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Unter den Schwingen des Horusfalken 2

Die Gefahren des Delta
von

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Chem


 

K

urz hinter Iunu teilte sich der große Fluss in zwei Arme, die sich später zur Mündung hin noch weiter verzweigen würden. Manchmal kamen andere Lastschiffe ihnen entgegen, das Segel gesetzt in dem stetig wehenden Wind aus Norden, der die Ruderer bei der Fahrt gegen die Strömung unterstützte.

Die Götter hatten kemet wahrlich gesegnet, dachte Merit. Die Strömung half immer bei der Fahrt nach Norden, der Wind bei der Fahrt nach Süden. Der Iteru war das Leben des ganzen Landes. Die Überschwemmungen brachten fruchtbaren Boden, Reisen und Handel erfolgte über ihn, viele Fische tummelten sich, und hier, je näher man zum Delta kam, umso mehr erkannte man auch in den Dickichten am Ufer Papyrussammler und andere Leute, die Lotusknollen ernteten, Fische fingen. Die Papyrusboote der Fischer waren freilich jetzt am Nachmittag schon an Land gezogen, wie man in den Dörfern sah. Nur vereinzelt wurden noch die Reusen in Seitenkanälen geleert. Während der Mittagszeit hatten sie und Nefer sich in ihre Kabine zurückgezogen, vorgeblich, um zu ruhen, aber das Mädchen aus dem ipet war zu neugierig auf die Dinge gewesen, die ihre Partnerin an Schminksachen so bei sich führte. Einiges kannte sie, anderes war ihr fremd, da Bauersfrauen oder Fischer sich doch anders herrichteten als Personen im Palast des Lebenden Horus. Umso glaubwürdiger wirkten dann die Rollen, die sie spielten, wie ihr Nefer erklärte, durchaus angetan, die Lehrerin spielen zu sollen.

„Man erkennt an der Schminke, am Schmuck, auch immer den Status der Person, der man gegenübertritt. Natürlich auch am Benehmen, aber das ist der erste Blick. Wenn, sagen wir, Ptahnacht einen Diener spielt, wird er nur eine Perlenkette um den Hals tragen, oder sogar gar nichts. Ist er Wächter des Lebenden Gottes, trägt er Waffen und einen Oberarmring, dazu das Zeichen des Upaut an der Kette. Und so weiter. Die meisten Menschen denken nicht weiter nach, und erkennen nur das, was sie sehen. Oder, sei ehrlich: wie sehr beachtest du die Dienerinnen, die um dich schwirren?“

„Schon, ich meine, wir sind zu viert in unserem Zimmer, ein Fremder würde mir da doch auffallen. Aber, ja, wenn ich in den Gang gehe und jemand dort fegt, würde ich sie immer für eine Dienerin halten und mir gar nichts dabei denken.“

Nefer lächelte. „Genau das ist es.“

„Du bist sehr klug.“

„Danke.“ Die Ältere fühlte sich tatsächlich geschmeichelt. Sie sollte ihre Vorurteile gegen Merit ablegen. Meruka war schließlich auch hochgeboren und behandelte sie fast gleichwertig. „Aber, um ehrlich zu sein, habe ich das aus Notwendigkeit gelernt, nicht ganz freiwillig. Meruka nützt es nur, wie er alle unsere Fähigkeiten nützt.“

 

Jetzt saß Merit, mit Nefer schräg neben sich, wieder unter dem Sonnensegel und betrachtete den Fluss.

