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Life is not that easy

Und erst recht keine Soap!
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ja, ich kann's nicht lassen. Ich komme mit einer neuen Idee um die Ecke.
Diesmal hat mich eben Naruto gestreift - im AU. Was soll ich sagen? Es überkam mich einfach! ^^°
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Vorwort zu diesem Kapitel:
So, auch hier wieder was von mir. Ich habe endlich meine Klausuren dieses Jahr bestanden und auch einiges anderes Zeugs hinter mir! Jay, ich bin wieder da!

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Vorwort zu diesem Kapitel:
O.O!
Da schaue ich mal wieder rein, weil ich ein Kapitel fertig redigiert habe - und ihr erschlagt mich gleich! 13 Kommis, 19 Favos und eine Empfehlung?! ^///^ Man, ich bin platt. Und freue mich wie sonst noch was. DANKE!
...Hoffentlich könnt ihr dann mit der Wendung auch was anfangen, die sich hier andeutet. *auf Storyverlauf schiel* Na, das wird noch bunt!

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Oi, hier bin ich wieder.
Ach Leute, ich guck auf meine Liste und seh schon 22 Favos? >//< Ich freue mich, ihr seid echt verrückt.

Aber wie ihr hoffentlich letztes Mal gemerkt habt: Der Text des Liedes von Hinata ist kein gängiges Lied, was ich aus Youtube gezogen habe, oder so. Der Text ist auf meinem Mist gewachsen - und ich weiß, es ist kein wirklich gelungenes Ding, das ist meistens meine große Schwäche. Wollte es nur mal haben, nicht, dass ihr jetzt versucht, das Lied zu googlen, oder sowas. Und ja, auch heute wird es wieder viel zu erzählen geben, diesmal sogar mit großem Zeitsprung!

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, Leute! Willkommen zu einem weiteren Kapitel, welches echt richtig lang geworden ist.
Ich wusste nicht, wo ich den Cut machen sollte, also habe ich es einfach so gelassen.
Und wir kommen endlich zur Szene im Prolog!

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Jay! Ich bin wieder da! Sorry, Leute, das ging nicht früher. Ich habe so viele neue Verpflichtungen im RL, das gibt es gar nicht.
Bin jetzt Schöffin im Gericht für die nächsten Jahre (Yay for me!) und noch so ein paar Sachen.
Anyway, in diesem Kapitel widme ich mich Tsunade. Haltet schon mal die Taschentücher bereit, es wird traurig. Aber auch schön. Hm, und Neji ist nicht zu Hause. Seid gespannt!

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Endlich ein neues Kapitel! Uh, uff, es tut mir wirklich Leid, euch so lange warten zu lassen. Aber mir kam einfach immer was dazwischen. (Unter anderem ein kleiner Besuch im Krankenhaus) Aber jetzt bin ich endlich wieder da. Und es wird vielleicht nicht so sehr überraschen: Diese Story befindet sich in den letzten Zügen! Ehrlich, bald ist hier Ende, aber noch nicht jetzt! Freut euch also noch an den, was jetzt kommt!

As usual:
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ja, ich bin auch mal zurück. Ich weiß, es ist eine Ewigkeit her, aber bei mir war im RL nicht nur viel los, ich hatte auch wirklich mit diesem Kapitel zu kämpfen. Irgendwie wollte mich Hinata nicht so lassen, wie ich wollte. *seufz*

Aber ja, nach ungefähr zehnmaligem Umschreiben ist hier nun, was nicht ganz perfekt ist, aber das Beste, was ich rausholen konnte.

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß, ich weiß, ich bin ewig spät dran. :( Aber in meinem Leben ist im Moment eine Menge los. Und irgendwie wollte Kakashi sich diesem Kapitel entziehen. Deswegen dauerte es ein wenig, bis ich die richtige Formulierung gefunden habe. (Und habt ihr euch nicht auch gefragt, wo der Gute abgeblieben war? ;)) Jetzt wünsche ich euch allerdings viel Vergnügen hiermit.

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Es tut mir unendlich Leid, ich bin ewig spät dran. Auch bei mir hat Corona leider einiges durcheinander gewirbelt. Ich hatte erst eine echte Blockade, dann musste ich sehen, wie sich bei mir alles einpendelt. Denn ja, ich gehöre auch zu einer Rsikogruppe, ich bin jemand, der eine Behandlung bekommt, die mit dem Immunsystem zu tun hat. Und deshalb muss ich doppelt vorsichtig sein.
Ich hoffe, ihr seid alle gesund und bleibt es auch! Passt auf euch auf!

