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Schleifen in Blut und Zeit

Ein Todesfall, eine Hochzeit und die Krümmung der Raumzeit
von

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Erinnerung


 

A

ls Kagome erwachte war sie für einen Augenblick verwirrt, ehe sie das rote Gewand aus Feuerratten erkannte, an dem ihr Kopf lag. Sie richtete sich auf. Sie hatte tief geschlafen, dachte sie, und sie fühlte sich deutlich besser. Als sie den goldfarbenen Augen ihres Hanyou begegnete, lächelte sie daher, wenn auch ein wenig wehmütig. Diese Variante von Inu Yasha würde sie vergessen, und auch, wenn sie mit ihrem „alten“ Inu Yasha in der Vergangenheit leben könnte – der hier wäre allein. „Ich habe mich erholt,“ sagte sie. „Wie geht es dir?“ Sie warf einen Blick an ihm vorbei. Natürlich. Ihr Schwager saß nur da und starrte geradeaus. Spielte der im Auto immer Statue?

 

„Ganz gut. Du hast auch lange geschlafen,“ erwiderte der Hanyou. „Wir sind fast in Tokio, also noch eineinhalb Stunden bis zum Schloss.“ Er hatte Tessaiga aufrecht in der Scheide zwischen den Knien stehen, da er bei der Abfahrt mehr an den Getränken interessiert gewesen war als daran zu denken, dass es bequemer wäre das Schwert in den Kofferraum zu legen. Nii-san hatte wie immer mitgedacht. Dessen Schwerter lagen hinten. Aber nun ja, daran hatte er sich schon längst gewöhnt. Umso faszinierender war es, dass der hohe Herr das mit Isamu und Hitoshi übersehen hatte – und dass der sich darüber ärgerte war klar. Die Zwei sollten eine sehr gute Erklärung und eine noch bessere Entschuldigung haben, sonst endete das Gespräch heute Nacht mit zwei Toten. Ihm selbst war das mit Kagome wichtiger. Sie lächelte ihn wieder so an. Fünfhundert Jahre hatte er darauf gewartet – und eigentlich nicht mehr damit gerechnet das noch einmal zu sehen. Nun ja, glaubte er zumindest, denn er konnte sich auch nur noch daran erinnern, wie sie sich nach der Zerstörung des shikon no tama getrennt hatten, er wieder in seine Zeit zurückgekehrt war. Aber sie war zurück gekommen zu ihm, da war er sich ganz sicher – schon, weil sonst doch nicht buchstäblich Himmel und Hölle alles in Bewegung gesetzt hatten um diese eigenartige Zeitschleife zu korrigieren. Was das mit Schrödingers Hanyou sollte hatte er sowieso nicht verstanden, aber das machte ja auch nichts. Es gab eine Menge, das er nicht wusste. „Dann gehen wir in mein Zimmer und reden noch ein bisschen, ja?“

„Ja, aber … Ich muss dann ja wohl noch duschen und um dreiviertel fünf müssen wir am Schrein sein.“

„Ja. Aber uns bleibt schon noch etwas Zeit.“

„Es tut mir Leid, Inu Yasha …“

„Was?“

„Dass ich dich dann hier allein lassen muss. Aber du kannst ja nicht mit.“

„Nein,“ mischte sich Sesshoumaru nachdrücklich ein, dem allein bei dem Gedanken, was dann schon wieder los wäre, tatsächlich ein ungewohnter Schauder über den Rücken lief. Angefangen bei seinem Selbstmord und anderen Dinge an die er nicht einmal denken wollte.

