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TMNT - Es liegt in deiner Hand

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Behalte die Oberhand

Aus Raphaels Sicht:
 

Ein seltsames Geräusch hat mich und meinen Bruder aufgeschreckt. Ein Geräusch, welches aus einem der Maschinen gekommen ist und sich nun bedrohlich in mein Hirn hämmert. „Was ist das?“, frage ich Donnie, während ich ihn verwirrt anstarre. Sein Blick wiederum verharrt vollkommen auf die seltsamen Geräte, welche dieses scheinbar unaufhörliche Piepen von sich gegeben hat. Wohl wissend, dass dies auf gar keinen Fall etwas Gutes zu bedeuten hat, beuge ich mich nun wieder über meinen Engel. Als würde Bernadette von all dem nichts mitbekommen, bleibt sie weiterhin regungslos liegen. Doch innerlich scheint sie bereits am Ende ihrer Kräfte zu sein. Wie sonst könnte ich mir dieses ohrenbetäubende Geräusch erklären, aber ich lasse das nicht zu! Ohne lange nachzudenken, drehe ich ihren Kopf vorsichtig zu mir. Als könnte ich sie dazu bewegen, mich anzusehen, während ihre Lider weiterhin geschlossen bleiben. Mir ist das aber egal. Ich lege einfach vorsichtig meine Stirn an ihre und spreche sie an: „Ich will nicht, dass du gehst. Hörst du?“ Keine Reaktion kommt von ihr. Stattdessen hört dieses unerträgliche Piepen nicht für eine Sekunde auf. „Bernadette, ich bitte dich, kämpfe weiter, ich bin bei dir.“, flehe ich sie an. Ich drücke ihr sogar einen Kuss auf ihre Stirn. Ein Weiterer folgt auf ihre rechte Wange, bis ich ihr schließlich einen Kuss auf ihre rechte Hand schenke, die ich am Ende sogar weiterhin vorsichtig halte. Sie soll mich spüren, sie soll wissen, dass ich hier bin. Ich will einfach nicht, dass sie aufgibt.

„Raphi, wir müssen sofort gehen!“, fordert mich Donnie plötzlich auf, aber ich denke nicht daran, Bernadette jetzt zu verlassen. Er kann meinetwegen abhauen, aber ich werde hierblieben. Ohne direkt etwas zu erwidern, schüttle ich einfach den Kopf, jedoch drängt mich mein Bruder weiterhin, die Fliege zu machen und sagt mir sogar den Grund dafür: „Raphi, wenn wir jetzt nicht sofort abhauen, werden wir noch entdeckt! Es wird nicht lange dauern, bis die Ärzte informiert werden, oder glaubst du etwa, die lassen das einfach so weiterlaufen und kriegen das nicht mit?! Beweg dich jetzt endlich!“ „Argh, verdammt!“, knurre ich, denn ich weiß, dass er leider recht hat und ihr ist nicht geholfen, wenn wir nun erwischt werden. Nicht, dass ich Bernadette nun gar nicht mehr besuchen kann. Das ist das Letzte, was ich jetzt will und so erhebe ich mich schnaufend, während ich ihre Hand nun wieder sachte auf der Matratze ablege. Schnurstraks klettern Donnie und ich wieder aus dem Fenster, allerdings klammere ich mich an der Mauer fest und spähe hinein. Ich will wissen, was nun vor sich geht. Wie von meinem Bruder mit der lila Maske zunächst befürchtet, hastet eine Krankenschwester wenig später in das Zimmer. Sie muss von dem lauten Geräusch alarmiert worden sein. Sofort wirft sie einen kurzen Blick auf die Anzeigetafel, ehe sie eine Spritze aus einer mitgebrachten Schachtel zückt. Donnie, der sich auf der anderen Seite des Fensters festhält, flüstert mir zu: „Scheinbar haben sie sich bereits für solche Notfälle vorbereitet. Keine Sorge Raphi, sie weiß, was sie tut.“