„Dort vorne ist Chem.“ Kapitän Paadiptah hatte sich auf dem Kabinendach vor bewegt um seine hohen Gäste zu informieren. „Es wird einen Ruck geben, wenn wir ans Ufer fahren, wenn ich die Damen bitten dürfte sich festzuhalten.“

„Ja, danke, Kapitän,“ gab Meruka zurück. Das kiellose Schiff würde direkt auf den sandigen Strand aufsetzen und von dort entladen werden. „Schickst du gleich Nachricht an den Stadtvorsteher?“

„Ja, natürlich, wie du möchtest, ehrenwerter Vorsteher der Schreiber.“ Diese Passagiere waren pflegeleichter als so manche, die er schon gefahren hatte. Still, leise, keine Sonderwünsche, höflich. War das etwa, weil sie eben dermaßen hochrangig waren, es gar nicht nötig hatten ihre Stellung zu zeigen? Er zog sich zurück, um seinem Schwager und dem anderen Steuermann kurz Anweisungen zu geben. Das Schiff musste jetzt gegen die Hauptströmung hinüber an das östliche Ufer gelenkt werden. Chem, wie jede Stadt, lag auf dem Ostufer, jenseits des Flusses befanden sich die Gräber. Der Westen war das Land der Toten.

 

Merit betrachtete die näher kommende Stadt. Sie war, wie so viele. Weißgekalkte Häuser aus luftgetrockneten Lehmziegeln, die sich zu schmalen Gassen zusammenduckten, der steinerne Haupttempel war in der Mitte zu erkennen. Auch die Häuser darum, Lager, Wohnungen und ähnliches, waren aus Ziegeln. Nur Gräber und Tempel wurden in Stein für die Ewigkeit gebaut. Sie sah beiseite. „Wir werden in das Haus des Stadtvorstehers gebracht?“

„Ja. Sein Name ist Anchsachmet. Ich bin sicher, du wirst passende Unterkunft finden, Meresanch.“ Er war beruhigt, dass sie sich an die Vorgaben hielt. Sie war doch erst zum zweiten Mal bei einer solchen Ermittlung dabei, aber sie hatte wohl im ipet gelernt vorsichtig zu sein. Und Nefer wirkte auch entspannter seit der Mittagspause. Vielleicht verstanden sich die beiden Damen doch besser, als er es schon befürchtet hatte.

 

Anchsachmet, das Stadtoberhaupt, wurde beim Abendessen von dem außer Atem ankommenden Boten überrascht, der ihm die wichtigen Gäste ankündigte. Der Herr von Chem und des dazugehörigen Gaus schluckte hastig. Ein Vorsteher der Schreiber des privaten Büros des Lebenden Horus wäre schon ein Besuch, der aller Aufmerksamkeit bedurfte. Dazu aber noch der Hinweis, die junge Dame in seiner Begleitung sei im Rang einer Königstochter … nun ja. Da galt es Höflichkeit und Bereitschaft zu zeigen. Die Befehle, die seine Lippen geradezu gewitterartig verließen, ließen die Dienerschaft eilig losrennen und Gästezimmer herrichten, das Abendessen deutlich erweitern und Plätze mit den kleinen Tischchen aufzubauen, seine Kinder sich hastig zurückziehen – und die Küche in hektischste Betriebsamkeit verfallen.

Anchsachmet selbst überprüfte kurz sein Äußeres, ehe er sich scheinbar gelassen auf seinen Sessel auf der Empore des Empfangssaales setzte. Er war Mitte Dreißig, Vater von vier noch lebenden Kindern und seit vier Wochen Witwer. Leider, dachte er. Merithor war in den Westen gegangen und hatte ihn nicht nur mit den Kindern, sondern auch nun mit dem Problem allein gelassen, wie man eine Königstochter ihrem Rang entsprechend versorgen sollte. Die Beerdigung war erst vor wenigen Tagen geschehen – und er vermisste nicht nur das Lächeln seiner Frau schrecklich. Sie war seine Ratgeberin gewesen, sein Halt in allen kritischen Lagen. Sie hatte ihn in seiner Laufbahn unterstützt, geholfen, ihn zu einem Stadtvorsteher und adjmer, einem Gauvorsteher, zu machen. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren war er in einer kritischen Lage ohne ihren Rat, ihre Hand auf der Schulter, und er hoffte, wenigstens ihr Ka würde ihm beistehen können. Solch ein hoher Beamter und eine Königstochter kamen vielleicht wirklich nur um der Übernachtung willen zu ihm – aber, wenn sie sich bei dem Horus auf dem Thron der Lebenden beschwerten … Oh, er wollte gar nicht daran denken, dass nicht nur er in den Steinbrüchen zur Zwangsarbeit verurteilt werden konnte, sondern auch seine Kinder irgendwo für den Herrn der beiden Länder arbeiten mussten. Berufsverbote für den Vater wirkten sich auch auf die folgende Generation aus.

