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Dein rettendes Lachen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo! Nach Wochen der Schreibpause, melde ich mich mal wieder :D

Ich konnte mich sehr sehr lange nicht zwischen zwei Plots entscheiden, allerdings bin ich jetzt endlich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben^^ Lustigerweise habe ich an keinem Kapitel SO lange gesessen und es ist trotzdem das Kürzeste von allen geworden :D Ich löse heute auch endlich mal auf, wer diese mysteriöse Frau ist :)

Viel Spaß!


Lieder, die darin vorkommen:
‚River flows in you‘ von Yiruma
https://www.youtube.com/watch?v=NPBCbTZWnq0 Komplett anzeigen

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Die Fremde

„Du musst aufstehen“ sagte ich zum dritten Mal an diesem Morgen und bekam, wie schon die letzten beiden Male, nur ein Grummeln zur Antwort. Ich grinste. „Du hast noch 20 Minuten, dann fahre ich ohne dich los.“

„Machst du nicht“ kam es verschlafen zurück.

Mein Lächeln wurde breiter. „Willst du es darauf ankommen lassen?“

Jaden zog die Decke nach unten, sodass ich endlich sein Gesicht sehen konnte und musterte mich verschlafen. Schließlich seufzte er und stand langsam auf. „Warum bin ich mit einem Morgenmenschen zusammen?“ fragte er schläfrig und rieb sich die Augen. Ich konnte ein Lachen nicht unterdrücken und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. „20 Minuten“ wiederholte ich und verließ das Zimmer, um das Bento in der Küche vorzubereiten.
 

Als ich alles zurechtmachte, meldete sich Pharao zu Wort und streifte um meine Beine. „Du hattest schon dein Frühstück.“ Kopfschüttelnd schloss ich die Boxen. Warum rede ich eigentlich ständig mit ihr? Sie versteht mich sowieso nicht. Leichtfüßig hüpfte sie Richtung Flur. Plötzlich hörte ich einen erschrockenen Schrei, gefolgt von einem dumpfen Knall, und lief schnell aus der Küche. Pharao kam mir blitzschnell entgegengeschossen und rannte ins Wohnzimmer. Am Fuß der Treppe lag Jaden auf dem Bauch. „Alles in Ordnung?“ fragte ich besorgt und half ihm auf. „Ja, alles gut. Ich bin nur über Pharao gestolpert.“ Wie auf Abruf tapste die Katze schüchtern zu uns und schmiegte ihren Kopf an sein Bein. Lächelnd nahm er sie in die Arme. „Ich bin dir nicht böse!“ sagte er fröhlich. Pharao schleckte Jadens Hand ab und er lachte. Ich schmunzelte. Es war wirklich fast, als wolle sie sich entschuldigen und Jaden hatte sie wirklich gern. Sie stiftete zwar manchmal Chaos, aber ich hatte mich irgendwie schon an sie gewöhnt. Mir lief vorher noch nie eine so zutrauliche Katze über den Weg.
 

„Na schön, ich gebe auf“ sagte ich und erntete einen verwunderten Gesichtsausdruck.

„Was meinst du?“

„Die Katze kann bleiben. Mein Vater hat auch nichts dagegen.“

Er grinste breit, setzte Pharao ab und fiel mir um den Hals. „Großartig!“

Ich schmunzelte und erwiderte seine Umarmung. Allein seine Reaktion war es eigentlich schon wert.
 

~*~
 

„Was für ein Scheißtag!“ fluchte Crow genervt, während wir in der Umkleide waren.

„Weswegen bist du eigentlich so mies drauf?“ fragte Jaden.

Jack schüttelte mitleidig den Kopf, während er nach seinem Trikot kramte.

„Mich kotzt Physik einfach an! Sensei Flannigan hat mir schon wieder eine schlechte Note reingedrückt. Und Sensei Banner kam in der Vierten plötzlich mit einem Test um die Ecke. Rate mal, wer nicht gelernt hat. Wenn das so weitergeht, hat mir mein Alter angedroht mir die Klubs zu streichen.“

„Oh nein…“

„Ich kann dir wieder helfen“ bot ich ihm an.