Der jüngere Bruder zuckte etwas die Schultern. „Schon gut. Ich glaube, wir haben doch lange zusammen gelebt. Ich weiß es ja nicht, aber das wird mir dann ja wieder einfallen, wenn alles in Ordnung kommt. Und dann habe ich die Erinnerung.“

Sie sah ihn an, versuchte in dem doch ungewohnten Gesicht zu lesen, den Jungen zu erkennen, den sie aus dem Mittelalter in Erinnerung hatte. „Du bist erwachsen geworden,“ seufzte sie. „Du wirst es ja nicht mehr wissen, aber ...war es schwierig?“

Ihm war klar, dass sie nicht das Zusammenleben an sich meinte. „Was?“

„Ich bin doch jedes Jahr älter geworden. Und du siehst noch immer wie kaum Mitte Zwanzig aus, nach fünfhundert Jahren!“

„Keine Ahnung,“ gab er zu. „Aber, ich denke, nein. Ich hätte mich doch, also, bevor dieser ganze Schotter mit dem Kraken begann, nicht so nach dir gesehnt.“ Urasae hätte er immer noch nicht aussprechen mögen.

Das stimmte wohl. Er hatte sie sehen wollen als er glaubte sterben zu müssen. Da konnte er sich kaum vor ihr gegruselt haben. Oder war sie etwa nie alt geworden? Unschöner Gedanke, aber sinnlos nachzufragen. Niemand wusste es momentan. Sie würden sich erst erinnern, wenn sie den Sprung getan hatte. Sie musste das Leben leben, das sie bereits gelebt hatte. „Und ich kann nicht einmal sagen, dass ich dich vermissen werde, denn ich bin ja bei dir. Es ist wirklich irritierend.“ Auf jeden Fall müsste sie auf ihn aufpassen, ihn beschützen.

„Als ob ihr euch nicht wiederseht,“ kam es vom Taishou, ohne dass der den Blick von Kougas Hinterkopf genommen hätte.

„Ja, ich sehe ihn wieder,“ fauchte Kagome prompt zurück. „Aber er mich doch nicht! Es gibt eben auch Leute, die an andere denken.“

Für eine zeitreisende miko war sie erstaunlich ahnungslos. „Wiedergeburt.“

„Was …?“ Da sie erkannte, dass die Audienz bei nii-san schon wieder beendet war, sah sie zu ihrem Hanyou. Dieser hatte die dunklen Augenbrauen zusammengezogen und dachte sichtbar nach. „Wieso Wiedergeburt? Nochmal Kikyou?“ fragte sie misstrauisch.

„Nicht Kikyou, Kagome. Du. Ja, da könnte er recht haben. Midoriko wurde doch schon zwei Mal wiedergeboren, Kikyou einmal, du bist auch eine recht starke miko, was so alle sagen.“

„Danke,“ murrte sie prompt. Fehlte nur noch das „Juwelendetektor“. Aber, Moment … „Ihr meint, ich würde dann jetzt wieder geboren werden? Ich meine, in dieser Zeit, wenn ich wieder im Mittelalter bin?“ Irgendwie klang dieser Satz so verdreht wie er war.

„Naja, bis dahin geht es wohl nicht, sonst würdest du dir ja selbst gegenüberstehen, und, wenn ich den kami richtig verstanden habe, löst man sich dann auf. Ja, das wäre eine Idee.“ Er strahlte förmlich auf.

So sehr, dass Kagome, die an dieser Theorie mehr als einen Zweifel anzumelden gehabt hätte, lieber schwieg um ihn nicht zu enttäuschen. Das würde ihn bestimmt trösten.

 

Es war dunkel geworden, als sie im Schlosshof hielten. Falls die Wachen überrascht waren, dass nach dem Hausherrn auch der Hanyou aus dem Auto stieg, so verbargen sie es meisterhaft.

Youkai, dachte Kagome nur und drehte sich um. „Zu dir?“ fragte sie schlicht.

„Klar.“ Inu Yasha fasste ihre Hand und lief so rasch er es ihr zutraute in das Schloss, die Treppen hoch. Vor der Tür zum Privattrakt warteten nicht nur zwei Krieger, sondern auch Yukio.

Der Heiler erhob sich. „Inu Yasha-sama.“ Er musterte seinen Patienten eilig.