Ich antworte ihm nicht. Stattdessen beobachte ich weiterhin stur die Krankenschwester, wie sie den Inhalt der Spritze in eines dieser durchsichtigen Schläuche spritzt, die direkt mit meinem Engel verbunden sind. Ich hoffe nur, dass mein Bruder rechtbehält. Die Spannung macht es mir gerade alles andere als leicht. Ich habe einfach Angst um sie und ich will sie nicht verlieren. Weswegen ich weiterhin stumm das Geschehen beobachte. Bereit einzuschreiten, lasse ich keinen der beiden aus den Augen. Die Krankenschwester steht nun da. Den Pieper in der rechten Hand haltend, drückt sie auf den Knopf, während sie die Anzeige weiterhin im Auge behält. Was hat sie nun vor und wen hat sie da gerade kontaktiert? Die momentane Lage bleibt weiterhin angespannt, bis sich aber die Maschine beruhigt. Das Piepen hat aufgehört und ich bekomme mit, wie die Krankenschwester erleichtert aufatmet. Ist Bernadette etwa über den Berg? Wenig später betritt nun ein Kerl mit einem weißen Kittel den Raum. Das muss wohl der Arzt sein, der für meine Freundin zuständig ist. Sympathisch sieht er mir nicht gerade aus, aber wichtiger ist es, dass er ihr hilft. Alles andere ist mir egal. Wie die Krankenschwester zuvor, betrachtet nun auch er die Anzeigen und unterhält sich mit jener. Allerdings kann ich kaum etwas verstehen, denn dieses Fachsimpeln liegt nicht gerade auf meine Wellenlänge und mich interessiert das auch nicht. Ich will nur wissen, wie es um Bernadette steht.

„Soweit ich es mitbekommen habe, geht es ihr gut.“, klärt Donnie mich flüsternd auf, allerdings frage ich mich, wie er das aus diesem Kauderwelsch herausgefiltert hat, weswegen ich ihn in derselben Lautstärke frage: „Und woher willst du das wissen?“ „Die Werte liegen laut der Krankenschwester momentan wieder auf dem Normalbereich und der Arzt hat das gerade noch einmal bestätigt. Er hat es nachgeprüft und schau …“ Er deutet mit seinem Gesicht wieder in Richtung Krankenzimmer. Dort drinnen entfernt sich die Frau wieder, während der Arzt noch eine Weile bei Bernadette bleibt. Scheinbar kontrolliert er noch einmal alles, ehe auch er sich wieder aus dem Staub macht. Keiner der beiden hat mitbekommen, dass das Fenster noch teilweise offensteht, weswegen ich nun wieder einsteige und mich meiner schlafenden Freundin nähere. Donnie folgt meinem Beispiel. Allerdings geht er zunächst zu Tür und horcht, ob die Lage wieder sicher ist. Mit einem bestätigen Nicken entschärft sich die Lage etwas und ich kann mich ohne Probleme zu Bernadette gesellen. Sanft streiche ich ihr übers Gesicht und flüstere ihr zu: „Das war ganz schön knapp. Jage mir bitte nicht noch einmal so ein Schrecken ein. … Mach einfach nur die Augen auf, mehr will ich nicht.“ Wohl wissend, dass ich keine Antwort darauf erhalten werde, seufze ich. Bernadette mag zwar jetzt über den Berg sein, aber das heißt noch lange nicht, dass sich das nicht wiederholen kann. Solange sie nicht ihre Augen aufschlägt, solange werde ich auch nicht beruhigt sein. Wie lange sie diesen Kampf wohl noch durchstehen muss, bis sie endlich die Oberhand gewonnen hat?
 

Aus Bernadettes Sicht:
 

Verloren stehe ich nun auf dem Dach. Hinter mir erstreckt sich der Abgrund, während auch vor mir das drohende Ende darauf wartet, endlich sein Ziel erreichen zu können. Was mache ich nur? Es gibt kein Vor und auch kein Zurück. „Hast du wirklich geglaubt, du könntest mir so einfach entkommen? Deine Naivität kennt wohl keine Grenzen, oder?“, fragt mich mein dunkles Ich mit einem spöttischen Ton und fuchtelt mit einem weiteren Dolch herum, als ich mich ganz zu ihr umdrehe. Den Rücken zum Abgrund gerichtet, verharre ich nun auf meiner momentanen Position. Meine Hände sind zwar zu Fäusten geballt, aber mein ganzer Körper zittert. Ich habe Angst, Angst vor mir selbst. Doch wer kann schon von sich selbst behaupten, im wörtlichen Sinne vor sich selbst weglaufen zu müssen? Wäre ich gerade nicht in dieser misslichen Lage, so würde ich vollkommen an meinem Verstand zweifeln. Ich bin einfach nur verwirrt und es ist meiner Meinung nach auch vollkommen krank, was ich gerade erlebe. Als würde ich inmitten eines Albtraumes feststecken, welches entscheidet, ob ich weiterleben darf, oder sterben muss und momentan sieht es einfach nur danach aus, als ob nun mein letztes Stündlein geschlagen hätte. Ich sehe kaum eine Möglichkeit zu entkommen. Zwar könnte ich versuchen, an ihr vorbeizukommen, aber genauso gut könnte sie diese Chance ergreifen und mich schneller umbringen, als was mir lieb ist. Selbst wenn ich versuchen würde, noch einmal zu fliegen, könnte ich genauso gut in die Tiefe stürzen. Was soll ich nur machen?!

