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Broken Birdie

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo Du,
mit einiger Verspätung hier nun endlich das neue Kapitel. Leider – und es ist ja immer klug, sowas direkt zu Anfang zu sagen, damit jeder so richtig Lust aufs Lesen bekommt – bin ich wirklich unzufrieden damit. Aus Gründen musste ich meinen Plot ein bisschen abändern und quasi einen „Zwischenplot“ einfügen, aber ich war wochenlang hin und her gerissen, wie ich das anstellen möchte, deswegen hat das Kapitel so lange auf sich warten lassen. Nun ja, und jetzt habe ich mich der Leere meines Gehirns gebeugt; mir kam in den vergangenen Wochen nicht diese eine zündende Idee, also wird sie wohl auch nicht in den nächsten Wochen kommen… Sicherlich hätte man das besser machen können, aber… Naja, kein Aber. Ich bin nicht wirklich glücklich damit, aber (schon wieder) habe mich unterdessen damit abgefunden. Wie sagte Bob Ross immer: We don't make mistakes, just happy little accidents.
Ich hoffe, der eine oder andere fühlt sich dennoch unterhalten. Komplett anzeigen

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Team Sakura

Der Tag brach unter einer stinkenden grau-blauen Rauchkuppel an, die sich wie eine Nebelglocke über das Dorf spannte. Die aufgehende Sonne, ein hübscher purpurner Streifen am Horizont, überzog Konohagakure no Sato mit einem schmutzigen rostroten Licht, das sich an Milliarden von in der Luft umherwirbelnden Schmutzpartikeln brach. Die verkohlten Ruinen der Jōnin-Quartiere qualmten noch immer, vereinzelte Gluten versuchten, sich zu einem neuen Brand zusammenzurotten, wurden jedoch von beherzten Schuhsohlen zertreten, unter Sand erstickt oder in Wasser ertränkt. Die Straßen waren trotz der frühen Stunde von emsigem Treiben erfüllt. Konohas Bevölkerung – die größtenteils darin übereinstimmte, dass das alles zwar sehr tragisch war, man insgesamt aber doch glimpflich davongekommen war – hatte bereits die Ärmel hochgekrempelt und sich an den Neuaufbau des zerstörten Viertels gemacht.
 

Sakura bekam von alledem nichts mit. Die rosahaarige Iryōnin lag in Embryonalhaltung auf dem Sofa im Aufenthaltsraum des Krankenhauses zusammengerollt und schlief tief und fest. Bei jedem Atemzug entwich ihrem Mund ein kehliges Schnarchen und dann und wann nuschelte sie unverständliche Worte, die sie sich im Schlaf anspannen und unruhig von einer Seite auf die andere wälzen ließen. Sie hörte auch nicht, wie die Tür beinahe geräuschlos geöffnet wurde und ein ANBU das Zimmer betrat. Der maskierte Ninja sah sich für einen Moment aufmerksam um, ehe er das Sofa umrundete und sich vor die Schlafende hockte. Sakura zog die Brauen zusammen, als sie die Anwesenheit des ANBU unterbewusst spürte, erwachte jedoch nicht. Er betrachtete sie einige Sekunden, dann drückte er ihre Nasenflügel zwischen Daumen und Indexfinger zusammen, woraufhin sie zu röcheln begann und den Kopf hin und her warf, um sich zu befreien.
 

Sie erwachte von der unsanften Behandlung, blinzelte ein paar Mal dümmlich, als das erste, was sie sah, das ausdruckslose Froschgesicht war. Mit einem atemlosen Keuchen fuhr sie in die Senkrechte, wich so weit von ihm zurück, wie die Rückenlehne des Sofas gestattete, und holte mit der Faust aus, doch der ANBU neigte lediglich den Kopf leicht zur Seite, um dem Schlag auszuweichen.
 

„Miserable Reflexe“, sagte er oberlehrerhaft. „Wäre ich ein feindlicher Shinobi, wärst du tot.“
 

„Glück für mich, dass das nicht der Fall ist“, presste sie durch zusammengebissene Zähne hindurch, die Stimme heiser vom Schlaf. Ihre Atmung ging abgehackt, doch ihr Puls beruhigte sich langsam von dem Schreck. Verschlafen fuhr sie sich durch das frisch gewaschene, noch immer feuchte Haar, das wirr in alle Richtungen abstand, und rieb sich die Augen. Ihr Körper fühlte sich schwer und träge an, sie war müde, hatte nicht lange genug geruht, um ihre Chakrareserven zu regenerieren, und obgleich das keine Entschuldigung war, sorgte es definitiv dafür, dass sie nicht in der Stimmung war, sich kritisieren zu lassen.
 

Der ANBU erhob sich mit einem verächtlichen Zischen; im Stehen ragte er baumhoch vor der zierlichen Frau auf. „Die Hokage wünscht, dich zu sehen.“

Sakura seufzte und rutschte ungelenk von ihrer provisorischen Schlafstätte. Ihr war kalt und die dünne Krankenhauskleidung, die sie gegen ihren ruinierten Kimono getauscht hatte, wärmte kaum. Ihr schöner Kimono, für den sie ein kleines Vermögen hingeblättert hatte und der sich nun eine Abfalltonne mit schmutzigem Verbandsmaterial und benutzten Spritzen teilte. Sasuke hatte ihr nicht mal gesagt, dass sie hübsch aussah. Mit steifen, ungeschickten Fingern zog sie den Arztkittel über, den sie als behelfsmäßige Zudecke verwendet hatte, und knöpfte ihn zu.

Die Augen des Froschgesichtes waren hinter der Maske nicht zu erkennen, er sah nicht einmal direkt in ihre Richtung und doch hatte sie das untrügliche Gefühl, dass er sie genauestens beobachtete. Etwas an seiner Anwesenheit, dass er ihr quasi beim Anziehen zusah, ließ sie sich unbehaglich fühlen. Was mochte ein Außenstehender wohl denken, wenn er just in diesem Moment das Zimmer betreten würde? Und viel wichtiger: Weshalb war einer von Konohas Elite-Ninja mit einem einfachen Botengang betraut worden? Eigentlich ließ das nur zwei Schlüsse zu. Man hielt sie für besonders schutzbedürftig. Oder besonders überwachungswürdig. Beides sorgte dafür, dass sich ihr Magen verkrampfte und sie ihren Kittel vor Nervosität falsch knöpfte.

„Schneller, wenn ich bitten darf. Die Hokage lässt man nicht warten“, knurrte der Mann ungeduldig und schnalzte missbilligend mit der Zunge.
 

Ihr Lid zuckte ärgerlich ob seiner ruppigen, despektierlichen Art. Sie konnte ihm anhören, dass er sie für Zeitverschwendung hielt. Sie, die nicht aufwachte, wenn sich ihr jemand im Schlaf näherte, und die nicht mal ihre Kleidung anständig zuknöpfen konnte. Er musste sie für eine Versagerin oder eine Idiotin halten. „Ich bin ja schon fertig“, knurrte sie zurück. „Dürfte ich vielleicht erfahren, worum es geht?“
 

„Nein“, sagte das Froschgesicht. „Und jetzt Bewegung.“
 

Er bedeutete ihr mit einer ironisch-höflichen Geste den Vortritt. Sakura war nicht wohl dabei, ihn im Rücken zu haben, befolgte den Befehl jedoch und trat auf den Krankenhausflur, auf dem nach wie vor reger Betrieb herrschte, um dem Patientenaufkommen gerecht zu werden. Wie durch ein Wunder war fast niemand schwer verletzt worden, die meisten waren mit kleinen Blessuren und Verbrennungen oder leichten Rauchvergiftungen davongekommen, hier ein gebrochener Finger oder Zeh, da eine Fleischwunde, dort Erschöpfung durch Chakramangel. Nur einen jungen Genin, dessen Stirnschoner noch blitzblank und kratzerfrei gewesen war, hatte es übel erwischt, als er unter einstürzenden Dachbalken verschüttet worden war – und Asuma Sarutobi natürlich, der gestorben war und dem niemand mehr helfen konnte. Der Junge hatte innere Verletzungen erlitten und sein Bein war in einem katastrophalen Zustand gewesen, als Sakura aus dem OP gerufen worden war, um sich um einen anderen Patienten zu kümmern. Sie kniff die Lippen zusammen und machte sich die gedankliche Notiz, sich nach dem Jungen zu erkundigen. Und nach Kurenai.
 

