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Eine Chance für Ranma

von

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Erkenntnisse

9. Kapitel

Erkenntnisse

 

Über Ranmas Lippen huscht ein kleines, fast unhörbares Seufzen, dann räkelt er sich einmal und öffnet blinzelnd die Augen. Lange starrt er an die Zimmerdecke, auf der die Schatten der Bäume aus dem Garten tanzen. Es muß eine ziemlich windige Nacht sein, so schnell, wie sie sich bewegen. Und es scheint der Vollmond, so hell, wie es ist.

Ranma streckt sich ein weiteres Mal vorsichtig und wirft dann einen Blick neben sich. Unwillkürlich verziehen sich seine Lippen zu einem zärtlichen Lächeln. Tatewaki liegt auf der Seite, ihm zugewandt und seine linke Hand liegt immer noch auf Ranmas Hüfte. Ranma kann sich erinnern, wie sie eingeschlafen sind: er an Tatewakis Seite gekuschelt und dieser hatte einen Arm um ihn gelegt, ein stummes Versprechen, ihn nie wieder los zu lassen.

Ranma fühlt sich so sicher bei ihm, dass es schon fast unheimlich ist.

Noch ein letztes Mal betrachtet Ranma wehmütig das Gesicht seines nun-nicht-mehr-so-heimlichen-Schwarms, dann windet er sich vorsichtig unter dessen Hand hervor und gleitet so lautlos aus dem Bett, wie es ihm möglich ist. Auf dem Weg zur Tür zupft er sich Jinbeioberteil und -hose zurecht und schüttelt über sich selbst belustigt, beschämt und verärgert zugleich den Kopf, ist er doch schon wieder halberregt.

Draußen auf dem Gang erschreckt er sich fast zu Tode, aber dann haben sich seine Augen an das gedämpfte Licht gewöhnt und er erkennt, dass es sich bei dem Schatten nur um Sasuke handelt, der wieder mit einer seiner Fallen beschäftigt ist.

„Sasuke, du bist noch wach?“

Der Ninja und Hausdiener schenkt ihm ein kleines, gezwungenes Lächeln, hält aber keine Sekunde in seiner Betätigung inne.

„Es ist erst kurz nach Mitternacht. Kunō-San ist zurückgekehrt und sehr schlechter Laune“, erwidert er, als würde das alles erklären. Und zu Ranmas größtem Kummer tut es das auch.

„Was ist das nur mit dem alten Perversling?“ knirscht er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Gibt es eigentlich keinen Haushalt, in dem nicht irgendwelche perversen Kerle leben? Bei den Tendōs musste er Happosai und dessen Obsession für Frauenbrüste und Büstenhalter ertragen, und hier läuft dieser unheimliche Kunō Senior herum.

Sasuke zieht es vor, darauf keine Antwort zu geben und schüttelt nur den Kopf.

„Möchtest du irgend etwas, Ranma-kun? Kann ich etwas für dich tun?“

„Nah“, kommt es zurück genuschelt. In Gedanken ist Ranma immer noch beim alten Kunō. Nicht zum ersten Mal fragt er sich, was der Mann wirklich im Zimmer seines schlafenden Sohnes wollte. Der Verdacht, der da in ihm aufgekeimt ist, behagt ihm nämlich ganz und gar nicht. „Ich bin auf dem Weg zum Bad. Ich bin durstig und brauche ein Glas Wasser.“

„Ich bringe dir gerne eine Wasserflasche aus der Küche.“

„Nah, ist nicht nötig. Danke.“ Ranma will Sasuke keine unnötige Arbeit machen. Langsam geht er weiter Richtung Bad. Dabei muß er an Sasuke vorbei und nach einem kurzen Zögern bleibt er stehen und dreht sich wieder zu ihm um. „Du musst nicht vor der Tür Wache halten. Deine Fallen funktionieren tadellos. Und außerdem bin ich ja jetzt da, und ich verarbeite jeden zu Brei, der es wagt, Tatewaki zu nahe zu kommen.“ Ohne sich dessen bewußt zu sein, ballen sich bei diesen Worten seine Hände zu Fäusten.

Sasuke aber bemerkt es und schmunzelt unwillkürlich.

