicher, er wirkte auch daran interessiert die Sache mit der Zeitschleife schnell und sauber zu bereinigen, mit ihr zusammen zu arbeiten, aber … Nun ja. Sie hatte mit eigenen Augen gesehen, was er mit Leuten angestellt hatte, die ihn nur störten, wie er mit einem Schlag von Bakusaiga tausend Dämonen erledigt hatte. Es ging ihr sehr gegen den Strich sich zusammen reißen zu sollen, aber sie hatte keine Kette mit der sie ihn zu Boden zwingen konnte, wenn er handgreiflich werden wollte, wie die ersten Tage mit Inu Yasha. Wobei das nicht einmal da ernst gemeint gewesen war. Ihr Lieblingshanyou war einer der Hunde, die bellten und nicht unbedingt bissen. Nur wenn, dann richtig.

Inu Yasha. Sie hätte fast schon wieder zu weinen begonnen, als ihr Blick auf einige Füchse fiel, die am Schloss offenkundig auf ihren Anführer warteten. Das war doch … Doch, der junge Mann, kitsune, starrte sie so an, winkte dann verstohlen. Shippou! Wenn sonst an nichts sah man an dem einstigen Kleinen wie viel Zeit auch für Youkai vergangen war. Sie hob schon die Hand um zurück zu winken, erkannte dann gerade noch rechtzeitig, dass sich der Hohe Rat erhob und zumindest Toran zu ihr sah, und änderte die Handbewegung eilig in ein Zurückstreifen ihres Ponys um. Haare in Ordnung bringen war doch wohl erlaubt.

 

Shippou erkannte seine Chance und sah zu dem fünfschwänzigen kitsune neben ihm, seinem Ausbilder. „Kenshin-sama, darf ich zu Kagome, ich meine, Kagome-sama, gehen und ihr mein Beileid ausdrücken? Sie und Inu Yasha-sama waren doch nach dem Tod meiner Eltern … ich meine, ich bin so lange mit ihnen durch Japan gezogen, Kagome hat mich getröstet und… Naja, sie war wirklich wie eine Mutter für mich.“

Kenshin kannte die Geschichte seines Schützlings, aber er sah betont zu dem sich nähernden kitsune no kyuu und verneigte sich. Shippou verstand und wiederholte brav seine Anfrage.

Wie eine Mutter, ja. Shinishi beschloss, dass es unter Umständen gar nicht so falsch war den Lehrling zu der Gefährtin des Taishou zu schicken. „Geh, Shippou. Du weißt, wie weit du gehen darfst.“

„Ja, natürlich.“ Der junge kitsune lief schon los. Ja, natürlich, er durfte sich ihr nicht in die Arme werfen wie früher – und, er gab zu, nie zuvor hatte er solche Sehnsucht danach verspürt. Kagome! Inu Yasha war tot und er ahnte, wie sie sich fühlen musste, ging es ihm doch kaum anders. So allerdings bremste er knapp vor ihr. „Kagome.“ Er wusste, dass sein Schluchzen in seiner Stimme lag. „Wie geht es dir?“

„Shippou!“ Sie hatte recht gehabt. Aber, so sorgfältig, wie er den Meter vor ihr einhielt, gab es da sicher wieder irgendein dämliches Gesetz. So ließ sie sich nur vor ihm auf die Knie sinken, eigentlich eine sinnlose Geste, war er doch inzwischen so groß wie sie und sie musste aufsehen. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Und Inu Yasha….“ Sie konnte nicht weiter reden.

„Ich weiß, ich weiß….“

„Geht es dir wirklich gut?“

Shippou nickte eifrig, nicht nur, weil sein Ausbilder und der Herr aller Füchse sich näherten – leider auch Sesshoumaru. „Ja, ich habe wirklich eine gute Ausbildung bekommen, und du siehst ja, ich bin in der Entourage des mächtigen kitsune no kyuu. Ich … ich konnte nichts für ihn tun.“

Und das bezog sich nicht auf Shinishi, der drei Meter hinter ihm stand. Kagome nickte unter Tränen. „Ich weiß, kleiner Shippou, ich weiß. Komm doch einfach her, Regel hin oder her.“ Sie breitete die Arme aus und der kitsune flog förmlich hinein.

Kenshin warf einen Blick auf seinen Herrn und den Taishou, erkannte dann überrascht, dass seltsamerweise beide Daiyoukai das tolerierten. Glaubten sie, oder eher, wussten sie, dass das wirklich ein Mutter-Kind-Verhältnis war? Auch, wenn beide gleich alt schienen? Jedenfalls war es kaum schicklich, dass ein erwachsener, wenngleich junger, kitsune, in den Armen einer Menschenfrau schluchzte, die zudem mit Inu Yasha und nun mit Sesshoumaru verheiratet war? Aber ihm stand sicher nicht zu dazu etwas zu sagen, wenn das der Gefährte und der Herr der Füchse duldeten.

 

Shippou weinte, weinte all seinen Kummer der letzten Tage und Wochen hinaus, und Kagome drückte ihn so fest an sich, als sei er immer noch das kleine Kind, das sie schützen müsste. Oh, und das wollte sie. Sollte auch nur einer dieser Knallchargen von Youkai mit irgendeinem Gesetz daher kommen….Shippou weinte, sie weinte, sie trauerten um jemanden, den die Anderen kaum gekannt hatten.

Dann spürte sie, wie sich der Junge in ihren Armen plötzlich zurückzog, krümmte. Sie ließ erschrocken los. War etwa ihre läuternde Macht durch dieses Youki-Schauspiel zuvor so erwacht, dass sie dem Kleinen weht tat, denn Shippou zog sich zusammen, wandte sich förmlich vor ihr.

Sie rief seinen Namen, wagte jedoch nicht nach ihm zu fassen.

Das tat Kenshin, zog ihn weg von ihr, ja, hob ihn auf beide Arme, drückte ihn an sich.

Die miko erkannte etwas erschreckt den Herrn der Füchse und ihren Schwager-Ehemann direkt vor sich und starrte fassungslos zu ihnen auf. „Shippou….?“ flüsterte sie. Hatte sie ihn wirklich verletzt? Das hatte sie doch garantiert nicht wollen!

Shinishi ließ sie nicht aus seinem dunklen Blick, als er sagte: „Kenshin, bring Shippou weg, das sollte niemand sehen. Wir reisen ab, sobald er durch ist. - Nun, Kagome-sama, du hast ihn nicht verletzt, aber du warst der Auslöser.“ Da er bemerkte, dass die junge Menschenfrau vor ihm nicht verstand: „Er bekommt seinen zweiten Schwanz. Das geht nicht ohne Schmerzen ab.“

Interessant, dachte Sesshoumaru. Wozu seine Schwägerin alles gut war? Aber er erkundigte sich nur: „Die Gefühle?“

„Vermutlich, Sesshoumaru-sama. Nicht einmal wir kitsune kennen die genauen Auslöser. Gerüchte, es handele sich um reine Macht sind jedenfalls nur zum Teil, wenngleich einem großen, berechtigt. Shippou ist talentiert, aus gutem Haus, und er hätte schon zuvor zwei Schwänze haben sollen. Aus irgendeinem Grund hat es nun erst im Kontakt mit Eurer Gefährtin ausgelöst. Vermutlich eben wegen seiner schwierigen Kindheit. Ich darf mich verabschieden.“

„Gute Reise, Shinishi-sama.“ Der Taishou wartete bis sich die Füchse zurückgezogen hatten, ehe er den Blick zu seiner Ehefrau senkte. So nett es auch war, sie mal sprachlos und ordnungsgemäß zu seinen Füßen knien zu sehen, sie hatte noch etwas anderes zu tun. „Du solltest die Texte lesen,“ erinnerte er.

„Oh ja.“ Sie stand prompt auf. „Und heute Abend, äh, spielen wir …“

„Ich werde dich gegen neunzehn Uhr Menschenzeit rufen lassen.“

Kagome seufzte. Die magische Szene zuvor, jetzt Shippou … irgendwie fühlte sie sich permanent überfordert. So suchte sie nach Hilfe. „Ja, äh, ich meine, wenn du Myouga nicht brauchst, er könnte mir doch bestimmt bei der Übersetzung helfen?“

„Ja.“

So gut kannte sie ihn doch, um zu wissen, dass das zum Einen eine Zusage war, zum Anderen die Verabschiedung. Klar, er war jetzt den Rat anscheinend los und Myouga hatte ja schon erwähnt, dass es da noch eine quasi menschliche Firma gab, um die sich Sesshoumaru jetzt auch noch kümmern wollte. Immerhin schien er ihr genug Vertrauen entgegen zu bringen, dass sie diese dämlichen Gesetze bis zum Abend durch hatte. „Eines noch, Sesshoumaru ….“ Halt, da hinten standen Leute mit feinen Ohren. „Sesshoumaru-sama, vielen Dank für das Stipendium für meinen Bruder. Das erspart ihm doch eine Menge Lauferein und Ärger, dass du das so früh gebilligt hast.“ Sie machte eine durchaus höfliche Verneigung, ehe sie sich umwandte und ging. Jawohl, wie zu erwarten, stand da ihre Hofdame in der Gegend herum. Und die zwei Wachhunde, äh, Krieger von vor ihrer Tür. Irgendwie musste sie es doch mal schaffen dieser permanenten Überwachung zu entkommen.

 

Der Youkai no Taishou warf ihr einen langen Blick nach, ehe er sich umwandte. Er musste sich noch umziehen und dann endlich einmal in die Firma sehen. Kagome konnte sich derweil nützlich machen – ebenso wie Myouga, das war ein guter Einfall ihrerseits gewesen. Immerhin war sie nicht auf die Idee gekommen, dass ER ihr helfen sollte. Das wäre doch ein wenig unangenehm geworden, denn er hätte ablehnen müssen. Nun ja, lesen konnte er, sowohl alte Schrift als auch die moderne, das wäre kein Problem gewesen. Nur wusste er nur zu gut, dass seine Erziehung nie beinhaltet hatte Gesetzestexte zu verstehen. Er war der Herr und machte sie – für die Durchführung gab es Berater, Schreiber, Beamte. Und zwischen Befehl und Gesetze umsetzen bestand ein gravierender Unterschied. Kagome, die, soweit er sich noch an ihre Ehe mit Inu Yasha sich erinnern konnte – und das verblasste förmlich von Stunde zu Stunde immer mehr – hatte doch wohl eine gute Schulausbildung erhalten.

Hoffentlich brachte sie heute Abend bei dieser gespielten Hochzeitsnacht eine gute Neuigkeit mit.

 
 

Donnerstag Nacht Teil 1


 

K

agome atmete in ihrem Zimmer kurz durch, als sie die Säcke mit Tee und Essen sah. Noriko hatte schlicht für einen Youkai eingekauft. Oder einen Hanyou. Inu Yasha ….

Nun gut, erst einmal brauchte sie nichts. Ihre Hofdame, wie albern das klang, wegzuschicken war sinnlos, die würde sich vermutlich eher läutern lassen, so deutlichen Respekt wie die vor dem Herrn Schwager zeigte. Mit gewissem inneren Seufzen ging die junge miko daher ins Bad. Hier zumindest war sie allein und das ausgiebige Duschen konnte sich Sesshoumaru doch sicher leisten.

Unter dem heißen Wasser dämmerte ihr ganz etwas anderes. War das etwa unter Youkai, unter vornehmen Youkai, immer so? Du warst nie allein? War der arme Kerl, und ja, das bezog sie auf ihren Schwager, etwa auch in seiner Kindheit nie allein gewesen, nun ja, nicht etwa bei seinen Eltern, sondern bei Aufpassern? War der etwa darum immer so sachlich, beherrscht? Niemand hatte je sehen dürfen wie es ihm ging? Oder auch nur sollen?

Das klang kaum nach toller Kindheit. Inu Yashas war ja auch etwas sehr speziell gewesen. Hatten sich darum etwa die Halbbrüder irgendwann anfreunden können, weil sie eben die Einzigen waren, die sich noch kannten und verstanden? Und, um es mal von der Seite des großen Bruders zu sehen – irgendwo doch noch ebenbürtig waren? Inu Yasha mochte ein Halbblut sein, aber es war immer noch das Blut des gemeinsamen Vaters und das hob ihn sicher von Jaken oder Myouga oder sonst wem ab. Überdies – wenn sie sich so recht entsann, selbst als Sesshoumaru seine kleine Familienschande umbringen wollte und es auch redlich versuchte: er hatte nie gezögert den mit Namen anzusprechen. Und das war, zumindest vor fünfhundert Jahren, ziemlich wenigen Leuten widerfahren. Jaken und Rin noch, aber da hörte es auch schon auf, soweit sie sich entsinnen konnte. So gesehen war es wirklich eine Neuerung, dass er sie selbst jetzt mit Namen anredete und einige andere Leute auch. Sie musste ihm eindeutig eine Entwicklung zubilligen. Naja, und in ihrer beider Interesse sich jetzt diese Texte vornehmen.

 

Als Kagome wieder in ihr Schlafzimmer kam war sie nicht sonderlich überrascht als sich zwei Personen vor ihr verneigten. Noriko hockte dabei wieder an der Tür. Was für ein Leben, das so vor sich hinzuknien, dachte das Mädchen aus der Moderne unwillkürlich, ehe sie sich der zweiten Person im Raum zuwandte, die sich immerhin schon mal vor ein Textblatt gehockt hatte. „Myouga-jiiji, ich hoffe, du kannst das so lesen.“

„Ja, kann ich, im Prinzip,“ gab der Flohgeist zurück, dessen Schweißperle die Worte Lügen strafte. „Aber dieser Kerl, der das geschrieben hat …“

„Zeig mal.“ Sie ließ sich ihm gegenüber nieder und nahm das Papier auf, zunächst irrtümlich der Meinung der winzige Floh habe mit einem Din A 4 Blatt Probleme. „Ach du je, das …“ Es war schlimmer, als sie gedacht hatte. Das war nicht nur alte Schrift, eigenartige Worte – das war schlicht eine Sauklaue! Sie sprach es aus.

Myouga seufzte. „Ich fürchte, das war ein Vogel. Sie sind nicht sonderlich stabil, wenn sie schreiben. Sie sind zwei Beine gewohnt und Flügel, keine Hand.“

„Und wer kam dann auf die Idee ausgerechnet einen Piepmatz das schreiben zu lassen?“ fauchte sie prompt, da das die Arbeit erhöhte und sie doch gehofft hatte bis 19 Uhr ein Ergebnis zu haben. Ihre Meinung über diese ersten Vier sank jedenfalls stündlich.

„Es gab damals nicht gerade viele Youkai, die schreiben konnten, Kagome.“

„Ja, schon gut. Ich nehme mir jetzt das Heft hier und dann lesen wir mal. Ich schreibe es dann in modernem Japanisch.“

 

Eine halbe Stunde später langweilte sich die Hofdame mehr als sie es auch nur zu denken wagte. Diese Diskussionen zwischen der Gefährtin und dem Floh: könnte das ni oder no heißen? Dann die Abwägung, welches Wort sich aus dem Zusammenhang ergeben könnte … Langweilig. Sie schloss die Augen. Gehen war natürlich unmöglich, sie wollte nicht erleben, was oyakata-sama dazu sagen würde oder auch tun. Aber nichts und niemand hinderte ihre Träume und so stellte sie sich vor, wie sie diese reizenden Öhrchen des leider verstorbenen Inu Yasha kraulte, streichelte, der sie anlächelte, sein großer Bruder dazu kam …

 

Erst ihr Name ließ sie aufschrecken und in die vorwurfsvollen Augen des winzigen Beraters gucken.

„Es hat geklopft!“ Myouga hatte sich schon gezwungen gesehen Kagome durch hektisches Winken davon abzuhalten selbst zur Tür zu gehen und war entsprechend nervös. „Schläfst du?“

Nun, sie hatte geträumt, aber auch das konnte Ärger geben. So schob sie pflichtgemäß die Tür beiseite. Ein Krieger, eindeutig ein kitsune, kniete nieder und reichte ihr einen Brief. Sie stand auf und brachte ihn der Gefährtin, wohlweislich ein regungsloses Gesicht beibehaltend.

„Danke.“ Kagome nahm ihn, geradezu schockiert, dass sie anscheinend nicht mal ihre eigene Zimmertür öffnen durfte. War das von Shippou? Sie öffnete. Ein handgeschriebener Brief und ihr Blick fiel auf die Unterschrift. Shinishi. Der Herr der Füchse. Und der hatte nicht etwa seinen Namensstempel verwendet, der doch eigentlich sogar bei Verträgen galt. sondern selbst unterschrieben? War etwas mit Shippou? Hastig begann sie zu lesen.

„Werte Kagome-sama, ich freue mich Euch benachrichtigen zu dürfen, dass Shippou seinen zweiten Schwanz erhalten hat. Er fühlt sich verständlicherweise noch ein wenig matt, entbietet Euch jedoch seinen Gruß und Dankbarkeit. Ich habe ihm erlaubt Euch zu schreiben, wenn wir zuhause angekommen sind und er sich besser fühlt.“

Sie atmete durch. Das war so schön für den Kleinen. Und, dass er ihr schreiben durfte, wenigstens… Sie las weiter.

„Ich war überaus angetan Euch und Eure Magie persönlich kennen zu lernen und verstehe nun durchaus die Erzählungen Inu Yasha-samas. Ich wäre erfreut, wenn mir Sesshoumaru-sama gestatten würde mit Euch ein längeres Gespräch zu führen. Shinishi.“

Das war sicher ein sehr lobender, ja, ungewöhnlicher Brief eines Daiyoukai an einen Menschen. Kagome ließ etwas irritiert das Anschreiben sinken. Aber, was meinte der Neunschwänzige, der Kerl, der angeblich das höchste Level an Magie in ganz Japan besaß? Oh, da draußen kniete ja immer noch der Fuchskrieger. Wartete der etwa auf Antwort? Da sie keine Ahnung hatte, was sie darauf schreiben sollte, musste sie es wohl besser mündlich tun und suchte hektisch alle Höflichkeitsregeln zusammen, die sie je gelernt hatte. Schließlich wollte sie doch ihre Eltern nicht blamieren. „Ich lasse Shinishi-sama, dem mächtigen Herrn der Füchse, meinen Dank für den überaus freundlichen Brief ausrichten, den er mir zu schicken geruhte.“ War das höflich genug? Sie schielte zu Myouga und der kleine Berater, erfahren in unauffälligen Tipps, nickte. So fuhr sie fort, bemüht, nichts im Hohen Rat oder zwischen Rat und Taishou auszulösen: „Ich wäre ebenfalls über ein Gespräch erfreut, muss Shinishi-sama dazu jedoch, wie er bereits vorschlug, an Sesshoumaru-sama verweisen. Ich danke nochmals für den Brief.“ Uff. Das schien funktioniert zu haben, denn der kitsune verneigte sich nur, stand auf und verschwand. Noriko schob die Tür zu. Und Myouga grinste. „War ich gut?“ erkundigte sie sich daher.

„Fast perfekt. Nur vielleicht noch einmal statt ich „meine Wenigkeit“ einstreuen oder so. Aber sonst, wirklich gut gemacht.“ Der Floh hätte nie zugegeben, wie sehr es ihn überrascht hatte, dass diese temperamentvolle junge Dame doch einmal die Höflichkeitssprache auspacken konnte.

„Ach herrje.“

„Was ist denn?“

„Ich soll doch später … ich meine, Sesshoumaru … Sesshoumaru-sama sagte, er wolle mich rufen. Ich habe doch nur diese miko-Gewänder. Ich brauche einen Yukata.“ Immerhin hatte der Herr Schwager was von einem gesagt. Hätte sie keinen, wären diese Verrückten vermutlich in der Lage sie eher nackt zu ihm laufen zu lassen als im miko-Kostüm. Sie konnte schließlich nicht alle hier im Schloss läutern.

„Das ist wahr.“ Myouga warf erneut einen tadelnden Blick in Richtung der Hundeyoukai. An was dachte die denn überhaupt? „Noriko wird einen besorgen. - Und, während sie weg ist, solltest du dich herrichten.“

„Dann machen wir nicht weiter? Es ist doch erst …“

„Nach fünf. Ja. - Kagome, wie schon erwähnt, du sollst nicht allein mit einem männlichen Wesen sein. Auch nicht mit mir. Ich weiß, ich bin ein Floh, aber selbst, wenn ich dich … ich meine, wenn ich dein Blut trinken würde, wäre das ein erheblicher Eingriff in das Eigentum Sesshoumaru-samas.“

„Du bist ein Flohgeist!“

Da sie vollkommen fassungslos klang, sah Myouga an sich herunter. „Ja, das weißt du doch.“

„Myouga, du trinkst Blut, du lebst von der Magie des Blutes der Daiyoukai länger. Du kannst doch Blutmagie. Was ist mit dem Blutbann?!“

„Oh, ich verstehe. Nein, leider ist das so, dass ich eben ein Floh bin. Wie soll ich das erklären … ich lebe von Blutmagie, aber ich kann sie nicht wirken. Das ist eine der mächtigsten Arten der Zauberkunst. Leider. Sonst hätte ich mir doch schon längst etwas einfallen lassen.“

Das war vermutlich nur zu wahr und so seufzte Kagome enttäuscht. „Na schön, versuchen wir es morgen weiter, ja.“

 

So fand sich Kagome später umgezogen im Bad wieder, gehüllt in einen zugegeben flauschig weichen, weißen Yukata, der immerhin sogar ihre Knie bedeckte. Sie hätte es nicht vermocht sich vor der Hundeyoukai umzuziehen, Frau hin oder her. Jetzt, nachdem sie sich ausgiebig gebürstet hatte, fand sie keine Ausrede mehr weiter im Bad zu bleiben und ging hinüber. Noriko senkte nur den Blick, offenkundig kaum an ihr interessiert. Nun ja, wen wunderte es. Kagome setzte sich auf ihr Lager. Jetzt blieb wohl nur zu warten bis sie gerufen wurde. Ihr Schimpfwort hätte sie nicht aussprechen mögen. Das war das Leben der Frauen? Der Youkaifrauen und früher auch der Menschenfrauen? Oh, du liebe Güte. Sie nahm ihr Handy. Noch dreißig Minuten. Das würde eine Ewigkeit werden. Vielleicht sollte sie sich doch mit der Hundedame unterhalten, damit die Zeit etwas schneller ging.

„Ich bin aufgeregt.“

„Das ist kaum zu überriechen,“ sagte Noriko, mehr ehrlich als taktisch klug. „Dabei dachte ich,“ entkam es ihr dann doch: „Dass Ihr gewohnt seid, wie es ist, Klauen zu spüren.“

Was … „Ja, natürlich weiß ich das.“ Aus irgendeinem Grund bekam Kagome den Eindruck sie sollte hier deutlicher Stellung beziehen. „Und ich weiß auch, wie es ist, wenn man jemanden mit Fangzähnen küsst. Das erste Mal ist nur immer anders.“

„Ja, natürlich, vergebt.“ Die Youkai zwang sich zur Ruhe. Das war knapp gewesen.

„Wärst du etwa nicht aufgeregt, wenn dich mein … Sesshoumaru-sama zu sich rufen lassen würde?“

Der Wunschtraum in Erfüllung…? „Oh, ja, ich wäre begeistert,“ gab Noriko zu. „Aber auch aufgeregt.“

„Begeistert.“ Kagome klang trocken. Nun ja, der Taishou, der Herr der Hunde, der Feldherr aller Youkai. Macht machte attraktiv.

Noriko schien erstaunt. „Ihr seid es nicht? Nun ja, Ihr seid ein Mensch, aber jede Youkai wäre glücklich ihm dienen zu dürfen, auf Knien, auf dem Rücken, wie immer er will….“

Die junge miko spürte, wie sich ungeahnte Hitze in ihre Wangen schlich, als sie begriff was dieses törichte Mädchen gesagt hatte. Wie kam sie jetzt da raus ohne Sesshoumaru in den Augen dieses … dieser Kleinen zu blamieren? „Vielleicht entsinnst du dich, dass Inu Yasha, mein Gefährte, erst verstarb.“ Noch immer konnte sie den Namen kaum aussprechen ohne dass sich der Hals zuschnürte.

„Oh, ja, natürlich.“ Noriko gab zu, dass das ein ziemlich ersichtlicher Grund war nicht begeistert zu sein. Nun ja, fast. „Aber immerhin habt Ihr…. oh, habt Ihr einmal diese Öhrchen berühren dürfen…?“

Das reichte jetzt wirklich, beschloss Kagome bei allem Verständnis. Dieses dumme Ding hatte ihr nicht nur soeben erzählt, dass sie begeistert wäre, mit ihrem Schwager und Ehemann ins Bett zu steigen, sondern auch noch mit Inu Yasha?! Schön, sie selbst war wohl schon Jahrhunderte tot und da konnte sie sich kaum auf Treue berufen, aber er hatte sie zu sich gerufen, als es ihm schlecht ging, als er wusste, dass er sterben musste und … diese… diese….

Noriko erkannte, wie eine sehr starke, läuternde Energie vor ihr aufflammte und sich schwarze Augen mit tanzenden Funken darin auf sie richteten. Erst jetzt begriff sie, dass es sich nicht um lächelnden Tratsch zwischen Freundinnen gehandelt hatte, den jede morgen schon vergessen hatte, sondern wem gegenüber sie da was geäußert hatte. Sie warf sich flach zu Boden.

„Was soll ich mit dir jetzt machen?“ fragte Kagome, ohne zu ahnen, dass es unter Youkai als Strafverschärfung galt, wenn der Schuldige seine Strafe auch noch selbst benennen musste.

Kein Eiswasser, kein Feuer, kein Youki, das ihr den Rücken aufreißen würde, kein….Noriko zuckte zusammen, als sie etwas hörte.

„Es klopft,“ sagte Kagome, die eigentlich froh um diese Unterbrechung war, hätte sie doch keine Ahnung gehabt, was sie mit dieser … anstellen sollte. Sie konnte ja auch niemanden fragen. Sesshoumarus Lösung konnte sie sich vorstellen – Kopf ab. Aber das war ja noch ein halbes Kind, und irgendwie unerfahren.

Noriko robbte mehr oder weniger zitternd zur Tür, ehe sie es wagte sich hinzuknien und diese beiseite zu schieben. Wen sie davor sah, ließ sie allerdings gleich wieder flacher werden.

Die junge miko erkannte zwei Frauen draußen und stand auf, ging zur Tür. Immerhin schien der Herr Schwager mitzudenken. Oder auch nicht. Ihr Gesicht entgleiste, als sie eine der beiden Ratsmitglieder erkannte. „Toran.“

Die Pantherkönigin lächelte flüchtig. „Kagome. Du erinnerst dich an mich.“

„Ich erinnere mich immer an Leute, die mich oder meine Freunde umbringen wollen.“

„Lang her. Und wir sind doch als Freunde geschieden.“

Nun ja. Immerhin hatten die Panther dann in der Schuld Sesshoumarus und auch Inu Yashas gestanden. Sie sollte besser nichts mehr dazu sagen und so wandte sie sich an die andere Dame. „Hikari-sama.“

„Ich bin erfreut, dass Ihr Euch unsere Namen so rasch merktet,“ erwiderte die Katzenyoukai prompt, durchaus allerdings mehr erfreut, dass ihr das ehrende Anhängsel im Gegensatz zu der großen Verwandten zugebilligt wurde. „Wir zwei haben uns bereit erklärt Euch den Weg zu begleiten.“

„Äh, das sind keine zweihundert Meter.“ Wenn sie das richtig verstanden hatte, lag doch Sesshoumarus Schlafzimmer dort links, gleich neben seinem privaten Arbeitszimmer?

„Niemand zweifelt an Eurem Mut,“ sagte Toran, bemüht wieder sachlich zu werden. „Doch der Weg zum Henker erscheint manchmal lang, hörte ich.“ Und der Fluchtimpuls eines Menschen mochte hoch steigen.

Sekunde. Die zwei weiblichen Ratsmitglieder hatten sich bereit erklärt sie zu begleiten, weil sie eine Ahnung davon hatten wie man sich fühlen mochte, wenn man so hin befohlen wurde? Von dem Versprechen wussten sie ja nichts. Das war ja richtig unerwartet – mitfühlend? „Vielen Dank.“ Was hätte sie sonst schon sagen sollen. „Dann gehen wir.“

 

Die dichte Wolkendecke hatte aufgerissen und zwischen den einzelnen dunklen Knäulen konnte man nun den Schein der gut gefüllten Mondsichel wenige Tage vor Halbmonde erkennen. Aber das war nicht das Problem des alten Baumgeistes. Er warf zwar einen besorgten Blick zum Himmel, das lag jedoch an der Veränderung in der Magie seines Waldes. Jemand kam. Jemand, den er lieber nicht hier wüsste. Und, da gab es kaum Zweifel, was den Besucher angelockt hatte. Das sah nach Ärger aus. Er blickte geradeaus, wo sich Büsche wie Bäume zur Seite neigten. Er konnte den matten Schein des Mondlichts auf dem seidenen, grünen, Kimono widerspiegeln sehen, als der schwarzhaarige Besucher auf die Lichtung trat.

„Kami-sama,“ grüßte der Baumgeist höflich den Gott.

„Bokuseno. Ich hoffe für dich du hast eine gute Erklärung.“

Nur nicht gleich aus der Deckung wagen, das hatte ihm damals der verstorbene Inu no Taishou stets gesagt. „Ihr meint die Suche nach Inu Yasha?“

„Ich meine die Beschwörung eines toten Baumgeistes, um ihn aufzufordern nach der Seele eines Hanyou zu suchen. Was wolltest du denn bitte mit der?“

Tja, am besten war es wohl bei der Wahrheit zu bleiben. Mit Seelen zu hantieren war nur sehr mächtigen Wesen möglich und gestattet. Tenseiga war buchstäblich ein Sonderfall in jeder Beziehung. „Nun, ich nahm selbstverständlich an, dass Inu Yasha nach seinem Ableben im Jenseits wäre. Ich wollte, dass mein alter Freund ihn bittet, im Interesse seiner Gefährtin, seines Bruders und der Welt, zu den ersten vier Youkaifürsten zu gehen und zu erfahren, wie man deren Blutbann lösen kann.“

„Blutbann.“

Der Magnolienbaum erklärte kurz und schloss: „Das mit der Zeitschleife ist natürlich ein Problem, wie Ihr wisst. Und, wo ist jetzt Inu Yasha?“ Seiner Meinung nach hatte da jemand in der anderen Welt geschlampt und wollte das nun einem armen, alten Baumgeist aufhalsen.

„Wenn wir das wüssten, wären alle froh. Denn, nachdem sich aufgrund deines alten Freundes herausstellte, dass die Seele im Jenseits fehlt, wurde natürlich zuerst angenommen, dass der Hanyou in die menschliche Unterwelt gelangte. Aber auch das ist nicht der Fall. Und, zu allem Überfluss – es ist nicht die einzige Seele, die fehlt. Zumindest zwei Daiyoukai sind ebenfalls abgängig. Und vor allem einer ist ein wirkliches Problem. Sagt dir der Name Iwatakko etwas?“

Oh, das klang nach Ärger im Jenseits, den offenbar leider er angestoßen hatte. Die Sache mit dem Boten und der Botschaft. Aber, wo war Inu Yasha? „Nein, leider.“

„Er lebte auch vor deiner Zeit, ja. Ein Daiyoukai, der ziemlichen Ärger verursachte. Er lebte auf der damaligen Halbinsel von Niishima, heute wäre das wohl im Bereich von Akita, aber die Landschaft hat sich sehr verändert. Ich wurde nun beauftragt mir diese Gegend anzusehen, denn dort entstand in den letzten Jahren ein Bannkreis, genauer, seit fast sechs Wochen Wochen ein sehr mächtiger Bannkreis, den niemand zu durchbrechen vermag. Blutmagie. Iwatakkos Spezialgebiet. Und seine alte Heimat.“

„Deswegen auch Euer Interesse. Oder, wusstet Ihr bereits von der Zeitschleife?“

Der Besucher machte eine wegwerfende Handbewegung. „Blutbann der Youkai, Zeitschleife, das ist doch alles kein Thema. Das Problem sind abgängige Seelen, ein sich stetig verstärkender Bannkreis, durch den niemand mehr hindurch gelangt, gleich ob Tier oder Gott, nicht einmal die Strahlen der Sonne.“

Bokuseno atmete tief durch, ehe er behutsam meinte: „Ich fürchte, Ihr habt mich falsch verstanden, natürlich, ich mich falsch ausgedrückt. Kagome ist ein Mensch, mit einem menschlichen Körper. Wenn sie stirbt, ist das durchaus ein Problem für alle.“

Der Besucher schien überrascht. „Bokuseno. Du hast es wirklich nicht begriffen?“

Blätter raschelten. „Wenn Ihr mich so fragt …“

„Diese Zeitschleife existiert nur durch den Blutbann.“

„Ja, eben und ….“

„Der Blutbann muss gelöst werden. Fertig.“

Soweit war er ja auch schon. Aber womöglich bekam er hier unerwartet eine wirklich guten Ratschlag. „Ja, aber wie?“

Der Besucher seufzte fast, nahm sich jedoch zusammen. „Der Blutbann der Vier beinhaltet drei Punkte um ausgelöst zu werden. Erstens, eine Witwe, die zweitens, kinderlos sein muss und drittens einen Bruder, der sie heiraten kann.“

„Ja, aber an dem Kind lässt sich ja nun nichts mehr ändern, Kagome darf nicht sterben, weil sonst die Zeit endet ...“

„Also. Sesshoumaru muss ehrenhaften, rituellen Selbstmord begehen, der Blutbann ist gelöst und die Zeitschleife endet, da Kagome ins Mittelalter kann. Richte ihm das aus.“

Auf diese Idee konnte auch nur ein Gott kommen.
 

Donnerstag Nacht Teil 2


 

K

agome fühlte sich tatsächlich ein wenig beschützt mit den beiden weiblichen Daiyoukai knapp hinter sich. Irgendwie gefiel es ihr sowieso nicht, so in das Schlafzimmer eines Mannes zitiert zu werden, noch dazu ihres Ehemannes, und das auch noch nur bekleidet mit einem schlichten Yutaka, barfuß. Sie kam sich so verdammt hilflos vor und das war etwas, was sie absolut nicht leiden konnte. Schön, Sesshoumaru hatte ihr versprochen sie nicht anzurühren, aber … Ja, aber.

Moment mal, was war denn das? Mit gewisser Verwunderung erkannte sie vor sich eine beiseite geschobene Tür, ein kleiner Vorraum, dann die nächste Tür, ebenfalls geöffnet, dann noch eine. Wenn sie sich recht entsann war sie doch in Inu Yashas Schlafzimmer gelangt ohne Vorraum. Inu Yasha. Sie musste wieder schlucken. Das war eine Lage in die sie nie hätte kommen mögen. Noch eine Tür, diese geschlossen.

Nein, die wurde beiseite geschoben und ihr Schwager erschien.

Sie blieb instinktiv stehen. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Er trug keine Schuhe, nur eine weiße hakama, und sein Oberkörper wurde kaum von dem offensichtlich nur übergeworfenen haori bedeckt. Keine Unterkleidung, die Brust entblößt, nur die unvermeidliche Boa über der Schulter. Nein, so nachlässig gekleidet hatte sie ihn definitiv noch nie gesehen.

Er sah zu ihr. „Kagome.“

Das war wohl die Aufforderung an ihm vorbei in sein Schlafzimmer zu gehen. Sie schluckte, gehorchte dann, irgendwie doch froh sich hinter ihn zu bringen, hinter ihm verstecken zu können.

„Ihr könnt gehen. Und schließt alle Türen.“ Das galt wohl den Damen des Rates.

Plötzlich begriff sie. Wenn diese Türen alle geschlossen waren, würde niemand hören können, was sich im Schlafzimmer des Taishou abspielte. Das hier war sein eigener, privatester, Raum. Sie drehte sich um.

Er sah noch immer zur, nun geschlossenen, Tür. „Zieh den Yukata aus und leg dich hin.“

 

WAS?

In jäher Panik sah sie sich um, eher nach einer Fluchtmöglichkeit als nach einem Bett Ausschau haltend. Es war letzteres, was sie fand. An einer Wand lag eine Tatamimatte, darauf zwei Kissen, mehrere Decken und sie war sicher, dass das normalerweise nicht zur äußerst kargen Einrichtung gehörte. Das war nur für sie da – und würde morgen weggeräumt werden. Ja. Und derjenige, der wegräumte, hatte gewiss eine feine Nase. Das Bett musste nach ihr riechen.

Zögernd sah sie wieder zu ihrem Schwager, aber der stand noch immer mit dem Rücken zu ihr. Na schön. Er gab sich Mühe diese unsägliche Situation irgendwie erträglich zu machen, da sollte sie auch nicht feig sein. Mit allerdings fast steifen Fingern löste sie den Knoten des Gürtels, ließ den Baumwollstoff zu Boden gleiten und raste förmlich zu dem Lager, ließ sich fallen, bereits die Decke bis zum Kinn hochziehend.

„Ich ... ich liege …“ Ja, vollkommen unbekleidet im Bett eines Mannes, der nicht Inu Yasha hieß. Sie spürte das Brennen in den Augen.

Tatsächlich drehte er sich da erst um und betrachtete sie kurz. „Neuigkeiten?“

Sie war erleichtert, dass er sich nur um das Hauptproblem kümmern wollte. „Noch nicht. Es ist eine miese Handschrift und Myouga und ich müssen manchmal raten. Wie kann man nur auf so etwas ein Gesetz aufbauen? Man kann so manche Wörter völlig unterschiedlich interpretieren.“ Sie sah am leichten Zusammenziehen der Augen, dass das vermutlich schon wieder ein unerwünschter Kommentar gewesen war. War der Kerl schwierig. Sie gab sich wirklich solche Mühe und der … Nun ja. Er wohl auch. Aber sie waren komplett unterschiedliche Kulturen, komplett unterschiedliche Persönlichkeiten. Sie sah doch etwas entspannter zu ihm – und erhielt einen Aha-Effekt.

Sie hatte ihn kennengelernt als er hinter Tessaiga her war, versuchte seinen Halbbruder dafür zu töten, und sie nebenbei gleich mit – da hatte sie ihn als Gegner gesehen, selbst später, als sie in Kämpfen gegen Naraku und Co oft auf der gleichen Seite gestanden hatten, hatte sie in ihm immer als den vornehmen, kaltblütigen Killer betrachtet. Jetzt, hier, mit dem offenen haori, ohne Schuhe, fast nachlässig bekleidet, sah sie ihn zum ersten Mal mit den Augen der Frauen wie Noriko, die in ihm den Stärksten ihrer Art sahen, gut aussehend, durchtrainiert, mächtig, jung, reich …. Nun ja, dachte Kagome in gewisser Selbsterkenntnis. Es gab vermutlich kaum eine Frau, sei es Youkai oder Mensch, die ihn von der Bettkante schubsen würde. Sie selbst ausgenommen. Aber ihr entkam nur ein Flüstern. „Und nun?“

„Sucht morgen weiter.“

Das war eine Antwort, wenn auch nicht auf das, was sie eigentlich gemeint hatte. Und woher hatte er plötzlich den Gürtel? Er zog den haori um die Brust, gürtete sich, ehe er sich wortlos abwandte und in den hinteren Teil des Raums zu einem Schreibpult ging, sich dort niederließ,

Schön. Er wollte wohl arbeiten. Und sie konnte schlafen oder wachen, genau, wie er es gesagt hatte. Kagome drehte sich lieber mit dem Gesicht zur Wand, damit der Herr Taishou nicht noch das Gefühl bekam sie sei hinter ihm her, würde ihn bespannen wollen. Sie erkundigte sich nur: „Die zwei Damen sind weg? Ich meine, wegen Geräuschen oder so?“

Sie dachte immerhin mit. „Bannkreis.“ Als ob er zulassen würde, dass jemand hören könnte, was hier passierte. Falls jemand impertinent genug wäre nach einer fehlenden Youki-Explosion zu fragen – und er keine Möglichkeit für einen Mord fand – würde der Hinweis darauf, dass es sich um einen Menschen handele, doch genügen. Schließlich sollte die Frau ja nicht durch die Energie eines Daiyoukai sterben.

Kagome holte tief Atem, ehe sie sich in die Decken kuschelte. Nein, sie war hier sicher, das war vermutlich der sicherste Raum in ganz Japan. Die einzige Gefahr, die ihr hier drohte, saß dahinten und schrieb, denn sie hörte das leise Kratzen der Feder. Und der hatte ihr sein Wort gegeben.

Irgendwo in diesem vollkommenen Durcheinander hatte sie Sicherheit gefunden. Sie entspannte sich.

 

Sesshoumaru hörte, wie sich ihr Herzschlag beruhigte, ihr Atem ruhig wurde. Gut. Sie schlief und er konnte arbeiten. Das war das Beste, was man aus dieser Nacht machen konnte.

 

Irgendwann wurde Kagome wach und benötigte einen Moment um sich zu orientieren. Wo war sie? Leichtes, rötliches Glühen war zu sehen, eine Wand aus Holz und Papier vor sich. Oh. Sesshoumaru. Was nur hatte sie gerade gedacht? Sie drehte sich etwas verschlafen um. Ihr Schwager saß noch immer an seinem Schreibpult und widmete ihr keinerlei Aufmerksamkeit. Die Röte im Zimmer stammte von einem Kohlepfannenbecken, das er wohl irgendwie irgendwann angezündet hatte. Und das bläuliche Licht vor ihm zeigte, dass er von Papier und Gänsefeder Abstand genommen hatte und sich einem tablet widmete. Gänsefeder, tablet und ein Daiyoukai. Das fasste den gesamten Irrsinn der letzten Tage so gut zusammen…

Sie setzte sich auf und lehnte sich gegen die Wand, doch die Decke sorgfältig unter die Achseln klemmend. Was war das nur gewesen, was sie da kurz vor dem Aufwachen gedacht hatte? Ja, doch. „Sesshoumaru?“ Natürlich warf er ihr keinen Blick zu. Immerhin dauerte es nur dreißig Sekunden, die sie mit zusammengebissenen Zähnen zählte, ehe er die Klaue beiseite legte und geruhte den Kopf zu heben. „Ich habe mir überlegt, dass wir die Sache mit dem Blutbann vielleicht von der falschen Seite aus angehen.“ Ha. JETZT hatte sie seine volle Aufmerksamkeit, denn der intensive Blick der bernsteinfarbenen Augen lastete auf ihr. Es mochte eine Menge Leute geben, die das besorgniserregend fanden, sie war zufrieden. „Der Blutbann wird doch gelöst, im Endeffekt, dass wir, also die Witwe und der Bruder,“ korrigierte sie sich eilig: „Ein Kind bekommen. Ich habe das so verstanden, dass ein Blutbann immer nur durch eine bestimmte Lösung … naja, eben gelöst werden kann. Aber, ich glaube, dass eben dieser spezielle Bann mit uns beiden nie beendet werden KANN. Er hätte nie passieren dürfen.“ Ah, sie durfte weiter reden. „Die Sache ist doch die, ich meine, wir beide wissen, dass euer Vater ein sehr starker Daiyoukai war. Und deswegen auch Sorge hatte, dass sein Kind mit einer Menschenfrau … nun ja, wahnsinnig wird. Deswegen ja auch Tessaiga. Und wir beide wissen nur zu gut, dass das bei dem armen Inu Yasha nicht immer half, zunächst, zumindest. Du bist doch jetzt, wenn ich das so sehe, deutlich stärker als euer Vater, als er Inu Yasha zeugte.“ Schön. Sie redete gerade mit ihrem Schwager über die Zeugung ihres Gefährten? Oh, du liebe Güte. Aber immerhin – noch hörte Sesshoumaru durchaus interessiert zu. Vielleicht lag sie richtig? „Also bräuchte man schon mindestens Tessaiga für das Kind, eher noch etwas stärkeres. Und, dazu kommt, dass ich eben, nun ja, keine normale Menschenfrau bin. Ich kann läutern. Auch, wenn dein Kind nur die Hälfte deines Youki bekommen sollte – ich würde es läutern, das lässt sich doch gar nicht verhindern. Wir können zusammen kein Kind bekommen, damit kann der Blutbann nie gelöst werden – und eigentlich damit doch auch gar nicht existieren. Der soll doch nur Leute zu etwas zwingen.“

 

Sesshoumaru betrachtete sie. Sie war nicht die erste Frau, die mit zerzausten Haaren dort saß – aber die erste, die einen praktikablen Vorschlag brachte. Und, die er nicht angerührt hatte. Eigentlich klang das logisch. Selbst die stärkste Magie hatte ihre Schwächen – und ein Blutbann konnte immer nur durch eine, zumeist einzige, Bedingung gelöst werden. Wenn diese Bedingung aber eben unmöglich war … Hm. Der Einzige, der sich wirklich perfekt mit Blutmagie auskannte, war Tomi, der Herr der Tanuki. Gut, der hatte schon gewisse Schadenfreude erkennen lassen, dass er, Sesshoumaru, mit einem Menschenweib verheiratet war, aber das bedeutete nicht, dass der Daiyoukai jede Logik vermissen ließ. Der könnte diese Frage beantworten. Zum Glück war der aller Wahrscheinlichkeit nach in Tokio, wo die Marderhunde diverse Spiellokale unterhielten. Da sie ihn noch immer so ansah: „Ich werde mich darum kümmern.“ Wie sie aufatmete. Ja, seine Schwägerin war von dieser Ehe mindestens ebenso genervt wie er selbst. Und, was Inu Yasha dazu sagen würde, wollte er lieber gar nicht wissen, wenn er sich vorstellte wie er selbst andersherum reagiert hätte. „Du kannst gehen.“ Was hatte sie denn jetzt? War sie nicht froh gehen zu können? Dann erst begriff er und senkte den Blick wieder auf den Bildschirm vor sich. Natürlich. Menschen. Ihr Yukata lag fast drei Meter von ihr entfernt. Selbst Rin hatte sich manchmal geziert, zumindest, als sie älter geworden war. Eigenwillig. Menschen kamen doch auch nackt zur Welt, was sollte das?

 

Kagome stand auf, unwillkürlich noch immer einen Blick seitwärts werfend. Aber das war Unsinn. Er war absolut uninteressiert an ihr, ihrem Körper. Sie sollte nicht davon ausgehen, dass alle Daiyoukai, wie der gemeinsame Vater der Halbbrüder, an einer menschlichen Frau etwas fanden. Vermutlich betrachtete ihr Schwager sie eher so wie sie Bujo, ihren Kater. Nett, aber sicher nicht gleich berechtigt. Sie schlüpfte hastig in den Yukata und band ihn zu. Tja, schlaf gut zu sagen wäre auch dämlich.

Es gab nichts mehr zu sagen, beschloss sie dann, er hatte gemeint er würde sich darum kümmern und er stand zu seinem Wort. Fertig. Einfach so gehen wollte sie jedoch auch nicht. So neigte sie schweigend den Kopf und schob die Schlafzimmertür beiseite.

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Er hörte die Schritte, das Schieben der anderen Türen. Und sie hatte vergessen seine Schlafzimmertür wieder zu schließen. Alles musste er selbst machen. Er stand auf – und erstarrte. Sie hatte seine Räume nicht verlassen, war kurz halten geblieben und wich nun langsam, mit großen Schritten zurück. Etwas oder jemand hatte sie erschreckt. Was war denn hier, im privaten Trakt …

Mit zwei Sprüngen stand er hinter ihr.

Kagome spürte nur zu deutlich sein Youki und wandte erleichtert den Kopf, deutete hinaus. „Niemand da….“ flüsterte sie.

Er stutzte. Das hier war der private Trakt, natürlich sollte hier niemand sein. Dann jedoch begriff er. Sie hatte gesehen, dass keine Krieger vor ihrem Zimmer waren, und war unverzüglich alarmiert gewesen. Genug jedenfalls um jetzt auch nur zu flüstern. Woher hatte sie denn diese Ausbildung und Selbstbeherrschung? Oder hatte er sie bislang unterschätzt? Und, wo waren die Krieger? Er machte eine kurze Kopfbewegung und war tatsächlich angetan, dass sie sich unverzüglich wieder in den Flur begab, langsam zu ihrem Zimmer ging. Was war hier los? Er bog um die Ecke und blieb erneut stehen. Sie würde einen möglichen Attentäter sicher hervorlocken.

 

Kagome atmete tief ein und aus um sich zu beruhigen. Sie hatte bemerkt, dass die beiden Krieger nicht mehr da waren – und nahm jetzt auch wahr, dass es keinerlei Youki in ihrem Zimmer gab. Noriko war ebenfalls weg. Allerdings konnte sie nur zu gut die Aura ihres Schwagers hinter sich fühlen. Es war seltsam beruhigend Sesshoumaru im Kreuz zu haben. Irgendwie so, wie sie es noch nie erlebt hatte.

Sie öffnete die Tür zu dem ihr zugewiesenen Zimmer. Niemand da. Nur der Taishou war rasch hinter ihr, warf einen Blick in den Raum. Sie drehte sich um und sah ihn erstaunt an. „Niemand da,“ wiederholte sie.

„Geh schlafen.“ Ja, niemand da, dachte er, als sie die Tür sichtlich irritiert zuschob. Sowohl diese Noriko als auch die Krieger waren offenkundig davon ausgegangen, dass Kagome erst im Morgengrauen zurück kehrte. So schmeichelhaft das auch für seine Männlichkeit sein mochte – das war eine eindeutige Befehlsverweigerung. Und das würde Folgen haben. Er drehte sich um. Fast gegenüber lag Inu Yashas Schlafzimmer, daneben dessen privates Arbeitszimmer.

Moment mal.

Sicher, auch zu diesem Zeitpunkt hatten Wachen, wie jetzt zusätzlich vor Kagomes Raum, vor dem Trakt gestanden, aber er war sich plötzlich nicht mehr sicher ob sie immer da waren, auch, wenn er gerade nicht anwesend war. Nach dem ersten schweren Krankheitsanfall hatte sein kleiner Bruder von hier aus gearbeitet. Und der war immer schwächer geworden, selbst, wenn Yukio ihm vorübergehend hatte helfen können. Oder waren es etwa mehrere Attentate gewesen? Hatte es jemand vermocht hier einzudringen? Keine Krankheit, sondern Gift? Hatte es jemand gewagt seinen Bruder unter seinem Dach zu vergiften?

Ruhig bleiben, ermahnte er sich. Der erste Anfall, den konnte was auch immer ausgelöst haben. Aber ja, wenn er so nachdachte: immer, wenn es so schien als würde Yukio ein Mittel gefunden haben, war es Inu Yasha wieder schlechter gegangen. Und der Heiler hatte ja auch gesagt, dass er keine derartige Krankheit je gesehen hatte.

Gift? Aber, wie sollte jemand hier herein gekommen sein, noch dazu in Inu Yashas Zimmer? Die Antwort lag auf der Hand. Nach dem ersten Anfall hatte der Hanyou von hier aus gearbeitet, auch hier Besucher, zumindest Youkai, empfangen. Die Frauenräume standen vollkommen leer. Es sollte kein Problem sein unter einem Vorwand sich in die Besucherliste eintragen zu lassen, bei Inu Yasha vorzusprechen, und dann sich zu verstecken. Er wagte zu bezweifeln, dass die Krieger alle Räume jeden Tag durchsuchten. Was er sich, und Inu Yasha, für ihre Schlafzimmer sicher auch verbeten hätten.

Gift.

Es schien zumindest nicht unmöglich und er müsste noch heute morgen Yukio anrufen. Der war Heiler und Arzt, wirklich der Beste seiner Zunft – nur, er hatte nach einer Krankheit gesucht, nicht nach Gift. Und man konnte nur finden wonach man suchte.

Er presste die Fangzähne zusammen. Wenn das stimmte, würde sich der Schuldige wünschen, dass er ihm endlich den Kopf abschlug.

Nur, warum? Warum Inu Yasha?

Wut gegen einen Hanyou? Möglich, aber eher unwahrscheinlich. Es war seit Jahrhunderten so und Youkai neigten nicht zu langwährenden Plänen dieser Art. Konnte es um den Posten des Taishou gehen? Inu Yasha war der Erbe, der Thronfolger, und Sesshoumaru hatte nie die Lektion vergessen, die ihm einst sein verehrter Vater mitgeteilt hatte, als er noch ein Welpe war und sich beschwerte, warum er nie allein das Schloss verlassen durfte. Der Thronfolger war das leichtere Ziel. Oft jünger, argloser, schwächer – und es würde den eigentlichen Fürsten persönlich und in seiner Macht treffen. Nur, wer?

Kouga war auszuschließen, ebenso wie Toran. Beide verband eine Art Freundschaft mit Inu Yasha oder auch nur Dankbarkeit. Yukio war Heiler, seit fast Jahrtausenden, immer auch für Menschen tätig. Er heilte, tötete nicht. Unwahrscheinlich. Shinishi, der Herr der Füchse, hatte schon bei den Vertragsverhandlungen deutlich gemacht, dass er nicht an militärischen Titeln interessiert war. Nezumiuro? Der alte Pfeifhase war nicht einmal zu Inu Yashas Bestattung gekommen – Schuldgefühl oder Schwäche? Hikari, die Katzenkönigin, wusste, dass sie nicht Taishou werden konnte. Sie war eine Frau und überdies würde ihr Toran immer im Weg stehen. Sie wäre nur verdächtig, wenn sie mit ihm selbst verheiratet wäre und einen gemeinsamen Sohn hätte, was schon rein anatomisch unmöglich war. Hayasa? Abgesehen davon, dass er den Herrn der Falken liebend gern rupfen wollte – der Kerl war dumm. War ein solcher Anschlag dumm? Eher nicht. Und schließlich noch Tomi, der Tanuki. Marderhunde besaßen durchaus beachtliche Fähigkeiten in der Magie, wussten sich in Luft aufzulösen. Auch, hier einzuschleichen? Wer auch immer den Auftrag gegeben und bewiesen hatte nicht ganz unfähige Mitarbeiter finden zu können – das war ein Daiyoukai gewesen. Und von dieser Art gab es eben nur neun in ganz Japan. Oder, irrte er sich genau in diesem Punkt?

 

Es gab sicher bessere Augenblicke im Leben eines Hundekriegers als nach einer amüsanten Würfelrunde zurück zu seinem Posten zu kommen und den eigenen Kriegsherrn vor sich zu sehen, der soeben seine Klaue so sehr entspannen musste, dass grüne Säure sich aus den Fingern löste und zischend auf dem, durch deutlich gezeigtes Youki, mittlerweile mit Raureif bedeckten Bretterboden in das Holz fraß.

Natürlich war ihnen die Energie bereits auf den Treppen aufgefallen, aber sie hatten es fälschlicherweise darauf geschoben, dass sich der Herr eben mit seiner neuen Gefährtin amüsierte. Jetzt warfen sie sich nur mehr flach auf den Boden, die Hände vor sich ausgestreckt, die Finger gespreizt, die demütigste Haltung, die sie in Menschenform kannten.

Den Posten zu verlassen galt in jedem Heer der Welt nicht nur als verwerflich, sondern als Meuterei. Im Kriegsfall stand darauf die Todesstrafe, aber das war natürlich dem Taishou überlassen wie er solche Pflichtvergessenheit im Frieden ahndete.

 

Sesshoumaru verspürte gute Lust mit zwei Köpfen Ball zu spielen, aber er sagte nur: „Zu Uyada.“ Dem Leiter der Wachen hier im Schloss, mit dem er wohl auch einmal ein ernstes Wort reden musste. „Meinen Drachen fertig. Und ihr beide bittet ihn um vier Tage aufhängen, Kopf nach unten.“

Das war nicht gut, aber besser als der Tod, und so zogen sich die Krieger buchstäblich auf dem Boden windend, wieder aus dem Trakt zurück.

Kagome, die hinter der Tür durchaus mitbekommen hatte, wie sehr die Energie ihres Schwagers gestiegen war und jetzt auch die Strafe gehört hatte, schob die Pforte auf. Eigentlich wollte sie die Männer verteidigen, sah dann allerdings den schneeweißen Boden und die noch immer aus der Hand des Daiyoukai tropfenden Säure. Nun, er HATTE sich zurück gehalten. „Was hast du vor?“ fragte sie dann doch lieber nur. „Eine Idee?“ War die ihre etwa hilfreich gewesen?

„Zieh dich an. Wir fliegen zu Bokuseno.“

Oh. Immerhin ein gut gemeinter Rat sich erst anzuziehen. Man näherte sich doch nicht etwa einem gewissen vertrauten Verhältnis?

 
 

Aufbruch


 

A

ls Kagome im miko-Gewand wenige Minuten später in den Flur trat, stellte sie überrascht fest, dass sie allein war. Da sie aus gutem Grund dann nach links blickte, erkannte sie jedoch, dass ihr Schwager sich ebenfalls umgezogen hatte und soeben aus seinem Schlafzimmer kam. Er sah so normal aus, nun ja, für sie. Er war wieder nicht nur ordnungsgemäß gekleidet, sondern trug auch Rüstung und beide Schwerter im Gürtel. Wieso auch immer. Als sie in seinem Zimmer gewesen war, war da nichts von Bewaffnung oder auch nur Truhen zu sehen gewesen.

Allerdings hätte sie keinen zweiten Schauder über den Rücken laufen spüren müssen, um zu erkennen, dass da in seinem Gemüt Sturmwarnung herrschte. Eher Erdbebenwarnung. War er wirklich dermaßen sauer auf die armen Hunde, die zugegeben ihren Posten verlassen hatten? Aber eine ganze Nacht vor einem leeren Zimmer zu stehen erschien ihr doch recht sinnlos. Gut, es war deren Aufgabe gewesen, aber ….

Aber sie sollte lieber nichts sagen, erkannte sie weise, als er näher schritt. Ja, der Kerl schritt! Wusste sie denn, wieso bei dem jede Bewegung einfach elegant aussah? Selbst, wenn er offenbar Mordgedanken hegte? Und sie eigentlich plötzlich nur zu hoffen wagte, dass sich das nicht gegen sie richten sollte? War ihr zuvor Youki nicht nur kalt erschienen - der Raureif vor ihrem Zimmer bot genug Beweis dafür, das dem so war - so strahlte der liebe Schwager momentan geradezu Hitze aus. Eigentlich müsste es in seinem Körper förmlich lodern. Auch die Augen waren dunkel geworden, kurz davor in das Rot der wahren Gestalt zu wechseln. Wieso nur war der so sauer? Immerhin zähmte er sich noch, durch reinen Willen, da war sie sicher. In Hundeform, in der, wie Jaken es erklärt hatte, die Instinkte mehr die Oberhand gewannen, wäre er vermutlich schon Amok gelaufen.

 

Sesshoumaru hätte es ihr erklären können. Als sie in ihrem Zimmer verschwunden war, war auch er prompt umgedreht. In diesen Zeiten verließ er das Schloss besser nicht ohne Ausrüstung.

Während er sich selbst ankleidete – Vaters Rat war ihm da Vorbild, nie eine andere Person an Klinge oder Rüstung kommen zu lassen, weswegen beides auch gut verborgen hinter Bannkreisen lag, – hatte er noch einmal nachgedacht.

Zwei nachlässige Wachen, heute, vor Kagomes Zimmer. Vor sechs Wochen war Inu Yasha möglicherweise vergiftet worden, danach immer wieder. Immer nur zufällig irgendwelche nachlässigen Wachen? Oder immer dieselben? Er hatte geglaubt sich auf die Krieger verlassen zu können, die teilweise noch unter Vater ausgebildet worden waren, auch unter ihm. Und er hätte geschworen, dass kein Hundeyoukai aus dieser Truppe ....

Und das mochte es sein. Wenn er sich richtig entsann, konnte er sich nicht an diese Kerle erinnern. Das konnte nur heißen, dass sie nicht in seiner Garde waren, denn da übte er, wenn er Lust hatte, mit allen. Allerdings schickten immer wieder Vasallen, Hundeyoukai, die sich eine gewisse Gefolgschaft gesichert hatten seitdem unter allen Youkai Frieden herrschte, Leute zur Ausbildung her. Bei denen geschah zu wenig und es fehlte die jahrhundertelange Erfahrung der Trainer.

Nachlässige Krieger - oder Anweisung durch ihren Herrn, dem sie direkt verpflichtet waren, mehr als ihm?

Zu wem gehörten die Zwei? Und, welches Interesse konnte der daran haben Inu Yasha zu töten?

Nun, das hatte er zuvor bereits geklärt, Tod des Thronfolgers. Das nächste Ziel wäre er, aber Kagome als seine Gefährtin mit möglichem Kind war auch einfacher auszuschalten als er selbst.

Was war mit Noriko?

Hing sie mit drin? Ihr Vater? Es wäre durchaus möglich, dass der seine Tochter mit gewissen Befehlen ausgestattet bereits her gesandt hatte. Das würde auch deren mehr als ungeschickte Vorgehensweise erklären.

Warum nicht. Hiroshi war der Mächtigste unter den Hundeyoukai nach ihm, dazu Norikos Vater. Und sehr ehrgeizig. Schwiegervater des Taishou zu werden, Großvater des nächsten – das mochte reizen. Den Titel selbst zu erlangen noch mehr. Dass er an so etwas zuvor nie gedacht hatte … Nun, Kampf lag ihm eben mehr und hatte es auch Inu Yasha gelegen.

Folgerung.

Falls die Krieger ebenfalls zu Hiroshi gehörten, sollte der sich schon einmal eine mehr als gute Erklärung einfallen lassen. Wenn nicht – zwei Verschwörungen unter seinem Dach auf einmal erschienen ihm eigentlich etwas viel. Oder drei, denn da war ja auch noch die Geschichte um Kagome, den Blutbann und die Zeitschleife.

War er so geblendet gewesen, dass es den Hohen Rat gab, er den, wenn auch manchmal mühsam, dazu bewegen konnte zu tun was er wollte, dass er schlicht die Möglichkeit übersehen hatte, dass es auch Verschwörer gab, die nun an seinen Posten wollten? Und die eben nicht nur im Rat saßen? Konsequenz.

Er musste erfahren zu wem diese zwei Krieger gehörten, ohne jemanden aufzuschrecken. Und er musste Hiroshi überprüfen lassen, ohne, dass der es mitbekam, zusätzlich mit Yukio Inu Yashas Tod auf den Prüfstand stellen. Und er musste mit Kagome zu Bokuseno, ehe die Welt unterging.

Wer auch immer sich gerade bemühte ihm das Leben schwer zu machen hatte damit vollen Erfolg.

Und dafür würde der bezahlen.

 

Immerhin besaß Kagome trotz aller Lebhaftigkeit genug Intelligenz sich ihm nur schweigend anzuschließen.

Die Tür zum Privattrakt wurde vor ihm förmlich aufgerissen, denn auch hier standen Wachen, die eigentlich immer hier stationiert waren. Die vor Kagomes Zimmer waren nur deren besonderer Lage geschuldet – und der Tatsache, dass er dem Temperament seiner Schwägerin nicht so recht vertraute.

Unwillkürlich blickte er nach rechts und links, wo sich zwei Krieger, einer männlich, einer weiblich, ein Hund und ein Wolf, eilig tief verneigten. Natürlich hatten sie sein Youki wahrgenommen, sahen ihn nun bewaffnet und hofften keine Fehler begangen zu haben.

„Myouga in den Hof,“ befahl er nur.

Die Wölfin spurtete förmlich los und er blickte zu dem anderen Youkai.

Der Hundekrieger wagte nicht sich aufzurichten. Was auch immer passiert war – es war nicht gut für denjenigen, der das verursacht hatte.