„Nee, lass mal. Alexis kam dir zuvor“ sagte Crow und seufzte schwer. Als ich mein Hemd auszog, schielte er zu mir. „Hat dich dein Kätzchen schon wieder malträtiert?“

Schnell schlüpfte ich in mein Trikot und versuchte mir meine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen.

Jaden sah ihn verwirrt an.
 

Crow wandte sich an meinen Freund. „Sag mal, Jaden. Warum darfst du eigentlich ständig bei Yusei pennen, und Alexis kann nicht mal für ein Wochenende zu mir?“ Jaden verzog etwas ins Gesicht und ich konnte ein kurzes Lachen nicht unterdrücken. Crow warf uns verwirrte Blicke zu. „Was denn?“
 

„Meine Mutter ist total vernarrt in ihn.“

Anscheinend wurde Crow aus dieser Antwort auch nicht schlau, also ergänzte ich Jadens Aussage. „Vernarrt ist wirklich zu viel gesagt. Naomi meinte gestern, ich hätte einen guten Einfluss auf ihn, und seitdem ist er bei diesem Thema ein wenig mürrisch.“

„Mürrisch ist gut. Sie hat dich einfach beauftragt meine Aufgaben zu kontrollieren. Und du hast das auch noch durchgezogen!“

Ich hob abwehrend die Hände. „Schon gut, tut mir leid.“ Eine gewisse Belustigung konnte ich nicht aus meiner Stimme verbannen. Ich würde wieder so handeln und Jaden wusste das. Ich glaube auch nicht, dass er deswegen wirklich sauer ist. Immerhin war das Ganze wirklich nur zu seinem Besten.
 

Plötzlich klingelte mein Handy. Ich sah verwundert auf das Display. Warum ruft sie mich jetzt an? „Na toll. Wenn man vom Teufel spricht“ scherzte Jaden, der ebenfalls auf mein Handy sah. Ich nahm den Anruf an. „Hallo?“

„Hallo, Yusei. Entschuldige die Störung, aber ich war gerade bei deinem Vater und er bat mich wirklich energisch darum, dir etwas auszurichten.“

Ich zog fragend eine Augenbraue nach oben. „Okay, was sagt er denn?“ Jaden beobachtete mich neugierig.

„Du wolltest dich doch heute mit jemandem in der Stadt treffen, richtig?“

„Ja, warum?“

Eine Kurze Stille folgte, ehe Jadens Mutter weitersprach. „Es ist ihm wirklich wichtig, dass du das Treffen absagst.“

Was? Warum? Erinnert er sich doch an sie? Aber warum jetzt? Er war sich doch ganz sicher, dass er niemanden mit dieser Beschreibung kannte. Und warum will er unbedingt, dass ich das Treffen absage? „Yusei?“ holte mich ihre Stimme wieder in die Realität.

„Entschuldige. Hat er irgendeinen Grund genannt?“

Crow deutete ungeduldig in Richtung Tür und Jack ging schon zum Platz.

„Nein, aber es war ihm wirklich wichtig, dass ich dir das sage. Bei seiner Entschlossenheit habe ich selbst ein ungutes Gefühl bei der Sache.“

„Na schön, aber wenn er mir keinen Grund nennen kann, gehe ich trotzdem.“

Wieder folgte eine kurze Stille. Jaden stand vor mir und platzte förmlich vor Neugier.

„Pass bitte auf dich auf, Yusei.“

Ich verstand einfach nicht, warum sich die beiden solche Sorgen machen.