„Ja, schon klar, Befehl des Taishou und so,“ erwiderte Inu Yasha nur. „Morgen, ja? Ich habe nur noch ein paar Stunden mit ihr. Ach ja, und mir geht es soweit gut. Das war übrigens Gift, was ich bekam.“ Damit verschwand er samt Kagome hinter den privaten Türen.

Der Salamanderdaiyoukai seufzte etwas. Aber man untersuchte keinen Patienten gegen dessen Willen. Und dafür, dass er vor sieben Tagen bestattet worden war, ging es dem Hanyou offenkundig hervorragend. Gift, also. Nun, immerhin hatte er selbst wohl nicht vollständig versagt. Das erklärte allerdings auch die Schwankungen im Gesundheitszustand. Immer, wenn er ein Gegengift gefunden hatte hatte der Attentäter nachgesetzt. Yukio blickte die Treppe hinunter, wo der Taishou deutlich gesitteter herankam. „Ich soll ihn morgen untersuchen,“ berichtete er schlicht.

Sesshoumaru nickte, ebenso wenig überrascht, dass ein Flohgeist auf seinem Schulterfell landete. „Bericht auf Eurem Schreibtisch, oyakata-sama.“

Und nur, wer Myouga kannte, hörte aus dem sachlichen Satz seine unglaubliche Erleichterung seinen jungen Herrn lebendig wieder gesehen zu haben. Allerdings kam nicht einmal er auf die Idee hinter dem und Kagome in dessen Schlafzimmer zu hüpfen. Das kaum bemerkbare Nicken des Youkai no Taishou genügte, dass der Flohgeist hinab in die Eingangshalle sprang. Jaken wartete gewiss schon im offiziellen Arbeitszimmer, wo sie sich bis zu weiteren Anordnungen gedulden mussten.

Sesshoumaru sah zu dem Heiler. „Du bist im Krankenhaus?“

„Nein, zuhause. In meiner Rolle als Mensch benötige ich Schlaf, Sesshoumaru-sama.“ Der Salamander neigte höflich den Kopf ehe er ging. Hoffentlich würde Inu Yasha etwas gesprächsbereiter sein, denn er war neugierig, was es mit dem Gift, dem vorgetäuschten Tod und dieser seltsamen Reise auf sich hatte.

 

Der Taishou versiegelte erst seine Schwerter, ehe er in sein privates Arbeitszimmer ging und sich am Pult niederließ. Myougas Bericht war sehr klein geschrieben, sicheres Zeichen, dass der ihn selbst verfasst hatte und niemand anderen eingeweiht hatte. In der Tat. Intelligent war der.

Nicht weiter Neues, nur, dass Hideyoshi, Hitoshis Sohn, Hide, die Tochter Isamus geheiratet hatte. Ähnliche Namen der Kinder. Diese Zwei schienen sich schon früher gut verstanden zu haben. Oder hatten diese Heirat bereits Jahrhunderte im Voraus geplant. Immerhin hatten die Kinder dann das passende Geschlecht besessen. Ja, dass diese Beiden ziemlich viele Krieger bei ihm untergebracht hatten, hatte er bemerkt, aber … Gut. Das war Verrat.

Jedem seiner mächtigen Vasallen standen auch Krieger zur Verfügung. Bislang war er davon ausgegangen, dass sie die zur Ausbildung und dann stationiert unter seinem Dach gehalten hatten um sich finanziell zu entlasten. Nach diesem Bericht jedoch hatte zumindest Hitoshi die volle Anzahl der ihm zustehenden Krieger in seinem Schloss. Plus die, die hier waren und diesem Hund Treue geschworen hatten. Die Preisfrage war, ob Isamu auch auf diesen Trick gekommen war. Da hatte sich eine überaus gefährliche Lage unbemerkt entwickelt. Er hatte wohl zu sehr dem erreichten Frieden vertraut. Irrtum. Zeit, einzugreifen.