Sesshoumaru hätte um ein Haar genickt. Den Mann kannte er, er hatte schon gegen ihn geübt. Gut. Das waren seine Krieger. Wie hieß der nur? Er hatte seit Jahrhunderten tatsächlich den Eindruck gewonnen, dass die Leute motivierter wurden, wenn sie mit Namen angesprochen wurden, gleich, wie knapp dann der Befehl war. „Akaro. Niemand betritt diesen Trakt bis ich zurück bin.“ Dann musste er sich noch Inu Yashas Zimmer ansehen. Gift? Oder Krankheit.

„Oyakata-sama.“ Das war ein Versprechen.

 

Im gekiesten Hof vor dem Schloss erkannte Kagome ein wenig verwundert den zweiköpfigen Reitdrachen, gesattelt und gezäumt, beide Köpfe mit Maulkörben versehen. Den hatte Sesshoumaru auch schon früher geflogen, das wusste sie, aber dann vor allem Rin, wenn sie sich so recht entsann. Da ihr Schwager-Ehemann einen Besuch bei einem alten Freund plante, wollte der den bestimmt nutzen. Sollte sie sich zu ihm dann in den Sattel setzen? Sicher, sie war auch schon mit Sango und Miroku auf Kiara geflogen, auf Toutousais Kuh mit dem und Inu Yasha und so, aber das wäre doch irgendwie eine andere Lage. Oder? Obwohl sie formell wohl als verheiratet galten, wollten sie es nicht sein. Und da wartete ja Inu Yasha in der Vergangenheit bestimmt auf sie, wenn, wie Kouga doch erzählt hatte, sie verheiratet gewesen waren.

Der Youkai no Taishou sah nicht einmal zu ihr. „Steig auf.“ Sein Blick suchte etwas viel Kleineres und zu dessen Glück hechtete der besagte Flohgeist auch gerade heran und nahm auf dem Schulterfell Platz, etwas, das er früher aus gutem Grund nie gewagt hätte. Aber jetzt war er eingesetzter Berater und manches mussten so manche Leute mit großen Ohren, sprich die Wachen und Höflinge, die über den Hof liefen und standen, nicht mitbekommen. Sesshoumaru sagte auch nur leise: „Du hast noch deine alten Freunde?“

Myouga, der einst die Spionageabteilung des Inu no Taishou in speziellen Aufträgen unterstützt hatte, war erstaunt. Das war nur im Kriegsfall gewesen. Hielt dessen ältester Sohn eine Heirat mit Kagome für so gefährlich? Ach, er war ein alter Dummkopf. Da ging es um das Ende der Welt. „Nicht mehr alle, aber einige haben Kinder, Sesshoumaru-sama. Sie sind ebenfalls verschwiegen.“

„Lass einige sich gründlich aber unauffällig um Hiroshi kümmern. Ich will alles wissen.“

Myouga war erstaunt, aber er war ja in den vergangenen Jahren nur um Inu Yasha gewesen, hauptsächlich für das quasi menschliche Unternehmen. So sagte er schlicht: „Es kann etwas dauern, soweit ich weiß besitzt dessen Schloss einen ausgezeichneten Bannkreis. Es könnte drei Tage dauern. Abends, maximal.“ Freilich waren derartige Bannkreise in der Regel nicht auf Fliegengeister oder ähnliche harmlose Wesen ausgerichtet.

Gut. Sesshoumaru entsann sich wieder einmal warum der feige Winzling der Berater seines Vaters gewesen war. Kein Geschwafel über die Probleme, nur, warum es wie lange dauerte. Bei Sonnenuntergang des dritten Tages war der Bericht ausführlich zur Stelle. „Zweiter Auftrag. Richte Uyada aus, er solle mir den Dienstplan der vergangenen sieben Wochen aller Krieger geben. Mit dem Zusatz, wo die Grundausbildung stattfand und welche besonderen Fähigkeiten sie haben.“

„Ja, Sesshoumaru-sama.“ Myouga wusste, dass der Leiter der Garde über diese zusätzliche Hausarbeit nicht sonderlich begeistert sein würde, aber darauf brauchte er einen Daiyoukai, dessen Energie sowieso schon heiß um ihn waberte, nicht hinweisen. Der alte Flohgeist war unter schwierigen Herren nicht so alt geworden, weil er leichtfertig war. „Weitere Anweisungen?“

„Sobald ich zurück bin will ich Yukio sprechen. Persönlich.“

Auch hier war es wohl vernünftiger nicht darauf hinzuweisen, dass der Salamander als Chefarzt und Professor schon so einen ausgefüllten Terminplan besaß. Aber Yukio war intelligent genug bei der Beschreibung, der Herr sei wütend gewesen, zu reagieren. Wer auch immer diesen ungewöhnlichen Zornesausbruch ausgelöst hatte, sollte sich lieber gut verstecken. Das andere Ende der Welt würde mutmaßlich nicht genügen.

 

Sesshoumaru überlegte flüchtig, ob er Noriko zu seiner Mutter zur Ausbildung schicken sollte, beschloss dann jedoch, dass er das einstweilen vermutlich auch Kagome überlassen konnte. Deren Mundwerk war ihm bekannt und sie würde kaum vor einer nur scheinbar Gleichaltrigen zurück schrecken. Es wäre besser Hiroshi nicht aufzuscheuchen, wenn der etwas geplant hatte, was der besser nicht getan hätte. „Geh.“ Da der Flohgeist prompt und sichtlich erleichtert verschwand, sah er zu seiner Schwägerin, nun ja, Gefährtin. Sie hatte sich auf den Sattel des Drachen gezogen und hielt die Zügel in der Hand, blickte ihn jedoch fragend an. Was wollte sie denn nun schon wieder? Gleich. Sie war schon geflogen, das hatte er selbst gesehen, und so ließ er sein sowieso schon erhöhtes Youki sich nur umwandeln. Unter seinen Füßen bildete sich ein kleines Wölkchen und er flog empor, prompt gefolgt von dem Reitdrachen. Oh. Kagome war darauf gefasst gewesen, wie steil der Aufstieg wurde, verriet ihm ein kurzer Seitenblick, denn sie hatte die Zügel lose, hielt sich mit der Rechten jedoch am Sattel fest. Und ihr war offenkundig bewusst, dass Ah-Un ihm folgen würde.

 

Kagome war heilfroh sich festgehalten zu haben. Eine kleine Warnung wäre ja auch zu nett gewesen. Und, was passierte nun? Sie hatten offenkundig die gewünschte Reisehöhe erreicht, denn sie bemerkte, sich etwas Dunkles von dem Daiyoukai neben ihr ausbreitete, sie beide umhüllte. Oh. Deswegen gab es keine Pressefotos. Für jeden normalen Menschen am Boden war das hier nur eine kleine, schwarze Wolke, die eiliger als der Wind flog, oder sogar gegen den, aber soweit dachten die meisten Leute ja nicht. Und vermutlich ebenso wenige konnten die dämonische Energie spüren.

Es war fast, als ob sie durch schwarzen Nebel flog, aber es handelte sich um das Youki ihres Schwagers und sie empfand ein recht unangenehmes Prickeln. Beschweren brauchte sie sich allerdings sicher nicht. Erstens war der Flug zu diesem Bokuseno bestimmt notwendig und zweitens wusste sie nicht wie ihr widerwilliger Angetrauter reagieren würde, würde auch sie ihm jetzt noch auf die Nerven gehen. Sein Zorn hatte sicher nicht nur den beiden armseligen Kriegern gegolten, vielleicht auch noch Noriko, weil die unerlaubt ihre Posten verlassen hatten. Da war noch etwas anderes gewesen, das war ihr klar. Fragen würde natürlich nichts bringen.

Besser den Mund halten und warten, bis sich der werte Herr Taishou wieder abgeregt hatte. Der war vermutlich durchaus in der Lage auch sie kopfüber irgendwo baumeln zu lassen. Von persönlichen Handgreiflichkeiten mal ganz zu schweigen. Bei Youkai hatten Frauen ja anscheinend ein tolles Leben. Hatte da Inu Yasha nichts ändern können oder wollen in den letzten Jahrhunderten? Immerhin schienen beide Halbbrüder zum jetzigen Zeitpunkt Single gewesen zu sein, obwohl es sicher mehr als genug interessierte Damen gab. Da musste sie ja nur an diese dumme Noriko denken.

Super. Jetzt begann es auch noch zu regnen! Und dagegen schützte das Youki nun einmal überhaupt nicht. Mit gewissem innerem Seufzen wurde ihr klar, dass sie klitschnass werden würde. Erschwerend kam hinzu, dass in dieser Höhe der Wind, der nun auffrischte, recht kühl war. Ja, sie war aus der Epoche der Kriegerischen Staaten diesbezüglich Kummer gewohnt, aber Inu Yasha und ihre Freunde hatten dann immer eine Grotte oder wenigstens einen dichten Baum aufgesucht, statt stur wie ein Panzer immer weiter zu fliegen. Nun ja. Sie strich ihr nasses Haar aus dem Gesicht und versuchte zu Sesshoumaru zu blicken.

Klar. DAS hätte sie sich denken können, dachte sie in gewissem Zorn. Der wurde nicht nass, wie auch immer der das anstellte. Keine durchfeuchteten Haare, keine angeklebte Kleidung. Sie sah an sich hinunter. Die rote Hose, so weit geschnitten sie auch gewöhnlich war, haftete jetzt an ihren Beinen und am Sattel, ihre weiße Bluse war … Ach du je. Unwillkürlich legte sie einen Arm vor ihre Brust. Das blieb nicht mehr viel der Phantasie überlassen, was sie darunter trug. Oh, was hätte sie darum gegeben ihren Schwager-Ehemann auch einmal, ein einziges Mal, seine Boa auswringen zu sehen, die feine Seide an den Körper geklatscht. Aber nein, er demonstrierte wie viel überlegen er einem Menschen war. Vermutlich fiel es ihm nicht einmal auf. Und dran denken, dass sie fror, war wohl auch zu viel verlangt. Ja, war es wohl, für ein Wesen, das selbst nie fror. Und die Sache mit Rin lag schon Jahrhunderte zurück, da hatte er bestimmt so einiges vergessen. Was für ein netter Trip.

 

Es dauerte kaum eine halbe Stunde und Kagome war nicht nur bis auf die Haut nass, sondern auch bis auf die Knochen durchgefroren. Sie hatte die Zügel irgendwie am Sattel verhängt, denn der Drache flog wirklich ruhig und sie war sicher, dass der sich seinem Herrn gegenüber keinen Fehler leisten würde. Ihre Arme um sie geschlagen boten irgendwie das einzige bisschen Wärme, aber sie konnte nicht verhindern, dass sie begann mit den Zähnen zu klappern. Sollte sie um eine Pause bitten? Feuer in einer warmen Höhle, dazu ein heißer Tee, erschien ihr momentan wie das höchste Versprechen der Glückseligkeit.

Ihr Stolz bäumte sich auf. Sie musste doch nicht ausgerechnet dem Typen gegenüber, der Menschen für so etwas wie Asseln hielt, auch noch demonstrieren, dass er wirklich die überlegene Art war. Irgendwie würde sie schon bis zu diesem Bokuseno durchhalten. Irgendwie würde sie es schaffen!

 

Sesshoumaru warf einen Blick seitlich ohne seinen Kopf zu wenden, da er das Zähneklappern hören konnte. Dass sie nichts sagte, erstaunte ihn ein wenig, aber anscheinend sah sie ein wie wichtig es war zu dem Magnolienbaum zu gelangen, den ein bisschen in die Mangel zu nehmen, was jetzt mit diesem Blutbann los war. Ihre Idee war durchaus logisch, aber ehe er Tomi befragte und sich damit automatisch vor dem Tanuki bloßstellte, sollte er neutralen Rat suchen. Andererseits – so wie sie aussah, sich anhörte, war sie am Ende ihrer Kräfte und nur zu stur das zuzugeben. Leider brachte es weder ihn noch die gesamte Welt weiter, wenn sie sich wegen dieses Regens eine Lungenentzündung holte und starb.

Er blickte hinunter, suchte in seiner Erinnerung, ehe er sich sinken ließ.

Der Drache folgte unverzüglich.

 

Kagome gab zu erleichtert zu sein, dass das Ziel erreicht war. Als sie etwas mühsam die Hand hob und das Haar aus dem Gesicht wischte, erkannte sie, dass sie in einem engen Tal gelandet waren. Vor sich erkannte sie im Schleier des dicht strömenden Regens etwas wie eine Grotte.

„Steig ab!“ befahl Sesshoumaru, etwas ärgerlich über die, leider notwendige, Unterbrechung. Warum war sie nicht froh in Deckung zu gelangen?

Kagome wollte ja, sie wollte sogar gehorchen, vor lauter Erleichterung Schutz zu finden, auch, dass er doch bemerkt hatte wie mies es ihr ging, aber sie vermochte es nicht. Ihre Beine hatten sich um den Sattel verkrampft, ihr ganzer Körper klammerte in unkontrollierten Muskelzuckungen, ihre Zähne klapperten ebenso unbewusst.

Irgendwie spürte sie einen festen Griff, sich dann auf den Boden mehr oder weniger geworfen. Immerhin unter dem felsigen Vordach, erkannte sie noch, es regnete hier nicht mehr. Unfähig sich zu rühren, konnte sie nur mit Verzögerung feststellen, dass ihre Köchel gepackt wurden, mit einem Ruck die Hose von ihr gestreift wurde, dann ihr Oberteil. Erst dann begriff sie, dass ihr Schwager sie bis auf die, leider ebenso nasse, Unterwäsche ausgezogen hatte und versuchte erschreckt, aber auch verärgert, sich mit den Armen zu bedecken. Dabei sah sie, wie er zu dem Drachen trat und ihre Kleidung auf die beiden Hälse legte.

Ohne ein Wort zu sagen wandte er sich um und ließ sich neben ihr an der Felswand nieder, wie immer ein Bein ausgestreckt eines angezogen. Inmitten ihres überschlagenden Gedankenchaos, wusste sie noch, dass ihr Inu Yasha mal erklärt hatte, das sei, um rascher aufstehen zu können, die Haltung eines wachsamen Kriegers.

Er hatte sie ausgezogen! Nun gut, gab sie eine Minute später zu, er sah nicht zu ihr und ihr war auch nicht mehr ganz so kalt. Aber noch immer fühlte es sich an, als ob feine Härchen über ihren Körper liefen. So eine Gänsehaut hatte sie noch nie gehabt.

Es war keine Gänsehaut. Es war warm, weich und schlang sich von Schultern bis Knie um sie, zog sie auf, neben den Daiyoukai, der ungerührt in den Regen blickte.

Er hatte sie wahr und wahrhaftig in seine Boa gewickelt?!

 

Bokuseno sah wenig erfreut, aber machtlos, zu seinem Besucher, der auf ihn zukam, fast lächelnd.

„Alter Baum, Sesshoumaru und Kagome sind auf dem Weg hierher. Wie du weißt, geht gleich die Sonne auf, sie sind wohl schon unterwegs. Ich werde dich also mal kurz briefen.“

Bokuseno hatte nicht die mindeste Ahnung, was dieses Wort bedeuten sollte, vermutete jedoch nichts angenehmes für sich.

Tatsächlich legte sich eine Hand des Gottes an seinen Stamm. „So geht es schneller. Du bekommst alle Informationen, die ich bislang erhalten konnte. Übrigens, ich habe die Zwei mit einem netten Unwetter aufhalten können. Dies sagst du ihnen natürlich nicht, wenn sie hier ankommen. Und ich werde, de facto etwas eingeschränkt, versuchen bis zum Abend noch weitere Dinge in Erfahrung zu bringen.“

„Ah!“ Bokuseno stöhnte förmlich auf, als er von Reden, Bildern, von Youkai und Göttern, Menschen, überrannt wurde. „Das ist zu viel.“

„Das ist alles, was ich habe. Sortiere es.“ Die Hand wurde zurückgezogen. „Und erkläre es im Notfall ihnen.“

„Kami-sama!“ Das war ein Notruf. „Ich, wenn das stimmt, was ich sehe…. ich war noch nie besonders gut im Erklären der Raumzeit.“

„Lerne es. Ich habe dir Zeit durch das Unwetter verschafft. Und ich muss mich noch um andere Dinge kümmern. Denn, das lass dir gesagt sein, wenn das zutrifft, was ich vermute, hat dieser unsägliche Iwatakko gerade eben besagte Raumzeit neu gekrümmt.“

„Das heißt ...“

„Ich suche Beweise. Und du überzeuge derweil die Zwei.“

 
 

Zielsuche


 

M

youga hastete über den Hof des Schlosses, als er seinen Namen hörte. Die Stimme kannte er doch? Er blieb halten. Was war denn jetzt schon wieder los? Neue Aufträge? So betrachtete er seinen Kollegen nicht sonderlich freundlich, schon, weil schweißgebadet. „Jaken?“

Der Kröterich musterte ihn missbilligend buchstäblich von oben herab. „Sehe ich das richtig, dass Sesshoumaru-sama nicht seinen treuesten Diener, sondern einen alten Floh mit geheimen und natürlich wichtigen Aufgaben betraute?“

Myouga kannte Hofintrigen zu gut, als dass er nicht gewusst hätte, dass der werte Kollege eifersüchtig war. Der hatte es in gewisser Weise ganz und gar nicht gern gesehen, dass er als Berater gleichrangig eingestellt wurde. So nahm er sich die Zeit, schon um Ärgeres zu verhindern, verschränkte jedoch bereits mal zwei Hände. „Jaken. Ich wurde, leider, gerufen. Und, falls du das nächste Mal gehen willst, wenn ich gerufen werde, viel Spaß. Ich reiße mich sicher nicht darum zu Sesshoumaru-sama gerufen zu werden, wenn dessen Youki in den Adern kocht. Weißt du eigentlich, wie heiß es dann auf der Schulter ist? Und wie riskant auch nur die Auftragsannahme? Aber, nur zu. Ich wäre dir tatsächlich dankbar. Sag, du wolltest das unbedingt. Ich bin dann eben mal zufällig weit weg.“

„Unsinn. Sein Youki kocht nie, er wird doch nie … Oh.“ Der kleine Kappa kratzte sich am Kopf, dabei fast seine Mütze verschiebend. „So wütend war er?“

„Kein Ausdruck,“ beteuerte der Flohgeist ehrlich. „Ich habe ihn erst einmal so gesehen.“

„Wegen dieser dämlichen Kagome?“

„Vorsicht. Das ist die Gefährtin!“ zischte Myouga prompt.

Jaken, dem das durchaus bewusst war, senkte die Stimme. „Deswegen, ich meine, wegen der Heirat?“

„Hätte ich einen sehr aufgebrachten Daiyoukai, noch dazu diesen, vielleicht fragen sollen? Ich mach jetzt, dass ich diese Aufträge erledige. Und, wenn du mich fragst, ich habe wirklich keinen Schimmer, was die bedeuten sollen.“

Ja, aber darüber diskutierte man natürlich nicht, das war auch Jaken klar. So drehte sich der enttäuschte treue Diener nur ab und ging.

Myouga atmete auf. Er hatte nicht gelogen – er hatte wirklich keine Ahnung, warum diese Aufträge so lauteten, aber den ersten hatte er schon mal erledigt. Hiroshi zu überwachen. Das würde seine Insektenfreunde übernehmen, und, das gab er zu, da hatte er doch gewisse Ahnung, warum. Hiroshi war schon immer ehrgeizig gewesen, eifersüchtig auf Inu Yasha … Ja, das mochte ein Spielfeld werden. Jetzt aber hurtig zu dem Leiter der Wachen und dem eine frohe Neuigkeit bringen. Nun ja. Uyada war erfahren genug einen Berater des Taishou nicht umbringen zu wollen, gleich, wie lästig dessen Botschaft auch war.

 

So saß der kleine Flohgeist nur Sekunden später auf der Schulter des grauhaarigen Hundeyoukai. „Befehl oyakata-samas.“

Uyada wandte seinen Blick von den zwei Bäumen an denen die beiden nachlässigen Wachen soeben aufgehängt worden waren. Nichts, was sie umbringen würde, aber doch eine Lektion. Sie hatten ihm natürlich beichten müssen, warum der Herr diese Strafe ausgesprochen hatte. Wartete da etwa auch noch was auf ihn? Bein Thema Gefährtin hatte selbst der verstorbene Vater des Herrn keinerlei Verständnis für Fehler von Wachen besessen – obwohl sich die Dame sehr wohl allein behelfen konnte. „Ich höre.“

Myouga holte tief Atem, ehe er meinte: „Ihr sollt oyakata-sama die Dienstpläne der Wachen der letzten sieben Wochen überbringen, dazu, wo sie ausgebildet wurden und was ihre besonderen Fähigkeiten sind.“

„Der Herr scheint anzunehmen, dass ich meine Leute nicht im Griff habe.“ Die äußerste Bemerkung, die sich der bewährte Krieger erlaubte, der einst sogar den Welpen Sesshoumaru ausbilden durfte.

Das verdiente keine Antwort, dachte der Floh, mit Blick auf die unseligen Krieger.

„Bis wann?“

„So rasch wie möglich. Ich vermute, sobald er zurück gekehrt ist.“

„Sein Youki war recht hoch.“

„In der Tat, Kampfmeister.“ Und Myouga war weg. Er musste noch versuchen einen Chefarzt telefonisch zu erreichen.

 

Sesshoumaru blickte noch immer regungslos in den strömenden Regen hinaus. Kagome hatte sich aufgewärmt, das konnte er spüren, und war offenkundig so erschöpft gewesen, dass sie an seiner Schulter eingeschlafen war. Seines Wissens belief sich die Anzahl der Personen, die das getan hatten, fast gegen Null. Fast. Da hatte es Rin gegeben. Noch immer, nach Jahrhunderten, spürte er diese sonst so unbekannte weiche Wärme im Inneren, wenn er an sie dachte. Eigenartig, dass sich diese zwei Menschenmädchen aus dem Mittelalter irgendwie ähnelten. Sollte nur jetzt niemand mit Halbbrüder seien sich ja auch ähnlich kommen!

Seit einigen Wochen lief alles schief, was zuvor jahrhundertelang funktioniert hatte, gegipfelt in Inu Yashas mysteriösem Tod. Falls da wirklich wer seine Hand im Spiel gehabt hatte ...

Nun, er würde ihn umbringen, nur, um ihn wieder zu beleben und noch einmal umzubringen. Und vermutlich würde ihn die Schwägerin tatkräftig unterstützen. An Mut fehlte es ihr nicht. Natürlich war sie schwach, ein Mensch, aber ihre miko-Kräfte waren interessant und ihre Zuneigung zu Inu Yasha bemerkenswert stabil. Ihre Idee, dass der Blutbann nicht existiere, weil er nie zu brechen sei, war ebenso recht bedenkenswert gewesen. Blutmagie galt unter Youkai als unlösbar, wenn man nicht die vorgegebene Bedingung erfüllte, und so hatte er in diese Richtung gar nicht erst nachgedacht. Ein Fehler, wie sich möglicherweise zeigte.

Welcher Narr war das denn? Passend zum Entspannen? Er hob die Rechte.

Der riesige Oni, der in dem menschlichen Paar mit dem seltsamen Pferd seine Mahlzeit entdeckt hatte, kam nicht mehr dazu seinen Irrtum zu bedauern.

 

Endlich ließ das Unwetter nach. Er musste abgelenkt gewesen sein, denn gewöhnlich spürte er solche Wetterlagen schon Stunden vorher aufziehen. Es wurde Zeit zu Bokuseno zu gelangen. Der Flug würde noch dauern. So zog er langsam seine Boa zurück.

 

Kagome erwachte und erinnerte sich ein wenig erschreckt, wo und an wem sie wie geschlafen hatte. Instinktiv schlang sie die Arme um den Oberkörper und zog die Beine an.

„Zieh dich an.“

Sie gehorchte und ging etwas verlegen zu dem Drachen, der sich ebenfalls unter dem Felsdach der Grotte befand, und der auf seinen zwei Hälsen ihre Kleidung trug. Als sie doch den Kopf wandte, stellte sie fest, dass ihr Schwager noch immer gerade aus blickte, sich in keinster Weise für sie interessierte. Nun ja. Er wollte zu diesem Bokuseno, mit ihr, was an sich schon überraschend war. Oh. Ihre Kleidung war trocken, ja, warm. Natürlich. Sie hatte ganz vergessen, dass dieser Reitdrache Feuer speien konnte. Seine Körpertemperatur war sicher höher. Was zum nächsten führte. Während sie sich hastig anzog, bedachte sie, dass auch Sesshoumarus Boa und Schulter deutlich wärmer gewesen war, als sie es bei einem Menschen erwartet hätte. Nun ja, wie Inu Yasha. Oder: „Jacob.“ Sie hätte fast gekichert, leicht hysterisch. Dass sie erst vor wenigen Wochen mit ihren Freundinnen eine TV-Nacht unternommen hatte, erschien so irrwitzig weit weg.

„Wer?“

Das klang dermaßen scharf, dass sie erschreckt herumfuhr. „Äh, was?“ Sie begegnete goldfarbenen Augen in denen Eissplitter tanzten.

„Wer ist das?“ Kalt wie ein Wintermorgen in der Antarktis.

Ach herrje. Er nahm doch nicht etwa an, dass sie … Doch, genau das. Das sollte sie schleunigst gerade biegen. „Äh, eine Figur aus einem Buch, ein junger Mann. Er… ich meine, der Drache ist so warm, und dieser Jacob wärmt in der Geschichte ein Menschenmädchen auf.“ Bloß nicht erwähnen, dass der ein Werwolf war. Oh. Moment. Sie hatte sich ja gerade von ihrem Schwager aufwärmen lassen – und die zusammengezogenen Augen zeigten ihr, dass er sich dessen bewusst war. „Tut mir Leid,“ sagte sie eilig. „Manchmal vergesse ich, dass ich nicht mehr … naja, mit meinen Freundinnen unterwegs bin.“

Was natürlich bedeutete, dass sie mit ähnlichen Dingen auch seinen Bruder genervt hatte. Und der dazu noch die Bannkette trug. Er sollte da mal ein wenig nachhaken.

Kagome spürte durchaus das Aufflackern des Youki und hielt es für besser einfach nur auf den Drachen zu klettern um ihre Bereitwilligkeit anzuzeigen weiter zu kommen. Au weia. Fühlte sich da etwa der große Bruder bemüßigt sich um die Ehre des Jüngeren zu kümmern? Dann sollte sie aufpassen. Überdies galt sie ja als Sesshoumarus Gefährtin – und das mochte auch ziemlich heikel werden, falls der Daiyoukai annahm sie wolle ihm Schande machen. Sie sollte wirklich aufpassen was sie laut sagte. Besser womöglich jetzt überhaupt den Mund zu halten. Der Herr Taishou wirkte ein wenig … leicht erregbar?

 

Der Flug, erneut in der Deckung des Youki, dauerte und Kagome seufzte, wohlweislich nur in Gedanken. Sie hatte Hunger, Durst und so, aber sich zu beschweren wäre nur einem Lemming eingefallen. Ihr Schwager hatte sich um sie gekümmert, vermutlich, weil eben das Ende der Welt sonst bevorstand, aber das bot keinerlei Garantie für irgendetwas, was sie nicht gerade umbringen würde. Sie hatte schon gesehen was er mit seiner Energie oder seinen Klauen, zumal mit der dokka-so, anrichten konnte und legte nicht den mindesten Wert darauf das am eigenen Körper zu verspüren. Dennoch war sie froh, als er tiefer ging, der Drache ihm prompt folgte, und sie in der nun warmen Nachmittagssonne auf einer Lichtung landeten. Sie wollte bereits fragen ob sie absteigen solle, als Sesshoumaru ohne ein Wort zu verlieren in den dichten Wald schritt, einen Pfad entlang, der zuvor, da hätte sie schwören mögen, nicht dort gewesen war. Der Drache stapfte hinterher und so blieb sie einfach sitzen.

Ein magischer Wald, beschloss sie. Sie konnte förmlich spüren wie die Bäume sie anblickten. Und vor ihrem Schwager beiseite wichen. Hinter ihnen, das bemerkte sie, als sie einmal den Kopf wandte, schien der Wald wieder undurchdringlich. Hier lebten bestimmt keine Menschen. Das musste eine Gegend sein in der seit Jahrtausenden nur magische Wesen hausten und sich wohlweislich schützten.

 

Endlich blieb der Daiyoukai auf einer kleinen Lichtung stehen und blickte auf den Stamm einer riesengroßen Magnolie. Hatten sie ihr Ziel erreicht? Sie wollte nicht fragen und glitt etwas mühsam aus dem Sattel. Die Stunden im Sattel spürte sie in den steifen Beinen. Aber sie trat neben ihren Schwager. Und hätte fast aufgequietscht, als sich im Stamm vor ihr ein hölzernes Gesicht zeigte.

„Ein Ent?“ hauchte sie fassungslos, nur um an dem ebensolchen Blicken des Baumgeistes und dem tadelnden des Hundeyoukai zu erkennen, dass außer ihr wohl niemand Herr der Ringe gelesen oder gesehen hatte. Sie sollte WIRKLICH den Mund halten.

Sesshoumaru sah wieder gerade aus. „Bokuseno. Der Blutbann.“

„Äh, ja. Es wurden Erkundigungen eingezogen.“ Der alte Baumgeist hatte beileibe bereits intensiv nachgedacht, wie er diesem Kerl beibringen sollte, dass dessen sepukku die Lösung aller Probleme wäre – nun ja, was diese Zwei betraf. „Leider mit sehr schlechten Neuigkeiten. Das größte Thema ist fatalerweise nicht mehr, dass ihr gegen euren Willen verheiratet seid, oder mit Kagomes Tod die Zeit enden könnte. Ja, das ist so, das wurde nochmals bestätigt, aber … Nun ja. Es gibt die kleine Schwierigkeit, dass Inu Yasha nicht im Jenseits ist.“

„Er lebt!“ Kagome rief es trotz aller guten Vorsätze und presste beide Hände an ihre Brust.

„Äh, nein, Kind. Er ist schlicht nicht zu finden.“ Bokuseno seufzte, sah aber höflicherweise zu seinem gefährlichsten Besucher. „Als ihr beide ihn bestattet habt, ist euch da irgendetwas aufgefallen?“

Sesshoumaru antwortete nicht, in Gedanken die neue Entwicklung abschätzend. Wenn Inu Yasha nicht im Jenseits war, aber wohl auch nicht im Diesseits: wo steckte sein Bruder, was war mit dem geschehen, wie beeinflusste das den Blutbann und diese Zeitschleife. Und: welcher gravierend Lebensüberdrüssige war dafür verantwortlich?

Kagome dachte weitaus weniger an die Raumzeit oder Schuldige, sondern an ihren Liebsten. „Als wir ihn in das Jenseits brachten, neben seinen Vater, war er ja eingewickelt, in solch ein Seidentuch. Nur einmal, da fiel seine Hand … also, man konnte sie sehen. Und ich fand, sie sah so gar nicht Inu Yasha-mässig aus, bleich, rissig. Aber, ich weiß natürlich auch nicht, wie, naja, wie tote Hanyou aussehen.“ Sie hatte doch trocken schlucken müssen. Inu Yasha! Was war nur mit ihm geschehen? Hätte sie es verhindern können? War sie schuld daran mit ihrem Wunsch ins Mittelalter zu gelangen? Wo nur war er? Was passierte dort mit ihm?

„Sesshoumaru?“ Gut, erkannte Bokuseno, es war nicht sonderlich intelligent den aus sichtlich mordlüsternen Gedanken zu reißen, aber er hoffte doch, dass der an Aufklärung interessiert sei.

Tatsächlich holte der Hundeyoukai kurz Atem, ehe er erwiderte: „Mir fiel ebenfalls diese seltsame Haut auf. Aber ein Bluttest ergab, dass es sich in der Tat um das Blut eines Hundeyoukai und einer Sterblichen handelte.“

Der Baumgeist hätte fast genickt, zufrieden, dass der Taishou selbst in solch einer Lage noch Hinweisen nachging, ehe er stutzte. „Das Blut eines Hundeyoukai. Nicht, das eines Daiyoukai, deines eigenen?“

Es lag Sesshoumaru nicht zu lügen. „Nein. Eindeutig Hundeyoukai. Ich nahm an, dass Vaters Blut mit der Krankheit schwand.“

„Die Hanyou!“ Kagome bemerkte, dass sie schon wieder von beiden Seiten so eigenartig angesehen wurde und ergänzte hastig: „Kouga erzählte mir, dass vor einem Jahr oder so eine Hanyou mit Hundeyoukaiblut blutleer und tot gefunden wurde. Inu Yasha … er sei deswegen ziemlich wütend gewesen.“

„Fremdes Blut?“ Bokuseno sprach es langsam aus, sich durchaus bewusst, dass da jemand vor ihm stand, der ihn ohne weiteres eine Krone kürzer machen konnte. Oder auch samt den Wurzeln ausreißen. Leider stand zu viel auf dem Spiel um das nicht zu riskieren. Der Stillstand der Zeit war auch nicht besser.

Der Herr aller Youkai dachte nach. Der Geruch war eindeutig gewesen. Mensch und Hundeyoukai. Nicht das edle Blut Vaters und auch nicht seinem eigenen ähnlich, ja. Aber, wie und wer und warum … Und, was war mit Inu Yasha?

Kagome war direkter. Oder weniger stolz. „Aber, wenn das diese Hanyou von vor einem Jahr war, was ist dann mit Inu Yasha passiert, Bokuseno? Bitte, wenn du nur einen Verdacht hast, und den hast du doch….“ Sie rang förmlich die Hände. „Ich mache wirklich alles für ihn. Meinetwegen bleibe ich mit Sesshoumaru verheiratet, wenn das die Welt rettet, aber Inu Yasha….“

Das war vermutlich eines der opferbereitesten Angebote, die der alte Baumgeist je gehört hatte, wenn nicht das größte Opfer. So blickte er zu seinem Sorgenhund, ehe er sagte: „Das ehrt dich, Menschenkind. Ich muss es fragen – als Inu Yasha gestorben ist: habt ihr ihn verlassen?“

„Der Heiler, Yukio, er brachte mich weg, weil ich so … naja, ich war ziemlich fertig,“ gestand Kagome.

„Und du gingst die Bestattung anzubefehlen.“ Der Baumgeist sah gar nicht zu dem Taishou. „Wenige Minuten. Ja. Es gibt nämlich eine Sache, die ihr wissen müsst. Im Jenseits fehlt nicht nur Inu Yasha, sondern auch zwei Daiyoukai und eine Hexe. In den niederen Rängen wird noch gesucht, aber bislang steht das fest. Sesshoumaru, du vermisst nicht einen deiner Daiyoukai?“

Da gab es nur eine Antwort. „Nezumiuro.“ Der Hundeyoukai zog die Augen zusammen. Der alte Pfeifhase fehlte doch nicht aus mehr als gutem Grund?

„Wann hast du zuletzt von ihm auch nur gehört?“

„Sechs Monate.“ Ein Brief über irgendwelche seltsamen Vorkommnisse an dessen Westgrenze, die der überprüfen wollte. Nun, um ehrlich zu sein hatte er damals geglaubt schon bessere Vorwände gehört zu haben sich um Ratssitzungen zu drücken, aber so, wie der Magnoliengeist das sagte… „Er ist tot?“

„Möglich. Er ist verschwunden, ebenso wie sein Sohn und seine Leibgarde übrigens. Und nun auch Inu Yasha.“ Bokuseno holte etwas tiefer Luft. Sollte er das jetzt mit der Heirat und der Zeitschleife und dem Selbstmord bringen oder erst später, wenn sie einsehen konnten, dass das zwar ihr Problem war, das der Welt allerdings ungleich größer? Und, einen Namen hatte? „Das Ganze spielt sich im Nordwesten ab. Niishima. Sagt dir diese Halbinsel etwas?“

Sesshoumaru schwieg, da ihm nie in den Sinn gekommen wäre Unwissen auszubreiten.

„Nun, es war auch vor deiner Zeit, um ehrlich zu sein, auch noch vor der Zeit als dein verehrter Vater Taishou der Hunde wurde. Sehr lange her. Leider sind unselige Geister dort erneut erwacht. Oh, Kagome, heute die Gegend um Akita.“

„Waren da nicht erst Erdbeben?“ fragte sie prompt. „Aber keine größeren Schäden? Oh ja, nur eine Halbinsel sei betroffen und keiner weiß warum, oder?“ Dann holte sie Luft. „Magie?“

„Magie, ja. Schlaues Kind, Wirklich, für einen Menschen und so jung … Nun gut.“ Bokuseno erkannte, dass dieses Lob bei der falschen Person vor ihm nachteilig aufgenommen wurde. „Dort entstand vor einiger Zeit ein Bannkreis, nichts, was Menschen bemerkten. Youkai und kami berichteten allerdings darüber und wunderten sich. Vor allerdings gut zwei Wochen verdichtete sich die Magie, eindeutig Blutmagie.“ Er sah, wie seine beiden Zuhörer sich unwillkürlich ansahen. „Ja, die Art, genau. Einer der Daiyoukai, die im Jenseits fehlen, hieß Iwatakko. Spezialgebiet eben Blutmagie. Und, er wohnte auf dieser Halbinsel. Es steht zu vermuten, dass er sich entweder selbst aus dem Jenseits befreit hat oder aber auch nie dort gewesen ist. Leider. Der Kerl hat einiges auf dem Kerbholz. Um jetzt zu Inu Yasha zurück zu kommen. Es besteht der Verdacht, beweisen lässt es sich so natürlich nicht, dass Iwatakko es vermocht hat sich der Hilfe einer verstorbenen Hexe zu versichern, deren Spezialgebiet Tote sind. Genauer, sie kann die Seelen Verstorbener beschwören und in lebendige Lehmfiguren packen.“ Er bemerkte, dass Kagome bleich wurde, nahm jedoch irrtümlich an, das sei wegen der Totenmagie. „Ihr Name ist Urasae.“

„Urasae!“ Kagome klang wie eine auf den Schwanz getretene Klapperschlange, was ihr verwunderte Blicke beider Youkai eintrug.

„Oh, du kennst sie?“ erkundigte sich der Baumgeist. „Und nicht gerade in guter Erinnerung?“

„Diese ... diese unsäglich dämliche Hexe wollte mich umbringen!“ fauchte Kagome. „Dazu, naja, das kannst du nicht wissen, ich bin auch die Wiedergeburt einer Priesterin namens Kikyou. Und dieser … dieser alten Krähe gelang es zumindest einen Teil von Kikyou aus mir raus zu ziehen und die wiederzubeleben!“ Sie musste nur daran denken, was das für sie, und Inu Yasha auch, für Probleme gemacht hatte, wie sehr sie gelitten hatte. „Naja. Dafür hat diese künstliche Kikyou sie dann ja wenigstens geläutert.“

„Kikyou.“ Sesshoumaru klang ruhig. „Intelligent und fähige Priesterin.“ Sie hatte immerhin Rin gerettet.

„Kikyou!“ Kagome funkelte ihn an. Das war schon der zweite Kerl, der ..

Der Daiyoukai erkannte zum ersten Mal, warum sein Vater sich stets geweigert hatte Mutter beruhigen zu wollen, falls diese wütend war, und einmal statt dessen lieber in einen Kampf gegen gleich drei Youkaiheere gezogen war. Diese Wahl hatte er gerade nicht. Und auch kein Interesse. Das lag woanders. So sah er zu Bokuseno. „Was hat Urasae mit Inu Yasha zu tun.“ Tatsächlich blickte auch die miko prompt zu dem Baumgeist. Sie hatten doch ein gemeinsames Ziel.

„Das war nicht so leicht herauszufinden. Ehrlich gesagt, habt ihr Zwei eigentlich eine Ahnung, wie mühselig es schon war das herauszubekommen? Ich musste einen alten Freund im Jenseits um einen Gefallen bitten, den er mit seit Jahrtausenden schuldete und überhaupt.“ Bokuseno spürte, wie ein ziemlich großer Wassertropfen seine Rinde entlang lief. Das interessierte seine Besucher leider gar nicht. Und, sollte er jetzt das mit dem sepukku Sesshoumaru erklären? Oder war Urasae der viel erfolgversprechendere Weg um dieses Duo dazu zu bekommen die Welt zu retten, dazu noch gemeinsam?
 

Iwatakkos Geschichte


 

J

a, aber Moment mal,“ sagte Kagome langsam – so langsam, dass ihr Hanyou sich schon darauf vorbereitet hätte zu Boden zu knallen. „Wenn ich das gerade richtig verstanden habe, hat diese Hexe von Urasae Inu Yasha vergiftet, ihn umgebracht?“

„Äh, das wollte ich sozusagen gerade erklären,“ gestand der alte Baumgeist, der nur zu gut bemerkte, dass sich neben der deutlich gesteigerten Energie der miko auch beachtliches Youki aufbaute. „Vielleicht lasst ihr mich erst reden und werdet dann aggressiv?“

„Iwatakko,“ erwiderte Sesshoumaru nur, aber sowohl seiner widerwilligen Partnerin als auch Bokuseno war bewusst, dass da eben ein Todesurteil gefällt worden war.

Der Baumgeist seufzte allerdings etwas. „Ich erzähle, ja? Diese ganze Geschichte beginnt nämlich vor vielen tausend Jahren. Dein Vater, Sesshoumaru, war noch lange nicht der Herr der Hunde, eher noch ein kleiner Welpe im Schatten seiner Mutter. Darum spielte er bei dieser Sache auch keine Rolle.“ Nur schön erst einmal den Sohn beruhigen. „Zu dieser Zeit war der menschliche Kaiser noch deutlich enger mit der Sonnengöttin verwandt, der Enkel des Urenkels, sozusagen. Menschen lebten in Dörfern und wenigen befestigten Burgen, bekriegten sich manchmal mit den Daiyoukai, von denen es allerdings nicht so viele gab. Einer von ihnen lebte auf der Halbinsel Niishima. Iwatakko. Ich bin mir nicht ganz im Klaren ob er irgendwie mit Kraken verwandt war, sein Name bedeutet ja Felskrake, aber die leben ja eigentlich nicht an Land. Nun, gleich. Er besaß dort einen Palast, befestigt und aus Stein. Gewöhnliche Youkai oder auch Menschen wagten sich zu dieser Zeit schon lange nicht mehr an ihn heran. Er war wohl ein ausgezeichneter, starker, Kämpfer.“ Er konnte an den Augen des Taishou vor sich erkennen, dass der das für durchaus diskussionswürdig hielt. Mit Stahl. „Nun, es war so. Aber das genügte ihm nicht, er war ebenso mächtig in seiner Magie. Angeblich, da kann ich nur berichten, was ich erfuhr, soll er mindestens an Tomi, den Herrn der Tanuki herangereicht haben, den ihr ja beide kennt, wenn nicht gar an den Herrn der Füchse. Jedenfalls gelang es ihm aus sich selbst Krieger zu erschaffen, die er ebenso nannte. Musha. Sie waren menschenähnlich, konnten jedoch auch jede beliebige Form annehmen. Und sie vermochten mit ihren Schwertern tödlich umzugehen. Iwatakko schickte diese Krieger gegen die menschlichen Herrscher in seinem Umfeld aus. Es kam zu Massakern an Dörflern und in Burgen. Der benachbarte Daiyoukai stellte sich ihm entgegen, mit einem Heer, und verlor. Auch ein Drache. Es ist nicht ganz klar, was Iwatakko mit ihnen tat, entweder er absorbierte sie oder nahm ihr Blut. Jedenfalls wurde er immer stärker und konnte damit auch immer mehr von diesen ominösen Männern erschaffen, die kämpften, ohne Schmerz oder Müdigkeit zu kennen. Die anderen Wesen nannten sie nur mehr kagemusha. Schattenkrieger.“ Der alte Baum seufzte, war aber erst einmal zufrieden, dass er noch immer die Aufmerksamkeit seiner Besucher besaß und damit Zeit schinden konnte. Irgendwann musste doch einfach die Sonne untergehen.

„Und alle zusammen, Menschen und Youkai, schafften es nicht, den Kerl aufzuhalten?“ erkundigte sich Kagome etwas erstaunt. „Wenn der so gefährlich war und reihenweise Massaker veranstaltete?“

„Er war inzwischen dazu übergegangen auch kami zu absorbieren, oder wie auch immer, das hat ja niemand je erfahren. Jedenfalls gelang es dem damaligen Kaiser tatsächlich eine Allianz aus Youkai und Menschen zu schmieden, wie ihr beide wisst, sehr schwierig. Zusätzlich erbat er sich von seiner mächtigen Ahnin Unterstützung. Dass er den Spiegel und das Schwert der Sonnengöttin erhielt, für diesen Auftrag, half wohl durchaus beim Schmieden der Allianz. Die Heere zogen nach Nordwest um die kagemusha zu übernehmen, abzulenken, und der Kaiser stellte sich Iwatakko auf Niishima.“

Sesshoumaru konnte nicht umhin sich zu denken, dass dieser Iwatakko vermutlich mehr Ruf als Kraft besessen hatte, wenn ein einzelner Mensch, sei der auch der Nachfahre der Sonnengöttin, ihn offenbar besiegen konnte.

„Als dieses Duell endete, verschwanden alle kagemusha im Nichts. Allerdings war die Halbinsel Niishima nicht mehr, wie sie gewesen war. Mehr als die Hälfte des Landes, darunter auch der steinerne Palast, lagen nun unter Wasser, auf dem Grunde des Meeres. Von Iwatakko war nichts mehr übrig als ein Häufchen Asche. Um zu verhindern, dass er je wieder auferstehen würde, segneten menschliche Priester diese und kippten sie ins Meer. Der Kaiser gab Spiegel und Waffe an ihre Besitzerin zurück. Alle nahmen an, dass Iwatakko im Jenseits sei.“

„Genau da war er aber nicht?“ Kagome verriet, dass sie gut zugehört hatte.

„Das ist nicht ganz klar. Jedenfalls ist er nicht MEHR da.“

„Schön, jetzt mal angenommen, der Kerl ist wieder im Diesseits, was sollte er von Inu Yasha wollen? Oder von dem Pfeifhasen? Ich meine, dem Daiyoukai?“

„Ich erzähle ja schon weiter. Vor zwei Jahren oder so entstand über den Resten der einstigen Halbinsel ein Bannkreis. Manche wunderten sich, aber im Endeffekt geht es ja niemanden etwas an, wer wo einen Bannkreis macht. Sieh nicht so zweifelnd drein, Kagome. Erinnere dich an den Berg Hakurei, von dem mir Inu Yasha mal erzählte. Auch da dachte sich doch niemand, warum hat da ein Priester so einen mächtigen Bannkreis? Oder nun der, den die Daiyoukai gemeinsam legen?“

Das musste sie zugeben. Oh, ihr Hanyou war auch schon bei diesem alten Baum gewesen? Wann?

 

„Erst vor zwei Wochen fiel, nun, höheren Orts, auf, dass sich dieser Zauber erheblich verstärkt hatte. So sehr, dass nichts und niemand mehr hindurch gelangen konnte, gleich ob Ameise oder Gott. Nicht einmal mehr die Strahlen der Sonne. So wurde, nun ja, oben beschlossen mal nachzufragen. Kleine Wald-, Wiesen- und Teich-kami und einfache Youkai berichteten von seltsamen Vorkommnissen, als zuvor noch der einfache Bannkreis da war, wie, dass innerhalb keine Tiere oder Oni mehr existierten und sie manchmal auch das Gefühl hatten gejagt zu werden. Aber natürlich hatte sich niemand etwas dabei gedacht oder gar darüber gesprochen.

Es klang nicht sehr gut, zumal es sich auch noch um einen Blutbann handelte. Das bedeutet, dass nur jemand durchkommt, der die Bedingung erfüllt. Leider war allen klar, dass einst an diesem Ort Iwatakko gewohnt hatte und der ein Spezialist für Blutmagie gewesen war. Zunächst wurde wohl an einen Sohn oder etwas in der Art gedacht, auch schon nicht sonderlich gut, aber durch den Hohen Rat, Inu Yasha und natürlich dir, Sesshoumaru, beherrschbar. Dann platzte ich mit meiner Nachfrage in die Sache. Ich hatte einen, nun ja, ehemaligen, Baumgeist gebeten, nach der Seele Inu Yashas zu suchen und ihn zu bitten bei den Vieren in Erfahrung zu bringen, wie man den Bannkreis für euch beide lösen könnte. Ohne Kind. Und ohne Zeitschleife. Leider brachte der mir die Mitteilung, dass Inu Yasha dort nicht zu finden sei, seine Suche allerdings einen ähnlichen Effekt gehabt habe als stochere man in einem Ameisennest herum. Um es kurz zu machen, kurz darauf …“ Bokuseno räusperte sich. Er redete selten so viel und dann auch noch solche Dinge: „Bekam ich Besuch. Und mir wurde gesagt, wie euer Problem zu lösen sei, dass das allerdings nichts helfen würde, weil eben anscheinend eine weitaus größere Aufgabe existiere. Inu Yasha war nicht im Jenseits, auch nicht dem der Menschen, und als er jetzt unter den Daiyoukai gesucht wurde, fiel auf, dass auch Iwatakko fehlte. Hinzu kam, dass ein oder zwei Youkai davon berichtet hatten, dass Nezumiuro samt Sohn und Leibwache irgendwie in den – damals noch einfacheren Bannkreis – gelaufen sei und nie wieder da heraus gekommen war. Dieser befand sich allerdings ebenfalls nicht im Jenseits. Ja. Es sieht ganz so aus, als ob Iwatakko wieder da ist. Zumal auch noch Urasae fehlt. Er muss schon wieder gehörige magische Macht angesammelt gehabt haben um sie wieder ins Leben zurück zu holen. Und sein Ziel kann nur Inu Yasha gewesen sein.“

„Aber, warum? Ich meine, wenn er schon angeblich einen Daiyoukai absorbiert hat, was sollte er von einem Hanyou wollen?“ erkundigte sich Kagome leicht verständnislos. „Und vor allem warum diese saudämliche, egoistische, machtgierige Hexe wieder beleben? Die legt ihn doch nur aufs Kreuz.“

„Eher Iwatakko sie, meine Liebe,“ erklärte der Magnolienbaum altersmilde. „Und, was den Hanyou betrifft …“ Er schielte zu dessen Bruder, beschloss dann, dass er ohne Gefahr für sein Geäst weitersprechen konnte. „Du weißt es wohl nicht, aber ein Kind aus einem Daiyoukai und einem Menschen ist nicht nur extrem selten, es besitzt auch Blutmagie aus eben zwei Arten. Etwas zaubermächtigeres als Inu Yashas Blut kann Iwatakko selbst unter den Drachen nicht finden.“

„So, das reicht mir jetzt.“ Die junge miko pumpte wie ein Maikäfer kurz vor dem Abflug. „Soll das heißen, dieser ehemalige Kaiser hat es nicht geschafft diesen komischen Kraken so umzulegen, dass der nicht aus dem Jenseits wieder rausfindet? Stattdessen in der Lage ist Leute zu absorbieren und immer mächtiger zu werden? Und diese Hexe dazu zu bringen Inu Yasha zu vergiften?“

„Äh, kurze Zusammenfassung, aber ja.“

„Blödsinn,“ erklärte sie unverblümt.

Bokuseno warf einen Blick zu dem dunkel gewordenen Himmel, ehe ein stummer Befehl seinerseits Wolken von Glühwürmchen zu seiner Lichtung fliegen ließen. Nicht, dass er annahm, deren Anblick würde die junge Dame beruhigen, aber vielleicht ablenken? Hoffen durfte Baum ja doch. Allerdings sah auch Sesshoumaru sehr in Gedanken aus, und, wenn er sich nicht vollkommen täuschte, überlegte der, wie man einen magiekundigen Daiyoukai endgültig den Todesgöttern aufhalsen konnte. Immerhin war der Mond aufgegangen und schickte ungewisses Licht über den Himmel. Sehr ungewisses. „Was stört dich denn daran so?“

„Weil es Blödsinn ist. Ich habe doch bis vor wenigen Tagen die Nachrichten gesehen. Da gab es diese Erdbeben auf einer Halbinsel, schön. Und nur da. Aber, da leben doch Menschen! Und, wenn da irgendein Daiyoukai Amok läuft und einen Bannkreis errichtet, durch den niemand durchkommt, dann wäre das doch eine Nachricht wert gewesen? Ich meine, die Leute müssen zur Arbeit, telefonieren, besuchen Verwandte, bekommen Handwerker … Das wäre doch jemandem aufgefallen!“

Das entsprach den Tatsachen und so lenkte der Taishou seinen Blick intensiv auf den Baum, zum wiederholten Male in den letzten Tagen doch ein wenig erstaunt, wie sehr seine Schwägerin denken konnte. War alles ganz anders, als dieser alterschwache Magnolienbaum glaubte? Er selbst brauchte ja nur an Toutousai in dessen letzten Jahrhunderten denken.

Bokuseno seufzte, wenngleich nur in Gedanken. Die ungeteilte Aufmerksamkeit Sesshoumarus war in aller Regel mindestens nicht angenehm, oft tödlich. Und, was sollte er zu diesem Argument sagen? Oh. Ausnahmsweise war der Besuch erwünscht.

 

Auch der Daiyoukai hatte die Annäherung wahrgenommen und entließ den Baumgeist aus seinem Blick um in den dunklen Wald zu sehen.

Kagome folgte etwas irritiert diesem Beispiel, zumal auch sie eine Energie spürte, die sie so noch nie wahrgenommen hatte. Da allerdings Sesshoumaru nicht zum Schwert griff, war wohl alles in Ordnung. Nun erkannte sie auch, dass der Wald vor einem Mann beiseite wich, dessen grüner Kimono fast wie die Schuppen einer Eidechse im blassen Licht des Mondes und der Glühwürmchen glitzerte. Er war dunkelhaarig, aber sie hätte sein Alter nicht abschätzen können, selbst, wenn sie sein Gesicht näher hätte betrachten können. Als er jedoch neben dem Magnolienbaum stehenblieb erkannte sie zu ihrer Verwunderung auf dessen Stirn eine ähnliche Mondsichel wie auf Sesshoumarus, allerdings in schwarz. War das etwa ein Verwandter? So sah sie fragend zu ihrem Schwager-Ehemann – und sah zum ersten Mal, wie der höflich den Kopf neigte. Nicht gerade eine Verbeugung, aber doch eine Respektsbezeugung. Hastig folgte sie deutlich tiefer diesem Beispiel. Wer war das denn? Noch ein Daiyoukai? Warum war der nicht im Hohen Rat? Und warum fühlte der sich so eigen an? Zumindest auf letzte Frage erhielt sie eine prompte Antwort.

„Kami-sama,“ sagte Bokuseno.

Die höfliche Anrede an einen Gott. Oha. Neugierig sah sie erneut zu dem Unbekannten.

Der lächelte fast ein wenig. „Ja, die Menschen. Du hast vollkommen recht, Kagome. Ich komme gerade von dort. Iwatakko ließ sie erst einmal in Ruhe, denke ich, solange er noch nicht die Macht besaß einen Blutbann zu errichten. Nun kannst du die Häuser und Teeplantagen besuchen, die Menschen telefonieren, aber alles ist gespiegelt. In dem Dorf, das man nun als Mensch problemlos erreichen kann, leben allerdings keine wirklichen Menschen mehr. Diese sind vermutlich inzwischen tot und es handelt sich nur um ihre gesteuerten Seelen, die von Urasae in Lehmkörper gepackt wurden. Sie kann das wohl recht täuschend.“

„Ja,“ gab die miko zu, noch mehr irritiert, dass ein Gott ihren Namen wusste, als über die Tatsache, dass der sich mit ihr unterhielt.

„Der Blutbann kann, wie ein jeder, gebrochen werden, wenn die Bedingung eintritt. Nun, Sesshoumaru, welche Bedingung würdest du wählen, wenn du das einzige Kind eines Daiyoukai und einer Sterblichen in ganz Japan gefangen nehmen willst?“

Der Taishou musste nicht nachdenken. „Wenn ich der Gefangenschaft oder des Todes sicher bin eben dies, zumal mir dann das Blut zur Verfügung steht.“

„So ist es. Der Blutbann kann nur durchbrochen werden durch das vermischte Blut eines Daiyoukai und einer Sterblichen. Beide sehe ich gerade vor mir.“

„Oh nein, nicht schon wieder diese Kindersache,“ stöhnte Kagome entsetzt. „Es geht nicht, ich kann doch läutern! Überdies würde das beim besten Willen doch eine Zeit dauern und …“

„Kein Kind. Es geht auch anders. - Aber zu unserem eigentlichen Problem. Wie Bokuseno euch sicher bereits mitteilte, seid ihr durch den Blutbann der Vier aneinander gebunden und dadurch ist eine Zeitschleife entstanden. Nicht einmal ich vermag zu sagen, wie oft wir sie schon durchlaufen haben. Das bedeutet, niemand weiß, wie oft Kagome im Mittelalter Inu Yasha geheiratet hat, wie oft sie starb, wie oft sie wieder in diese Zeit kam und hier Inu Yasha starb, sie verwitwete und damit Sesshoumaru heiratete. Und niemand kann sagen, wie oft das noch möglich ist, ohne dass du stirbst und die Zeit damit aufhört. Soweit alles klar? Gut. Dann kommt jetzt durch Iwatakko noch ein Problem dazu, das die Raumzeit selbst betrifft. Durch den Blutbann, den er um seinen Wohnsitz legte, hat niemand eine Ahnung, was dort geschieht. Buchstäblich niemand, jedenfalls von außerhalb.

Die Lage ist nun wie folgt: Wir wissen, dass Iwatakko wieder existiert, wenn auch nicht warum. Wir wissen, dass er Urasae wieder belebte und einige musha erschuf. Wir wissen, dass er zunächst das Blut von Tieren, dann Oni und Youkai, aber nun sicher auch von Menschen benutzt um den Blutbann aufrecht zu erhalten. So. Wir wissen auch, dass Urasae nicht ohne Grund wieder belebt wurde und aller Wahrscheinlichkeit nach sich in dein Schloss, Sesshoumaru, einschlich, ein oder zwei musha im Gepäck. Das dürfte nicht allzu schwer gewesen sein, sie ist eine Youkaihexe. Eine Dienerin mehr oder weniger fällt nicht auf, zumal ja immer wieder auch Ratsmitglieder mit Entourage da sind. Ab hier wird es Vermutung, aber eine recht plausible. Es gelang ihr Inu Yasha zu vergiften, sie blieb jedoch vor Ort. Falls der Heiler zu nahe an die Wahrheit kam, veränderte sie etwas im Gift. Das wäre möglich.“

 

Und die musha, Wesen, die ihre Form verändern konnten, verbargen sich in den leer stehenden Räumen der Ehefrauen, ja. Sesshoumaru musterte den Gott. Eine Hexe. Und sein Bruder unter seinem Dach vergiftet. Soweit stimmte seine Vermutung folglich. Aber da kam noch etwas, deutlich Unangenehmeres, wobei er sich keine Steigerung vorzustellen vermochte. Aber, das dachte er seit Montag.

 

„Das Ziel war nicht Inu Yasha zu töten, sondern ihn ohne Nachfragen zu entführen, denn selbst Iwatakko müsste klar sein, dass das ziemlichen Wirbel verursacht hätte und er noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte ist oder eher, gewesen ist. Das Opfer sollte scheintot werden. Da ihr ihn kurz allein ließt, verständlicherweise, tauschte die Hexe den Körper mit einem Lehmkörper aus. Das musste schnell geschehen, ehe euer Hanyou wieder erwachte. Wenn überhaupt. Jedenfalls dürfte sie ihn zu Iwatakko gebracht haben. Da er weder im Diesseits noch im Jenseits zu finden ist, gibt es leider mehrere Möglichkeiten, was weiterhin passiert ist. Bei Nezumiuro hab ich wenig Zweifel, dass sich Iwatakko seines Blutes und seiner Magie bediente, um mächtiger zu werden, die Seele aber Urasae überließ, die eine weitere Lehmfigur füllte. Das wäre auch möglich, mit Inu Yasha, dann wäre er tot. Und hier beginnen die großen Probleme.

Ist er tot, greift der Blutbann und die Zeitschleife, da sind wir uns einig. Aber er könnte ebenso wenig im Dies- und Jenseits sein, weil ihn Iwatakko noch gefangen hält. Zum einen, weil er sein Blut will, und das noch vergiftet war, also gereinigt werden muss, auch, weil er ihn zwingen will, möglichst viel Blut nach zu produzieren und ihn damit stärker zu machen …“ Er sah Kagomes entsetzten Blick und hob die Hand. „Nun, er könnte eben auch noch am Leben sein. Das wiederum würde bedeuten, dass der Blutbann nicht ausgelöst wurde, du noch immer mit ihm verheiratet bist, es auch keine Zeitschleife gibt. Tja. Dieser unsägliche Iwatakko hat es geschafft die Raumzeit so zu krümmen, nicht mit Absicht, denke ich mal, dass Inu Yasha gleichzeitig tot und am Leben ist. Mit komplett unterschiedlichen Folgen.“

„Inu Yasha ist Schrödingers Katze?“ fragte Kagome mit einer seltsamen Mischung aus Schrecken und Unglauben.

Sie erntete verständnislose Blicke von Gott, Baumgeist und Daiyoukai, von letzterem allerdings noch ein Knurren: „Er hat Hundeblut!“

„Äh, ja, also, Inu Yasha ist Schrödingers Hanyou, Kami-sama?“

 

 
 

Schrödingers Hanyou


 

K

agome sah durchaus, wie der kami zuerst unwillkürlich zu Bokuseno blickte, ehe er sich wieder zu ihr drehte.

„Wer ist Schrödinger-san? Und was hat er oder sie mit Katzen oder Hanyou zu tun?“

„Äh …“ Ach herrje. Hoffentlich blamierte sie sich nicht. Sie hatte davon in der Schule gehört, ja, aber das war doch schon ein Jahr her. Und das auch noch vor … Gute Güte, war sie eine Närrin! Der Gott trug den Mond auf der Stirn, er hatte gesagt, dass nicht einmal er sagen könne, wie oft die Zeitschleife durchlaufen worden sei. Das konnte, musste der Herr der Mondes und der Zeit sein, Tsukiyomi, der Bruder der Sonnengöttin. Kein Wunder, dass selbst Sesshoumaru gewisse Höflichkeit wahrte. Das war eindeutig die ranghöchste Klasse. „Äh, ein Herr Schrödinger,“ antwortete sie etwas mühsam. „Er war ein Physiker, der sich mit Quantenphysik beschäftigte. Natürlich wusste man vor mehr als siebzig Jahren weniger als heute. Also, es wurde damals diskutiert, ob und wie sich die Dinge, die in der Quantenmechanik vorkommen, auch in die reale Welt versetzen lassen. Und zwar ging es da um die Überlagerung zweier Zustände. Quanten sind die kleinsten Teilchen der Materie. Und es gibt da eben Zustände, in denen sie zum Beispiel mit und ohne Strom gleichzeitig sein können, was man heutzutage bei den neuartigen Quantencomputern nutzt. Ist aber sehr aufwendig und teuer, dafür rechnen die auch superschnell. Äh, ja. Also, dieses Gedankenexperiment beruht eben auf dieser Überlagerung. In die reale Welt übertragen bedeutete es ein Paradoxon, das allem widerspricht, was man in der realen Welt kennt.