„Ist gut. Aber ich muss jetzt wirklich zum Training.“
 

Wir verabschiedeten uns und ich legte auf. Nachdem ich mein Handy in den Spind legte, drehte ich mich wieder zu Jaden, der mich mit einem drängenden Blick ansah. Ich musste lachen und schloss meinen Spind. „Es ging um das Treffen nachher. Mein Vater hat wohl plötzlich doch was dagegen, sagt aber nicht warum.“

Wir verließen die Umkleide. „Aber er hatte doch zugestimmt“ stellte Jaden verwundert fest.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich muss morgen sowieso ins Krankenhaus, da kann ich ihn fragen.“

„Gehst du trotzdem?“

„Klar, was soll schon passieren? Außerdem will ich endlich wissen, wer sie ist und warum sie mich kennt.“
 

Seinem Gesicht nach zu urteilen, hatte Jaden genau die gleichen Fragen im Kopf. Anscheinend erinnerte sich mein Vater wieder an sie, aber ich konnte mir auf seine Reaktion keinen Reim machen. Durch den Anruf wurde ich selbst ein wenig nervös.
 

~*~
 

Ich sah auf die Navigationsapp meines Handys und bog in die nächste Seitenstraße. Auf einem kleinen Platz angekommen, sah ich mich etwas um. In der Mitte des Platzes war ein Springbrunnen und mit etwas abstand standen darum massive Pflanzkübel mit Grünpflanzen. Um mich herum waren einige Geschäfte, darunter auch ein kleines Café. Von außen sah es sehr elegant aus. Durch die großen Fenster konnte man vom Inneren des Lokals allerdings kaum etwas sehen. Dem Schild nach zu urteilen, war ich angekommen. Ich hielt Ausschau nach der Frau, konnte sie aber nicht entdecken. Vielleicht ist sie noch nicht da? Ich bin immerhin 15 Minuten zu früh. Ob ich einfach reingehen sollte? Aber selbst, wenn sie eine Reservierung bekommen hatte, kannte ich nicht ihren Namen. Was sollte ich dem Mann am Empfang schon sagen?
 

Etwas unschlüssig stand ich noch einen Augenblick auf dem Platz, bis ein Anzugtyp mit langen, schwarzen Haaren auf mich zukam. „Sind Sie Yusei Fudo?“ fragte er. Ich nickte verwirrt. Woher kennt der Typ mich? „Fujigawa-sama ist bereits drinnen. Folgen Sie mir bitte.“ Fujigawa? Ich hatte den Namen schon einmal gehört, erinnerte mich aber nicht mehr an den Zusammenhang. Immer noch perplex folgte ich ihm in das Innere des Cafés. Der Mann am Empfang verbeugte sich knapp vor uns, ehe wir eintraten. Jetzt verstand ich, warum alle so einen Wirbel um dieses Lokal gemacht hatten. Es erinnerte stark an eines dieser angesagten Maidcafés. Die Tische waren bis auf den letzten Platz belegt und es herrschte reges Treiben. Die Dekoration des Raumes bewegte sich auf einem schmalen Grad zwischen elegant und kitschig. Die Kellner in ihren eng geschnittenen Anzügen und die Kellnerinnen in ihren schwarzen Rüschenkleidern, liefen mit ihren befüllten Tabletts zu den Tischen. Die Nachspeisen darauf waren wirklich liebevoll und detailliert verziert, selbst die Getränke hatten Unmengen an süßer Dekoration.
 

Der Mann führte mich eine Wendeltreppe hinauf. Hier oben war ebenfalls alles belegt, aber die Atmosphäre war eine andere. Die Stimmung war genauso fröhlich wie im Erdgeschoss, aber es wirkte Alles in allem ruhiger. Wir gingen auf ein weiter hinten gelegenes Separee zu, das man mit schweren Vorhängen abtrennen konnte. Der dicke, rote Samtstoff war allerdings zurückgebunden, sodass man in die geräumige Nische blicken konnte. Dort entdeckte ich sie. Die ältere Frau hatte ihre Hände ineinander verschränkt und sah aus dem großen Fenster. Vor ihr stand eine leere Tasse. Der Mann räusperte sich. „Fujigawa-sama?“ Langsam löste sie sich von dem Anblick und sah uns an. Ihr Blick ruhte einen Moment auf mir und, wie schon beim letzten Mal, konnte ich ihn einfach nicht deuten.
 