Er erhob sich und wollte zum Trakt hinaus gehen, hinunter in sein offizielles Arbeitszimmer, um Jaken und Myouga auf weitere Überprüfungen zum Thema Isamu zu schicken, als er innehielt. Links lag das Schlafzimmer Inu Yashas, wo sich dieser mit Kagome befand. Rechts, vor dem Zimmer der Gefährtin, standen momentan keine Wachen, aber er konnte das Youki da drin spüren, sicher Noriko. Gut. Die parierte wenigstens.

Wie hatte er es sich gedacht? Wachen, wie sie vor Kagomes Zimmer gestanden hatten, waren wenig pflichtbewusst gewesen, auf eine Zeit verschwunden, weil sie einem anderen Herrn als ihm dienten. Und diese Nachlässigkeit wäre auch bei Wachen vor dem Trakt denkbar, als Inu Yasha vergiftet wurde. War es möglich ….?

Er drehte wieder um, um den Bericht seines Heermeisters, Uyada, noch einmal anzusehen.

Keine fünf Minuten später spielte um seinen Mund ein Lächeln, das Leute, die ihn kannten, hektisch dazu bewogen hätte in jedes erreichbare Loch zu kriechen.

Für einen Augenblick flackerte sein Youki auf, ehe ihm eine bessere Idee kam. Es gab da zwei Personen, die persönlich betroffen waren, und er hatte das Gefühl, dass jemand für diese aufgezwungene Ehe mit einer menschlichen miko bezahlen sollte.

 

Inu Yasha saß auf seinem Bett, Tessaiga abgezogen an der Wand lehnend und Kagome auf dem Schoss, als sich unangemeldet seine Tür öffnete. Er sah auf. „Nicht dein Ernst,“ grollte er. „Wir haben nur so wenig Zeit…“

Kagome war rot angelaufen, aber guckte ebenso wenig begeistert.

Dem Taishou war das gleich, als er sorgfältig die Tür hinter sich schloss. „Hitoshi und Isamu …“

Seinem jüngeren Bruder war das gerade ziemlich egal. „Kürzen wir es ab. Sie haben dich betrogen, die Krieger untergemogelt, dafür müssen sie, na, sagen wir das dreifache zurückzahlen. Und?“

„Hochverrat.“

„Diese zwei dämlichen Hunde?“ Inu Yasha klang überrascht. „Was haben sie denn angestellt?“

Jetzt musste er es den Zweien SCHON WIEDER erklären. Wenn Kagome weg war, würde Inu Yasha vielleicht auch wenigstens wieder die Hälfte seines Gehirns benutzen und nicht nur mit dem Unterleib denken. „Die Krieger, die sie hier im Schloss untergebracht haben, wurden, zumindest bei Hitoshi, zuhause durch andere ersetzt.“

„Er hat also deutlich mehr auf ihn eingeschworene Leute als gedacht? Und natürlich nicht zulässig?“ erkundigte sich der Hanyou, allerdings noch immer Kagome an sich gedrückt.

Das bedurfte keiner Antwort, aber der Blick Sesshoumarus glitt kurz zu der miko, ehe er wieder zu seinem Bruder sah. „Überdies waren es jeweils seine Leute, die vor deinem Zimmer standen, als du vergiftet wurdest. Oder, eher überaus nachlässig standen.“

Inu Yasha zog die Brauen zusammen, Kagome atmete tief durch, ehe sie explodierte. „So wie die, die bei mir mal eben weg waren? Tolle Wachen! Nachlässige Schlamper! Wenn die getan hätten, was sie sollten, wäre doch Urasae niemals hier hereingekommen und ….!“ Ihr armer Hanyou wäre nie vergiftet worden, nie entführt, hätte nie so leiden müssen! Ihre Energie flirrte auf.