Wütend und gleichzeitig verzweifelt sehe ich zu ihr hinüber. Abwechselnd die scheinbar aussichtslose Lage peilend, wandert mein Blick immer wieder auf diese messerartige Waffe. Zuerst wollte sie mich erdrosseln, doch nun will sie mir dieses Ding in mein Herz rammen. Ist sie sich eigentlich im Klaren, was sie da überhaupt tut?! Begreift sie nicht, dass, wenn es mit mir aus ist, sie das gleiche Schicksal zu tragen hat? Wir beide sind doch jeweils das Gegenstück des Anderen, zwei Teile eines Ganzen und daher auch zusammen eine Person, oder nicht? Wenn sie das wirklich durchzieht, dann wird sie sich selbst auch noch umbringen! Dann verliert sie doch genauso wie ich! Ich versehe nicht, wieso sie das will? Wenn sie wirklich was ändern möchte, was ich ihrer Meinung nach falsch gemacht habe, warum will sie unser Leben beenden?! Das ergibt doch gar keinen Sinn! „Warum?“, frage ich sie nun und das ist auch das Erste, was mir nach dieser Verfolgungsjagd endlich über die Lippen kommt. Die Angesprochene jedoch, zunächst noch kurz überrascht, lacht kurz auf: „Hast du was gesagt? Ich hoffe für dich, dass das dein Abschiedsgebet war, denn nun wird dies alles hier endlich ein Ende haben! Das wird schon lächerlich und ich bin es leid, dir noch länger hinterherzujagen!“ Schon hebt sie den Dolch etwas höher und macht sich bereit, aber ich hingegen bleibe weiterhin so angespannt wie ein Zinnsoldat stehen und starre sie an, bis nach ein paar wenigen Atemzügen weitere Worte meinen Mund verlassen: „Warum willst du sterben? Du bist doch ein Teil von mir? Wenn du mich umbringst, dann gilt dasselbe auch für dich! Ist dir das überhaupt klar?!“

Mein dunkles Selbst kichert nach meinen Worten. Als wäre das alles nur ein Scherz, aber mir ist das vollkommen ernst und ich habe nicht vor, mich einfach so umbringen zu lassen. Genauso will ich den Grund wissen, wieso diese Bernadette solch einen Hass gegen mich und das Leben hegt. Es ist in letzter Zeit viel Schlimmes zu ertragen gewesen, das ist mir bewusst, aber das einfach so in die Tonne zu werfen, kommt für mich einfach nicht in Frage. Das Mädchen mit dem Dolch schüttelt nun ein wenig den Kopf, während es die roten Augen verdreht und sich mir dann wieder widmet: „Ja, das bin ich und genau hier liegt ja das Problem. Ich bin nämlich an dich gebunden und so sehr ich mich auch dagegen gewehrt habe, hast du es doch immer wieder geschafft, weiterhin die Oberhand zu behalten. …“ Kurz schließt die dunkle Bernadette ihren Mund. Jedoch erhebt sie kurz darauf den linken Zeigerfinger, zeigt auf mich und setzt ihre Schuldzuweisung fort: „Ich bin nämlich der Teil, den du immer zurückgehalten hast! Kein Schreien, wenn Tante Tina wieder einmal ihre Launen hatte. Kein Zurückschlagen, wenn wir angegriffen wurden und kein sofortiges Handeln, ohne, dass nicht wieder viel zu viel darüber nachgedacht wurde. Gerade mit dem hast du mich oft genug auf die Palme gebracht! Kaum einmal hast du es zugelassen, ohne nachzudenken zurückzuschlagen. Stattdessen hast du ständig alles auf die Waagschale gelegt, alles so gut wie möglich überdacht und dich ständig vor die möglichen Konsequenzen gefürchtet, ohne mal darauf zu scheißen! Ich verrate dir mal was, nicht jeder denkt zuerst an andere, check das endlich einmal!“