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ugh, nach gefühlten Ewigkeiten wieder ein Kapitel von mir. Sorry, dass es so lange gedauert hat.

As usual, enjoy reading this,
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Oh, Schande. Ich habe gemerkt, wie lange das hier schon kein neues Kapitel bekommen hat. Eigentlich hatte ich es schon viel eher hochladen wollen, aber ich bin nicht dazu gekommen. Mein Leben geht momentan in einzelnen Phasen wieder zurück in ein neues normal, ich denke, ihr versteht, was ich meine.

Aber ja, hier ist das neue Kapitel. Mit jemandem, den ihr vielleicht schon vermisst habt!

As usual,
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Vorwort zu diesem Kapitel:
...Kennt ihr diese Momente, in denen man vor einem blinkenden Cursor sitzt und es einfach nicht raus will? So kam ich mir die letzten Monate vor. Es tut mir wirklich Leid, ich wollte eigentlich gar nicht so viel Zeit verstreichen lassen!

Ja, wir sind schon bald am Ende dieser FF angelangt! Danach tauche ich erst einmal in ein anderes Fandom ab, vielleicht sehen wir uns da wieder! :)

Bis dahin: Enjoy reading this,
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hui, ein ganzer Monat rum. Wieso verfliegt die Zeit plötzlich wieder, wenn man wieder einen Alltag hat? -.-

Egal, hier ist erst einmal euer neues Kapitel!

As usual,
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Vorwort zu diesem Kapitel:
....Es tut mir unendlich Leid, ich hatte nie vorgehabt, es so lange nicht hochzuladen! >///< Aber wie man's kennt, immer kommt was dazwischen. Ich habe vielleicht auch ein wenig mich überwinden müssen, weil das hier tatsächlich das letzte Kapitel ist.
Ihr habt's also geschafft, diese Geschichte ist hiermit offiziell beendet! Viel Spaß mit dem Epilog, der hoffentlich nicht allzu schlecht geworden ist.

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Prolog

Die Nacht war angenehm lauwarm, aber das interessierte mich nicht. Auch nicht, dass die halbe Partygesellschaft mich anstarrte. Mich interessierte nur ein Blick, ein Mensch, der mich im Moment ansah, als kenne er mich nicht.Sein fassungsloser Blick traf mich tief. Der stille Vorwurf, der in seinen Augen stand, nahm mir die Luft zum Atmen und meine Wut verschwand.
 

Meine Verlobte kam auf mich zu, was mein bester Freund zum Anlass nahm, fast fluchtartig den Saal zu verlassen. Ich wollte ihm nach, wollte mich erklären, aber es waren zu viele Menschen zwischen uns. Ich sah nur noch seinen Rücken verschwinden und dann war er fort. Hatte ich ihn jetzt für immer aus meinem Leben vertrieben?

Konoha – 12 Jahre zuvor
 

Sasuke:

Ich lief schneller, als es sein müsste. Mal wieder. In zehn Minuten würde das Schultor geschlossen werden und ich würde höchst wahrscheinlich zu spät kommen. Nicht, weil ich verschlafen hatte – ich stellte mir jeden Abend den Wecker und kontrollierte vor dem Einschlafen, ob alles richtig funktionierte. Auch nicht, weil ich irgendeine Hausaufgabe vergessen hätte und sie hätte nacharbeiten müssen – ich erledigte jede Aufgabe, sobald ich sie auf bekam. Ich hatte auch nicht beim Essen getrödelt, das hätte mein Vater mir niemals erlaubt.

Nein, ich war zu spät dran, weil mein ach so bester Freund mal wieder total verschlafen hatte, dann in wenigen Minuten seine Japanischhausaufgaben hingeschmiert hatte und meinte, ein Frühstück müsste dann auch noch mehrere Gänge haben. Und ich hatte jetzt dasselbe Problem, weil ich auf ihn gewartet hatte! Der Kerl ruinierte mein sorgsam aufgebautes Image!

„Dobe!“, keuchte ich entnervt, „Wenn wir jetzt zu spät kommen, kannst du was erleben!“ Neben mir erschien ein rennender, blonder Haarschopf. „Man, mein Wecker spinnt, ich hab's dir doch gestern schon gesagt, echt jetzt!“ Gestern – wo wir auch schon Nachsitzen durften. Weil wir zu spät dran waren.
 