„Hallo, Yusei“ sagte sie, und ein sanftes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Schön, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Setz dich doch.“ Während ich ihrer Einladung zögerlich nachkam, und mich ihr gegenübersetzte, wandte sie sich an den Mann. „Ich danke dir, du kannst dir eine Pause gönnen. Ich melde mich später.“ Der Mann verbeugte sich und verließ das Separee.
 

Ihr Blick ruhte wieder auf mir, doch keiner von uns beiden sagte etwas. Ich war plötzlich so nervös. Ich hatte mir gar nicht überlegt, wie ich das Gespräch am Besten beginnen sollte. Sollte ich sie einfach direkt fragen? Doch sie nahm mir diese Entscheidung ab. „Du bist deinem Vater wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten“ sagte sie plötzlich. Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte. Ihr Lächeln wurde etwas breiter. „Aber die Augen hast du von deiner Mutter*.“
 

„Sie kannten meine Mutter?“ Für einen kurzen Moment senkte sie ihren Blick und seufzte lautlos. „Besser als du denkst, aber nicht so gut, wie ich es gern von mir behaupten wollen würde.“ Was? Diese rätselhaften und vagen Aussagen verwirrten mich nur noch mehr. Ich wollte einfach nur wissen, wer sie ist! „Woher kennen Sie meine Eltern? Und mich? Entschuldigen Sie, aber ich kann mich wirklich nicht erinnern, Sie je gesehen zu haben.“ „Ich weiß, du hast viele Fragen, Yusei. Und ich werde sie dir beantworten, das habe ich versprochen. Aber ich habe dir bereits gesagt, dass es eine etwas längere Geschichte wird.“ Meine Anspannung nahm allmählig zu. Ich hatte unzählige Fragen und endlich würde ich Antworten bekommen.
 

* Die Sicht von Jaden *
 

Ich sah zum wiederholten Mal auf die Zeitanzeige meines Handys. Langsam sollte er doch fertig sein, schließlich ist es schon fast drei Stunden her, seit er sich mit dieser Frau getroffen hatte. Wie kann denn ein Gespräch so lange gehen? Vielleicht hat er auch einfach vergessen sich bei mir zu melden. Dabei wollte er mir nach dem Treffen davon erzählen. Allerdings kann ich mir das nicht vorstellen. Er ist normalerweise immer ziemlich zuverlässig und vergisst sowas nicht. Ein dezentes Klopfen hallte durch mein Zimmer. Ruckartig sah ich auf. „Ja?“
 

Langsam betrat meine Mutter das Zimmer und musterte mich. „Hey, mein Spatz. Hat Yusei schon Bescheid gegeben?“ Ich sah sie etwas verwirrt an und schüttelte den Kopf. Warum macht sie sich denn jetzt Gedanken? „Verstehe. Ich wollte dich auch gar nicht stören“ sagte sie und wollte schon den Raum verlassen. „Warte!“ Überrascht drehte sie sich zu mir. „Warum war Yuseis Vater eigentlich gegen das Treffen?“
 

„Ich weiß es nicht“ gestand sie. „Allerdings hatte er kurz vorher Besuch. Ich vermute mal von dieser Frau, denn er war danach ziemlich wütend. Er kennt sie, wollte mir aber nichts sagen.“

„Ich versteh trotzdem nicht, warum er dann so sauer ist.“

„Einige Menschen aus der Vergangenheit will man eben nicht mehr sehen. So ist das manchmal.“

„Hm.“
 

Ich fand die Antwort eher unbefriedigend. Was soll die Frau schon gesagt oder gemacht haben, dass Yuseis Vater so sauer ist und das Treffen verbieten wollte? An Yuseis Stelle hätte ich genauso gehandelt. Der Klingelton meines Handys holte mich wieder in die Realität. Ich sah auf das Display. „Yusei“ murmelte ich und entsperrte den Bildschirm.