 

So musterte er keine halbe Stunde später seine Gäste. Ja, ein Schreiber des Herrn der beiden Länder, dazu mit Amtsstab. Zur gewissen Erleichterung trug dieser Meruka nur die üblichen Amulette seines Berufs: die Göttin Seschat, Halsketten, die er sicher, den Steinen und der Qualität nach, vom Lebenden Gott geschenkt bekommen hatte. Das Mädchen neben ihm trug die neueste Hofkleidung, und Anchsachmet, wie alle Beamten, war oft genug in Ibenu-hedj um das abschätzen zu können. Das kupferne Diadem um ihre Perücke deutete auf extrem hohen höfischen Stand hin, wenn auch nicht auf den einer Königstochter, denn die trugen vorn Gazellenköpfe. Nun, vielleicht sah das auf Reisen auch anders aus? Ein Mann mit Lanze und Dolch im Strick an der Hüfte war an der Tür stehen geblieben. Von hier aus konnte der Hausherr das Amulett nicht genau erkennen, aber er war sicher, dass das einen liegenden Schakal darstellte: Upaut, der Wegöffner, einer der Begleiter des Horus. Und das trugen nur die Leibwachen des Herrn der beiden Länder. Der dritte Mann war eindeutig ein Arzt, das konnte man schon an seinem Koffer sehen, wie auch an dem Amulett der Neith und dem Horusauge, das er trug. Leibarzt des Horus, also.

Meruka neigte höflich den Kopf und so sagte der Ortsvorsteher hastig: „Ich heiße dich, Vorsteher der Schreiber und deine Begleitung in Chem willkommen. Wünscht ihr bei mir zu übernachten?“

„Das wäre in der Tat sehr freundlich. Wir sind auf dem Weg nach Sau und Pe-Dep. - Oh, ich hörte, deine Frau sei verstorben. Möge ihr Ka glücklich sein.“

„Danke, ja. Wir hatten vorgestern die Beerdigung. - Deine Begleitung ….“

„Oh, wenn du Meresanch und ihre Dienerin in die Frauengemächer lassen würdest? - Das ist Rahotep, königlicher Leibarzt. Er, und meine Wenigkeit, haben die Aufgabe diese Reise zu begleiten.“

Das klang geheimnisvoll und interessant. Vielleicht würde der hochrangige Schreiber ihm mehr erzählen? War das nicht der Sohn von einem von Vaters Bekannten? Und nun der Stiefsohn des Sieglers des Königs? Vielleicht konnte er alte Erinnerungen auffrischen und so erfahren, was los war? „Natürlich. Aber darf ich euch zuerst zu einem Abendimbiss einladen, ich bestellte schon in der Küche, als ich hörte, das ihr kommt. Das Reisen auf dem Iteru mag bequem sein, aber richtig zu Essen erhält man doch an Land. - Oh, dort kommen sie schon mit den Schüsseln zum Händewaschen. Bitte, nehmt doch Platz.“ Er sah durchaus interessiert, wie der hohe Beamte unauffällig dafür sorgte, dass diese Meresanch neben ihm zu sitzen kam, obwohl gewöhnlich Frauen und Männer sich gegenüber saßen. Aber es gab ja keine Hausherrin. Sie war also die eigentliche Hauptperson. Ihre Dienerin ließ sich hinter ihr nieder. Sie würde sich bestimmt später etwas in der Küche holen können. Dann erst nahm Meruka Platz und der Arzt. Damit war die Reihenfolge eindeutig geklärt. Er besann sich auf seine Gastgeberpflichten, während die Diener die Schüsseln zum Handwaschen herumtrugen, und die Gäste sich die Hände mit der parfümierten Mischung aus Natron und Pottasche abrieben, die jedermann in kemet nutzte – nur einfache Leute natürlich nicht nach Lotus duftend. „Oh, Rahotep, wenn ich dich so ansprechen darf, königlicher Leibarzt. Vielleicht hast du später Lust mit meinem Arzt zu sprechen? Hekasobek war ebenfalls einst Schüler im Haus des Lebens in Ibenu-hedj, so dass ihr vielleicht gemeinsame Bekannte habt.“