Mein Magen verkrampfte sich vor Wut. Ich verkniff es mir, meine Hände zu Fäusten zu ballen, denn das wäre sehr ineffektiv gewesen. Aber ein leichtes Zähneknirschen kam dennoch durch. „Das alte Ding?“, knurrte ich. Er lachte leise. „Ich hab kein Geld für was Neues.“
 

Das Tor schwang schon gefährlich nahe der Schließung, als ich nach vorn preschte. Mit einer Hand schlug ich gegen das Tor, ein Fuß schob sich in den Spalt und blockierte den Weg. Ich keuchte erschöpft. „Wir sind da!“, murmelte ich dem Menschen zu, der heute wohl für alle Schussel zuständig war. Wenigstens würde ich nicht vor dem abgeschlossenen Tor stehen und mir überlegen müssen, wie ich mich reinschmuggelte. Ich schnaufte noch einmal durch und sah auf, da ich erschöpft den Kopf hatte hängen lassen.

Smaragdgrün strahlte mir vergnügt entgegen. „Hallo, Sasuke-kun! Naruto-kun! Das war aber auf den letzten Drücker, ihr zwei.“ Eine rosane Haarsträhne fiel in ihr Gesicht und ich musste ein Zucken der Mundwinkel unterdrücken. „Sakura-chan, du bist unsere Rettung!“, ertönte es hinter mir. Ich trat durchs Tor und machte meinem besten Freund Platz. Dabei lehnte ich mich nahe an das Mädchen neben mir heran. „Können wir es nicht einfach so machen, dass du ihn aussperrst?“, flüsterte ich amüsiert und Sakura Haruno, unser beider beste Freundin, lachte laut auf.

„Ey! Das hab ich gehört!“ Ich erlaubte mir ein Schmunzeln. „Wollen wir rennen?“ Sakura wirbelte herum und flitzte los. Ich folgte ihr und Naruto Uzumaki, unser kleiner blonder Lieblingschaot rannte mit spielerisch erhobener Faust hinter uns her. Wir drei rannten weiter, in unsere Klasse, wo wir uns erleichtert auf unsere Plätze setzten. Diese lagen natürlich nebeneinander, immerhin waren wir die unzertrennlichen drei in dieser Schule.
 

Sakura:

Grinsend sah ich über Naruto hinweg zu Sasuke, der gerade seine Bücher auspackte. „Wie gut, dass ich heute den Dienst für die Zuspätkommer übernommen habe, ne, Sasuke-kun?“ Er nickte amüsiert. An unserer Schule war es so, dass wir zum Glockenschlag, der die letzten fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn ankündigte, das Schultor schlossen und dann die Liste mit abgehakten, also pünktlichen Schülern, im Sekretariat abgaben. Für jede Jahrgangsstufe waren zwei Leute abgestellt, die einen Monat lang vorne standen. Dann wechselte es und andere Schüler kamen dran. Dass ich allein dastand, hatte den einfachen Grund, dass ich mit Ino eingeteilt war. Und meine Freundin war noch nie die Zuverlässigste. Ständig verdrückte sie sich und flirtete lieber, als ihre Aufgaben zu erledigen. Ich war Jahrgangsbeste hinter Sasuke und die Jahrgangssprecherin. Logisch, dass ich für sie mitarbeitete. Ich grinste, als ich Ino zwei Reihen weiter vorne erspähte, mit ihrem Oberkörper halb auf dem Tisch von Sai Yamato. Sie klimperte mit den Augen und spitzte die Lippen. Sai sah wie immer leicht irritiert aus. Er hatte es nicht so mit sozialen Kontakten.

Ich holte mein Mathematikbuch heraus und schlug Naruto auf die Schulter. „Hey, komm, reiß dich zusammen, die Stunde fängt jede Minute an!“ Er hob den Kopf. „Mh? Ist doch egal, Mathe ist nicht mein Ding. Und wenn der neue Lehrer so ein strenger Mistkerl ist, hab ich eh keine Chance mehr.“ Er legte die Wange wieder zurück auf den Tisch und schien sich absolut nicht mehr bewegen zu wollen. Ich zwickte ihn ins Ohr. Kräftig. Er schoss wie gewünscht hoch, hielt sich sein Ohr und funkelte mich an. „Aua“, zog er wehleidig die Vokale in die Länge, „Du bist immer noch so abartig brutal, Sakura-chan!“ Sasuke neben mir grinste leicht.
 