Also, das Experiment war nur in Gedanken und sieht so aus: In einem fest verschlossenen Kasten befinden sich eine Katze und ein instabiler Atomkern, der innerhalb einer gewissen, bestimmten, Zeitspanne mit gewisser Wahrscheinlichkeit zerfällt. Der Zerfall löst in dem Gedankenexperiment mit Hilfe eines Geigerzählers die Freisetzung von Giftgas aus, das die Katze tötet. Und jetzt hat der Herr Schrödinger geschlossen, wenn die bisherige Theorie stimmen würde, dass die Sachen, die auf der Teilchenebene passieren, auch in der realen Welt gelten würden, nicht nur der Atomkern, sondern auch die Katze sich in dem Zustand der Überlagerung befinden müssten. Diese Überlagerung, also zwei Zustände gleichzeitig, wird erst beendet, wenn jemand den Kasten öffnet und den Zustand der Katze überprüft. Bis dahin ist die Katze also lebendig und gleichzeitig tot. Das ist der Katzenzustand.“

Sie holte tief Atem, bemerkte jedoch, dass sie von den beiden Youkai und dem kami aufmerksam gemustert wurde. So ergänzte sie ein wenig hilflos: „Und irgendwie ist das jetzt auch mit Inu Yasha passiert? Er sitzt da in diesem Bannkreis und keiner weiß etwas, ehe man nicht nachguckt?“

 

„Du hast es erfasst,“ sagte der kami mit einem Kopfnicken. „Das ist natürlich widersinnig und widersprüchlich und sollte niemals in dieser Welt vorkommen. Dieser unsägliche Iwatakko hat es vermocht die Raumzeit so zu krümmen, nicht zuletzt durch seinen überaus starken Bannkreis, dass eine ursprünglich im Winzigen vorkommende Unbestimmtheit, wo sie durchaus Sinn macht, sich in die Realität umgesetzt hat. Der einzige Weg, wie nanntest du es, Schrödingers Hanyou zu befreien oder zumindest sich Klarheit zu verschaffen, ist, in den Blutbann hineinzugehen und eben nachzugucken.“

„Aber, du sagtest doch, kami-sama, dass nur das gemischte Blut eines Daiyoukai und eines Menschen das brechen könnten … Kennst du noch einen Hanyou?“

„Es gibt keinen solchen in ganz Japan, deswegen fühlt sich Iwatakko sicher.“

„Das ist unsinnig,“ meinte Sesshoumaru.

„Dass er sich sicher fühlt? Nein, das mit dem gemischten Blut, oder?“

„Das etwas gleichzeitig tot und lebendig sein kann, gleich ob in dieser Welt oder einer anderen.“

„In dieser Welt sollte es unmöglich sein, ja.“ Der kami ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Zuviel hing an diesen Beiden und es war besser wenn alle aufgetauchten Fragen beredet wurden. „In der winzigen Welt, nein. Quanten, wie Kagome es nennt, sind die kleinsten Bausteine der Materie. Für sie ist Logik nicht mehr als ein Arbeitsvorschlag. Sie schwingen und fließen, sind zwei Dinge gleichzeitig und beeinflussen ihre Zwillinge, die sie seit Äonen nicht mehr gesehen haben, und berühren Grenzen, die die meisten Wesen nur hypothetisch erahnen. Kurz, es ist kompliziert und die Allermeisten nennen es Magie. "

Ein alter Magnolienbaum, ein Daiyoukai und eine miko erhielten das unbestimmte Gefühl, dass der Satz hätte weiter laufen sollen: Oder auch - ihr drei Vollidioten macht das jeden Tag und denkt nie drüber nach...

Der Herr der Zeit fuhr fort: „Das ist alles so bedacht und in Ordnung. Aber nie und nimmer sollte jemand diesen Zustand in die Makrowelt tragen und dazu auch noch indirekt eine Zeitschleife auslösen.“

„Ich dachte, das war der Blutbann?“ entfuhr es Kagome. „Also, nach dem Gesetz der Vier.“

„Sicher nicht, als du das erste Mal nicht durch den Brunnen mehr kamst. Ich hatte mir solche Mühe gegeben den wieder zu öffnen. Aber Inu Yasha wollte dich unbedingt sehen und das Band, das zwischen euch ist, konnte die Zeit nicht zerreißen – jedoch war er in dieser Zeit dir näher und überlagerte so sein altes Ich aus dem Mittelalter. Hätte er dich nicht unbedingt noch einmal vor seinem Tod sehen wollen, und Sesshoumaru ihm das ermöglicht, wärst du bereits wieder in der Vergangenheit und wir hätten zumindest das Problem mit der Zeitschleife nicht. Oder diesem Blutbann der Vier. Nun gut, eigentlich ist Iwatakko schuld, denn der hat Urasae beauftragt Inu Yasha zu vergiften. - So, ihr geht jetzt nach Akita, Niishima, und geht gemeinsam durch den Bannkreis, um herauszufinden, ob der Hanyou jetzt tot oder lebendig ist. Ist er tot, soll er ins Jenseits, der Blutbann der Vier gilt dann für euch beide. Lebt er, existiert kein Blutbann und du kannst ins Mittelalter.“

„Wie sollen wir durch den Bannkreis?“ fragte Kagome und hörte irritiert die Antwort ihres Schwager-Ehemannes:

„Bluttausch.“

„Genau.“ Der kami nickte ihr zu, da sie deutlich schluckte. „Blutsbrüderschaft, glaube ich, nennt man das unter Menschen. Kurz vor dem Blutbann, erst kurz davor, denn niemand kann sagen wie lange das hält, verletzt ihr euch und trinkt gegenseitig euer Blut.“

„Was …?“ Kagome fuhr vollkommen entsetzt zu dem Daiyoukai neben sich herum. Nur um festzustellen, dass der auch nicht gerade begeistert wirkte. Eher resigniert. Nein, dem gefiel das auch ganz und gar nicht. Aber für Inu Yasha … ja. Für den armen Hanyou, der offensichtlich in mehr als einer Klemme steckte, aus der nur sie beide ihn herausholen konnten. „Ja, schon gut,“ sagte sie eilig, sich erneut an den kami wendend. „Ich mache ja mit. Aber, wenn Inu Yasha wirklich, ich meine, wenn er wirklich tot ist, dann existiert doch immer noch dieses bescheuerte Gesetz der Vier.“

„Oh, das lässt sich leicht abschaffen.“ Da ihn miko und Daiyoukai anstarrten: „Kagome darf nicht sterben, sie muss ins Mittelalter zurück, damit die Zeit wieder gerade über den Raum laufen kann, nun ja, auch in die Strudellöcher, schwarzen Löcher und was auch immer. Also bleibt nur eine Möglichkeit. Sesshoumaru muss sterben. Natürlich bringst du dich als Krieger ehrenhaft um, da habe ich wenig Zweifel. Und bitte, schicke erst noch Iwatakko ins Jenseits.“

Sesshoumaru sollte Selbstmord begehen? Kagome spürte förmlich wie die Temperatur absackte und drehte behutsam nur den Kopf. Oh. So hatte er auch drein gesehen als den Halbbrüdern nach dem Kampf gegen So´unga der Geist ihres toten Vaters erschienen war. Er traute offenkundig seinen Ohren nicht.

„Ihr wisst, was zu tun ist.“ Im nächsten Moment war nur noch ein Schimmern da, dann war der kami verschwunden. Er wollte nicht abwarten wann bei dem reizbaren Daiyoukai der Groschen gefallen war.

 

Bokuseno erkannte, wer da in Gefahr schwebte gleich als Kollateralschaden zu enden, und meinte hastig: „Wenn ihr nach Niishima wollte, solltet ihr vielleicht Tessaiga mitnehmen. Wenn Inu Yasha lebt, wird er es benötigen.“

Der Youkai no Taishou atmete tief durch, bemüht sein Youki ebenso unter Kontrolle zu bringen wie seinen Zorn. Das hatte ihm auch noch niemand gesagt – er solle sich umbringen! Und nicht einmal, weil seine Ehre Schaden genommen hatte, sondern schlicht um ein uraltes Gesetz zu brechen, damit er Kagome los war, nun gut, die mit ihrer Reise zurück ins Mittelalter die Welt wieder in Ordnung brachte. Und leider, leider war diese Anweisung von jemandem gekommen, der ihm immerhin noch einen ehrenhaften Tod zubilligen wollte – aber auch in der Lage wäre das selbst in die Tat umzusetzen. Hatte er wirklich am Montag geglaubt das sei der schlimmste Tag seines Lebens? Der endende Donnerstag oder eher, beginnende Freitag toppte das mühelos.

Kagome, die durchaus das Gefühl hatte gerade in Wellen von Youki zu ertrinken, sah ihn besorgt an. „Das, das hat er bestimmt nicht wörtlich gemeint,“ versuchte sie zu beruhigen. „Wichtig ist doch nur, dass wir Inu Yasha finden und du diesen Felskraken umbringst, dann regelt sich doch alles.“

Sagte, die, die auf jeden Fall überleben würde und musste, weil sonst die Welt unterging, wenn sie nicht ins Mittelalter zurückkehren konnte!

Die miko erkannte, dass sie eher Öl in das Feuer gegossen hatte und hob eilig beide Hände. „Jedenfalls hat Bokuseno recht, wir brauchen Tessaiga für Inu Yasha.“

Der alte Magnolienbaum nahm das immerhin als Versuch der Hilfe zur Kenntnis. „Und, je eher ihr nach Niishima und durch den Bannkreis gelangt, umso größer ist doch die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Inu Yasha lebendig vorfindet, oder?“

Ja, das stimmte, dachte der Taishou ingrimmig. Leider war er mit seiner Schwägerin, oder eher Gefährtin, geschlagen, die offenkundig schon wieder Hunger und Durst hatte. Nun gut, auch er sollte zurück ins Schloss um das Gewand aus Feuerrattenhaar zu holen. Inu Yasha würde es ebenso wie Tessaiga benötigen, wenn er noch am Leben war. Und, das sollte der Bruder auch besser sein, denn es war für ihn selbst die einzige Chance diesen Irrsinn zu überleben. Iwatakko sollte sich schon mal ein Grab suchen. Benötigen würde der Kerl es diesmal in alle Ewigkeit!

„Und, nicht zu vergessen,“ fuhr Bokuseno bemüht sanft fort: „Du verfügst ja immer noch über Tenseiga. Du hast ihn doch noch nicht wiederbelebt?“

Nein, hatte er nicht. Nun gut. Die Sache eilte, umso mehr, als sein eigenes Ende da irgendwo hinter der nächsten Ecke wartete. Er wandte den Kopf zu seinem Drachen, der prompt sich umdrehte und weglief.

„Äh …?“ brachte Kagome noch hervor, ehe sie sah, wie ihr Schwager-Ehemann in seinen Ärmel griff und eine kleine, schwarze Perle herauszog. Oh. Offenkundig sollte es erneut in das Jenseits gehen, diesmal um Tessaiga wieder zurück zu holen. Und allem Anschein nach wollte der werte Herr Taishou dann die diretissima nehmen – rein in die Unterwelt und raus in seinem Schloss. Ja, da hatte es wer eilig. Hoffentlich kam sie wenigstens dazu etwas zu essen und zu trinken.

„Bokuseno.“

„Ja?“ Der alte Baumgeist hörte selbst das seine Stimme etwas wackelig war, aber er vermutete, dass passierte jedem, wenn ihn ein ziemlich zorniger Sesshoumaru ansah.

„Warum teilte mir niemand mit, dass Nezumiuro samt Sohn spurlos verschwunden war?“

„Ich kann es nur vermuten. Er wird seinem Schlossvorsteher gesagt haben, dass der ja nichts unternehmen solle bis er zurück ist. Soweit ich mich entsinne ist der ein Lemming, und du weißt ja …“

Ja, alles andere als kampfeslustig oder sich gar in Schwierigkeiten bringen wollend. Da war alles schief gelaufen, was nur schief gehen konnte. Und er hatte jetzt die mehr als zweifelhafte Aussicht sich mit seiner menschlichen Schwägerin durch einen unbrechbaren Bannkreis zu begeben, einen Daiyoukai zu töten – schön, das konnte amüsant werden – und zu guter Letzt sepukku zu begehen um sein Andenken zu bewahren und die Welt zu retten. Was war nur aus seinem schönen ruhigen Leben der letzten Jahrzehnte geworden?

Kagome wartete lieber still. Sie hatte heute Nachmittag seine Laune schon für mies gehalten – das war jetzt einige Stufen höher. Mörderischer. Vermutlich wäre der Daiyoukai in der Lage sie zuerst umzubringen und dann festzustellen, dass die Welt unterging. Und vielleicht dann Tenseiga zu benutzen, schön. Aber eigentlich verspürte sie nicht die mindeste Lust seine Klauen durch sie fahren zu lassen. Als er die Perle warf und sich das Portal öffnete, sprang sie nur wortlos hinein.

Sie war lernfähig, gestand er ihr zu, als er ihr folgte.

 

Und Bokuseno atmete tief durch.

 

Kagome hatte eigentlich erwartet, dass ihr Schwager-Ehemann sie wieder mit seiner Boa einfangen und auf einen der Knochenvögel setzen würde. Zu ihrer Überraschung fühlte sie sich am Handgelenk gepackt. Es gab einen schmerzhaften Ruck, dann baumelte sie unter ihm etwas hilflos zappelnd in der Luft. Immerhin ließ er sie erst aus einem Meter Höhe fallen. Ja, der Kerl war angefressen.

Sie blickte sich um. Ja, da saß der Vater, nun, dessen Skelett, und daneben eingehüllt in Seidentücher – wer?

„Tessaiga,“ kam die Anweisung des unwilligen Daiyoukai, der keinerlei Verzögerungen wünschte, und sich daher schon auf den Sprung empor machte, um die für die Rückkehr in das Diesseits – und für einen weiteren Ausflug hierher - notwendigen Perlen zu besorgen. Leider näherten die sich langsam dem Ende. Nicht weiter verwunderlich.

Tessaiga, ja. Kagome trat zögernd näher. Wieso musste der Typ jetzt abhauen? Es wäre ihr viel lieber gewesen den im Kreuz zu wissen, als sie sich bückte. In Filmen schlug der Tote jetzt seine Decke zurück und packte das ahnungslose Opfer. Unsinn, mahnte sie sich. Das war sicher nicht Inu Yasha, sonst wäre doch der ganze Aufwand, den die Götter betrieben hatten, sinnlos. So bückte sie sich, wenngleich mit angehaltenem Atem, und nahm vorsichtig das Schwert an der Scheide auf. Nichts passierte, sah man davon ab, dass sie mehr spürte als hörte, dass Sesshoumaru hinter ihr landete. Sie wich hastig rückwärts auf eine Linie mit ihm.

Der Taishou musterte mit gewisser Verachtung die verhüllte Gestalt, ehe er die Rechte hob.

Kagome rang nach Atem, als sie sah, dass die Seidentücher unter der Wucht des Klauenangriffs buchstäblich zu Konfetti wurden, einzelne Scherben in der Stille dieser Welt fast überlaut zu Boden fielen. Da sie den Blick auf sich bemerkte, atmete sie tief ein. „Ja, Urasaes Lehmfigur.“

Schön. Dieser Iwatakko war reif. Allerdings die Hexe auch, wenn er den eigenwilligen Gesichtsausdruck Kagomes richtig gedeutet hatte, als die Rede auf Urasae kam. „Spring.“

Wohin? Sie war für einen Moment verwirrt, ehe sie erkannte, dass er bereits wieder ein Portal geöffnet hatte. Ja, da drückte jemand aufs Tempo. Bloß keine Stimmung gegen sich machen, das konnte bei der Laune nur schmerzhaft werden, selbst, wenn er sie nicht umbringen sollte.

 

Sie landete etwas unelegant auf dem Schlossvorplatz und fand sich sofort von Kriegern allerlei Arten und beiderlei Geschlechts umringt. Nun ja, ein solches Portal löste sicher Alarm aus, wobei sich gleich alle entspannten als der Hausherr auftauchte.

Sesshoumaru nahm zur Kenntnis, dass seine Wachen nicht schliefen, ehe er mit ungewohnt langen Schritten in das Schloss ging, eilig gefolgt von Kagome, die Tessaiga fest an sich presste.

Vor den Türen zum Privattrakt herrschte ein ungewöhnliches Gedränge. Tatsächlich knieten dort nicht nur zwei Wachen, sondern auch Noriko, Yukio, der Heiler, und Kampfmeister Uyada als Leiter der Wachen.

Der Taishou schloss aus dieser Versammlung befriedigt, dass Akaro seine Anweisung, dass niemand den Trakt betreten dürfe, bis er selbst wieder da sei, auch buchstäblich so umgesetzt hatte.

Er streckte Uyada die Hand stumm entgegen. Der überreichte eine Papierrolle, wohlweislich ohne ein Wort zu verlieren. Prompt kamen die nächsten Anweisungen: „Noriko, Bogen und einen Köcher voll Pfeile für Kagome, Uyada, die zwei Wachen hier lass ablösen. Akaro.“ Das war ein Lob. „Yukio, komm mit. Kagome, pack.“

Alle Genannten, bis auf Akaro, der sich nur stolz etwas verneigte, hatte er doch alles richtig gemacht, kamen hastig ihren Anweisungen nach.

 

Kagome sah sich in ihrem Zimmer um. Sie sollte packen, Na toll. Was nahm man für einen Ausflug in einen Bannkreis mit, wenn es gegen einen Daiyoukai und eine Hexe ging? Immerhin, das musste sie Sesshoumaru zubilligen, trotz aller Wut nahm er sich zusammen, blieb sachlich – und traute ihr offenkundig zu zu wissen worauf es ankam. Sie trank erst einmal durstig fast einen Liter Tee, ehe sie ihren Rucksack nahm und den eilig mit Trinken füllte, suchte in dem, was an Essen noch übrig war, was man davon auch noch essen konnte. Dann überlegte sie kurz, ehe sie die Sandalen abstreifte und sich ihre Turnschuhe schnappte. Das war vermutlich für eine Querfeldeinwanderung oder auch einen Kampf besser, wenn niemand wusste, was da in diesem Bannkreis verborgen war. Weiße Turnschuhe entsprachen zwar nicht dem normalen Bild einer miko, aber sie wollte den sehen, der dazu ein Wort verlor.

Oh ja, sie sollte noch schnell was erledigen, da sie kaum annahm, dass der Herr Schwager-Ehemann auf menschliche Bedürfnisse Rücksicht nehmen würde, zumal, wenn da noch sein Selbstmord im Raum stand. Diese Woche hatte es wahrlich in sich, für sie alle beide, das musste sie zugeben. Und mahnte sich prompt nicht in Selbstmitleid zu zerfließen. Für sie war es anstrengend, ungewohnt, ja, aber Sesshoumaru hatte mit dem praktisch schon eingeplanten sepukku eindeutig die schlechteren Karten gezogen. Und, was mit dem armen Inu Yasha passiert war oder passierte, daran wollte sie nicht einmal denken. Sie musste durchhalten, es schaffen, für ihn, naja, eigentlich für ihre beiden Ehemänner. Wie schräg das klang.

 

Sesshoumaru blieb in seinem privaten Arbeitszimmer stehen und rollte den Bericht auf. Er suchte zwei Namen an einem bestimmten Tag, mit einer bestimmten Aufgabe. Nicht Hiroshi gehörten diese nachlässigen Wachen, sondern Isamu. Auch ein mächtiger Vasall, dessen Tochter …. dessen Tochter Hiroshis einzigen Sohn geheiratet hatte. Hm. Das verdiente der Überlegung. Vor allem, wenn er das so überflog, kamen eine Menge Leute zur Ausbildung her. Hatte es sich etwa eingeschlichen, dass seine Gefolgsleute auf seine Kosten ihr Militär ausbilden ließen? Das sollte man schleunigst korrigieren. Nicht jetzt, allerdings. Er ließ den Bericht achtlos zu Boden fallen. „Yukio, Inu Yasha wurde vergiftet, von einer Youkaihexe namens Urasae. Ziel war es ihn scheintot wirken zu lassen um ihn entführen zu können. Offenkundig gelang es ihr sich hier einzuschleichen und dich zu überwachen.“

„Immer, wenn es Inu Yasha-sama besser ging, verschlechterte sich sein Zustand.“

Gut, da dachte wer mit. „Vermutlich hatte sie musha dabei, die ein Daiyoukai Iwatakko aus sich erschuf.“ Seltsam. Er hatte noch nie gesehen, dass die schwarzen Schuppen im Gesicht des Herrn der Kappa sich entfärbten. „Sagt er dir was?“

„Iwatakko, der Verderber. Ich hörte nur Legenden von ihm, aus meiner Kindheit. Er muss doch schon uralt sein. Aber es hieß, er sei tot.“

„Er ist es schon.“

„Ihr wollt Euch darum kümmern?“ Yukio wusste, dass das eine überflüssige Frage war. Das war die Aufgabe des Taishou und darum folgten sie ihm. Er war ihr Schutz. „Die Kappa nannten ihn den Verderber, denn es gelang ihm, wie gesagt, ich entsinne mich nur Legenden, die mir als Kind erzählt wurden, Bäche und kleine Flüsse so zu verändern, zu verderben, dass die darin lebenden Fische und Kappa bewusstlos wurden. Er fraß sie angeblich.“

„Überprüfe deine Medikamente. Wenn Inu Yasha lebend zurück kommt, wird er entgiftet werden müssen.“

Yukio verneigte sich nur und ging. Da würde jemand alles daiyoukaimögliche unternehmen um den Bruder lebendig zurückzuholen – und Iwatakko war eigentlich bereits so tot wie nur irgendwer, der auf seinen beiden Beinen herumlief. Allerdings wusste der alte Heiler nur zu gut, dass man einen lebenden Daiyoukai vom Schlage Iwatakkos nie unterschätzen sollte. Oh. Kagome stand bereits vor ihrer Tür und Noriko reichte ihr Pfeilköcher und Bogen. Sesshoumaru war kein Narr. An solche Unterstützung mochte Iwatakko nicht gedacht haben. Und da war ja auch noch die Hexe.

 

Der Taishou stand bereits in seinem Schlafzimmer und öffnete einen seiner privatesten Bannkreise, nahm das rote Gewand heraus, das er dort verborgen hatte. Inu Yasha. Warum nur hatte er selbst das hier behalten? Hatte er doch geahnt, dass etwas nicht stimmte? Er wandte den Kopf. Jaken? Was war denn nun schon wieder los?

Der Kappa sah, wie sich die langen Finger in den Stoff gegraben hatten und vermutete Trauer. Da er sich auch als nützlich erweisen wollte, schließlich hatte den letzten, offenbar wichtigen, Auftrag Myouga erhalten, meinte er: „Es ist schwer für Euch, dass Euer Bruder starb. Aber Ihr lebt. Sagt Euch einfach immer, Sesshoumaru-sama, so wie heute will ich von nun an den Rest meines Lebens genießen.“

Erst, nachdem Jaken drei Wände aus Holz und Papier durchflogen hatte und hilflos die Treppe in die Empfangshalle hinunter kollerte, dämmerte ihm, dass er wohl irgendetwas Falsches gesagt hatte.

 
 

Nordwärts


 

K

agome wartete vor ihrem Zimmer, den Rucksack mit Verpflegung und Kleinigkeiten wie Taschentüchern, auf dem Rücken, froh, dass sie den kleineren von ihrer Mutter bestellt hatte. Bogen und Köcher, die ihr Noriko gebracht hatte, trug sie wie gewohnt über der Schulter, Tessaiga an der Scheide in der Linken haltend. Jetzt war sie ein wenig verblüfft, dass sich die junge Hundedame nach Erledigung des Auftrags nicht zurückzog, sondern sich buchstäblich zu ihren Füßen mit gesenktem Kopf niedergekniet hatte.

Die junge miko konnte nicht ahnen, dass Noriko auf dem Weg zu den Waffenkammern auch die bestraften Krieger gesehen hatte, und nun sicher war, dass auch noch etwas auf sie wartete. Den Posten unerlaubt zu verlassen, war nun einmal verboten, gleich, ob man es für sinnvoll oder nicht hielt. Darüber diskutierte man nicht mit dem Herrn, sie musste ja nur an ihren Vater denken. Hoffentlich war oyakata-sama nachsichtiger als mit seinen Kriegern… Nun ja, sie befand sich ja bereits in Ungnade und er hatte sie praktisch nicht mehr beachtet, seit er sie an seine menschliche Gefährtin gewiesen hatte. Das war nicht gut, ihr Herz schmerzte förmlich, dass er allein ihre Anwesenheit schon zu missbilligen schien. Sie würde doch alles für ihn tun!

 

Kagome spürte aus ganz anderem Grund einen Stich im Herzen, als sie ihren Schwager-Ehemann aus seinem Zimmer kommen sah. Dieses rote Feuerrattengewand in dessen Linker kannte sie nur zu gut. Inu Yasha! Und ja, dieser war unbekleidet gewesen, als er … als sie ihn zuletzt gesehen hatte. Wollte Sesshoumaru das mitnehmen? Das war ja direkt mitdenkend. Nun gut. Sie musste zugeben, dass der Herr Hund meist genau wusste, was er wollte und warum. Auch, wenn er sich selten erklärte.

Er blieb neben ihr stehen und nahm das Oberteil in die Rechte, streckte es ihr hin.

Sie war zu sehr in Trauer versunken um sofort zu reagieren,

„Zieh es über.“ Das klang eisig. Keine Zeitverschwendung auf der Suche nach seinem lebenden Bruder!

Hastig streifte sie Rucksack, Köcher und Bogen ab und gab es Noriko, die alles nahm, ohne zu wagen etwas anderes als die schwarzen Schuhe des Youkai no Taishou anzugucken. Tessaiga behielt Kagome wohlweislich, da sie sich nicht noch einen Anpfiff einhandeln wollte, weil sie das Familienerbstück in fremde Hände gab. So wechselte sie nur rasch hin und her, als sie in die Ärmel schlüpfte. Ihre Augen brannten. Sie hatte das Gewand schon manchmal getragen, aber da war ihr kalt gewesen und ihr Hanyou hatte es ihr umgehängt oder gegeben. Und jetzt … Wieso der Gürtel? Aber sie nahm ihn aus der Klaue des Daiyoukai, da sie plötzlich begriff. Natürlich. So konnte sie Tessaiga wie sonst Inu Yasha an der Hüfte tragen und hatte beide Hände frei zum Bogenschießen. Zugegeben, drei Schwerter im Gürtel bei Sesshoumaru sähen nicht nur dämlich aus, sondern würden ihn im Zweifel auch in einem Kampf behindern. Verflixt. Gerade eben hatte sie doch noch gedacht, dass der Kerl wisse, was er warum täte. Sie sollte besser mitdenken und weniger trauern, das würde im Zweifel auch Inu Yasha eher helfen. So schob sie das Schwert in die Schleife, wie sie es schon so oft gestehen hatte. Da ihr wortlos der Rest der Kleidung gegeben wurde, bückte sie sich und packte das nur rasch in den Rucksack, ehe sie ihn sich erneut auf den Rücken warf, Bogen und Köcher sortierte. Irgendwie fühlte sie sich lächerlich aussehend, aber, wenn sie bedachte, neben wem sie jetzt durch das Schloss spazierte – keiner würde lachen, aus der durchaus berechtigten Sorge, dass der Hausherr das in die falsche Kehle bekommen würde. Dessen Stimmung dürfte den Youkai bewusst sein, soweit sie sich traute zu sagen, leuchtete in seinen goldfarbenen Augen dieser dunkle, rötliche, Schimmer seiner wahren Gestalt.

„Noriko, warte im Zimmer.“ Dann ging er, hastig gefolgt von seiner Schwägerin.

Ebenso eilig gehorchte das Hundemädchen. Sie zweifelte nicht daran, dass dieser Befehl dauerhaft und bis zur Rückkehr der Gefährtin lautete. Nur nicht noch einen Fehler begehen, neben der Tür sitzen – und sich langweilen. Aber lieber Langeweile als auch kopfüber von einem Baum zu hängen oder sonst etwas. Auch das stumme Warten war eine Strafe, wenngleich noch eine milde.

 

Als die beiden Wachen die Türen zu dem Privattrakt beiseite rissen, sagte der Daiyoukai nur: „Einen Wagen.“ Ein Krieger lief unverzüglich weg, und das seltsame Paar stieg die Treppe hinunter, wobei Kagome sich betont bemühte unter den neugierigen Blicken der Wachen und Höflinge sich deutlich hinter dem Taishou zu halten. Immerhin war sie doch ein Stück kleiner, so konnte sie ihn auch eine Stufe höher nicht überragen. Wenn es um seinen Ruf, seine Ehre, ging, konnte er schon immer recht nachdrücklich werden. Tessaiga schlug an ihre Hüfte, ihren Oberschenkel, leise mahnend, dass es hier nicht um sie ginge. Ja, es war wohl gut sich immer wieder dessen zu erinnern. Für Inu Yasha, ja.

 

Sie sah nur einen schwarzen Fleck durch die Luft sausen, als sie den Boden der Halle betrat, dann erst entdeckte sie den winzigen Flohgeist auf dem Schulterfell ihres Schwagers, sichtlich keuchend. Er war doch schon recht alt.

„Sie sind drin, oyakata-sama,“ berichtete Myouga nur. Die einfachere Anrede Sesshoumaru-sama wagte er in der Öffentlichkeit wohlweislich nicht.

Sesshoumaru war angetan über den prompten Erfolgsbericht, der noch dazu so dezent gehalten war, dass neugierige Zuhörer keine Rückschlüsse ziehen konnten. Der alte Berater seines verehrten Vaters hatte nichts verlernt. Vielleicht sollte er ihm doch noch einmal von seinem Blut spenden, wenn er zurück war. Nun ja, und nicht die Welt untergegangen, weil Kagome gestorben war. Hm. Sollte Myouga bei Kouga anrufen? Der befand sich zwar sicher in seiner Sicherheitsfirma in Tokio, aber der könnte dem Nordrudel der Wölfe Bescheid geben ein Auge auf diese Pfeifhasen und Lemminge zu haben, die momentan ja anscheinend führerlos waren. Und damit leichte Beute wären. Nein. Iwatakko würde nicht mehr dazu kommen seinen eigenen Bannkreis zu verlassen, dafür würde er höchstpersönlich sorgen. Nicht notwendig Ratsmitglieder zu involvieren, das konnte auch erst passieren, wenn ein neuer Anführer für diese Nager gesucht werden musste. Daiyoukai hatten sie ja keinen mehr, auch keinen Anwärter, falls Nezumiuros Sohn ebenfalls Iwatakko oder Urasae zum Opfer gefallen war.

So nickte der Taishou nur und der winzige Floh verschwand auf der Stelle, nicht, ohne einen gefühlvollen Blick auf das Schwert an Kagomes Taille zu werfen. Es schmerzte den treuen Berater der Hundefamilie, dieses Schwert ohne seinen Herrn zu sehen. Hoffentlich würde alles gut werden.

 

Vor dem Schloss war Kagome überrascht die Nacht taghell zu sehen, ehe sie erkannte, dass Strahler den Hof erleuchteten. Youkai hin oder her – das hier war das 21. Jahrhundert, wie auch das Auto verriet, das eben vorfuhr. Der Fahrer, natürlich ein Hundeyoukai, sprang hinaus und öffnete hastig den Kofferraum. Bevor sie sich auch nur fragen konnte was das denn sollte, war ihr Schwager hingetreten und legte seine beiden Schwerter hinein. Oh. Jetzt erst dämmerte ihr, dass es mit Schwertern im Gürtel in einem Wagen durchaus Schwierigkeiten in Punkte Bequemlichkeit geben mochte und zog Tessaiga samt Scheide ab, packte es behutsam dazu. Irrte sie sich, oder freuten sich die Zwillingsschwerter sich zu berühren? Was war jetzt? Sesshoumaru sah sie an. Oh, natürlich, Sie zog eilig Bogen und Pfeile ab, den Rucksack und packte alles in den Kofferraum. Es war wirklich, wirklich, nicht nötig sich vor versammelter Mannschaft einen Tadel zuzuziehen. Dass er dazu fähig wäre – und auch zu mehr – bezweifelte sie nicht. So ging sie nur auf die Seite, sich sehr wohl bewusst, dass der Platz hinter dem Fahrer stets für den Ranghöchsten reserviert war.

Sesshoumaru nahm es zur Kenntnis und ließ sich den Schlag aufmachen, ehe der Chauffeur um das Auto herum eilte, der Gefährtin öffnete. Nun ja. Immerhin gab sie sich Mühe. Was auch immer das Wert werden mochte auf der weiteren Reise. Der Bannkreis und der dadurch notwendige Austausch ihres Blutes bereitete ihm schon gewisse Bedenken. Aber immerhin reisten sie in höherem Auftrag – das sollte dann schon funktionieren. Solange Kagome mitspielte.

 

Die junge miko schwieg, sich durchaus bewusst, dass der Daiyoukai neben ihr nicht gerade viel von Aussprachen hielt. Als sie jedoch auf die nächtliche Autobahn Richtung Norden bogen, überlegte sie noch einmal. Nicht, was sie fragen wollte, sondern, wie sie das am Besten formulieren sollte. Vielleicht einfach direkt fragen? Er hielt doch Menschen sowieso nicht für besonders schlau? „Äh, ich habe eine Frage.“ Schön, er sah stur geradeaus, das konnte sie in dem Licht der Scheinwerfer der anderen Wägen erkennen, als ob der Hinterkopf des Chauffeurs besonders interessant wäre. Wobei, bei Sesshoumaru war immer zu bedenken, dass er dessen Nacken und wie man den brechen könnte, für interessant hielt. Vorsichtig, Kagome, ermahnte sie sich. Wenngleich er sie nicht umbringen durfte, ohne damit die Welt untergehen zu lassen … Auch nur eine Ohrfeige – die er ihr sicher so als Ehemann in Youkaiaugen verpassen durfte - wäre nicht gerade wünschenswert. „Wieso fahren wir mit dem Auto und fliegen nicht wie zu Bokuseno?“

Keine Antwort, dafür glitten seine Augen kurz zu ihr, ehe er wieder gerade aus blickte.

Den Ausdruck kannte sie aus dem Mittelalter, normalerweise war der für Inu Yasha reserviert. Schön, war die Frage so dämlich? Sie fand sie berechtigt. Da sie sich aber auch nicht unbedingt als dumm darstellen wollte, riet sie laut: „Nun ja, wenn du fliegst und mich gleich mit mit deinem Youki einhüllst, kriegt das wohl jeder, ich meine jetzt nicht Menschen, in weitem Umkreis mit. Also würde das Iwatakko auch bemerken?“ Sie schielte seitwärts. Immerhin glaubte sie ein leichtes Nicken zu erkennen. „Und außerdem bedeutet fliegen auch einen gewissen Verlust an Youki? Und du willst ihm im Vollbesitz deiner Kräfte begegnen?“ Oh oh. Er sah zwar nicht zu ihr, aber seine Rechte legt sich etwas zu betont auf seinen Oberschenkel, als wollte er sie dort bewusst parken. Das wurde eng. „Nicht, dass ich glaube, dass du das nötig hast,“ beteuerte sie daher aufrichtig. „Nicht notwendig, aber, da wir ja auch nicht gerade Informationen über den Bannkreis bekommen haben, womöglich sinnvoll?“

„Schlaf.“

Nun ja, es war Nacht, sie hatte, seitdem sie in seinem Fell ….Sie spürte, wie sie rot wurde. Nun gut, an ihn gelehnt geschlafen hatte, das nicht mehr getan, morgen früh warteten ein Bannkreis, eine verrückte Hexe und ein offenkundig durchgeknallter Daiyoukai auf sie. Der Ratschlag war vermutlich nicht der schlechteste, den sie bekommen konnte, wenngleich eine andere Antwort als sie erwartet hatte. Als sie sich seitlich lehnte, und ihre Beine bequemer ausstreckte, spürte sie wieder ihren Knöchel. Das mochte durchaus auch ein Problem werden, auch, wenn sie sogar noch dran gedacht hatte den erneut zu bandagieren. Zumindest das rechte Außenband zog noch deutlich. Auch diesbezüglich war Regeneration wohl für sie, den armen Inu Yasha und natürlich auch Sesshoumaru, dem ja offenbar möglicherweise ein Selbstmord ins Haus stand, besser. Sie musste ihre beiden Ehemänner schützen, wie auch immer. Wie sie das Ganze allerdings Inu Yasha erklären sollte, nun, sie hatte keine Ahnung. Spätestens bei dem Satz: und dann war ich plötzlich mit deinem Halbbruder verheiratet, der sich übrigens gerade umgebracht hat, weil ich der Schlüssel zum Überleben der Welt bin, würde der doch in die Luft gehen. Was war nur seit letztem Montag mit ihrem Leben passiert? Mit der ganzen Welt, dem Universum und dem ganzen Rest?

 

Auf diese Frage hatte sie auch keine Antwort, als sie nach drei Stunden wieder erwachte. So sah sie sich etwas um. Der Fahrer fuhr noch immer auf der Autobahn, Sesshoumaru neben ihr spielte noch immer Statue, aber sie waren auf einer Brücke über einen Meeresarm. Rechts, im Osten zeigte sich hinter den Bergen der erste Schein der Sonne, weite Teefelder begleiteten sie. Sie war noch nie in Akita gewesen, also zumindest nicht im 21. Jahrhundert und konnte die Gegend nicht wiedererkennen. Sie setzte sich auf und bewegte behutsam den rechten Knöchel. Ja, das wurde besser, also würde sie hoffentlich nicht den schwachen Menschen abgeben. Aber nun erkannte sie, was sie geweckt hatte. Es war klug gewesen im Schloss noch einmal das Bad zu benutzen, aber der Liter Tee, den sie da noch in sich rein gekippt hatte, um nicht schon wieder durch Durst und Hunger die Rettungsmission zu verlangsamen, machte sich bemerkbar. Leider. Ob sie den Chauffeur bitten sollte an der nächsten Raststelle heraus zu fahren? Dessen Rückfrage würde an Sesshoumaru gehen, bevor ein Youkai ihr gehorchte – da konnte sie den lieben oder auch nicht so lieben Schwager-Ehemann auch direkt unter vier Augen fragen, denn die Wegweiser zeigten, dass es kaum mehr fünfzig Kilometer bis Akita waren. Und bis dahin sollten sie ja gar nicht. Tatsächlich wurde das Auto langsamer, fädelte sich für die nächste Ausfahrt ein. Gut. Das war doch noch schaffen.

 

Es dauerte allerdings noch fast eine halbe Stunde, ehe der Fahrer stoppte und auf einen kleinen Parkplatz am Rande der Landstraße fuhr, kurz den Kopf drehte. Da der Youkai no Taishou etwas wie ein Nicken zustande brachte, drehte der Chauffeur den Schlüssel und stieg aus.

Kagome wollte eigentlich wirklich nicht warten, bis ihr als zweiter aufgemacht wurde, aber das war vermutlich schon wieder ein überflüssiger Streitpunkt. Es gab wirklich eine Menge davon, stellte sie fest. Hoffentlich reichte ihre Geduld. Sie musste sich eben immer vor Augen führen, dass es um den armen Inu Yasha ging, sie ihn da rausholen mussten, ehe er tot war, was auch immer diese Hexe oder gar Iwatakko mit ihm anstellten. Diese Andeutungen des kami hatten ihr gar nicht gefallen, und, wäre sie nicht so übermüdet und matt durch die ganzen Aufregungen der letzten Tage, hätte sie wahrscheinlich wunderbare Alpträume gehabt. So trat sie nur an den Kofferraum, nahm Bogen und Rucksack und streifte sie sich über, ehe sie nach Tessaiga griff. Der werte Herr Taishou hatte natürlich bereits beide Schwerter im Gürtel.

„Befehl?“ fragte der Youkai nur.

Sesshoumaru sah ihn an. „Kehre ins Schloss zurück. Kampfmeister Uyada soll einen fliegenden Boten hersenden. Sobald der Bannkreis verschwunden ist, der ungefähr zwei Wegstunden von hier entfernt liegt, soll er Nachricht geben und du kommst wieder hierher. Sollte der Bannkreis in achtundvierzig Stunden noch bestehen, soll der Hohe Rat zusammengerufen werden, meine Berater und Yukio können berichten. Dann liegt es in den Händen des Hohen Rates.“

 

Kagome holte tief Luft. Seit wann rechnete der Kerl denn damit zu verlieren? War das etwa eine Entwicklung, die er durchgemacht hatte, als er der Chef aller Youkai geworden war? Auch an Folgen denken, die für andere entstehen könnten? Nicht nur an sich? Oder, das war auch möglich, dachte er bereits daran, dass es seine Aufgabe sein sollte, falls Inu Yasha … nun, wenn der nicht mehr lebte, sich umzubringen um die Welt zu retten? Und der Rat dann sie beschützen sollte, bis sie wieder im Mittelalter war? Die story „Sesshoumaru und das Ende der Welt“ schien ja ganz neue Blicke auf ihn zu ermöglichen. Oh, okay, lieber nichts sagen, vor allem nicht, solange der Youkai noch nicht abgefahren war. Der Blick, der ihr gerade gegolten hatte, war nicht gerade von zärtlicher Gattenliebe geprägt, eher als sei sie irgendein undefinierbares Objekt frisch aus der Kanalisation. Als ob sie etwas dafür konnte, dass ihr Überleben und sein Ableben die Zeit sicherte! „Warte,“ bat sie dennoch, als er los gehen wollte. „Äh, ich müsste mal kurz weg …“ War zwar peinlich das zu sagen, aber wenn sie das nicht gestand, würde er sie vermutlich am Arm packen und den eher abreißen als sie verschwinden zu lassen.

 

Das durfte doch nicht wahr sein! Diese menschlichen, überflüssigen Bedürfnisse kosteten wertvolle Zeit. Zeit, die sein Halbbruder, wenn er denn noch lebte, sicher nicht hatte! „Wir gehen.“

Kagome stemmte beide Hände die Taille. „Ach ja? Dann erzähle ich dir mal was. Das kann man als Mensch nicht einfach so beherrschen. Aber bitte, gehen wir, ich mache mir in die Hosen. Für mich peinlich, eine Beleidigung für meinen Stolz – und für deine Nase erst recht!“

Er wandte sich ab. „Beeile dich!“. Dann schloss er in stummer Resignation die Augen. Nein, diese Reise würde mehr als nur leidig werden. Er hatte ganz vergessen gehabt wie lästig diese menschlichen Anwandlungen waren. Wenn er in der Firma war, interessierte ihn das nie, er blieb in seinem Büro, und da dazu auch ein Bad gehörte, fragte auch keiner der menschlichen Mitarbeiter je nach. Sie suchten ihn sowieso oft genug heim – ob ein Mensch je nachvollziehen konnte, wie unpassend Zitronendeo, Vanilleduschmittel und Fliedershampoo zusammen rochen? Durchaus mit ein Grund, warum er die menschliche Firma hauptsächlich Inu Yasha überlassen hatte. Der hatte sich entweder daran gewöhnt oder dessen Nase war bei weitem schlechter als er selbst immer schon geglaubt hatte. Jedenfalls beschwerte der sich nie. Das immerhin musste er seiner Schwägerin, nun ja, Gefährtin zubilligen – sie hatte nur mit Wasser geduscht. Vermutlich aus Erfahrung mit der Nase des Hanyou.

 

Kagome atmete auf, ehe sie förmlich zwischen die Büsche floh. Sie blieb stehen, als ihr einfiel, dass Inu Yasha mal gemeint hatte, es sei doch egal, ob sie drei oder dreißig Meter weg sei, er bekäme das trotzdem mit. Und die Sinne des vollblütigen Youkai waren eindeutig noch mal besser. Wollte sie nicht zwei Kilometer in die falsche Richtung laufen und natürlich wieder zurück, war es wohl einfach sinnlos. Überdies sollte sie aufpassen. Er schien wirklich gereizt zu sein. Und würde kaum irgendwelchen Sachen ihrerseits nachgeben, die er für Launen hielt. Sie musste einfach immer an ihren Hanyou in Problemen denken, das würde helfen. Musste es. Aber sie hatte eben auch ihren Stolz und würde sich doch nicht permanent von ihrem Schwager, nun ja, Ehemann, herum kommandieren lassen. Das hier war die Neuzeit! Und sie kein Fußabtreter für schwägerliche Dominanzprobleme!

 

Mit dieser guten Absicht kehrte sie zurück. „Zwei Kilometer bis zu dem Bannkreis,“ war ja wohl eine hoffentlich sachliche Darlegung. Natürlich kam keine Antwort, sondern er ging einfach los. Wie hielt das Jaken mit diesem Kerl nur aus?

Wie hatte Rin das mit dem ausgehalten, ergänzte sie keine fünf Minuten später, als sie feststellen musste, dass sie schweigend hinter ihm durch den Wald laufen sollte. Nun ja, musste, denn das Unterholz war ziemlich dicht und er suchte offenkundig eine Art Pfad. Suchte eine Art, dachte sie ingrimmig nach zehn Minuten, als sie bereits zum dritten Mal ihre Hose von einer dornigen Pflanze befreien musste. Und der Typ vor ihr trug die weich fallenden Haare knielang, die kein Blättchen streifte, die Boa glitt so perfekt eine Handbreit über den Untergrund, dass weder Laub noch Staub die Blütenweiße störten, von dornigen Ranken ganz zu schweigen. In Kagome begann es zu brodeln.

 

Gute Vorsätze


 

K

agome ging nach keiner halben Stunde nur mehr grummelnd hinter Sesshoumaru her. Zwei Kilometer, ja? Da hatte er wohl fliegen gemeint und nicht diesen dicht bewachsenen Wald mit jeder Menge dorniger Ranken. Und wieso lief der immer bergauf? Ja, schön, sie konnte ebenfalls spüren, dass irgendwo dort eine Magie lag, die wahrlich nicht von schlechten Eltern war. Aber hätte dieser dumme Hund nicht gleich sagen können, dass es sich um zwei Kilometer Luftlinie handelte? Oder war das für Youkai schon wieder vollkommen klar? Sie wusste, dass der Daiyoukai die Richtung auf den Bannkreis hielt, er wollte ja auch keine Zeit verlieren und sie fühlte den Zauber ebenso, aber ...

Ja, aber. Die Sonne war eindeutig aufgegangen und in dem Wald kletterte damit nicht nur die Temperatur, sondern auch die Luftfeuchtigkeit. Sicher, sie kannte das, aber es war dennoch mehr als unangenehm. Zu allem Überfluss stiegen aus dem Boden jede Menge Insekten auf, die anscheinend alle auf Menschenblut aus waren. Vielleicht wäre sie nicht so zornig geworden, wenn sich diese kleinen Biester auch an dem Hundeyoukai vor ihr gütlich getan hätten. Aber der schritt voran, immer noch kein Stäubchen in der Boa, keine Kratzer an Händen oder Beinen, keine Mücken im Gesicht, die sich nicht einmal durch Wedeln vertreiben ließen. Das war einfach unfair!

Und das sagte sie auch laut. Natürlich erzielte sie damit keine Wirkung, aber man konnte ja schlecht Mücken, Bäume oder die Sonne anklagen und so war sie eben wütend auf das einzige Geschöpf, das hier ansprechbar war. Zumindest das, denn die Null-Reaktion bewies ihr nur zu deutlich, dass er in ihr kein gleichrangiges Lebewesen sah, nicht einmal so etwas wie einen treuen Begleiter, einen Hund, wie es ein Mensch getan hätte. Er machte wortlos deutlich, dass er sie als Anhang duldete, aber nicht akzeptierte, und ihr Stolz bäumte sich auf. Nun gut. „Vielleicht kannst du mir erklären, warum wir den Berg hoch laufen müssen? Ja, schon gut, ich merke den Bannkreis auch, aber der muss doch auch mal hinunter gehen. Und wieso müssen wir hier durch das Unterholz voller Dornen stapfen?“ Es war ungerecht, sie wusste es selbst, aber die nur zu menschliche Art sich einen Sündenbock zu suchen tat neben ihrem Temperament ihr Übriges. So setzte sie die Strafpredigt fort und legte all ihr Missfallen hinein. Inu Yasha hätte bei einem Protest gegen diese Rede sicher auf dem Boden gelegen.

 

Sesshoumaru besaß seit Jahrhunderten Übung Redereien, die in seinem Rücken geführt wurden zu überhören. Da der Monolog allerdings andauerte, verspürte er gute Lust den zu beenden. Das war jedoch nicht seine Aufgabe. Wenn Inu Yasha noch am Leben war – und das hoffte er aufgrund seiner eigenen, persönlichen, Konsequenzen schwer – war es dessen Aufgabe seiner Gefährtin den Mund zu verbieten. Insgesamt musste er seinem Bruder sowieso eine unfassbare Geduld zugestehen, wenn der das … ja, wie lange? … mit Kagome ausgehalten hatte. Seine eigene Erinnerung an diese Ehe verblasste und er nahm an, dass das absolut nichts Gutes für die Zeitschleife verhieß. Jedenfalls, wenn alles wieder in Ordnung kam, diese vorlaute miko in der Vergangenheit verschwunden war, sollte er sich einmal seinen kleinen Bruder näher betrachten. War das, was er so oft für Schwäche und Nachgiebigkeit gehalten hatte, einfach nur eine unbegreifliche Geduld? Geduld nicht zuletzt mit ihm selbst? Der Jüngere war ihm damals Monate buchstäblich hinterher gelaufen, ehe er ihn als Begleitung akzeptieren konnte – und das hatte sich wahrlich ausgezahlt. Mit Tessaiga, nun gut, Inu Yasha und Tessaiga an seiner Seite waren die Daiyoukai noch kooperativer gewesen als ihm allein gegenüber. Und auch jetzt, in den Firmen, wie damals in Kämpfen – der Hanyou drückte sich nie vor Arbeit, er maulte nur unter vier Augen, wenn ihm was nicht passte, aber er war absolut loyal. Wartete der noch immer darauf als gleichwertig anerkannt zu werden? Geduld? Das war eigentlich nicht unbedingt das Wort, das er mit dem aufbrausenden Hitzkopf verband. Wenn er allerdings so betrachtete, mit was der Jahre, Jahrzehnte, zusammen gelebt hatte und das offenbar glücklich … hm. An der Bannkette konnte es nicht gelegen haben, die trug der Jüngere ja trotz des Angebotes sie ihm abzunehmen freiwillig als Erinnerung an seine Gefährtin noch immer.

Und die redete ja noch immer wie ein Wasserfall. Ohne Gehirn, aber fließend. Gut. Die Ohrfeige sollte ihr Inu Yasha verpassen, aber seine eigene Geduld hatte jetzt wahrlich ein Ende.

 

Kagomes Überlebensinstinkt war das Einzige, das sie davor bewahrte in die Schwertabfangdornen der Rüstung ihres Schwagers hineinzulaufen. Sie hatte die Bewegung eigentlich nicht gesehen, nicht, dass er stehen geblieben war, nicht, dass er sich umgedreht hatte. Sie erkannte nur jäh eine schwarze Wand vor sich und erstarrte. Gerade noch rechtzeitig um eine elegante Handbewegung zu sehen, die mit langen Fingern fast behutsam kurz auf ihrem Mund endete. Was?

Wollte sie zumindest fragen, aber sie brachte keinen Ton heraus. Da Sesshoumaru seltsam zufrieden schien und sich umwandte um weiter zu gehen, versuchte sie es erneut. Kein Laut. Es hätte nicht der Erklärungen Kaedes gebraucht um festzustellen, dass ihr dieser Misthund einen Schweigebann auferlegt hatte! Das war doch … Leider musste sie erkennen, dass sie ihn weder gebührend anschreien konnte, noch auch nur eine Chance hatte sich zu entschuldigen. Alles, was ihr blieb war wütend hinter ihm her zu stapfen, mit jedem Schritt ihren Unmut deklarierend.

Das gab es doch nicht! Für was hielt sich dieser Idiot eigentlich? Sie würde ihm einen Pfeil in das hochwohlgeborene Hinterteil jagen, sie würde …

Allerdings gab es in ihrem Hinterkopf ein Stimmchen der Vernunft, das ihr sagte, dass jemand, der ihren Pfeil bereits zwischen zwei Fingern aufgefangen hatte, sich kaum von einem neuen Versuch ihrerseits beeindrucken lassen würde.

Die Antwort auf ihre nächste Idee ihn am Arm zu packen und herumzureißen … nun ja. Er durfte sie nicht umbringen, aber sie hatte schon zugesehen, wie er mit der Hand Inu Yashas Eingeweide buchstäblich durchwühlt hatte. Der Hanyou hatte überlebt, aber ... Ja, aber.

Oh, sobald sie wieder reden konnte, sie würde ihm sonst was an den Kopf werfen … nette Idee. Sie sah sich um, aber hier lagen keine Steine. Abgesehen davon, siehe die Minute zuvor. Er würde solch einen Angriff abwehren und garantiert beantworten. Schmerzhaft.

 

Herrliche Stille! Der Daiyoukai fragte sich warum er nicht schon früher auf den Einfall gekommen war. Dass sie wütend war, nun, damit konnte er leben. Wichtiger wurde das Plätschern dort vorne, das Wasser und der immer schwerer, wie eine Last, zu spürende Bann. Eines musste man diesem Iwatakko lassen – Blutmagie beherrschte der. Kein Wunder, dass sich alle solche Sorgen um den machten. Durch diesen Zauber kam wirklich nichts durch, das nicht die Bedingungen erfüllte. Nun gut. Vielleicht sollte er Kagome wieder beruhigen, damit sie wieder mitmachte? Ohne sie ging es an dem Bannkreis nicht weiter. Aber, wenn sie sich etwas abgeregt hatte, würde sie wissen, dass und was die Chance für Inu Yasha wäre. Hatte sie nicht selbst gesagt, dass sie alles für den tun würde?

 

Es war ziemlich anstrengend, befand Kagome Minuten später, beim bergauf wandern auch noch aufzustampfen. Überdies nahm der Herr Hund das ja nicht einmal zur Kenntnis. Er behandelte sie gerade wie Luft. So sehr das an ihrem Stolz nagte, umso mehr erwachte ihre Fairness: ja, es war ungerecht ihn zu beschimpfen, nur weil ihr die Lage nicht gefiel, ja, er war es nicht gewohnt, dass ihm jemand die Meinung sagte, ja, er vermisste und suchte seinen eigenen Bruder, und, nicht zuletzt, er hatte allen Grund selbst gereizt zu sein, denn während sie so oder so zurück in das Mittelalter konnte, sollte er sich umbringen, wenn Inu Yasha ..., nun, wenn es dieser nicht geschafft hatte.

Und dafür, stellte sie dann doch fest, hatte er sie geradezu pfleglich behandelt. Ein Schweigebann war nervig, aber deutlich besser als wenn er handgreiflich geworden wäre. Er hatte schon vor fünfhundert Jahren eine Menge anrichten können ohne sich anzustrengen und sie bezweifelte nicht, dass er stärker geworden war. Zumal, weil ihm alle anderen Daiyoukai doch folgten.

Wasser plätscherte. Nein, da vor ihnen musste ein Wasserfall sein. Ja. Das erklärte auch die zunehmende Luftfeuchtigkeit und die abnehmende Wärme. Und sie konnte immer deutlicher vor sich einen gewaltigen, mächtigen, Bann spüren. Das konnte, musste, dieser Blutbann sein in den sie wollten, um nach ihrem Hanyou zu sehen. Katzenzustand bei einem halben Hund. Wenn das ihr Physiklehrer wüsste!

 

Nur kurz darauf stand das unwillige Paar an einem kleinen See. Rechter Hand kam ein Bach von dem Berg hinab und stürzte sich als Wasserfall in eben diesen See, nach links floss das Wasser weiter als Bach hinab. Mannshohe Farne bedeckten den Boden um den See, darüber ragten die Wipfel verschiedenster Bäume, wie auch bislang schon. Aber hier war es kühl und feucht genug, dass die Farne sich wohlfühlten.

Kagome war unwillkürlich neben den Daiyoukai getreten und bemerkte erst an seinem Seitenblick, dass der nur auf etwas von ihr wartete. Nein, sie war lernfähig, so sehr sie sich auch über diesen Schweigezauber ärgerte. Sie war ungerecht gewesen und er hatte ebenso seine Probleme mit der Lage, wenn nicht größere als sie. Und eines der gemeinsamen Probleme lag da drüben, jenseits des Sees. Der Zauber, den dieser Iwatakko da gelegt hatte, drückte förmlich auf sie. Zu sehen war freilich nichts. Aber das war sicher eine Täuschung. Ja. Wenn sie genauer hinblickte erkannte sie leichte Schlieren. Aber jemand anderer, Mensch oder vermutlich sogar Youkai einfacher Klasse, würde nichts bemerken.

Sie fuhr herum, als sie plötzlich fühlte, dass eine Magie, von der sie seit Tagen umgeben war, verschwunden war. Sesshoumarus Youki. Wo war dieser Idiot denn schon wieder hin? Konnte er das nicht ankündigen? Schön, vermutlich würde er den Blutzauber untersuchen, aber wieso nahm er sie nicht mit, sondern setzte sie hier im Wald, am Seeufer, wie ein Findelkind aus? Weil er ohne sie schneller war? Weil sie ihn mit ihrem Gerede offenkundig zu viel genervt hatte? Oder hatte er etwas Verdächtiges gespürt, gehört, gewittert? Wenn der Kerl doch nur mal die Fangzähne auseinander bekommen würde!

 

Sie sah sich um, doch ein wenig nervös werdend, so allein im dichten Wald. Daher ging sie lieber direkt an das Ufer des Sees, wo sich die Farne nicht angesiedelt hatten.

Youki! Und leider nicht das ihres Schwager-Ehemannes, viel schwächer. Sie fuhr herum, bereits nach einem Pfeil greifend, noch während der Bogen von der Schulter rutschte. Sie legte an, als sie sah, dass sich die Farne vor ihr bewegten, etwas Grünes näherkam, dann stehenblieb und sie neugierig betrachtete.

Es war ein Youkai, offenbar ein Insekt, und sie ließ den Bogen etwas sinken, da sie erkannte, dass der Unbekannte sich weder näherte noch besonders groß war. Er erreichte kaum die Höhe ihres Bauches. Andererseits erinnerte sie das Geschöpf an etwas. Heuschrecke, ja. Die Fühler endeten in scharfen Klauen. Oh, ja. Es gab doch diese Heuschrecken, die nicht nur Blätter fraßen. War das so ein Youkai? Dann sollte sie wachsam bleiben, Größe war schließlich nicht alles. Und leider hatte sie mit ihrer Idee hier auf die offene Fläche zu gehen, nun den See im Rücken. Sie konnte zwar schwimmen, aber doch gewisse Erfahrung hatte sie gelehrt, dass allerlei unnette Wesen sich in Teichen oder Flüssen aufhielten, angefangen bei Kappas, über Blutegel bis zu Seeschlangen.

Das Spüren einer weiteren Aura ließ sie nach rechts blicken. Na toll. Noch so ein Zwerg, auch mit scharfen Klauen, auch sie musternd. War hier irgendwo ein Nest? Und, vor allem, hatten sie sie eingekreist?

Hektisch sah sie nach links, wo der Wasserfall in den See stürzte, und damit auch alle Geräusche, die diese Wesen im Dickicht gemacht hatten, übertönt hatte. Das sah nach Ärger aus. Sie waren zu dritt und sie hatten sie eingekreist. Sie hätte sie gern gewarnt, weil sie sie instinktiv als Kinder empfand, aber da war ja der Schweigebann. Dauernd ging ihr ihr Schwager-Ehemann auf die Nerven, aber wenn es kritisch wurde, war der nicht da. Und hatte auch noch dafür gesorgt, dass sie nicht um Hilfe rufen konnte. Nicht mal das. Obwohl sie ja nicht ganz hilflos war. Wenn sie nicht genau gewusst hätte, dass an ihrem Überleben die ganze Welt hing und er das auch wusste, hätte man diesem Misthund Absicht unterstellen können!

Moment mal. Das waren keine Schneiden an den Fühlern, das war das erste Beinpaar. Das waren Gottesanbeterinnen! Jetzt war sie sicher. Und die waren Lauerjäger, warteten regungslos auf Beute. Wenn sie sich so zeigten, hieß das, dass sie ihrer Sache sicher waren.

Verflixt!

Der oder die Youkai vor ihr näherte sich langsam, aber Kagome war eingefallen, dass diese Fangbeine ausklappen konnten. Und sichtlich scharf bestückt waren. Wenn die sie zu fassen kriegten, fand Sesshoumaru sie nur noch in kleinen Stücken vor. Wenn der nicht endlich mal auftauchte.

Oder aber sie schnell genug war. Sie schoss den ersten hell aufleuchtenden Pfeil auf das Wesen vor sich ab und fuhr herum, kampferfahren genug, um bereits erneut zum Köcher zu greifen und noch in der Drehung nach links zu zielen, wo das Youki näherkam, abermals die Sehne loszulassen. Fieberhaft sah sie sich um, als sie etwas spürte und hörte, das sie lieber nicht getan hätte.

Vor ihr raschelte das mannshohe Farnkraut, dann wackelten buchstäblich die Bäume, als sich vor ihr eine riesige Gottesanbeterin aus ihrer Deckung erhob. War das etwa die Mutter der Kleinen? Dann war die garantiert sauer, dass sie ihre Kinder gerade geläutert hatte. Der dreieckige Kopf und die riesigen Fangbeine schwebten in fast zehn Metern Höhe über ihr. Und das dritte Kleine kam auch näher.

Kagome war sich nicht sicher, wie weit die Arme der Mutter reichten, aber wohl bis zu ihr. Das hatte wohl eine Jagdlektion werden sollen – mit ihr als Opfer. Sie hatte bereits wieder angelegt und visierte jetzt das Kleinere an, durchaus nicht sicher, ob sie die Mutter läutern konnte. Die war schon wirklich riesig. Als sie seitlich Youki fast neben sich spürte, machte sie sich lieber keine Gedanken mehr und schoss ab, bereits den nächsten Pfeil ziehend, ehe sie erkannte, dass sich etwas Weiß-Grünes auf der Fläche befand – weiß, wie die Kleidung eines gewissen Daiyoukai und leuchtend grün wie die Energie Bakusaigas. Farne, Bäume und auch die Gottesanbeterinyoukai wurden förmlich zerfetzt und sanken als Ascheregen auf den Boden.

 

Kagome atmete durch, entspannte die Sehne und steckte den Pfeil in den Köcher. Ihr Schwager-Ehemann hatte bereits seine Klinge zurückgeschoben und wandte sich um. Ja, sie war unverletzt, dachte sie unwillkürlich, danke der Nachfrage, und nein, seinetwegen konnte sie sich nicht einmal bedanken.

Mit einer etwas heftigen Bewegung hängte sie den Bogen wieder über die Schulter. Nur, um im nächsten Moment zusammen zu zucken, denn der Youkai no Taishou stand direkt vor ihr, die Hand erhoben. Mann, was war denn jetzt schon wieder ….

Aber dann spürte sie seine Finger auf dem Mund und war froh genug über die Hilfe und die Tatsache wieder reden zu können, dass sie nur sagte: „Danke.“

 

Sie brauchte nicht zu denken, dass er nicht wusste wie sich das anfühlte. Wenn er als Welpe ihrer Meinung nach zu viel geredet hatte, hatte ihm Mutter auch solch einen Bann aufgehalst. Und sich köstlich amüsiert, wenn er tagelang schweigend seinen Lehrern zuhören musste. Oder sogar, wenn er zu viele für einen Erbprinzen nicht gebotene Emotionen gezeigt hatte, in Mutters Gegenwart schweigend Kimonos besticken musste.