Meine Mutter stand immer noch im Türrahmen „Was sagt er denn? Geht es ihm gut?“

„Warte doch mal“ sagte ich gedankenverloren. „Ja, er ist gerade zu Hause angekommen, aber ziemlich müde.“ Schade, heute sagt er mir wohl nichts.

Meine Mutter atmete er leichtert auf. „Na, die Hauptsache ist doch, dass es ihm gut geht. Mach dir keine Gedanken, mein Spatz.“
 

~*~
 

Am nächsten Tag sah ich Yusei in der Schule kaum. Erst in der Mittagspause konnten wir uns wirklich unterhalten, allerdings nicht ungestört, denn unsere Freunde waren auch dabei und Jack sprach ihn auf das Treffen an. „Wie lief dein Blind Date?“

Aki musterte Yusei überrascht. „Welches Blind Date?“

„Sehr witzig“ überging er Akis Frage und seufzte lautlos. „Es war wirklich seltsam, anders kann ich es nicht beschreiben.“

Als er keine Anstalten machte weiterzureden, bohrte Carly weiter nach. „Und wer war sie jetzt nun?“

„Ja, erzähl schon! Und wart ihr wirklich im Magidolce?“ Anscheinend hielt es Alexis auch nicht mehr aus.

„Ja, aber im oberen Stockwerk.“

„Echt?!“ platzte es aus Crow. „Wie hat sie das denn angestellt?“

Aki sah zu Crow. „Wow, wir kamen da nur mit den Beziehungen meiner Mutter hin.“

„Du hast Carlys Frage übergangen“ bemerkte Jack.

„Ihr Name war Kazuko Fujigawa.“

„Warte mal“ überlegte Carly. „Den Namen hab ich irgendwo schonmal gehört.“

Yusei lächelte müde. „Kein Wunder. Du hast ihn wahrscheinlich gelesen, als du den Artikel über meine Mutter gefunden hast.“

„Wie meinst du das?“ fragte Alexis.

„Fujigawa… war ihr Mädchenname.“

Carly schlug ihre Faust in ihre flache Hand. „Stimmt! In einem der Artikel ging es um ihre Eltern!“
 

„Warte mal!“ mischte ich mich ein. „Bedeutet das, du hast dich gestern mit deiner Oma getroffen?“ Ein zögerliches Nicken war seine Antwort. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Er sagte doch mal, dass sein Vater seine einzige leibliche Familie ist.

„Aber du hast doch gesagt du kennst die Frau nicht, oder hab ich das falsch verstanden?“ sagte Crow verwundert.

„Ich kenne sie auch nicht.“

„Wie geht das denn?“

Yusei seufzte. „Mein Vater hat mir mal erzählt, dass meine Mutter von ihren Eltern verstoßen wurde, als sie ihn geheiratet hat. Sie haben sich danach nie wieder gemeldet, ich konnte sie also gar nicht kennen.“

Das warf mehr Fragen auf als es beantwortete. „Und warum taucht sie so plötzlich auf? Das ist doch Jahre her.“
 

Yusei sah mir einen Augenblick lang in die Augen und deutete ein Schulterzucken an. Ich sah ihm an, dass er vor den anderen nicht darüber reden wollte. Verständlich. Das war ein ziemlich sensibles Thema für ihn. Ich wüsste nicht, wie ich mich fühlen würde, wenn ich mein ganzes Leben lang der Auffassung wäre, meine Familie bestünde nur aus meinen Eltern und mir. Und wenn nach dem Tod meiner Mutter plötzlich eine weitere, noch lebende, Verwandte auftauchen würde, hätte ich keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Ob er es mir unter vier Augen erzählen würde? „Oh man, du hast echt ne seltsame Familie“ bemerkte Crow und bekam sofort einen bösen Blick von Alexis ab. Feinfühlig war er eben noch nie. „Gut möglich“ erwiderte Yusei mit einem schiefen Lächeln. Weiterreden wollte er über das Thema also nicht mehr. Auch Jack schien den Wink zu verstehen. „Wie auch immer. Hast du jetzt eigentlich die finale Aufstellung für morgen, Jaden?“
 

Aki stöhnte genervt auf. „Das darf doch nicht wahr sein! Schon wieder Fußball?“ Ich musste unweigerlich lachen und auch meine Freunde stimmten mit ein. Selbst Yusei schien die Sache komisch zu finden und lachte leise.
 