Den neuen Lehrer hatte ich total vergessen. Unser alter Lehrer war mit einem Beinbruch ins Krankenhaus gekommen und das kurz vor seiner Versetzung an eine andere Schule. So kam der frisch verbeamtete Lehrer sehr viel früher zu uns. Ich hatte noch nichts über ihn gehört und war mindestens genauso gespannt wie alle anderen Schüler. Seit Tagen redeten wir darüber. Die meisten in meinem Umfeld hatten vor allem Angst um ihre Note. Schon die vorherigen Klausuren in diesem Halbjahr hatten so schlimm eingeschlagen, dass die Schlechteren von uns um ihre Versetzung jetzt schon fürchteten.

So auch Naruto, dessen Noten so oder so immer kurz vorm Versagen schwebten. Wir hatten schon alles versucht, was außer Nachhilfe noch möglich war, aber selbst unser Ass in Mathematik, Hinata Hyuuga, hatte vor der Beschränktheit unseres Freundes kapituliert. Und jetzt würde er eben sehen müssen, wie er klar kam. Natürlich wollte ich nicht, dass er sitzen blieb und wir dadurch getrennt wurden, aber er musste sich eben auf den Hintern setzen und es ernsthaft versuchen. Ich war immer noch der Meinung, dass er es konnte, wenn er nur motiviert genug wäre. Sasuke hatte sich schon halb überlegt, ob Lehrer bestechlich waren. Es wäre nicht das erste Mal, dass er versuchen würde, unserem Klassenclown zu helfen und dann über das Ziel hinausschoss.
 

Jetzt zog der Schwarzhaarige zwei Plätze weiter links neben mir den Blonden direkt zu meiner Linken am Kragen in eine normale Sitzposition. „Versuch doch wenigstens, einen normalen ersten Eindruck zu machen, Dobe.“

Dobe war Narutos Spitzname, den Sasuke ihm ungefähr im Alter von fünf oder sechs Jahren verpasst hatte. Dafür hatte er sich gerächt, indem Sasuke bei ihm ab da an Teme hieß.

Tatsächlich kannten wir drei uns, seit wir vier Jahre alt gewesen waren. Wir waren in dieselbe Klasse der Vorschule gekommen und man hatte uns häufig zu Gruppenarbeiten zusammen gesteckt. Und wenn ich ehrlich bin, hat wohl niemand damals geglaubt, dass wir jemals etwas miteinander anfangen könnten. Sasuke, der jüngste Sohn der zweitältesten und reichsten Familie der Stadt, restlos versnobt und eingebildet.

Naruto, der kleine Wildfang mit unbekannten Eltern, der vom Bürgermeister ein wenig Hilfe bekam, weil der an ihn glaubte.

Und schließlich ich, das einzige Kind von schrecklich ehrgeizigen, aber total durchschnittlichen Eltern, die mit meinem Köpfchen gern den sozialen Aufstieg geschafft hätten. Wir hatten keinen guten Start gehabt, wirklich nicht.
 

Die beiden Jungs mussten ständig getrennt werden, weil sie sich über Kleinigkeiten aufregten und stritten und sich dann regelmäßig prügelten. Ich war zwar ganz gut dabei, hatte aber ständig Angst, etwas falsch zu machen und tat mich somit nie besonders hervor. Kurz gesagt: Absolut niemand fand uns drei auf einem Fleck eine gute Idee.
 

Nun ja, wir waren Kleinkinder, gerade alt genug, um überhaupt eine Schule zu besuchen. Uns fiel nicht mal aus Versehen ein, die Situation des Anderen zu überdenken oder die Worte unserer Eltern in Frage zu stellen. Fast ein Jahr lang hatten wir so weitergemacht, bis dieser eine Tag kam, an dem Naruto nicht zur Schule gekommen war. Wir – also Sasuke und ich – hatten nachsehen sollen, was los war. Meine Mutter hatte es mir direkt verboten, da sie Naruto für keinen guten Umgang für mich hielt. Sasuke bekam von seinem Vater erklärt, für einen solchen Unsinn habe er als Uchiha überhaupt keine Zeit. Erst am dritten Tag hatten wir es geschafft, uns vor der Schule zu treffen und zu ihm zu gehen. Auch, wenn wir es damals nicht zugeben wollten, wir hatten und schon ein wenig Sorgen gemacht.

So kam es, dass wir damals zum ersten Mal sahen, wie unser Freund wohnte. Den üblen Gestank hatte ich heute noch in der Nase, wenn ich an die winzige Wohnung dachte, die im Armenviertel unseres Dorfes lag. Naruto öffnete uns nicht die Tür, aber wir hatten ihn von draußen hören können. Damals sind wir über uns hinaus gewachsen, als wir begriffen, dass er verletzt gewesen war. Wir waren durch ein Fenster geklettert und hatten unseren Freund vor Schmerz völlig zusammen gekrümmt auf dem Bett liegend gefunden. Er war von älteren Kindern gefährlich heftig verprügelt worden und war nicht ins Krankenhaus gegangen. Nun lag er hier und hatte sich lediglich zum Kühlschrank und zurück geschleppt, in der Hoffnung, dass es mit Ruhe schon wieder werden würde.