So besitzergreifend warst du gegenüber Fräulein Akane nie.“

Das bringt Ranma ins Stocken. Verlegen kratzt er sich im Nacken. „Oh, bin ich wirklich so schlimm?“

„Ja“, kommt es schonungslos ehrlich zurück. „Aber das ist gut so. Weil Tatewaki genauso ist.“

„Das steht ihm auch zu. Schließlich hat er mich meinem Vater und den Tendōs abgekauft.“

„So kann man das aber nicht sehen-“

„Sasuke, das war ein Scherz“, beruhigend hebt Ranma die Hand und grinst. Doch dann wird er schlagartig wieder ernst. „Außerdem“, fährt er voller Bitterkeit fort, „liegt die Schuld einzig und allein bei meinem alten Herrn. Er hat mich schon als Kind verkauft. Es ist doch kein Unterschied, wenn er mich als Ehemann in spe oder für Geld verkauft. Für ihn bin ich nur eine Ware.“

Entsetzt über diese harten Worte, schüttelt Sasuke den Kopf. „Dein Vater liebt dich. Auf seine eigene Art.“ Davon ist er felsenfest überzeugt. Denn wie kann ein Vater sein Kind nicht lieben? Vielleicht kann er es manchmal nicht zeigen oder besitzt eine merkwürdige Art, seine Zuneigung auszudrücken, aber letztendlich lieben doch alle Eltern ihre Kinder.

Ranma mustert ihn für die Dauer einiger Sekunden, schnaubt dann abschätzig und erklärt:

Tatewaki liebt mich.“

Das stimmt allerdings. Unwillkürlich denkt Sasuke daran zurück, wie es war, als Tatewaki ständig erst dieses Foto von Akane und dann das von Ranko anhimmelte. Und gleichzeitig einen heimlich aufgenommenen Schnappschuß von Ranma unter seinem Kopfkissen versteckte. Er denkt an dessen lautstarke Liebeserklärungen an „die liebreizende Akane“ und „das schöne Mädchen mit dem roten Zopf“, die in Wirklichkeit nur dazu dienten, seine wahren Gefühle gegenüber Ranma zu verbergen. Und Sasuke erinnert sich an einen zu Tode betrübten, am Boden zerstörten Tatewaki, als dieser die Einladungskarte zur Hochzeit von Tendō Akane und Saotome Ranma erhielt.

Es dauerte drei ganze Tage und Sasukes ganze Hartnäckigkeit, bis Tatewaki ihm gestand, dass Kodachi Recht hatte und es der drohende Verlust Ranmas war, der ihn so zur Verzweiflung trieb. Hätte seine Schwester ihn nicht bei Sasuke verpetzt, würde dieser heute immer noch im Dunkeln tappen. Tatewaki ist so gut darin, anderen etwas vorzuspielen!

Sasuke stockt noch heute das Herz, wenn er daran denkt.

Ranma sollte es erfahren.

Sasuke wirft ihm einen langen Blick zu und fasst sich ein Herz.

„Tatewaki glaubt sehr stark ans Schicksal. Er meinte es immer ernst, wenn er sagte, ihr wärt füreinander bestimmt. Auch, wenn er es nur zu Ranko sagte. Er meinte immer dich.“

Um Ranmas Lippen zuckt ein versonnenes Lächeln. „Ja, ich erinnere mich. Das hat er immer gesagt.“

„Ranma-kun … es ist gut, dass dir nichts passiert ist.“ Unwillkürlich greift Sasuke nach seiner Hand. „Er... Ranma-kun, er wäre dir gefolgt!“

Ranma läuft ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Er versteht sofort, was Sasuke damit wirklich meint.

Tatewaki, du Baka!

„Er war nicht zufällig da, nicht wahr?“ spricht er schließlich jenen Verdacht aus, der ihn schon seit einer Weile beschlichen hat. „Er ist hat mir hinterher spioniert.“

„Er hat gemerkt, dass etwas mit dir nicht stimmt“, gibt Sasuke zu. „Er ist dir schon seit Wochen gefolgt, wollte sicher gehen, dass du heil nach Hause kommst.“

Ranma ballt die Fäuste.

„Dieser Baka.“ Doch da schwingt ein leiser, überaus zärtlicher Unterton in seiner Stimme mit.

Sasuke lächelt unwillkürlich.

„Was?“ brummt Ranma barsch, dem das nicht verborgen bleibt.

„Nichts“ grinst Sasuke nur und wendet sich wieder seinen Fallen zu. „Es ist alles in bester Ordnung.“

Ranma wirft ihm noch einen schiefen Blick zu, doch dann lächelt er wissend und betritt das Badezimmer.