Nachdem Sakura sie ins Krankenhaus begleitet, ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht und sie sowie ihr ungeborenes Kind untersucht hatte, hatte sie nicht mehr viel für die Ältere tun können. Kurenai war unglücklich und verzweifelt, aber körperlich unversehrt gewesen. Die Jōnin hatte ihr unter Tränen erzählt, dass sie nur deswegen einen Spaziergang unternommen hatte, weil Asuma nach Zigarettenrauch und Alkohol gerochen hatte und ihr davon schlecht geworden war. Sakura hatte schweigend zugehört; sie hatte nicht gewusst, was sie hätte sagen können, um den Schmerz der Frau zu lindern, und vermutlich hatte diese sich ohnehin nur die Schuldgefühle von der Seele reden wollen. Freilich war es absurd, sich deswegen schuldig zu fühlen, denn hätte sie die Wohnung nicht verlassen, wäre sie ebenfalls tot, doch das auszusprechen hätte nichts geändert. Überlebende fühlten sich immer schuldig, dachten immer, dass alles irgendwie anders gekommen wäre, wenn sie nur dagewesen wären. Sie war froh gewesen, als Hinata, Kiba und Shino an Kurenais Seite geeilt waren und ihr die Verantwortung für die seelische Betreuung der Frau abgenommen hatten. Sakura kannte Kurenai schließlich kaum. Sie hatte Asuma kaum gekannt, und obgleich sein Tod fraglos schlimm war, traf er sie auf keiner persönlichen Ebene. Mehr Sorgen bereitete ihr, welche Auswirkungen sein Tod auf Kakashi hatte. Oder auf Team 10, vor allem Ino, über deren Verbleib sie noch immer nichts erfahren hatte. Außerdem fand sie verstörend, wie es überhaupt dazu hatte kommen können. Asuma war ein hervorragender Shinobi gewesen, sein würdeloses, unbedeutendes Ende wurde seinem Talent nicht gerecht. Wenn man schon nicht friedlich in hohem Alter verschied, so doch wenigstens ehrenhaft im Kampf, nicht indem man im Schlaf in blutige Fleischklumpen zerfetzt wurde. Sakura schluckte den süßlichen Speichel, der sich in ihrem Mund zu sammeln begann, herunter. In ihrer Tätigkeit als Iryōnin war sie mittlerweile einiges gewohnt, doch der Gedanke, was von einem übrigblieb, wenn man von einer Bombe in Stücke gerissen wurde, ließ sie dennoch unangenehm frösteln.
 

Neugierige Blicke und Getuschel verfolgten sie bis zum Eingang des Krankenhauses. Sie verbiss sich die patzige Bemerkung, ob hier denn niemand Wichtigeres zu tun habe, weil sie damit nur noch mehr unliebsame Aufmerksamkeit auf sich gezogen und wilde Spekulationen genährt hätte. Ihr blieb lediglich, erhobenen Hauptes durch die Flure zu marschieren, als wäre es das Normalste der Welt, wie eine Verbrecherin von einem ANBU eskortiert zu werden.
 

Die klirrende Kälte vor dem Hospital schlug wie eine Welle über ihr zusammen und sie zog den dünnen Arztkittel enger um ihren Körper, der unverzüglich mit einem unkontrollierbaren Zittern gegen die frostigen Temperaturen ankämpfte. Die Sonne stand als blasse, verschleierte Scheibe an einem unnatürlich diesigen Himmel, tauchte das Dorf in ein ungemütliches Zwielichtgrau, und die Luft stank nach Rauch und Schwarzpulver. Aus Richtung der Jōnin-Quartiere stiegen dünne weiße Rauchsäulen auf. Sakura blieb automatisch stehen und nahm den Anblick mit Unbehagen in sich auf. Dieses Konoha wirkte fremd auf sie, wie eine düstere Kopie aus einer von Unheil gebeutelten Parallelwelt.
 

Sie ächzte dumpf, als sich unerwartet zwei Fingerkuppen in den Druckpunkt zwischen ihren Schulterblättern bohrten, und stolperte einen halben Schritt vorwärts. „Die Hokage ist in ihrem Büro“, schnarrte das Froschgesicht. „Bewegung.“
 

Sakura wirbelte auf dem Absatz herum und schlug nach der Hand des Mannes. „Fass mich nicht an“, fauchte sie zornig, obzwar ihre Stimme schrill und ein bisschen panisch klang. Panisch genug, dass ihnen befremdete Seitenblicke zugeworfen wurden. Sie ballte die Fäuste und atmete abgehackt; die Froschmaske des ANBU verschwamm vor ihren erschöpften Augen für den Bruchteil einer Sekunde zu Hidans ekelhaftem Grinsen und sie klatschte ihre Handflächen gegen die Wangen, um das Bild zu vertreiben. Nicht anstellen, Sakura, ermahnte sie sich, konzentrierte sich ganz auf das Brennen ihrer Wangen.
 

Der ANBU schien für einen Moment irritiert von ihrer heftigen Reaktion und legte den Kopf leicht schief, deutete dann jedoch unbeeindruckt mit dem Daumen Richtung Verwaltungsgebäude. „Die Hokage wartet.“
 

Errötend wandte sie sich in die angezeigte Richtung und stapfte mit energischen Schritten durch den Schnee. Der ANBU folgte ihr dicht auf den Fersen, wenngleich er nun wenigstens einen höflichen Abstand zu ihr einhielt und ihr nicht mehr ins Genick atmete. Sie knabberte beschämt an ihrer Unterlippe und überlegte, ob es nicht womöglich doch klug wäre, sich den Vorfall mit Hidan von der Seele zu reden. Offenbar hatte der Mistkerl sie gravierender traumatisiert, als sie zunächst angenommen hatte, und auch wenn sie nicht darüber nachzudenken versuchte, konnte sie es sich schlicht nicht leisten, dass er sich in unpassenden Situationen ihrer Erinnerungen bemächtigte. Im Kampf könnte es sie oder andere schlimmstenfalls das Leben kosten. Doch was, wenn sie anschließend nur noch die Frau wäre, die sich hatte begrapschen lassen? Sie wusste, wie schnell Tratsch eskalieren konnte, jemand bräuchte nur andeuten, dass es vielleicht einvernehmlich geschehen wäre, und am nächsten Tag hätte sie sich angeblich schon durchs halbe Dorf geschlafen. Außerdem wüsste sie gar nicht, wem sie davon erzählen sollte. Ino und Lady Tsunade hatten wahrlich andere Sorgen. Naruto würde Hidan zweifelsohne unverzüglich zur Rechenschaft ziehen wollen – und dabei im ganzen Dorf herumbrüllen, was er getan hatte. Und Sasuke, nein, ihm konnte sie diese Sache nun wirklich nicht anvertrauen. Selbst, wenn er nicht diese furchtbaren Dinge über sie gesagt hätte… Allein der Gedanke drehte ihr vor Scham den Magen um.
 

Sie passierten das verwaiste Akademie-Gelände, die Fenster reflektierten dunkel und leblos das düstere Morgenlicht. Offenbar fiel der Unterricht nach den Ereignissen der vergangenen Nacht aus. Ihre Gedanken wanderten flüchtig zu dem verletzten Genin zurück, der noch vor wenigen Wochen jenseits der Glasscheiben gesessen hatte und vielleicht davon getagträumt hatte, endlich ein richtiger Ninja zu sein. Sie wandte den Blick ab.
 

Das Verwaltungsgebäude war erstaunlicherweise gleichfalls wie ausgestorben. Normalerweise wimmelte es in der Eingangshalle von Shinobi, die auf Missionen gingen, von Missionen kamen oder sich einfach austauschten, doch an diesem Tag hielten sich lediglich Iruka, der das Gesicht in den Händen begraben hatte, und Genma, der unbeholfen dessen Schulter tätschelte, darin auf. Wenn etwas dafür stand, wie sehr der Anschlag die Routine im Dorf durcheinandergebracht hatte, dann die leere, gespenstig stille Halle.
 

Ihr ehemaliger Klassenlehrer blickte auf, als ihre Schritte über den Boden schallten. Der ANBU bewegte sich geräuschlos. Iruka benötigte einen Moment, um das sich bietende Bild zu verarbeiten, zog dann irritiert die Brauen zusammen und starrte Sakura an, als wollte er sich telepathisch mit ihr unterhalten. Seine Augen waren gerötet und blutunterlaufen, als ob er vor nicht allzu langer Zeit geweint hätte; die Unbeschwertheit der Schneeballschlacht, die er sich mit den Kindern geliefert hatte, schien Jahrzehnte zurückzuliegen. Genma wirkte gefasster, doch seine dunklen Augen legten sich argwöhnisch und unmerklich verengt auf das ungleiche Paar, das Senbon wechselte den Mundwinkel und seine Zähne erzeugten unruhige metallische Klack-Geräusche auf der Nadel. Sakura erlaubte sich ein zuversichtliches Lächeln, das weder Iruka noch sie selbst überzeugen konnte, woraufhin sie mit den Achseln zuckte, um ihm zu signalisieren, dass sie ebenfalls nicht wusste, worum es ging. Sie schätzte Iruka, mochte ihn sogar und wollte ihm keine zusätzlichen Sorgen bereiten. Außerdem gab es keinen Grund zur Besorgnis, schließlich hatte sie nichts angestellt – außer vielleicht ein paar heikle Details über Sasuke für sich behalten. Sie schluckte nervös. Naja, vielleicht hatte sie doch ein klitzekleines bisschen Ärger am Hals.
 