„Natürlich weiß ich das, aber wenn man einfach so darauf losschlägt, ist man nicht besser wie die anderen, die das einem antun. Ist dir das überhaupt bewusst?! Mir schon und es kann sein, dass ich oft genug über die möglichen Konsequenzen gedacht habe, aber das war nicht ohne Grund!“, werfe ich ihr zurück, doch das scheint ihr egal zu sein. Sie will es einfach nicht sehen, obgleich sie mein Gegenstück ist und es besser wissen müsste. Sie schreit mich einfach an: „Pah, wozu immer einen Grund haben, um zu handeln?! Hat Lucinda überhaupt einmal nachgedacht, oder nach einem Grund gesucht, um uns zu schikanieren?! Wohl kaum, ihr macht das einfach Spaß. Genauso wie all die anderen ihre Freude daran hatten, bei diesem „Spiel“ mitzumachen, aber mir reicht es! Ich will nicht mehr! Es wurde schon viel zu viel Frust, Zorn und Bitterkeit heruntergeschluckt, wodurch bereits ein Meer entstanden ist, in dem man ertrinken könnte und schuld daran bist allein nur du! Du musstest ja weiterkämpfen, indem du das „Gute“ auf der Welt suchtest und das Schlechte, so weit wie es eben ging, verdrängt hattest, aber guten Morgen! Das wahre Leben sieht vollkommen anders aus und das wusste ich schon von jenem Moment an, an dem Dad starb!“ Moment mal was?! Wie kommt mein dunkles Ich nun auf ihn? Was hat auf einmal er damit zu tun? Er ist tot und das schon seit vielen Jahren. Wie hängt das also bitte damit zusammen?

„Was hat das mit Dad zu tun? Lass ihn gefälligst aus dem Spiel!“, keife ich sie an, denn das geht einfach zu weit. Ich habe Dad geliebt und ich werde ihn auf gar keinen Fall jetzt in den Dreck ziehen lassen. Sie hingegen bleibt dabei und keift zurück: „Das werde ich sicher nicht! Denn genau dieser Tag war es, welcher mich die Realität erkennen ließ. Die Welt ist düster, grausam und die Menschen sind alle egoistisch! Niemand schert sich über den anderen, es gibt keine Treue, geschweige Vertrauen und immer wieder haben wir das aufs Neue erleben und herunterschlucken müssen! Besonders ich habe nichts machen können, weil du zu dumm und zu naiv bist, nur damit du dir eine weitere Illusion aufbauen konntest, in dem alles besser zu ertragen war! Aber meine Liebe, so ist es nicht! Erinnere dich, was war nun mit unseren „Freunden“, die uns am Ende doch allesamt im Stich gelassen hatten?! Sie waren ebenfalls nichts weiter als ein weiterer unnützer Hoffnungsschimmer, der schon bald im Keim erstickt wurde! All diese schönen Tage, an den wir diese gemeinsam mit ihnen verbracht hatten, wurden in den Staub getreten und sie hatten dann nichts weiter für uns übrig, als Spott und Hohn. Als wären wir nichts weiter als Abfall, mit dem sie sich nur aus Mitleid eine Zeit lang beschäftigt hatten, ehe „ihre Hoheit“ in unser Leben getreten war. In unserer Familie ist es ebenfalls nicht viel anders. Sie alle haben uns allein gelassen, sich nur um sich gekümmert und daher sage ich es dir zum letzten Mal: Das Leben ist wertlos, denn mit diesen Menschen hast du kein Leben! Check das endlich einmal!“