Rahotep nickte prompt, da das ja auch seine Aufgabe war. Von Arzt zu Arzt redete es sich leichter – und er musste dann nur zusehen, was er seinem eigentlichen Vorgesetzten erzählen konnte und was unter das Arztgeheimnis fiel. „Das wäre sehr freundlich von dir, Stadtvorsteher. Ich glaube sogar, er lernte bei meinem eigenen Lehrer, dem Ältesten des Lebenshauses.“

„Das mag sein, ich erinnere mich nicht genau. - Hekasobek lebt und arbeitet drüben am Tempel, mit seinem eigenen Lehrling. Dort behandelt er auch alle Patienten. Fast alle.“ Denn natürlich war der Arzt zu Merithor gekommen, als es ihr so schlecht ging. Aber gewöhnlich machten Ärzte in kemet keine Hausbesuche, sondern die Patienten kamen zu ihnen. „Wenn du möchtest, lasse ich dir den Weg zeigen, natürlich nach dem Essen.“

„Vielen Dank,“ sagte der Leibarzt des Lebenden Gottes höflich. Gut, damit war schon einmal sein Auftrag erleichtert und er konnte, wie Meruka es wollte, mit seinem Kollegen ein wenig diskret plaudern.

 

Nach dem Essen wurden Merit und Nefer in die Frauengemächer begleitet, natürlich mit dem Hinweis, dass die Hausherrin in den Westen gegangen war und leider noch nicht alles wieder so sei, wie es sollte. Merit nickte nur und blickte sich um. „Es ist reizend eingerichtet. Und die Fahrt hat mich doch ermüdet. - Nefertari, ich werde auch ohne dich zurecht kommen, wie ich hier sehe. Schminke mich nur ab, dann geh in die Küche und besorge dir etwas zu essen.“ Eine Handbewegung, die sichtlich langer Gewohnheit entstammte, schickte die übrigen, durchaus neugierigen, Dienerinnen des Hauses hinaus.

Nefer lächelte. „Danke, meine Herrin. Wie großzügig.“ Und leiser: „Man merkt, dass du das schon öfter gemacht hast, perfekt. Komm ins Bad, ich sollte mich beeilen. Die Frauen sind sicher neugierig. Du wirst hier allerdings kaum etwas herausfinden können.“

Merit zuckte die schmalen Schultern, folgte aber ihrer Kollegin in das kleine Bad. „Wie sagt Meruka so schön: aufmerksam bleiben sei alles?“

„Gut, dass du dir das gemerkt hast. Ich gehe in die Küche und rede mit dem Personal, genug Vorwand habe ich. Und sie werden neugierig auf das Leben bei Hofe sein. Ich denke, Ptahnacht und Rahotep kommen dann auch hierher, auch Meruka. Unser Vorgesetzter benötigt die Berichte.“

Merit wollte einen Moment um ihre Tugend besorgt werden, aber sie dachte dann daran, dass ihre Kollegen das sicher schon öfter so getan hatten und auch vorsichtig sein würden. So ließ sie sich nur das weiße Puder abwischen, die Lidstriche und Farbe um die Augen, das Diadem abnehmen. „Danke, Nefer, geh nur, den Rest schaffe ich allein.“ Das mit hellem Ocker eingefärbte Puder schützte das Gesicht vor dem stets leicht wehenden Sand, der bis in die Häuser vordrang. Überdies ließ es die Haut blasser erscheinen und damit interessanter.