Kagome hatte sich allerdings nicht schlecht gehalten. Gleich drei Youkai zu läutern, bewies, dass sie sowohl eine fähige, kampferfahrene, Bogenschützin als auch eine durchaus mächtige miko war. An der riesigen Insektenyoukai wäre sie allerdings wohl gescheitert. Keine Daiyoukai, zwar, aber dennoch alt und gewaltig. Darum war er auch schnell geworden, als er das Youki gespürt hatte. An dem Leben seiner Gefährtin, nein, Schwägerin, hing nun einmal das Schicksal der Welt. „Komm.“

 

Er führte sie an das Ende des Sees, wo der Bach sich auf den Weg hinunter zum Meer machte und sprang über diesen. Er wandte kurz den Kopf, aber sie trug diese neumodischen Turnschuhe und musste nicht so behutsam sein wie mit getas. Hier hatte er eine Stelle gefunden, an der ein Baum wuchs, der sich noch diesseits des Blutzaubers befand. Sie mussten jetzt gegenseitig ihr Blut trinken um den Bann zu erfüllen – und er fragte sich wirklich für wen von ihnen beiden das unangenehmer sein würde.

Aber es war die einzige Chance in das Gebiet dahinter vorzudringen und in Erfahrung zu bringen, was mit seinem Bruder passiert war. Und die Zeit am Laufen zu halten.

 

„Der Blutbann.“ Kagome hauchte es nur. Es war unglaublich wie drückend die Magie hier war. Dieser Iwatakko konnte offenkundig leider wirklich etwas. Man glaubte da sei wieder Wald, aber das war eine Täuschung. Ab hier ging es nicht mehr weiter – nicht für das Licht, nicht für eine Ameise, nicht für Mensch oder Youkai. Nur ein Hanyou mit Daiyoukai als Elternteil käme hindurch. Oder ein Daiyoukai und ein Mensch, die ihr Blut geteilt hatten. Das würde sicher alles andere als angenehm werden. Aber es war die einzige Chance herauszufinden, in welchem Zustand, lebend oder tot, sich Inu Yasha befand. Und, nebenbei die Welt zu retten. Sie bemerkte, dass sie schon wieder einen Seitenblick kassiert hatte. Sollte sie denn gar nichts mehr sagen? Schön, ihre nächste Frage gehörte zum Thema, das würde den Herrn Schwager-Ehemann doch wohl nicht auch noch stören. Nochmal so einen Schweigebann brauchte sie wirklich nicht. „Wie stellst du dir das mit dem Blutaustausch vor?“

Er drehte sich zu ihr und hob etwas die Linke, so dass sein Ärmel zurück fiel. Mit der Rechten versetzte er sich wortlos einen tiefen Kratzer in den Unterarm, so dass dunkelrot und zähflüssig das dämonische Blut austrat. „Trink.“

Kagome schluckte trocken, aber es gab wohl keine andere Möglichkeit um Inu Yasha zu retten. Immerhin war es Sesshoumaru garantiert auch unangenehm sie so nahe an sich zu lassen. Da er den Arm ausstreckte, beugte sie sich dorthin und legte mit gewissem Zögern ihren Mund an die Verletzung. Das sah so anders aus als ihr Blut, dunkler, nun ja, eher so wie Inu Yashas, eher noch zähflüssiger. Die Halbbrüder teilten ja die Hälfte ihres Blutes, ihre beiden Ehemänner. Wie irre das doch war. Da kam zu wenig, dachte sie noch, ehe sie versuchte zu saugen.

Sesshoumaru hielt still, auch, wenn sich alles in ihm dagegen wehrte von einem Menschen dermaßen berührt zu werden. Ja, er hatte natürlich schon weibliche Lippen auf seiner Haut gespürt, aber noch nie von einem Menschen, noch dazu von seiner, oder eher Inu Yashas, Gefährtin! Zum Glück hatte er die wohl einzigen Youkai, die hier lebten, schon ausgerottet. Das wäre eine Bloßstellung geworden. Kagome wich abrupt zurück. Die Ursache konnte er sich denken, als er erkannte, dass sie würgte. Ihr wurde schlecht. Es gab aber keine andere Möglichkeit – außer, er zeugte einen Hanyou mit ihr. Und das würde dauern und überdies nicht funktionieren. Er wandte sich ab, um wenigstens nicht zusehen zu müssen.

Sie machte die wenigen Schritte zum See und wusch sich den Mund aus, ehe sie mit Tränen in den Augen keuchte: „Das geht so nicht. Sesshoumaru, ich kann das einfach nicht! Nicht einmal für Inu Yasha.“ Sie hätte am liebsten vor Demütigung und Frustration geweint, aber der letzte Funken Stolz hielt sie davon ab.
 

Blutschleifen


 

S

esshoumaru musterte seine Schwägerin. Kagome log nicht, ihre Verzweiflung war kaum zu überriechen. Warum nur gelang es dieser selbsternannten miko nicht sein Blut zu schlucken? Das war essentiell um den Bannkreis vor ihnen zu durchdringen. Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Schaffte sie es nicht sich zusammen zu reißen um den Untergang der Welt zu verhindern? Oder auch Inu Yasha hoffentlich zu retten?

„Äh … du hast keine Idee?“ erkundigte sie sich leise und rieb sich die Tränen aus den Augen. Ach, war das peinlich so zu versagen! Sie kam nicht auf die Erkenntnis, dass es sehr viele andere Leute gab, die ganz andere Emotionen oder Worte fanden, wenn sie von dem Youkai no Taishou gemustert wurden und das Gefühl hatten versagt zu haben - wie Todesangst.

Nein, die einzige Idee, die er hatte, hatte sie gerade verpfuscht! Na schön. Bei diesem unsäglichen Heiratsantrag war sie ja auch irgendwie einem Rest von Vernunft zugänglich gewesen. Womöglich sollte er sie beruhigen? Nur, mit welchem Ziel? Ja, sicher, dass sie sein Blut trank, aber … „Ist es bei Menschen üblich kein Blut zu vertragen?“

„Ja, ich denke schon, also, dass es einem … ich meine, nicht deines im Speziellen, sondern auch das von anderen Menschen. Es schmeckt einfach widerlich.“ Ihr war gerade noch eingefallen, dass das der hochgeborene Hundeyoukai schon wieder als Beleidigung ansehen könnte, vertrüge sie sein Blut nicht. Sie wollte gar nicht wissen, was ihm nach einem Schweigebann einfallen würde. Rettung der Welt hin oder her – auf Beleidigungen reagierte er meist sehr unwiderruflich.

Das ließ dann nur einen logischen Schluss zu: sie hatte es wollen, zumal es schnell hinter sich bringen wollen, und es dabei in üblich menschlicher Hektik übertrieben. „Du hast etwas zu trinken in deinem Rucksack.“

„Äh, ja.“ Ihr fiel auf, dass sie schon wieder „äh“ gesagt hatte. Hoffentlich hielt er sie jetzt nicht für dämlich. So nahm sie nur ihren Rucksack ab und sah ihn fragend an, noch immer bemüht tief zu atmen.

Immerhin war sie kooperativer als vor dem Schweigebann. Da schien etwas gewirkt zu haben. „Trink erneut mein Blut, abwechselnd.“

Ja, das war immerhin eine neue Idee. Sie holte Tee hervor. Vielleicht schmeckte das zähflüssige Youkaiblut dann nicht derart metallisch mehr. Da ihre Beine noch immer zitterten, ließ sie sich einfach auf den Boden sinken. Es war zwar etwas unangenehm so vor ihm zu knien, aber immerhin konnte sie so seinen herab gestreckten Arm erreichen, den Tee halten und hatte nicht das Gefühl gleich umzukippen. Bis sie saß, hatte er sich erneut die kleine Wunde aufgerissen. Das war schon wieder am verheilen. Sie musste nur an Inu Yasha denken, wie rasch bei dem Hanyou Verletzungen abheilten. Beim großen Bruder verlief das offenkundig nochmals schneller. Umso erstaunlicher eigentlich, dass damals sein Arm nicht nachgewachsen war. Nun, gleich, daran sollte sie jetzt nicht denken, auch nicht daran, dass direkt vor ihr eine Klaue entspannt hing, die sie ohne jede Anstrengung in Stücke reißen konnte, als er den Ärmel emporschob.

„Langsam!“ mahnte er. Das war die einzige Chance, für sie beide, Inu Yasha und die gesamte Raumzeit. Hoffentlich, der Gedanke kam ihm zum ersten Mal, würde er sich nicht auch so anstellen, wenn er Menschenblut zu sich nehmen sollte, noch dazu das einer miko.

 

Kagome empfand den Geschmack noch immer als magenumdrehend, aber wenn sie langsam das hervorquellende Blut ableckte, dann einen Schluck Tee nahm, ging es. Immerhin wurde ihr nicht mehr so richtig schlecht und sie war für Inu Yasha fest entschlossen damit zufrieden zu sein. Sie konnte auch spüren, dass sie Youki in sich aufnahm. Es kribbelte richtig und ihr war bewusst, dass ihr Körper bereits jetzt schon anfing das fremde Blut, die gegenteilige Energie, wieder abzubauen. Es musste dann schnell gehen durch den Blutbann zu kommen. Hoffentlich benötigte Sesshoumaru nicht auch so lange um ihr Blut zu trinken, sonst musste sie diesen Zirkus hier nochmals durchstehen.

Dieses Problem war auch dem Daiyoukai bewusst. Eine taktische Mischung aus Geschwindigkeit, Blutmenge und Läuterung war notwendig. Und er musste schnell genug sein, auch, wenn ihm selbst die Aussicht diese erbärmliche Körperflüssigkeit der minderen Art trinken zu sollen überhaupt nicht zusagte. Immerhin vertrug er Blut, das wusste er noch aus den Zeiten, in denen seine eigene Energie als Welpe nicht genügt hatte, sein Youketsu ihn noch nicht vollständig versorgen konnte, und er von den Eltern Beute bekam.

„Das genügt.“ Er zog den Arm zurück.

Da sie aufatmend aufstand und den Tee in den Rucksack packte, erkundigte sie sich nur: „Ich kann mich nicht … also, du müsstest meinen Arm so verletzen, oder?“

Er dachte nicht im Traum daran sich vor sie zu knien und ihr Blut dergestalt aufzusaugen.

Kagome spürte sich plötzlich nur am Hinterkopf gefasst und umgedreht. Noch bevor sie ganz begriff was er vorhatte, fühlte sie seinen Mund auf dem ihren. Was hatte er denn jetzt … Noch während sie sich verwirrt das fragte, gefühlsmäßig gleichzeitig zurück zucken wollte, spürte sie, wie er ihre Unterlippe in seinen Mund saugte und mit den Fangzähnen zubiss. Es tat weh, schmerzte in mehrerer Weise und sie versuchte sich instinktiv zu befreien, nach ihm zu schlagen. Leider traf sie dabei nur seine Rüstung – und der Griff an ihrem Kopf wurde deutlich fester. Er hielt sie wie in einem Schraubstock.

Ihr wurde klar, dass er sie nicht freigeben würde, ehe er genug von ihrem Blut getrunken hatte. Wenn sie nicht stillhielt, wäre der liebe Schwager-Ehemann in der Lage ihr rein aus Versehen buchstäblich den Kopf abzureißen. Der und sein verdammtes Dominanzgebaren! Immer war er derjenige, der bestimmte! Oh, sie würde ihm sonst etwas erzählen, wenn sie nur wieder zum reden käme und ...

Ja, und. Das würde ihr vermutlich den nächsten Schweigebann einbringen, und, wenn sie anschließend dadurch zu langsam durch den Bannkreis kamen, nur eine Wiederholung der letzten Minuten. Es war …

Wenn sie diesen Iwatakko samt Urasae zu fassen bekam!

Endlich fühlte sie sich freigegeben.

 

„Komm.“ Interessanter Anblick, den seine Schwägerin da bot: das Gesicht gerötet, die Lippen geschwollen durch die zugegeben nicht eben sanfte Behandlung, leicht erschöpft wirkend. So hatte sie wohl bislang nur Inu Yasha zu sehen bekommen. Aber in ihre Augen schlich sich bereits wieder ein wütender Funke. Klein beigeben war nicht ihre Sache, gleich, wie sinnvoll es wäre.

„Ich sollte dir eine Ohrfeige verpassen!“ zischte sie auch nur, mit der Linken die schmerzenden Lippen berührend, während sie mit der Rechten bereits Boden und Rucksack wieder ordentlich richtete. Ja, die Zeit drängte, aber für was hielt sich dieser dumme Hund eigentlich? Die Tatsache, dass er eine Augenbraue hob und damit noch arroganter als gewöhnlich aussah, ließ sie tief Luft holen, auch, wenn Reden eindeutig in der zerbissenen Lippe schmerzte.

„Wir sind verheiratet,“ sagte er sachlich, bereits auf dem Weg zum Bannkreis. „Sei froh, dass ich nicht alles genommen habe, was ich berechtigt wäre.“

Sie fand keine Worte, denn leider, leider hatte er recht. Dieser bescheuerte Blutbann der Vier existierte ja auch noch, zumindest, bis nicht klar war, ob Inu Yasha noch am Leben war. So trat sie nur neben den Daiyoukai. In dieser Nähe war die Magie der Barriere kaum zu ertragen, aber immerhin fühlte sie sich nicht mehr so abgewehrt. Der Bluttausch schien zu wirken, auch, wenn sie die Läuterung ebenso in sich feststellte. Aber das ging Sesshoumaru vermutlich auch so, nur umgedreht, dass er sich von ihrem Blut reinigte. Sie mussten da wirklich schnell durch. Eine Berührung ließ sie nach unten sehen. Lange, bekrallte Finger hatten sich um ihr linkes Handgelenk gelegt. Wollte er sie schon wieder irgendwie… ?

Er spürte nur zu deutlich den jähen Anstieg ihrer läuternden Energie und sah sich mal wieder zu einer Erklärung genötigt. Wirklich, nicht einmal mit Inu Yasha hatte er so viel reden müssen. In fünfhundert Jahren! „Schließe die Augen. Und öffne sie nicht ohne Anweisung.“

 

Da er bereits den letzten Schritt auf den Bann zumachte, beschloss sie, dass es wohl keine weitere Erläuterung geben würde. Natürlich nicht! Immer musste man bei diesem Misthund raten. Und wenn man daneben lag, guckte der einen an, als ob man der größte Narr diesseits des Pazifik wäre. Mindestens. Aber, das hatte sie in den vergangenen Tagen gesehen, er wusste, was er wollte und warum. So schloss sie die Augen, allerdings nicht, ohne sich rückzuversichern und ihrerseits im Gegengriff die Finger um sein Handgelenk zu legen, was er immerhin duldete.

Nur einen Schritt weiter waren sie in dem Bannkreis und Kagome war etwas erstaunt, aus gleich zwei Gründen. Sie war wirklich schon des Öfteren durch Bannkreise gegangen, aber das hatte sich immer anders angefühlt, eher, wie ein Vorhang. Hier spürte sie an Gesicht und Händen praktisch etwas wie kühles Gel, eine Masse, die sie gleichsam betastete. Fast vorsichtig holte sie Luft. Das klappte zu ihrer Erleichterung. Gleichzeitig hörte sie aber auch Jammern, Schreie, ja, Heulen, wie von den verschiedensten Tieren und Youkai. Vor der Barriere war nichts zu vernehmen gewesen.

Moment. Waren das etwa die Stimmen der Wesen, die Iwatakko für diesen Bannkreis ermordet hatte? Sie wollte fragen, fühlte jedoch sofort, wie sich die Klaue mahnend fester um ihr Handgelenk schloss. Sie sollte nicht gucken, nicht reden. Was war hier nur los? Hatte Sesshoumaru auch die Augen geschlossen? Sie konnte es sich nicht vorstellen. Also, was war hier, von dem er glaubte, dass sie es nicht sehen sollte?

Blicke. Sie fühlte sich beobachtet. Wie war das, die Nacht hatte tausend Augen? Na, dieser Zauber offenbar auch. Und alle Augen waren auf sie Zwei gerichtet. Das Youki, das sie in sich fühlte, zog, und sie vermutete, dass es andersherum bei ihrem Schwager ähnlich war. Beide Magien in ihnen schienen auch auf den Zauber zu reagieren, überprüft zu werden. Es konnten nicht mehr viele Schritte sei, dachte sie. Das Geschrei um sie, die mächtige Magie, das Gefühl der Hilflosigkeit … Das war wirklich einer der härtesten Bannkreise, den sie je erlebt hatte. Sicher, der am Berg Hakurei war auch stark gewesen, aber eben nur gegen Youkai gerichtet, läuternd. Und hatte ihr praktisch nichts ausgemacht.

So oder so hätte sie nie geglaubt, dass außer Inu Yashas Hand mal eine Klaue um ihren Unterarm das einzige Stückchen Halt in ihrem Leben bedeuten würde, sie sich umgekehrt an ein Handgelenk klammern würde, dessen magentafarbene Streifen nur zu deutlich zeigten, dass es sich nicht um einen Menschen handelte. Wie weit war es noch? Gingen sie überhaupt noch? Standen sie? Irgendwie hatte sie ihr Körpergefühl verloren, bis auf eben diesen festen Wechselgriff. Alles andere war wie ein Sturm der Magie. Wie lange noch?

 

Sesshoumaru hatte die Augen ebenfalls geschlossen, zur Vorsorge, denn er konnte auch in einem solchen Sturm aus Zauberkraft die Richtung behalten. Allerdings hatte er von Trugbildern in derartigen Bannkreisen gehört, die selbst mächtigen Daiyoukai eine Falle stellen konnten. Um wie viel mehr einer solchen Amateurpriesterin, wie er sie mit sich schleppen musste.

Immerhin, das musste er zugeben, war sie mit den Insekten zuvor gut klar gekommen. Natürlich nicht mit der Mutter, aber immerhin. Jaken wäre vermutlich gefressen worden. Es hatte schon seinen Grund gehabt, warum er ihm schon ziemlich am Beginn ihrer Bekanntschaft den Kopfstab überlassen hatte. Damit konnte der sich wenigstens verteidigen. Myouga war sowieso weg, ehe jeder andere Gefahr bemerkte.

Nun gut. Alles, was ihn an seiner Schwägerin, Gefährtin, störte war ihr Temperament und ein Mundwerk, das nur von einem Schweigebann in Schach zu halten war. Immerhin sagte sie jetzt hier nichts und schien auch die Augen geschlossen zu halten, denn ab und an klammerte sie sich an sein Handgelenk, als ob sie stolpere. Iwatakkos Bann sollte besser bald enden, denn er konnte spüren, dass sein Youki schon fast alle fremden Teile in seinem Blut absorbiert hatte. Vermutlich ging es Kagome ebenso.

Die Luft veränderte sich. Statt des Hindernisses war da nun – Feuer und Wasser? Er öffnete die Augen. Was er zu sehen bekam, ließ ihn den Kopf drehen, mit einer raschen Wendung die Lage überprüfen. Kagome stand neben ihm, noch immer ihn fest haltend, die Augen geschlossen. Hm. Langsam lernte er wohl, wie er mit ihr umgehen musste. „Sieh.“

 

Sie machte prompt die Augen auf und starrte in die gespenstische Landschaft. Als der kami gesagt hatte, dass auch kein Sonnenstrahl durch den Bannkreis käme, hatte sie die logische Schlussfolgerung übersehen. Hier war es Nacht. Die Dunkelheit wurde allerdings rötlich erleuchtet. Immer wieder hatten die Erdbeben der letzten Monate tiefe Spalten in die einstige Halbinsel Niishima gerissen. Feuerfontänen schossen heraus und bildete kleine Bäche aus glühendem Gestein, die sich in Becken zu Teichen sammelten. Die Luft war wassergetränkt und schwer zu atmen. Die Ursache lag wohl in den ab und an aufspritzenden Geysiren oder was auch immer, die den Boden ebenso wie die feuchtwarme Atmosphäre wässerten. Weder Luft noch Licht, noch Lava oder Wasser kam hinein oder hinaus. Sie atmete tief durch. „Ich würde Iwatakko dringend einen anderen Innenarchitekten empfehlen.“

„Komm.“ Er ging nach rechts.

Sie erkannte, ebenso wie außerhalb des Bannkreises, eine Hügelkette. Nur draußen, da war ein Bach gewesen, ein Wasserfall, Wald und Pflanzen. Hier war alles tot. Kein Leben. Im nächsten Moment hätte sie fast aufgeschrien, als ihre linke Schulter rücksichtslos gezerrt wurde.

Der Daiyoukai war schnell geworden und flog förmlich auf die Hügelkette zu, sie dabei wie ein Stoffband durch die Luft hinter sich herziehend.

Sie hätte gern protestiert, war aber zu sehr damit beschäftigt nach Atem zu ringen. Überdies vermutete sie, dass es einen guten Grund für diese plötzliche Aktion gab, zumal sie erkannte, dass er auf einen Spalt in den Felsen zusteuerte, sie dort erst zu Boden ließ und freigab. Sie rieb sich etwas die Schulter und sah sich um – prompt wurde sie mehr oder weniger in die Spalte gestoßen. Er folgte.

„Was sollte …?“ begann sie alles andere als friedlich. Da gab sie sich Mühe und ...Tenseiga? Sie erkannte erstaunt, dass er das Schwert des Lebens zog und in den Ausgang in den Boden stieß.

„Tessaiga!“ befahl er.

Sie zog immer noch etwas verwirrt die Klinge, übergab sie. Ja, beide Schwerter. Tessaiga konnte einen Schutzbann bilden, nun, beide Klingen, zumal vermutlich gemeinsam. Wen oder was hatte der sonst so kampflustige Daiyoukai denn kommen gesehen oder eher gewittert? Sie setzte sich und ließ den Rucksack ab, etwas müde von der Magie, dem Bluttausch zuvor. Moment mal. Galt das auch für den Herrn Hund? War der momentan nicht gerade in Bestform und wusste nicht wie viele da kamen? Vermutlich, denn er siegelte beide Schwerter mit einem eigenen Bann. Sie sah auf. „Tessaiga hat dich nicht abgewehrt.“ Schön, dem Seitenblick nach hatte sie etwas unglaublich Dummes gesagt. Aber sie kannte es doch aus dem Mittelalter, dass … oder andersherum, wie viel stärker war er in den letzten fünfhundert Jahren geworden? Oder noch anders – ja, sie hatte mal wieder geredet ohne nachzudenken. Tessaiga wehrte vollblütige Youkai ab, aber es war das Beschützerschwert, geschmiedet mit dem Fangzahn eines Daiyoukai, um eine Menschenfrau und einen Hanyou zu schützen. Vermutlich war der Schwager-Ehemann stärker geworden, aber Tesasaiga wehrte ihn nicht ab, wenn er eine Menschenfrau schützen wollte. Es war voraussichtlich sinnvoller erst einmal nichts mehr zu sagen und sich nicht weiter zu blamieren, zumal er wie ein Wachhund am Eingang stand und in die rötliche Dämmerung draußen blickte. Sie rutschte etwas um an seiner weiten, weißen Hose vorbei zu gucken. Seine Hand, die locker an seiner Seite, aber mehr oder weniger vor ihrem Gesicht hing, störte sie nach der Zeit in der Barriere nicht mehr. Kam da etwa Iwatakko, gar mit mehreren Leuten, diesen musha?

 

Sesshoumaru hätte überaus ungern seiner Gefährtin, Schwägerin, erklärt, warum er annahm, dass ihm Tessaiga plötzlich gehorcht hatte. Er hatte angenommen auf seinen Befehl hin würde sie die Klinge in den Boden rammen und die Zwillingsschwerter aufeinander reagieren. Als er den Griff des eigenwilligen Tessaiga in die Klaue bekam, hatte es ihn jedoch nicht abgewehrt, Und dafür gab es in seinen Augen nur eine Erklärung: das Schwert gehorchte nicht, keinem Menschen, keinem Youkai, keinem Daiyoukai – nur einem Hanyou. Und offenkundig war der letzte Rest von Kagomes Blut noch nicht aus ihm verschwunden. Ergo er ein … Oh, nicht dran zu denken. Lieber an die Gegner.

Der Youkai no Taishou hatte deutlich bessere Augen als seine Schwägerin. In der Dunkelheit erkannte er drei Schatten, Schemen in Menschenform, die sich dem Bannkreis näherten, genauer, der Stelle, an der sie zwei ihn vor Minuten durchquert hatten. Also hatte er sich nicht getäuscht und Iwatakko war mit seinem Blutbann verbunden. Es war nur sinnvoll einen Alarm auszulösen, wenn jemand hindurch kam, gleich, wie sicher man sich auch fühlen mochte.

Nur drei. Das hätte er erledigen können, aber er war sich nicht sicher gewesen, ob nicht der so genannte Krake mit einem halben Heer kam. Immerhin hatte der früher eine ganze Armee aus diesen kagemusha besessen. Das Trio war bewaffnet, denn an den Hüften blitzte es metallisch. Und sie waren offenkundig aufeinander abgestimmt. Sie blieben in einer Dreiecksformation stehen und drehten sich gleichzeitig in drei Richtungen, suchten offenbar etwas Auffälliges.

Hm. Die Drei agierten sehr gemeinsam. War es möglich …. Ja. Iwatakko hatte diese musha aus sich selbst erschaffen, aber sie verfügten über kein Youketsu, kein Youki. Sie waren wahrlich Schemen, Abbilder ihres Herrn. Und der sah vermutlich, was sie sahen, hörte, was sie hörten.

Das wiederum bot eine Erklärung, warum der Daiyoukai vor so langer Zeit trotz seines Heeres an unsterblichen Kriegern gegen den Menschenkaiser das Duell verloren hatte. Der hatte offenkundig mitgedacht. Die musha waren in den Kampf gegen die vereinigten Armeen aus Youkai und Menschen gezogen – und ein komplettes Heer zu steuern, die ganzen Eindrücke und Entscheidungen, hatte Iwatakko überfordert. Zumindest soweit, dass er das Duell verlor. Der Kaiser hatte ihn in eine Falle gelockt, ihn von seinem Heer getrennt.

Nun gut, das bedeutete, dass Iwatakko trotz aller Intelligenz und Zauberkunst zu schlagen war. Von der eigenen Kampfstärke war er sowieso überzeugt.

 

„Musha,“ flüsterte Kagome, die sie nun erst entdeckt hatte. Prompt spürte sie kurz Finger auf ihrem Mund und zuckte erschreckt zusammen, auch, wenn er nicht einmal den Kopf zu ihr gedreht hatte, und auch die Hand unverzüglich wieder sinken ließ. Minimale Bewegung für maximalen Erfolg. Wirklich, danke, sie brauchte keinen erneuten Schweigebann! Glaubte Sesshoumaru etwa, dass die da draußen sie hier hören könnten? Sie hatte gute Lust nachzufragen, aber die Folge wäre vermutlich nur, dass sie ….

Ah, dieser Misthund! Der legte sie an die Leine. Wofür hielt der sich eigentlich? Nun ja, für den Chef aller Youkai in Japan. Und leider hielt er sich nicht nur dafür. Hoffentlich fanden sie bald Inu Yasha, dann würde doch der Schwager sie wieder mehr ignorieren. Momentan schien er sie ja als Ehefrau zu sehen – was ihrer Meinung nach nur bedeutete, dass sie garantiert nie mit ihm verheiratet sein wollte. Musste sie ja auch nicht, wenn Inu Yasha lebte und sie ins Mittelalter zurück konnte.

Sonst müsste sie doch mal den kitsune no kyuu fragen, ob er ihr eine Bannkette wie Inu Yashas für eine andere Art Hund anfertigen könnte. Oh, ja. Das wäre was. Apport, mein Hund?

Die kagemusha, Schattenkrieger, schienen noch immer die Ursache zu suchen, warum sich der Bann gerührt hatte. Anscheinend hatte dieser dämliche Iwatakko eine Art Alarmanlage eingebaut. Aber, Sekunde. Wenn Urasae in diesem Bannkreis war, müssten doch auch noch deren Lehmkrieger hier herumschwirren.

Deswegen hatte es der Herr Schwager-Ehemann bevorzugt erst einmal in Deckung zu gehen. Gleich zwei Heere, wenn auch kleine, plus Hexe plus Daiyoukai, waren auch ihm wohl ein bisschen viel, zumindest, ehe er die Lage geklärt hatte. Immerhin hatte die Gegenseite mit Inu Yasha vermutlich eine Geisel. Ja, Sesshoumaru war ein Taishou, ein Heerführer, und aller Voraussicht nach sogar darin ausgebildet worden. Zum Glück hatte sie keine Kritik geäußert, sich schon wieder bloß gestellt, als dumm verkauft.

 
 

Beratung


 

K

agome lehnte ihren Kopf gegen den Rucksack. Anscheinend gab es nichts weiter zu tun, außer abzuwarten, wann diese Schattenkrieger wieder verschwinden würden.

Hm. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass die sich genähert hatten, keine Spur von Youki wahrgenommen. Besaßen die etwa keines? Das wäre schlecht, denn dann wäre sie gegen die musha absolut hilflos. Deren Schwerter hatten allerdings recht real ausgesehen. Vermutlich war das auch noch mit ein Grund, warum der Herr Schwager-Ehemann sich dezent zurück gezogen hatte. Der hatte vermutlich schon eher mitbekommen, dass er sie nur als nutzloses Beigepäck betrachten konnte. Na, toll. Das tat er zwar immer und bei jedem, aber gegen die musha anscheinend auch noch mit Recht. Sie wäre in einem Kampf für ihn nur eine Belastung, da er ja auch noch aufpassen müsste, dass sie am Leben blieb. Ärgerlich.

Nun gut, gegen Urasae sah das dann schon anders aus, denn wenn Kikyou frisch auferstanden die alte Youkaihexe läutern konnte, dann sie doch wohl erst recht. Tja. Da waren allerdings noch die Lehmkrieger. Besaßen die ein Youki oder nicht? Gute Frage.

Wie war das damals gewesen? Urasae suchte sich verstorbene Menschen mit bestimmten Fähigkeiten, nahm deren Knochen und Graberde und buk die zusammen mit Lehm in ihrem Backofen. Dann rief sie die Seele zurück. Ja, genau. Denn sie hatte ja erst, als sie Kikyou wiederbeleben wollte, festgestellt, dass da keine Seele mehr existierte, sie also schon wiedergeboren sein musste. Nun, das zu hören, war nichts gewesen, das sie, Kagome, sehr erfreut hatte, ebenso wenig das Kräuterbad, in dem diese dumme Hexe versucht hatte ihre Seele zu entziehen – und dabei, das sollte man mal festhalten, zum größten Teil gescheitert war. Nur ein Teil von Kikyous Seele hatte sie bekommen, leider den ziemlich boshaften und rachsüchtigen. Schön, Kikyou hatte sich dann ja gebessert und ihr Tod war, zumal für den armen Inu Yasha, recht tragisch gewesen. Aber Urasae hatte doch noch den Nerv besessen, sterbend zu spotten, dem armen Hanyou zu erklären, dass das einst reine Mädchen nun ein rachsüchtiger Dämon geworden sei. Und wer war daran schuld? Diese dämliche Hexe!

Schön, aber hatten die Lehmkrieger nun Youki oder nicht? Eigentlich nein, denn wenn es sich immer um die Seelen von Menschen handelte …? Aber, wo waren dann der alte Pfeifhase samt Sohn und Rest abgeblieben? Konnte Urasae sie doch auch so einbacken? Oder, waren sie etwa Teil der armen Seelen, die da in dem Bannkreis steckten? Es hatte sich schauderhaft angehört. Und, das gab sie ehrlich zu, wenn sie sich nicht an Sesshoumaru hätte festhalten können – allein wäre sie vermutlich durchgedreht. So sehr der arrogante Kerl sie auf die Palme brachte, mit dem an der Seite hatte man doch das Gefühl, dass alles gut werden würde. Er hatte nun einmal beachtliche Fähigkeiten, die offenkundig auch alle anderen Youkai anerkannten.

Sie sah zu ihm auf, genauer, zu seinem Hinterkopf. Sollte sie ihm ihre Überlegungen zu den Lehmkriegern sagen? Er hatte ja mit denen wohl nichts zu tun gehabt oder mit Urasae. Andererseits hatte dieser Misthund ja schon deutlich gemacht, was er davon hielt, wenn sie in seinen Augen unnützes Zeug redete. Aber, beschloss sie dann, das gehörte ja wohl zur Vorbereitung auf einen Kampf, das sollte für den Herrn Taishou doch auch zum Thema gehören. Wie schaffte der das nur, dass seine Haare immer so weich und glatt fielen? Ihre waren deutlich kürzer, nun ja, wilder, aber sie bekam gern jede Menge Knoten hinein, wenn sie sich nicht regelmäßig bürstete. Gleich. Sie konnte ihn ja schlecht nach seinem Conditioner fragen. Abgesehen von der Kleinigkeit, dass sie zwar draußen keine musha mehr sah, aber das bei dieser Dämmerung nichts hieß.

Sie setzte sich auf und starrte ihn an wie Buyo sie, wenn der Futter wollte. Wenn er nicht ungefragt angesprochen werden wollte, nun, bitte, sie konnte auch anders. An dem kurzen Seitenblick merkte sie, dass er es prompt registriert hatte. Un-Mensch!

„Nun?“

Das sollte wohl eine Einladung zum Reden sein, dachte sie grimmig. Wenn sie nur so eine Bannkette hätte, das Loch, was er im Boden hinterlassen würde, wäre … Nun ja, Sie hatte keine. Überdies stünde da auch noch die Frage im Raum, ob er sich das Teil nicht abnehmen und im Gegenzug IHR umlegen könnte. „Ich habe mir überlegt, wenn diese musha kein Youki haben, kann ich sie nicht läutern.“ Da er kurz die Augen schloss, war das vermutlich schon wieder eine überflüssige Bemerkung. „So fragte ich mich, wie das mit den Lehmkriegern aussieht. Urasae ist eine Youkai, die kann ich läutern.“ Ha! Jetzt drehte er doch den Kopf und sah auf sie hinab. „Aber die Lehmkrieger früher waren, soweit ich mich entsinne, alles Menschen, beziehungsweise menschliche Seelen, die mit der Zerstörung des Lehmkörpers frei wurden. Die kann ich nicht läutern. Vielleicht wäre Tenseiga hilfreich?“ Keine Antwort, also durfte sie wohl weiterreden. Dieser … Oh, sie würde nie wieder denken Inu Yasha sei stur oder arrogant oder höre zu wenig auf sie! „Jedenfalls – wenn die Lehmkrieger nur Menschen sind, kann ich dir gegen sie nicht helfen. Aber, wo stecken dann die Youkai, die verschwunden sind? Waren das die … die Schreie im Bannkreis?“

Das war wenigstens eine neue Information. Weder gegen musha noch gegen die Lehmkrieger konnte sie etwas ausrichten. Und gab das immerhin auch noch offen zu. Ja, wo waren die Seelen der Youkai? Iwatakko hatte sicher ihr Blut für den Bann genommen und ihr Youki um stärker zu werden, sich weiter wieder zu beleben. Sie sah ihn so fragend an, genauso große, dunkle, Augen wie Rin früher … Fast widerwillig sagte er: „Es waren die Todesschreie der Tiere, Menschen und Youkai, die für den Blutbann benutzt wurden. Ihre Seelen sind darin nun gebannt und müssen das immer wieder erleben, solange der Blutbann andauert.“ Oh, sie wurde wütend, welche Überraschung, dachte er zynisch. Vornehme Zurückhaltung oder Selbstbeherrschung stand eindeutig nicht auf ihrem Programm.

„Dieser Mistkerl lässt sie immer und immer wieder ihren Tod erleben? Das ist ja …“ Unwillkürlich griff sie zu dem Köcher, ehe sie bedachte, dass sie eine ausführliche Erklärung bekommen hatte. War ihr Nachdenken über die Lehmkrieger etwa nützlich gewesen? Das konnte doch dann eigentlich nur die prompte Belohnung sein. Sekunde. Ihr Zorn fand soeben ein neues Ziel. Versuchte ihr Schwager-Ehemann etwa sie mit Schweigebann und Kommunikation, also eigentlich Zuckerbrot und Peitsche, zu erziehen? Das war doch … Allerdings murmelte etwas in ihrem Hinterkopf, dass sie seinen Halbbruder, Bruder, ja auch nicht gerade besser behandelt hatte, so mit Bannkette und Kommandos. Und, dass das Sesshoumaru durchaus mitbekommen hatte. War das etwa die Retourkutsche für die Behandlung Inu Yashas? So atmete sie nur einmal tief durch und entspannte sich. „Wann hört der Bann auf?“

„Sobald der Schöpfer tot ist.“

„Das sollte nicht mehr lange dauern, oder? Gehen wir? Oder sind noch musha da?“

Man beachte die Reihenfolge, dachte der Daiyoukai. Zunächst das Vertrauen, dass ich ihn umbringen werde, nun, das steht außer Zweifel, dann die Frage ob wir gehen, sie erkennt an, dass ich entscheide, und dann erst das Nachdenken, warum wir eigentlich hier warten. Und ich möchte trotz aller verblassenden Erinnerung an diese Zeit schwören, dass sie in diesem Alter Inu Yasha nie um Erlaubnis gebeten hat. „Zum Schloss.“

Kagome unterdrückte gerade noch ihre fragende Wiederholung, da ihr einfiel, dass doch Bokuseno erzählt hatte, Iwatakko habe auf dieser Halbinsel einst ein Schloss besessen. Moment mal, das sollte doch mit der Hälfte Niishimas auf dem Meeresboden liegen? Ja. Und dieser Vollpfosten von Daiyoukai hatte es mit Hilfe von Erdbeben wieder hochgeholt. Na, das Ergebnis dieser Erdbeben war eben diese nette vulkanische Landschaft da draußen. Es würde vermutlich heiß werden, so neben den Geysiren und der Lava, aber das half nichts. Im Schloss lag, da hatte der werte Schwager-Ehemann wohl recht, die größte Chance den Staatsgefangenen Nummer Eins zu finden. Da er Tenseiga aufnahm, stand sie ebenfalls auf und nahm Tessaiga, schob es in die Scheide. Die und auch die Klingen waren beim Sitzen wirklich lästig. Kein Wunder, dass Inu Yasha sie immer abzog und sich auf den Schoss legte, Sesshoumaru lieber stehen blieb,

 

Draußen vor dem Spalt sah sich der Daiyoukai noch einmal um. In dieser Landschaft aus Feuer und Wasser verschwanden Gerüche. Er konnte so gut wie nichts wahrnehmen. Was ihn zuvor auf die Schattenkrieger aufmerksam gemacht hatte, war nur der Hauch einer Rezeption gewesen, mehr geahnt als gewittert. Ungewohnt für ihn. Er atmete einmal tief die feuchte Luft. Nein. So war eindeutig nichts zu wittern. Aber er sollte sich vorsehen. Iwatakko war nicht dem Jenseits entkommen weil er schwach oder töricht war. Er würde sicher die Energie eines Daiyoukai in seinem Bannkreis spüren, wenn er es nicht schon hatte. Aber davon war kaum auszugehen, da er selbst seit dem … nun, dem taktischen Rückzug in die Spalte sein Youki so gut wie verborgen hielt. Es stellte sich allerdings die Frage, wie das mit der Hexe und Kagome aussah, oder auch Iwatakko. Wenn sie wütend wurde, flammte da manchmal eine recht mächtige Energie auf. Er musste es ihr wohl sagen. Hoffentlich konnte sie sich beherrschen. „Unterdrücke dein Reiki.“

„Hm?“ Kagome war neben ihn getreten und sah nun fragend zu ihm auf. Dann bemerkte sie, dass sie selbst in dieser Nähe sein Youki nicht mehr spürte. „Er kann uns sonst finden? Ich hoffe, das schaffe ich,“ erklärte sie ehrlich. „Das habe ich noch nie so probiert.“ Da der Blick des Taishou eindeutig: dann versuche es und halte mich nicht auf, zu lesen war, holte sie tief Atem, ehe sie leise meinte: „Aber, da gibt es doch ein Problem, oder? Wenn du deine Energie unterdrückst, kannst du nicht fliegen oder andere Dinge?“

Das Erstere mochte stimmen, fliegen ging nicht. Aber er konnte noch genug. Für wen hielt ihn diese lausige Amateurpriesterin eigentlich?

Oh, oh, dachte sie nur. Das war eindeutig schon wieder eine Bemerkung zu viel gewesen. Natürlich war er auch ohne offen gezeigtes Youki tödlich. War der Typ empfindlich! „Schon gut, ich gebe mir Mühe, ja, siehst du?“ murmelte sie eilig. Alles nur für Inu Yasha! Und vermutlich konnte sie dem nicht einmal später erzählen was sie hier durchgemacht hatte, da gab es so Kleinigkeiten, für die er sicher null komma null Verständnis hätte. Angefangen bei dem Satz, ich war mit deinem Bruder verheiratet, aber das war so ein bescheuerter Blutbann bis hin zu wir haben uns geküsst, aber da ging es um den Blutaustausch … Den jeweils zweiten Teil des Satzes würde ihr Hanyou schon nicht mehr hören, sondern Sesshoumaru zu Duell fordern.

 

Ja, sie versuchte es, gab der Daiyoukai zu, als er nach rechts ging, auf halber Höhe des Hügels blieb, um wenigstens den Lavabecken zu entkommen. Er musste bedenken, dass Kagome noch weniger Hitze als er selbst vertrug. Das Problem, oder eher, Rätsel, bei ihrer Energie war, warum sie sie im Normalzustand kaum zeigte – nur, wenn sie wütend wurde, dann allerdings wie, nun, wie dieser Geysir dort vorne, der erneut eine Menge Wasser in die Luft und auf den Boden des unseligen Bannkreises schickte. Bokuseno hatte gesagt, das Schloss sei mit einem gut Teil der Halbinsel im Meer versunken. Also musste es nun irgendwo linker Hand von ihm liegen, nahe am Meer. Und dort vorne konnte er auch erneut Hügel erkennen. Oder lag davor auch etwas? Selbst seine Sinne trogen ihn in diesem schwarz-roten Zwielicht. Und zu wittern war auch nichts.

 

Die schweigende Wanderung dauerte fast eineinhalb Stunden, ohne dass sich das Licht änderte. Kagome bemerkte durchaus, dass der Daiyoukai manchmal zögerte, dann eine Kurve machte und folgte ihm lieber buchstäblich auf dem Fuße. Der Boden hier war, das spürte sie selbst durch die Sohlen der Turnschuhe, heiß, und womöglich lagen an den Stellen, die er mied, noch Lavaflüsse dicht unter der Oberfläche. Allerdings strengte das an. Es war heiß, stickig, die Luftfeuchtigkeit mochte an die achtzig Prozent betragen, sie war durchgeschwitzt.

„Warte, bitte,“ sagte sie.

Tatsächlich blieb er stehen, ohne sich allerdings umzuwenden. Er konnte sich vorstellen, was sie wollte, ihre Erschöpfung war ihm nicht entgangen. Und er vermerkte es durchaus als positiv, dass sie sich nicht beschwerte. Ja, für Inu Yasha würde sie alles tun. Wie er es sich gedacht hatte, der Rucksack, Trinken. Ihr Körper benötigte offenbar dringend etwas, denn er vermutete, dass es sie Selbstbeherrschung kostete ihn um etwas zu bitten. Warum nur fiel es ihr so schwer die Rangfolge anzuerkennen? Moment. Was war das denn? In der Dämmerung vor ihm erkannte er an den gegenüberliegenden Hügeln etwas noch Schwärzeres und musterte es genauer. Ja. Das musste das Schloss sein. Und wenn es eine Chance gab Inu Yasha samt seinen Entführern zu finden, dann war sie dort am Größten. Nun ja. Schloss. Sein Geschmack wäre es nicht gewesen. Aber, es war wohl sinnvoll Kagome zu informieren, immerhin sah es so aus, als müssten sie quer über die feuchtheiße Ebene. „Das Schloss.“

„Äh, wo?“ Sie packte eilig den Tretrapack Tee weg und schwang sich den Rucksack wieder auf um neben den Daiyoukai zu treten. Wo? Aber das sagte er nicht, so folgte sie seinem Blick. Da war doch nichts an den Hügeln? Bei der Beleuchtung … oh. Das sah aus wie ein, ja, wie ein Steinquader. Das war sicher kein Schloss, also, kein japanisches und auch keine Burg, wie sie sie schon aus Europa gesehen hatte. Das sah aus, als habe jemand zwei Quader übereinandergestellt, immerhin den kleineren nach oben. Ein Pueblo, meinte sie sich zu erinnern. So was in Amerika. Und aus Stein. Sie atmete tief ein und aus. Langsam wurde es schwer in dieser Luft. „Dann gehen wir direkt dort hin.“

Er wandte ihr tatsächlich das Gesicht zu. „Direkt?“

Die Frage war ernst gemeint, dachte sie, wenn sie so sah, wie viele Geysire und Lavateiche und sonst was es da unter ihnen gab. Aber es war der schnellste Weg und in ihr kroch immer mehr die ungute Ahnung auf, dass Inu Yasha nicht mehr viel Zeit hatte, wenn er sie überhaupt noch hatte. „Ja.“

Für Inu Yasha, dachte Sesshoumaru. Sie würde sich vermutlich auch noch direkt in einen Lavateich stürzen, wenn das seinem Bruder das Leben retten würde. Nun gut. Das wäre heldenhaft aber töricht, denn an ihr lag, wie sie wohl soeben wieder einmal vergessen hatte, die Zeit. Und damit die Welt und das Universum. Obwohl, er schritt voran, für sie waren das Universum und Inu Yasha wohl identisch. Närrin.

 

Es dauerte keine halbe Stunde und Kagome bereute ihre Entscheidung den direkten Weg zu gehen. Hier in der Ebene war es nicht nur noch feuchter und heißer, sondern auch gefährlicher. Manchmal trafen sie auf Lavabäche, die noch knapp unter der kaum getrockneten Oberfläche dahinflossen. Der Daiyoukai führte sie allerdings recht sicher, musste sie feststellen. Immer wieder wich er aus und erlag kein einziges Mal der gewiss großen Versuchung einen Sprung zu machen, dem sie nicht folgen konnte. Oder konnte er das gar nicht mehr? Er bemühte sich spürbar sein Youki vollständig zu verbergen. Was machte das mit ihm? Fliegen ging nicht, das hatte er ja indirekt zugegeben. Sie strich sich die feuchten Haare aus dem Gesicht. So schwül war es selbst in Tokio im August nicht. Was hatte sich dieser dämliche Iwatakko nur dabei gedacht. Sekunde. Sie blieb stehen und tastete nach ihrem Bogen. „Sesshoumaru…“ flüsterte sie.

Er war bereits stehen geblieben und wandte nun etwas überrascht tatsächlich den Kopf, da er keinerlei zusätzliche Gefahr wahrnehmen konnte.

„Es gibt ein Problem. Meine Bogen wird durch diese Feuchtigkeit langsam unbrauchbar.“

Eine schlechte Nachricht, aber immerhin hatte sie inzwischen doch genug Verstand ihm das mitzuteilen. Aber nun gut. Gegen musha und Lehmkrieger konnte sie sowieso nichts ausrichten. Was zu der nächsten Frage führte: wo waren diese künstlichen Krieger? Alle im Schloss? Er drehte den Kopf zurück. „Genügt es, wenn du ihn neu spannst?“

Dem entnahm sie, dass er noch nie einen Bogen in der Hand gehabt hatte. „Ja, ich denke schon. Jetzt?“

Sollte er schon wieder erklären? Es wurde Zeit, dass sie Inu Yasha fanden und sein kleiner Bruder das übernahm. „In der Mitte dieser Ebene liegen Felsentürme. Dort sind wir einigermaßen gedeckt.“

Ihr entkam ein durchaus nicht ernst gemeintes: „Ja, Sesshoumaru-sama.“

Nun, immerhin langsam etwas Höflichkeit.

Er schien gesprächsbereit, auch, wenn es sie nervte mit einem Hinterkopf zu reden. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass sie ohne die Führung vermutlich schon in den einen oder anderen Geysir gelaufen wäre, war das wohl zu vernachlässigen. „Ich habe mich gefragt, wo diese Lehmkrieger wohl sind. Musha haben wir ja schon gesehen. Aber mal ehrlich, wenn du Iwatakko wärst – würdest du dann dieser alten Hexe auch noch eigene Krieger in die Pfote drücken? Es hieß doch, dieser Typ würde die Schattenkrieger aus sich selbst herstellen. Wenn er noch sein Youketsu aufbauen muss, hat er sicher keine ganze Armee davon. Und für den Backofen bräuchte Urasae auch jede Menge Holz. Das hier ist zwar heiß und vulkanisch, aber wie sollte sie das Holz durch den Bannkreis bekommen? Und drittens: die musha kommen durch den Blutbann, weil sie ja sozusagen Teil des Schöpfers sind. Für Urasae kann er womöglich eine Ausnahme machen, aber doch sicher nicht für die Lehmkrieger.“

Das war ja schon wieder eine intelligente Anmerkung von ihr. War es möglich, dass Inu Yasha in den Jahren mit ihr strategisches Denken und Vernunft gelernt hatte? Lag ihre ganze Impulsivität an schlechter Erziehung und ihrem Alter? Ähnlich wie bei Inu Yasha? Hatten sich da zwei gesucht und gefunden? Er unterbrach lieber seine Gedanken, als er feststellte, dass vor ihnen ein Schlot lag, aus dem heiße Wolken krochen, die deutlich verrieten, dass dort unten Lava brodelte. Der Umkreis war von schwarzem Kies bedeckt und er bog ab. Für einen Menschen war es sicher schon unangenehm in diese heißen Wolken zu geraten, falls diese plötzlich in ihre Richtung drehen sollten. Innerhalb des Bannkreises gab es zwar keinen Wind, aber er kannte sich mit vulkanischen Gegebenheiten nicht sonderlich gut aus. Der Kiesboden war heiß und er drehte etwas den Kopf. Es war klug von ihr gewesen diese Turnschuhe anzuziehen, das schützte sie doch. Innerhalb von zwei Minuten hatte er sie zwei Mal intelligent gefunden? Was war nur mit ihm los? Es knirschte unter seinem Schritt und er blickte zu Boden. Das war die verkrustete Oberfläche eines Ausbruchs, aber offenbar bereits relativ erkaltet.

 

Ohne jede Vorwarnung begann die Erde zu beben. Eine heftige Welle, aus der Richtung vor ihnen kommend, ließ den Daiyoukai festen Stand suchen, dann, noch ehe er sah wie sich die Hügel und damit das Schloss vor ihnen um einige Meter anhoben, spürte er, wie der Boden unter ihm kippte und er erneut zu einem Ausfallschritt gezwungen wurde.

Gleichzeitig vernahm er hinter sich einen scharfen, panischen, Atemzug. Er fuhr herum, nur um zu sehen, dass der Boden dort sich abrupt zum Schlot hin gesenkt hatte, der sich solcherart erweitert hatte. Kagome rutschte hilflos hinunter. Seine Klaue griff ins Leere.

 
 

Abgrund


 

S

esshoumaru blieb stehen und atmete tief durch. Das war es. Er hatte versagt. Kagome war tot und damit endete die Zeit, die Welt. Immerhin würde ihm niemand mehr Vorwürfe machen können.

Erst eine Sekunde später realisierte er mit gewissem Erstaunen, dass sein Herz noch schlug, er noch immer atmen konnte. Dauerte es etwa hier, weil der Bannkreis alles um sich dermaßen perfekt abschloss? War draußen bereits alles erstarrt?

Nun ja. Einen letzten Blick sollte er der Schwägerin und Gefährtin wohl gönnen. So trat er behutsam vor und musterte die Abbruchkante, ehe er noch einen Schritt zu auf den unten hörbar brodelnden Schlund machte und hinab sah.

Er wusste nicht, was er erwartet hatte, was er sehen würde, was von einem menschlichen Körper noch übrig sein würde, aber er hatte sicher nicht erwartet DAS zu sehen.

 

Irgendwie war es ihr gelungen sich eineinhalb Meter weiter unten an einer Steinkante einzuklammern. Ihre Finger rutschten immer weiter. In der Hitze schwitzte sie dort unten sicher, und, soweit er entdeckte, hatte sie sich an dem scharfkantigen Gestein auch die Hände blutig geschnitten. Sie starrte zu ihm auf, mit einem Blick, den er schon oft in seinem Leben gesehen hatte, bei Mensch und Youkai, wenn sie ihn erblickten – Todesangst. Aber, zugegeben, nie zuvor hatte jemand Todesangst gehabt und auf ihn gehofft. Jaken, nun gut, aber der zählte irgendwie nicht. Rin hatte nie Angst gehabt.

Es gab also noch Zukunftserwartung für die Welt, wenn ihm etwas Gutes einfiel.

Und das schnell, denn die Hitze dort unten würde Kagome bald bewusstlos machen und das war dann endgültig das Ende. Immerhin – sie trug noch immer Rucksack und Bogen, nicht ein Pfeil fehlte im Köcher.

Hinabspringen und schweben war unmöglich, zum Einen benötigte er dazu mehr Youki als so und Iwatakko würde zum Anderen, wenn der nicht vollkommen schlief, mitbekommen, dass ein Daiyoukai vor seiner Tür stand. Bei einer Rettungsmission einen Trupp musha im Kreuz – musste nicht sein.

Seine Boa schlicht zu verlängern, um sie zu legen und sie hochzuziehen, scheiterte daran, dass sie sich wirklich sehr eng an der Felswand befand. Ihren Körper versuchen zu umschlingen würde eher dazu führen, dass sie den letzten Halt verlor und hinabstürzte.

Sich hinknien und ihr Handgelenk packen, scheiterte daran, dass er nicht so weit hinab reichen konnte.

Es gab nur eine Möglichkeit und der Youkai no Taishou presste die Fangzähne zusammen. Hoffentlich, hoffentlich kam nicht Iwatakko vorbei, sonst wäre das der beschämendste Moment seines Lebens. Und vermutlich ein mehr als peinlicher Tod.

Aber es war erforderlich und Sesshoumaru hatte sich noch nie vor notwendigen Entscheidungen gedrückt. So kniete er behutsam am Rand nieder, prüfte noch einmal dessen Stabilität. Solange dieser Narr kein weiteres Erdbeben auslöste, hielt das wohl. Jetzt musste er sich behutsam auf den Bauch legen, die Stacheln seiner Rüstung sollten sich nicht unbedingt in den Boden bohren, den womöglich absprengen. Überdies musste er weit genug hinab fassen können. So gelangte auch seine Brustpanzerung über die Kante.

Kopf voran in einen Vulkanschlot! Diese Reise war eine einzige Zumutung! Wenn er diesen Iwatakko in die Finger bekam!

 

Kagome hatte durchaus gesehen, dass ihr Schwager-Ehemann plante sie herauszuholen. Das war sicher nett gemeint, aber es dauerte, und sie konnte spüren, wie ihre Kraft schon mehr als erlahmt war. Sie hatte Schmerzen in den überdehnten Sehnen in der Schultern, ihre Finger und Hände hatten keine Kraft mehr und glitten immer weiter ab. Blut und Schweiß dienten da auch nicht gerade zur Unterstützung. Sie hätte eigentlich fast schon aufgegeben, sammelte jetzt ihre letzten Kräfte, weil sie doch sich irgendwie drauf verließ, dass er sie hier herausholte. Irgendwie bog er doch immer alles hin. Nur noch kurz durchhalten, beschwor sie sich. Inu Yasha war ja auch immer gekommen und sie würde auch garantiert kein böses Wort mehr über oder an auch nur einen der Hundebrüder verlieren, wenn es Sesshoumaru nur gelang sie hier zu erreichen.

Wieder sah sie empor, da sein Haar ihre Finger berührte. Oh je, er musste schon weit herunter fassen. Hoffentlich stürzte er nicht auch noch, hoffentlich…

 

Er konnte mit der Rechten ihr linkes Handgelenk packen, sie halten. Denn mit hoch ziehen ging gerade nicht. Er musste dafür sorgen, dass er selbst nicht das Übergewicht bekam. Fliegen behielt er sich für diesen Notfall vor, denn zum Einen stand Iwatakko dann postwendend hinter ihm, zum Zweiten müsste er sie loslassen um zum Schwert greifen zu können. Das Ergebnis wäre in beiden Fällen das Ende der Welt.

Prompt rutschten ihre Finger jetzt endgültig weg und sie hing mit einem Aufschrei nur noch an ihrem linken Arm, begann instinktiv zu strampeln.

Das konnte er wirklich gerade nicht gebrauchen. „Stütz dich mit den Füßen an der Wand ab!“ befahl er scharf.

Das drang durch ihre Panik und so versuchte sie es. Als sie sich abstützte fühlte sie sich ein Stück emporgezogen.

Das war freilich eine Täuschung, denn der Daiyoukai hatte schlicht den Arm angewinkelt. Ihr Gewicht machte ihm an sich nichts aus, aber er musste sich etwas zurückziehen, seinen Körperschwerpunkt wieder besser nach oben bekommen, um sich selbst aufrichten und sie mit einem Ruck aus dem Loch ziehen zu können. Mit der Linken fasste er daher nach hinten, prüfte die Stabilität, ehe er aus dem Liegen den Satz hoch in die Knie machte, dann aufrecht stand und Kagome mit sich zog.

 

Sie fiel sofort zu Boden, als er sie freigab, körperlich und seelisch am Ende, und begann zu weinen.

Sesshoumaru betrachtete sie für einen Moment, ehe er zu dem Rucksack auf ihrem Rücken griff.

Zu erschöpft um mitdenken zu können, nahm sie die wortlos dargebotenen Taschentücher und weinte weiter.

Erst nach einer ganzen Weile – die Taschentuchpackung war leer – realisierte sie, wo sie in welcher Begleitung war und sah sich um. Der Daiyoukai stand mit dem Rücken zu ihr und beobachtete wachsam die Dämmerung um sie. Jetzt erst stellte sie auch fest wie blutig die Taschentücher geworden waren und betrachtete ihre Hände. Ganz schön zerschnitten, was auch erklärte, warum es so wehtat. Ihr Kopf brummte, ihre Schultern schmerzten von dem harten, aber wirklich notwendigen, Abfangen ihres Sturzes an dieser Felskante. Kurzum, keine sehr gute Allgemeinverfassung diagnostizierte sie sich selbst. Aber eines war wirklich unabdingbar. „Danke, Sesshoumaru.“

„Du bist meine Gefährtin.“

Ja, das war wohl die Erklärung, vielleicht auch die Tatsache, dass ihr Tod das Ende der Welt bedeutete? Aber da hätte er ihr nicht die Taschentücher heraus suchen müssen.

„Wirf die Taschentücher in die Lava.“ Nur keine Spuren hinterlassen, die Aufmerksamkeit erregen könnten. Er hörte, wie mühsam sie aufstand und gehorchte. „Komm.“ Da er vernahm, dass sie zu ihm hinkte, sich offenkundig erneut den Fuß verletzt hatte: „Du gibst nie auf.“

Das war ja ein Lob, erkannte Kagome verblüfft. „Ich gebe mir Mühe,“ antwortete sie leise. „Für Inu Yasha …“

„Bei der Felsinsel machen wir Pause.“

„Danke.“ Was sollte sie dazu schon sagen.

 

Der Weg durch die rötliche Dämmerung schien ihr in ihrem Zustand Stunden zu dauern, ehe sie vor sich endlich drei Felsnadeln erblickte, die eng beisammen standen, wie sonst vielleicht Bäume. Endlich, das Ziel. Ihr Kopf dröhnte noch immer, sie hatte keine Ahnung, ob sie ihn wo angeschlagen hatte, ihre rechte Schulter sagte ihr, dass die Bänder überdehnt waren, während sich der Schmerz in der linken zu einem wahrhaft höllischen Brennen ausgeweitet hatte. Dazu kamen die schmerzenden Finger und Handinnenflächen, die ihr klar machten, dass Bogenschießen nicht nur durch die neu zu spannende Sehne zur Utopie geworden war. Da Sesshoumaru in dieses Dreieck hineinging und sich umwandte, ließ sie sich ohne weitere Umschweife vor einem Stein auf die Knie nieder und streifte ihr Gepäck ab, ehe sie sich mit einem Aufstöhnen rücklings dagegen lehnte, um mühselig zu versuchen mit der einigermaßen funktionierenden rechten Hand ein Getränk heraus zu ziehen. Essen brauchte sie nicht, dazu war die Erschöpfung und der Schmerz zu groß. Und beim Trinken tat ihr ihre durchbissene Lippe weh. Toll. Sie war ein Wrack. Sie sah auf, als sie den lastenden Blick ihres Schwager-Ehemannes auf sich spürte.

„Es geht schon,“ beteuerte sie. „Ich brauche nur Pause …“ Offensichtlich glaubte er ihr nicht, denn im nächsten Augenblick stand er direkt neben ihr. Nun ja, sie hatte Tränen in den Augen und zu glauben, dass seiner feinen Nase selbst in dem Vulkandunst ihre Lage entgehen würde, war unrealistisch. So trank sie resignierend, dabei behutsam die Unterlippe schonend. „Ich kann keine Pfeile schießen, wenn du das meinst,“ gab sie dann zu. Es war unangenehm so unter seinem fokussierend musternden Blick, ohne die Chance auch nur einigermaßen zornig zurück sehen zu können. Gerade ihre linke Schulter tobte förmlich. Zu ihrer Überraschung ließ er sich neben ihr auf ein Knie nieder und legte die langen Finger ohne Ankündigung überraschend behutsam darauf. Sie wusste, dass er sie damit zerreißen konnte, aber das fühlte sich so ganz anders an. Und es war albern, dass sie zu zittern begann. Er war ihr Schwager, vielleicht ihr Ehemann, wenn Inu Yasha … nein, daran wollte sie nicht einmal denken. Was war nur mit ihr los?

„Du hast dir die Schulter ausgekugelt,“ kam allerdings die sachliche Diagnose.

Sie sah zu ihm und begegnete einem kühlen goldfarbenen Blick. „Und, Dr. med. Sesshoumaru, was soll ich damit anfangen? Das nächste Krankenhaus dürfte weit weg sein,“ fauchte sie. Schön, das war falsch gewesen, denn sie erkannte ein verräterisches Zucken eines Mundwinkels. Was …?

„Ich werde sie dir einrenken.“

WAS? Kagome stellte erst einmal die leere Teetüte neben sich, mehr um Zeit zu gewinnen, als das es nötig gewesen wäre, weil sie den Daiyoukai vor sich noch immer anstarrte. „Äh, ich meine, ich weiß, dass Krieger im Mittelalter durchaus auch Heilermethoden lernten und ich will deine Ausbildung als Taishou ja auch nicht kritisieren ….“

Ein kaum bemerkbares Beiseitelegen seines Kopfes.

Ja, die Frage, hast du lieber Schmerzen? Nein, nicht wirklich, aber sie traute ihm das ehrlicherweise nicht zu. Es war ein Dämon, ein Daiyoukai! Die zerlegten Menschen höchstens wissenschaftlich und … Naja, es wäre schon schön, wenn ihre linke Schulter nur noch genauso weh tun würde wie die rechte, gab sie zu. „Was hast du vor?“ Dumme Frage, hatte er ja gerade gesagt. Und, er hatte ihr ja erst zuvor geholfen, sie sollte ihm wirklich etwas mehr zutrauen. „Was soll ich machen,“ änderte sie daher um.

Sie war lernfähig, gab er zu. „Zieh die Oberteile aus.“

Was? Aber klar, erkannte sie dann, das Rattenhaar würde womöglich hinderlich sein. So löste sie Tessaiga samt Gürtel und legte es beiseite, streifte das Oberteil des Jagdgewandes ab. „Äh, genügt das?“ Naja, das weiße Oberteil des miko-Gewandes … Na schön. Er hatte sie schon nach dem Unwetter auf dem Wege zu Bokuseno gewaltsam ausgezogen. Nur noch in der Unterbekleidung sah sie erneut hin und nur ein Narr hätte nicht bemerkt, dass sich die goldfarbenen Augen verengten. „Das auch noch?“ Darunter trug sie nur noch einen BH. Immerhin den.