„Das, das ist einfach nicht wahr! Ja, es gab so vieles, was ich durchmachen musste. Was wir beide durchmachen mussten. Das Leben besteht aber nicht nur aus Dunkelheit! Sonst hätten Tante Tina und auch Mom nicht endlich erkannt, wie es wirklich war und Raphael wäre genauso wenig in uns Leben getreten. Wir hätten weder ihn noch seine Brüder kennengelernt, oder ist dir das auch egal? Meinetwegen kannst du mich sooft beleidigen, wie du willst, es wird sich aber nichts daran ändern! …“, widerspreche ich ihr. Mir wäre noch einiges eingefallen, was ich hätte sagen können, wäre da nicht plötzliches dieses seltsame Gefühl aufgetreten, welches mich zum Schweigen gebracht hat. Wie eine seltsame Druckwelle durchdringt mich etwas. Es hat zunächst etwas Pulsierendes an sich, ehe das wieder abnimmt und mich stattdessen eine seltsame Leere umgibt. Irgendwie fühle ich mich für einen Augenblick ruhiger, sogar entspannter. Was war das bloß? Ich schaue zur anderen Bernadette hinüber und auch sie scheint dies gespürt zu haben. Wie ich hat auch sie selbst dieselbe Haltung eingenommen, als wären wir beide uns zum ersten Mal wieder einig geworden. Sie hat sogar den Dolch fallen gelassen. Vermutlich hat diese seltsame Druckwelle sie jene Waffe aus den Händen rutschen lassen. Ist sie vielleicht dadurch sogar „wachgerüttelt“ worden? Leider nein, sie bückt sich und greift nach dem Dolch, ehe sie mich wieder ansieht. „Was war das?“, frage ich sie und zum ersten Mal, nach langem in diesem Albtraum redet sie vollkommen ruhig mit mir: „Ich habe keine Ahnung, aber das spielt auch keine Rolle.“

Es hat keinen Sinn, so wird mein anderes Ich sich niemals überzeugen lassen, dass das Wahnsinn ist, was sie vorhat. Auch wenn wir zunächst unterbrochen worden sind, bleibt sie bei ihrem Entschluss, dass mich umbringen will und sich gleich mit dazu. Seltsamerweise wirkt sie nun etwas anders auf mich, ruhiger könnte man fast schon behaupten, aber vielleicht täuscht das nur. Ich traue dem Ganzen nicht. Stattdessen löse ich mich langsam von meiner momentanen Position. Ohne aber meine Fäuste zu lockern, die ich wieder geballt habe, gehe ich nun Schritt für Schritt auf sie zu. Eigentlich müsste mich meine Angst daran hindern, mich sogar hemmen, aber dieses Gefühl schwankt ständig und kämpft mit meinem Überlebenswillen. Ich will einfach nicht aufgeben, ich will leben und ich will zu Raphael zurück. Allerdings beschäftigt mich noch etwas. Warum ist für mein Gegenstück Dad´s Tod so wichtig? Was hat es damit auf sich? Genau das will ich wissen, weswegen ich weiterhin nach Antworten suche: „Warum quälst du mich so und warum ist für dich gerade Dad’s Tod der Auslöser? Du hast ihn doch genauso geliebt, wie ich und obwohl du meine dunkle Seite bist. Ich kann es sehen.“ „Ich bin nicht nur von Hass geprägt, wenn du das ernsthaft glaubst. Diese strenge Gut-und-Böse-Grenze gibt es nicht. Das ist einfach nur eine Einbildung, welcher sich irgendwer irgendwann ausgedacht hat und ja, mir war Dad genauso wichtig wir dir. Schließlich sind wir beide ein Teil des jeweils anderen. Das kann man nicht einfach so ignorieren. …“, antwortet sie mir und schweigt schließlich.

Ich stehe nun wenige Schritte vor ihr und warte, bis sie weiterspricht. Ihre Augen sprechen Bände und das ist mit Sicherheit nicht alles, was sie zu sagen hat. Ihre freie Hand ballt sie nun ebenfalls zu einer Faust. Ihre Wut auf mich und auf das Leben erwacht langsam wieder aufs Neue. Als hätte sie sich wieder sammeln müssen, schnauft sie und spricht sogar weiter, was sich am Ende aber eher als Schreien entpuppt: „Du kannst es, oder willst es einfach nicht verstehen, oder? Das alles sind vielleicht nur einzelne Bruchstücke, was du gerade aufgezählt hast. Meinetwegen kannst du das auch gerne als vereinzelte Blütenblätter interpretieren, die auf dem Meer der Wut und Trostlosigkeit umhertreiben, aber das ist nicht genug. Es ist nur oberflächig und ich sehe nicht ein, warum ich mich allein damit zufriedengeben muss und scheinbar kann nur ich das sehen. Du willst es ja nicht einsehen, wie die Welt wirklich ist. Immer wieder hat sie bewiesen, wie grausam sie ist und erst seit Dad´s Tod ist mir dies klargeworden. Er war unsere Stütze, er war immer für uns da, bis zu jenen Tag und ab da waren wir immer allein. Ich will nicht mehr und ich kann auch nicht mehr! Nur du bist schuld, dass ich das immer noch ertragen muss! Wie viel Leid willst du noch zulassen, bist du es wirklich raffst?! Nein, du wirst es niemals verstehen. Egal wie viele dunkle Gedanken ich dir an passenden Momenten geschickt habe, du hast doch weiterhin nach einem Ausweg gesucht und gemeinsam mit Raphael war es für mich umso schwieriger, endlich etwas zu ändern. Du hast mich gekonnt ignoriert und mir selbst ist ebenfalls nichts Anderes übriggeblieben, als mein Leid irgendwie zu vergessen, bevor ich noch daran verrückt geworden wäre. Doch dieses mühselige Warten hat nun endlich ein Ende gefunden und ich werde diese Chance ergreifen. Solange wir in diesem Zustand festecken, werde ich nicht eher ruhen, bis es endlich vorbei ist!“