Sakura erreichte Tsunades Büro mit dem Gefühl, dass sich ihre Eingeweide sukzessive zu Gelee verflüssigt hatten. Sie wollte sich ihr Unbehagen vor dem ANBU nicht anmerken lassen, doch ihre Kieferpartie war verkrampft genug, um Nüsse knacken zu können. Und natürlich musste es ihm auffallen; er wäre ziemlich mies in seinem Job, wenn er derartige, verräterische Kleinigkeiten nicht bemerken würde. Die Rosahaarige versuchte, ihre Gesichtsmuskeln zu lockern, zog aber nur ein paar dämliche Grimassen, weswegen sie das Einzige tat, was ihr in dieser Situation blieb, sie guckte angemessen verdrießlich, um ihre Nervosität wie gerechten Zorn aussehen zu lassen.

Durch die geschlossene Tür drang eine Kakofonie mehrerer Stimmen, die sich hörbar im Streit miteinander befanden. Sakura verstand nicht, was gesagt wurde, doch die Stimmen waren wie Ebbe und Flut, erst ein leises Gemurmel, ein wütendes Summen wie von Hornissen, das sich schlagartig mit der Kraft einer brechenden Welle entlud und Aggressionen wie Gischt durch den Raum spritzte. Sie warf dem Froschgesicht einen unsicheren Blick zu, das jedoch selbst nicht zu wissen schien, wie es sich nun verhalten sollte.

„Na los, brauchst du eine Extraeinladung?“, sagte er und gestikulierte zur Tür.
 

„Bestimmt nicht“, entgegnete Sakura, verschränkte demonstrativ die Arme und trat einen Schritt von der Tür weg, damit Tsunade – oder ihr Besuch – gar nicht erst auf die Idee kommen konnte, dass sie zu stören gewagt hatte. Die blonde Frau war gerecht, tendierte gelegentlich jedoch dazu, ihren Ärger an der erstbesten Person, die ihr in die Quere kam, auszulassen, und wenn sie die Geräusche jenseits der Tür korrekt analysierte, war die Hokage fuchsteufelswild gestimmt. Deutete sie das Verhalten des ANBU richtig, war ihm dieser Umstand sehr wohl bewusst; sie konnte sein Gesicht zwar nicht sehen, aber sein Zögern verriet ihn.
 

Er zischte etwas, das wie Feigling klang und der Kunoichi lediglich ein zynisches Schmunzeln entlockte, straffte dann jedoch die Schultern und klopfte gegen das Holz. Just in diesem Moment wurde die Tür von einem furchteinflößenden Mann aufgerissen, dessen rechte Gesichtshälfte bandagiert war, doch in seinem linken Auge glomm unverhohlener Zorn und seine Miene war derart grimmig, dass Ibiki im Vergleich regelrecht heiter wirkte. Er stieß den ANBU allein mit der Kälte seines Blickes beiseite, der sich in einem perfekten Neunzig-Grad-Winkel vor dem Alten verbeugte. Sakura tat es ihm unweigerlich gleich. Etwas an dem Bandagierten sorgte dafür, dass ihre Wirbelsäule gefror und sich ihre Nackenhärchen aufrichteten. Der Alte hielt für einen Augenblick inne – sie spürte, wie er sie musterte, und ließ das Haar vor ihr Gesicht fallen –, ehe er grußlos im Gang verschwand.

„Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, grollte ein zweiter Mann, der hinter dem ersten aus Tsunades Büro trat und dem wiederum eine alte Frau folgte. Beide beachteten weder sie noch den ANBU und eilten dem Bandagierten bemerkenswert leichtfüßig nach.
 

„Das werden wir noch sehen“, brüllte Tsunade und hieb auf den Tisch, der unter der Macht ihrer Faust erbarmungswürdig knirschte. Ein Stapel Schriftrollen flog in die Luft und regnete auf den Fußboden, eine erdreistete sich sogar, gegen ihren Kopf zu knallen.
 

Sakura schluckte. Der ANBU schluckte auch und Held, der er nicht war, winkte er die junge Frau gebieterisch ins Büro, indes er selbst im Türrahmen verweilte und auf ein Knie sank. „Haruno-san wurde wie befohlen abgeliefert.“
 

„Das sehe ich, Frosch.“ An Tsunades Schläfe pulsierte eine Ader. „Du kannst jetzt gehen.“
 

Der Mann verpuffte noch in derselben Sekunde und Sakura verteufelte den blöden Frosch, der sich nun einfach verdünnisieren durfte, während sie Tsunades mieser Laune ausgesetzt blieb. Was auch immer sie mit den drei Alten besprochen hatte, hatte ihre Stimmung unter den Gefrierpunkt sinken lassen.

„Hast du Wurzeln geschlagen?!“
 

Sakura kicherte gezwungen, woraufhin sich Tsunade gestresst in die Nasenwurzel kniff. Okay, offenbar kein Senju-Scherz. Sie schloss die Bürotür zu energisch, die daraufhin laut in die Angeln krachte. Ein windschiefer Turm Schriftrollen erzitterte und kippte zur Seite weg. Die Hokage sah aus, als wollte sie jemanden umbringen, und Sakura stieg vorsichtig über die versiegelten Dokumente, die über den Boden kullerten, und nahm mit Unschuldsmiene gegenüber der blonden Frau Platz.

„Wer waren diese Leute?“, fragte sie zögerlich.
 

„Ältestenrat“, erklärte die Blonde wortkarg.
 

„Ach“, machte sie erstaunt. Irgendwie hatte Sakura nicht damit gerechnet, dass der Ältestenrat, nun ja, tatsächlich alt war. Andererseits… abermals lief es ihr eiskalt den Rücken runter, als sie an den unheimlichen Bandagierten dachte. Er hatte ausgesehen, als würde er anderen gern das Leben schwermachen, und etwas zutiefst Bedrohliches war von ihm ausgegangen. Unweigerlich zollte sie der Älteren ihren Respekt, dass diese sich seit Monaten wiederholt mit ihm anlegte.
 

Tsunade machte eine Handbewegung, als wollte sie ein lästiges Insekt – oder die Gedanken an den Ältestenrat – verscheuchen. „Ich habe eine Mission für dich.“
 

„O-okay.“ Sakura blinzelte überrumpelt, rutschte jedoch gespannt auf die äußerste Kante ihres Stuhles. Sie hatte mit Vielem gerechnet, aber nicht damit. Normalerweise war sie derart ausgelastet – und unentbehrlich – im Krankenhaus, dass sie bereits seit Monaten nicht mehr für eine offizielle Mission zugeteilt worden war. Prompt rauschte Adrenalin durch ihre Blutbahnen, ihr Herz fühlte sich an, als würde es vor erregter Anspannung jeden Augenblick platzen.
 

„Wir haben erste Erkenntnisse über die Explosion im Jōnin-Viertel“, eröffnete Tsunade, ihre Lippen formten eine schmale, strenge Linie. Asumas Name schwebte so greifbar im Raum, als stünde sein Geist direkt neben ihnen.
 

„Oh, das ging schnell“, merkte Sakura an, indes sie ihren Blick betreten auf ihre ineinander verschlungenen Finger senkte. Sie fühlte sich schuldig, dass sein Tod sie so wenig tangierte, obzwar für einige ihrer engsten Freunde gerade ein Stückchen Welt zusammenbrechen musste. Hätte es Kakashi erwischt, wäre sie gewiss untröstlich und am Boden zerstört.
 

„Ōnoki-sama sicherte uns seine volle Kooperationsbereitschaft zu. Vermutlich denkt er, dass er vor Konoha dadurch am ehesten seine Hände in Unschuld waschen kann.“ Was bedeutete, dass Deidara nötigenfalls unter Zuhilfenahme von Folter zu einer Aussage gezwungen werden durfte und wahrscheinlich worden war. Sakura biss sich auf die Zunge, um diese im Zaum zu halten. Vermutlich war sie zu weich, doch Folter und unnötige Brutalität waren ihr stets zuwider gewesen, andererseits war der Gedanke, was der Iwa-Nin womöglich mit Ino angestellt hatte, zu frisch, ihr Mitleid hielt sich in Grenzen, und dass der Tsuchikage Konoha de facto einen Freifahrtschein ausgestellt hatte, hieß gleichzeitig, dass sich niemand darum scheren würde, wie die Uchiha-Polizei mit dem Blonden umgegangen war. Ihr Atem entwich als erleichtertes Seufzen und sie fragte sich, ob sie deswegen ein schlechter Mensch war.

„Der verdächtige Ninja wird derzeit verhört, doch bislang waren seine Aussagen nicht sonderlich aufschlussreich. Er behauptet, es nicht gewesen zu sein, aber seine Chakrasignatur stimmt mit der am Tatort überein und seine Fähigkeiten legen nahe, dass er dafür verantwortlich ist. Inoichi ist an der Sache dran.“
 

„Und Ino?“, entfuhr es Sakura bei der Erwähnung ihres Vaters.
 

„Ino? Was soll mit Ino sein?“, hakte Tsunade nach, spürbar genervt, dass die Jüngere sie unterbrochen hatte.
 