Menschen! Mit auch nur einem Hauch Überlegung müsste sie wissen, dass es deutlich einfacher und damit schmerzärmer wäre, könnte er genau sehen wo und wie….

Nun ja, bei einem Arzt hätte sie sich auch so entkleidet und sie hatte sein Wort … Mit gewissem Zögern streifte sich Kagome auch das Untergewand ab. „So?“ Sie hätte gerne die Arme vor der Brust verschränkt, aber erstens würden das ihre Schultern mit weiteren Schmerzen quittieren und zweitens sie sich lächerlich machen. Er wirkte jetzt schon, naja, irgendwie amüsiert. Wenn sie daran dachte, dass ja anscheinend Hochzeitsnächte bei Youkai vor Publikum vollzogen wurden, war bei diesem Volk Schamgefühl offenbar eine eigenartige menschliche Marotte. „Was soll ich jetzt tun?“

Sie versuchte es, aber sie war noch immer nervös. Menschen. Er sollte ihr Beruhigung verschaffen, wenn sie im falschen Moment zuckte, war es auch nicht gut. Und schreien sollte sie auch nicht, sie waren hier in Feindesland. „Nimm Inu Yashas Gewand und lege dich darauf.“

Tatsächlich beruhigte der Name sie allein so, dass sie sich das Feuerrattenhaar auf den schwarzen Sand breitete und mit Kopf und Oberkörper darauf legte. „Wird ... wird es weh tun?“ Sie klang leider etwas ängstlicher als sie gewollt hätte, dachte sie. Aber sie war so fertig, alles schmerzte.

„Ja.“

Wie schön, wenn man mit Leuten redete, die nicht logen, dachte sie sarkastisch, etwas verwundert, dass er sich neben ihr ausstreckte, dann instinktiv alarmbereit. „Was …?“

In der Erkenntnis, dass ihre Energie bereits wieder empor kletterte und jederzeit musha oder Iwatakko auf den Plan rufen könnte, sah er sich zu einer weiteren widerwilligen Erklärung gezwungen. „Ich werde dich halten müssen.“

Wie meinen? Aber dann begriff sie. Er brauchte wohl beide Hände zum einrenken. Wenn sie da zuckte, würde das nicht klappen. Aber wie wollte er … Oh nein. Die Antwort hätte sie sich selbst geben können. Er legte sich auf sie und Kagome konnte nicht anders als rot anzulaufen. Noch nie hatte sie das Gewicht eines Mannes auf sich gespürt, naja, mal Inu Yasha, aber da war er bewusstlos. Und dieser Mistkerl von Sinichitai zählte überhaupt nicht! Manten auch nicht! Das waren Kämpfe gewesen! „Ich halte auch so still,“ wollte sie zu ihrer Verteidigung sagen, aber irgendwie vergaß sie es, als er ihren Arm etwas nach unten legte und gleichzeitig die andere Hand auf ihre Schulter. Sie zischte förmlich auf. Das war sicher noch nicht das Ende gewesen. Irgendwo bekam sie noch mit, dass er sich immerhin so gelegt hatte, dass die Schwertabfangdornen seiner Rüstung neben ihr blieben. Toll. Leider sah sie sich außerstande das irgendwie gut zu finden, nicht, wenn er ihre Schulter gerade noch einmal dehnte. „Warte,“ flüsterte sie heiser. Nein, nur sich nicht weiter blamieren, Menschen als schwach hinstellen. Nun ja, noch mehr. „Ich … ich brauche etwas worauf ich beißen kann,“ brachte sie hervor. Nur nicht schreien.

Eine vernünftige Idee. Er griff mit der Linken den Rucksack und presste ihr den Trageriemen zwischen die Kiefer. Noch ehe sie protestieren konnte, drückte er bereits mit der gleichen Hand ihre Schulter auf den Boden und zog ruckartig an ihrem Handgelenk. Hörbar schnappte die Schulterpfanne ein, natürlich nicht ohne, wie vorherzusehen, dass sie aufzuckte, ihre Energie anstieg.

 

Kagome hatte mit aller Kraft auf den Riemen gebissen um nicht zu schreien. Auch ihr war klar, dass dort im Schloss nicht gerade die Taubstummenschule war, Lärm tödlich enden würde. Ihre aufflammende Läuterung konnte sie nicht unterdrücken. Ein Youkai, der ihr Schmerzen verursachte … Ihr Aufbäumen wurde schlicht unter seinem Gewicht erstickt. Jetzt befreite er sie davon und stand schon wieder aufrecht, noch während sie begriff, dass das Brennen aus der Schulter verschwunden war, der Schmerz des Ruckes sich deutlich verringert hatte. Mühsam nahm sie den Riemen aus dem Mund und versuchte ihre Energie wieder einzufangen. „Besser,“ krächzte sie irgendwie.

 

Er vermutete zurecht, dass das ein Dank sein sollte. Immerhin war sie beherrscht genug gewesen nicht alles zusammen zu brüllen. Menschen schrien meist so, wenn man mit den Klauen durch sie fuhr oder sie sonst wie Schmerzen hatten. Nun ja. Noch ein Punkt dieser Reise, von dem sein kleiner Bruder besser nie erfahren sollte. Der Narr würde es fertig bringen blindlings in Bakusaiga zu rennen, noch ehe der die zweite Hälfte eines Halbsatzes gehört hatte. Als ob er, Sesshoumaru, eine Menschenfrau begehren würde! Er wandte sich ab. Sollte sie sich erholen und wieder bekleiden, das war ihr sichtlich lieber. So trat er eng an einen Stein und musterte das Schloss.

Schwarz in dieser schwarz-roten Düsternis. Iwatakko schien ein Feigling zu sein, oder warum verschanzte er sich mit allen Kriegern plus Hexe in einem steinernen Schloss? Gab es dafür einen guten Grund? Der Boden vor dem Schloss, die Hügel und das Gebäude selbst schienen in der Dämmerung zu glitzern. Sammelte sich da die Luftfeuchtigkeit? War das anderes Gestein als bisher? Jedenfalls lag zwischen diesen Felsen, in denen sie sich befanden und dem Schloss kein einziger Lavabach, nur zwei oder drei Geysire, die kochendes Wasser sprühten, ebenso weiter geradeaus, wo offenbar der Bannkreis zum Ozean hin abschloss, wenn er richtig riet. Selbst hier war keine Witterung von Meer zu erkennen. Dieser Blutbann umschloss perfekt alles, selbst in den Boden hinein. Nicht einmal ein armseliger Wurmyoukai würde hier durchkommen. Warum schirmte sich Iwatakko dermaßen ab? War er noch so schwach und hoffte durch das Hanyoublut Inu Yashas den Sprung zurück zum Daiyoukai zu schaffen? Aber er hatte doch offenbar schon mit Nezumiuro eben einen Daiyoukai, dessen Sohn und andere Youkai ... nun ja, verschlungen, absorbiert oder was auch immer. Das sollte ihn doch mächtiger gemacht haben. Hm.

Absorbiert. Das wäre mit Bakusaiga eigentlich kein Problem, diesen Verrückten ein wenig zurecht zu stutzen. Aber er war zu erwachsen geworden um sich noch wie ein Jüngling blindlings in eine Falle zu stürzen. Und irgendwo dort lauerte eine, da war er sicher. Nur, wo und wie.

Er wandte den Kopf. Kagome hatte sich mühsam wieder angezogen, sogar an Tessaiga gedacht. Immerhin würde sie es so bei einem überstürzten Aufbruch nicht liegen lassen. Schlechter war, dass sie ihren Bogen nicht benutzen konnte, zum Einen weil der zu feucht geworden war, was auch immer das bedeuten mochte, zum Anderen ihre Finger und Hände aufgeschlitzt waren. Nun gut. Letzteres ließ sich ändern, aber er zögerte sich dermaßen vor ihr zu demütigen. Davon sollte sie besser nichts mitbekommen. Sie hatte die Augen geschlossen. Gut. Da sein Youki unterdrückt war, würde sie zu spät bemerken, dass er neben ihr war.

Er machte den lautlosen Sprung und bewegte kurz eine Hand über ihr. Ohne weiteres sackte sie zusammen. Heilschlaf war vermutlich das Beste, was ihr momentan passieren konnte. Und ihm, nebenbei, denn wenigstens diese Hexe sollte sie ihm vom Hals halten können. Bewusst hätte sie vermutlich dagegen protestiert, wie gegen alles, was er wollte. Sie war vorlaut, stur wie ein Esel, aber eine fähige Kämpferin und offenbar, so viel hatte er auf dieser Reise doch gemerkt, schlauer als sie meist schien.

Jetzt lag ein unangenehmes Stück Arbeit vor ihm und er vermutete sie würde sich köstlich amüsieren, wüsste sie davon. So allerdings schlief sie tief und nichts würde sie wecken außer seinem Gegenbann.

Gegen offene Wunden bei Menschen, das hatte er einst bei Rin ausprobiert, half der Speichel eines Hundeyoukai. Desinfektion und Heilung. Er ließ sich neben der Schlafenden nieder und nahm eine Hand.

Ja, es war deutlich besser, wenn weder sie noch Inu Yasha davon erfuhren. Nun, der kleine Bruder sowieso so einiges nicht, das sollte er Kagome klar machen. Sie wäre sonst wieder im Mittelalter und er hatte einen rebellischen, wütenden Hanyou am Hals. Für einen Moment zögerte er, da er das Gefühl hatte, eine Schlinge zöge sich um seine Kehle zusammen, sein Magen verkrampfe sich, als er ihre Hand betrachtete. Es war notwendig für die Rettung der Welt und Inu Yashas, ermahnte er sich.

Es war ein Musterbeispiel heroischer Selbstüberwindung, als er behutsam ihre Handinnenfläche, ihre einzelnen Finger ableckte.

 
 

Taktik


 

K

agome erwachte mit einer seltsamen Hitze. Erst mühsam erinnerte sie sich daran, dass die nicht nur aus ihrem Inneren kam, sondern sie sich in einem vulkanischen Gebiet befand. Hastig öffnete sie die Augen. Sie hatte geträumt, so erotisch wie selten zuvor. Wieso nur?

Und sie hatte tief geschlafen. Ihrem Kopf ging es deutlich besser, dank dem Einrenken schmerzten beide Schultern, nun ja, erträglich, und ihre Hände ….Sie setzte sich auf. Das war erstaunlich. Die ganzen Schnittwunden waren verschorft und zusammengezogen. Das heilte schnell. Womöglich, weil das hier eben innerhalb des Blutbannes war, in einer magischen Welt?

Wo war … ah. Der Herr Taishou stand Wache und starrte in die Dämmerung. Sesshoumaru, ihr Schwager-Ehemann, korrigierte sie sich etwas beschämt. Er hatte sie aus dem Vulkan gezogen, er hatte ihre Schulter eingerenkt – nein, an ihm lag es sicher nicht, dass sie irgendwie ein Zittern überlief, wenn sie ihn ansah. Eher an ihrem Verdacht, dass sie so einiges von dieser Reise niemals Inu Yasha erzählen dürfte. Nicht dem in dieser Zeit aber auch nie dem im Mittelalter. Der, jünger und sicher auch impulsiver, würde schnurstracks hingehen und seinen ahnungslosen Bruder zum Duell fordern. Auch eine nette Art die Zeitlinien durcheinander zu bringen oder zu beenden. Nein, da sollte und musste sie sicher den Mund halten.

Oh, der Bogen. Wenn ihre Hände einigermaßen in Ordnung waren, sollte sie auch kampfbereit sein. Sie nahm ihn auf und entspannte die Sehne. Hatte sie noch eine als Ersatz eingepackt bekommen? Ja, aber da war die alte sogar trockener. Nun ja, die war ja auch samt ihr über einem Vulkan getrocknet worden.

Sie hatte wirklich geglaubt, das war es, aber irgendwo doch noch gehofft …. Inu Yasha kam immer, und das hatte sie, anscheinend zu recht, auf seinen Halbbruder übertragen.

Es schmerzte, aber nach wenigen Minuten war der Bogen wieder funktionsbereit. Ihr war klar, dass der Daiyoukai hörte, was sie tat, aber er hatte sich noch nicht umgedreht. So trank sie erst einmal. Tja. Lange sollte dieses Abenteuer nicht mehr dauern. Das war der letzte Grüntee gewesen. Und sie hatte alles, was sie bislang hier getrunken hatte, ausgeschwitzt.

Ihr Knöchel. Sie nahm sich die Bandage ab, froh um ihre Erfahrungen im Mittelalter und legte sie neu an. Erste Hilfe ohne Arzt war wirklich eine der wichtigsten Sachen.

Dann stand sie auf und schlang sich alles Gepäck um. Sie wollte als Dankeschön wenigstens nicht weiterhin den lahmen Menschen spielen, nicht besser als das kleine Menschenmädchen, das er einst eingesammelt hatte. Sie war erwachsen. Und eine miko. Und irgendwo dort vor ihnen steckte Inu Yasha in schweren Problemen.

Sesshoumaru drehte sich um.

Und zum ersten Mal fiel ihr bewusst auf, dass sein Körper, soweit man es unter der Rüstung sehen konnte, aber doch immer angespannt war. Muskeln, Sehnen – er war Krieger. Mehr noch als Inu Yasha, der das mehr notgedrungen lernen musste. Er war der Stärkste seiner Art und plötzlich verstand sie Noriko, vermutlich auch alle anderen weiblichen Youkai, die in ihm das Ziel sahen, den potentiellen Vater ihrer Kinder. Macht machte attraktiv und der Kerl besaß in jedem Finger davon wahrscheinlich mehr als manch anderer Youkai im ganzen Körper. Kraft, Eleganz und Selbstbeherrschung ...

Wieso dachte sie nur so? Sie war etwas entsetzt über sich selbst. Sie gehörte zu Inu Yasha! Und der liebte sie, selbst Jahrhunderte nach ihrem Tod noch hatte er sie über ihre Verbindung rufen können! Und, nebenbei, war Inu Yasha der Einzige, der diesen Kerl da vor ihr dazu bringen konnte mit eingekniffenem Schwanz davon zu laufen, der Einzige, der diesen Daiyoukai je besiegt hatte. Was also sollten diese eigenwilligen Träumereien? Nur, weil der sich samt Rüstung, die beiläufig eiskalt gewesen war, auf sie gelegt hatte? Was für ein Blödsinn. Sie nahm sich zusammen.

„Es geht soweit, dank dir,“ blieb sie jedoch höflich.

„Sieh.“

Da er sich wieder umdrehte und in die rot-schwarze Dämmerung hinausblickte, trat sie neben ihn und gehorchte. Dort war das Schloss, ja. Immerhin keine Lava mehr, oder? Nur noch kochendes Wasser, Geysire. Und vor dem Schloss …. „Musha?“ fragte sie unsicher. Schwarz in Schwarz in der Schwärze. Nichts für Menschenaugen.

„Vier.“ Immerhin konnte sie sie irgendwie wahrnehmen. Und genau die waren gerade sein Problem. Zwei rechts, zwei links neben dem Eingang. Nach jeder Taktiklehre, und er vermutete doch, dass Iwatakko von so etwas mal gehört hatte, stellte man nie alle Wachen hinaus. Also mussten sich mindestens vier weitere, eher mindestens acht im Schloss befinden. Viel mehr sollten dem Narren nicht zur Verfügung stehen, sonst hätte jemand doch den Bannkreis abpatrouillieren können und sollen. Und Lehmkrieger waren auch nirgends zu sehen gewesen, auch hier nicht als Wachen, wo sie doch sinnvoller gewesen wären als musha. Hatte Kagome recht und es gab keine? Er gab zu, dass er selbst oder auch der verehrte Vater nie unsicheren Verbündeten mehr als zwingend notwendige Krieger anvertraut hatten.

„Eine Falle,“ flüsterte sie.

Ja, das war auch seine Meinung, aber wo? „Eine Illusion?“ Die nur von Menschen mit magischen Fähigkeiten gesehen werden konnte?

„Nein, ich kann keine erkennen. Aber ich, naja, ich spüre, dass da etwas ist. Das sieht einfach zu einfach aus.“

Ja, aber was hatte dieser Iwatakko ausgeheckt? Sicher keinen weiteren Blutbann, das müsste selbst einen Daiyoukai ermatten, zumal, wenn der offenkundig sowieso noch Blut und Youki benötigte. Überdies würde sowohl Kagome als auch er das fühlen können.

In der durchnässten Luft war seine Körperwärme für sie zu spüren und es irritierte sie ziemlich. Moment mal. Erneut starrte sie in das Dämmerlicht des Bannkreises. „Die Luft ist feucht, der Boden nass, da sind nur Geysire, die noch mal alles feuchter machen.“

Ja, soweit so richtig, das sah er auch. Wieso erzählte sie nur immer das Offensichtliche?

„Äh, wenn du angreifst, so doch mit Youki, oder?“ Da er sich jede Antwort sparte: „Wasser leitet, zumal, wenn hier auf vulkanischem Grund sicher auch allerlei Minerale und Metalle dabei sind. Wenn du deine Energie in den Boden jagst, wie du es doch manchmal machst, im Duell gegen Iwatakko, springt der schlicht hoch. Und dein Angriff wird vom Wasser überall hin geleitet, auch zu dir. Du greifst sozusagen dich selbst an. Physik. Besser, eine Art Schutzschild.“

Erneut Physik. Schon mit diesem Schrödinger-san-Hanyou war sie damit aufgefallen. „Die Luft auch?“ fragte er nur.

„Ich weiß nicht, ob die Feuchtigkeit reicht.“ Sie strich sich eine nasse Strähne aus der Stirn. „Hast du schon mal im Regen gekämpft?“

Glaubte sie, dass er jemanden, der ihm in die Quere kam, mit dem Tod vertröstete bis wieder die Sonne schien?

„Schon gut,“ murmelte sie. Hyperempfindlich, nein, das sollte sie nicht mal denken. Er hatte ihr gerade zwei Mal geholfen, ihr das Leben gerettet. Und sie hatte sich vorgenommen kein böses Wort über ihn mehr zu verlieren. Und Inu Yasha würde sie auch nie mehr zu Boden schicken.

 

Wasser, dachte der Taishou. Iwatakko und Wasser. Yukio hatte doch erzählt, dass die Kappa ihn früher Iwatakko, den Verderber, nannten, weil der Flüsse und Bäche vergiften konnte, Kappa, Fische und andere Wesen vergiftet habe. Gift, oder wusste dieser eigenartige Daiyoukai auch um die Wirkung, wenn er seine eigene Energie in das Wasser schickte – kein Gift, aber doch Betäubung? Dann war das Wasser, das so harmlos vor ihm auf dem Boden glitzerte, die Falle. Iwatakko sah sich gegen unerwünschte Besucher offenbar äußerst vor. Nun ja, in Anbetracht der Tatsache, dass sein letzter Besucher ihm einen Kurzurlaub im Jenseits beschert hatte … Diesmal würde das länger dauern.

„Du hast bislang keine Lehmkrieger gesehen?“ erkundigte sich Kagome leise, die in dem langen Schweigen eine gewissen Tadel entdeckte und sachlich werden wollte.

„Das Dorf.“

„Was? Oh. Natürlich.“ Ja, es hatte doch geheißen, dass die toten Menschen der umgebenden Bevölkerung jetzt zur Täuschung ihr normales Leben aufgenommen hatten, genauer, ihre Seelen in Urasaes Lehmfiguren. Da waren vermutlich nicht gerade viele Seelen übrig geblieben, die sie noch für Krieger hätte verwenden können, zumal Iwatakko ihr, wenn sie selbst, Kagome, recht hatte, kaum welche ohne Not überlassen wollte. Und, das kam hinzu, in diesem Bannkreis, durch den nicht einmal die Sonne schien, wäre es wohl auch schwierig Seelen aus der Unterwelt zu beschwören. Iwatakko musste entzückt gewesen sein, als ihm der alte Pfeifhase samt Begleitung begegnete. Nur dadurch hatte der Mistkerl wohl die Kraft gewonnen den Bannkreis zu errichten. Sie sah vorsichtig beiseite. „Dieser Daiyoukai aus dem Rat, ich meine, die Armen stecken doch in dem Bannkreis, oder? Werden sie frei, wenn Iwatakko tot ist?“ Sie erkannte etwas wie ein Nicken, ohne dass Sesshoumaru den Blick von der Fläche vor sich nahm. Plötzlich begriff sie. „Du hast einen Plan?“

Bestätigung: sie war vernünftiger, als man glauben sollte. „Ich werde gehen und Iwatakko und seine musha herausholen. Du gehst, wenn der Kampf begonnen hat, in das Schloss, tötest die Hexe und befreist Inu Yasha. Dann kommt beide zu mir. Wenn ich es sage, versuche Iwatakko zu läutern.“

Äh, DAS war der Plan eines Feldherrn, eines Taishou? Das hörte sich eher wie einer von ihrem Hanyou an – eins, zwei drei. Ja, das waren Brüder! Kagome hätte eine Menge Einwände gehabt und Fragen, was sie denn bitte machen solle, wenn da doch ein Lehmkrieger um die Ecke bog, oder wenn Urasae gar nicht da wäre oder auch nur … undenkbar, Inu Yasha ... Das alles blieb allerdings unausgesprochen, als sie dem Blick ihres Schwager-Ehemanns begegnete und ihr die Worte im Hals stecken blieben. Alles, was sie sagen würde, wäre ein Streichholz an TNT. Er war in einer Mordsstimmung.

„Geh dich konzentrieren,“ befahl Sesshoumaru nur und wandte sich ab, um seinerseits sein Youki zu suchen. Es würde ein harter Kampf bevorstehen, nicht zuletzt für sie, denn es war ihre Aufgabe Inu Yasha zu retten und die Hexe umzubringen. Und seltsamerweise bezweifelte er mehr nicht ihre Fähigkeit genau dies zu tun.

 

Kagome gehorchte und ließ sich ein gutes Stück abseits wieder nieder und starrte in die düstere Röte. Ja, sie musste sich konzentrieren, ihre Energie sammeln. Ihr Schwager-Ehemann würde das ebenfalls tun – und das ging nun einmal beim besten Willen nicht nebeneinander, dazu war ihr doch zu bewusst wie unterschiedlich ihre Mächte waren. Sie würden sich eher behindern, schwächen. Und, wenn er, wie er geplant hatte, es in kurzer Zeit mit einem anderen Daiyoukai plus dessen Heer aufnehmen wollte, zumindest bis sie Urasae geläutert und Inu Yasha gerettet hatte, brauchte er vermutlich alles an Energie, was es gab. Leider konnte sie ihm absolut nicht zusätzlich helfen. Die kagemusha besaßen kein Youki. Falls, falls ihr Hanyou am Leben war, und auch noch zusätzlich in guter Verfassung, könnte der mit Tessaiga, das sie ihm brachte, eingreifen, aber das stand in den Sternen. Sie musste sich zusammennehmen, Urasae und vor allem der arme Inu Yasha waren ihre Aufgabe. Sie faltete die Hände im Schoss und atmete tief durch, versuchte sich zu konzentrieren.

 

Erneut atmete sie tief durch. Sie saß hier in einer magischen Welt, in einer sehr unsicheren Gegend, zumal mit vulkanischen Aktivitäten, aber das war gleich. Bald würde ein Kampf bevorstehen.

Vielleicht sollte sie etwas versuchen, das weder Iwatakko noch Urasae aufschrecken würden, der mit ein bisschen Glück seiner Hexe zuweisen würde und einem misslungenen Zauberspruch? Falls es andere Wesen noch hier gab, die über Youki verfügten und damit Iwatakko dienten, sonst wären sie schon tot, sollten die zumindest unschädlich gemacht werden.

Wie war nur der Spruch gegangen, den Kaede ihr einmal erzählt hatte? Ja, die hatte den von Kikyou und wo die das wieder her hatte … Nun ja. Eigentlich wollte sie nichts von ihrer Vorgängerin nehmen, aber die war nun einmal eine sehr mächtige miko gewesen.

Vielleicht würde es auch so klappen. Sie sollte nur aufpassen, dass sie nicht aus Versehen auch noch Sesshoumaru schwächte, immerhin war der außer den beiden Hauptgegnern möglicherweise das einzige Wesen mit Youki hier, falls Inu Yasha noch am Leben aber in Menschenform war. Sollte sie ihn warnen? Und dabei in seiner Konzentration stören? Sie wusste ja inzwischen wie er auf Redseligkeit reagierte. Nein, da musste er durch. Oder besser, sie entsprechend aufpassen.

 

Sie legte die Hände auf den Boden und schickte ihre Energie behutsam hinein, dann, da es funktionierte, immer mehr, als ob die Erde die Läuterung förmlich genießen würde. Hatte selbst die hier unter diesem Iwatakko gelitten? Das Schloss schien sich jedenfalls zu sperren, sie konnte so Urasae oder gar den Daiyoukai selbst nicht erreichen. Da lag anscheinend ein zusätzlicher Zauber. Vielleicht würde es auch nicht funktionieren, so in diesem Blutbann, aber es war ebenso möglich, dass der die Läuterung verstärkte.

 

„Ich muss mich konzentrieren,“ flüsterte die junge miko. „Der Kampf steht bevor.“ Sie atmete erneut tief durch. Die Formulierung durfte jetzt nicht schief gehen. Deswegen redete sie lieber laut als nur in Gedanken, um einen möglichen Fehler zu vermeiden oder wenigstens zu hören. „Hört meine Worte, ihr fünf Elemente: wenn es hier irgendetwas mit Youki gibt, das nicht von den göttlichen Mächten gerufen wurde und aus eigenem Willen hier ist, soll es für immer verschwinden!“

 

Sesshoumaru war noch nicht so tief in der Meditation, dass ihm die Menge an läuternder Energie zu seinen Füßen entgangen wäre, die sich wie ein Netz ausbreitete. Er wandte den Kopf, als er hörte, was Kagome sagte.

Überraschend.

Sie war mutig, aber daran hatte er kaum gezweifelt, sie war jedoch auch eine der mächtigsten mikos, die Japan je gesehen hatte. Und sie verwendete einen der tödlichsten Sprüche für Youkai ohne mit der Wimper zu zucken.

Vermutlich hatte er sogar Grund ihr dankbar zu sein, wurde ihm klar, denn sie läuterte buchstäblich den gesamten Erdboden in diesem Bannkreis, vielleicht mit Ausnahme des Schlosses. Das war schon bemerkenswert.

Und ebenso bemerkenswert war, dass sie ihn persönlich ausgenommen hatte. Sie hatte alle Personen ausgeschlossen, die von den Göttern hierher gerufen oder unfreiwillig hier waren. Das bedeutete ihn und Inu Yasha.

Sie dachte mit. Denn selbst, wenn Iwatakko das bemerken sollte, könnte er eigentlich nur annehmen, dass seine Youkaihexe einen Fehler begangen hatte. Mit einer derart mächtigen Priesterin sollte er mitten in seinem Bannkreis nicht rechnen. Im schlimmsten Fall schickte er Urasae her. Und, dass seine Gefährtin, Schwägerin-Braut, mit der fertig werden würde, bezweifelte er seit einer Minute absolut nicht mehr.

 

Kagome setzte noch einmal nach, mit aller Trauer, aller Sorge, die sie empfand, Tränen in den Augen, mehr Energie in den Boden. „Wir beide, nein, wir drei werden kämpfen, mit allen Mächten, über die wir verfügen, in einem Krieg, den keiner von uns gewollt hat. Und, wenn heute Nacht ein Mann sterben wird, ich schwöre dir, Urasae, es wird keiner von meinen sein. Ich werde nicht verlieren.“

 

Sie nahm ihn SCHON WIEDER aus, ja, mit in Schutz, dachte der Taishou.

Und, vermutlich war das die Sorte von Läuterung, die einst das Juwel der vier Seelen erschaffen hatte, miko und Daiyoukai gebannt hatte. Wer, außer dieser Kikyou, steckte noch in Kagome? Eines musste er seinem kleinen Bruder lassen – der hatte sich nicht mit der erstbesten Menschenfrau eingelassen, die er finden konnte. Sein persönlicher Irrtum.

Er sollte sich vielleicht auch besser auf sich konzentrieren. Leben war der Preis eines Kampfes. Er sollte dafür sorgen, dass es Iwatakko und nicht er war. Immerhin konnte er sich darauf verlassen, dass seine oft so vorlaute und emotionale Begleitung ihm absolut den Rücken frei halten würde. Natürlich nicht nötig, aber angenehm, dass sie sich um Inu Yasha kümmern würde.

Nun gut, Iwatakko, dachte er, als er sein Bewusstsein in sein Youketsu, die Quelle seiner Energie versinken ließ. Ich werde erst gehen, wenn ich gewonnen habe. Und mein Bruder lebt.

 

Kagome schrak fast zusammen als sie sich beobachtet fühlte, jener uralte Instinkt aus einer Zeit als Menschen nichts als Beute mächtiger Raubtiere waren. Eilig stand sie auf. Ja, ein Raubtier sah sie an, dachte sie, als sie ihren Bogen und den Rucksack zurecht zog. Wenn sie sich nicht komplett täuschte war der Daiyoukai, auf den sie zuging, bereits im Kampfmodus – ohne allerdings seine Energie zu zeigen. Das kam wohl noch. Er wollte Iwatakko keine Vorwarnung lassen. Aber ein flüchtiger Blick in die goldfarbenen Augen zeigte einen rötlichen Schimmer und sie guckte lieber auf seine Rüstung. „Ich bin soweit,“ sagte sie leise, auch, wenn sie sich gar nicht heldenhaft fühlte. In ein unbekanntes Schloss einzudringen, eine Hexe zu läutern … Für Inu Yasha, ja.

„Sage Inu Yasha, er solle kein Youki einsetzen.“

Das nannte man wohl Optimismus, dachte die miko. Sie selbst hatte durchaus Bedenken, ob ihr Hanyou überhaupt lebte, vielleicht in Menschenform war, geschweige denn mit Tessaiga kämpfen könnte. Aber ja, gut, die Ermahnung war vermutlich berechtigt – sie hätte es vergessen. So nickte sie nur und sah ihrem Schwager-Ehemann zu, wie der sich abwandte und mit drei weiten Sprüngen zwischen den beiden Geysiren landete. Der Grund dafür wurde ihr erst dann klar – da lagen zwei Lavasteine, die über die Wasserfläche hinausragten. Er beachtete tatsächlich ihren Rat, das war ja direkt nett.

Aber ebenso klar war jetzt, dass er im vollen Blickfeld der musha vor dem Schloss stand – die Rechte locker neben sich hängen lassend, weiße Kleidung, weiße Haare, die in der roten Dämmerung hier förmlich herausstachen. Und sie kannte diese unglaublich arrogante Bewegung, mit der er sein Haar mit der linken Klaue über den Schulterschutz zurückstreifte. Eine Herausforderung. Aber er griff nicht zum Schwert. Sie drückte sich lieber eng an den dunklen Felsen neben sich und warf einen vorsichtigen Blick um die Ecke.

Natürlich. Alle vier Schattenkrieger hatten gemerkt, dass da jemand auf der Matte stand, der nicht eingeplant war. Und, davon war wohl auszugehen, dass sie das auch Iwatakko mitteilten, der womöglich durch ihre Augen sehen konnte. Wenn der nicht komplett ignorant war, würde der doch wohl aus dem Schloss kommen und den Besucher umbringen. Oder verließ der sich auf das Wasser? Schickte Urasae? Das wäre schlecht für ihren armen Schrödinger-Hanyou, denn dann war davon auszugehen, dass der absolut handlungsunfähig war. In dem schlechteren Katzenzustand. Oh, bitte nicht. Sicher, Sesshoumaru trug Tenseiga und in dieser Zeit würde er es wohl auch für seinen Bruder einsetzen, aber wenn der noch in einem Kampf steckte, oder …

Sie zuckte instinktiv zurück, als sie sah, wie alle vier musha sich in Bewegung setzen, auf den Hundeyoukai zu.

Dessen Antwort konnte sie allerdings auch wahrnehmen. Sein Youki stieg abrupt an und er hob die rechte Klaue in einer Art, wie sie sie oft schon gesehen hatte, leider oft aus der falschen Perspektive – Daumen und zwei Finger ausgestreckt. Sie meinte zu hören, wie diese leise knackten. Eine wortlose Drohung. Aber sinnvoll, wenn er kein Youki einsetzen wollte und sollte. Das allerdings würde den Kampf gegen das Quartett nicht erleichtern.

 
 

Schlagabtausch


 

V

ier mushas kamen auf ihn zu, dachte Sesshoumaru. Sie bewegten sich eindeutig im Team, geleitet von ihrem Erschaffer. Und, sie waren keine Lebewesen in dem Sinn, nur Schatten Iwatakkos, was bedeutete, man konnte sie nicht töten. Aber, man konnte sie vernichten. Es wäre schön, wenn dieser seltsame Daiyoukai sich auch dagegen vorgesehen hätte. Dann würde der Kampf wenigstens nach den ganzen Belastungen der vergangenen Tage etwas unterhaltsamer werden, selbst, wenn er wohl einstweilen kein Youki einsetzen sollte.

Und, das würde hoffentlich doch Iwatakko selbst aus diesem sogenannten Schloss locken. Massiv, aus Steinplatten gebaut, keine Öffnungen erkennbar außer der Tür und dem, was wohl eine Dachterrasse darstellen sollte. Alles noch bewachsen von vertrockneten Algen und anderen Meerespflanzen, die er nicht kannte und auch sicher nie kennen lernen wollte.

Nun, einmal antesten, was diese so genannten Krieger drauf hatten, die nun ihre Schwerter zogen und jeweils zu zweit von rechts und links in durchaus akzeptablem Tempo auf ihn zuliefen.

Kagome hielt sich noch verborgen, gut. Sie schien sich an seinen Plan halten zu wollen.

Sein Klauenangriff fuhr durch die Schattenkrieger, noch ehe sie sich ihm auf fünf Meter genähert hatten. Reichte das, um Iwatakko zu überzeugen? Natürlich setzten sie sich gleich wieder zusammen, nun, sie flossen zusammen, als seien sie dickflüssiges, schwarzes, Wasser, mit einem eigenwilligen Geruch. Das sollte er sich merken. In einem Kampf war es immer nützlich die Strategie des Anderen zu kennen und sich der anzupassen.

Sie brauchten nicht lange um wieder zu stehen, aber für einen Augenblick zögerten sie mit einem neuen Direktangriff, ehe sie sich rund um ihn begaben.

Nicht wirklich, oder? Sesshoumaru hob etwas die Hand, ehe er sich nur noch auf einen der aus dem Wasser ragenden Lavasteinen stellte, und sich um sich selbst zu drehen begann. Die aus seiner Hand dringende, dünne Schnur an leuchtendem Youki bildete sich rasch, wie eine Spirale, um ihn und zerfetzte erneut die Schattenkrieger, während sich der Daiyoukai bequemer in seine Ausgangspose begab. Das mochte noch eine lange Zeit so weitergehen, wenn sich dieser Feigling nicht blicken ließ.

Hm. War es möglich, dass Iwatakko über nicht mehr als diese vier musha verfügte? Dann war es umso törichter gewesen, die alle vier vor die Haustür zu stellen, keine weiterem Patrouillen oder Reserven zu besitzen. Allerdings würde das auch erklären, warum nur ein Trio der Schattenkrieger nachsehen gekommen war, ob und wer durch den Blutbann gelangt war. Dann hätte Iwatakko nur einen bei sich behalten, sei es, um die Hexe zu bewachen, sei es auch Inu Yasha – was bedeuten würde, dass sein Bruder noch immer am Leben war.

 

Eine Bewegung in der Öffnung des Schlosses ließ ihn hinblicken, zu kampferfahren, um nicht alle vier nun aufstehenden kagemusha um sich möglichst im Auge zu behalten.

Das musste tatsächlich Iwatakko sein. Jedenfalls kam da eine weiß gewandete Gestalt, in einen knielangen Umhang gehüllt, Kopf und Gesicht mit einer Kapuze verborgen. Füße und Unterschenkel schienen durchaus menschlich, gehüllt in Sandalen, deren Bänder bis zum Knie der enganliegenden weißen Hosen empor geschnürt waren. Das Youki, das der Unbekannte zeigte, war nicht übermäßig, aber natürlich konnte ein Daiyoukai das auch unterdrücken. Jedenfalls verriet die steife Ausbuchtung an der rechten Hüfte selbst durch den Umhang, dass sich darunter eine Scheide verbarg und damit eine Klinge. Das konnte doch noch interessant werden.

„Iwatakko,“ lautete denn auch die schlichte Begrüßung.

 

Die verhüllte Gestalt blieb stehen, sich naturgemäß dem Gegner zuwendend – und damit Kagome den Rücken. „Du hast einen Vorteil, du kennst meinen Namen. Aber, ich denke, ich kann dir einen geben. Deine Haare, deine Augen, sie ähneln denen Inu Yashas. Also musst du der Kerl sein, der sich Taishou schimpfen lässt und angeblich der stärkste Daiyoukai im Land sei. Dass du hierher gekommen bist, zeugt von …. rührender brüderlicher Liebe.“ Das war reiner Spott. „Natürlich,“ fuhr Iwatakko ernst werdend fort: „Auch von einem kleinen Fehler in meinem Blutbann. Interessant, dass du es bis hierher geschafft hast. Bis hierher. Bald schon wirst du deinen Platz neben deinem Bruder einnehmen und mir das restliche Youki geben, das ich noch benötige.“

„Ist das so.“ Sesshoumaru legte gewissen Zweifel in seine Antwort, zumal er sah, dass sich Kagome sichtlich ängstlich, aber jedenfalls nicht wie ein Pfeifhase rennend, im Rücken des Daiyoukai auf das Schloss zubewegte. Sie war in der Tat für einen Menschen mehr als brauchbar. Noch allerdings sollte er diesen Narren von ihr ablenken. „Dein Plan hatte ja bereits mehrere Fehler. Aber dieser Blutbann war das Musterbeispiel dafür.“

„Wenn du mir verrätst, wie du durchgekommen bist? Und, damit du nicht glaubst, ich benötigte das Blut deines Bruders ohne Grund ….“ Iwatakko streifte die Kapuze ab.

 

Kagome hatte es in der nur durch die abwechselnd blasenden Geysire hier herrschenden Stille vernommen und drehte sich neugierig um. Fast gleichzeitig wünschte sie, sie hätte es nicht getan, Mochte die Gestalt unter dem Umhang auch menschlich wirken - der Kopf war es definitiv nicht. Etwas wie ein waberndes, schwarzes Oval ragte direkt aus den Schultern und sie glaubte, mehr als zwei Arme unter dem Umhang zu erkennen. Mit einem heftigen Schlucken verdrängte sie ihre aufwallende Furcht. Sesshoumaru tat, was er konnte, um ihr die Chance zu geben in das Schloss zu gelangen und Inu Yasha zu retten. Dass der noch lebte, aber in großer Gefahr schwebte, war ja deutlich zu hören gewesen. So ging sie möglichst ruhigen Schrittes weiter, unbewusst eine Taktik aus ihrer Schulzeit wiederholend. Ein Schüler, der kurz vor knapp in Jacke und mit Tasche übergeworfen über den Schulhof rannte, gewann mit Sicherheit die Aufmerksamkeit aller diensthabenden Lehrer – und wurde für Zuspätkommen bestraft. Ein Schüler, der sich, Jacke über dem Arm und Tasche in der Hand, langsam bewegte – von dem wurde angenommen, dass sein Kurs in ein anderes Gebäude verlegt worden war und der das neue Zimmer suchte. Das kam täglich vor.

Dennoch konnte sie ein gewisses Zittern nicht unterdrücken, als sie sich dem schwarzen Loch, dem Eingang in das steinerne Schloss näherte, und sich bemühte nicht mehr hinzuhören, was hinter ihr passierte. Das war die Aufgabe ihres Schwager-Ehemannes. Ihre lag da drin. Inu Yasha.

 

Der Hundeyoukai betrachtete tatsächlich ein wenig interessiert seinen Gegner, suchte nach Kampftaktiken und Schwächen. Iwatakko war in der Praxis ein wenig größer als er selbst. Der so menschlich scheinende Körper besaß allerdings einige, nun, Abänderungen.

Der Kopf aus schwarzem, etwas waberndem Gewebe, saß direkt auf den Schultern. Ohren, Nase, Mund waren nicht zu entdecken, obwohl der Unbekannte sprechen konnte. Dafür leuchteten in dem sicher fast fünfzig Zentimeter Höhe messenden Kopfoval zwei rote Augen, die gewiss eine Handspanne umfassten. Da Iwatakko nun die Rechte an das Schwert gelegt hatte, zeigte er noch etwas von seinem Körper: ein durchaus menschlicher Oberkörper, unbekleidet und ohne Rüstung. Die Arme, die aus den Schultern ragten, schienen ebenfalls menschlich und es war auch eine menschliche Hand, die am Griff der Klinge lag. Darunter befanden sich allerdings auf jeder Körperseite zwei Tentakeln, die mit Saugnäpfen besetzt waren und nur zu deutlich zeigten, um was es sich bei dem Daiyoukai in seiner wahren Gestalt handelte. In der Tat um einen Kraken.

Sesshoumaru verstand plötzlich die Witterung, die die zerlegten musha besessen hatten und die er nicht einordnen konnte. Schwarz – sie bestanden aus Tinte. Und das erklärte auch, warum niemandem ein musha in seinem Schloss oder gar Inu Yashas Zimmer aufgefallen war. Überall standen Tintenfässer herum.

Das bedeutete aber auch, dass Iwatakko in einem Duell jederzeit auch seine Tentakeln als Waffen einsetzen konnte. Gegen einen sechsarmigen, oder korrekter achtarmigen Gegner hatte er selbst noch nie gekämpft, das konnte wahrlich interessant werden. Zumal Iwatakko sich anscheinend darauf verließ, dass er nicht wusste, dass er sein Youki nie auf das Wasser leiten sollte. Im Zweifel würde es nur ihn selbst treffen und der Krake ausweichen oder gar es zur Verstärkung aufnehmen.

Kagome war fast im Schloss, sie presste sich allerdings außen an die Mauer und versuchte hinein zu spähen, nach weiteren Wächtern zu suchen. Also sollte er den Kampf noch ein wenig herauszögern, wie es auch sein Gegner zu tun schien. Jedenfalls hielten die kagemusha um ihn nur die Stellung, bewegten sich ansonsten nicht. Das konnte sich freilich jeden Augenblick ändern. „Inu Yasha, ja. Und ein Daiyoukai namens Nezumiuro.“

„Ich frage selten nach den Namen, außer, jemand wie dein Hanyou-Bruder interessiert mich wirklich. Nezumiuro, einer von diesen Nagetieren? Nett stark, dafür, ja. Hat er dich interessiert?“

„Niemand tötet meine Untergeben oder entführt meinen Bruder ohne es mit mir zu tun zu bekommen.“ Auch Sesshoumaru legte nun die Hand an Bakusaiga. Hm. So, wie sie standen, konnte er nicht durch die Luft angreifen. Die Zerstörungswelle seiner Klinge würde auch das Schloss dort hinten niederreißen, mit allen darin. Kein Youki in den Boden, aufgrund des Wassers. Also, zunächst einmal Stahl auf Stahl, Kraft gegen Kraft – bis es Kagome gelungen war Inu Yasha da heraus zu holen. Und da waren auch noch die musha um ihn...

„Du klingst ziemlich selbstbewusst, für jemanden, der sich seinen Bruder vor der Nase wegschnappen lässt oder auch Untergebene.“

„Du klingst ziemlich arrogant für jemanden, der sich als Daiyoukai von einem menschlichen Kaiser vor Jahrtausenden hat umbringen lassen.“ Gut. Kagome verschwand im Schloss. Dann konnte der Kampf beginnen. Er zog.

Iwatakko folgte prompt diesem Beispiel. Sein nächster Satz klang nicht mehr so gelassen. „Es war kein Mensch.“

Lag in dieser Niederlage etwa ein wunder Punkt? Der Taishou merkte es sich vor, noch während er erkannte, dass die vier Schattenkrieger um ihn gleichzeitig und sehr koordiniert ihn angriffen, die Schwerter schlagbereit – und Iwatakko einen Satz auf ihn zu machte.

 

Kagome hatte sich eng an die Schlossmauer gepresst und dabei mit gewissem Ekel gespürt, wie nass und glibbrig der Stein war. Nun gut, kami-sama hatte ja gesagt, dass das Schloss samt dieses Teils der Halbinsel im Meer vor Jahrtausenden versunken war, aber vor einem Einzug sollte man doch mal durchputzen! Sie warf einen vorsichtigen Blick um die Ecke. Das Tor stand nicht nur offen, es existierte gar keines. Es war schlicht ein offener Eingang. Ebenso breit wie diese Öffnung, fünf Meter, zeigte sich dahinter auch eine Art Vorhalle, Steinboden, feuchte Steinwände, sehr übersichtlich. Noch während sie aufatmete, dass sie keine zusätzlichen Wachen entdecken konnte, fiel ihr der Haken an der Sache auf – es gab keine Tür, keinen weiteren Gang. Das schien alles zu sein. Und genau das konnte doch nicht wahr sein. Der Kerl baute sich doch nicht so einen Bannkreis um dann selbst in dieser Grotte gemeinsam mit seinen Schattenkriegern zu sitzen? Und wo war Urasae?

Ah. Sie erkannte ein vages Flimmern an der Hinterwand. Eine Illusion, freilich eine recht gut gebaute. Langsam trat sie hin und wandte unwillkürlich noch einmal den Kopf. Sesshoumaru schien mit Iwatakko zu reden – sicher, um ihr Gelegenheit zu geben hier herein zu gelangen. Gewöhnlich hätte er doch schon dreingeschlagen, ebenso wie es Inu Yasha …. Sie sollte nicht soviel nachdenken, sondern den Bann hier lösen, das würde ihrem Hanyou und auch ihrem Schwager-Ehemann da draußen deutlich mehr helfen. So legte sie behutsam die Finger an die Stelle, wo sie das leichte Flimmern entdeckt hatte. Ja, da war es warm, nicht so kalt und feucht wie die anderen Wände. Das hier musste der Eingang sein.

 

Dreißig Sekunden später stand sie in einem weiteren breiten Gang und wich eilig an die, hier wieder nassen, Wände zurück. Dieser Durchgang war breit und sehr gerade und führte offenkundig direkt in das Herz des Schlosses. Nun ja, von Vorsicht oder auch Militärtaktik schien dieser Iwatakko keine Ahnung zu haben. Oder hatte er sich das einst leisten können, als seine musha halb Japan bedrohten? War der so arrogant?

Jedenfalls waren hier keine Wachen zu sehen. Ab und an entdeckte sie in dem vagen Zwielicht, das hinter ihr durch den Eingang fiel und einem ebenso mageren Lichtschein vor ihr, dass Gänge nach rechts und links abzweigten, sehr gerade und übersichtlich, alles. Leider auch voller alter Algen, vertrocknetem Tang und Muscheln an den Wänden, der Boden schien feucht. Immerhin hatte sie Turnschuhe an, das sollte helfen. Es war das wievielte Mal, seit sie diesen Bannkreis betreten hatte, dass sie Iwatakko einen anderen Innenarchitekten wünschte?

Aber, wenn dort vorne Licht war, dann musste da auch Urasae sein - und hoffentlich, hoffentlich auch der Staatsgefangene Nummer Eins.

„Keine Sorge, Liebling, ich bin gleich wieder da, dann spielen wir weiter!“ rief, nein, eher zwitscherte in dem vermutlich größeren Raum vor ihr eine Stimme, die sie buchstäblich Jahrhunderte nicht gehört hatte – und die ihr Blut in Wallung brachte. Samt leider auch ihrer läuternden Energie. Hastig wich sie in einen dunklen, nach rechts führenden, Seitengang zurück und bemühte sich ruhig zu werden. Es war nicht gesagt, dass Urasae allein kam, nicht, dass dort vorne Inu Yasha war.

Aber klar war auch, dass dieser alten Youkaihexe nicht entgangen war, dass der schützende Bann am Eingang durchbrochen worden war. Lieber noch ein Stück zurück von dem Hauptgang weichen, damit sie nicht gesehen werden konnte. Kagome war es sehr unwohl, allein in der Dunkelheit, in einem Gang, von dem sie nicht wusste, wohin der führte. Das Licht vom Eingang reichte nicht bis hierher und so wagte sie es stehen zu bleiben. Wie das ganze Schloss roch es auch hier feucht und modrig, ja, nach Wasser, Meer, und sie musste sich zwingen tief und ruhig zu atmen, jede Form der Aufregung in sich zu verschließen und damit auch ihre Energie. Sie durfte, so sehr es sie auch juckte, nicht diese Hexe läutern, nicht, ohne zu wissen, wer oder was bei ihrem Hanyou war, wie es dem ging.

Jemand kam schwer atmend den Hauptgang entlang und die junge miko drückte sich noch enger an die Wand, unbekümmert wie muffig es hier roch.

Grau, lange Haare, hager, vorstehende Augen, eindeutig, die Gestalt, die sie da vorbei gehen sah, war Urasae. Es gab Menschen, nun, auch Youkai, die man wirklich nie vergessen konnte. Die Hexe schien zu stutzen und hinaus zu blicken.

Kagome hörte ein Kichern, das ihr durch Mark und Bein ging.

„Ach der Herr. So kampfbegeistert, dass er vergessen hat den Bann zu schließen. Hm, ein hübscher Junge, sieht meinem Liebling fast ähnlich. Hoffentlich will er ihn nicht für den Blutbann, sondern sein Youki für sich. Ach, ich rede mit mir, alte Frau, ja …“

Kagome konnte spüren, dass die Illusion wieder vor dem Eingang lag. Immerhin war sie selbst nicht aufgeflogen. Aber Urasae schien noch verrückter geworden zu sein als vorher. Was leider nicht ungefährlicher bedeutete.

Die Hexe kam zurück, warf einen gleichgültigen Blick in den Gang, in dem Kagome stand, schritt dann weiter. „Ich komme schon, du kannst dich freuen!“ rief sie.

 

Das Mädchen atmete tief durch. Das schien gut gegangen zu sein. Und nach dem, was diese verrückte Alte gesagt hatte, kämpfte Sesshoumaru draußen bereits mit Iwatakko. Hatte er die Schattenkrieger schon beseitigt oder hatte die Iwatakko nur noch nicht eingesetzt? Jedenfalls schien es nicht nur so, als ob dieser komische Felskrake nicht zögern würde auch einen weiteren Daiyoukai zu absorbieren. Sie sollte sich wirklich beeilen. Nur, wenn sie beide aus dem Schloss waren, also, sie mit Inu Yasha, würde ihr Schwager-Ehemann, nein, dann nur ihr Schwager doch auch die volle Macht seines Schwertes einsetzen können. Noch musste er dieses Schloss hier schonen. Sie drückte sich erneut etwas gegen die Wand und holte tief Luft. Jetzt musste sie den offenen Gang entlang und nachsehen, was Urasae da vorne trieb. Bislang hatte es keine Lehmkrieger gegeben, keine weiteren musha, aber gerade die Schattenkrieger waren im Dunklen praktisch für Menschenaugen unsichtbar. Sie sollte sich vorsehen.

So griff sie zum Köcher und zog einen Pfeil. Ja, musha besaßen kein Youki und sie würde sie nicht läutern können, auch sollten sie angeblich nicht ermüden oder Schmerzen empfinden können, aber sie könnte es ja einfach mit einem Bann versuchen, der den Schattenkrieger einschloss. Hoffentlich hatte dieser dämliche Iwatakko daran nicht auch noch gedacht. Allerdings benötigte sie für einen solchen Zauber doch etwas Zeit, selbst wenn sie darauf gefasst war. Deswegen sollte ihr das matte Licht eines Pfeiles, der unter ihrem Reiki leuchtete, Vorwarnung geben. Leider hatte das wiederum den Nachteil, dass Urasae, die anscheinend die magische Überwachung hier im Schloss machte, auf sie aufmerksam werden würde. So wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Zwei, eins, Risiko … dachte sie zynisch. Im Fernsehen sah das immer so einfach aus.

 

In der nächsten Sekunde vergaß sie alles.

Sie hörte einen erstickten Schrei, wie sie ihn noch nie vernommen hatte, dort, von vorne, wohin Urasae gegangen war. Es war ein Schrei unter wilden Schmerzen, kaum menschlich zu nennen – und doch wusste sie, dass es Inu Yasha war, der da so schrie. Und das hatte er schon öfter tun müssen, so heiser, wie ihr Hanyou klang.

 

Kagome vergaß jede Vorsicht, als sie mit der rechten Hand den Pfeil vor sich hob und ihn unter ihrer Energie aufleuchten ließ, mit der Linken sich an der feuchten Wand abstützte, um wütend nach vorne zu marschieren.

Ihre Linke fasste ins Nichts und sie fiel um ein Haar nach hinten, stolperte irgendwie zurück in den Gang, gehalten von einem Arm um ihre Taille.

Inu Yasha, dachte sie unwillkürlich, ehe sie spürte, wie fest der Arm um sie lag, sie unwiderstehlich zurück in das dunkle Loch zog, aus dem er gekommen war. Hektisch wedelte sie mit dem Pfeil um etwas erkennen zu können, fühlte, wie sich zusätzlich etwas Kaltes, Nasses um ihre Kehle gelegt hatte, und sie nach unten zog, in Wasser, das ihr bis zum Bauch reichte.

Im mageren Licht des Pfeiles erkannte sie vor sich in einer Art Bassin einen ovalen Kopf mit leuchtend roten Augen, der aus dem Wasser ragte und sie anstarrte, deutlich kleiner als Iwatakko. Aus dieser Nähe konnte ihr der papageienhafte Schnabel unter den Augen nicht entgehen, der sich öffnete.

Eindeutig war sie als Futter vorgesehen – und ebenso eindeutig war ihr allernächster Gedanke: wenn das das Kind ist, ist Iwatakko eine SIE?

 

 
 

Duelle


 

S

esshoumaru hatte nicht abgewartet ob sich die vier musha und ihr Herr samt ihren Schwertern in seinem Körper treffen wollten, sondern hatte einen hohen Satz gemacht, der in der Luft in einem eleganten Überschlag abbrach. Währenddessen hatte er Bakusaiga rasch in die Linke gewechselt. Seine rechte Klaue leuchtete bereits grün, als er, noch immer mit dem Kopf nach unten, über einem musha schwebte und diesem die giftige Säure buchstäblich hineinpresste. Der Schattenkrieger stürzte prompt zu Boden und löste sich auf.

Der Taishou landete daneben, schon Bakusaiga wieder in der Rechten. Während des gesamten Sprunges hatte er seinen eigentlichen Gegner nicht aus den Augen gelassen. Iwatakko hatte rasch erkannt, dass dieser Angriff von ihm und den Kriegern ins Leere gehen würde und ihn abgebrochen. Nun aber, als die dokka-so einen seiner musha aufgelöst hatte, war etwas wie ein Zucken zu erkennen gewesen. Nicht viel und nur, weil er selbst darauf gewartet hatte, konnte er es erkennen. Ja, der Krake war mit seinen Schöpfungen verbunden und er spürte auf jeden Fall, wenn die aufhörten zu existieren. Dann war die Folgerung logisch: zunächst die musha mit der Giftklaue erledigen, das würde, sei es durch Schmerz oder fehlendes Youki, auch Iwatakko bemerken, natürlich ebenso die fehlenden Klingen, die sich anscheinend mitsamt ihrem Besitzer auflösten.

Die roten Augen des Hausherrn funkelten. „Deine Energie wird mir helfen ihn zu ersetzen.“

„Das nennt man Selbstbetrug.“ Noch während Sesshoumaru den Satz aussprach, schoss seine Linke gegen den nächststehenden musha und zerlegte den. Aufmerksam achtete er auf das Youkilevel des Kraken. Ja, es schwankte etwas, wurde allerdings nicht weniger. So war Iwatakko also nicht zu schwächen. Der benötigte Energie nur um die Schattenkrieger herzustellen. Und davon würde der in der momentanen Situation gewiss absehen.

„Narr,“ gab der Krake zu Protokoll. „Sie können sich regenerieren. Und du kannst sie nicht alle mit dieser, sehr interessanten, Fähigkeit zerstören. Sie werden vorsichtiger sein.“

Wer hier der Narr war, war dahin gestellt. Immerhin lernte er mit jedem Angriff etwas dazu. Und, ja, es würde schwierig werden, aber es war nicht unmöglich, die noch existierenden Schattenkrieger mit der dokka-so zu vernichten. Mit Youki und auch ohne Zweifel mit blanker Klinge ging es nicht. Langsam begriff er jedenfalls, warum weder Youkai noch Menschen damals viel gegen Iwatakko und seine Schattenkrieger ausrichten konnten, zumal, wenn es sich um ganze Heere von musha gehandelt hatte. Zum Glück standen ihm selbst durchaus mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Wenn die Krieger nun vorsichtiger wären, bedeutete das auch, dass Iwatakko vorsichtiger war und sie genauer lenken wollte, folglich war er abgelenkt. Wohl nicht genug, dass ein direkter Angriff mit blankem Stahl durchgehen würde, aber …

 

Eine rasche Armbewegung schleuderte Youki auf den Krakendaiyoukai zu, der schnell seine Hand mit dem Schwert erhob und sich mühelos verteidigte. Noch ehe er allerdings eine spöttische Bemerkung machen konnte, hatte er gesehen, dass sein Widersacher erneut die Schwerthand gewechselt hatte, die Rechte wieder so grün leuchtete. Der wollte wieder einen seiner musha vernichten, bestimmt den verletzten, der sich noch regenerierte! Iwatakko lud seine Klinge mit seiner eigenen Energie auf. Sobald der Narr sprang, würde er ihn erwischen. Aber der sprang nicht, sondern wechselte bereits wieder die Klaue – und der Schattenkrieger, der sich erneut zusammengesetzt hatte, erhob sich. Dafür fehlte ein anderer, der weiter rechts gestanden hatte. Dieser Misthund konnte dieses Gift auch über Distanz verbreiten! Nun gut, es musste ja einen Grund geben, warum der Kerl als Taishou offenbar im ganzen Land anerkannt war, der liebe Inu Yasha in seinen Fieberträumen von seinem großen Bruder, nii-san, geredet hatte. Taktik und gewisse Fähigkeiten waren diesem nicht abzusprechen. Was natürlich auch bedeutete, dass ER nach der Absorption dann über diese Möglichkeiten verfügen würde.

Allerdings war jetzt Schluss mit Spielereien. Dieser Typ hatte ihm in fünf Minuten zwei musha gekostet! Was glaubte der denn, wie viel Energie man da rein stecken musste! „Sag mir noch deinen Namen,“ forderte er ihn daher auf. „Ich weiß immer gern, wer so alles in mir steckt.“

„Träum weiter.“ Aber er gab die Antwort. „Sesshoumaru.“

„Tod in Perfektion. Hm. Meine Eltern waren da ein wenig phantasieloser.“ Noch während er redete, jagte eine deutlich gesteigerte Energiemenge aus seiner Klinge auf den Hundeyoukai zu, der rasch in die Luft sprang, und etwas entfernt, wieder auf den beiden Lavasteinen stand, die augenfällig aus dem Wasser ragten, das hier den Boden bedeckte.

 

Und Sesshoumaru war nicht so unerfahren im modernen Dingen wie Elektrizität, dass er nicht das Kribbeln spürte, das in der Luft lag, mehr noch im Wasser. Dieser Mistkerl von Krake konnte seine Energie ins Wasser leiten, da es dem selbst nichts ausmachte! Das war nur schlecht für ihn als sein Gegenüber.

Kagome hatte recht gehabt. Er würde viel in der Luft sein müssen, und das war auf die Dauer doch etwas was ihn langsamer machen würde. Natürlich nicht viel, aber das konnte in einem solchen Duell doch entscheidend sein. Apropos Duell. Er sollte diese zwei mushas da auch noch erledigen, ehe Iwatakko mit ihnen gemeinsam erneut angriff. Dazu musste er allerdings den Kraken ablenken.

Mit einem gewaltigen Sprung stand er unmittelbar vor Iwatakko und schlug direkt zu, gezielt auf dessen, nur durch den Umhang, geschützte rechte Schulter. Traf er den Waffenarm, war die Sache entschieden.

Iwatakko bewies sofort, dass er ein erfahrener Kämpfer war. Ohne jede Verzögerung hatte er seine Klinge emporgerissen, drückte damit das Schwert seines Angreifers nach außen, allerdings von unten weniger Schwung habend.

Metall knirschte, als Stahl auf Stahl gepresst wurde.

Sesshoumaru verzog keine Miene, aber ihm entging nicht, dass sich die zwei Tentakeln unter ihm auf seiner Seite bewegten, dass die beiden Schattenkrieger sich näherten, ohne Zweifel auf Befehl ihres Herrn um den zu entlasten. Gut, nur noch ein wenig, damit er der Umklammerung der Tentakeln entgehen konnte. Die waren das nächste Hindernis.

Mit einer Drehung des Handgelenks und einem Seitwärtssprung gelangte der Hundeyoukai aus dem Nahkampf. Noch in der Luft wechselte er erneut die Schwerthand.

 

Iwatakko sah es und riss seine Klinge zu sich, dann empor, um sein Youki in die Luft auf diesen lästigen Hund zu schlagen, der sich allerdings hinter seinem musha versteckte. Der Angriff ging fehl. Aber, der hatte sich nicht versteckt. Der hatte die steife Hand mit dieser grünen Flüssigkeit in das Genick seines Schattenkriegers gejagt! Diese Fellnase ging ihm wirklich auf die Nerven. Drei mushas in nicht einmal zehn Minuten! Das hatten früher noch so starke Youkai, ja, Daiyoukai, nicht hinbekommen. Schön, der sollte als Taishou auch ein Daiyoukai sein, aber der schien sich bislang nicht anzustrengen, beseitigte die Schattenkrieger als seien sie nur lästig. Er sollte seinen letzten musha schützen. Ohne die fühlte er sich doch ein wenig, ja, wozu es leugnen, einsam. Die letzten Jahrhunderte, Jahrtausende, hatten ihm dieses Gefühl nur zu ausgiebig zu kosten gegeben.

Ob der dumme Hund mitbekommen hatte, dass das Wasser hier auf dem Boden ihm schaden könnte, wenn er, Iwatakko, einen Energieangriff hineinjagte? Kraken, noch dazu ein Daiyoukai, waren dagegen immun. Dieser Sesshoumaru hatte sich zwar auf die beiden Steine gestellt - als Schutz? Aber dort hatte er auch zuerst gestanden, als ob das eine Art Feldherrnhügel sei. Womöglich eine Hundeeigenart? Jedenfalls, selbst, wenn der es mitbekommen hatte, würde es ihm nichts helfen. Niemand konnte dauernd fliegen, egal, wie stark er war. Und ganz sicher wusste der Kerl nichts von seinem größten Trick, der ihm noch jedes Mal den Sieg eingebracht hatte, glaubte wohl gar er wäre dominant, weil er die mushas beseitigt hatte und eigentlich dauernd angegriffen hatte. Überdies fand das hier alles ja diesmal in seinem eigenen Blutbann statt. Wie auch immer der hier herein gekommen war – verlassen würde er ihn nur wieder als Teil seiner selbst. Gut. Sein musha war hinter ihm. Dann sollte der junge Hund mal ein wenig laufen! Schon bald wäre der an der Stelle Inu Yashas, dem inzwischen Urasae doch wohl das letzte Blut mit dem letzten Youki ausgequetscht hatte. Der Hanyou hielt sich wirklich nicht schlecht, das musste er zugeben. Der wehrte sich hartnäckig, gab mehr Youki und Blut als so manch anderer. Hm. Das müsste dann doch auch für den großen Bruder gelten, oder?