Die dunkle Bernadette umfasst ihren Dolch fester und als sie versucht, mit diesen zuzustechen, kann ich sie gerade noch am Handgelenk packen. Mit beiden Händen umschließe ich diesen, während sie weiterhin ihre Kraft gegen mich richtet. Ich stemme meine Beine kräftig gegen den Untergrund und versuche alles, was mir möglich ist, um diesem Angriff zu entgehen. Sie ist stark, aber als ich plötzlich meinen Oberkörper gegen ihren ramme, strauchelt sie zurück und ich lasse sie los. Überrascht sieht sie mich an. Vermutlich hat sie nicht damit gerechnet, dass ich dazu imstande bin und dieses Mal bin ich sogar selbst überrascht. Ich weiß nicht, woher diese Kraft hergekommen ist. Hat es etwa an meinem Willen gelegen? Unglaubwürdig starren wir uns beide zunächst an, bis ich schließlich lächle. Es ist auch meine Welt, nicht nur ihre und deswegen bin ich auch nicht so hilflos, wie ich zunächst geglaubt habe. Ich kann etwas bewirken. Mit neuem Mut ausgestattet, stelle ich mich nun aufrecht hin und spreche mein anderes Ich aufs Neue an: „So leicht mache ich es dir nicht. Auch wenn du zunächst die Oberhand gehabt hast, ich werde nicht aufgeben. Ich will leben und das solltest du auch.“ „Nein, ich will nicht, ich will diesen Albtraum nicht noch länger ertragen! Du magst zwar an deiner Illusion festhalten wollen, aber ich tue es nicht!“, widerspricht die dunkle Bernadette mir, aber bei dem Wort „Illusion“ kann ich nur lachen: „Und das hier, ist das etwa keine Illusion, mit dem du mich in die Irre geführt hast?! Im Leben mag zwar einiges schieflaufen, aber man hat immerhin noch mehr davon, als von hier. Außerdem, wenn du schon unser Leben beenden willst, warum hast du es bis jetzt nicht getan? Wenn du stirbst, dann müsste auch ich sterben, oder?!“

Dies habe ich mich schon die ganze Zeit gefragt. Wenn sie es wirklich will, dann hätte sie es doch schon längst durchziehen können und ich hätte mir genauso gut diese Scharade ersparen können. Nicht, dass ich es gewollt hätte, aber ich erkenne da einfach keine Logik, was das betrifft. Scheinbar steckt da aber noch mehr dahinter. Denn die andere Bernadette lacht und schüttelt dabei den Kopf, während sie mich nun eines Besseren belehrt: „Nein, so einfach ist das nicht. Ich kann mir selbst nichts tun, wie du hier siehst. …“ In dem Augenblick, als sie das sagt, versucht sich mein dunkles Selbst die Pulsadern am linken Arm aufzuschneiden, aber es passiert nichts. So sehr diese Bernadette auch dagegen drückt, es ist, als bestünde der Dolch nur aus Watte. Es gibt nach und auf der Haut selbst gibt es keine Spur davon, dass ein scharfe Gegenstand ihn durchbohren wollte. Nichts, rein gar nichts geschieht, außer dass mich die dunkle Bernadette wieder ansieht und mit ihren Schuldzuweisungen fortfährt: „ … Du warst immer die dominante Seite von uns beiden, da hatte ich in der Realität keine Chance und selbst hier war mir dein nerviges Durchhaltevermögen ständig im Weg, wodurch mir nichts Anderes übrigblieb, als mir diese Scharade einfallen zulassen. Nur so konnte ich dir hier nahe genug sein, ohne dass du wirklich Verdacht schöpfen würdest und ich musste warten, bis du schwach genug bist, um endlich zuschlagen zu können. Auch wenn es zweimal nicht so lange geklappt hatte, wie ich wollte, spielt das jetzt keine Rolle mehr. Denn es wird in wenigen Augenblicken endlich ein Ende haben!“