Da sie sich auch prompt allein fand, zog sie sich die Ketten ab und den anderen Schmuck, legte die Perücke sorgfältig ab. Darunter trug sie ihr eigenes Haar sehr kurz geschnitten. Dann löste sie den Umhang und das langärmelige Oberkleid. Hier im Haus war es doch deutlich angenehmer, zumal die Pfannen nicht nur Licht sondern auch Wärme gaben. Zugegeben, wie im Sommer unbekleidet mochte sie nicht schlafen, aber sie hatte ein leichtes Hemd dabei. Zusätzlich waren ihr Decken hingelegt worden. So viele, dass sie bestimmt Nefer etwas davon geben konnte, die nur eine Decke und eine Nackenstütze zum Drauflegen zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Sie selbst hatte ihre eigene natürlich dabei, die für ihre Schulterbreite maßgefertigt worden war. Dann legte sie sich auf das Bett und bettete die Schläfe auf das kühle Akazienholz. Bis die Anderen kamen, konnte sie auch schlafen.

 

Sie fuhr in der Tat erst auf, als sie unbewusst die Gesellschaft eines anderen Wesens spürte. Meruka, der gerade behutsam durch die Tür kam und das Rollo hinter sich wieder schloss, lächelte in gewisser Anerkennung. „Vorsichtiges Mädchen, gut.“ Er kam heran und setzte sich ohne weitere Umstände auf ihr Bett. „Du hast nichts in Erfahrung bringen können.“

„Nein.“ Sie wies auf den leeren Raum um sie.

„Die Anderen werden bald kommen. Morgen früh geht es weiter nach Sau. Warst du dort schon einmal?“

„Nein. Aber ich dachte, Rahotep stammt von dort.“

„Ja. Sein Vater ist der Gauvorsteher, und sein Onkel war der Stadtvorsteher. Der starb. Wir werden sehen, ob sein Vater in Sau ist. Als Vorsteher ist er auch zuständig für die militärische Absicherung der Grenzen kemets gegen die libyschen Stämme, die gerade um diese Jahreszeit gern ins Delta einfallen, um Tiere und Ernten zu rauben. Als Wächter der westlichen Grenze, wie dieser Titel lautet, ist es ihm gestattet ohne Rücksprache mit dem Lebenden Horus ein Heer aufzustellen, aus seinem Gau und bis hier, Chem hinunter.“

„Das sind dann kaum nur fünfhundert Mann.“

Man merkte ihre Ausbildung an der Palastschule. „Nein, ich denke um die fünfundzwanzigtausend, im Notfall. Er genießt das Vertrauen des Herrn der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund.“

 

Als die anderen drei der Gruppe ebenfalls fast lautlos hereingekommen waren und sich ebenso formlos auf Merits Bett setzten, zog diese die Beine an und richtete sich ebenfalls lieber auf.

Meruka sah von einem zum anderen. „Beginnen wir bei dir, Ptahnacht. Nach deinem Bericht bewache die Tür.“

Der Krieger nickte. „Alle bedauern den Tod der Dame, sie scheint sehr reizend gewesen zu sein. Anchsachmet trug sie auf Händen. Vier Kinder, der älteste Sohn zehn. Er hatte noch zwei ältere Geschwister, aber die starben. An dem fraglichen Abend fiel auch niemandem etwas auf, die Küche kochte, die Familie aß zusammen, mit einigen Gästen aus der Stadt. Ein Unbekannter kommt nachts hier nicht herein, es ist doch der Sitz des Stadtvorstehers und alle Tore werden verschlossen, das Haupttor bewacht, bis alle Gäste weg sind. Nach einigen Stunden alarmierten Dienerinnen den Herrn und der schickte eilig um den Arzt. Der kam auch, und nach zwei Tagen war Merithor im Westen.“