Der Krake jagte einen weiteren Energieangriff auf seinen Gegner, diesmal direkt auf den Körper gezielt. Sprang der ins Wasser, würde die nächste Attacke eben ins Wasser gehen. Blieb der stehen, wurde er getroffen. Fliegen, auch nur schweben, kostete auf Dauer zu viel Energie, während die seine nahezu unerschöpflich war, hier. Leider nur hier, aber Inu Yasha würde ihm dazu verhelfen das in ganz Japan zu sein. Und der Kerl hier sowieso.

 

Sesshoumaru war stehen geblieben, durchaus seine Chancen zum Thema Wasser oder Luft abschätzend. Er lud Bakusaiga mit seinem eigenen Youki auf und ließ das der Attacke entgegen rasen. Die Mächte zweier Daiyoukai prallten aufeinander in einer Explosion, die beide Duellanten dazu brachte für eine Sekunde die Augen zu schließen. Ein tiefes Loch war entstanden, in das das umgebende Wasser floss, und sich so rasch füllte. Iwatakko sah es zufrieden. Mehr Wasser bedeutete auch mehr Regeneration für ihn. Und mehr Mittel Energieattacken aufzubauen, ja, umzuleiten. Wo war der Misthund …?

 

Sesshoumaru hatte nicht abgewartet. Sobald er etwas erkennen konnte, war er abgesprungen, direkt auf Iwatakko zu, in der Hoffnung, dass der ein wenig länger nichts sehen könnte. Immerhin besaß der recht große Augen. Ohne Energieangriff musste es gehen. Sein Hieb traf den Kraken links und trennte die beiden dortigen Tentakeln ab. Sie wanden sich noch auf dem Boden, Iwatakko kniete mit gesenktem Kopf nieder. Der Taishou zog sich auf die einigermaßen sicheren Steine zurück, zu vorsichtig, um seinen sichtlich verletzten Gegner aus den Augen zu lassen. Da kam noch etwas, das war zu einfach gewesen.

Iwatakko sah zu Boden, aber er kicherte. „Das tat weh und du bist wirklich ein starker Junge. Das gefällt mir.“ Ohne weiteres streckte er den linken Arm aus, während er mit der Rechten am Hals den Umhang löste.

Sesshoumaru wartete schweigend. Was passierte da? Eine Welle an Youki, eine ganz gewaltige Menge Energie, aber wozu? Dann sah er es. Aus dem Körper des Kraken drangen zwei neue Tentakeln, länger, dicker, wollte ihm scheinen als die zuvor. So blieb nur eine Erkenntnis. „Du kannst dich anscheinend gut regenerieren.“

„Ich kann mich perfekt regenerieren, selbst, wenn du mir den Kopf abschlägst.“ Iwatakko stand wieder. „Und jetzt spiele ich nicht mehr.“

 

Kagome starrte auf das unheimliche Bild, das ihre menschlichen Augen ihr im Schein ihres Pfeiles zeigten. Kalt lagen zwei Fangarme des Kraken vor ihr um ihren Hals und ihre Taille. Unwillkürlich stieg ihre läuternde Energie, erhellte auch den Pfeil. War das ein Baby-Kraken-Daiyoukai? Sie konnte allerdings keinerlei Youki spüren.

War das real?

Ja, bestätigten ihr ihre Sinne, als sie unbarmherzig weiter auf den ovalen Kopf mit dem Papageienschnabel zugezogen wurde. Und, was auch immer es war, wollte sie fressen, da hatte sie leider wenig Zweifel. Und das, wo diese Hexe Inu Yasha folterte, Sesshoumaru draußen gegen eine Übermacht kämpfte …

Kein Youki.

Und, wo guckte dieses Monster denn jetzt hin?

Der – nur im Verhältnis zu Iwatakko - kleine Krake starrte ihren Pfeil an. Störte den das Reiki oder einfach das Licht? Immerhin hockte der hier im Dunkeln. Und, noch immer konnte sie keinerlei dämonische Energie verspüren. Nein, das war kein Youkai, nicht einmal ein Baby. Das war ein Tier.

Warum auch immer Iwatakko das hier gefangen hielt, das war im Moment wirklich nicht ihr Problem.

Sie wedelte mit dem leuchtenden Pfeil und versuchte unwillkürlich Kontakt aufzunehmen. „Ja, guck mal, es leuchtet, ist das nicht hübsch? Hübscher, meine ich, als ... naja, als ich?“ In der stillen Hoffnung, dass Urasae sich über nichts wundern würde, was in diesem Krakengefängnis passierte, erhöhte sie noch einmal die Energie und damit die Helligkeit.

Der Krake schien zu blinzeln, aber immerhin wurde der Druck der beiden Arme um sie lockerer, als eine dritter Tentakel aus dem Wasser kam und sichtlich nach dem Pfeil tastete. Wollte er ihn haben oder das Licht abwehren? Egal, das war irgendwie die richtige Taktik. Sie musste zu Inu Yasha! So, wie der arme Hanyou sich angehört hatte – und diese saudämliche Hexe gleich dazu – blieb ihm nicht mehr viel Zeit.

„Du willst das haben?“ Sie hielt den Pfeil hoch, sofort gefolgt von der dritten Tentakel. Aber, irrte sie sich oder guckte der lieber nicht so direkt hin, was er da greifen wollte? Störte ihn das Licht doch? Mehr Energie. Und, wenn Urasae kam, bekam der hier sein nächstes Mittagessen, das schwor sie sich, ihre Panik unterdrückend. Sie war die einzige Chance, die die Hundebrüder hatten, ihre beiden, so irre das auch klang, Ehemänner, da sie irgendwann irgendwie doch den Überblick verloren hatte, mit wem von beiden sie gerade verheiratet war, gewesen war oder sein sollte. „Hier ist das Licht, guck mal …“ Spiele mit ihrem Kater kamen ihr in Erinnerung, wenn Buyo nach dem Licht einer Taschenlampe haschte. Nun ja, als er noch jung war. So rieb sie den Pfeil an dem Tentakel um ihren Hals und fühlte fast sofort, wie sie freigegeben wurde, jetzt zwei Arme des Kraken nach dem Pfeil suchten. Es klappte, dachte sie. „Ja, so ist fein, guck mal, nur noch hier….“ Ihre Taille wurde freigegeben.

Und dann, einem blindem Überlebensinstinkt gehorchend, drückte sie den leuchtenden Pfeil dem Tier buchstäblich in die Arme und drehte sich um. Sie musste hier weg, hier raus!

 

Das Licht hinter ihr erlosch, aber sie wagte nicht sich umzudrehen, wertvolle Zeit zu verschwenden, als ihre Hände in Gesichtshöhe eine Kante fassten. Strampelnd, hochziehend, irgendwie, schaffte sie es in den Gang nach oben und robbte auf dem glitschigen Boden weiter, bis sie die ungewisse Helle des Hauptgangs erfasste, die durch den magisch gesicherten Eingang schien.

Hektisch warf die junge miko einen Blick hinter sich, ehe sie sich zusammenkauerte und zu weinen begann. Das wurde langsam einfach zu viel. Viel zu viel.

Etwas rüttelte und sie schrak zusammen. Kam da etwa der Krake? Urasae?

Nie zuvor war sie so erleichtert über ein Erdbeben gewesen, auch, wenn Tangreste und Muscheln mit Steinbröckchen von der Decke fielen.

Nur ein Erdbeben.

Sie schluchzte fast auf.

Nein, erkannte sie dann. Da draußen kämpften zwei Daiyoukai. Sie musste Sesshoumaru helfen, der wartete doch nur darauf, dass sie Inu Yasha rettete. Nur, wie sollte sie das tun?

Verheult rieb sie sich mit den Ärmeln Nase und Gesicht. Taschentücher waren aufgebraucht. Peinlich, aber wahr. Inu Yasha. Hoffentlich hatte sie durch den Trip mit diesem Kraken nicht dafür gesorgt, dass ihn diese Hexe noch weiter malträtieren konnte, hoffentlich lebte er noch.

 

Sie stand auf und tastete unwillkürlich nach dem Köcher. Bogen war noch da, Rucksack – nur im Köcher steckten nur noch fünf Pfeile. Sie musste welche in dem Wasser und bei der hektischen Flucht verloren haben. Hatte sie etwa auch – aber der fast panische Griff an ihre Taille verriet ihr, dass Tessaiga noch vorhanden war. Immerhin etwas Positives. Fünf Pfeile, fünf Möglichkeiten, Urasae und Iwatakko zu läutern. Ein bisschen wenig, für eine Amateurmiko.

Aber sie durfte nicht versagen, an ihr, einem Menschen hing doch gerade alles: das Leben der Hundebrüder, das Leben aller Menschen und Youkai in Japan jetzt, eigentlich die gesamte Zeit und damit auch die Götter. Sie durfte einfach nicht schwach werden, nicht versagen.

Und schon gar nicht, wenn es gegen Urasae ging. Diese Hexe hatte sie umbringen wollen, hatte Kikyou wieder belebt, machte gerade, wusste wer was, mit dem armen Inu Yasha … Die war fällig.

 

So nahm Kagome ihren Bogen und einen Pfeil, ehe sie möglichst behutsam zum Hauptgang schlich. Leichter gesagt als getan. Sie war nass, fror, da half auch das Gewand aus Feuerrattenhaar nichts mehr, die Sohle der Turnschuhe griff nicht mehr auf dem glitschigen Untergrund. Ihr Götter, sie hasste doch Geisterbahnen!

 

Vorsichtig sah sie rechts und links, ehe sie nach rechts schlich, wo sich offenbar eine größere Halle befand, denn etwas Metallenes klirrte sehr laut hier in dem ansonsten buchstäblich totenstillen Schloss.

 

Am Eingang lehnte sie sich gegen einen der Türpfosten aus Stein und blickte behutsam hinein, so, wie sie es in Fernsehkrimis immer gesehen hatte.

Inu Yasha!

Es war eine große Halle, erleuchtet von mehreren Kohlepfannen, die ihr Licht verströmten. Offenkundig der Empfangsraum, denn im Hintergrund befand sich ein steinernes Podest mit einem steinernen Thron. Davor stand ein Tisch, oder was auch immer, ebenfalls aus diesem harten Material, auf das ihr Hanyou gefesselt war. Bannfesseln, sie konnte das Leuchten um seine Gelenke und den Hals erkennen. Er lag regungslos, was vermutlich an gleich mehreren Ursachen lag.

Sein linker Arm war ausgestreckt und etwas, was sie nur als kleines Fässchen definieren konnte, hing mit einem Schlauch daran. Seine Haare waren schwarz, deutliches Zeichen für seinen miserablen Energiezustand.

Und Urasae.

Kagome stellte fest, dass sie einen sehr dicken Brocken Hass in ihrer Kehle schlucken musste, als sie erkannte, dass die Hexe eine leere Metallschale in der Hand hielt und von dem Unterkörper ihres Geliebten kalt gewordene Kohle absammelte.

Dieses Miststück hatte ihm glühende Kohlen drüber gekippt! Und nicht zum ersten Mal, denn sie konnte erkennen, wie dunkel sich die Haut am Bauch und weiter drunter schon gefärbt hatte. Seine Selbstheilungskräfte waren am Ende. Aber so zwang ihn diese Hexe immer neu zu allem Youki zu greifen, was er produzieren konnte.

Ohne weiter nachzudenken riss sie den Bogen empor und legte an. Der Pfeil leuchtete hell auf.

Nur ein allerletzter Rest ihrer Fairness ließ sie rufen: „Urasae!“

Die Youkai war aus gewisser Erfahrung nicht töricht genug läuternde Energie hinter sich zu ignorieren und ließ die Pfanne fallen, noch während sie herumfuhr. Gewisses Erstaunen zuckte über ihr Gesicht. „Dich kenne ich doch. Ach, warst du nicht das Mädchen mit den zwei Seelen, oder so? Wie nett, dass du hier vorbei kommst.“ Noch während sie redete, zog sie ein Messer aus dem Ärmel und streckte den Arm aus.

Kagome sah es und zögerte nicht, sicher, dass das wieder gegen Inu Yasha gehen sollte, die Hexe ihn als Geisel nutzen wollte. So ließ sie los, in der Hoffnung den rechten Arm zu treffen. Nur keine weitere Verletzung für den armen Hanyou!

 

Urasae konnte nicht anders als ein erstauntes Gesicht zu machen, noch während ein heißer Schmerz, den sie leider kannte, sie durchfuhr. Ihr rechter Arm war verschwunden! „Das wirst du büßen, kleines Miststück. Ich werde dich gleich neben ihm braten! Ihr habt meine Kinder auf dem Gewissen!“ Sie hob ihre Linke

Kagome hatte bereits wieder angelegt. „Ich bin sicher nicht immer mit Kikyou einer Meinung gewesen, aber in deinem Fall ….“ Der nächste Pfeil flog, begleitet von den besten, oder eher schlechtesten, Wünschen der jungen miko.

Die Hexe konnte nur noch aufschreien, ehe der läuternde Pfeil sie traf, rückwärts riss – und sie buchstäblich in Nichts verwandelte.

Kagome rannte zu dem Tisch. „Inu Yasha! Was hat sie nur mit dir gemacht!“

Sie zögerte ihn zu berühren, anzufassen. Er sah so geschwächt aus und zeigte noch deutliche Verbrennungen. „Diese Fesseln, ich werde sehen, ob ich sie lösen kann, ja?“

Sie sah, wie sich die dunklen Augen des Gefangenen öffneten, ebenso mühsam wie die Lippen.

Aber womit auch immer sie gerechnet hatte, nicht mit dem.

„Verschwinde,“ krächzte der Hanyou. „Ich hasse dich!“

 
 

Reaktionen


 

S

esshoumaru gab nur sich selbst zu etwas frustriert zu sein. Diesem Kraken konnte man Tentakeln abschlagen, Arme, selbst den Kopf – alles, was der machte, war nach Minuten wieder dazustehen wie zuvor. Als Versuch hatte er dann mal nachgesetzt, aber auch das funktionierte nicht und hatte ihm nur einen höhnischen Kommentar eingebracht. Der konnte sich wirklich perfekt regenerieren. Und genau das gab es eigentlich nicht. Nicht einmal dessen Energie wurde schwächer bei oder nach der Wiederherstellung. Irgendetwas stimmte da nicht.

Woher bezog Iwatakko sein Youki? Dessen Youketsu war gut verborgen – nun, er trug seines auch nicht gerade offen mit sich herum. Daran hing das eigene Leben, wenn es jemand, wie Inu Yasha mit dem Drachentessaiga angreifen oder gar zerstören konnte. Daiyoukai hin oder her – er war wohl das beste Beispiel dafür, dass man sich Gliedmaßen nachwachsen lassen konnte, aber eben nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Warum also Iwatakko? Weil es sich um seinen Bannkreis, seinen Blutbann handelte? Besaß der hier drin schlicht die Macht des Hausherrn?

Das konnte in der Tat lästig werden.

Der nutzte sich nicht ab, er selbst seine Energie schon. Bei jedem Angriff wurde es ein klein wenig weniger. Natürlich noch lange nichts, worüber er sich Sorgen machten müsste oder auch nur wollte – dennoch war es ärgerlich. Wo lag das Geheimnis, dass sich dieser Krake immer wieder zusammensetzen konnte? Der Blutbann. Hm. Oder gar das Wasser? Hatte es einen zweiten Sinn, außer den Gegner daran zu hindern Youki dahinein oder in die Erde zu jagen?

Dann müsste man das Wasser ablaufen lassen. Aber wohin?

Nicht einmal die Sonnenstrahlen drangen durch den Blutbann. Das Wasser des Ozeans blieb auch davor halten. Selbst, wenn er mit Bakusaiga das Schloss zerstören und ein sehr tiefes Loch entstehen lassen wollte, würde sich das Wasser dort nur zu einem See sammeln, nicht versickern. Und Iwatakko hätte weiterhin, oder sogar besser, Zugriff.

Es musste eine andere Möglichkeit geben, etwas, an das er nicht dachte.

Immerhin schien Kagome noch am Leben zu sein, denn die Zeit lief weiter. Hoffentlich gelang es ihr Inu Yasha lebendig zu finden und heraus zu schaffen. Warum waren die Zwei eigentlich noch nicht wieder hier?

Nun, gleich.

Er würde diesmal mit Youki den Kopf des Kraken zerstören. Mit ein wenig Glück würde das länger dauern, bis der sich wieder erholt hatte.

Und er sollte nachdenken. Irgendwo hatte sein Plan einen Fehler, musste er eine andere Taktik einsetzen. Nur, wo? Der Blutbann hatte eine Schwäche für das Blut eines Daiyoukai gemischt mit sterblichem, ja, die hatte Iwatakko einbauen müssen, denn keine Magie war perfekt. Was war hier noch nicht perfekt? Gab es noch einen Webfehler?

Er sprang zurück auf die relative Sicherheit der beiden großen Steine.

 

Kagome starrte den vor ihr Liegenden an und eine blinde, vollkommen irrationale, Wut stieg in ihr auf. Wegen diesem Kerl, der ihr eiskalt ins Gesicht sagte, sie solle verschwinden, dass er sie hasse, hatte sie sich Sorgen gemacht? Hatte mit Baumgeistern und Göttern debattiert, sich gezwungen gesehen, dessen Bruder zu heiraten? Hatte sich in einem Taifun fast eine Lungenentzündung geholt und war in einem Vulkan gekocht worden? Hatte sich von Gottesanbeterinnen und Kraken fast fressen lassen? Was glaubte der denn, wer er sei?

„Mach Platz!“ wollte sie schreien, aber, da sie nach Atem ringen musste, wurde es nur zu einem heiseren Flüstern.

Immerhin genügte das, dass die Bannkette, die Inu Yasha noch immer auf seiner Brust liegen hatte, aufleuchtete und ihn sich in den Fesseln aufbäumen ließ, ehe er mit dem Hinterkopf fest auf die Steinplatte knallte.

Mit einem Stöhnen fiel der Kopf beiseite.

Sie erschrak zutiefst. „Inu Yasha? Inu Yasha?“ Ihre Panik stieg, als sie erkannte, dass Blut aus dem doch nur menschlichen Schädel rann. „Ihr Götter, was habe ich gemacht!“ Sie fasste behutsam nach seinem Gesicht. „Inu Yasha!“ Sie weinte. „Es, es tut mir Leid, du bist ja auch nicht ganz da, oder? Sag doch was, bitte!“

„Ka...go...me.“

„Ja, ich bin es, Kagome.“ Wen hatte er denn zu sehen geglaubt? Oder, konnte er überhaupt noch etwas sehen?

„Du … wirklich?“ Er öffnete nicht die Augen, aber immerhin brachte er das mühsam hervor.

„Ja, ich bin da, ich bin da, alles wird gut.“ Sie strich mit den Daumen über seine Wangenknochen und sah, wie er sich entspannte. Das Gesicht verriet nicht nur, dass aus dem Jungen in den letzten fünfhundert Jahren ein Mann geworden war, sondern da waren auch Schatten, Kerben, die sicher den letzten Tagen geschuldet waren. Liebe Güte, was hatte der Ärmste mitgemacht? Und sie reagierte so über. „Alles wird gut.“ Sie fühlte sich körperlich und geistig am Ende? Was sollte der arme Hanyou da erst sagen? „Sieh mich an. Ich bin Kagome. Ja? Und ich löse jetzt mal diese dämlichen Fesseln.“

Da öffnete er die Augen und versuchte eindeutig sie zu fixieren.

„Ja, ich bin Kagome,“ beteuerte sie daher nochmals, ehe sie sich vornüber beugte und ihn flüchtig küsste. „Alles wird gut. Ich habe diese Hexe geläutert.“

„Iwa ..“

„Um den kümmert sich Sesshoumaru.“

„Nii-san?“

„Ja, dein großer Bruder.“

„Aber, die Hölle …“

Sie fuhr prompt auf. „Haben sie dir das etwa weiß gemacht? Dass du in der Hölle bist? Das hier ist ein Schloss in einem verflixt guten Bannkreis, durch den eben nur ich und Sesshoumaru kamen. Aber wir sind hier und wir holen dich hier raus, das verstehst du?“ Da er etwas nickte. „Gut. Mal sehen, wie ich die Fesseln…? Nein?“

Denn er sah nach links, zu dem Fässchen,das an seinem Arm hing. So ging sie um den Tisch.

„Erst das da?“ In vager Erinnerung an Blutabnahmen, zog sie die Nadel aus seinem Arm und drückte das Blut ab, ehe sie das Fässchen von seinem Arm schnallte. Ein tiefer Seufzer ließ sie zu ihm sehen. „Inu Yasha?“

„Mach nur….“

„Die Fesseln jetzt?“ Dem Gewicht nach zu urteilen war das Fässchen schon wieder fast voll von Blut – und damit seiner Magie und seinem Youki. Wie viel hatte ihm dieser Mistkrake abgezapft? Und diese Hexe dazu? Für einen Moment wünschte sie sich, ihr Schwager würde Tenseiga für Urasae benutzen – nur, damit sie sie nochmals umbringen könnte. Natürlich war das böse und eigentlich nicht ihr Stil, aber, wenn sie sich den armen Hanyou hier so betrachtete … Magie. Ja. Die Fessel um seinen Hals löste sich nach zwei Minuten. Zeit, die sie kaum hatten, wie ihr ein leichtes Wackeln des Schlosses verriet. Da draußen kämpften zwei Daiyoukai. Und Sesshoumaru hatte ein deutliches Handicap, denn er durfte das Schloss nicht zerstören, nicht mit aller Macht zuschlagen, nicht, solange sie und Inu Yasha hier drin waren.

„Kagome?“

„Ja? Brauchst du etwas?“

Er sah zu ihr, da sie gerade versuchte die Fessel um sein linkes Handgelenk zu lösen. „Du hast … meine … Klamotten?“

„Ja, du Idiot.“ Aber das klang fast zärtlich. „Sonst hätte ich doch Tessaiga nicht mitnehmen können. Ich habe doch den Bogen.“

„Tessaiga, nii-san, du…“

„Ja, hast du etwa geglaubt, wir würden dich im Stich lassen?“ Ja, hatte er wohl. Anscheinend hatten ihm diese zwei Miststücke alles mögliche erzählt – und er hatte sich vollkommen verloren gefühlt. Dennoch hatte er solange durchgehalten. „Ich bin stolz auf dich.“ Diese Fessel fiel leichter, da sie hinter das Schema kam. Aber sie sollte sich wirklich beeilen und lief um den Tisch herum, um die Fußfessel zu lösen. „Es war nicht einfach, aber Bokuseno und ein Gott haben uns geholfen. Dieser Iwatakko hat, indem er dich hier so einsperrte, die gesamte Raumzeit gekrümmt und damit fast das Ende der Welt heraufbeschworen. Er hat sich einen ziemlichen Haufen Feinde gemacht.“

„Raumzeit.“ Inu Yasha war müde, erschöpft, aber er realisierte langsam, dass es wirklich Kagome war, die hier war. Nun ja, der Befehl war eindeutig gewesen. Das konnte selbst Urasae nicht nachmachen. Und die hatte ihm auch schon Kikyou vorgespielt und sonst was. Darum hatte er auch zuerst gedacht, dass sie nun Kagome darstellen wolle, nur, um ihn noch mehr zu quälen. Arme Kagome. Sie musste sich doch schreckliche Sorgen um ihn gemacht haben. Sie wirkte auch nicht gerade fit. Und nii-san war auch da? Die Zwei zusammen? Sein müdes Gehirn weigerte sich darüber nachzudenken, aber es war ja auch egal. Sie war hier und die Fesseln waren gleich weg und Urasae war tot. Punkt. Er hatte noch eine Chance.

Endlich war er die Bannfesseln los. Er wollte sich aufsetzen – und fiel fast von dem Tisch. Sein Kreislauf machte nicht mehr mit. Kagome fasste ihn am Arm und er zuckte unwillkürlich zusammen, fand sich dann gehalten und aufgesetzt, an sie gedrückt.

„Es ist schrecklich,“ weinte sie wieder. „Was haben sie nur mit dir gemacht?“

Daran wollte er sich wirklich nicht mehr erinnern. „Das ….“ Er sah zu Boden.

Sie folgte irritiert seinem Blick. „Das Fässchen?“ Sie bückte sich und überreichte es ihm. Unwillkürlich musste sie etwas schlucken, als sie erkannte, dass er es sich an den Mund setzte. Ja, schön, er hatte vermutlich Durst, aber das eigene Blut zu trinken? Ihr wurde fast übel. Sie hatte sich schon bei Sesshoumarus so angestellt und das war sicher kein halber Liter gewesen. Aber natürlich. Blut und Youki. Er versuchte sich zu regenerieren. Da sollte sie lieber nichts zu sagen, sondern sich Tessaiga abnehmen. Sie wollte es ihm eigentlich auf den Schoss legen, entschloss sich dann verlegen doch sein Schwert neben ihn zu packen. Prompt reagierte die Klinge, sie konnte ein Pochen mitbekommen. „Es freut sich,“ sagte sie daher.

Inu Yasha setzte das Fass ab. Seine Stimme war noch immer heiser, aber er fühlte sich doch etwas besser. „Ich ...mich auch…“

Sie ließ den Rucksack zu Boden und suchte hastig seine Hose und Unterbekleidung heraus. „Wir müssen hier weg. Sesshoumaru kann gegen Iwatakko nicht richtig kämpfen, so lange wir hier im Schloss sind. Wenn überhaupt.“

Er streckte eine Hand aus, noch immer langsam, noch immer fast ungläubig, aber doch nur zu gern willens anzunehmen, dass das keine weitere Halluzination war. „Nii-san gegen Iwatakko?“

„Ja, aber der Krake ist raffiniert. Er hat vor dem Schloss alles unter Wasser gesetzt. Wenn Sesshoumaru da Youki rein schickt – oder du, natürlich – trifft es einen selbst. Ich glaube nicht, dass das dem dämlichen Kraken was ausmacht.“

„Nein.“ Mühselig zog sich Inu Yasha die Unterbekleidung hoch, ehe er sich gezwungen sah vom Tisch zu rutschen um sich einigermaßen halb zu bekleiden. Dabei stürzte er fast in Kagomes Arme, fing sich aber gerade noch. „Es … geht…“

„Wenn wir rauskommen, du darfst kein Youki einsetzen. Naja, falls du dich bis dahin erholt hast.“

„Ich muss es ihm sagen.“

„Was?“

„Wasser?“

„Ja, draußen hat gibst es zwei Geysire und alles ist nass und feucht. Genauer, alles in allem eine recht vulkanische Gegend. Oder, was meinst du?“ Sie zog sich das Feuerrattenhaar ab und reichte es ihm.

„Ja, Wasser. Der Kerl … redet zu viel. Er erzählte, dass er damals …“

„Als ihn der Kaiser getötet hat…“

„Ja. Sie haben ihn ins Meer geworfen. Krake, Meer!“

„Er kann sich in Wasser regenerieren? Das müssen wir Sesshoumaru sagen.“

Der Hanyou hatte sich die Oberbekleidung nur offen anzuziehen gewagt. Noch immer schmerzte seine Haut am Bauch und anderswo. Aber, als er seine Schwertscheide in den Gürtel schob, fühlte er sich zum ersten Mal seit ….Wie lange? Wieder kampfbereit. Nicht unbedingt kampffähig, aber bereit. „Kagome.“

„Ja?“

„Du hast dich verletzt.“

„Bisschen. War nicht so einfach hierher zu kommen.“ Das hatte er jetzt noch mitbekommen? In seinem Zustand?

„Dein Fuß“

„Oh, ja, Das passierte, als ich durch den Brunnen springen wollte, zu dir ins Mittelalter, aber du mich dann hier gerufen hast. Und ich nicht konnte. Geht schon.“

„Hat dich Sesshoumaru nicht beschützt?“

Sie blieb ehrlich. „Ja, doch. Aber da wusste er ja noch nichts davon. - Komm, wir müssen hier raus, damit Iwatakko keine Geiseln mehr hat. Leg den Arm um mich, ich stütze dich.“

„Und ich dich … toll kampffähig. Er soll ...doch nicht allein….“

„Mach dir keine großmütigen Gedanken um ausgerechnet den Herrn aller Youkai, hm?“

„Keh!“

Der vertraute Laut ließ sie lächeln und sich an ihn schmiegen, den Arm um ihn gelegt, so, dass sie sich wirklich gegenseitig stützten. Nun ja, vielleicht auch ein bisschen mehr. „Ihr habt euch wirklich besser kennen gelernt in den letzten Jahrhunderten.“

„Ich erinnere mich nicht ….“

Da er wirklich besorgt klang, suchte sie prompt zu beruhigen. „Das ist normal. Durch diese Zeitkrümmung und Zeitschleifen und was weiß ich – keiner erinnert sich mehr daran, dass wir verheiratet waren oder so. Das muss alles wieder in Ordnung gebracht werden. Immerhin lebst du und bist nicht mehr im Katzenzustand.“

„He ...ich bin keine Katze.“

„Später erkläre ich es dir, ja? Wir müssen hier raus. Und vorsichtig sein, da vorne ist ein Krake, ich meine, ein echter, ein Tier …“

„Du….?“

„Äh, ja, ich bin ihm in die Arme gelaufen, aber ich kam raus…“ Sie warf einen Blick auf den Rucksack, aber außer Müll war nichts mehr drin – sollte sich doch Iwatakko drum kümmern. „Komm nur, wir müssen gehen.“

 

Es wurde ein mühsamer Weg, sich gegenseitig stützend aus der Halle, in den Gang.

„Feucht, kalt,“ stellte Inu Yasha fest.

„Ja, ich habe dem Herrn Kraken schon ein paar Mal einen anderen Innenarchitekten gewünscht,“ gab sie zu. „Da vorne ist der Ausgang, aber versteckt hinter einem Bannkreis.“

„Tessaiga.“

„Das kann ich. Ich glaube, wenn du zu … explosionsartig erscheinst, macht dich das nur wieder müder.“

„Keh,“ Aber er konzentrierte sich. Die Tatsache, dass er sein eigenes Blut getrunken hatte, hatte ihn gerettet, dessen wurde er sich immer klarer. Er war noch immer in Menschenform, aber er konnte spüren, dass sein Youketsu wieder da war, nun, er konnte es spüren! Er würde sich erholen. Das würde nur dauern. „Kagome.“

„Ja?“

„Ich sage nur deinen Namen.“

Das Schloss um sie wackelte erneut und sie klammerten sich unwillkürlich aneinander.

„Iwa,“ kommentierte der Hanyou. „Das Schloss soll hoch werden …“

„Ich tippe eher auf: da kämpfen zwei Daiyoukai im Schlosshof.“

„Ja.“ Müde ließ Inu Yasha seinen Kopf an ihre Schulter sinken. Nicht nur er, sondern auch Kagome spürten plötzlich einen Anstieg seines Youki, das aber rasch abflaute.

„Du hast weiße Haare bekommen!“ staunte sie. „Naja, nur kurz, aber ...Und, wieso hast du dich eigentlich nicht andersherum verwandelt? Ich dachte, das Blut deines Vaters übernimmt, wenn du in Lebensgefahr bist?“

„Da hat der Mistkerl gut aufgepasst. Der weiß verdammt viel über Hanyou und ich will … gar nicht wissen wieso. - Kagome. Was hast du tun müssen, dass dich Sesshoumaru … begleitet hat?“

Das klang so nachdrücklich wie im Mittelalter bei Kouga. Die Witterung, dachte sie nur. Er war für eine Sekunde ein Hanyou gewesen und natürlich war ihm, so an sie gelehnt die Witterung seines Bruders an ihr nicht entgangen. Sie sollte ehrlich bleiben. „Ich? Frag mal andersherum. Er brauchte mich. - Ich musste ihn zu Bokuseno begleiten, hier in den Bannkreis … immerhin hat er gut auf mich aufgepasst, das muss ich sagen. Naja, wenn ich sterbe geht die Welt unter, das kann nicht mal er ignorieren“

„Deine Schulter, deine Hände ….“

Bingo. Ehrlich bleiben. „Naja, ich sagte schon, da draußen ist alles ziemlich vulkanisch, vermutlich hat Iwatakko mit seinen Erdbeben das ausgelöst. Bei dem letzten waren wir schon kurz vor dem Schloss, aber da öffnete sich eine Spalte und ich rutschte rein…. Ich konnte mich gerade noch festhalten, aber das war es auch schon. Ich baumelte da knapp über der Lava. Nii-san …“ So nannte man schließlich nicht nur den großen Bruder, sondern auch den älteren Schwager. Das mit dem Ehemann sollte sie wohl wirklich besser streichen. „Hat mich dann da raus gezogen und, weil ich mir bei der Aktion auch noch die Schulter ausgekugelt hatte, die auch noch wieder eingerenkt. Tat weh, ist aber immerhin wieder heil. Ich hatte bis dahin keine Ahnung, dass er über medizinische Kenntnisse verfügt.“

„Ja. Gehörte wohl zur Ausbildung.“ Inu Yasha schwieg. Sie log nicht, aber irgendwie – ihre Hände hatten so intensiv nach Sesshoumaru gerochen. Nun ja, und nach Wasser und Krake. Nein, er sollte jetzt wirklich nicht hysterisch werden. Sie waren beide gekommen um ihn zu retten, sie waren für ihn gekommen. Das Dämlichste, was sie hätten machen können, wäre ihn da zu betrügen. Und, ehrlich gesagt, die Zwei passten auch nicht zusammen. Er sollte lieber zusehen, dass er seinem Bruder gegen diesen Iwatakko helfen konnte, dass er dem so richtig die Tentakeln lang ziehen konnte, dass er … Dieser Achtbeiner würde bedauern, dass er ihn je gesehen hatte! Leider war er noch ein wenig schwach. „Mach die Tür auf,“ murmelte er nur, als sie vor dem helleren Schein angekommen waren, der durch den Bannkreis drang.

Kagome warf einen besorgten Blick nach links, aber da sich dort nichts rührte, öffnete sie den Bannkreis. „Ich habe nur noch drei Pfeile,“ erklärte sie.

„Du lässt die Finger von Iwa!“ murrte er sofort. „Das ist ein Daiyoukai!“

Sie ermahnte sich, dass sie kein böses Wort gegenüber einem der Halbbrüder mehr verwenden wollte – und auch Inu Yasha nicht mehr zu Boden schicken. Nachdem sie letzteren Befehl gerade erst mit viel zu viel Impulsivität ausgesprochen hatte, meinte sie: „Was glaubst du, wem ich in den letzten Tagen so alles über den Weg gelaufen bin?“

„Wie lange …?“

„Äh, Montag bist du ...bist du entführt worden, ich denke, jetzt ins Sonntag oder wieder Montag, in diesem dämlichen Bannkreis funktioniert ja die Zeit nicht mehr so richtig.“

Nur eine Woche? Diese unendlich scheinende Ewigkeit? Nur eine Woche? Er hätte etwas sagen wollen, aber erneut erfasste ihn eine Welle von Youki, und er spürte, wie sich eine vertraute Verwandlung vollzog. Es war vermutlich das niedrigste Level, das er als Halbdämon besitzen konnte, aber es tat gut mit den Ohren zucken zu können, Klauen zu besitzen. Fast fragend sah er zu seiner Nachbarin, aber ihr Lächeln verriet ihm, dass er zumindest äußerlich normal aussah.

 

Sie gingen, sich noch immer stützend, aus dem Schloss, bleiben stehen und betrachteten das Bild, das sich ihnen bot.

Sesshoumaru hatte Youki eingesetzt, das konnten sie gerade noch erkennen, bewusst so gezielt, dass es das Wasser nicht berührte – und der ovale, schwarze Kopf des Krakendaiyoukai verschwand darin.

Kagome würgte instinktiv, zumal als sich der Rest des Körpers hinkniete, ehe sie sah, dass dort Energie aufflirrte. „Er regeneriert sich,“ flüsterte sie.

„Nii-san hat uns bemerkt. Bleib zurück, Kagome.“

„Sag Sesshoumaru, ich habe nur noch drei Pfeile, ja? Das ist wichtig!“

„Du hast genug getan.“ So rasch er konnte ging Inu Yasha durch das Wasser, das hier inzwischen fast knöcheltief stand. Die Wärme machte ihm nichts aus, aber er dachte besorgt an Kagome. Nun, er sollte wohl eher an sich denken, denn allein die paar hundert Meter zu seinem Bruder waren schon recht lang.

Sesshoumaru wandte den Kopf. Er lebte noch, das war das Positive an Inu Yashas Auftauchen, damit war wohl sein eigener Selbstmord erst einmal zu den Akten gelegt. Allerdings sah der alles andere als kampffähig aus. Von Youki war kaum zu reden. Aber der war da und damit auch Tessaiga mit den verschiedenen Optionen. Tessaiga mit Inu Yasha war doch etwas anderes als Tessaiga ohne den, das hatte er durchaus gelernt.

 

„Na so etwas, der liebe Inu Yasha.“ Iwatakko hatte sich regeneriert und sein erster Blick fiel auf seinen Gefangenen. „Du hast ja schon wieder so viel Youki, herrlich. Hm. Mir scheint, als wäre die gute Urasae ein wenig unaufmerksam geworden.“

„War, du Armleuchter.“ Inu Yasha hörte selbst, das seine Stimme heiser war, schwach und zittrig klang, aber er sah keinen Grund jetzt noch klein bei zu geben.

„Was war?“

„Urasae.“

„Ach, die kleine Priesterin da hinten? Nette Überraschung, denn sie sollte gar nicht in diesem Bannkreis sein dürfen. Der gute Sesshoumaru auch nicht. Hm. Nur ein Hanyou kann durch. Was für ein Opfer, das ihr da für euren Bruder und … Freund? - gebracht habt? Gleich zwei Hanyou unter meinem Dach?“

 
 

Youki


 

Z

wei Hanyou?

Inu Yashas müdes Gehirn benötigte drei Sekunden, ehe er verstand, was der Krakendaiyoukai damit andeuten wollte. Fast genauso lange musste auch Kagome um ihre Fassung gerungen haben, denn er hörte, wie sie ein Schimpfwort zischte, von dem er nicht einmal gewusst hatte, dass sie das mit achtzehn Jahren gekannt hatte – geschweige denn je ausgesprochen. Was sie damit Iwa antun wollte, war jedenfalls klar. Der sollte froh sein, dass sie keine ganz so gute Hexe war.

Sein Blick glitt nach links, um Sesshoumarus Reaktion zu sehen. Oh oh. Der hatte die Augenbrauen derart zusammengezogen, dass sich in der tiefen Falte dazwischen fast die Mondsichel verbarg, und er hätte wetten mögen, dass in dessen Augen ein roter Schimmer lag, wenn nicht mehr. Wenn in den letzten Jahrhunderten der so drein gesehen hatte, hatte ihn zuvor ein Daiyoukai in Ehre und Stolz beleidigt – und sich zumindest als Ratsmitglied immerhin nur einer sehr unangenehmen Duellübung gegenübersehen dürfen. Alle anderen waren tot.

So sah er erneut zu Iwatakko. „Keh! Du bist echt das Mieseste, was hier herumläuft, Krake.“ Er war noch immer heiser und das Reden strengte an, aber diese, seine, Meinung musste er diesem Idioten noch geigen. „Du erzählst Lügen über meine Gefährtin und meinen Bruder und meinst vielleicht sogar noch ich würde dir glauben! Soll ich dir mal was sagen, du windelweiche Kreatur ohne jedes Rückgrat? Du hast keine Frau, die dich liebt, keinen Bruder an deiner Seite – ich vertraue ihnen und sie mir. Wir haben uns alle drei dieses Vertrauen über lange Zeit erworben. Und nein, kein zweiter Hanyou, selbst wenn ich sie nackt zusammen in einem Bett finden würde, du Riesentrottel!“ Er musste nach Luft ringen. Oh, das war noch verdammt wichtig, ehe seine Stimme ganz weg war. „Du warst sogar so blöd mir zu sagen, wie man dich besiegen kann.“

 

„Gar nicht, mein lieber Junge, ganz einfach.“ Iwatakko ließ den Taishou nicht aus den Augen, die menschliche Priesterin hatte sich etwas nach hinten verzogen, schien sich lieber in Deckung zu halten. Ihren Fluch hatte er sowieso weder verstanden noch gespürt. Und sein Gefangener wirkte auch sehr mitgenommen. Der hielt sich ja nur mit Mühe auf den Beinen und reden konnte er auch nicht so richtig. Der hatte seine Stimme wohl unter Urasaes Behandlung zu sehr angestrengt. Also war nur der vollblütige Youkai noch sein kleines Hindernis. Dessen Kampfstärke war noch nicht sonderlich gewesen, nicht einmal, wenn er bedachte, dass er sich schon einige Male hatte erholen müssen. Nun gut, der hatte mit gewissem taktischen Einfühlungsvermögen seine musha beseitigt, ganz ohne Grund war der wohl nicht Feldherr geworden, aber das Youki war nicht besonders erwähnenswert gewesen. Der hatte eher Stahl auf Stahl gekämpft. Nun gut, womöglich auch, weil der wusste, dass Youki im Wasser nur dem Narren selbst schadete.

 

„Keh! Ja, das werden wir gleich sehen. - Nii-san, der Idiot erzählte mir, dass er damals von dem Kaiser besiegt wurde. Und der von ihm nichts als ein Häufchen Asche überließ. Wenn sie es dabei bloß belassen hätten, der Kerl hätte keinen Ärger mehr gemacht. Aber nein, sie müssen die Asche zusammenfegen und durch menschliche Priester versiegeln lassen. So eingetütet haben sie den Vollpfosten da ausgerechnet ins Wasser geschmissen, wo er sich nach Jahrhunderten regenerieren konnte.“ Inu Yasha zwang etwas wie ein Grinsen in seine Gesicht. „Muss toll ausgesehen haben, der große Iwa-Krake eingetütet in einen kleinen menschlichen Bann. Und da hatte der Narr doch wieder Glück. Von allen Wesen, die es im Ozean gibt, fand ihn vor einiger Zeit ausgerechnet ein Krake und fraß ihn oder den Bann. Er konnte das Tier übernehmen.“

Sesshoumaru nickte etwas. Also regenerierte sich Iwatakko solange er mit Wasser in Verbindung stand. Der gesamte Umkreis hier war voll mit Wasser – auf dem Boden, in der Luft. Und es gab keine Möglichkeit, die Feuchtigkeit aus diesem Blutbann zu schaffen, denn der war undurchdringlich. Aber, was sollte das mit dem Kraken als Tier, zumal Kagome hinten so tief Luft holte?

Inu Yasha fuhr fort: „Ja, der Krake ist dir über den Weg gelaufen, Kagome. Das Tier lebt heute in Iwas schickem Alptraumschloss. Und, er hat einen Rest von sich in dem Gehirn von dem Achtarmer gelassen. Selbst, wenn es hier kein Wasser mehr geben sollte, kann er sich noch immer regenerieren.“

„Stimmt, ich bin unbesiegbar,“ erklärte Iwatakko selbstbewusst. „Ihr greift mich an, verliert Youki, wobei du ja sowieso fast nichts mehr hast, ich regeneriere mich und so weiter, bis ihr erschöpft seid. Unter meiner Obhut wird es euch bald wieder besser gehen Und euer Youki mir zu Diensten stehen. Ich werde meine musha wieder erschaffen, die du mir genommen hast, Taishou. Übrigens, ich stelle fest, dass du mir gut zugehört hast, Kleiner. Ich dachte, du bist da bewusstlos.“

Reden, beschwor sich der Hanyou. Sesshoumaru entwickelte sicher einen Plan, den hatte der immer, das hatte er in den letzten Jahrhunderten doch gelernt. Er selbst war zum Einen wirklich nicht so ganz der Typ erst nachzudenken, dann zu Handeln, zum Zweiten zugegeben mies drauf. „Kleiner Ratschlag für dich fürs Nachleben – wenn jemand die Augen zuhat, heißt das nicht, dass der nichts hört, du Komiker.“

 

Tatsächlich hatte der Youkai no Taishou nachgedacht. Wasser – damit durfte kein Youkiangriff in Berührung kommen oder man schwächte sich selbst. Überdies vermochte es der Krake sich darin perfekt zu regenerieren. Der Blutbann existierte, solange Iwatakko lebte – und durch den Kraken in seinem Schloss konnte der sich vermutlich nochmals wiederherstellen, ja, einen neuen Körper entwickeln, selbst, wenn er vollständig vernichtet würde. Es musste jedoch eine Lösung geben, auf die der noch nicht gekommen war.

Natürlich.

Das Alles würde zwar in diesem halbdunklen Bannkreis bleiben, aber eben auch nur solange, wie Iwatakko im Diesseits war.

Punkt eins war also seine Regenerationsmöglichkeiten zu begrenzen, zumindest bis Inu Yasha wieder genug Youki aufgebaut hatte. Das mochte dauern, aber es gab Mittel und Wege. Überdies könnte er selbst sich ein klein wenig für die infame Unterstellung revanchieren, er habe die Gefährtin seines Bruders nicht nur auf sein Lager genommen, sondern zusätzlich noch einen Hanyou gezeugt! Das war ja gegen jede Krieger- und Familienehre und Selbstachtung! Und das auch noch vor Inu Yashas Ohren! Zum Glück war der in den letzten Jahrhunderten doch ruhiger geworden, im Mittelalter hätte es gewiss das nächste Duell gegeben, bevor der nachgedacht hätte.

Ohne ein Wort zu verlieren, wandte sich der Hundeyoukai um, die Klinge Bakusaigas bereits unter seiner Energie grünlich aufleuchtend.

 

Ach du ... Kann der nicht einmal auf mich hören, dachte Kagome, und hob unwillkürlich etwas den Arm vor das Gesicht, sicher, dass sie in den Augen ihres Schwagers soeben ein mehr als unheilvolles rotes Leuchten entdeckt hatte. Der war sauer und würde sich garantiert nicht mehr zurück halten.

 

Na, also, dachte Inu Yasha und behielt den Krakendaiyoukai im Auge, nicht, dass der auf die brillante Idee kam, das wäre ein guter Moment um seinen abgelenkten Bruder anzugreifen. Dann müsste und würde er den Angriff zurück werfen. Und danach mal nachgucken, was Sesshoumaru da eigentlich angerichtet hatte oder anrichten hatte wollen. Und die liebe Kagome befand sich ja auch noch hinter ihm.

Er hörte das Donnern der Zerstörungswelle hinter ihm und das des Youki vor sich und schaffte es irgendwie einen Sprung dazwischen zu machen, Tessaiga aufrecht vor sich. Mist, dachte er. Er hatte seine Schwäche gehörig unterschätzt. Die Bakuryuha funktionierte nicht, sicher nicht, gegen einen Daiyokai in der Stärke Iwa-chans. Er musste aber standhalten, sonst … Nein, kein sonst.

Irgendwie gelang es ihm mehr mit ungeheurem Wollen als Youki oder körperlicher Kraft sich dagegen zu stemmen, den Angriff zu spalten. Die Energie wurde rechts und links abgeleitet und verlor sich irgendwo, wohin er momentan sicher nicht den Kopf drehen würde.

Es war seine Erfahrung aus vielen Kämpfen in der Vergangenheit, die ihn stehen bleiben ließ, obwohl die Knie zitterten, Tessaiga in beiden Händen, denn mit nur einer hätte er es nicht einmal mehr heben können. Aber aufgeben? Niemals. Nicht gegen diesen Trottel, der ihm samt dessen Privathexe in den letzten Tagen wirklich Ungeheuerlichkeiten angetan hatte. Seine eigene Vorstellung vom Jenseits der Youkai war ein wenig unklar, aber er hoffte inständig, dass diesem Idioten spätestens da etwas wirklich Scheußliches zustoßen würde..

Was trieb denn nii-san so lange? Irgendwo donnerte es, knirschte in der Stille des Bannkreises – oh, und sein Gegenüber schien alles andere als entzückt. Wie oft in den letzten Tagen hatte er sich gewünscht, Urasae wäre tot oder Iwatakko – nun, die Hexe hatte Kagome sehr priesterinnenhaft erledigt, jetzt war er dran. Und natürlich Sesshoumaru.

 

Die junge miko erkannte, dass die volle Energie des Herrn der Youkai in der Zerstörungswelle knapp eine Handbreit über dem Wasser in Richtung auf das Schloss jagte. Immerhin nicht INS Wasser, sonst hätte zumindest sie ziemlich alt ausgesehen, aber er hatte wohl mitgedacht – und gut gezielt. Sie sollte ihm wirklich vertrauen … nii-san.

Die Macht Bakusaigas und damit dessen Eigentümers traf das Erdgeschoss des Schlosses frontal, fraß sich förmlich durch das Gestein, so dass ein riesiges Loch neben dem Eingang entstand, donnerte buchstäblich durch den Bau, als schneide sie durch Butter, nur, um kurz hinter dem Schloss auf den rötlich schimmernden Blutbann zu treffen. Die Magie, die keinen Sonnenstrahl hindurch ließ, reflektierte auf den Youkiangriff und ließ die Energie, ein wenig geschwächter erneut durch das Schloss rasen, auf Sesshoumaru zu, der sie mit einer raschen Kreisbewegung seiner Klinge wieder abfing, ehe er zu seinem Gegner herumfuhr.

Das hatte er früher noch nicht gekonnt, wenn sie sich recht entsann, dachte Kagome, ehe sie nur fasziniert zusehen konnte, wie das steinerne Schloss in einzelne Platten zerbrach, in sich zusammenstürzte, in einer seltsamen Mischung aus Gesteinsbrocken, Staub und aufspritzendem Wasser. Das Alptraumschloss, wie Inu Yasha es genannt hatte, war zerstört – und sie hoffte inständig, dass auch der Krake unter den Tonnen Stein nun mit begraben war. Ein Tier, ja, das konnte das doch nicht überleben.

 

Zufrieden, dass das Schloss und damit hoffentlich auch schon einmal eine Regenerationsmöglichkeit Iwatakkos beseitigt war, blieb Sesshoumaru hinter seinem jüngeren Bruder stehen. Der hatte den Angriff des Kraken auf ihn selbst abgewehrt, wie er doch erwartet hatte, aber das wäre kein zweites Mal möglich. Offenkundig stand der kurz davor sich erneut in seine Menschengestalt verwandeln zu müssen und damit wäre Tessaiga nutzlos. Nun gut. Seinen Plan durchzuführen war nur eine weitere unangenehme Situation – und er hatte in den vergangenen Tagen wirklich Ärgeres durchlebt. Und das war immerhin sein Bruder. Er wechselte mit einer Handbewegung die Schwerter, noch während er scharf sagte: „Kagome!“

 

Inu Yasha war ein wenig verwundert über diese Anrede, ja, den Befehl, der darin lag. Ebenso erstaunte ihn die linke Klaue seines Bruders auf seiner linken Schulter zu spüren. Finger legten sich um seine Rechte, zogen die fast behutsam samt Tessaiga beiseite, streckten den Arm aus. Nun gut, er hätte sich nicht mal mehr wehren können, wollte es aber in seltsamer Neugier auch nicht. So hatte er die Hände des Daiyoukai noch nie gefühlt. Auf der Außenhand spürte er rau den Griff Tenseigas.

Noch während er begriff, dass er Youki spürte, seinem eigenen so ähnlich und doch anders, das in seinen Körper floss, realisierte er, dass Iwatakko erneut angreifen wollte, seine Klinge schon aufgeladen hatte und sie schwang. Instinktiv wollte er abwehren, spürte sich aber eisern festgehalten. Im nächsten Moment konnte er nur fassungslos zusehen, wie ein hell aufleuchtender Pfeil an ihm vorbei schoss, dessen umgebende Funken nur zu deutlich verrieten, mit welchen Gefühlen der von der jungen miko abgeschossen worden war. Hätte er sich bewegt, wäre er genau hinein gelaufen.

 

„Was …“ war alles, was der Krakendaiyoukai noch hervorbrachte, als er durchbohrt wurde, ein großes Loch sich in seinem Oberkörper befand. Die Energie aus seiner Klinge schwand, er ließ sie ebenso sinken, wie seine Beine beiseiteglitten, verschwammen. Es war nur mehr ein sehr großer Krake, dessen Kopf und Oberkörper lila schimmerten, dessen Tentakeln sich im Wasser bewegten – und, der einwandfrei erneut mit seiner Wiederherstellung begann, denn das Lila färbte sich stellenweise bereits wieder schwarz.

 

Irgendwie war der Hanyou dermaßen gerührt über die ungewohnte Fürsorge – er konnte sich wirklich nicht erinnern, wann ihm Sesshoumaru je Energie abgegeben hatte – dass er fast ironisch hervorbrachte: „Sie gehorcht dir aufs Wort?“

Die Wortwahl war die von vor fünfhundert Jahren, der brüderliche Spott stammte aus der Neuzeit. „Ich habe stets gesagt, dass ich Dinge kann, die du nie können wirst, törichter Hanyou.“

 

Kagome hatte sich doch daran erinnert, dass ihr ihr Schwager – das Ehemann konnte sie ja wohl wirklich streichen – gesagt hatte, wenn er es befehle, soll sie den Kraken läutern. Nun ja, dachte sie, als sie dem zusah. Wirkung war das schon, aber der würde sich doch wieder herstellen. Und, was trieben denn ihre zwei Männer da? Youki, erkannte sie plötzlich. Sesshoumaru wollte offenkundig Inu Yasha so weit helfen, dass der Tessaiga wieder verwenden konnte. Und dazu benötigten sie Zeit. Die sollte sie ihnen mit ihren Pfeilen wohl verschaffen. Und, das würde sie, da konnten sich die beiden auf sie verlassen!

So zog sie einen weiteren und legte ihn an, rief jedoch hinüber: „Ich habe nur noch zwei.“

 

Die nächste schlechte Nachricht, dachte der Taishou, aber, das bedeutete nur, dass es eben schneller gehen musste.

„Wie erledigen wir den Mistkerl, nii-san?“ erkundigte sich der Hanyou. „Wie So´unga?“ Immerhin hatte der doch Tenseiga in der Hand.

„Wie Shishinki.“

Inu Yasha musste nachdenken. Ja, damals hatte Sesshoumaru gegen den Kerl gekämpft, der behauptet hatte, das Meidou gehöre ihm und Vater hätte es ihm gestohlen. Und dann war es nii-san gelungen, zum ersten und einzigen Mal, soweit er sich entsinnen konnte, mit Tenseiga den kompletten Pfad in die Unterwelt zu bahnen. Weil er selbst und Tessaiga gekommen waren und sich die Schwerter gegenseitig unterstützten. Nur, wie sollte das hier gehen? Nun ja, beide Klingen waren hier, nah beinander und würden sich gewiss auch helfen. Aber … „ Mein Youki wird auch so nicht reichen.“

Schweigen.

Da begriff der Hanyou. Sie würden so bleiben, er das Meidou Zangetsu schlagen und Sesshoumaru ihm seine Energie dafür geben. Zusammen würden sie diesen Kraken in die Unterwelt jagen! Aber, hatte dieser Idiot nicht was gesagt ….? „Der Blutbann?“

Ach, kleiner, dummer Bruder. Der hatte es einfach nicht mit Magie. Sesshoumaru meinte nur: „Er endet, wenn Iwatakko endet.“

Und der war schon wieder dabei ein Schwert in der Hand zu haben, sich zu seiner halb-menschlichen Form aufzubauen. Der war wirklich lästig, war die einige Meinung der Hundebrüder.

 

„Oh, drei gegen einen,“ erklärte der schwarze, ovale Kopf Iwatakkos. Die rot leuchtenden Augen glitten zu der Menschenfrau. Jetzt war ihm klar, dass Urasae erneut geläutert worden war. Pech für die Gute, was legte sie sich auch immer mit irgendwelchen Feld-, Wald- und Wiesenpriesterinnen an. Das würde ihm nie passieren. Der Pfeil der Kleinen war nicht schlecht, sicher, aber das hielt ihn nur Minuten auf. Und, das war auch klar, diese Brüder heckten irgendeinen Plan aus. Er durfte sie nicht dazu kommen lassen, was auch immer es war. So hob er die Klinge, sobald er sie halten konnte, schickte erneut sein Youki hinein. Zuerst war Inu Yasha dran. Der konnte sich kaum wehren, ja, hatte ihm schon fast bereitwillig alles Youki und jede Menge Blut gegeben. Erstaunlich, dass der so lange durchgehalten hatte, da hatte es schon vollblütige Youkai mit weniger Beharrlichkeit gegeben, die nun in seinem Blutbann steckten oder in seinen musha.

 

Kagome hatte abgewartet. Ihre Pfeile brachten diesen Kraken nicht um, aber sie bewirkten immerhin, dass sie Zeit erkaufte. Allerdings hatte sie nur noch zwei Pfeile, zwei Möglichkeiten dazu. So hatte sie den nächsten Pfeil erst abgeschossen, als Iwatakko fast wieder normal aussah und sie entdeckte, dass er seine Klinge auflud. Hoffentlich würde das reichen. Sie war immerhin nicht die beste Schützin, aber ….

Gut. Getroffen. Der versank wieder in Krakenform im Wasser – und begann sofort mit der Erholung. Das hatte ja nicht einmal Naraku geschafft. Gut, der war kein Daiyoukai gewesen, aber ähnlich lästig. Sie bedachte nicht, dass sie vermutlich der einzige Mensch war, bei dem schon die Familie nur aus Leuten in dieser Liga bestand – und, dass sie die Arroganz der Brüder anderen Personen gegenüber unbewusst übernommen hatte.

 

„Keh!“ Inu Yasha fühlte wie sein eigenes Youki stieg, leider offenbar nicht in dem Ausmaß wie er das seines Halbbruders erhielt, aber da steckte eben nicht nur das das gemeinsamen Vaters mit drin. Und nur das konnte er offenkundig verarbeiten, nutzen, um sein eigenes Youketsu wieder dazu zu bringen Energie für ihn zu produzieren. Ohne weiter nachzudenken überließ er sich den beiden Klauen auf Schulter und um die rechte Hand, und erlaubte es sich zum ersten Mal seit Tagen zu entspannen. So neigte er den Kopf zurück, dorthin, wo er die Boa des Daiyoukai wusste. Sie roch so gut, ach Wind und Weite, nach all den Dingen, die er nie wieder erwartet hatte zu sehen oder zu wittern.

Für einen Moment war Sesshoumaru irritiert. Wirkte seine Energie nicht? Wurde der Hanyou jetzt bewusstlos? Nein, der stand noch. Irgendetwas wirkte, aber – warum lehnte der sich so an ihn? Trotz aller gewissen brüderlichen Eintracht der letzten Jahrhunderte war das absolut ungewöhnlich.

Iu Yasha hätte nie bewusst zugegeben, dass er nach all der Angst, den Schmerzen, der Einsamkeit der letzten Tage nicht nur fühlen wollte, dass er stärker wurde, sondern einfach auch Nähe spüren. Am liebsten hätte er Kagome umarmt, aber das ging natürlich nicht, solange dieser dämliche Krake hier noch herum plantschte, aber wenigstens etwas Zuneigung wollte er haben, sich vergewissern, dass er wirklich keinen Alptraum von Urasae geschickt bekommen hatte, aus dem er gleich schmerzhaft in jeder Hinsicht geweckt wurde.

 

Kagome hatte ebenfalls für einen Moment befürchtet ihr Hanyou würde ohnmächtig, aber dann erkannte sie das Pochen Tessaigas. Es reagierte auf seinen Besitzer. Erleichtert, dass offenbar der Plan funktionierte, von dem sie immer noch nicht wusste, welcher das sein sollte, jedoch hoffte, der Herr Feldherr wüsste es schon, legte sie den letzten Pfeil an. Dieser Krake war wirklich ein Phänomen, was die Erholung betraf. Kein Wunder, dass sich vor tausend Jahren Menschen und Youkai zusammengetan hatten um den zu beseitigen. Genug hatte er angerichtet, Diesmal waren es Mensch, Hanyou und Daiyoukai. „Von allen drei Arten verflucht,“ sagte sie leise, ehe sie den letzten Pfeil abschoss, dann hastig den Boden überwarf. Konnte sie, sollte sie noch etwas tun? Nein, erkannte sie dann, als sie wieder zu ihren Männern sah. Tessaiga pochte, das konnte sie deutlich sehen, auch Tenseiga reagierte irgendwie. Inu Yasha richtete sich etwas auf und stand wieder allein, ohne dass ihn Sesshoumaru losließ.

 

„Wenn er sich wieder regeneriert hat,“ sagte der Hanyou leise, als ein Seitwärtsblick ihm bewies, dass sich seine Klinge schwarz gefärbt hatte.

„Er muss lebend ins Jenseits.“

Inu Yasha wollte schon sagen, dass er so etwas seinem großen Bruder überließ, in aller Regel tötete er Leute, ehe er sie durch das Meidou schickte, aber diesmal begriff er. Da war der Blutbann. Iwatakko würde niemals sterben, solang diese Barriere bestand, solange es hier drin Wasser gab. Das würde noch lange so weiter gehen und diese Energie besaßen sie beide kaum. Nun ja, er nicht. Und Sesshoumaru konnte trotz aller Macht keinen Pfad der Dunkelheit mit Tessaiga schlagen, es würde sich ihm verweigern. So meinte er nur: „Das Meidou würde auch von der Barriere blockiert, wenn er tot ist? Aber, der Blutbann verschwindet doch nur, wenn er tot ist?“

„Rede mit Shinichi,“ erklärte der große Bruder ungeduldig. Der Herr der Füchse sollte dem das doch erklären können. Und, da der Kitsune no Kyuu wirklich gern redete, zumal über Magie, vermutlich sogar mit Begeisterung. Ja, beide Aussagen stimmten. Aber genau deswegen musste Iwatakko noch so lange leben, dass das Meidou eben gerade nicht so die Barriere berührte, aber er bereits nicht mehr in dieser Welt war. Nur dann würde der Plan funktionieren. War der Blutbann weg, würde sich der Höllenpfad verlängern, bis, tja, dorthin.

Der Hanyou sah, dass sich Iwatakko langsam aufrichtete. „Schön, weißt du was? Du hast den Plan. Du weißt, wie man einen vollständigen Kreis schlägt. Du hältst meine Hand. Schlage du das Meidou mit Tessaiga, ich halte es in der Hand und mache gar nichts.“

„So sehr vertraust du mir.“ Irgendwie war das ein sehr seltsames, warmes Gefühl. Sicher, sie hatten in der letzten Zeit gut zusammengearbeitet, aber das war doch eine neue Stufe.

„Ja, nii-san.“ Inu Yasha entspannte sich und lockerte seinen Arm, seine Hand, um sie führen zu lassen.

„Tenseiga.“

„Was?“ Der Jüngere wandte den Kopf, nur um festzustellen, dass beide Zwillingsschwerter nun schwarz leuchteten, eng aneinander geschmiegt. „Na, dann,“ meinte er nur, ohne auch nur den Schatten eines Zweifels, nicht an der eigenen Idee, nicht an seinem Bruder.

 

„Aha,“ triumphierte Inwatakko. „Die Kleine hat keine Pfeile mehr und diesmal könnt ihr mir nicht entkommen. Schwarze Klingen? Wieder mal etwas Neues, Taishou? Und so hübsch, wie ihr kuschelt … gemeinsam ins Jenseits, ist das nicht rührend.“

„Keh,“ machte Inu Yasha nur, dessen Stimmbänder langsam nichts mehr hergaben. Er schloss die Augen, um nicht versehentlich doch etwas zu machen, diesem Mistkerl Diamanten um die nicht vorhandenen Ohren zu jagen, selbst etwas zu versuchen.

Sesshoumaru blieb ähnlich kurz. „Stirb.“

Er hob die Rechte, mit Tenseiga und der Hand seines Bruders mit Tessaiga darin. In diesem Pfad der Dunkelheit lag sein ganzer Ärger über die letzten Wochen, Inu Yashas Zorn über seine Qualen und seine Todesangst.