Der Taishou sah es zufrieden. Ja, auf ihre Impulsivität war Verlass. „Hitoshi.“

Das trug nicht zu ihrer Beruhigung bei, ihre läuternde Magie hüllte zumindest den Hanyou mittlerweile ein, aber den störte das weniger.

Inu Yasha sah auf. „Der Kerl und Isamu sollten doch herkommen? Gegen drei? Und jetzt hast du die Beweise? Und einen Plan?“

„Seid beide um kurz vor drei in meinem Arbeitszimmer.“ Er hatte noch etwas zu erledigen, ehe er die letzte Entscheidung traf.

 

Die beiden Hundefürsten, wie sie sich selbst sahen, waren einzeln gekommen, nicht ahnend, dass auch der jeweils andere zu dieser nächtlichen Stunden gerufen worden war. Als sie sich im Hof des Schlosses trafen, wollte Isamu etwas sagen, aber Hitoshi kam ihm zuvor.

„Welch ungewöhnliche Stunde, mein Lieber. Der Taishou arbeitet wohl die ganze Nacht durch. Ich hatte nur gedacht, er sei auf Reisen, nach dem Tod des … Hanyou.“

„Ja, es wird wohl etwas vorgefallen sein.“ Isamu sah sich um, konnte jedoch seine jüngere Tochter nicht unter den Wachen entdecken. Er hatte jedenfalls die Warnung begriffen. Was auch immer Sesshoumaru dazu getrieben hatte sie herzurufen – sie sollten vorsichtig sein. Immerhin gab es Absprachen für die Zeit nach dessen Tod. Und einige Kleinigkeiten zu seinen Lasten.

 

Jaken, den beide kannten, schob kommentarlos die Tür des Arbeitszimmers beiseite. Die beiden Youkai traten ein – und erstarrten. Sie hatten mit einigem gerechnet, aber nicht damit. Der Hanyou lehnte nachlässig an der Wand, diese Menschenfrau im Arm, die angeblich mit Sesshoumaru verheiratet war, weil sie zuvor mit Inu Yasha … nun gut, das hatte sich wohl erledigt. Warum auch immer, sie hielt jedenfalls diese Kette in den Händen, ohne die der Hanyou in den letzten Jahrhunderten nie zu sehen gewesen war. Betete sie? Das taten mikos doch gern.

„Ich vermisse den Taishou,“ erklärte Hitoshi daher kühl. „Und ich hätte eigentlich gedacht, wir waren bei deiner Beerdigung, Hanyou, ich meine, Inu Yasha.“ Etwas Höflichkeit stand dem als Ratsmitglied leider zu.

Besagter Hanyou seufzte etwas und gab die Priesterin frei, deren Reiki prompt in die Höhe schoss. „Ich weiß ja, dass du mich nicht leiden kannst, Hitoshi. Aber ich hätte dir doch ein bisschen Überlebensinstinkt zugetraut.“

„Duz mich nicht.“

„Dann rede du mich an, wie es sich für rangniedere Hunde gehört.“

Kagome stellte gerade fest, dass dieser Mistkerl nicht nur nii-san betrogen hatte, samt allen Folgen, sondern auch jetzt und hier Inu Yasha beleidigte. Das war die letzte logische Schlussfolgerung für sie für die nächsten Minuten, als sie um ihre Selbstbeherrschung kämpfte.

Keiner der beiden Youkai drehte sich um, als hinter ihnen die Tür geschlossen wurde, in der sicheren Annahme dass Jaken das von außen tat.

Inu Yasha deutete auf das Schreibpult und den leeren Platz des Hausherrn, betont nachlässig. „Da liegen Beweise, Hitoshi, Isamu. Ihr habt eure Krieger auf anderer Leute Kosten ausbilden lassen. Für gewöhnlich nennt man das Betrug, bei eurem Taishou Verrat.“ Er klang leise und sachlich, ganz, als ob er nicht mitbekommen würde, dass sich miko- kräfte im Zimmer verteilten und um ihn waberten. „Und, wenn mein älterer Bruder in seiner Gnade, einer unverdienten Gnade, findet, ihr solltet mir das erklären, so beleidigst du mich auch noch?“

„Du zählst nicht, für was auch immer du dich Halbmensch hältst,“ begann Hitoshi.