„Sie war mit Deidara zusammen. Ich mache mir Sorgen, dass er ihr ebenfalls etwas angetan haben könnte.“
 

Tsunades Miene verhärtete sich schlagartig. „Verdammt, wenn das stimmt, bringt Inoichi ihn um und wir klären die Sache niemals auf.“

Sakura stockte der Atem. Sie war fast sicher, dass Tsunade es nicht so meinte, nur unglaublich gestresst war, doch sie hatte derart empathielos gesprochen, als wäre Ino lediglich ein möglicher Kollateralschaden.

„Was hat Ino mit diesem Deidara zu schaffen?“, fragte sie anklagend.
 

„Er hat sie zum Tanzen aufgefordert“, erklärte Sakura schnippisch. „Wie man das eben auf Festen macht. Und nein, zu diesem Zeitpunkt hat er nicht den Eindruck erweckt, dass er planen würde, Amok im Dorf zu laufen.“
 

Die Hokage stieß ein Seufzen aus, das mehr an ein Knurren erinnerte. „Wenn sich das Mädchen nur halb so sehr für ihre Ausbildung interessieren würde wie für Männer.“
 

Sakura ballte die Fäuste, bis ihre Nägel einen glühenden Schmerz in ihre Handflächen fraßen, um Tsunade nicht zu widersprechen. Die Anschuldigungen waren mehr als unfair. Ino stellte ihr Training seit Wochen, Monaten über Jungs. Und mit Deidara hatte sie sich freilich nur auf Sakuras Drängen hin abgegeben. Wenn sie genau darüber nachdachte, konnte sie sich nicht mal erinnern, wann Ino überhaupt das letzte Mal von jemandem geschwärmt hatte. Obwohl… Als die Delegation aus Yugakure eingetroffen war, hatte sie Hidans gutes Aussehen lobend angesprochen. Plötzlich hatte Sakura einen bitteren Geschmack im Mund, der ihre Zunge betäubte.
 

Die Blonde massierte sich die Schläfen, als hätte sie Kopfschmerzen. Betrunken, wie sie noch vor wenigen Stunden gewesen war, war das sogar wahrscheinlich. „Von Ino weiß ich nichts“, sagte sie in einem Ton, der suggerierte, dass das Thema für sie damit beendet war. „Aber Inoichis bisherige Nachforschungen ergaben, dass dieser Deidara entweder tatsächlich keinerlei Erinnerungen an den Tathergang hat oder ausgezeichnet darin ist, Informationen zu verheimlichen. Derzeit halten wir allerdings für das Wahrscheinlichste, dass er sich zum Zeitpunkt der Tat in einem Genjutsu befunden hat. Die Rücksprache mit seinem Team lässt darauf schließen, dass er anfällig dafür ist.“
 

„Und jetzt verdächtigen Sie Sas- die Uchihas?“
 

Tsunade schnalzte geräuschvoll mit der Zunge und Sakura hatte den Eindruck, abschätzig von ihrer Vorgesetzten gemustert zu werden, was sie unweigerlich ein wenig in sich zusammensinken ließ.

„Genjutsu benötigen Veranlagung. Man kann diese Fähigkeiten bis zu einem gewissen Grad trainieren, wird jedoch nie herausragende Ergebnisse erzielen, wenn es an natürlichem Talent mangelt. Dieses Genjutsu – falls es sich denn um eines handelt – muss von einem wahren Meister ausgeführt worden sein. Der Verdächtige wurde nicht nur über einen mutmaßlich längeren Zeitraum wie eine Marionette gesteuert, überdies wurden seine Erinnerungen in einem Maße manipuliert, dass nicht mal Inoichi darauf zugreifen kann. Klammert man den Uchiha-Clan aus, ist die Anzahl jener, die dazu in der Lage wären, überschaubar.“
 

Eine Million Ryō für eine Sekunde in Tsunades Gedanken, dachte Sakura finster. Obzwar die Hokage sich diplomatisch gab, haftete ihren Worten die unterschwellige Ansicht an, dass es zwar theoretisch möglich wäre, sie es aber doch für unwahrscheinlich hielt.

Sasuke war es aber nicht, du blöde Schachtel, keifte die andere Sakura. Ihr dröhnte der Schädel.

„Das allein ist kein Beweis, dass es ein Uchiha gewesen sein muss“, hörte sie sich dumpf durch den Schleier ihrer rotierenden Gedanken sagen. „Ihnen wäre klar gewesen, dass ein derart mächtiges Genjutsu sie direkt zu Hauptverdächtigen machen muss. Wieso nicht diskreter vorgehen? Und warum Asuma Sarutobi? Als Verantwortliche für den Schutz innerhalb des Dorfes hätten sie sich sogar in doppelter Hinsicht diskreditiert.“
 

„Womöglich war genau das das Ziel“, sagte Tsunade und legte die Fingerkuppen aneinander. „Eventuell dachte der Strippenzieher, dass diejenigen, die loyal zu Konoha stehen, kippen, wenn sich die Stimmung gegen den Clan verdichtet. Vielleicht spekulierte er darauf, die Friedensverhandlungen zwischen Konoha und Iwagakure zu sabotieren.“
 

Sakura biss die Zähne zusammen. „Sasuke wusste nichts davon. Wir waren zusammen, als es passierte, und ich lege meine Hand ins Feuer, dass er keine Ahnung hatte. Beide, wenn es sein muss.“
 

Tsunade seufzte, ein Laut, irgendwo zwischen Resignation und Verärgerung. „Sakura, ich muss mich darauf verlassen können, dass du dich von deinem Verstand und nicht von irgendwelchen Gefühlen für Sasuke Uchiha leiten lässt.“
 

Ertappt lief ihr Gesicht signalrot an. Ihr Mund klappte stumm auf und zu, dann ballte sie die Fäuste und sprang von ihrem Stuhl auf. „Und ich muss mich darauf verlassen können, dass Sie nicht im Interesse einer uralten Fehde handeln. Ich habe nicht einen Hinweis gefunden, dass Sasuke einen Bürgerkrieg anzuzetteln versucht oder einen solchen auch nur gutheißen würde. Meine Treue gilt Konoha, aber Sasuke ist mein Freund und ich vertraue ihm, weil ich ihn kenne und nichts darauf hindeutet, dass ich keinen Grund dazu hätte.“ Sie biss sich hart auf die Unterlippe, überwältigt von der Heftigkeit ihrer Emotionen. Er hatte sie verletzt und doch entsprach jedes Wort ihrer eigenen Wahrheit. Sasuke musste ihre Gefühle nicht erwidern, er musste sie nicht mal mögen, sie würde ihm vertrauen, bis er ihr das Gegenteil bewies, denn wie er zu ihr stand und wie er zum Dorf stand, waren zwei grundverschiedene Sachverhalte.
 

Genau, zeig’s der alten Ziege. Shannarō!
 

„Hinsetzen“, blökte Tsunade und Sakura gehorchte, doch auf ihrer Miene spiegelte sich noch immer etwas Rebellisches. „Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen“, fuhr sie barsch fort. „Es gab einen zweiten Angriff, der von mindestens einer weiteren unbekannten Person ausgeführt wurde. Die Opfer, Kotetsu Hagane und Izumo Kamizuki, sagten beide aus, dass sie kurz vor Mitternacht ein ungewöhnlich starkes Chakra bemerkten, das sich aus Konoha entfernte. Als sie der Sache nachgehen wollten, wurde Kotetsu hinterrücks angegriffen, Izumos Angreifer war, ich zitiere: ‚eine komische Gestalt in einem dunklen Kapuzenumhang, mit riesigen leuchtenden Augen‘. Beide wurden heute Morgen in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt, aber insgesamt unversehrt ein Stück nördlich des Dorfes aufgefunden, was nahelegt, dass der oder die Täter versiert in medizinischen Jutsu sind.“
 

„Ist ihr Verschwinden denn nicht aufgefallen?“, fragte Sakura bestürzt, die gruselig fand, dass man in einem Dorf voller Ninja unbemerkt angegriffen werden konnte.
 

„Die Wachablösung hat nicht gemeldet, dass sie nicht auf ihrem Posten waren. Sie gingen davon aus, dass die beiden blaumachen, und wollten sie nicht in Schwierigkeiten bringen.“ Ihr Gesicht spiegelte deutlich wider, was sie davon hielt. „Sie erstatteten erst Bericht, als sich herauskristallisierte, dass sie seit Längerem nicht mehr gesehen worden waren.“
 

„Was sicherlich die meisten in dieser Situation angenommen hätten, sodass sich niemand unverzüglich auf die Suche nach ihnen gemacht hätte.“
 

Tsunade fegte den Einwand mit einer unwirschen Handbewegung vom metaphorischen Tisch. „Ich möchte, dass du ein Team zusammenstellst und die Spur des Angreifers verfolgst. Euer primäres Ziel ist, die Identität dieser Person herauszufinden. Da wir nicht wissen, mit wem wir es zu tun haben, überlasse ich das weitere Vorgehen deinem Ermessen.“
 

Sakuras Lippen verzogen sich zu einem überraschten O. Eine auswärtige Mission, und dann auch noch mit ihr als Teamleiterin? Ihr wurde heiß und kalt, tausende Fragen schossen ihr durch den Kopf, doch sie sagte das Einzige, was zählte: „Ich habe verstanden.“
 

Die Hokage nickte knapp und sagte: „Die Auswahl deiner Teammitglieder ist derzeit leider beschränkt …“
 

„Ich weiß schon, wen ich mitnehmen werde“, unterbrach die Rosahaarige sie. „Sasuke Uchiha…“ Sie stockte, als Tsunade durch geblähte Nasenlöcher ausatmete. Sie kommentierte die Entscheidung zwar nicht, zweifelte deren Klugheit jedoch sichtlich an, sodass Sakura sich beinahe zu einer Erklärung hingerissen fühlte, um nicht den Anschein zu erwecken, andere als triftige Gründe hierfür zu haben, fand dann allerdings, dass jede Erklärung, egal wie rational sie war, wie ein Vorwand klingen würde. „Und Shikamaru Nara“, schloss sie daher.
 