„Danke. Geh zur Tür. - Was sagt der Arzt, Rahotep?“

Der zuckte die Schultern. „Er steht vor einem Rätsel. Die Symptome, wie er ja bereits in dem Brief geschrieben hatte, erinnerten ihn an eine bestimmte Lebensmittelvergiftung. Aber es traf nur Merithor. Keinem Gast, keinem der Kinder, wurde auch nur schlecht oder er bekam Fieber. Ich fragte ihn, ob sie vielleicht irgendetwas nicht mochte und darum etwas anderes als alle anderen aß, aber das verneinte er. Sie war ja die Hausherrin und sie sagte, was serviert wird. Das Essen wurde auf großen gemeinsamen Platten gebracht und jeder nahm sich oder bekam, die Kinder, einen Teil davon. Es gab Brot, Obst, Fleisch von Enten und Rind und zum Nachtisch Datteln in Wein eingelegt. Das Rind stammte, soweit er weiß, aus den eigenen Herden hier vor der Stadt, die Datteln in Rotwein und der Weizen für das Brot aus den Vorräten des Palastes des Harpunierenden Horus.“

Meruka blickte zu Nefer. „Du warst in der Küche?“

Diese nickte. „Ja. Und sie waren dort alle etwas empört, aber vor allem tief betroffen über den Tod der Herrin des Hauses. Merithor genoss wohl einen vorzüglichen Ruf. Empört deswegen, weil auch schon der Arzt bezüglich der Nahrungsmittel nachfragte und sie sich weder einer Schuld bewusst waren, noch ihnen klar war, wo ihr Fehler gelegen haben könnte. Das Bier, das dazu getrunken wurde, wurde aus der großen Brauerei der Stadt geholt. Frisch am Tage gebraut und an hunderte Menschen verteilt. Das Brot aßen alle, das wurde hier im Haus gebacken, das Obst stammte aus den Gärten Anchsachmets. Kurz, sie sagen, es hätte nichts gegeben, was nicht mindestens einer bis viele auch gegessen haben. Deswegen schließen sie eine Lebensmittelvergiftung vollständig aus, zumal sie für Fleisch und anderes auch ein Kühlhaus haben. Und, natürlich, es auch die kälteste Jahreszeit ist.“

„Hm. Doch der Weizen?“ Der Gruppenleiter blickte zu Rahotep. „Du sagtest doch es gibt eine Getreidekrankheit?“

Der Arzt nickte. „Aber, wie gesagt, das betrifft dann ein komplettes Feld. Ein ganzes Dorf und die Ernte, wohin auch immer diese geliefert wurde. Das sieht man und lässt sich nachverfolgen. Das mit Fieber und Ersticken sind Fälle, die kein Arzt behandeln kann – und so gut wie immer tödlich. Aber, auch noch einmal muss ich darauf bestehen: das passiert nicht einem Einzelnen, sondern einer Familie, oder wer auch immer davon isst. Verdorbenes Fleisch oder auch Gemüse scheint die Hauptursache zu sein. Das kann es bei Merithor jedoch nicht sein.“

„Doch ein zielgerichtetes Attentat,“ vermutete Nefer. „Aber sie war beliebt – und was ist mit den anderen Toten?“

Meruka legte unwillkürlich seine Hand an die Schutzgöttin der Schreiber Seschat, die er an seinem Hals trug und ihn schützen sollte. „Im schlimmsten Fall haben wir es mit jemandem zu tun, der ein unbekanntes Gift verwendet und es willkürlich ausprobiert. Nur, warum sollte jemand das tun?“

„Oder ein Versehen.“ Rahotep dachte nach. „Wenn ein Schiffer, der Essen vom Palast des Harpunierenden Horus verteilt, an irgendeiner unbekannten Seuche erkrankt ist und immer nur einzelne Teile der Ladung berührt ….“

„Ich werde nachdenken,“ beschoss der Gruppenleiter. „Und wir fahren morgen nach Sau. Ich denke nicht, dass wir hier noch viel mehr in dieser Nacht erfahren werden.“

 
 



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