 

Kagome war das einzige Wesen, das das Schauspiel außer den beiden Daiyoukai ansah. Sie hatte durchaus begriffen, dass sich die Brüder zusammengetan hatten, beide Klingen schwarz leuchteten. Zwei Mächte waren da vereint, warum auch immer, aber sie war sicher, dass auch Iwatakko dagegen keinen Rat mehr wusste. Diese beiden Klingen und ihre Herren hatten gemeinsam das Höllenschwert bezwungen.

Ein perfekter, schwarzer Kreis bildete sich hinter dem Kraken, der instinktiv herumfahren wollte, aber förmlich eingesogen wurde. Aber sie bemerkte auch erschreckt, dass der Weg der Dunkelheit an der magischen Barriere abbrach. Half etwa nicht einmal das bei diesem Blutbann?

Eine schwarze Blase hatte sich um Iwatakko geschlossen, den man noch immer zappelnd darin erkennen konnte – er befand sich jedoch nicht mehr im Diesseits.

Und der Blutbann brach.
 

Zeitmagie


 

K

agome dachte bei sich, dass sie wohl zu lange zu nahe an glutflüssiger Lava gewesen war, als der Blutbann brach. Sie starrte noch immer auf die schwarze Kugel, des Höllenpfades, die sich um Iwatakko gelegt hatte, als der rot-schwarze Zauber in Stücke riss. Es bildeten sich rote Teile, umhüllt mit einer schwarzen, schorfähnlichen Kruste, die langsam zu Boden sanken, kurz davor verschwanden. Sie hatte mal ein Video von Lava gesehen, die ins Meer floss, Kissenlava. Das war das eigentlich. Zum ersten Mal, seit sie das Reich des Kraken betreten hatten, drangen Sonnenstrahlen auf den Boden. Und, das sah sie deutlich: das Meidou Zangetsu verlängerte sich, wurde für einen Augenblick fast trichterförmig, ehe es verschwand – und den Daiyoukai mit sich riss. Sie hoffte inständig, dass sie ihn nie wiedersehen müsste.

 

Inu Yasha ging es ähnlich, aber er wandte den Kopf, als ihn Sesshoumaru losließ, suchte nach ihr. Er wollte lieber nicht reden, seine Kehle schmerzte, aber er grinste, als er sie durchatmen sah. Ja, das war auch seine Meinung.

 

Der Taishou war einen Schritt beiseite gegangen und warf ebenfalls einen raschen Blick zu der jungen miko, die sich fast etwas geschmeichelt fühlte, ehe ihr aufging, dass das ja noch nicht alles gewesen war. Da gab es ja immer noch die Zeitschleife – und an ihrem Leben hing immer noch das Schicksal der Welt. Und sie war so fertig.

Dennoch – Inu Yasha lebte und Iwatakko war wieder da, wo er hingehörte. Sie atmete tief durch, ehe ihr in dem deutlich besseren Licht auffiel, dass jedes Mal, wenn sich einer der Überreste des Blutbannes auflöste, auch kleine weiße Teilchen herauskamen, die sie erkannte. Seelen. Und die verschwammen, verschwanden ebenso. So war das doch nicht gedacht? Sie machte die Schritte hinüber zu den Hundebrüdern, ehe sie den Älteren vorwurfsvoll ansah, wenngleich zu müde um noch richtig zu schimpfen. Außerdem gab es da die Kleinigkeit von wegen Schweigebann. Inu Yasha war im Moment sicher nicht in der Lage sie zu beschützen. „Die Seelen, sie verschwinden? Du hast doch gesagt, sie leben wieder, wenn der Blutbann zerstört ist.“ Vielleicht konnte er mit Tenseiga …?

Nein, das hatte er sicher nicht gesagt. „Sie sind frei,“ wiederholte er mit einer seinen Halbbruder überraschenden Geduld, aber er dachte wieder einmal wie ähnlich sich Inu Yashas Gefährtin und Rin waren. Immer an vollkommen nutzlose Andere denken.

Inu Yasha hatte Tessaiga weggeschoben und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Besser,“ krächzte er, um flüsternd fortzufahren, den kärglichen Rest seiner Stimme schonend: „Er hat mir gesagt, was er mit ihnen angestellt hat.“ Und er hatte sich nicht damit beruhigen können, dass der Krake ihm das nicht antun würde. Urasae war wirklich schon schlimm genug gewesen.

Sesshoumaru ergänzte, um das Thema zu beenden: „Sie erlebten ihren Tod immer wieder.“

Kagome schauderte plötzlich, als sie sich an die qualvollen Schreie erinnerte, die sie gehört hatte, während sie durch den Bannkreis gingen. Nein, sie würde den Hanyou nicht fragen, was dieser Krake ihnen angetan hatte, sie wollte schließlich noch schlafen. „Ihr meint also es ist besser, wenn sie richtig tot sind,“ gab sie dann zu. „Aber, Inu Yasha, geht es dir gut?“ Ja, er sah viel älter aus – aber das lag sicher nicht allein an den fünfhundert Jahren.

„Keh! Ich habe Nahtoderfahrungen seit ich ein kleines Kind war, das wird schon.“ Seine Stimme war wirklich hin. Er musste dringend etwas trinken. Und ausnahmsweise mal länger den Mund halten.

Die heisere, krächzende, Stimme seines Bruders entlockte dem Taishou etwas wie ein Zucken eines Mundwinkels, einziges Zeichen seiner Erheiterung, dass der redselige Hanyou jetzt wirklich einmal schweigen musste.

Kagome sah sich bestätigt, dass die Zwei sich deutlich besser verstanden als damals, als sie sie zuletzt beim Kampf gegen Naraku gesehen hatte. Nun ja, Sesshoumaru. Inu Yasha war ja noch mitgekommen in ihre Zeit, diese Zeit. Zum Glück war er sich nicht selbst über den Weg gelaufen. Oh, hatte Kouga nicht erwähnt, dass Befehl gegeben worden war ihm und ihr aus dem Weg zu gehen? Diese Anweisung war sicher von Sesshoumaru gekommen. „Schon gut. Und die Menschen, ich meine, wenn das Lehmkörper waren, die Urasae erschaffen hatte, dann sind sie auch tot, als sie starb?“ Irgendwie konnte sie nicht mehr vernünftig reden. War sie auch so fertig, wie ihr Hanyou aussah?

Inu Yasha legte den Arm um ihre Schulter, was sie sich gefallen ließ, zumal er sich auf sie stützte. „Lehmkörper hielten … damals auch…“

Ja, das stimmte, dachte sie. Kikyou hatte Urasae geläutert, aber deren „Sohn“ in einem Lehmkörper hatte samt seinen Kriegern noch gelebt, wenn man das so bezeichnen wollte, jedenfalls hatten sie noch kämpfen können. Sie sah zum Himmel auf, wo einzelne Wolken zu sehen waren. Die Sonne schien warm und irgendwie wirkte alles so ruhig und friedlich. Sekunde. „Der Bann ist weg, dann werden sicher Polizei und so ins Dorf fahren, nach den Leuten da sehen.“ Und normalerweise würden sie nicht einmal bemerken, dass es keine Menschen waren. Die Leute standen ja nicht mehr unter der Kontrolle der Hexe und würden sich schon irgendwie herausreden, im Zweifel wussten sie ja selbst nicht, dass sie nicht mehr lebten. Und bei dem falschen Inu Yasha hatte Urasae ja auch an Blut gedacht, so dass nicht einmal ärztliche Untersuchungen auffällig wären.

 

Und sie würden herkommen, sich den neuen Vulkan ansehen, dachte Sesshoumaru.

Entfernt hörte er ein Geräusch. Die Menschen hatten tatsächlich bemerkt, dass der Bannkreis weg war, vermutlich hatten ihre Geräte jetzt angezeigt. Solange die Magie hier lag, dürften sie nichts mitbekommen haben. Das war allerdings jetzt lästig. Da kam ein Hubschrauber und sie standen hier alle drei in dem vulkanischen Gebiet. Selbst ein magischer Bann als Menschen würde nichts helfen, denn natürlich würden sie gefragt werden, was sie hier täten. Militär, Vulkanologen, lauter Leute zweiten Ranges, die nichts von der Welt der Youkai erfahren sollten, die er doch beschützen sollte.

Magie ließ ihn den Kopf wenden, jäh angespannt. Inu Yasha war nicht mehr kampffähig, Kagome hatte keine Pfeile mehr. Kam etwa Iwatakko wieder? Nein, nicht der Krake.

Aber etwas war erschienen, eine durchsichtige, in allen Farben des Regenbogens schimmernde große Kugel, in der ein Mann stand, den er erkannte und daher höflich den Kopf neigte. „Kami-sama.“

 

Der Herr der Zeit ließ die Kugel knapp einen Meter über dem Boden vor ihnen halten und machte eine Handbewegung. Ein Spalt entstand. „Kommt herein, rasch,“ befahl er.

Der Daiyoukai sprang ohne zu zögern hinein und stellte sich kommentarlos auf die rechte Seite des kami.

„Komm, Inu Yasha,“ drängte Kagome, in der Hoffnung, das wäre ein Taxi nach Tokio. Jedenfalls kannte sie den Gott. „Das ist ein kami,“ erklärte sie, als sie den Hanyou fast mit sich zog. „Er traf uns bei Bokuseno und hat uns jede Menge Informationen gegeben.“

Aha. Inu Yasha sah sich außerstande zu reden und neigte nur etwas den Kopf, wie er es bei seinem großen Bruder gesehen hatte. Wenn der schon so höflich war, sollte man es lieber auch sein. Allerdings war er zu müde und ließ sich einfach, sobald sie in der Kugel waren, neben dem kami auf die linke Seite nieder, dabei ignorierend, dass sich die Sphäre wieder schloss. Er zog Kagome mit sich, auf seinen Schoß und legte die Arme um sie, verbarg sein Gesicht in ihrem Haar. Sie roch noch immer so, wie er sie all die lange Zeit in Erinnerung behalten hatte. Naja, sie war es ja auch.

Sie lehnte sich an seine Schulter und ließ sich einfach festhalten. Er lebte, das war doch eine Menge wert. Und er würde sich erholen. Hm. War sie jetzt eigentlich in dieser Zeit auch noch oder wieder mit ihm verheiratet? Mit Sesshoumaru nicht, denn der Blutbann der Vier müsste doch aufgehoben sein, wenn eben ihr erster Ehemann wieder lebte, nein, noch lebte. Allerdings stimmte das doch jetzt andersherum nicht. Da sie ja wohl im Mittelalter gestorben war, war dann Inu Yasha ihr Witwer? War das kompliziert. Und jetzt schwebte diese Kugel auch noch hoch. Sie zuckte unwillkürlich zusammen, denn bis auf den Schimmer hatte sie das Gefühl direkt in der Luft zu sein, jetzt gut zehn Meter über der Erde.

 

„Hier seid ihr erst einmal sicher.“ Der Blick des kami senkte sich auf das Paar mehr oder weniger zu seinen Füßen. „Ich bin durchaus erfreut, dass es euch gelungen ist, Schrödinger-sans Hanyou lebendig zu finden.“

„Ich bin niemandes Hanyou,“ brachte Inu Yasha prompt hervor und sah auf.

„Doch, meiner,“ warf Kagome eilig ein, schon um zu verhindern, dass er nach Tessaiga fasste. „Ich erzähle es dir später, wer der Herr Schrödinger war, ja?“

Sesshoumaru sah unterdessen hinaus. Zwei Militärhubschrauber näherten sich, überprüften die Gegend. Immer kamen einem diese jämmerlichen Zivilisten in die Quere. Die Welt der Youkai ging sie doch nun wirklich nichts an.

„Sie können uns hier auch mit ihren Geräten oder Radar nicht finden,“ erläuterte der Herr der Zeit. „Diese Kugel befindet sich von ihnen aus gesehen eine Sekunde in der Zukunft. Das genügt, damit sie nichts finden, aber umgedreht auch nichts dadurch verändert wird. Hier drin vergeht keine Zeit. Wenn sie weg sind, könnt ihr euch auf den Rückweg machen, ich vermute, das Auto kommt dann.“

„Oh, ich dachte, Sie bringen uns nach Tokio,“ sagte Kagome etwas bedauernd und hob den Kopf.

„Miko, ich bin der Herr der Zeit. Nicht des Raumes.“

„Entschuldigung,“ murmelte sie eilig. Man sollte sich nicht mit Göttern anlegen. Erstaunt spürte sie, wie ihr Hanyou ihr Kinn fasste und zu sich drehte, ihren Mund anstarrte. Unwillkürlich legte sie einen Finger an ihre Unterlippe. „Sieht man es noch so?“

„Durchgebissen,“ flüsterte er heiser. „War das bei dem Sturz?“

„Äh, nein.“ Die genauen Umstände sollte sie lieber nicht erwähnen.

„Das war dein Bruder,“ erklärte der kami unbefangen. Im nächsten Moment starrte er hinunter auf Inu Yasha. Die Energie eines praktisch halbtoten Hanyou schnellte in Höhen, die manchen vollblütigen Youkai mehr als stolz gemacht hätten. Die Luft in der Kugel begann förmlich zu vibrieren.

„Nii-san!“ Inu Yasha wollte Kagome von seinem Schoss schieben, in der deutlichen Absicht zu ziehen, aber sie hielt sich an ihm fest.

„Nein, das ist anders, lass es dir doch erklären!“ Ein wütender Blick ihrerseits galt dem Herrn der Zeit, der sich auf seiner anderen Seite ebenso von dem Daiyoukai betrachtet fühlte, nicht wütend, aber kalt.

Nun ja, dachte Sesshoumaru, das war zu erwarten gewesen. Er persönlich wäre auch nicht sonderlich begeistert, würde jemand anderer SEINE potentielle Gefährtin küssen. Aber eine so begrenzte Kugel bot für ein Duell zu wenig Platz. Mal sehen, wie Kagome ihn beruhigen wollte. Das führte zu etwas anderem. Er war ja der Meinung, dass Inu Yasha so wenig wie möglich über gewisse Szenen erfahren sollte. Die Tatsache mit dem Blutbann und der Heirat wäre allerdings kaum zu verschweigen. Das eine oder andere Ratsmitglied, er dachte dabei vor allem an Hayasa, wäre nur zu begeistert, wenn sich der Taishou und sein Erbe an die Kehle gehen würden, im besten Fall sich gegenseitig umbringen würden. Im Regelfall müsste der Falke sich einem von ihnen oder bei wirklichen Problemen gleich allen beiden gegenüberstellen. Selbst für einen Daiyoukai in aller Regel eine ungesunde Idee.

 

Kagome hatte unterdessen die Öhrchen des Hanyou gekrault, die so niedlich zuckten, wenngleich aus Zorn. „Hör mir zu. Du hast doch gesehen, dass da ein Bannkreis war? Blutmagie. Und dieser dämliche Krake hatte den so gelegt, dass nur das Blut aus Daiyoukai und Mensch gemischt hindurch kommen würde. Also du. Und da hat er sich gedacht, wenn er dich gefangen hat, ist sein Bann sicher. Nachdem wir ja Mensch und Daiyoukai sind, aber eben nicht gerade einen Hanyou ….haben wollten, mussten wir das Blut anders austauschen. Ich habe auch das Sesshoumarus getrunken. Blutsbrüderschaft, sozusagen. Anders wären wir doch da nie reingekommen. Ehrlich gesagt, mir ist dabei fürchterlich schlecht geworden, und dann mussten wir uns auch noch beeilen, denn ich habe sofort angefangen sein Blut zu läutern, und umgedreht wohl auch. Es gab einiges, was auf dieser Reise nicht so angenehm war, Inu Yasha. Aber wir hatten gesagt, dass wir alles tun würden um dich zu finden und rauszuholen.“

Er seufzte etwas. Er wollte ja nicht undankbar sein, im Gegenteil, er war heilfroh, dass die Zwei gekommen waren, ihn sozusagen aus dem Suppentopf geholt hatten, als der schon auf der Feuerstelle stand. Überdies, wenn Kagome ihn so kraulte und sie offenkundig nicht sauer auf seinen Bruder war, so hatte es wohl seine Richtigkeit. So flüsterte er: „Ich mag nur nicht, wenn du andere ….“

„Nie,“ fauchte sie prompt. „Was hältst du von mir!“ Nein, sie würde ihn nicht zu Boden schicken, das hatte sie sich fest vorgenommen, so kaputt und müde wie er war. Überdies hatte sie keine Ahnung, was das in der Kugel für Nebenwirkungen haben würde.

„Immerhin waren wir verheiratet.“ Die ruhige Stellungnahme des Älteren ließ das gesunkene Youki des Halbbruders erneut in die Höhe springen, eine Klaue nach Tessaiga greifen.

Kagome warf einen entsetzten Blick auf ihren Schwager. Wollte der sich unbedingt duellieren? Oder was sollte das? Und sie durfte jetzt das wieder geradebiegen, oder? Danke, Herr Heerführer! „Das war nach deiner Beerdigung, also, da dachten wir, du bist das. Es dauerte ein bisschen, bis festgestellt wurde, dass du nicht im Jenseits bist und wir reingelegt wurden. Jedenfalls konnte ich nicht ins Mittelalter, weil durch deinen Tod irgendein uralter Blutbann ausgelöst worden war, den gleich vier Daiyoukai gelegt hatten. Das heißt, ob wir wollten oder nicht, solange du nicht lebendig warst, sondern auch tot…“

„Blödsinn!“

„Nein, das ist das Problem von Herrn Schrödinger. Dieser unsägliche Iwatakko mit seinem Bann hatte es geschafft, dass du für alle draußen gleichzeitig lebendig UND tot warst. Darum wurde auch dieser Bann der Vier aktiviert. Wir konnten ja nicht mal nein sagen. Und der Rat verlangte, dass wir das auch durchziehen…“

Inu Yasha hob langsam den Kopf und sah wütend wie in alten Zeiten zu seinem Bruder auf. „Durchziehen,“ krächzte er. „Vor aller Augen.“ Er klang aggressiv.

Oh, er wusste von der Öffentlichkeit? Ihr hatte das Myouga als top-secret gesteckt um sie vorzubereiten und sie war zu diesem Zeitpunkt schon wirklich froh gewesen nur in das Schlafzimmer gehen zu sollen. Und natürlich das Ehrenwort zu haben. „Äh, nein, das hat Sesshoumaru irgendwie hinbekommen. Ich ging in sein Schlafzimmer und habe da geschlafen, er hat gearbeitet. Sehr romantische Hochzeitsnacht, vor allem, weil das ja ein Tag nach deiner Beerdigung war.“

Da ihre Stimme schwankte, zog Inu Yasha sie wieder an sich und sah zu ihr. „Hast du geweint?“

„Ich weine doch immer, wenn du stirbst.“ Sie schmiegte sich an ihn.

„Wo ..“ Seine Stimme versagte.

„Wo du beerdigt worden bist? Mit Tessaiga neben deinem Vater. Tessaiga haben wir dann wieder geholt, als klar war, dass es sich nur um eine von Urasaes Puppen handelt. Und dann war ja auch klar, dass wir dich finden müssen. Bokuseno und der kami haben uns Tipps gegeben und auch die Unterwelt wurde nach dir abgesucht.“

„Wie stets hast du eine Menge Unruhe verbreitet,“ sagte der Taishou. „Aber du solltest mir zutrauen, dass ich die Familienehre achte.“ Und nie die Gefährtin seine Bruders auf sein Lager nehmen würde.

Inu Yasha nickte, reden fiel schwer. Doch, das traute er ihm zu. Er beruhigte sich langsam.

Kagome wollte betonen, wie sie gut behandelt worden war. „Ja, ich sollte dann in die Zimmer ziehen, die deinen Räumen gegenüberliegen, mit zwei Kriegern vor der Tür und sogar einer Hofdame namens Noriko,“

Seinen Räumen gegenüber? Da sollte eigentlich seine Gefährtin wohnen. Nein, nii-san hatte an alles gedacht. Nur ... Der Hanyou sah zu seinem Bruder auf. „Du hast Noriko, die Tochter deines mächtigsten Vasallen, als Hofdame zu einem Menschen geschickt?“ erkundigte er sich mühsam.

„Ausbildung.“ Und Strafe.

Und da hielten ihn immer alle für ahnungslos, was Gefühle anging. „Was sagte denn Hitoshi dazu? Der hält sich doch für die Nummer zwei und ignoriert mich.“ Wenn er nur vernünftig reden könnte! Das strengte so an.

Der Youkai no Taishou blieb sachlich. „Wenn Myougas Bericht da ist, könnte es sein, dass eine Tochter als Hofdame noch sein kleinstes Problem ist. Auch Isamu gilt es zu beachten und zumindest einen Schadenersatz. Beide haben Krieger auf meine Kosten ausbilden lassen.“

„Die haben dich aufs Kreuz gelegt?“ Inu Yasha klang ungläubig, aber das erklärte auch die geradezu ausufernde Rede des Herrn Bruders. Der wollte seine Hilfe. Sicher, der könnte jederzeit Hitoshi selbst umlegen, aber dessen eigene Leute plus Isamu und dessen Krieger war schon eine andere Hausnummer. Nicht unmöglich für Sesshoumaru und schon gleich gar zu zweit, verstand sich. „Aber die hängen ja schon lange zusammen, Hitoshi Sohn hat vor einigen Jahren die älteste Tochter von Isamu geheiratet. Du hast mich hingeschickt.“

Wie er erwartet hatte, der kleine Bruder hatte etwas mitbekommen, das ihm entgangen war. Nun, er hatte es nicht so mit Intrigen und höfischem Gerede. Er bevorzugte es mit seinen Wachen zu trainieren und nicht den neuesten Klatsch zu hören. Aber es würde kaum helfen, wenn der nicht reden konnte. „Später. Im Auto werden Getränkedosen sein.“

„Ja, nii-san“ Er genoss es noch immer, wenn Sesshoumaru die fürsorgliche Seite zeigte, immerhin waren die ersten Jahrhunderte ihrer Beziehung suboptimal verlaufen.

 

Der Herr der Zeit fand es an selbiger sein nächstes Problem anzugehen. „Kagome, du entsinnst dich noch in welcher Kleidung du erstmals zurück ins Mittelalter wolltest?“

„Äh, ja, kami-sama,“ erwiderte sie perplex. „Sie liegt sogar im Schloss.“

„Das ist sehr gut. Du musst sie nämlich anziehen, wenn du nachher ins Mittelalter springst.“ Da ihn zumindest das Pärchen entsetzt anstarrte. „Bitte, es existiert eine Zeitschleife. Wenn du, Kagome, in dieser Zeit stirbst, zieht sich der Knoten zusammen und die Zeit endet. Du musst, so schnell es geht, ins Mittelalter zu dem damaligen Inu Yasha. Selbst ich erinnere mich nur durch die Zeitschleife daran, dass ihr mal verheiratet wart. Ihr selbst ja auch nicht, oder? Das ist alarmierend, und zeigt nur an, wie eng das Ganze schon geworden ist. Ich kann euch noch den heutigen Tag und die nächste Nacht geben, aber noch ehe die Sonne aufgeht, Kagome, musst du durch den alten Brunnen. Ich werde ihn dann wieder versiegeln, damit niemand mehr hindurch kann.“

„Das konnten ja sowieso nur ich und Inu Yasha. Oh, und Lady Tausendfuß.“

„So´unga“ krächzte der Hanyou.

Tsukiyomi erlaubte sich ein Seufzen. „Und ich. Ja. Inu Yasha sollte es schon nicht können, und die sicher nicht, aber sie folgte mir, als ich den Weg durch die Zeit überprüfte. Bei So´unga war es ähnlich. Immerhin warst du dann im Mittelalter wo du hin solltest. Das war ja der Zweck des Ganzen.“

„Damit ich Inu Yasha kennen lerne?“

Der kami seufzte erneut. „Nein, Mädchen, damit du dieses unsägliche shikon no tama beseitigst, das sich immer mehr als überaus gefährliche Waffe entpuppt hatte.“

„Ich, ja, aber … weil ich Kikyous Wiedergeburt war? Fiel euch sonst niemand ein? Ich meine, Götter?“ Der ganze Ärger, alles nur, weil da ein paar Leute zu faul waren?

„Das lag außerhalb unserer Macht. Ein derartiges magisches Artefakt hütet sich selbst. Nur eine einzige Person bot Hoffnung. Kikyou wollte es auch mit sich verbrennen lassen, aber das war natürlich nutzlos.“

„Ich verstehe nicht so ganz,“ sagte Kagome verwirrt und fühlte sich eng an Inu Yasha gezogen, der zwar nichts sagte, aber ebenso auffordernd empor blickte.

„Wir haben Zeit, kami-sama.“ Der Daiyoukai deutete damit an, dass auch er interessiert wäre, was da mit seiner zeitreisenden Schwägerin los war. Schließlich hatte ihn das besagte Juwel durchaus einige Zeit und Mühe gekostet, obwohl es in seinen Augen nutzlos war.

 

Wenn er nicht auf die Hilfe dieser Drei angewiesen wäre. Der Herr der Zeit wusste wohl am Besten, was passieren würde, würde sich Kagome weigern durch den Brunnen zu springen um mit dem Inu Yasha in dieser Zeit zu leben. Und immerhin: sie hatten Iwatakkos Blutbann gelöst, Schrödingers Hanyou befreit, seit der Zerstörung des Blutbanns lief die Raumzeit wieder, nur noch so gekrümmt, wie sie sollte. Aber da war die Zeitschleife. Nun gut, erzählte er. Und er war es wahrlich nicht gewohnt Forderungen zu erfüllen. „Ihr wisst alle drei, wie das Juwel der vier Seelen entstand.“

„Äh, ja,“ meinte Kagome. „Wir waren in der Höhle, wo Midorikos Mumie ….Also, sie läuterte einen sehr mächtigen Youkai und schob dabei ihre eigene Seele in ihn, oder so. Jedenfalls entstand da das Juwel.“

„Gut gemeint, schlecht ausgeführt.“ Der kami nickte. „Das Problem war und ist, dass das nicht funktionierte, nicht funktionieren konnte. Ein bisschen Seele von Midoriko musste draußen bleiben, sozusagen der Motor sein. Und dieser Teil gelangte folgerichtig ins Jenseits. Und wurde eines Tages wiedergeboren. In jemand vollkommen anderem, weil es ja nur ein Teil war. Das war überhaupt nicht vorgesehen. Aber diese Teilseele Midorikos besaß auch auf ihre neue Besitzerin Einfluss, zumindest, was das shikon no tama betraf. Sie fühlte sich sehr zu dem Juwel hingezogen und wollte unbedingt verhindern, dass es ein Youkai oder auch ein Mensch nutze um mächtiger zu werden. Ihr Name war …“

„Kikyou,“ begriff Kagome entsetzt. „Midoriko wurde zum Teil in Kikyou wiedergeboren.“

„Intelligentes Kind. Das machte den Schutz der Welt vor dem immer stärker werdenden Juwel nicht einfacher, vor allem, als klar wurde, dass Kikyou eine sehr fähige Priesterin war, die das Juwel unter allen Umständen schützen wollte, aber sich dann doch ein sehr … eigenartiges Band ausgerechnet zu einem Hanyou leistete. Nichts gegen dich, Inu Yasha, es war das starke Band, das alle beunruhigte. Und da kannten, ja, ahnten wir noch nicht einmal das eigentliche Problem.“

 

 
 

Miko


 

K

agome wusste, dass sie müde war und nicht sonderlich gut mehr nachdenken konnte, aber das war doch ein bisschen viel. „Sekunde. In mir steckt nicht nur Kikyou ….?“ Was an sich schlimm genug war: „Sondern auch noch Midoriko? Das ist doch Blödsinn! Ich bin ich! Ich meine …“

Der kami hob fast milde die Hand. „Natürlich bist du du, liebes Kind. Wiedergeburt heißt ja nicht, dass das sozusagen eins zu eins das Original ist. Das passiert zwar manchmal, aber meist werden da zwei Seelen zu einer verschmolzen. Midoriko war da der Sonderfall, weil es ja eben nur die Restseele war. Und darum genau hast du die Fähigkeiten dreier miko. Und, wenn ich das so sagen darf, nicht der schwächsten welche.“

„Aber ich liebe Inu Yasha und das ganz sicher nicht, weil Kikyou da auch … entschuldige,“ murmelte sie, als sie das Zusammenzucken ihres Hanyou bemerkte.

Menschen! Hanyou! Der Herr der Zeit ergänzte unwillkürlich: Daiyoukai, als ein kleiner Seitenblick ihm zeigte, dass da eine Klaue an Bakusaiga lag. Waren die alle impulsiv. Wirklich. Aber, nun gut. Da draußen rannten jetzt seltsam verkleidete Menschen, offenbar in Schutzanzügen herum, Drohnen flogen, Hubschrauber, eine helle Aufregung, als ob sie noch nie vulkanischen Boden gesehen hätten. Hier in der Kugel verging keine Zeit und womöglich war es gut, wenn er seine launischen Besucher eben bei selbiger hielt.

„Das habe ich auch nie behauptet. Es war nur so, Kikyou hatte ein starkes Band zu Inu Yasha aufgebaut und umgedreht, das eben nicht, jedenfalls nicht nur, auf körperlicher Anziehung beruhte. Eher etwas magisches. Als Naraku dazwischen funkte, schaffte sie es nicht ihn zu töten, sondern bannte ihn nur. Als sie starb, wollte sie das shikon no tama mit vernichtet wissen, mit ihr verbrannt. Es steht zu erwarten, dass das im Grunde Midorikos Einfall war, denn diesem Seelenteil war sicher inzwischen bewusst geworden,was sie da für ein Monster aus sich und dem Youkai geschaffen hatte. Leider, und natürlich, funktionierte das nicht. Ein magisches Artefakt hütet sich selbst, zumal eines dieser Macht. So wachte Kaede, Kikyous Schwester, weiterhin. Leider war das nicht genug. Das einzige Lebewesen, das in der Lage wäre, das Juwel der vier Seelen zu zerstören, musste diese Teilseele von Midoriko besitzen. Da kam mal wieder ich ins Spiel.“ Der kami seufzte, da seine Familie das gern tat. „Ich hatte zuvor schon nach der Teilseele gesucht, ehe man sie in Kikyou lokalisieren konnte. Das war, als der Lehrer statt der talentierteren Tsubaki Kikyou auswählte. Er wusste viel, hatte gute Kontakte und so sah man genauer hin. Nun ja. Jedenfalls hatte ich zuvor bereits gewisse Zeiten nach Midorikos Teil-Wiedergeburt abgesucht. Dazu nutzte ich eine Schwachstelle in der Zeit, die es auch mir ermöglicht die Zeit zu wechseln. Es ist nicht so ganz einfach. Aber an manchen Stellen krümmen sich Raum und Zeit wie zu Strudeln,.“

„Der knochenfressende Brunnen!“ Inu Yasha starrte ihn an.

„Genau, junger Freund. Ich reiste da durch. Leider passierte mir ein kleiner Fehler. Menschen sahen mich und warfen die Knochen von Youkai hinein, die ebenso verschwinden sollten wie ich. Nun gut, es passierte ja an sich nichts. Leider bekam das auch euer Vater mit und gab, als er starb, die Anweisung, So´unga eben dort hineinzuwerfen. Er hatte erkannt, dass es sich um ein Zeitloch handelte und hoffte, das Höllenschwert würde erst in der Zukunft von euch gefunden werden, wenn ihr alt und stark genug wärt, natürlich, äh, du Sesshoumaru.“

„Es landete dann hier,“ erklärte Kagome etwas erstaunt.

„Richtig, denn das Zeitloch endete hier, zu meiner Verwunderung, übrigens. Aber ich vermutete irgendeinen Sinn und kam immer wieder her. Nach Kikyous Tod fand ich rasch heraus, dass dies die Zeit war in der sie wiedergeboren wurde. Es dauerte etwas, bis ich auch die Restseele Midorikos in dir definieren konnte. Damit war klar, du musstest ins Mittelalter, als die einzige Person, die in der Lage war, das shikon no tama endgültig zu zerstören. Als du, meines Erachtens, alt genug warst, wollte ich dich unauffällig durch den Brunnen schicken, aber Frau Tausendfuß, wie du sie nanntest, war mir gefolgt und erledigte das. Tja. Dann hatten wir das nächste Problem. Geplant war eigentlich, dass du bei Kaede lernst und ihre Nachfolgerin wirst. Warum auch nicht, du warst allein in einer fremden Zeit ….“ Er brach ab, denn der Blick, dem ihm Kagome zuwarf, gefiel ihm nicht sonderlich. „Niemand wollte das shikon no tama weiterhin auf die Welt loslassen, zumal es immer stärker wurde. Und, das gebe ich zu, wir haben deine neue, dritte, Seele unterschätzt.“

„Mag ja sein,“ murrte sie. Als ob es keine anderen Weltenretter geben würde als sie. Und da war ja immer noch diese Zeitschleife.

„Ja, und da kam schon wieder, entschuldige, Junge, Inu Yasha daher. Wie schon bei Kikyou entstand zwischen euch ein besonderes, magisches Band. Immerhin gelang es dir das Juwel zu zerstören.“

„Hat ja toll gewirkt,“ murmelte Inu Yasha, ehe er flüsterte: „Das war eine Schnitzeljagd durch ganz Japan!“

„Oh, du!“ Nein, der hatte sich nicht grundsätzlich mit den Jahren geändert, dachte Kagome, ließ sich aber an ihn ziehen und über den Rücken streicheln.

„Ja, aber sie war, vor allem für mich, auch recht lehrreich. Erstens hatten wir Kagomes Willen unterschätzt. Es hätte nicht möglich sein sollen zurück in diese Zeit zu springen und wieder hin oder her.“ Wille oder wirklich die Macht dreier miko. Aber, das wollte er nicht erzählen. „Zu allem Überfluss konnte das auch Inu Yasha, durch das Band, das sich immer weiter verstärkte, da ihr euch ineinander verliebt hattet. - Hab ich schon erwähnt, dass es wirklich niemand gut fand, dass dir in dieser Zeit ausgerechnet das Höllenschwert in die Klaue fiel?“

„Na, ich vielleicht?“ krächzte Inu Yasha.

„Stimmt, du leistetest So´unga gut Widerstand.“

„War es so von unserem verehrten Vater gedacht, dass ich es heute finden sollte?“ erkundigte sich der Youkai no Taishou mit bemerkenswerter Ruhe.

„Ich weiß es nicht. Es lief einiges anders als geplant. Zeitreisen sind wahrlich nichts für Anfänger und je mehr Leute mit den Zeitlinien herumspielen, noch schlimmer, wie Iwatakko mit dem Raum-Zeit-Kontinuum, je mehr Leute durch die Zeiten reisen, um so schwieriger wird es für mich. Und, nebenbei auch für die Welt, denn wenn ich versage, hört sie auf zu bestehen. Nur als Beispiel, Schrödingers Hanyou war nie vorgesehen.“

„Also brauchtet ihr mich, dass ich das shikon no tama endgültig vernichte,“ sagte Kagome langsam. „Und deswegen, also wegen Kikyou und Midoriko war Urasae auch so überrascht, weil sie meine Seele nicht bekam?“

„Sie war vermutlich schockiert. Leute mit zwei Seelen sind extrem selten, aber drei? Und, ehe du fragst, ja, ein gut Teil von Kikyous Seele ist noch in dir, ein Teil von Midoriko. Wenn du mal lernen wirst mit den allen umzugehen, nun ja, vielleicht hast du es auch schon getan, für uns, im Mittelalter, an das sich ja niemand mehr erinnert ….nicht schlecht, würde ich sagen.“

Sesshoumaru bewies, dass er aufmerksam zugehört hatte. „Auch Ihr, kami-sama, erinnert Euch nicht mehr?“

„Nein, nicht an das, was nach der Zerstörung des Juwels geschah, bis dahin, nachdem Kagome gestorben war. Und das ist mehr als ein Alarmzeichen. Du musst so schnell es geht in das Mittelalter, Kind.“

Inu Yasha seufzte. „Ja?“

„Ja. Und immerhin, um deinem ...ver...deinem Beschützerinstinkt zuvor zu kommen. Sie trifft es besser als du. Sie springt, trifft dich und ihr lebt zusammen, solange sie lebt.“

Ja, das stimmte, dachte Kagome zerknirscht. Sie würde leben, die Welt retten und der Inu Yasha der Neuzeit, der sie gerade im Arm hielt, würde allein bleiben mit seinen Erinnerungen, wie die letzten fünfhundert Jahre. Das war irgendwie unfair. So drehte sie den Kopf zu ihm. „Naja, vielleicht findest du mal jemanden, ich meine, du bist ja Witwer.“

„Das klingt schrecklich alt.“

„Du siehst wie fünfundzwanzig aus, hast sicher noch viel Zeit vor dir….“

„Ich habe fünfhundert Jahre auf dich gewartet, naja, ich wusste ja, dass ich dich nicht sehen darf oder gar mich, aber Kouga guckte immer nach dir.“ Er schloss die Augen. „Ich wollte sicher gehen, dass du kommst.“

Der Herr der Zeit nickte. „Das war im Übrigen eines der Dinge, für die ich dich beglückwünschen darf, Taishou. Diesem stürmischen Kerl zu verbieten sie zu besuchen, sich selbst gegenüber zu stehen. Die Folgen wären verheerend gewesen. Nicht nur, dass Inu Yasha in allen Varianten aufgehört hätte zu existieren, Kagome und ihre Physik: Gegensätze lösen sich auf, sondern schon dann wäre auch ohne Iwatakko das Raum-Zeit-Kontinuum, zusammengezogen worden zu einer Art Schleife, die nicht einmal ich mir auch nur vorstellen will. Nur, was ihr Zwei im Speziellen immer vergessen habt: das, was ihr tut, ist illegal. Ihr spielt nicht nur mit eurem Schicksal, sondern mit dem aller Welten und Zeiten. Springt Kagome nicht in den Brunnen, ehe die Sonne aufgeht, ist es aus. Punkt.“

„Ich gehe ja,“ murmelte die junge miko. „Aber ich werde nie …“

„Oh doch“, unterbrach der kami. „Du wirst das hier vergessen und die ganze letzte Woche, dafür werde ich sorgen. Unausdenkbar, wenn du etwas im Mittelalter nun anders machst als du es zuvor getan hast. Leute würden nicht leben, andere sterben, unabsehbare Folgen.“

Sie starrte ihn erschreckt an. „Ich werde alles vergessen? Alle Abenteuer, alle Mühen, alles….?“

„Du sagtest, du kennst das Zeitparadoxon.“

Nun, das hatte sie sicher nicht gesagt, aber sie hatte davon schon mal gehört. Und vermutlich nahm er an, wenn sie das mit Schrödingers Katze gewust hatte, wäre sie nicht nur praktisch eine Expertin in Zeitreisen. Ja, da gab es was. Und immerhin – sie würde doch einige Zeit mit Inu Yasha verbringen, leben. Und der arme Halbhund hockte hier allein.

Besagter Hanyou sah sie an und flüsterte: „Das ist lieb gemeint, Kagome. Aber, wenn das alles stimmen würde, ich mich selbst vernichten würde, wenn ich mich gesehen hätte, wieso konntest du zurück hierher ohne dass etwas passierte?“

Sie musste nachdenken. Immerhin war ihr Physiklehrer da wirklich engagiert gewesen und sie hatte Fragen gestellt, die ihn begeistert hatten, ohne dass sie freilich gewusst hätte, wie wichtig das werden konnte. „Äh, warte. Das hat wieder mit dem Raum-Zeit-Kontinuum zu tun. Nach der Relativitätstheorie bewegt sich jede Person in ihrem eigenen System mit Lichtgeschwindigkeit in der Zeit vorwärts. Wenn man also von einem dauernd fließenden Zeitstrom ausgeht, wie es uns kami-sama ja erklärt hat. werden Änderungen der Vergangenheit, die durch einen Zeitreisenden erzeugt wurden, in der Zukunft erst existieren, wenn die entsprechende Zeit vergangen ist. Damit kann der Zeitreisende in "seine" Zukunft zurückreisen, ohne die Veränderungen selbst zu erleben. Und das heißt, ich darf nicht hier sein,“ erkannte sie und blickte entgeistert auf.

Tsukiyomi nickte. „Du hast es erfasst. Die drei Jahre, die du seit der Zerstörung des shikon no tama hier warst, waren nur möglich, weil tatsächlich ausgerechnet diese beiden Chaotenbrüder alles dafür getan haben, dass es so bleibt wie es ist, du dir nie selbst begegnet bist. Ab jetzt freilich….“

Er brauchte nicht weiterreden, auch wenn zwei Anwesende die Titulierung ein wenig unangemessen fanden. Jetzt war die Zeit, in der sie wohl „richtig“ in das Mittelalter zurückgekehrt war, die Zeit, an die sich niemand mehr erinnern konnte.

 

Inu Yasha, der sie noch immer in den Armen hielt, spürte, wie sie tief einatmete und trotz seiner Müdigkeit entkam ihm ein stillvergnügtes Grinsen. Aber er tat oder sagte nichts, außer zu seinem Bruder aufzublicken. Auch um den Mund des Herrn der Youkai zuckte eine kaum wahrnehmbare Heiterkeit. Anscheinend hatte Sesshoumaru auf dieser Reise auch diese Seite an ihr kennengelernt. Nun ja, soweit er sich entsinnen konnte, war sie in diesem Alter wirklich temperamentvoll gewesen. Immerhin würde es diesmal keiner von ihnen Beiden abbekommen.

Kagome holte noch einmal tief Atem, ehe sie ihrem wachsenden Ärger Luft machte. „So. Jetzt sehen wir mal, ob ich das alles richtig verstanden habe. WEIL Midoriko das Juwel der vier Seelen erschuf, in bester Absicht, aber da was schief gelaufen ist, WEIL irgendjemand ihre Teilseele in die Kikyous gestopft hat, WEIL sich niemand in der Lage sah das dämliche Teil zu zerstören oder wenigstens so zu beseitigen, dass Magatsushi nicht entstehen kann oder minimal eingesperrt ist … aus diesem Grund werde ich gezwungen durch die Zeiten zu reisen, nichts gegen dich, Inu Yasha, werde ohne zu fragen in Abenteuer und Kämpfe gestoßen, um die ich sicher nicht gebeten hatte … Und zu allem Überfluss ist auch niemand in der Lage diese Zeitschleife zu bereinigen, wenn ich das nicht mache? Wozu hat man eigentlich lauter magische Leute um sich? Kami, Youkai? Bin ich nur dazu geboren eure Fehler auszubügeln? Ja? Die Zeitputze vom Dienst, oder was?“

„Ja, du hast es richtig verstanden.“ Der Herr der Zeit konnte sich beim besten Willen nicht erinnern schon einmal dermaßen angefaucht worden zu sein. Selbst als er in einem Anfall von, nun ja, Temperament, eine andere Kami umgebracht hatte und seine Schwester dermaßen verärgert war, dass sie ihn nie mehr sehen wollte, hatte sie ihn nur durch Boten wissen lassen, dass er ab sofort für den Mond und die Nacht zuständig sei, sie für den Tag. Aber für einen Menschen waren die Zeitreisen vermutlich psychisch belastend und auch die letzten Tage hatten das Mädchen sicher mitgenommen.

So blieb er sachlich, ahnungslos ob der Tatsache, dass die zwei anderen Männer in der Kugel irgendwem dafür dankten, dass Kagome keine Pfeile mehr hatte – dem anwesenden Gott jedenfalls nicht. Wieso beschwichtigte er sie nicht? Das Fettnäpfchen wurde ja immer größter bei diesem Versuch ihr Recht zu geben – sie war die Müllabfuhr der Zeit? Da wären ja selbst sie, die sich für deutlich weniger impulsiv hielten, sauer geworden.

Der kami fuhr folglich ahnungslos und noch immer ruhig fort: „Wenn du allerdings glaubst, ich hätte irgendetwas tun können, außer zu versuchen dich in das Mittelalter zu bringen – nein. Ich mag der Herr der Zeit sein, aber ich bin auch ihr Diener. Es gibt Regeln, an die ich mich zu halten habe, sonst würde alles drunter und drüber gehen und im Ende enden. Alles, was ich, sogar nach Rücksprache mit meinem verehrten Vater, tun konnte, war, Midorikos Teilseele in dir zurück zu dem shikon no tama zu bringen, denn nur das würde helfen das Juwel zu zerstören. Dir ist es ja auch gelungen. Stell dir doch mal vor, was dieser Dämon angerichtet hätte in den letzten Jahrhunderten, wenn er bis heute existiert hätte. Es musste also im Mittelalter passieren und es musste nach Kikyous Tod geschehen, da sie sonst nicht samt Midoriko wiedergeboren werden könnte. Du kannst mir glauben, dass es schwierig genug war dich unter allen Menschen all der Zeiten dazwischen ausfindig zu machen. Und, als ob das nicht schon genug Beschäftigung wäre, hoppst dir dieser Hanyou auch noch hinterher und findet So´unga. Ich kann dir versichern, dass einiges los war. Und natürlich bekam ich wieder den Auftrag das Problem zu lösen. Nun ja.“ Der Blick des Kami glitt von Halbbruder zu Halbbruder. „Ihr habt die Fehlerbeseitigung ja übernommen.“

„Haufen Arbeit,“ krächzte Inu Yasha prompt. Zu mehr sah er sich nicht mehr in der Lage.

„Ohne Zweifel. Aber ihr ward erfolgreich. Alle drei. Kagome, ich glaube dir versichern zu können, dass dies deine letzte Zeitreise wird. Auch, wenn ich mich nicht an deine Verbindung mit Inu Yasha erinnern kann. Was dazu führt – bevor die Sonne aufgeht am Brunnen!“ mahnte er nochmals.

Sie seufzte. Es war sicher nicht in Ordnung einen der ranghöchsten Götter dermaßen anzufahren. „Ich hoffe es. Und, ich werde alles in der letzten Woche vergessen.“

„Damit nicht nochmal was schief geht, ja.“ Er wagte nicht sich auszumalen, was dann die Folge sein würde, nach seinen Erfahrungen der letzten Tage.

 

Sesshoumaru hatte kaum zugehört und sich der Umwelt gewidmet. Die Hubschrauber flogen ab, aber es würden vermutlich Wissenschaftler mit Autos kommen. „Wir sollten gehen.“

„Haben sie Kameras hiergelassen?“ erkundigte sich Kagome, wieder bei der Sache.

Er schwieg.

Also nein und das war ihr Zeitfenster. Sie sollten hier verschwinden.

Ausnahmsweise waren Kami, Daiyoukai, Hanyou und miko einer Meinung.

 

So gingen die Hundebrüder, Inu Yasha noch immer auf Kagome gestützt, langsam in die Richtung, aus der sie zu zweit gekommen waren. Der Hanyou musterte die vulkanische Erde und dachte an die Dunkelheit in Iwatakkos Bannkreis. Ja, er sollte wirklich dankbar sein, dass seine Gefährtin und sein Bruder das um seinetwillen auf sich genommen hatten. Angenehm war das sicher nicht gewesen, zumal die Zwei ja wirklich sehr unterschiedliche Persönlichkeiten waren. Sie hatten das für ihn getan, und er sollte wirklich nicht darauf herumreiten was so alles passiert war, wie dieser Blutaustausch. Das war sicher für keinen der Beiden vergnüglich gewesen, eher die Ausgeburt eines Alptraums. Er ließ Kagome los. Seine Öhrchen zuckten, zumal er bemerkte, dass auch der Taishou angespannt wurde. „Schneller,“ brachte er hervor. Da kamen Autos, und auch, wenn sie momentan wohl außer Sichtweite waren – wer garantierte, dass nicht wieder Hubschrauber oder Satelliten oder etwas anderes von diesem neumodischen Zeug eingesetzt werden würden? Ein schlichter, ehrlicher Schwertkampf war nicht mehr in Mode. Er war hundemüde, aber es half nichts. So wollte er nach Kagome greifen, sie auf seinen Rücken schwingen, wie einst.

Zu seiner Überraschung griff er ins Leere und er hörte an ihrem entgeisterten Aufkeuchen, dass auch sie perplex war. Dann begriff er allerdings und sah beiseite. Tatsache! Der Herr Bruder hatte sie sich buchstäblich unter den Arm geklemmt und blickte zu ihm. Gut, das mochte für Kagome unbequem sein, aber so waren sie schneller und er ermüdete nicht noch mehr. Wobei, dann wäre er vermutlich wieder ein Mensch.

Tatsächlich wollte die miko protestieren, aber sah ein, dass es logisch war. Sie sollten hier schnell weg, der arme Inu Yasha sah fix und fertig aus. Allerdings hätte sie sich gewünscht nicht mit dem Kopf nach unten unter den Arm geklemmt zu werden. Sie musste jedoch zugeben, dass ihr Schwager nicht zu fest zudrückte, ihr keine Rippen brach. Anscheinend hatte er doch ein gutes Gefühl für die Nachgiebigkeit menschlicher Knochen entwickelt. Überdies war es wenigstens die Seite mit der Boa. Wieso er sie wohl jetzt nicht da reingewickelt hatte, wie da, wo er sie aufwärmen wollte? Aber womöglich war das bei den so altmodischen Youkai der Gefährtin vorbehalten und ihr Schwager achtete sie nun wieder als Inu Yashas Partnerin Aber sie fragte ja sowieso hier niemand nach ihrer Meinung und so hielt sie auch den Mund, zumal die Brüder losliefen.

 
 

Zukunftspläne


 

A

ls das ungleiche Trio den Rand des vulkanischen Feldes erreichte und sie jenseits des Baches wieder den dichten Wald des Naturschutzgebietes erkennen konnten, ließ Sesshoumaru Kagome mehr oder weniger fallen.

Sie konnte sich gerade noch davor bewahren buchstäblich vor seine Füße zu knallen, erkannte dann am heiteren Grinsen ihres Hanyou, dass der sich definitiv NICHT über fünfhundert Jahre geändert hatte. Unwillkürlich wollte sie ihn zu Boden schicken, aber zum Einen hatte sie sich das versagt, zum Zweiten gingen die Hundebrüder bereits weiter und sie konnte zusehen, dass sie hinter ihnen einigermaßen elegant über den Bach kam. Um Inu Yasha zu zeigen, was sie mitmachen musste, erklärte sie allerdings: „Hier hatten mich drei Gottesanbeterinnen überfallen, dazu kam leider auch noch die deutlich größere Mutter.“

Da der Blick des Hanyou fragend von ihr zu seinem Bruder glitt, er offenbar nicht reden konnte, deutete sie in einem gewissen Mitleid: „Die drei Kinder ich, die Mutter dann Sesshoumaru, als er kam.“

 

Der Gesichtsausdruck Inu Yashas war etwas empört, als er zu seinem großen Bruder sah, dann nickte er allerdings seltsam verständnisvoll.

Kagome war ein wenig verwundert, erhielt aber prompt eine gewisse, unerwartet ausführliche, Erläuterung des Daiyoukai: „Du kennst es. Man lässt sie zurück, um sie nicht in Gefahr zu bringen, drei Minuten später ist sie es.“

Das war doch …! Kagome spürte, wie in ihr heiße Wut aufbrandete. Als ob sie sich freiwillig in irgendwelche Gefahren stürzte wie gewisse andere Anwesende! Aber, schön, sie konnte sich auch auf der Jagd nach Naraku an manche Sachen erinnern, gab ihre angeborene Fairness zu. Bitte, woher sollte sie denn wissen, wann es wo gefährlich wurde, wenn die Herren Hunde immer die Schnauze hielten und nie die Fangzähne auseinander brachten? Sie war doch keine Hellseherin!

 

Inu Yasha kannte sie nach all den Jahren noch immer und klopfte ihr ein wenig auf die Schulter, ehe er sich abwandte und Sesshoumaru durch den Wald folgte, der ebenso dicht und stachelig wie auf dem Hinweg war.

 

Kagome war diesmal allerdings deutlich milder gestimmt. Zum Einen ging es zurück und nicht in unbekannte Gefahren, zum Zweiten rissen die Dornen, wenngleich vergeblich, auch an dem Feuerrattengewand ihres vor ihr gehenden Hanyou, der sich überdies bemühte ihr Zweige und ähnliches aus dem Weg zu biegen. Aus der Priesterinnenkleidung musste sie die Stacheln einige Male wieder zerren. Und drittens ... nun ja. Sie konnte sich inzwischen lebhaft vorstellen, was ihr ein neuer Strafmonolog einbringen würde – und Inu Yasha war kaum in der Lage sie zu beschützen. Vielleicht, nach der Reaktion gerade eben, würde er es nicht einmal wollen, hätte er doch endlich selbst einen gewissen Schutz gegen ...

Oh. Sie erkannte gerade, dass ihre Entscheidung die Bannkette nicht mehr einzusetzen letzten Endes auch für sie, zumindest in dieser Zeit, eine recht sinnvolle Entscheidung gewesen war. Der Youkai no Taishou, der sich so deutlich jetzt mit seinem kleinen Bruder verstand, würde kaum Däumchen drehend daneben stehen, wenn sie denn zu Boden schickte, gleich, wie begründet das auch sein mochte. Gut, dass sie sich schon vorher so entschieden hatte. Auch, wenn sie endlich wieder in der Vergangenheit war. Der arme Hanyou musste doch so viel mitmachen, früher schon und auch später, ohne sie. Nein, solange sie lebte würde sie auf ihn aufpassen, ihn beschützen und ganz sicher nie mehr ein böses Wort verlieren. Und, kami-sama hin oder her: das würde sie NIE vergessen.

 

Sesshoumarus Gedanken wanderten in die Zukunft. Er war nicht mehr mit seiner Schwägerin verheiratet, wofür er allen erreichbaren Seelen dankte, Inu Yasha eingeschlossen. Sein Selbstmord war nicht mehr notwendig um das Raum-Zeit-Kontinuum zu retten, denn der Hanyou war am Leben und damit auch der Bann der Vier aufgehoben, Kagome konnte zurück ins Mittelalter. Das sah endlich einmal nach einer positiven Entwicklung nach den letzten Wochen aus, kurz, er konnte sich in letzter Konsequenz um sein eigenes, kleines, Problem kümmern, mit Namen Hitoshi und Isamu. Diese Hundeyoukai hatten es gewagt ihn zu betrügen und dafür sollten sie wahrlich eine Lektion erhalten. Fragte sich nur, welche. Wenn Inu Yasha reden konnte, sollte der ihm einmal erzählen, was da bei dieser Heirat abgelaufen war. Ja, er selbst hatte eine höfliche Einladung erhalten, war jedoch nicht hingegangen. Er schätzte derartige Veranstaltungen nicht sonderlich, hatte aber Inu Yasha geschickt, der aber auch damals nichts großartiges berichtet hatte. Was also war da gelaufen, wenn der kleine Bruder ihm das zuvor hätte erzählen wollen? Ein Duell wäre kurzfristig amüsant, aber natürlich würde Hitoshi ebenso verlieren wie Isamu. Vielleicht gegen alle beide? Oder gemeinsam mit Inu Yasha ein Viererduell? Ganz etwas anderes? Gleich. Dessen Bericht würde er ebenso noch abwarten wie Myougas und dann entscheiden.

 

Inu Yasha dachte an gar nichts. Er war müde, aber glücklich, atmete tief die Gerüche des Waldes und lauschte auf die Vögel und anderen Geräusche, von denen er nie geglaubt hätte sie noch einmal zu hören. Er lebte, das war alles, was zählte. Vom Rest würde er sich erholen können.

 

Nach ewig scheinenden Stunden erreichte die kleine Gruppe einen Teich. Sesshoumaru blieb stehen, nicht überrascht wirkend, dass sich sein kleiner Bruder auf den Bauch warf und das Wasser fast gierig in sich hineinsaugte. Kagome bewies etwas mehr Eleganz, als sie sich niederkniete und die Hand als Trinkgefäß nutzte. Aber die Pause war für seine Begleiter dringend notwendig gewesen. Noch zwei Stunden in diesem Tempo und sie würden den Platz erreichen an dem das Auto sie erwartete. Dann zurück nach Tokio, ins Schloss ….

Der Daiyoukai warf einen Blick zum Himmel. Ja, das wäre dann schon spät abends. Wenn er sich nicht sehr irrte, würde Inu Yasha noch mit Kagome ein letztes Zusammentreffen haben wollen, ehe sie vor Sonnenaufgang, das hieß gegen fünf nach Menschenzeit, für immer aus dessen Leben verschwand. Und aus dem seinen. Zu einem gewissen Glück, denn trotz all ihrer unleugbaren Fähigkeiten empfand er es nicht als sonderlich angenehm sie als Partnerin an der Seite zu wissen. Keine Disziplin. Sogar noch weniger als ein gewisser Hanyou. Nun gut. In dieser Zeit konnte er Myougas Bericht lesen und sich etwas zu Hitoshi und Isamu überlegen. Aber …

Er wandte den Kopf. Ja, das sollte er wohl erwähnen, falls Inu Yasha nicht von selbst darauf kam. Es wäre vermutlich kontraproduktiv, wenn er sich an das Temperament seines Bruders im Mittelalter erinnerte, wenn Kagome zu dem zurück kehrte und nach eben diesem und ihm selbst roch. Sie musste wirklich lange und ausgiebig duschen. Jedenfalls war es durchaus bemerkenswert in welche Höhen das Youki des Hanyou bereits wieder geklettert war. Langsam, zugegeben, aber deutlich schneller als bei manchem vollwertigen Youkai. Der besaß eben gutes Blut. Das mit dem Reden würde sich sicher auch bald geben, sobald der einigermaßen zu trinken bekommen hatte. Offensichtlich hatte dieser Narr von Iwatakko seinem Opfer Blut abgenommen, aber vergessen Flüssigkeit nachzufüllen. Das konnte nur schmerzhafter für Inu Yasha geworden sein. Zum Glück, und da war er der beste Zeuge dafür, war der hart im Nehmen, körperlich und seelisch.

 

Der Hanyou sprang auf und bot seiner Gefährtin die Hand. Kagome seufzte etwas, müde, wie sie war, ließ sich jedoch aufziehen. Ja, es wurde langsam Spätnachmittag und am frühen Morgen müssten sie sich trennen – für immer. Zumindest der Inu Yasha, der hier vor ihr stand. Sie selbst würde ihn wieder sehen, in einer früheren Ausgabe – und den hier vergessen, wenn denn endlich einmal etwas klappte. Sie hegte wenig Zweifel daran, wer es bereinigen sollte, würde schon wieder etwas quer durch das Raum-Zeit-Kontinuum schief laufen. „Danke,“ meinte sie nur. „Wie geht es dir?“ Nur nicht zugeben, wie fertig sie war, wie müde.

„Wird,“ gab er heiser zurück. „Tragen?“

„Das schaffe ich, danke.“ Der Grund für ihr Heldentum stand keine zwei Meter weg. Sich vor Inu Yasha als schwach darstellen war ja okay, aber der Schwager guckte dann immer so… Nun ja. Er hatte schon früher Menschen für so etwas ähnlich Einzellern gehalten, mit einer Ausnahme, von der sie wusste, das musste man ihm nicht auch noch demonstrieren. „Dann gehen wir,“ kam sie dem bekannten Befehl trotzig zuvor.

 

Tatsächlich erreichten sie nach fast drei Stunden erst den Platz, an dem sie vor … wie langer Zeit? … ausgestiegen waren. Das Auto parkte dort, ein Youkai daran gelehnt, der sich eilig aufrichtete, als er sah, wer da aus dem Wald kam.

Kougas Begrüßung war alles andere als protokollgerecht. „Kagome, bin ich happy, Inu Yasha, alte Fellnase, du siehst etwas mitgenommen aus, aber ich bin ehrlich gesagt froh, dass du auch noch lebst… äh... Sesshoumaru-sama.“ Nur schön höflich gegenüber dem Taishou bleiben, erkannte das Ratsmitglied. Der sah so drein, als ob er sich nach einem Duell sehnen würde.

Kagome strahlte. „Kouga, ich freue mich, dass du persönlich gekommen bist. Hast du dir Sorgen gemacht?“

„Äh, kaum,“ gab der Wolf lieber zurück. Beide Hundebrüder gleichzeitig auf sich sauer zu machen war so etwas ähnliches wie ein Express-Ticket ins Jenseits. Und denen nichts zuzutrauen hieße genau das. „Aber ich dachte, diese Sache sollte nicht noch mehr öffentlich werden.“

„Keh,“ machte Inu Yasha nur und öffnete die hintere Tür, ließ sich in die Mitte der Bank fallen und öffnete am Vordersitz eine Klappe.

Zu Kagomes Erstaunen befanden sich dort Dosen Getränke. Sie ging ebenfalls zum Wagen, sicher, dass Sesshoumaru sich wieder auf den Ehrenplatz setzen wollte. Nicht notwendig, dass nii-san sie vor Kouga und ihrem Hanyou tadeln würde. Würde er natürlich nicht, aber sie so angucken, dass auch der Letzte mitbekam, dass man ein Idiot war. So viel hatte sie im Verlauf ihrer, zugegeben glücklicherweise kurzen, Ehe mit ihm gelernt. Daher quetschte sie sich neben Inu Yasha, der sie kurz anguckte, ehe er ihr ebenfalls eine Dose reichte.

„Hier.“

„Danke.“ Sie war froh zu sitzen und sich an ihn kuscheln zu können. Während sie mit einer Hand trank, zog sie sich den Sicherheitsgurt über. „Wie lange brauchen wir bis Tokio?“ erkundigte sie sich, da Sesshoumaru ebenfalls auf Inu Yashas anderer Seite Platz nahm und Kouga die Tür schloss, ehe er einstieg.

„Vier Stunden bis Tokio,“ erwiderte der Wolf. „Fünf bis zum Schloss.“ Darin lag auch die angedeutete Frage wohin.

„Zum Schloss,“ erwiderte der Youkai no Taishou, ehe er einen Knopf drückte und eine gläserne Trennscheibe vor den Passagieren und dem Fahrer emporstieg.

Kagome war etwas erstaunt, ehe sie begriff, dass man so reden konnte, ohne dass Kouga es hören konnte. Vermutlich war das extra dämonensicher gebaut.

Inu Yasha war bereits bei der dritten Dose und stopfte die leeren nachlässig in das Fach zurück. „Besser,“ sagte er, nicht mehr so heiser, ehe er den Arm um Kagome legte. „Und du?“

„Müde,“ gab sie zu, das konnten ihre beiden Ehemänner, - ihr Götter, daran wart IHR schuld, - sicher wittern.

„Schlaf einfach. Wir haben nur noch diese Nacht.“

Sie wurde rot. „Das klingt irgendwie…“

Sesshoumaru beschloss einzugreifen. „Und du musst noch duschen.“

„Oh, ja, klar, nii-san.“ Der Hanyou drückte sie an sich. „Er hat recht. Ich müsste mich sehr irren, wenn mein früheres Ich sich nicht wundern würde, wenn du nach drei Jahren in deiner Zeit nach mir und ihm riechst.“

„Naja, das stimmt,“ murmelte sie. „Aber, im Schloss gibt es kein Duschmittel.“

Beide Hundebrüder nickten seltsam gleichartig, ehe der Jüngere meinte: „Naja, du musst eben länger duschen. Ziemlich lange, wohl. Aber meine Nase, also, die meines früheren Ichs wird es dir danken. Diese Duschmittel stinken.“ Seine Stimme klang noch immer kratzig, aber es ging deutlich besser mit dem Reden.

Sie seufzte resignierend. „Eine Stunde?“

„Lieber zwei. Ich habe keine Ahnung, wie ich reagieren würde, würdest du nach Sesshoumaru riechen.“ So wie jetzt, auch, wenn er ja einige Erklärungen dafür bekommen hatte.