„Dir ist bewusst, wie wichtig dieser Auftrag ist?“, fragte Tsunade scharf.
 

„Selbstverständlich, aber wenn Sie meine Kompetenzen bereits in der Wahl meiner Teammitglieder anzweifeln, bin ich vielleicht nicht geeignet, ein Team anzuführen“, entgegnete sie mit gerecktem Kinn, um selbstbewusster zu wirken.
 

Tsunade sah sie ausdruckslos an, lang genug, dass Sakura glaubte, die Mission wieder entzogen zu bekommen. „Gut, Shikamaru Nara und Sasuke Uchiha also. Ich lasse beiden eine Botschaft zukommen.“
 

„Verzeihung, aber ich würde gern selbst mit ihnen sprechen“, merkte sie zögerlich an und zig den Kopf leicht ein, als Tsunades Stirnvene bedrohlich zu pulsieren begann.
 

Die Blonde ließ ihre Faust abermals auf die Tischplatte donnern, was, wenn es nur wenige Zentimeter vor der eigenen Nase geschah, überaus beängstigend war, sagte jedoch nur mit einem gereizt-süßlichen Lächeln: „In Ordnung.“
 

Sakura war derart tief in Gedanken versunken, dass sie blind an Kakashi vorbeilief, der sie in der Eingangshalle erwartete. Der Jōnin musste mehrmals ihren Namen rufen, bis sie schließlich stirnrunzelnd aufblickte. „Sensei Kakashi? Was machen Sie denn hier?“
 

„Iruka meinte, dass du womöglich in Schwierigkeiten steckst“, antwortete er und sah skeptisch auf sie hinab. „Laut ihm wurdest du von der ANBU-Einheit festgenommen, was, wie mir scheint, eine überspitzte Darstellung der Wahrheit war.“
 

Sie lächelte matt. „Lady Tsunade hat mir eine Mission zugeteilt… als Teamleiterin.“
 

Falls er überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. „Du bist eine Chūnin und eine der verantwortungsbewusstesten Kunoichi, die ich kenne.“
 

„Hmm“, brummte sie, errötete jedoch leicht ob des Komplimentes. Kakashi lobte nicht oft, aber wenn, dann meinte er es stets aufrichtig.
 

Er klopfte ihr sacht auf die Schulter und kniff sein Auge freundlich zusammen. „Nervosität zeugt von Intelligenz, immerhin bist du nicht nur für den Erfolg der Mission verantwortlich, sondern vor allem für dein Team.“
 

„Mein Team“, echote sie leise. „Ich habe Sasuke und Shikamaru ausgewählt. Meinen Sie…? War das ein Fehler?“
 

Kakashi zögerte eine Sekunde, doch sein Blick verlor nicht an Freundlichkeit. „Das hängt davon ab, ob ihre speziellen Fähigkeiten zum Erfolg der Mission beitragen. Wenn du Zweifel hast, ist das vielleicht deine Antwort.“
 

Sakura schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr Haarsträhnen ins Gesicht flogen. „Nein, sie sind die richtige Wahl. Neji oder Kiba wären vielleicht geeigneter gewesen, aber ich kenne sie nicht so gut wie…“ Sie presste die Lippen aufeinander, um ihr Geplapper zu unterbinden. „Ich habe die richtige Entscheidung getroffen.“
 

„Na, da hast du doch deine Antwort. Manchmal muss man seine Bedenken nur aussprechen, um seine Gedanken zu sortieren.“
 

„Ich…“ Sie sah ihn mit großen Augen an, ihren ehemaligen Sensei, auf dessen Urteil sie sich womöglich noch immer zu sehr verlies. „Ich mache mir Sorgen, dass Sasuke mich nicht als Teamführerin anerkennt. Ich… ich war doch immer schlechter als er.“
 

Diesmal zögerte Kakashi deutlicher. „Ein berechtigter Einwand.“ Sie senkte betrübt den Blick und hörte ihn leise seufzen. „Du bist nicht schlechter als er, eure Talente sind nur sehr verschieden. Du bist besonnen, Sasuke dagegen hat wenig Geduld. Er kann starrsinnig sein, vor allem wenn er meint, es besser zu wissen, und du hast die Tendenz, nachsichtiger mit ihm zu sein, als euch beiden guttut. Wenn ich dir einen Tipp geben darf: Stell von Anfang an klar, wer das Sagen hat.“
 

Sie bestätigte mit einem Nicken, dass sie verstanden hatte, fragte dann: „Wie fühlen Sie sich?“
 

Er zuckte die Achseln. „Ich halte mich. Wie geht es Kurenai?“
 

„Den Umständen entsprechend. Körperlich ist sie unversehrt, aber ihre seelischen Wunden werden Zeit zum Heilen brauchen. Ihr Team müsste gerade bei ihr sein.“
 

Der Hauch eines Lächelns zeichnete sich unter seiner Maske ab. „Das ist gut, sie und ihr Team standen sich immer nahe.“
 

„Sie sollten sie auch besuchen.“
 

„Ich? Ach, ich bin eigentlich nicht die Sorte Mensch, die man in so einem Fall gern um sich hat.“
 

„Jeder braucht seine Freunde in so einer Situation“, sagte sie streng und legte den Kopf leicht schief. „Es geht nicht darum, was Sie oder ob Sie etwas sagen, zeigen Sie ihr nur, dass Sie für sie da sind. Sie hat schreckliche Schuldgefühle; wenn sie den Eindruck gewinnt, dass ihre Freunde sich von ihr abwenden, fühlt sie sich darin womöglich bestätigt.“
 

„Naja…“ Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Sakura kannte ihn gut genug, um zu erkennen, dass er nach einer Ausflucht suchte, die ihn nicht als emotional verkrüppelten Feigling darstellte. Sie respektierte seine Privatsphäre und hatte nie in seiner Vergangenheit rumgeschnüffelt, doch gelegentlich fragte sie sich doch, was ihm widerfahren sein musste, dass er panische Angst vor zwischenmenschlichen Beziehungen hatte. Natürlich war ihr aufgefallen, dass er nie, wirklich nie über sein ehemaliges Team sprach, sie lief weder blind noch taub durchs Dorf und sich ausrechnen, dass er und sein Team im dritten Shinobi-Weltkrieg gedient haben musste, konnte sie sich auch, woraus sie ihre eigenen Schlüsse gezogen hatte. Sie fühlte das altbekannte Mitleid für den Mann, der so stark war und gleichzeitig so verletzlich schien, in sich aufwallen.
 

„Würden Sie mir einen Gefallen tun?“, fragte sie und beendete damit seine Misere. „Könnten Sie Sasuke für mich finden und ihn zu mir ins Krankenhaus schicken? Das würde mir einiges an Zeit sparen. Falls es keine Umstände bereitet.“ Zeit, die sie nutzen konnte, um ihre Sachen zu packen und sich vielleicht noch ein, zwei Stunden schlafen zu legen.
 

„Huh?“ Er schien kurz überrumpelt von dem Themenwechsel, kniff dann jedoch sein Auge auf die ihr vertraute Weise zusammen. „Sicher.“

Kakashi tätschelte auf eine ungewohnt väterliche Art ihren Scheitel, ehe er in einer Rauchwolke verpuffte, aber das kannte sie bereits zur Genüge von ihm. Dieser Mann…
 

Kopfschüttelnd kehrte sie ins Krankenhaus zurück und klopfte an Kurenais Zimmertür, hinter der sie nicht nur Team 8, sondern, wie von ihr vermutet und erhofft, ebenso zwei Drittel von Team 10 vorfand. Minus Ino. Prompt zog sich Sakuras Magen schmerzhaft zusammen und gab, trotz dem latenten Übelkeitsgefühl, ein unzufriedenes Grummeln von sich, das ihr die Aufmerksamkeit von fünf Augenpaaren bescherte. Kurenai schlief scheinbar tief und fest, trotz ihres aufgeblähten Bauches wirkte sie schmal, blass und zerbrechlich unter der dicken Bettdecke.
 

„Ist sie aufgewacht?“, fragte Sakura, nachdem sie die Tür geschlossen hatte.
 