 

 

 

Zurück im Zimmer, sitzt Ranma lange Zeit im Bett und betrachtet seinen schlafenden Freund. Sasukes Worte gehen ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Zuerst hat er sich nur schuldig gefühlt, aber je länger er ihn betrachtet, desto enger wird es in seiner Brust. Es fühlt sich an, als würde eine eisige Klaue sein Herz langsam zerquetschen. Es dauert eine ganze Weile, bis er begreift, dass er Angst hat.

Es versetzt ihn in eine beklemmende Furcht, dass Tatewaki ihn so sehr liebt, dass er sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen kann. Lieber Himmel, wenn er wirklich gesprungen wäre... mit zitternden Fingern fährt sich Ranma einmal quer durchs Gesicht.

Das ist zu viel! Viel zu viel!

Verzweifelt rauft er sich die Haare, während er spürt, wie sich seine Augen mit Tränen füllen. Was...? Was ist das? Wieso zum Henker fängt er jetzt an rumzuflennen? Verärgert wischt er sich über die Augen und zuckt fast zusammen, als er plötzlich eine warme, schwere Hand auf seinem Knie spürt.

„Ranma?“ Noch nicht ganz wach, aber schon aufs höchste alarmiert, richtet sich Tatewaki auf. „Was ist los?“

„Du Baka!“ Wütend gibt Ranma ihm einen Faustschlag gegen die Schulter, der Tatewaki fast wieder umgeworfen hätte. Das geschieht nur deshalb nicht, weil Ranmas andere Hand ihn gleichzeitig am Kragen packt. „Du wärst mir in den Tod gefolgt!“

Tatewaki blinzelt verstört. Es dauert eine Weile, bis er begreift, worauf Ranma hinauswill.

„Ja“, erwidert er dann schlicht.

Ranma schluchzt auf und schüttelt ihn ein paar Mal halbherzig.

Baka! Baka! Baka...“ Mit jedem „Baka“ wird seine Stimme leiser und tränenerstickter und beim dritten hört er auf, ihn zu schütteln und senkt schniefend den Kopf.

Vorsichtig zieht Tatewaki ihn in seine Arme. Aber Ranma wehrt sich nicht. Ganz im Gegenteil schmiegt er sich fest in diese Umarmung hinein und umklammert ihn dabei mit beiden Armen so fest, als wolle er ihn nie wieder loslassen.

Tatewaki wartet ein paar Sekunden, während er ihm liebevoll über den Hinterkopf streicht, bis er glaubt, dass er sich wieder etwas beruhigt hat.

„Und du?“, gibt er schließlich vorwurfsvoll zurück. „Wolltest du dich nicht umbringen, weil du mich liebst und nicht Akane? Du wärst gesprungen ohne vorher mit mir darüber zu reden, ohne in Erfahrung zu bringen, ob ich nicht doch genauso empfinde wie du? Wer ist hier der größere Baka?“

Ranma schnieft einmal und vergräbt sein Gesicht noch tiefer an Tatewakis Schulter.

„Immer noch du“, kommt es stur zurückgenuschelt.

Viel zu müde für einen Streit, verdreht Tatewaki nur die Augen, lächelt nachsichtig und drückt ihn noch enger an sich.

Und so sitzen sie einige Minuten lang einfach nur auf dem Bett, gegenseitig in der Nähe des anderen badend, bis Ranma schließlich leise aufseufzt und Tatewaki etwas von sich schiebt, damit er ihm problemlos ins Gesicht sehen kann.

„Können wir dieses Thema bitte nie wieder ansprechen?“

Dabei war er es doch, der davon angefangen hat! Aber Tatewaki verbeißt sich eine entsprechende Bemerkung und nickt nur zustimmend.

Ranma mustert ihn eindringlich, aber dann wird der Glanz in seinen Augen zunehmend nachdenklicher, und er hebt die rechte Hand, um mit den Fingerspitzen sachte die verletzte Haut unter Tatewakis linkem Auge zu berühren. Aber er sagt nichts.

Auch Tatewaki verzichtet auf überflüssige Worte, als er seine Hand in Ranmas Nacken legt und ihn derart zu einem liebevollen Kuß zu sich heranzieht.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Witch23
2020-08-22T11:18:38+00:00 22.08.2020 13:18
Die kleinen Zärtlichkeiten sind echt so süß. Und im Grunde genommen finde ich es auch garnicht seltsam das Ranma das Thema erst anspricht um dann zu sagen Sprechen wir nicht mehr drüber.




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