Isamu, dessen Gefühl für drohendes Unheil deutlich besser ausgebaut war, ließ sich noch immer schweigend auf die Knie nieder und nahm die Papiere, zumindest interessiert daran, was man ihm vorwarf.

Mit Abstand das Intelligenteste was er tun konnte, denn Kagome hatte endgültig genug und warf die Kette, ehe sie die Hände kurz aneinander legte, bei Weitem nicht mehr so ahnungslos in Magie wie sie es gewesen war, als sie ihrem Hanyou diese umwarf.

Hitoshi erstarrte, versuchte sie sich abzunehmen, da er die läuternde Magie deutlich spüren konnte.

„Tja.“ Inu Yasha erlaubte sich ein Grinsen, da er wusste, dass seine temperamentvolle Gefährtin gerade in etwas umschwenkte, das man nur als Berserker-Modus bezeichnen konnte.

Prompt zischte sie: „Mach Platz!“ Und, da der Hundeyoukai augenblicklich zu Boden ging. „Du Mistkerl hast deine Leute hier eingeschleust, sie dazu veranlasst ihren Dienst nachlässig zu machen. Mach Platz! Ohne dich wäre Inu Yasha besser bewacht worden, diese dämlichste Hexe aller Zeiten hätte ihn nie vergiften können. Mach Platz! Er hätte nie entführt werden können oder so leiden müssen! Mach Platz! Ohne dich wäre ich schon längst da, wo ich hingehöre. Mach Platz! Ohne dich wäre ich nie gezwungen gewesen, und nii-saan auch nicht, durch die Gegend zu reisen um ihn zu befreien und das war wirklich nicht lustig. Mach Platz, du dämlicher Hund, mach Platz!“ Ihre Stimme überschlug sich.

Isamu, der sich lieber nicht bewegte, konnte nicht nur zusehen, wie sein Partner aus langen Jahrhunderten mit jedem „Mach Platz“ zu Boden geschmettert wurde, offenkundig durch die Kraft einer mehr als fähigen miko – sondern hörte auch das Holz des Bretterbodens nachgeben. Und dankte jedem irgendwie erreichbaren Gott, dass er unauffällig geblieben war.

„Mach Platz!“

Der Boden brach und Hitoshi krachte auf die Balken und Bretter der Decke der unteren Etage.

Kagome holte tief Atem.

Inu Yasha nahm sie in den Arm. „Schon gut, du hast deine Meinung, glaube ich, deutlich gemacht.“ Er strich beruhigend über ihren Rücken.

 

Irgendwie mühsam erschien der Kopf Hitoshis aus dem Loch im Boden. „Was war das…?“ fragte er verwirrt.

„Nimm ihm die Kette ab, Kagome. Du musst dich noch vorbereiten.“

Die Köpfe beider Hundeyoukai fuhren herum. Keiner von ihnen hatte bemerkt, dass der Taishou im Raum stand, bei allem regungslosen Gesicht amüsiert.

Sie zögerte, noch immer etwas aufgeregt und zitternd vor Adrenalin, aber Inu Yasha sagte: „Ja, die gehört doch zu mir.“

So bückte sie sich und nahm Hitoshi die magische Kette ab, um sie weiterzugeben. Mit einem Lächeln.