„Ja, ganz kurz“, antwortete Hinata. „Sie hat gefragt, ob alles ein Traum war, und ist danach gleich wieder eingeschlafen.“ Bekümmert stupste sie ihre Zeigefinger gegeneinander, was Kiba dazu veranlasste, ihr aufmunternd die Hand auf die Schulter zu legen und sie anzugrinsen, obwohl sie ihn gar nicht ansah. „Ist… ist mit dem Baby alles in Ordnung?“
 

Sakura biss sich verlegen auf die Unterlippe. „Ich darf eigentlich nicht…“, setzte sie an, entließ ihren Atem dann jedoch nur mit einem erschöpften Seufzen. „Dem Kind geht es gut.“
 

„Das sind großartige Neuigkeiten“, sagte Hinata, die sich erleichtert lächelnd die Hand gegen das Brustbein drückte. „Nicht auszudenken, wenn sie auch noch das Baby verloren hätte.“
 

„Ich hab dir doch gesagt, dass Sakura sich ansonsten nicht einfach verdrückt hätte“, lachte Kiba und zerwühlte ihr langes dunkelblaues Haar mit seiner riesigen Pranke, was der Hyūga eine dezente, beschämte Röte auf die Wangen trieb. Ebenso wie Sakura, die sich eigentümlich geschmeichelt von Kibas Vertrauen in ihre Person fühlte. Selbstverständlich hätte sie alles dafür getan, um Kurenais Ungeborenes zu retten, falls es notwendig gewesen wäre, dennoch tat es gut, zu hören, dass jemand gar nichts anderes von ihr erwartet hatte.
 

„Daran habe ich nie gezweifelt“, ereiferte Hinata sich und warf Kiba einen, für ihre Verhältnisse, bösen Blick zu, danach lächelte sie Sakura entschuldigend an. „Ich habe mir nur Sorgen gemacht.“
 

„Das verstehe ich“, winkte diese nonchalant ab, ehe sie bemüht beiläufig fragte: „Ist Ino gar nicht bei euch?“
 

„Weißt du es noch gar nicht?“, fragte Chōji und ließ eine Pflaumenhälfte aus dem Obstkorb, der höchstwahrscheinlich für Kurenai gedacht war, vor seinem Mund stoppen.
 

Offensichtlich nicht! Wieso stellten manche Menschen blöde Gegenfragen, anstatt einfach zu antworten?! Wüsste sie es, hätte sie wohl kaum gefragt. Sie verkniff sich die flapsige Bemerkung. Vielleicht reagierte sie überempfindlich, weil sie plötzlich das Gefühl hatte, nicht richtig atmen zu können.
 

„Ino hatte einen Schwächeanfall. Shizune-san hat sie nach Hause geschickt, damit sie sich ausruht“, erklärte Shikamaru neutral, doch sie wurde den Eindruck nicht los, dass er sie komisch ansah.
 

„Ja, das war alles ein bisschen zu viel für die Arme“, bestätigte Hinata mitfühlend und zog ein Gesicht, als würde sie selbst gleich zu weinen anfangen. Kiba grunzte zustimmend, nur Shino, der sich wie so oft im Hintergrund hielt, blickte lediglich stumm auf die schlafende Kurenai hinab. Ihr fiel auf, dass seine Hand neben ihrer auf der Bettdecke lag und seine Fingerkuppe unmerklich ihren kleinen Finger berührte, eine liebevolle Geste, die sie ihm gar nicht zugetraut hätte.
 

„Kann ich dich mal kurz sprechen?“, fragte Shikamaru und erhob sich, ohne ihre Antwort abzuwarten.
 

„Das trifft sich gut, ich wollte sowieso mit dir reden“, entgegnete sie und ignorierte geflissentlich die seltsame Stimmung, die sich schlagartig im Zimmer auszubreiten schien, lächelte unverbindlich gegen das Gefühl, ein Eindringling zu sein, an.
 

Shikamaru hielt sich nicht mit Smalltalk auf. Auf dem Gang fragte er, ob sie sich irgendwo ungestört unterhalten könnten, und Sakura führte ihn in ein unbelegtes Patientenzimmer, wo er direkt auf den Punkt kam. Die Hände in den Hosentaschen vergraben lehnte er sich gegen die Wand, wirkte nicht wirklich entspannt, aber friedfertig und distanziert. Sakura blieb unschlüssig mitten im Raum stehen; sie wollte sich nicht setzen, wenn er es nicht tat.

„Ino hatte nicht nur einen normalen Schwächeanfall, sie ist ohnmächtig zusammengebrochen. Bei der Untersuchung haben ihre Blutwerte einige bedenkliche Defizite aufgewiesen, sie war dehydriert und hat offenbar seit längerer Zeit nicht mehr anständig gegessen. Weißt du was darüber?“
 

„Nein“, erwiderte sie perplex, während sie die Informationen zu verdauen und ins Bild zu setzen versuchte. Sie hatte immer mal wieder den vagen Verdacht gehabt, dass mit ihrer besten Freundin etwas nicht stimmte, doch Ino hatte sich insgesamt so normal verhalten, dass sie es ein ums andere Mal aufgeschoben hatte, diesem Verdacht nachzugehen – und letztlich war sie viel zu sehr mit sich selbst und Sasuke beschäftigt gewesen. Sie ließ die Schultern hängen.
 

„Schöne Scheiße“, fluchte der Schwarzhaarige und biss die Zähne zusammen. „Chōji und mir ist aufgefallen, dass sie sich merkwürdig verhält, aber wir dachten, dass sie von sich aus was sagt, wenn sie reden will.“
 

Sakura brummte eine undeutliche Zustimmung, um ebenfalls auf diesen Zug aufzuspringen. „Hast du einen Verdacht?“
 

„Nein, keinen. Was ist mit dir?“
 

Sie schüttelte stumm den Kopf, als sich abermals Hidans unangenehme Visage vor ihr geistiges Auge schob. Shikamaru schien eine Veränderung in ihrem Gesicht aufzufallen, denn sein Blick intensivierte sich. Sakura knetete ihre Hände. „Obwohl, vielleicht doch. Sie scheint Angst vor Hidan zu haben und ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass er… gewalttätig ist.“ Ihre Zunge stolperte über das Wort und sie gab sich sehr viel Mühe, ihn nicht anzusehen. Wenn er ihre Reaktion verdächtig fand, war er taktvoll genug, nicht nachzuhaken.
 

„Hidan? Der Name ist doch schon mal im Zusammenhang mit Ino gefallen.“ In seinen Augen leuchtete Erkenntnis auf. „Du hast gesagt, dass wir etwas wegen ihm unternehmen müssen. Hatte er etwas mit Inos Verletzung zu tun?“
 

Sakura konnte förmlich sehen, wie sein Verstand die Puzzleteile aus den wenigen Hinweisen, die er hatte, zusammenzusetzen begann. „Offiziell war es ein Unfall, soweit mir bekannt ist, und mir ist nicht wohl dabei, etwas anderes zu behaupten, wenn Ino dir nichts davon erzählen wollte.“ Was offensichtlich der Fall war. Sie schloss erschöpft die Augen. Auf diese Art Gespräch war sie nicht vorbereitet gewesen und, was viel schlimmer war, sie hatten überhaupt keine Zeit dafür. Ino oder ihre Mission? Die Mission oder Ino?
 

Die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als es an der Tür klopfte und Sasuke gleich darauf den Kopf ins Zimmer steckte. „Kakashi schickt mich.“ Er klang genervt und seine schlechte Laune stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
 

„Gib uns bitte noch eine Minute.“
 

„Hmpf! Ich habe ziemlich viel zu tun.“
 

„Eine Minute“, wiederholte sie nachdrücklich und wandte sich Shikamaru zu, nachdem Sasuke schnaubend die Tür geschlossen hatte. Das Gefühl der absoluten Überforderung überwältigte sie und schon jetzt kam sie sich vor, als hätte sie als Teamleiterin auf ganzer Linie versagt. Sie wollte das Gespräch über Ino nicht abwürgen, als wäre es ihr nicht wichtig, doch mit Sasuke, der ungeduldig vor der Tür wartete, und einem Verdächtigen, der alsbald verfolgt und gefunden werden wollte, mussten ihre Prioritäten der Mission gelten. Sie pustete sich eine Strähne aus der Stirn; ihr Haar war noch immer nicht vollständig getrocknet und kühlte ihre Kopfhaut aus. Jeden anderen hätte sie für die Unvernunft, bei dieser Kälte mit feuchten Haaren herumzulaufen, getadelt.

„Hör mal, Shikamaru, das ist vermutlich der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, aber wir sollen einen oder mehrere flüchtige Verdächtige ausfindig machen, die möglicherweise etwas mit dem Anschlag… im Dorf zu tun hatten. Also, falls du dich in der Lage fühlst?“, eröffnete sie und gab ihm eine knappe Zusammenfassung ihres Gespräches mit Tsunade.
 

Sakura hatte insgeheim damit gerechnet, dass Shikamaru sich nicht die Chance entgehen lassen wollte, den- oder diejenigen, die womöglich im Zusammenhang mit Asumas Tod standen, aufzuspüren. Ginge es um Kakashi, wäre ihr ebenfalls zuwider gewesen, nichts tuend herumzusitzen, wenn es etwas gab, das man aktiv unternehmen konnte. Seine Zusage überraschte sie daher kaum, erleichterte sie aber dennoch, und sie drückte sich die Daumen, dass Sasuke ebenfalls so anstandslos zu kooperieren bereit war.
 