In diesem Augenblick rast sie auf mich zu. Den Dolch in ihrer Hand direkt auf mich gerichtet, stürzt sie sich auf mich. Ich habe aber nicht vor, auszuweichen oder gar zu fliehen. Dieser sinnlose Kampf soll ein für alle Mal aufhören und wenn es sein muss, werde ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit ich das erreiche. Sie macht mir keine Angst mehr und ich lasse mich auch nicht mehr unterkriegen. Ich will leben und wenn es heißt, dass ich dafür kämpfen muss, so werde ich dies auch tun. Ohne lange zu überlegen, laufe ich auf sie zu. Mein Blick auf sie fixiert, stelle ich mir vor, dass ich in meiner linken Hand ein Schild halten würde. Ich versuche mich so darauf zu konzentrieren, denn dies hier ist auch meine Welt und das heißt, dass ich alles hier erschaffen kann, was ich nur will. Noch fühle ich nichts zwischen meinen Fingern, aber als die andere Bernadette dabei ist, zuzustechen, halte ich ihr meinen gesamten Arm zur Abwehr hin. Metall schrammt an Metall und als ich dieses klirrende Geräusch höre, öffne ich rasch meine Augen, die ich zunächst noch zusammengepresst gehalten habe. Ich blicke auf und sehe den Schild, den ich heraufbeschworen habe. Ähnlich wie ein Wappen ist es geformt und ist so groß wie die eineinhalbe Länge meines gesamten Armes. Ich grinse und stoße meine Angreiferin mit einem Schwung von mich. Leicht verdattert steht sie einige Schritte vor mir entfernt und kann scheinbar nicht glauben, dass ich nun auch in der Lage bin, diese Welt auf meine Weise zu beeinflussen.

Stolz auf meine Leistung stelle ich mich nun aufrecht hin und spreche sie an: „So leicht lasse ich mich von dir nicht unterkriegen. Ich werde leben und ich lasse es nicht zu, dass du mir wieder Angst machst!“ „Das werden wir ja noch sehen.“, knirscht die Angesprochene zwischen ihren Zähnen und macht sich bereit. Anstatt mich aber wieder einfach anzugreifen, geht auch sie nun in Position und lässt im selben Augenblick einen weiteren Dolch erscheinen. Wie der andere ist dieser wellenförmig geformt und vermutlich glaubt sie nun, damit einen Vorteil zu haben. Schließlich hält sie nun zwei Waffen in ihren Händen, während ich in die Verteidigung übergegangen bin. Ein bösartiges Grinsen umschmeichelt ihr Gesicht und ihre feuerroten Augen spiegeln eine Selbstsicherheit wider, als hätte sie den Sieg bereits in der Tasche. Ich habe nun die Wahl: Bleibe ich bei dem Schild, oder erschaffe ich ebenfalls eine Waffe für den Angriff? Wie es auch sein wird, eines ist auf jeden Fall klar: Verletze ich sie, so verletze ich mich automatisch selbst. Denn wir beide sind jeweils Teil des anderen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mad-Dental-Nurse
2018-02-25T14:52:20+00:00 25.02.2018 15:52
Ohhh man die Spannung hört micht mehr auf. Aber ich kann mich da gut hineinversetzen. Wie oft habe ich auch dunkle Gedanken gehabt und habe sie wueder weggedrängt, weil es nichts bringen eürde gesvhweige demn falsch war...
Schnell zum nächsten Kapitel flitz
Antwort von:  Pamuya_
25.02.2018 16:37
Der Mensch neigt nun mal "gerne" Tatsache, oder Schmerzen zu verdrängen, weil man sich einfach selbst schützen will. Umso schlimmer ist es aber, wenn diese irgendwann wieder hervorkommen. Denn dann sind sie umso schmerzvoller.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
25.02.2018 19:20
Und machen jeden zu einem Monster...*seufz*
Antwort von:  Pamuya_
25.02.2018 21:46
Kommt ungefähr hin.


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