„Na schön.“ Sie wollte ja nicht den nächsten Weltuntergang provozieren. „Aber, wann soll ich am Brunnen sein?“

„Vor Sonnenaufgang. Äh, das müsste, nach menschlicher Zeit dreiviertel fünf oder so sein. Und ich bringe dich hin.“

„Wir,“ sagte Sesshoumaru für die anderen beiden unerwartet. Immerhin war sie, wenn auch widerwillig und für kurze Zeit, aber doch, seine Gefährtin gewesen, da ziemte sich ein formeller Abschied.

Kagome fühlte sich prompt geschmeichelt, meinte jedoch: „Aber, dann ist doch die Dusche sinnlos?“

Inu Yasha schüttelte den Kopf und deutete auf die Scheibe vor sich.

Sie begriff. „Oh, ich soll dann vorne sitzen, ihr hinten. Ja, aber, der Fahrer?“

„Gleich.“

„Naja, schön, ich versteh nicht, aber okay“ Sie reichte ihm die Dose und lehnte den Kopf an seine Schulter. „Ich will doch eigentlich nur mit dir leben.“

Er drückte die Dosen mit der Linken in das Fach, da er den rechten Arm noch immer um seine Gefährtin hielt, und schloss es. „Ich glaube, das haben wir getan, auch, wenn ich mich nicht erinnere.“

„Das wird schon.“ Immerhin hatte der Herr der Zeit doch gesagt, dass sich alle wieder an alles erinnern würden, wenn diese Zeitschleife endete. Sie schloss die Augen, da der Wagen auf die Autobahn einbog. Sie war so müde.

 

Inu Yasha spürte, wie ihr Kopf schwer wurde, sie eingeschlafen war. Zu seiner gewissen Überraschung hob Sesshoumaru seinen rechten Arm und griff an ihm hinten vorbei, berührte kurz Kagome. Magie. „Schlafzauber?“ erkundigte er sich überrascht, da er keinen Sinn darin entdecken konnte, jemanden schlafen zu lassen, der sowieso schon schlief.

„Hitoshi und Isamu.“

Oh, es wurde also politisch und Bruderherz wollte verhindern, dass sie etwas mitbekam. „Ach, wegen dieser Hochzeit? Sag mal, die haben dich wirklich reingelegt? Oh, gut, schon gut.“ Nach fünfhundert Jahren engen Zusammenlebens wusste der Hanyou wirklich wann es Ärger geben konnte. „Eigentlich war da nichts, aber es ist eben so … also, Isamu hat zwei Töchter, keinen Sohn. Das heißt, wenn er stirbt, erben die Zwei jeweils zur Hälfte die Ländereien, die Firma und die Vasallen. Das heißt natürlich nach Youkairecht ihre Ehemänner. Hitoshi hat zwei Kinder, diese nervtötende Noriko und einen Sohn, äh, wie heißt der nur….Hideyoshi. Der hatte da die ältere Tochter geheiratet.“

Sesshoumaru zog ein wenig die Augen zusammen. Nun gut, Heiraten dienten meisten einem Sinn, Hitoshi hatte sich, oder eher, seiner Familie, das halbe Erbe von Isamu gesichert. Gut. Nur, was meinte Inu Yasha?

Der Hanyou wusste, dass dem Älteren logisches Denken mehr lag als sein eigener Instinkt, ein Grund, warum sie sich gut ergänzten. „Naja, korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber wenn die jüngere Tochter heiraten sollte, wäre deren Ehemann doch im Rang der Hundeyoukai in jedem Fall niedriger als Hideyoshi als Sohn der Nummer Drei, oder Zwei, wie er sich sieht. Den Typen könnte man beiseiteschieben und Hitoshi oder sein Sohn bekommen dreiviertel oder so. Nicht nur Geld, sondern auch die Krieger, die Isamu Treue geschworen haben. Ja, schon klar, gegen dich kommen sie trotzdem nicht an, aber ich vermute, der liebe Hitoshi spielt auf Zeit. Kurz, auf mich oder einen anderen Nachfolger. Ich möchte wetten, dass er Noriko auch bald eine Heirat befehlen wird, wenn sie alt genug ist. Ist sie auch….“ Nein, das wäre doch dumm sie dann ihnen beiden auf den Hals zu hetzen. Und Noriko war viel zu lebhaft, die konnte Intrigen doch nicht spinnen, oder auch nur durchführen.

„Das hast du dir da schon gedacht?“

„Nein, erst, als du sagtest, dass Hitoshi und Isamu zusammenarbeiten. Du weißt doch, ich denke meist nicht mit. Intrigen sind nicht so mein Ding.“

Nein, gar nicht. Umso erstaunlicher, dass … nun, es war nicht erstaunlich. Der menschliche Anteil schimmerte bei so etwas immer wieder durch, Hinterlist, Intrigen. Nicht der Hanyou selber, aber der entdeckte sie eher, fühlte das eher, als er selbst. „Myougas Bericht sollte auf meinem Schreibtisch liegen.“

„Nur mal so, wenn die Zwei dich nicht nur finanziell reingelegt haben, sondern auch noch auf Verrat gehen…. was hast du vor?“

„Hitoshi?“

Inu Yasha wusste es sich zu deuten. „Der Kerl beleidigt mich, wo er nur kann, ohne echten Ärger zu bekommen. Er nimmt mich nicht für voll. Isamu ist da ...vorsichtiger.“

„Wer ist Isamus zweite Tochter?“

„Äh, keine Ahnung? Ich weiß ja nicht mal mehr wie die Ältere heißt. Oh, doch, die Jüngere ist die Schwerterbraut. Ja, die solltest du sogar kennen. Sie ist bei deinen Wachen.“

Das klang sogar für Inu Yashas Verhältnisse eigenartig. „Schwerterbraut?“ Flüchtig überflog er alle weiblichen Hundeyoukai in seinen Wachen. Dann hatte er gegen sie wohl schon trainiert.

„Ja, angeblich hat sie gesagt, dass sie nie jemanden heiraten wird, wenn ihr Vater es ihr befiehlt, sondern sich eher in ihre Klinge stürzen wird. Moment mal, das bedeutet, dass Isamus komplettes Erbe dann an Hideyoshi geht.“

Isamus Erbe plus Hitoshis. Das war schon eine Menge an Geld, Kriegern und Einfluss, auf die da für die Zukunft spekuliert wurde. Hitoshi plante für seine Familie in die Zukunft, vermutlich mit seinem Sohn als Taishou, zumindest als Inu no Taishou. Aber noch war das nichts als eine Vermutung. Hoffentlich brachte Myougas Bericht Klarheit. Auf jeden Fall würden diese zwei jämmerlichen Hunde, die es nicht einmal wert waren, diesen Namen zu tragen, ihre Lektion erhalten. Der Daiyoukai nickte leicht. Das war eine Überlegung wert.

Der Jüngere schloss daraus, dass die Unterhaltung beendet war und lehnte seinen Kopf seitwärts auf Kagomes. Sie war müde, aber es war wie früher. „Weck sie dann noch,“ murmelte er, ehe er selbst einschlief.

Sesshoumaru blickte für eine lange Weile auf den Hinterkopf des fahrenden Wolfes, so lange, bis Kouga es unwohl wurde, und er einen Blick in den Rückspiegel warf. Dann erst drückte der Taishou den Sprechknopf. „Anweisung an Hitoshi und Isamu. Um drei Uhr in meinem Arbeitszimmer.“

„Äh, drei Uhr nachts?“ entfuhr es Kouga, nur, um mit einem zweiten Blick in den Spiegel zu ergänzen: „Weitere Anweisungen? Ich meine, im privaten…?“

„Im normalen.“ Das würde eine amüsante Überraschung für die Zwei ergeben. Nun, für ihn.

 

 
 

Erinnerung


 

A

ls Kagome erwachte war sie für einen Augenblick verwirrt, ehe sie das rote Gewand aus Feuerratten erkannte, an dem ihr Kopf lag. Sie richtete sich auf. Sie hatte tief geschlafen, dachte sie, und sie fühlte sich deutlich besser. Als sie den goldfarbenen Augen ihres Hanyou begegnete, lächelte sie daher, wenn auch ein wenig wehmütig. Diese Variante von Inu Yasha würde sie vergessen, und auch, wenn sie mit ihrem „alten“ Inu Yasha in der Vergangenheit leben könnte – der hier wäre allein. „Ich habe mich erholt,“ sagte sie. „Wie geht es dir?“ Sie warf einen Blick an ihm vorbei. Natürlich. Ihr Schwager saß nur da und starrte geradeaus. Spielte der im Auto immer Statue?

 

„Ganz gut. Du hast auch lange geschlafen,“ erwiderte der Hanyou. „Wir sind fast in Tokio, also noch eineinhalb Stunden bis zum Schloss.“ Er hatte Tessaiga aufrecht in der Scheide zwischen den Knien stehen, da er bei der Abfahrt mehr an den Getränken interessiert gewesen war als daran zu denken, dass es bequemer wäre das Schwert in den Kofferraum zu legen. Nii-san hatte wie immer mitgedacht. Dessen Schwerter lagen hinten. Aber nun ja, daran hatte er sich schon längst gewöhnt. Umso faszinierender war es, dass der hohe Herr das mit Isamu und Hitoshi übersehen hatte – und dass der sich darüber ärgerte war klar. Die Zwei sollten eine sehr gute Erklärung und eine noch bessere Entschuldigung haben, sonst endete das Gespräch heute Nacht mit zwei Toten. Ihm selbst war das mit Kagome wichtiger. Sie lächelte ihn wieder so an. Fünfhundert Jahre hatte er darauf gewartet – und eigentlich nicht mehr damit gerechnet das noch einmal zu sehen. Nun ja, glaubte er zumindest, denn er konnte sich auch nur noch daran erinnern, wie sie sich nach der Zerstörung des shikon no tama getrennt hatten, er wieder in seine Zeit zurückgekehrt war. Aber sie war zurück gekommen zu ihm, da war er sich ganz sicher – schon, weil sonst doch nicht buchstäblich Himmel und Hölle alles in Bewegung gesetzt hatten um diese eigenartige Zeitschleife zu korrigieren. Was das mit Schrödingers Hanyou sollte hatte er sowieso nicht verstanden, aber das machte ja auch nichts. Es gab eine Menge, das er nicht wusste. „Dann gehen wir in mein Zimmer und reden noch ein bisschen, ja?“

„Ja, aber … Ich muss dann ja wohl noch duschen und um dreiviertel fünf müssen wir am Schrein sein.“

„Ja. Aber uns bleibt schon noch etwas Zeit.“

„Es tut mir Leid, Inu Yasha …“

„Was?“

„Dass ich dich dann hier allein lassen muss. Aber du kannst ja nicht mit.“

„Nein,“ mischte sich Sesshoumaru nachdrücklich ein, dem allein bei dem Gedanken, was dann schon wieder los wäre, tatsächlich ein ungewohnter Schauder über den Rücken lief. Angefangen bei seinem Selbstmord und anderen Dinge an die er nicht einmal denken wollte.

Der jüngere Bruder zuckte etwas die Schultern. „Schon gut. Ich glaube, wir haben doch lange zusammen gelebt. Ich weiß es ja nicht, aber das wird mir dann ja wieder einfallen, wenn alles in Ordnung kommt. Und dann habe ich die Erinnerung.“

Sie sah ihn an, versuchte in dem doch ungewohnten Gesicht zu lesen, den Jungen zu erkennen, den sie aus dem Mittelalter in Erinnerung hatte. „Du bist erwachsen geworden,“ seufzte sie. „Du wirst es ja nicht mehr wissen, aber ...war es schwierig?“

Ihm war klar, dass sie nicht das Zusammenleben an sich meinte. „Was?“

„Ich bin doch jedes Jahr älter geworden. Und du siehst noch immer wie kaum Mitte Zwanzig aus, nach fünfhundert Jahren!“

„Keine Ahnung,“ gab er zu. „Aber, ich denke, nein. Ich hätte mich doch, also, bevor dieser ganze Schotter mit dem Kraken begann, nicht so nach dir gesehnt.“ Urasae hätte er immer noch nicht aussprechen mögen.

Das stimmte wohl. Er hatte sie sehen wollen als er glaubte sterben zu müssen. Da konnte er sich kaum vor ihr gegruselt haben. Oder war sie etwa nie alt geworden? Unschöner Gedanke, aber sinnlos nachzufragen. Niemand wusste es momentan. Sie würden sich erst erinnern, wenn sie den Sprung getan hatte. Sie musste das Leben leben, das sie bereits gelebt hatte. „Und ich kann nicht einmal sagen, dass ich dich vermissen werde, denn ich bin ja bei dir. Es ist wirklich irritierend.“ Auf jeden Fall müsste sie auf ihn aufpassen, ihn beschützen.

„Als ob ihr euch nicht wiederseht,“ kam es vom Taishou, ohne dass der den Blick von Kougas Hinterkopf genommen hätte.

„Ja, ich sehe ihn wieder,“ fauchte Kagome prompt zurück. „Aber er mich doch nicht! Es gibt eben auch Leute, die an andere denken.“

Für eine zeitreisende miko war sie erstaunlich ahnungslos. „Wiedergeburt.“

„Was …?“ Da sie erkannte, dass die Audienz bei nii-san schon wieder beendet war, sah sie zu ihrem Hanyou. Dieser hatte die dunklen Augenbrauen zusammengezogen und dachte sichtbar nach. „Wieso Wiedergeburt? Nochmal Kikyou?“ fragte sie misstrauisch.

„Nicht Kikyou, Kagome. Du. Ja, da könnte er recht haben. Midoriko wurde doch schon zwei Mal wiedergeboren, Kikyou einmal, du bist auch eine recht starke miko, was so alle sagen.“

„Danke,“ murrte sie prompt. Fehlte nur noch das „Juwelendetektor“. Aber, Moment … „Ihr meint, ich würde dann jetzt wieder geboren werden? Ich meine, in dieser Zeit, wenn ich wieder im Mittelalter bin?“ Irgendwie klang dieser Satz so verdreht wie er war.

„Naja, bis dahin geht es wohl nicht, sonst würdest du dir ja selbst gegenüberstehen, und, wenn ich den kami richtig verstanden habe, löst man sich dann auf. Ja, das wäre eine Idee.“ Er strahlte förmlich auf.

So sehr, dass Kagome, die an dieser Theorie mehr als einen Zweifel anzumelden gehabt hätte, lieber schwieg um ihn nicht zu enttäuschen. Das würde ihn bestimmt trösten.

 

Es war dunkel geworden, als sie im Schlosshof hielten. Falls die Wachen überrascht waren, dass nach dem Hausherrn auch der Hanyou aus dem Auto stieg, so verbargen sie es meisterhaft.

Youkai, dachte Kagome nur und drehte sich um. „Zu dir?“ fragte sie schlicht.

„Klar.“ Inu Yasha fasste ihre Hand und lief so rasch er es ihr zutraute in das Schloss, die Treppen hoch. Vor der Tür zum Privattrakt warteten nicht nur zwei Krieger, sondern auch Yukio.

Der Heiler erhob sich. „Inu Yasha-sama.“ Er musterte seinen Patienten eilig.

„Ja, schon klar, Befehl des Taishou und so,“ erwiderte Inu Yasha nur. „Morgen, ja? Ich habe nur noch ein paar Stunden mit ihr. Ach ja, und mir geht es soweit gut. Das war übrigens Gift, was ich bekam.“ Damit verschwand er samt Kagome hinter den privaten Türen.

Der Salamanderdaiyoukai seufzte etwas. Aber man untersuchte keinen Patienten gegen dessen Willen. Und dafür, dass er vor sieben Tagen bestattet worden war, ging es dem Hanyou offenkundig hervorragend. Gift, also. Nun, immerhin hatte er selbst wohl nicht vollständig versagt. Das erklärte allerdings auch die Schwankungen im Gesundheitszustand. Immer, wenn er ein Gegengift gefunden hatte hatte der Attentäter nachgesetzt. Yukio blickte die Treppe hinunter, wo der Taishou deutlich gesitteter herankam. „Ich soll ihn morgen untersuchen,“ berichtete er schlicht.

Sesshoumaru nickte, ebenso wenig überrascht, dass ein Flohgeist auf seinem Schulterfell landete. „Bericht auf Eurem Schreibtisch, oyakata-sama.“

Und nur, wer Myouga kannte, hörte aus dem sachlichen Satz seine unglaubliche Erleichterung seinen jungen Herrn lebendig wieder gesehen zu haben. Allerdings kam nicht einmal er auf die Idee hinter dem und Kagome in dessen Schlafzimmer zu hüpfen. Das kaum bemerkbare Nicken des Youkai no Taishou genügte, dass der Flohgeist hinab in die Eingangshalle sprang. Jaken wartete gewiss schon im offiziellen Arbeitszimmer, wo sie sich bis zu weiteren Anordnungen gedulden mussten.

Sesshoumaru sah zu dem Heiler. „Du bist im Krankenhaus?“

„Nein, zuhause. In meiner Rolle als Mensch benötige ich Schlaf, Sesshoumaru-sama.“ Der Salamander neigte höflich den Kopf ehe er ging. Hoffentlich würde Inu Yasha etwas gesprächsbereiter sein, denn er war neugierig, was es mit dem Gift, dem vorgetäuschten Tod und dieser seltsamen Reise auf sich hatte.

 

Der Taishou versiegelte erst seine Schwerter, ehe er in sein privates Arbeitszimmer ging und sich am Pult niederließ. Myougas Bericht war sehr klein geschrieben, sicheres Zeichen, dass der ihn selbst verfasst hatte und niemand anderen eingeweiht hatte. In der Tat. Intelligent war der.

Nicht weiter Neues, nur, dass Hideyoshi, Hitoshis Sohn, Hide, die Tochter Isamus geheiratet hatte. Ähnliche Namen der Kinder. Diese Zwei schienen sich schon früher gut verstanden zu haben. Oder hatten diese Heirat bereits Jahrhunderte im Voraus geplant. Immerhin hatten die Kinder dann das passende Geschlecht besessen. Ja, dass diese Beiden ziemlich viele Krieger bei ihm untergebracht hatten, hatte er bemerkt, aber … Gut. Das war Verrat.

Jedem seiner mächtigen Vasallen standen auch Krieger zur Verfügung. Bislang war er davon ausgegangen, dass sie die zur Ausbildung und dann stationiert unter seinem Dach gehalten hatten um sich finanziell zu entlasten. Nach diesem Bericht jedoch hatte zumindest Hitoshi die volle Anzahl der ihm zustehenden Krieger in seinem Schloss. Plus die, die hier waren und diesem Hund Treue geschworen hatten. Die Preisfrage war, ob Isamu auch auf diesen Trick gekommen war. Da hatte sich eine überaus gefährliche Lage unbemerkt entwickelt. Er hatte wohl zu sehr dem erreichten Frieden vertraut. Irrtum. Zeit, einzugreifen.

Er erhob sich und wollte zum Trakt hinaus gehen, hinunter in sein offizielles Arbeitszimmer, um Jaken und Myouga auf weitere Überprüfungen zum Thema Isamu zu schicken, als er innehielt. Links lag das Schlafzimmer Inu Yashas, wo sich dieser mit Kagome befand. Rechts, vor dem Zimmer der Gefährtin, standen momentan keine Wachen, aber er konnte das Youki da drin spüren, sicher Noriko. Gut. Die parierte wenigstens.

Wie hatte er es sich gedacht? Wachen, wie sie vor Kagomes Zimmer gestanden hatten, waren wenig pflichtbewusst gewesen, auf eine Zeit verschwunden, weil sie einem anderen Herrn als ihm dienten. Und diese Nachlässigkeit wäre auch bei Wachen vor dem Trakt denkbar, als Inu Yasha vergiftet wurde. War es möglich ….?

Er drehte wieder um, um den Bericht seines Heermeisters, Uyada, noch einmal anzusehen.

Keine fünf Minuten später spielte um seinen Mund ein Lächeln, das Leute, die ihn kannten, hektisch dazu bewogen hätte in jedes erreichbare Loch zu kriechen.

Für einen Augenblick flackerte sein Youki auf, ehe ihm eine bessere Idee kam. Es gab da zwei Personen, die persönlich betroffen waren, und er hatte das Gefühl, dass jemand für diese aufgezwungene Ehe mit einer menschlichen miko bezahlen sollte.

 

Inu Yasha saß auf seinem Bett, Tessaiga abgezogen an der Wand lehnend und Kagome auf dem Schoss, als sich unangemeldet seine Tür öffnete. Er sah auf. „Nicht dein Ernst,“ grollte er. „Wir haben nur so wenig Zeit…“

Kagome war rot angelaufen, aber guckte ebenso wenig begeistert.

Dem Taishou war das gleich, als er sorgfältig die Tür hinter sich schloss. „Hitoshi und Isamu …“

Seinem jüngeren Bruder war das gerade ziemlich egal. „Kürzen wir es ab. Sie haben dich betrogen, die Krieger untergemogelt, dafür müssen sie, na, sagen wir das dreifache zurückzahlen. Und?“

„Hochverrat.“

„Diese zwei dämlichen Hunde?“ Inu Yasha klang überrascht. „Was haben sie denn angestellt?“

Jetzt musste er es den Zweien SCHON WIEDER erklären. Wenn Kagome weg war, würde Inu Yasha vielleicht auch wenigstens wieder die Hälfte seines Gehirns benutzen und nicht nur mit dem Unterleib denken. „Die Krieger, die sie hier im Schloss untergebracht haben, wurden, zumindest bei Hitoshi, zuhause durch andere ersetzt.“

„Er hat also deutlich mehr auf ihn eingeschworene Leute als gedacht? Und natürlich nicht zulässig?“ erkundigte sich der Hanyou, allerdings noch immer Kagome an sich gedrückt.

Das bedurfte keiner Antwort, aber der Blick Sesshoumarus glitt kurz zu der miko, ehe er wieder zu seinem Bruder sah. „Überdies waren es jeweils seine Leute, die vor deinem Zimmer standen, als du vergiftet wurdest. Oder, eher überaus nachlässig standen.“

Inu Yasha zog die Brauen zusammen, Kagome atmete tief durch, ehe sie explodierte. „So wie die, die bei mir mal eben weg waren? Tolle Wachen! Nachlässige Schlamper! Wenn die getan hätten, was sie sollten, wäre doch Urasae niemals hier hereingekommen und ….!“ Ihr armer Hanyou wäre nie vergiftet worden, nie entführt, hätte nie so leiden müssen! Ihre Energie flirrte auf.

Der Taishou sah es zufrieden. Ja, auf ihre Impulsivität war Verlass. „Hitoshi.“

Das trug nicht zu ihrer Beruhigung bei, ihre läuternde Magie hüllte zumindest den Hanyou mittlerweile ein, aber den störte das weniger.

Inu Yasha sah auf. „Der Kerl und Isamu sollten doch herkommen? Gegen drei? Und jetzt hast du die Beweise? Und einen Plan?“

„Seid beide um kurz vor drei in meinem Arbeitszimmer.“ Er hatte noch etwas zu erledigen, ehe er die letzte Entscheidung traf.

 

Die beiden Hundefürsten, wie sie sich selbst sahen, waren einzeln gekommen, nicht ahnend, dass auch der jeweils andere zu dieser nächtlichen Stunden gerufen worden war. Als sie sich im Hof des Schlosses trafen, wollte Isamu etwas sagen, aber Hitoshi kam ihm zuvor.

„Welch ungewöhnliche Stunde, mein Lieber. Der Taishou arbeitet wohl die ganze Nacht durch. Ich hatte nur gedacht, er sei auf Reisen, nach dem Tod des … Hanyou.“

„Ja, es wird wohl etwas vorgefallen sein.“ Isamu sah sich um, konnte jedoch seine jüngere Tochter nicht unter den Wachen entdecken. Er hatte jedenfalls die Warnung begriffen. Was auch immer Sesshoumaru dazu getrieben hatte sie herzurufen – sie sollten vorsichtig sein. Immerhin gab es Absprachen für die Zeit nach dessen Tod. Und einige Kleinigkeiten zu seinen Lasten.

 

Jaken, den beide kannten, schob kommentarlos die Tür des Arbeitszimmers beiseite. Die beiden Youkai traten ein – und erstarrten. Sie hatten mit einigem gerechnet, aber nicht damit. Der Hanyou lehnte nachlässig an der Wand, diese Menschenfrau im Arm, die angeblich mit Sesshoumaru verheiratet war, weil sie zuvor mit Inu Yasha … nun gut, das hatte sich wohl erledigt. Warum auch immer, sie hielt jedenfalls diese Kette in den Händen, ohne die der Hanyou in den letzten Jahrhunderten nie zu sehen gewesen war. Betete sie? Das taten mikos doch gern.

„Ich vermisse den Taishou,“ erklärte Hitoshi daher kühl. „Und ich hätte eigentlich gedacht, wir waren bei deiner Beerdigung, Hanyou, ich meine, Inu Yasha.“ Etwas Höflichkeit stand dem als Ratsmitglied leider zu.

Besagter Hanyou seufzte etwas und gab die Priesterin frei, deren Reiki prompt in die Höhe schoss. „Ich weiß ja, dass du mich nicht leiden kannst, Hitoshi. Aber ich hätte dir doch ein bisschen Überlebensinstinkt zugetraut.“

„Duz mich nicht.“

„Dann rede du mich an, wie es sich für rangniedere Hunde gehört.“

Kagome stellte gerade fest, dass dieser Mistkerl nicht nur nii-san betrogen hatte, samt allen Folgen, sondern auch jetzt und hier Inu Yasha beleidigte. Das war die letzte logische Schlussfolgerung für sie für die nächsten Minuten, als sie um ihre Selbstbeherrschung kämpfte.

Keiner der beiden Youkai drehte sich um, als hinter ihnen die Tür geschlossen wurde, in der sicheren Annahme dass Jaken das von außen tat.

Inu Yasha deutete auf das Schreibpult und den leeren Platz des Hausherrn, betont nachlässig. „Da liegen Beweise, Hitoshi, Isamu. Ihr habt eure Krieger auf anderer Leute Kosten ausbilden lassen. Für gewöhnlich nennt man das Betrug, bei eurem Taishou Verrat.“ Er klang leise und sachlich, ganz, als ob er nicht mitbekommen würde, dass sich miko- kräfte im Zimmer verteilten und um ihn waberten. „Und, wenn mein älterer Bruder in seiner Gnade, einer unverdienten Gnade, findet, ihr solltet mir das erklären, so beleidigst du mich auch noch?“

„Du zählst nicht, für was auch immer du dich Halbmensch hältst,“ begann Hitoshi.

Isamu, dessen Gefühl für drohendes Unheil deutlich besser ausgebaut war, ließ sich noch immer schweigend auf die Knie nieder und nahm die Papiere, zumindest interessiert daran, was man ihm vorwarf.

Mit Abstand das Intelligenteste was er tun konnte, denn Kagome hatte endgültig genug und warf die Kette, ehe sie die Hände kurz aneinander legte, bei Weitem nicht mehr so ahnungslos in Magie wie sie es gewesen war, als sie ihrem Hanyou diese umwarf.

Hitoshi erstarrte, versuchte sie sich abzunehmen, da er die läuternde Magie deutlich spüren konnte.

„Tja.“ Inu Yasha erlaubte sich ein Grinsen, da er wusste, dass seine temperamentvolle Gefährtin gerade in etwas umschwenkte, das man nur als Berserker-Modus bezeichnen konnte.

Prompt zischte sie: „Mach Platz!“ Und, da der Hundeyoukai augenblicklich zu Boden ging. „Du Mistkerl hast deine Leute hier eingeschleust, sie dazu veranlasst ihren Dienst nachlässig zu machen. Mach Platz! Ohne dich wäre Inu Yasha besser bewacht worden, diese dämlichste Hexe aller Zeiten hätte ihn nie vergiften können. Mach Platz! Er hätte nie entführt werden können oder so leiden müssen! Mach Platz! Ohne dich wäre ich schon längst da, wo ich hingehöre. Mach Platz! Ohne dich wäre ich nie gezwungen gewesen, und nii-saan auch nicht, durch die Gegend zu reisen um ihn zu befreien und das war wirklich nicht lustig. Mach Platz, du dämlicher Hund, mach Platz!“ Ihre Stimme überschlug sich.

Isamu, der sich lieber nicht bewegte, konnte nicht nur zusehen, wie sein Partner aus langen Jahrhunderten mit jedem „Mach Platz“ zu Boden geschmettert wurde, offenkundig durch die Kraft einer mehr als fähigen miko – sondern hörte auch das Holz des Bretterbodens nachgeben. Und dankte jedem irgendwie erreichbaren Gott, dass er unauffällig geblieben war.

„Mach Platz!“

Der Boden brach und Hitoshi krachte auf die Balken und Bretter der Decke der unteren Etage.

Kagome holte tief Atem.

Inu Yasha nahm sie in den Arm. „Schon gut, du hast deine Meinung, glaube ich, deutlich gemacht.“ Er strich beruhigend über ihren Rücken.

 

Irgendwie mühsam erschien der Kopf Hitoshis aus dem Loch im Boden. „Was war das…?“ fragte er verwirrt.

„Nimm ihm die Kette ab, Kagome. Du musst dich noch vorbereiten.“

Die Köpfe beider Hundeyoukai fuhren herum. Keiner von ihnen hatte bemerkt, dass der Taishou im Raum stand, bei allem regungslosen Gesicht amüsiert.

Sie zögerte, noch immer etwas aufgeregt und zitternd vor Adrenalin, aber Inu Yasha sagte: „Ja, die gehört doch zu mir.“

So bückte sie sich und nahm Hitoshi die magische Kette ab, um sie weiterzugeben. Mit einem Lächeln.

Inu Yasha legt sie sich um. „Ein Erinnerungsstück. Du weißt schon.“ Er legte ihr die Hand zwischen die Schulterblätter und schob sie an den drei Hundeyoukai voraus aus dem Raum, gerade noch sehend, dass sich der Taishou auf seinem Platz niederließ. Der hatte etwas vor und war nicht einmal mehr sauer. Allerdings wusste er nur zu gut, dass der kalte Zorn Sesshoumarus fataler war als manch anderes. Endgültiger. Er sollte vielleicht mal nach diesen armen Hunden sehen, wenn er Kagome verabschiedet hatte. Da sie die Treppe in den ersten Stock empor stiegen, zu den Privaträumen, meinte er leise: „Ich möchte mich noch von dir verabschieden. Ich meine, wenn du geduscht hast, geht es ja nicht mehr…“

„Ja, das stimmt.“ Kagome fühlte sich seltsam entzwei geteilt. Ja, sie konnte ins Mittelalter zurück zu IHREM Hanyou, aber der Inu Yasha dieser Zeit blieb allein, mit der Hoffnung auf ihre Wiedergeburt. „Wie sollst du mich eigentlich erkennen, ich meine, wenn nii-san recht hat und ich wieder geboren werde?“

„Der Kerl hat immer recht, das habe ich gelernt. Ich denke mal ….“ Inu Yasha deutete auf die Kette. „Außer dir kann das niemand, oder?“

„Ich denke schon…“ murmelte sie nur noch, denn die Wachen rissen vor ihnen die Türen des privaten Traktes beiseite. „Die erste Frau, die dich zu Boden bringt, bin ich?“

Er zuckte die Schultern. „Ich werde es wissen. Kagome, ich …“ Er fasste ihre Schultern. „Ich denke, wir hatten ein gutes Leben miteinander und ich hoffe, ich werde mich daran erinnern, wenn du bei mir zurück bist. Klingt das blöd!“

Ihr Lächeln war verzerrt. „Das ist mein Leben seit einer Woche. Ziemlich chaotisch und über mindestens zwei Zeiten verteilt.“

„Ich ... ich meine, ich weiß, dass du jetzt noch nicht mit mir … ich meine, ich würde dir gerne einen Abschiedskuss geben.“ Irgendwie hatte er das Gefühl rot zu werden, was er wirklich in den letzten Jahrhunderten so gut wie nie erlebt hatte.

Da sie statt einer Antwort ebenfalls rot wurde, dann jedoch die Augen schloss und ihr Gesicht zu ihm hob, nahm er sie fester.

Kagome wurde mehr als überrascht. Sie hatte ihn schon geküsst, ja, aber das waren zwei Teenager gewesen, unerfahren und schüchtern. Was sie jetzt fast schockierte war seine Art – so selbstverständlich, so vertraut, so … Närrin, die sie war. Natürlich hatte er sie oft geküsst und mehr, wenn sie jahrelang zusammen gelebt hatten, Gefährten gewesen waren. Sie würde zurückgehen, diesen Inu Yasha vergessen – und sie würde mit der jüngeren Ausgabe zusammen leben, offensichtlich glücklich. Zum ersten Mal, seit sie in dieses Zeitchaos geraten war, fasste sie Zuversicht in die Zukunft. Behutsam schob sie ihn zurück. „Ich muss duschen gehen,“ brachte sie irgendwie hervor. „Aber … ich wusste gar nicht, dass du so küssen kannst.“

Der Hanyou rieb sich verlegen ein Ohr. „Ich denke mal, wir haben miteinander gelernt.“

Und die junge miko wurde puterrot, ehe sie sich umdrehte und förmlich in ihr Zimmer floh.

 

 
 

Folgen


 

A

ls Kagome ihre Zimmer betrat entdeckte sie ein wenig überrascht Noriko. Ihre Hofdame bemühte sich sichtlich um ein neutrales Gesicht, aber die junge miko hatte deren Langeweile schon gesehen. Hatte das Mädchen hier etwa wirklich tagelang hocken müssen? „Du kannst gehen,“ sagte sie fast mitleidig.

„Danke, aber …“ Nein, Noriko hatte nicht die Absicht herauszufinden, was der Taishou zu einem erneuten Ungehorsam ihrerseits sagen würde oder gar tun. Ein paar Tage lang Langeweile war sicher nur eine milde Strafe, das war ihr im langen, aufgezwungenen, Schweigen und dem damit verbundenen Nachdenken klar geworden.

„Wie du willst.“ Kagome schnappte sich die Kleidung, die immerhin frisch gewaschen seit letzter Woche auf diesem Schränkchen lag, langärmeliger Pullover, hochgeschlossen, bestickt rund um den Hals, ein kurzer Rock ...ja, das hatte sie anziehen wollen. Und sie würde alles, was inzwischen geschehen war vergessen? Irgendwie wollte sie es nicht, aber es wäre wohl besser sich auf nur einen Inu Yasha zu konzentrieren. „Ich gehe duschen. Sag mir, wenn es fünfzehn Minuten nach vier ist.“

„Ja, Kagome-sama.“

 

Sesshoumaru wartete schweigend, bis sich Hitoshi aus dem Loch befreit hatte und etwas derangiert formell vor ihn gekniet hatte. Isamu hatte sich wohlweislich nicht bewegt und den Mund gehalten, was ihm in den Augen das Taishou tatsächlich die Einstufung „fast überlebensfähig“ einbrachte.

Erst dann meinte er sachlich: „Ihr habt einigen Schaden angerichtet, den ihr natürlich ausgleichen werdet. Der übliche Satz ist das Vierfache.“ Bei Betrug.

„Das ist viel,“ brachte Isamu hervor. „Ihr wisst, dass die Wirtschaft im letzten Jahr ….“ Er brach ab. Er kannte die Gesetze unter Youkai ebenso wie unter Menschen. Ja, das Vierfache war der Standard unter ihrem Volk.

„Hinzu kommt, dass zumindest Hitoshi Verrat beging. Oder willst du leugnen, dass du deutlich mehr Krieger besitzt als du haben darfst?“

Der so Angesprochene hob ruckartig den Kopf. Wie war der denn da drauf gekommen? Sein Plan, zumindest Inu no Taishou und damit Ratsmitglied zu werden, war doch perfekt gewesen, unauffällig. Und, ehrlich gesagt, hatte er den Tod, nun ja, den vermeintlichen Tod des Hanyou als Geschenk betrachtet. Jetzt, so hatte er zumindest bis soeben gedacht, würde er dann Sesshoumaru in eine Falle locken können, ein kleiner Trainingsunfall bei einem Besuch bei ihm. Dem Hanyou, sofern er am Leben wäre, würde niemand folgen, und er selbst war immerhin die Nummer Drei. Unter den Hunden würde es keine Schwierigkeiten geben, zumal, wenn er selbst eine deutlich hohe Anzahl Krieger besaß, die ihm Treue geschworen hatte. Und natürlich dazu die des guten Isamu. Nicht eingeplant war definitiv gewesen, dass der Taishou davon Wind bekam. Und, ja, auch, dass der Bastard noch lebte. War das etwa eine Falle für ihn gewesen? „Eine reine Vorsichtsmaßnahme.“

„Für?“ Sesshoumaru klang fast interessiert.

So interessiert, dass Hitoshi ehrlich meinte: „Den Erbfolgekrieg, den es nach Eurem Tod geben wird. Niemand wird doch das jämmerliche Halbblut ….“

 

Äh, ja. Isamu neigte lieber tiefer den Kopf, als die für gewöhnlich verborgene Energie des Youkai no Taishou emporstieg. Für dermaßen dämlich hätte er seinen alten Freund doch nicht eingeschätzt. Den Bruder, nebenbei die Nummer Zwei, vor den Ohren Sesshoumarus zu beleidigen war schon einigen Leuten in den letzten Jahrhunderten nicht sonderlich gut bekommen – auch ohne die Anklage wegen Hochverrats am Hals. Betrug, ja, gut, das gab auch Ärger, dessen war er sich bewusst gewesen, aber es war finanziell lohnend solange man nicht erwischt wurde. Es gab jedoch Grenzen, was man sich als Hund gegenüber dem Alpha herausnehmen durfte. Scharf gezogene, deutlich tödliche, Grenzen.

 

Die Antwort des Taishou war Eis in der Antarktis in einer Mittwinternacht. „Du zweifelst an meiner Fähigkeit einen Erben zu zeugen.“

Hitoshi wurde gerade klar, dass das als sehr persönliche Beleidigung gewertet wurde. So war das doch gar nicht gemeint gewesen! Daher beteuerte er hastig: „Nun, dazu fehlt Euch ja nur eine Gefährtin, davon bin ich überzeugt.“ Nein, zu erwähnen, dass er schon daran gezweifelt hatte, dass der Taishou es überhaupt mit der Weiblichkeit halte, ja, durchaus Gerüchte und Geschichten im Internet umliefen, die den Halbbrüdern eine zu enge Beziehung unterstellten, wäre ziemlich unklug gewesen. Auch, wenn er selbst durchaus darin seine Chance gesehen hatte. Geschichten, dass Sesshoumaru es sogar mit seinem Berater halte, hatte selbst er in das Reich der Phantasie verwiesen. Eine uralte Kröte!

„Was für ein Hornochse, nii-san.“ Inu Yasha hatte den Raum betreten. „Zumal für einen Hundeyoukai. Eine Schande, geradezu, für das edle Volk.“ Der Blick seines Halbbruders und dessen deutlich gezeigtes Youki ließ ihn sich lieber im Hintergrund an die Wand setzen.

„Wie viele?“ erkundigte sich Sesshoumaru nur.

Hitoshi wurde klar, dass er sich mindestens einem Duell auf Leben und Tod stellen müsste - und er gab sich bei allem Selbstbewusstsein nicht der Illusion hin das gegen den Taishou zu gewinnen. „Krieger aller Rassen, die auf mich geschworen haben?“ Zeit gewinnen, Zeit für eine Idee, irgendeine Idee! Zuerst hatte er ja geglaubt das mit dem Betrug sei gewinnbringend und zusätzlich als Schutz den lieben Isamu da mit reinziehen…. Er war nie auf den Einfall gekommen, dass Sesshoumaru, der in den letzten Jahrhunderten doch recht nachsichtig geworden war, auf diese Kleinigkeit mit den vielen Kriegern stoßen würde. Er hatte doch stets aufgepasst… „Äh, zweihundertfünfzig.“

„Einhundertfünfzig stehen dir zu. Oder eher Hidetoshi als deinem Erben.“

 

Isamus Kopf fuhr instinktiv hoch, zu seinem Partner der letzten Zeit sehend. Er wusste, er würde das nie vergessen. Nicht das absolute Entsetzen in dessen Gesicht, nicht das Aufflammen einer unglaublich hohen Energie, nicht die Tatsache, dass er im Schein dieses Youki noch Hitoshi in mehrere Streifen geschnitten zu Boden fallen sah, ehe nur noch ein Häufchen Asche dort lag.

Sesshoumaru hatte seine Energie bereits wieder verborgen. „Inu Yasha, lass den Boden reparieren und das da wegschaffen.“

Der Hanyou erhob sich fast seufzend, aber aus langer Erfahrung wusste er, dass es bei dem einen Toten hier bleiben würde. Und ja, für das Loch im Boden hatte seine Gefährtin gesorgt. Nii-san bedachte das natürlich auch. Isamu konnte seine Sachen anscheinend in barer Münze begleichen.

 

Besagter Hundeyoukai hielt es für klüger die Stirn auf den Boden zu pressen. Ihm war nicht ganz klar, warum er noch lebte. Weil ihm wenigstens kein Verrat nachgewiesen wurde, sondern nur der Betrug? Weil er behutsamer in seinen Aussagen gewesen war? Oder, kam da noch etwas? Du liebe Güte, es hatte oyakata-sama, ja, lieber auch in Gedanken die äußerste Höflichkeit wahren, nur eine Handbewegung gekostet um immerhin die Nummer drei der Rangliste dermaßen endgültig … vom Erdboden zu wischen.

Zu seiner Angst kroch allerdings eiskalte Panik bei den nächsten Worten.

„Ich töte nicht meinen Schwiegervater.“

Ach herrje. Isamu sah sich schon ebenfalls als Asche zusammengefegt werden. Da hatte der Taishou sicher irgendetwas missverstanden. Nur, wie sollte er ihm das erklären? Dass er selbst nicht der Herr der eigenen Familie war? „Äh, oyakata-sama, meine ältere Tochter ist bereits mit … ich meine, mit Hidetoshi verheiratet.“ Nur lieber nicht mehr Hitoshi erwähnen. „Und meine zweite Tochter, Himiko, weigert sich zu heiraten. Sie befindet sich in Eurer Wache. Sie liebt Kampf mehr und… Sie schwor, sie würde nie heiraten, sich eher umbringen.“

 

Das entsprach nicht ganz den Tatsachen, dachte Sesshoumaru, als er sich an das vergangene Gespräch mit der jungen Hundekriegerin erinnerte. Er war hinunter zu den Räumen gegangen, in denen die weiblichen, unverheirateten Kriegerinnen wohnten und hatte sie verlangt.

Himiko war gekommen, sichtlich erwartend einen Sonderauftrag zu erhalten, und war ihm abseits gefolgt.

Sie war durchtrainiert, besaß lange, dunkle Haare, das konnte er sehen. „Ich werde dir ein Angebot machen.“

„Mir, oyakata-sama?“ Sie hatte fast aufgeblickt, sich aber dann routiniert wieder zusammengenommen, zu Boden geguckt. Ein Spezialauftrag? Eine Beförderung? Hatte sie sich so gut in den letzten Übungen geschlagen?

„Ich benötige einen Erben. Mein Angebot: werde meine Gefährtin. Nach der Geburt meines Erben kannst du die Scheidung einreichen, ich werde zustimmen.“

„Was sagt denn … mein Vater dazu?“

„Ich frage dich.“

Da hatte sie ihn angesehen, gegen alle militärischen und höfischen Regeln. In ihren fast schwarzen Augen waren Goldfunken aufgetaucht, die ihn an Sterne in einer mondlosen Nacht erinnerten. „Danke.“ Sie hatte tief durchgeatmet. „Ich … ich liebe mein Schwertraining.“

„Für die Dauer unserer Beziehung werde ich dich ausbilden.“

Ein Lächeln. „Danke für Euer großzügiges Angebot, Sesshoumaru-sama. Unter diesen Konditionen willige ich ein.“

Er hatte es erwartet. Die meisten weiblichen Youkai suchten nach Macht, sei es über den Ehemann, sei es über das Kind. Er bot ihr beides – und zudem ihre Freiheit nach einer gewissen Zeit. Hinzu kam, dass persönliches Training mit ihm vermutlich jeden Youkai reizen würde, der sich dem Kampf verschrieben hatte.

„Ihr werdet mit meinem Vater sprechen?“

 

Nun ja, er betrachtete diesen jämmerlichen Hund vor sich. Vermutlich hatte Himiko befürchtet, dass der ohne ihre Drohung eines Selbstmordes sie an irgendeinen Youkai verheiraten würde, der ihm Geld bot oder sonst etwas. „Ich habe mit ihr gesprochen. - Ich bin damit einverstanden als Mitgift deine Schulden bei mir anzurechnen.“

Da das nur drei Schlüsse zuließ – der Taishou hatte Himiko zu einer Ehe ohne Selbstmord gebracht und zum Zweiten, er selbst würde Großvater des nächsten Taishou, drittens und vor allem er würde am Leben bleiben, sagte Isamu schlicht selig: „Wie immer Ihr wünscht, oyakata-sama.“

Irgendjemand kam mit einem Besen, ohne dass er es wagte seinen Kopf von den Dielen zu nehmen. Das war durchaus eine bemerkenswerte Erinnerung gewesen, warum Sesshoumaru nicht nur der Herr der Hunde, sondern der Taishou aller Youkai war – und der arme Hitoshi wirklich ein wenig unvorsichtig.

„Du kannst gehen, Isamu. Himiko erwartet dich im Hof. - Inu Yasha.“ Denn der Jüngere stand in der Tür.

„Kouga wird uns fahren,“ sagte der, sicher, dass das auch im Interesse des Älteren wäre. Alles schön geheim halten, was nur ging mit Kagome. Aber, Moment mal. Heirat? Sesshoumaru wollte heiraten? Natürlich nicht aus Liebe, klar. Das war ein brillanter Schachzug um Isamu daran zu hindern seine zweite Tochter auch noch an Interessenten um die Macht zu verschachern – und den Ambitionen von Hidetoshi einen deutlichen Riegel vorzuschieben. Dem müsste klar sein, dass er zwar einen minderrangigen Youkai als Isamus Erben ausstechen könnte aber nicht den Taishou. Blieb nur noch die Frage, was mit Hitoshis Tochter, also Noriko, passieren sollte. Stop. Nein. Sesshoumaru würde doch nicht auf den Einfall kommen, die ihm aufhalsen zu wollen? Niemals. Er wusste jetzt doch, dass Kagome … nein. Er hatte fünfhundert Jahre auf sie gewartet, da mochten es noch mal hundert werden. Nein.

Er wartete bis Isamu eiligst verschwunden war und nii-san sich erhoben hatte, ehe er meinte: „Für jeden einen Plan, hm? Ganz wie in alten Tagen. Auch für Noriko?“ Da ihn sein großer Bruder ansah, erkannte er, dass sein Verdacht richtig war. „Nein, tut mir Leid. Da spiele ich nicht mit. Kagome … Überhaupt, du darfst doch mehrere Frauen haben unter Youkai. Warum nimmst du also nicht beide?“ Zum ersten Mal in seinem Leben erkannte er einen Gesichtsausdruck bei dem gewöhnlich so emotionslosen Herrn der Hunde, den er noch nie gesehen hatte, und der auch rasch wieder verschwand – der Augenaufschlag eines getretenen Welpen. „Ja, aber mir würdest du sie geben, oder wie? Ich habe doch Kagome,“ betonte er. „Und du hast selbst gesagt, dass sie ab morgen wieder geboren werden könnte.“

Sesshoumaru verwünschte seine Ehrlichkeit, aber das half nun auch nichts. Er versuchte es mit Überredung, obwohl er damit seit Jahrhunderten bei dem sturen Hanyou scheiterte. „Du kennst dich mit temperamentvollen Frauen aus.“

„Was genau verstehst du an meinem Nein nicht? Eher duelliere ich mich mit dir.“

Beiden war klar, dass das bei einem ernsten Duell nicht nur für einen von ihnen tödlich wäre, sondern auch alles einreißen würde, was sie gemeinsam in den letzten Jahrhunderten erbaut hatten. Narren wie das liebe Ratsmitglied Hayasa würden doch prompt ihre Chance sehen.

„Gehen wir.“ Der Youkai no Taishou schob sich mehr oder weniger an seinem kleinen Bruder vorbei.

 

Isamu fuhr gerade mit seiner Tochter ab, als sie in den Hof traten und diese riskierte noch einmal einen Blick auf ihren Zukünftigen. Das war überraschend gekommen, aber seine Zusagen waren weitreichend. Sie war lange genug in der Wache um zu wissen, dass der Taishou nie von seinem Wort zurücktrat. Natürlich hatte ihr Vater eingewilligt, aber … irgendwie wirkte der etwas mitgenommen, ja, verunsichert. Fragen sollte sie wohl lieber nicht, sich stattdessen auf ihre künftige Stellung freuen. Als Gefährtin des Youkai no Taishou musste sie sich nur vor den beiden weiblichen Ratsmitgliedern neigen und stieg in der Hierarchie aller Hundeartigen so hoch es eine Frau nur vermochte. Dazu Schwertkampftraining mit Sesshoumaru – sie hatte schon zugesehen, auch ein oder zwei Mal gegen ihn üben dürfen. Er war stark, aber auch überaus geschickt im Umgang mit der Klinge. Das war allein schon vieles wert.

 

Die Hundebrüder setzten sich hinten in ihren Wagen, Kouga schloss wortlos den Schlag und ließ sich nieder. So sollte also jetzt das Abenteuer in der Zeit enden. Schade, dass Kagome nicht hier bleiben konnte, aber natürlich ging das nicht. Sie mussten sich doch alle wieder an alles erinnern – und da fehlte offenkundig einiges. Aber, dazu würde er garantiert nichts sagen. Inu Yasha guckte schon wieder so und Ratsmitglied hin oder her, der war die Nummer Zwei. Dem komisch zu kommen, unter vier Augen im Scherz, war in Ordnung, gerade auch in Erinnerung an alte Zeiten, aber sicher nicht, wenn der angespannt war und offensichtlich nur auf einen Fehler wartete. Das konnte ganz schnell ein offizielles Duell werden. Der Wolf wusste nur zu gut, was der Hanyou mit Tessaiga vermochte – und er war kein Masochist. So lehnte er sich nur zurück und wartete ebenso wie seine Passagiere.

 

Kagome kam knapp aber doch rechtzeitig herangeeilt, ihren Rucksack bei sich. So rasch sie auch war, Kouga war schneller und öffnete schon den Kofferraum.

„Danke,“ keuchte sie. „Dann los.“ Sie hatte unter der Dusche noch einmal weinen müssen, aber das war albern und sie wollte sich jetzt doch für den armen Inu Yasha in dieser Zeit zusammennehmen. So warf sie sich nur auf den Beifahrersitz und lächelte einmal kurz nach hinten. Ja, der sah nicht so aus, als ob es ihn freue, aber wenn die Zeit nicht stehen bleiben sollte … Nun ja.

 

Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne berührten den Horizont, als Kouga vor dem Higurashi-Schrein hielt. Kagome nahm den Rucksack aus dem Kofferraum. „Ich … ich lege ihn am Brunnen ab“, meinte sie. „Da findet ihn meine Familie sicher. Ich wollte ja letzten Montag ohne alles springen, da darf ich ihn sicher nicht mitnehmen.“

„Ich werde es deiner Mutter irgendwie sagen, dass es geklappt hat“ versprach Inu Yasha.

„Äh, aber sei vorsichtig. Sie denkt ja, dass du tot bist.“

Das Trio ging empor zu dem Schreibgelände, hinüber zu dem alten Brunnen. Kagome warf den Rucksack zu Boden, als sie eine Bewegung ein dem Brunnenhäuschen bemerkte. Tatsächlich. „Kami-sama…“

„Komm schon, es wird Zeit,“ drängte dieser. Die Sonne ging auf und er hatte in wenigen Minuten nichts mehr auf der Erde verloren.

So drehte sie sich noch einmal um. Die Brüder standen nebeneinander, ihre beiden Ehemänner, die sie vergessen würde. Ihr Lächeln war etwas verzerrt. „Ich würde euch gerne einfach mal umarmen, aber das geht ja nicht. Ich hoffe nur, ihr erinnert euch dann noch an mich.“

„Klar,“ sagte Inu Yasha, wenngleich einen dicken Kloß im Hals. Er konnte nur zusehen, wie sie sich umdrehte und zu dem Herrn der Zeit in den Brunnen ging, ehe sie sich noch einmal umwandte und winkte. Und dann sprang.

 

Es war wie immer, dachte sie noch, als sie im Dunkel flog, nur umhüllt von Schwärze und manchmal leuchtenden Punkten. Hatte sie etwas vergessen? Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, sie konnte zurück in das Mittelalter, endlich nach drei Jahren, zu Inu Yasha. Das war alles, was noch wichtig war.

 

Sie steckte unwillkürlich die Hand aus, als sie Licht über sich erkannte, fühlte einen festen, vertrauten Griff am Handgelenk.

„Inu Yasha!“

„Kagome!“

 

In der Neuzeit drehte Sesshoumaru den Kopf zu seinem Bruder, als er die Magie im Brunnen schwinden spürte und der kami ebenso weg war.

Inu Yasha hatte die Augen geschlossen, atmete jetzt tief durch, ehe er den Blick erwiderte. „Sie ist bei mir, nii-san. Alles ist in Ordnung, ich erinnere mich wieder.“

Dies tat auch der Youkai no Taishou, auch daran, wie Kagome mit neunundsechzig Jahren gestorben war. „Gehen wir.“

 

Sie hatte eine volle letzte Woche ihres Lebens vergessen, aber drei Dinge nicht. Sie würde Inu Yasha nie wieder zu Boden schicken, sie würde auf ihn aufpassen und ihn bewachen. Und sie hatte ein eigenartiges Vertrauen in einen gewissen Youkai entwickelt, so sehr, dass sie ihn unwillkürlich, als sie ihn das erste Mal wieder sah, mit „Hallo, nii-san!“ begrüßte. Zum deutlichen Missfallen aller beiden Halbbrüder im Mittelalter.

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel darf der Herr Wolf den Erklärbären spielen, was mit den Youkai passiert ist, wie es Inu Yasha geht ...soweit er das weiß

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel heisst: Inu Yasha

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Er ahnt gar nicht, wie recht er hat, Das nächste Kapitel bietet Blutmagie. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ob Sesshoumaru richtig steht, seht ihr wenn das Licht angeht....

Das heisst, wenn ich in zehn Tagen aus meinem Urlaub zurück bin.


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Nachwort zu diesem Kapitel:
Kagome wird begeistert sein. Sesshoumaru ist es bereits. Und dabei weiß noch keiner von Urasae oder Iwatakko.... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Stolz und Temperament könnten das Ende der Welt bedeuten, wenn sich da nicht ein bis zwei Leute zusammen nehmen....


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Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel zeigt sich wie kurz der Geduldsfaden der beiden unwilligen Partner geworden ist - eher Zündschnur


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Nachwort zu diesem Kapitel:
Optimist.

Iwatakko sollte phantastische Alpträume bekommen, wenn er wüsste wie weit da zwei sehr unterschiedliche, aber mächtige, Personen bereit sind zu gehen, wenn es „für Inu Yasha“ heißt. „Sparta!“ klingt daneben wie eine nette Begrüßung. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Während Kagome sich gewissen Irrtümern, was die Motivation der beiden Damen angeht, hingibt, sollte Bokuseno laut meinem Beta eine Stellenanzeige aufgeben.

Gesucht wird: Suizidgefährdete, masochistische Person für Übermittlung einer Botschaft. Sofortige und schmerzvolle Exekution wird garantiert! Kosten für anschließende Beerdigung nicht nötig mangels sterblicher Überreste.

Mal wieder öffentlich vielen Dank an cistus, der sich seit langen Jahren meine Ergüsse antut, und ohne den so mancher Krimi im Plothole versunken wäre.

Das nächste Kapitel kommt nächsten Do/ Fr, Kommentare kann ich erst ab nächsten Dienstag wieder beantworten.

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Wie war das mit dem Wecken von schlafenden Hunden? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Mission Impossible – Bokuseno, übernehmen Sie! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel bringt Iwatakkos Biographie und sonstige Neuigkeiten Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel heißt denn auch „Schrödingers Hanyou“, bietet einen Katzenzustand, diverse freundliche Erscheinungen wie Schwarze Löcher, Zeitflüsse. Quantenphysik in drei Sätzen. Und, wer erklärt Sesshoumaru, dass sein Selbstmord durchaus eine Lösung mancher Probleme darstellt? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Stimmung in dem unwilligen Team sinkt leicht,,,


Frohe Weihnachten euch allen Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und nun, Herr Stratege? Stürzen wir uns ins Schwert oder killen die Schwägerin oder haben eine gute Idee, die nicht das Ende der Welt bedeutet?
Einen guten Rutsch in ein gesundes, entspanntes 2022

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Sie denken aneinander vorbei, sie reden aneinander vorbei - aber trotzdem düfrte nichts Gutes für einen gewissen Daiyoukai und eine Hexe herauskommen, denn der Agressionspegel steigt.

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Hilft Tenseiga auch bei gekochtenn Toten? Sonst - gut gemacht, Wachhund.
Das nächste Kapitel hießt dnen auch: Abgrund.

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Rettungskommando darf sich langsam wirklich selbst Leid tun.... Oder, sagen wir - schlecht für das Ziel. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wenn man schon als Mittagessen vorgesehen ist, warum nicht zuvor noch etwas Biologie betreiben.... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So viel zu dem Thema verschweigen.... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Im Nächsten Kapitel kommen ein paar nervige Zivilisten, Inu Yash stellt ein paar Fragen und Kagome versucht ...den Friedensnobelpreis zu gewinnen Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das kann noch interessant werden, aber, wir haben ja Zeit... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste, und letzte, Kapitel bietet : Folgen Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Es war vermutlich eine der aufregensten Wochen in Kagomes Leben, jetzt hat sich der Kreis geschlossen - und über die Brüder in der Neuzeit schliesst sich der Vorhang.

Hier geht es nächste Woche mit dem allerletzten Fall für Lord Sesshoumaru weiter, ein kleiner, amüsanter (hoffentlich= krimi, den ich von Anfang an als Ende gedacht hatte, wenn mir nichts mehr einfällt. Nu nost es soweit.
Der Ägyptenkrimi läuft noch. Anschliessend kommt eine neue Geschichte aus dem Inu Yasha-Universum: A thousand ways to die in the west - Auszüge aus Myougas Memoiren.


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Kommentare zu dieser Fanfic (50)
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Von:  Sanguisdeci
2022-04-08T08:46:40+00:00 08.04.2022 10:46
Eine sehr schöne Geschichte! Aufregend, spannend und fesselnd! Vielen Dank hierfür!
Von:  night-blue-dragon
2022-04-07T19:25:41+00:00 07.04.2022 21:25
Eine aufregende - oft verwirrende, wegen der Zeitsache - und spannende Story geht zu Ende.
Alles ist wieder so, wie es sich gehört und sogar eine Ehe für Sesshoumaru, die youkaimäßig nüchtern
besprochen wurde. Klar, dass Sesshoumaru auch ein Exemple statuieren musste, es wird sicher so schnell
keiner mehr versuchen ihn zu hintergehen.

Deine Ankündigung eines weiteren - wenn auch letzten - Krimis mit Sesshoumaru Sherlock und Sakura Watson
ist ein kleines Vorostergeschenk (eher ein großes^^). Obwohl ich mir kaum vorstellen kann, das dir nichts mehr
einfällt.

Ich danke dir für deine Kreativität und freue ich auf weitere Geschichten um unsere heißgeliebten Hundeyoukai, gut auch die halben.^^

glg night-blue-dragon
Von:  night-blue-dragon
2022-03-26T14:30:07+00:00 26.03.2022 15:30
Kagome in Hochform...ja, wer ihren Hanyou angreift, der hat mehr als schlechte Karten.
Das sich Sesshoumaru über das 'Mach Platz' Gewitter amüsiert hat, glaube ich sehr gern. Das erschien
ihm wohl auch als eine angemessene Strafe für den Anfang.

Auf die Folgen bin ich gespannt, es ist aber auch Schade dass es schon das letzte Kapitel ist.

glg night-blue-dragon
Von:  night-blue-dragon
2022-03-18T17:38:00+00:00 18.03.2022 18:38
Hallo^^

es scheint so nach Friede, Freude, Eierkuchen auszusehen.... scheint. Klar das Sesshoumaru sich das nicht gefallen lässt, so reingelegt zu werden. Mal sehen, was da so ansteht. Überraschendes, dessen bin ich mir bei dir sicher.

glg

night-blue-dragon
Antwort von:  Hotepneith
19.03.2022 09:18
Du weißt ja, ich mag happy ends ...wenn auch nciht für jeden^^
Ein Zeitreisen/ miko Problem hat noch niemand erkannt, zwei HUnde betteln um Abreibung ..tja. Wir nähern uns dem Ende


hotep
Von:  SUCy
2022-03-13T19:18:49+00:00 13.03.2022 20:18
Na da hat der Kami aber noch Glück gehabt <xD Kagome kann auch anders.
Ich wünsche dem Inu jedenfalls, das er noch einamal eine Kagome findet. Viell als Hanyou das er sie nicht wieder zu früh an das alter verliert
Antwort von:  Hotepneith
17.03.2022 12:39
Ich fand es logisch, dass sie mal auf den Richtigen sauer wird...
Tja, Inu Yasha... immerhin wird er sich doch hoffentlich an die Jahre mit ihr erinnern. Udn nicht in den Erinerungen haften bleiben, mal sehen.

hotep

P.S.

Sind nur noch zwei Kapitel...
Von:  Sanguisdeci
2022-03-12T08:06:27+00:00 12.03.2022 09:06
Da kam der kami noch milde davon. Wie gut, dass Kagome keine Pfeile mehr hatte :D
Antwort von:  Hotepneith
12.03.2022 10:58
Da bekommt doch der Ausdruck: immer muss ich euch hinterher räumen buchstäblich andere Dimensionen...


hotep
Von:  SUCy
2022-03-05T13:59:18+00:00 05.03.2022 14:59
Du hast es ja echt drauf mit den spannenden Enden XD
Aber mit tut vorallem InuYasha leid. Wenn Kagome zurück ins Mittelalter springt, hat sie dort wenigstens wieder einen InuYasha. Aber der >Gegenwart Inu muss alleine zurück bleiben..
Antwort von:  Hotepneith
05.03.2022 15:58
Du hast das emotionale Problem erfasst, ja. Kagome wird das auch noch begreifen müssen.
Der Gegenwart-Inu sieht sich dann allerdings noch ganz anderen Problemen gegenüber


hotep
Von:  SUCy
2022-03-05T13:41:13+00:00 05.03.2022 14:41
Ich finde es wirklich toll, wie die zwei Brüder in deiner Story zueinander gefunden haben. Und wie viel Vertrauen sie sich schenken.
Hoffentlich hat das jetzt auch wirklich alles so geklappt.
Von:  night-blue-dragon
2022-03-04T16:26:00+00:00 04.03.2022 17:26
Gut, der Feind ist erledigt, aber der Rest auch?

Da scheinen doch noch Schwierigkeiten auf Hundedämon, Halbdämon und Mensch zu zukommen.
Ich bin gespannt, welche Wirrungen du dir noch ausgedacht hast.

lg night-blue
Von:  Sanguisdeci
2022-02-23T22:01:44+00:00 23.02.2022 23:01
Sehr spannend! Wundervoll geschrieben!
Antwort von:  Hotepneith
24.02.2022 08:20
Danke für das Lob.
Btw ich habe ein halbes Kapitel schon vom Ägyptenkrimi weitergeschrieben, demnächst kommt da also auch was, damit ich da auch abschliessen kann....

hotep


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