Natürlich hatte ihr Gespräch mit Shikamaru wesentlich mehr als eine Minute beansprucht und als er das Zimmer verließ, war Sasuke entsprechend verärgert. Dennoch war er nicht einfach gegangen und kommentierte die Wartezeit nicht, was sie ihm irgendwie anrechnete. War sie wahrhaftig derart anspruchslos, wenn es um ihn ging, dass sie sich darüber freute?
 

Sie begrüßte ihn mit einem zaghaften Lächeln, das an seiner reservierten Miene abprallte. Irgendwann, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er sich umgezogen und gewaschen. Er roch frisch und sauber, sah jedoch – wenigstens für seine Verhältnisse – abgespannt und erschöpft aus. Vermutlich war er, im Gegensatz zu ihr, nicht mal für eine halbe Stunde zum Schlafen gekommen. Außerdem hatte sie ihm auch noch die zwei Stunden, die sie an seiner Schulter geschlummert hatte, voraus. Schlagartig kam sie sich mal wieder vor, als würde sie sich fürchterlich anstellen.
 

„Wie geht es deiner Schulter? Der Sprung von der Aussichtsplattform war ziemlich heftig. Ich habe kurzzeitig gedacht, meine Wirbelsäule spießt sich durch meine Schädeldecke. Mit deiner Verletzung muss die Landung übel gewesen sein.“
 

„Hast du mich deswegen herzitiert?“, fragte er verächtlich.
 

Zugegebenermaßen war das wohl der schlechtmöglichste Einstieg, den sie hätte wählen können. Halb rechnete sie damit, dass er sich auf dem Absatz umdrehen und sie stehenlassen würde, stattdessen verschränkte er die Arme und sah sie abwartend an. „Ja und nein“, beeilte sie sich zu sagen. „Wir haben einen Außeneinsatz, aber ich kann dich nicht mitnehmen, wenn du nicht einsatzfähig bist.“
 

Zu behaupten, dass sie nicht genoss, wie ihre Worte die Zahnrädchen hinter seiner Stirn in Bewegung versetzten, wäre eine Lüge und nichts als eine Lüge. „Was willst du damit andeuten?“, fragte er nach, da er kränkenderweise nicht seiner eigenen Schlussfolgerung zu trauen schien.
 

„Lady Tsunade erteilte mir den Auftrag…“
 

„Dir?“

Er sprach es nicht aus, doch seine stumme Lippenbewegung war so klar und deutlich, dass kein Ton notwendig war, um ihn zu verstehen. Es reichte, um ihr die Stimme versagen zu lassen. „Und jetzt fühlst du dich verpflichtet, mich mitzunehmen. Das ist nicht die gescheiteste Herangehensweise, um ein Team zusammenzustellen.“
 

„Ich vertraue auf deine Fähigkeiten“, widersprach sie ruhig. „Es mag stimmen, dass wir schon lange keinen Kampfeinsatz mehr zusammen hatten, aber deine Stärken und Schwächen kann ich trotzdem besser einschätzen als die von sonst wem und ich habe dein Training mit Shisui-san beobachtet. Außerdem vertraue ich dir, als Shinobi und als Mensch… egal, was war oder was du von mir als Person hältst.“
 

„Tzz“, zischte er und drehte seinen Kopf dabei schlagartig zur Seite weg. Auf seinen Wangen schien sich für einen winzigen Augenblick der blasseste Hauch Rosa abzuzeichnen. „Handelt es sich um eine richtige Mission oder ist der alten Shijimi mal wieder das Katzenviech entlaufen?“
 

Sie lächelte dünn, was vermutlich nicht angemessen war, aber sie hatte den Eindruck, dass er gerade so etwas wie einen Scherz gemacht hatte. „Eine richtige Mission“, bestätigte sie und weihte ihn, ebenso wie Shikamaru zuvor, in die wichtigsten Details ein.
 

Sasukes Miene verdüsterte sich zusehends, als sie geendet hatte, trafen sich seine Brauen beinahe über der Nasenwurzel. Er schien unzufrieden und sie konnte nicht umhin, das auf sich zu beziehen. Viel hatte sie immerhin nicht anzubieten. Sie hatte noch keinen Plan und das weitere Vorgehen, sollten sie ihre Zielperson überhaupt ausfindig machen können, hing davon ab, mit wem sie es zu tun hatten und wie gefährlich diese Person war. Diese Mission konnte sterbenslangweilig oder lebensbedrohlich werden. Sein Blick schweifte in die Ferne, hinaus zum Fenster, gegen das sich ein trister Nebelschleier schmiegte.
 

„Lässt du mich jetzt deine Schulter untersuchen?“
 

„Ich bin einsatzfähig.“
 

„In Ordnung, aber ich möchte mich gern selbst davon überzeugen. Das verstehst du sicher, wo ich doch die Verantwortung trage.“
 

„Wenn es sein muss, von mir aus“, stimmte er augenrollend zu.
 

Sakura überbrückte die Distanz zwischen ihnen mit wenigen Schritten und begann, seine Schulter zu untersuchen, stellte ihm Fragen, ob er Schmerzen oder Probleme mit seinem Bewegungsapparat hatte, ließ ihr Chakra durch seinen Körper strömen, drückte seine Schulter, tastete seine Muskeln ab. Seine Antworten waren einsilbig und jede Bitte ihrerseits, wie dass er die Schulter rollen, die Faust ballen oder den Arm über den Kopf heben sollte, wurde von einem leisen Schnauben begleitet. Sie arbeitete gründlich und konzentriert. Ein ausgekugeltes Schultergelenk war im Grunde eher lästig denn gefährlich, doch die Verletzung lag erst wenige Tage zurück, er trug keine Schlinge, ebenso ging sie nicht davon aus, dass er ihren ärztlichen Rat befolgt und sich geschont hatte, und im Kampf konnte einem selbst die nichtigste Beeinträchtigung zum Verhängnis werden. Letztlich kam sie jedoch zu dem Ergebnis, dass seine Schulterverletzung bereits vollkommen genesen war, was sie ihm mitteilte.
 

„Sagte ich doch. Du hast gute Arbeit geleistet.“
 

Das Lob verbog ihre Lippen schneller zu einem glücklichen Lächeln, als sie es zurückbeißen konnte. Sakura war hervorragend in dem, was sie tat, und brauchte normalerweise keine Bestätigung, doch das war schließlich ein Kompliment von Sasuke. Sie bemühte sich, nicht auszusehen, als wollte sie singend durch den Raum hopsen, und legte extra viel Unverbindlichkeit in ihre Stimme, als sie sagte: „Danke, dann sehe ich dich später.“
 

Dann sehe ich dich später… Das klang, als würden sie sich zum Teetrinken treffen und nicht auf eine Mission aufbrechen, schalte sie sich, aber Sasuke nickte nur und ging auf die Tür zu. Seine Finger schlossen sich um die Klinke, doch dann zögerte er und zog die Hand zurück. „Dir ist bewusst, dass es ein schlechtes Licht auf dich wirft, dass du ausgerechnet mich mitnimmst? Wenn Deidara, wie du sagst, wirklich unter einem Genjutsu stand, wird es eine Menge Leute geben, die meinen Clan verdächtigen. Egal, was wir herausfinden, sie werden darin entweder den Beweis sehen, dass die Uchiha dafür verantwortlich sind, oder argumentieren, dass wir Informationen verfälscht hätten, um es aussehen zu lassen, als hätte mein Clan nicht die Finger im Spiel gehabt.“ Er blickte über die Schulter zurück, doch das machte nichts, denn das peinliche Grinsen war ihr ohnehin vergangen. „Ein paar dieser Leute werden dich infrage stellen. Einige werden dir nur vorwerfen, ein dummes Mädchen zu sein, andere werden nicht so gnädig über dich urteilen. Dir muss klar sein, dass es Konsequenzen haben wird, wenn du dich offen auf meine Seite schlägst.“
 

Sakura leckte sich unbewusst über die trockenen, kalten Lippen. Sie war schockiert, obgleich sie nicht überrascht sein sollte, wie er unverzüglich zu dem Schluss gekommen war, dass man den Uchiha-Clan verdächtigte. Und zu Recht. Es machte Sasukes Auffassung, dass jeder gegen seinen Clan hetzte, die sie letztlich, wenigstens teilweise, auf eine Mischung aus Missverständnissen und Paranoia geschoben hatte, sehr viel realer.