~*~
 

Nach der Schule vertrieb ich mir die Zeit noch mit Jim, bis der Tanzklub vorbei war. „Schon aufgeregt?“ fragte ich verschmitzt und sah zu, wie Jim rot wurde.

„Hör mir bloß auf!“

Ich lachte. „Jetzt mach bloß keinen Rückzieher, du hast sie doch schon ewig um ein Date bitten wollen!“

„Mach ich nicht! Ich bin nur nervös“ sagte er kleinlaut und blickte verlegen zur Seite.

„Was habt ihr eigentlich vor?“

„Naja, zuerst dachte ich an Kino, aber das war mir zu klischeehaft.“

Eine kurze Pause folgte. „Und was machst du stattdessen?“ hakte ich weiter nach.

„Rollschuh fahren.“

Ich unterdrückte mehr oder weniger erfolgreich ein Auflachen. „Du und Rollschuhe?“

„Hey, ich bin vielleicht kein Profi, aber es macht Spaß… Und ich dachte, es wäre etwas einfallsreicher als Kino.“

„Hast schon recht, aber verletz dich nicht, wir brauchen dich morgen“ scherzte ich.

Jim grinste. „Zur Not kann doch Leo für mich einspringen. Sein Bein ist wieder verheilt und er hat das Go von seinem Arzt bekommen.“

„Schon, aber wir müssen es ja nicht darauf anlegen“ gab ich mit einem Zwinkern zurück.
 

„Hey, Jim“ hörten wir Akis Stimme und drehten uns zu ihr.

„Das ging ja schnell“ bemerkte ich. „Ich dachte, der Klub würde länger dauern.“

„Sensei Tredwell hat durchgezogen, dadurch waren wir schneller fertig.“

„Können wir?“ fragte Jim. Von seiner Nervosität schien nicht mehr viel übrig zu sein, oder er versteckte sie gut.

Aki nickte zufrieden und wir verabschiedeten uns.
 

Ich machte mich schnell auf den Weg ins Musikzimmer, um Yusei noch abzupassen. Im Gang kam mir Sensei Tredwell entgegen, die mir zur Begrüßung zunickte. Ob Yusei überhaupt noch da ist, wenn sie schon geht? Allerdings wurde meine Frage schnell beantwortet. Ich hörte Klaviermusik aus dem Zimmer, also war er wohl noch da. Dort angekommen, blieb ich schmunzelnd im Türrahmen stehen. Er war wie immer in seiner eigenen Welt, wenn er spielte. Irgendwoher kannte ich die Melodie. Sie war wirklich schön. Weder glücklich, noch traurig. Irgendwas dazwischen. Ich glaube, Yusei hatte sie mir mal vorgespielt, aber an den Titel konnte ich mich nicht genau erinnern. Irgendwas mit Fluss.
 

Langsam ging ich auf ihn zu, und hoffte, ihn nicht zu erschrecken. Anscheinend bemerkte er mich, denn er sah kurz auf und lächelte, ehe er seine Augen wieder schloss und sich auf die Musik konzentrierte. Ich setzte mich zu ihm und schloss ebenfalls für einen Moment die Augen. Diese Melodie war wirklich schön. Während die letzten Klänge durch den Raum hallten, sah er wieder auf.

„Spielt ihr das bei der Weihnachtsaufführung?“ fragte ich.