Inu Yasha legt sie sich um. „Ein Erinnerungsstück. Du weißt schon.“ Er legte ihr die Hand zwischen die Schulterblätter und schob sie an den drei Hundeyoukai voraus aus dem Raum, gerade noch sehend, dass sich der Taishou auf seinem Platz niederließ. Der hatte etwas vor und war nicht einmal mehr sauer. Allerdings wusste er nur zu gut, dass der kalte Zorn Sesshoumarus fataler war als manch anderes. Endgültiger. Er sollte vielleicht mal nach diesen armen Hunden sehen, wenn er Kagome verabschiedet hatte. Da sie die Treppe in den ersten Stock empor stiegen, zu den Privaträumen, meinte er leise: „Ich möchte mich noch von dir verabschieden. Ich meine, wenn du geduscht hast, geht es ja nicht mehr…“

„Ja, das stimmt.“ Kagome fühlte sich seltsam entzwei geteilt. Ja, sie konnte ins Mittelalter zurück zu IHREM Hanyou, aber der Inu Yasha dieser Zeit blieb allein, mit der Hoffnung auf ihre Wiedergeburt. „Wie sollst du mich eigentlich erkennen, ich meine, wenn nii-san recht hat und ich wieder geboren werde?“

„Der Kerl hat immer recht, das habe ich gelernt. Ich denke mal ….“ Inu Yasha deutete auf die Kette. „Außer dir kann das niemand, oder?“

„Ich denke schon…“ murmelte sie nur noch, denn die Wachen rissen vor ihnen die Türen des privaten Traktes beiseite. „Die erste Frau, die dich zu Boden bringt, bin ich?“

Er zuckte die Schultern. „Ich werde es wissen. Kagome, ich …“ Er fasste ihre Schultern. „Ich denke, wir hatten ein gutes Leben miteinander und ich hoffe, ich werde mich daran erinnern, wenn du bei mir zurück bist. Klingt das blöd!“

Ihr Lächeln war verzerrt. „Das ist mein Leben seit einer Woche. Ziemlich chaotisch und über mindestens zwei Zeiten verteilt.“

„Ich ... ich meine, ich weiß, dass du jetzt noch nicht mit mir … ich meine, ich würde dir gerne einen Abschiedskuss geben.“ Irgendwie hatte er das Gefühl rot zu werden, was er wirklich in den letzten Jahrhunderten so gut wie nie erlebt hatte.

Da sie statt einer Antwort ebenfalls rot wurde, dann jedoch die Augen schloss und ihr Gesicht zu ihm hob, nahm er sie fester.

Kagome wurde mehr als überrascht. Sie hatte ihn schon geküsst, ja, aber das waren zwei Teenager gewesen, unerfahren und schüchtern. Was sie jetzt fast schockierte war seine Art – so selbstverständlich, so vertraut, so … Närrin, die sie war. Natürlich hatte er sie oft geküsst und mehr, wenn sie jahrelang zusammen gelebt hatten, Gefährten gewesen waren. Sie würde zurückgehen, diesen Inu Yasha vergessen – und sie würde mit der jüngeren Ausgabe zusammen leben, offensichtlich glücklich. Zum ersten Mal, seit sie in dieses Zeitchaos geraten war, fasste sie Zuversicht in die Zukunft. Behutsam schob sie ihn zurück. „Ich muss duschen gehen,“ brachte sie irgendwie hervor. „Aber … ich wusste gar nicht, dass du so küssen kannst.“

Der Hanyou rieb sich verlegen ein Ohr. „Ich denke mal, wir haben miteinander gelernt.“

Und die junge miko wurde puterrot, ehe sie sich umdrehte und förmlich in ihr Zimmer floh.

 

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste, und letzte, Kapitel bietet : Folgen Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  night-blue-dragon
2022-03-26T14:30:07+00:00 26.03.2022 15:30
Kagome in Hochform...ja, wer ihren Hanyou angreift, der hat mehr als schlechte Karten.
Das sich Sesshoumaru über das 'Mach Platz' Gewitter amüsiert hat, glaube ich sehr gern. Das erschien
ihm wohl auch als eine angemessene Strafe für den Anfang.

Auf die Folgen bin ich gespannt, es ist aber auch Schade dass es schon das letzte Kapitel ist.

glg night-blue-dragon


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