„Ich weiß“, sagte sie ernst. „Aber ich habe mich entschieden, auch falls das bedeutet, dass unser gesamtes Dorf auf mir herumhacken wird. Ich habe es schon mal gesagt und ich sage es noch mal: Ich vertraue dir.“

Sasukes Miene war für sie nicht zu deuten, doch aus den Tiefen seiner onyxfarbenen Augen schien ein gewisses Leuchten zu kommen, das sie auf ihn zugehen und sein Gesicht zwischen die Hände nehmen ließ. „Menschen neigen dazu, dem Urteil der Mehrheit zu glauben und sich deswegen automatisch im Recht oder auf der richtigen Seite zu wähnen. Wir werden ihnen beweisen, dass sie sich irren.“
 

Ihr Daumen zeichnete ganz von allein seinen Wangenknochen nach und als er den Mund öffnete, rutschte ihr Blick automatisch auf seine Lippen und zurück zu seinen Augen, die so nah waren und ihr dennoch das Gefühl gaben, durch die Unendlichkeit zu fallen. Sie atmete tief ein, spürte, wie sich ihr Oberkörper dabei gegen seinen drückte. So nah. Sein Atem kitzelte ihre Haut. Sein Gesicht kam näher, als sie sich wie hypnotisiert auf die Zehenspitzen hob.

„Was machst du denn?“, fragte er, eine steile Falte verlief senkrecht zwischen seinen Augenbrauen.
 

Sie drückte ihre Lippen auf seine Wange und ließ sich zurück auf die Fersen fallen. „Bis später“, sagte sie nur, schob sich dann an ihm vorbei, durch die Tür und auf den Gang. Als sie sicher war, dass er ihr nicht nachkam, knallte sie die Hand gegen ihr Gesicht. Was hatte sie bloß angestellt?!



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  sasukakashi
2021-08-07T21:08:29+00:00 07.08.2021 23:08
Super Story !!
Antwort von:  MyHeartInTheAttic
12.08.2021 02:11
Lieben Dank noch mal. Ich hoffe, die Geschichte bereitet dir weiterhin Freude beim Lesen.
Von:  jakne
2021-08-01T19:21:44+00:00 01.08.2021 21:21
Hallöchen :)
Also ich weiß nicht was du hast, ich finde das Kapitel wieder mal sehr gelungen, dein Schreibstil lässt sich einfach gerne lesen!
Ein Team mit Sakura/Sasuke/Shikamaru - das kann ja nur spannend werden :D abgesehen davon das Ich auch ein riesiger Shikamaru Fan bin. :) allerdings stelle ich es mir super schwierig für sakura vor sich zwischen den beiden Genies durchzusetzen. Beide sehr smart und grade shikamaru der geborene Teamleader durch seine taktischen Anweisungen. Und Sasuke super stolz, sodass es ihm bestimmt schwerfällt Kommandos von jemanden anzunehmen, der ihm kämpferisch unterlegen ist. Da hast du dich ja mal selbst vor eine Aufgabe gestellt das geschickt und sinnvoll umzusetzen, ich bin gespannt wie du das löst :D

Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, dass jemand vom Uchiha Clan dafür verantwortlich ist. Wahrscheinlich mehrere, zumindest derjenige, der izumo und kotetsu angegriffen hat ist wohl nicht komplett bösartig und auf kolleteralschaden aus, sonst hätte er sie auch töten können.
Der letzte Abschnitt war leider etwas zum frendschämen und ich dachte mir nur "STOP IT, Sakura, STOP IT!!" :D aber naja irgendwann klappts bestimmt, davon bin ich fest überzeugt!! :D

Liebe Grüße

Antwort von:  MyHeartInTheAttic
12.08.2021 02:08
Hallo jakne,

hach, lieben Dank für die Blumen. :D Wer weiß, vielleicht bin ich dieses Mal einfach besonders pingelig, weil ich umploten musste.
So hochbegabte Charaktere wie Shikamaru finde ich richtig schwer zu schreiben, weil man – bzw. ich, ist ja nicht jeder so blöd ^^ – dann meistens auf billige Tricks zurückgreifen muss, damit der Charakter intelligenter wirkt als man selbst ist.
Hehe, das ist wie in der Schule, wenn man eine Gruppenarbeit in einem Fach, von dem man keinen Plan hat, machen muss; man sucht sich die, die richtig gut in dem Fach sind, und tut am Ende so, als hätte man einen wertvollen Beitrag geleistet, obwohl man eigentlich nur Kaffee gekocht und alles stupide in den PC eingehämmert hat – Erlebnis frei erfunden.
Sakura ist eigentlich selbst ziemlich intelligent, obgleich das im Verlauf der Serie immer irrelevanter wird, und sie weiß um ihre Defizite. Mit Shikamaru und Sasuke – wobei diese Entscheidung sicherlich nicht nur rational getroffen wurde – hat sie sich die (verfügbaren) Leute ins Boot geholt, die sicherlich am ehesten zum Erfolg der Mission beitragen können. Beide haben, aus unterschiedlichen Gründen, schließlich ein Interesse daran, aufzuklären, ob dieser zweite Angriff mit dem Attentat in Zusammenhang steht.
Da hast du freilich recht, womöglich spekuliert Sakura ein wenig darauf, dass Shikamaru sie keinen riesigen Mist verzapfen lässt, denn er ist schon so eine Art Fallnetz, und wenn ich nicht wüsste, was mich erwartet, hätte ich wahrscheinlich gern jemanden dabei, der unverzüglich auf jede Situation reagieren kann. Nun, und dass sie sich wegen Sasuke sorgt, hatte sie Kakashi gegenüber erwähnt, also sieht sie da durchaus die Gefahr, dass er sie nicht als Teamleiterin anerkennen könnte. Andererseits ist es für sie freilich auch eine Chance, sich Sasuke zu beweisen und sein Vertrauen zu gewinnen, wenn sie es richtig anstellt. ;D Möglichenfalls spielt ihr in die Hände, dass er wissen wird, dass diese Mission eine Art Probe für ihn ist und er sich nicht leisten kann, sich danebenzubenehmen. Sakura hat immerhin schon irgendwo eine gewisse Macht über ihn, indem sie jeden seiner Fehltritte bei Tsunade anschwärzen könnte, und allmählich scheint er zu begreifen, dass sie nicht nur auf eine Gelegenheit wartet, ihn ans Messer liefern zu können.
Ob ich das gut und realistisch umsetzen konnte, wird sich ja dann zeigen. ^^
Derzeit deutet jedenfalls sehr viel darauf hin, dass der Uchiha-Clan in die Sache involviert ist. Sakura mag zwar felsenfest überzeugt sein, dass Sasuke nichts damit zu tun hat und nichts davon wusste, aber natürlich könnte er ihr etwas vorgespielt haben. Leider ist sie ja doch sehr leichtgläubig und voreingenommen, was ihn betrifft.
Das stimmt, wobei auch im Canon nicht ständig alle Low-Bob-Gegner umgemetzelt werden. Vielleicht waren Izumo und Kotetsu die Zeitverzögerung oder den Chakra-Verbrauch nicht wert, vielleicht wäre es zu auffällig gewesen, sie zu töten, vielleicht steckt auch etwas vollkommen anderes dahinter.
Haha, findest du? ^^ Sakura schämt sich im Abgang ebenfalls dafür, dabei wollte sie ihm nur ein kleines, harmloses Küsschen auf die Wange geben – wiiiirklich. Das ist wie bei Miezekatzen, einmal angeleckt sind die Besitzansprüche klargestellt.
Liebsten Dank mal wieder für dein Review. <3
Von:  Trashy123
2021-07-12T11:03:22+00:00 12.07.2021 13:03
Ich freu mich, dass es wie versprochen weiter geht! :)
Ich mag deinen Schreibstil sehr. Bisher habe ich mir nie die Mühe gemacht Fanfics zu kommentieren, aber weil ich deine Story und alles drumherum so gut finde, hast du dir meinen Kommentar/ mein Lob verdient! Ich bin gespannt wie es weiter geht und hoffe, dass du uns nicht lange warten lässt :D
Antwort von:  MyHeartInTheAttic
14.07.2021 23:22
Hallo Trashy123,

da ich das Kapitel zum Zeitpunkt deines Reviews nur noch Korrekturlesen musste, konnte ich ausnahmsweise ganz gut abschätzen, wie lange ich noch brauchen werde. ;D
Danke für das Lob; wenn du normalerweise gar keine Reviews schreibst, fühle ich mich natürlich besonders gebauchmiezelt, dass du dir für mich die Zeit genommen hast. ^^
Lieben Dank für deine Rückmeldung.
Von:  Scorbion1984
2021-07-12T07:56:53+00:00 12.07.2021 09:56
Spannend ,wer ist denn nun der Bösewicht ?
Rote Augen ,ein Uchiha ,Obito (Tobi )?
Danzo will natürlich wieder für alles den Uchihaclan verantwortlich machen.
Antwort von:  MyHeartInTheAttic
14.07.2021 23:17
Hallo Scorbion1984,

nun, wer der Bösewicht ist, ist die Frage, nicht. ;D Bleibt abzuwarten, was Team Sakura herausfindet, ob sie überhaupt etwas herausfinden, wobei Sakura mit Shikamaru und seinem Verstand sicherlich schon mal die richtige Karte im Deck hat.
Von roten Augen war nicht die Rede, sondern von riesigen, leuchtenden Augen. ^^
Huch, wie kommst du denn darauf, dass Danzō den Uchiha-Clan für alles verantwortlich machen will?
Lieben Dank mal wieder für deine Rückmeldung.


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