„Nein, ich hatte nur gerade Lust darauf. Hätte ich allerdings gewusst, dass du auf mich wartest, wäre ich gleich rausgekommen.“

Ich grinste. „Dann hätte ich aber verpasst, wie du spielst!“

Das entlockte ihm einen belustigten Laut.
 

„Also“ setzte ich an und musterte ihn. Ich wollte nicht um den heißen Brei herumreden. „Was ist los mit dir?“

Wieder legte sich dieses melancholische Lächeln auf seine Lippen und er sah zu den Tasten des Klaviers. „Du kennst mich zu gut“ sagte er und sah wieder auf. „Ich weiß nur nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll. Schließlich hat sie sich 20 Jahre lang nicht gemeldet und plötzlich taucht sie nach dem Tod meiner Mutter in meinem Leben auf, obwohl sie sich vorher scheinbar nicht für mich interessiert hat?“

„Hat sie dir einen Grund genannt?“

„Sie würde mich gern kennen lernen. An meinem Leben teilhaben. Und an dem meines Vaters. Warum sie ausgerechnet jetzt auftaucht hat sie nicht wirklich beantwortet. Ihr Mann ist wohl kurz nach meiner Mutter an einem Herzinfarkt gestorben. Er war schon fast 80. Vielleicht hat sie jetzt einfach niemanden mehr.“

„Keine Ahnung, aber ist das nicht egoistisch? Ich meine, sie hat ihre eigene Tochter verstoßen. Macht sie das jetzt nur für ihr Gewissen?“

Yusei schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Sie schien wirklich verzweifelt. Ihre Seite der Geschichte war, dass ihr Mann meine Mutter verstoßen hat, und sie sich nicht gegen ihn gestellt hat. Sie hatte Angst vor ihm. Das bereut sie wohl. Sie hat mir sogar einige Briefe und Fotos gezeigt.“

„Welche Briefe denn?“

Seine Mundwinkel zuckten etwas nach oben. „Immer an meinem Geburtstag hat sie einen Brief von meiner Mutter bekommen und wurde so auf dem Laufenden gehalten. Sie wusste ziemlich viel über mich und meinen Vater.“

Ich fand das alles trotzdem merkwürdig. „Und was machst du jetzt?“

„Ich weiß es nicht“ seufzte er und lehnte sich an meine Schulter. „Was spricht dagegen sie kennenzulernen? Immerhin gehört sie zur Familie, egal was passiert ist.“

Ich legte einen Arm um ihn und lehnte meinen Kopf auf seinen. „Stimmt zwar, aber was ist mit deinem Vater? Anscheinend hat er was dagegen.“

„Vielleicht weiß er nicht, dass ihr Mann meine Mutter verstoßen hat. Vielleicht denkt er, es wäre ihre Schuld gewesen. Keine Ahnung, ich würde sie auf jeden Fall gern kennenlernen.“

Ich lachte kurz auf. „Klingt doch, als hättest du deinen Entschluss schon gefasst.“ Ich hatte zwar irgendwie ein mulmiges Gefühl bei der Sache, aber die Hauptsache war, dass es ihn glücklich machte.

Ich hörte ein leichtes Lächeln in Yuseis Stimme. „Stimmt wohl. Jetzt muss ich es ihm nur noch beibringen.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
* Harry Potter Zitat eingebracht! Jetzt kann ich glücklich sterben! :) Fun Fact: darauf warte ich seit Kapitel 3! xD Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Alexiel91
2021-04-29T18:42:50+00:00 29.04.2021 20:42
Hey schön wieder von dir was zu lesen zu bekommen 🤗🤗🤗
Es scheint ja spannend zu werden und wieder so niedlich wie die beiden miteinander umgehen. Hatte sehr viel Spaß beim Lesen, danke dafür und ich freue mich wie immer auf das nächste Mal LG Alexie
Antwort von:  stardustrose
03.05.2021 21:03
Das nächste dauert bedauerlicherweise noch bis nächste Woche 😭 fertig ist es, aber meine betaleserin ist gerade verhindert.


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