Sasuke hatte damals den Krankenwagen gerufen – was für ein Kind von fünf Jahren schon eine beachtliche Leistung war. Ich hatte nicht angefangen zu weinen, sondern hatte alles getan, was der Notarzt mir damals am Telefon durchgegeben hatte. Später meinte er, wir hätten Naruto damit das Leben gerettet, weil ein gebrochener Knochen sich am Vorabend ungünstig verschoben hatte. Das hatte ich so weit wieder hingebogen gekriegt, dass der Blonde lange genug durchhielt, bis die Ärzte da waren.

Seit diesem Tag waren vielleicht nicht alle Streitigkeiten vergessen, aber wir hatten gelernt, dass wir ein Team sein konnten. Wir waren zusammen gewachsen und wurden zu besten Freunden. Nun, im Alter von zwölf Jahren waren wir wieder einmal in derselben Klasse gelandet. Dass es dieselbe Schule geworden war, war nicht so verwunderlich, wie man meinen sollte. Meine Eltern konnten sich nichts besseres für mich leisten, als die normale Schule. Naruto hatte sowieso keine andere Wahl, weil er niemanden hatte, der seine Schulgebühren auf einer privaten Schule zahlen würde. Und Sasuke hatte von zu Hause aus die Aufgabe zugeteilt bekommen, sich ein wenig unter den Pöbel zu mischen, wie sein Vater es nannte. Also sollte er sich ansehen und miterleben, wie die einfachen Leute lebten, damit er später einmal als einer von ihnen angesehen werden würde. So richtig hatte ich nicht verstanden, was es ihm bringen sollte, diese Schule zu besuchen, wenn er doch zur Polizei wollte. Er hätte es auf einer Privatschule mit besseren Lehrern und Materialien viel einfacher gehabt, oder nicht? Aber ich hatte aufgehört, danach zu fragen, als Sasuke gemeint hat, es wäre nicht nötig, darüber zu grübeln.
 

Nach zehn Minuten war unser Lehrer immer noch nicht da, was fast alle von uns dazu brachte, auf eine Freistunde zu hoffen. Kiba vor uns hatte angefangen, sich mit Shino zu unterhalten, den er bei jeder Gelegenheit damit aufzog, dass dieser so leicht heulte. Deshalb trug Shino immer diese dämliche Sonnenbrille – so sah angeblich keiner seine Tränen. Hinata saß direkt daneben und lächelte höflich, beteiligte sich aber nicht allzu sehr an dem, was wir anderen machten. Ich hatte mal gehört, ihr Vater fand es nicht so toll, dass sie so sanft war und machte gar nichts mit ihr, obwohl er ihre kleine Schwester beinahe jeden Tag selbst unterrichtete.

Aber so genau wusste ich das nicht und vielleicht übertrieb Ino auch nur, wenn sie mir sowas erzählte. Ino und ich waren seit ungefähr zwei Jahren befreundet und manchmal dachte ich, sie war sauer, dass Sasuke nicht mit ihr so toll befreundet war, wie mit mir. Aber was sollte ich machen? Ihm eine schmieren, wenn er sie ignorierte?
 

Naruto hatte sich mittlerweile auch aufgesetzt und beschwerte sich in einem leisen Tonfall, dass er gar nicht so sehr hätte rennen müssen, wenn er das vorher gewusst hätte. Sasuke machte ihn gerade darauf aufmerksam, dass das Tor dennoch zu gewesen wäre, als die Klassentür aufging und unser Direktor herein kam. Hinter ihm schlurfte lustlos ein weiterer Mann herein. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, mit einer Erkältungsmaske im Gesicht und einer Lehrertasche unter den Arm geklemmt, bewegte er sich im Schneckentempo nach vorn. Der Direx bat um Ruhe.

„Also“, erklärte er laut, „Ihr wisst, dass Edogawa-sensei mit gebrochenem Bein im Krankenhaus liegt. Glücklicherweise konnten wir seinen Ersatz schon etwas früher verpflichten und er übernimmt ab jetzt euren Mathematikunterricht.“ Der alte Mann wischte sich über die Stirn, als haben die kurzen Sätze ihn fast alle Energie gefordert, die er hatte.

„Ich hoffe doch, ihr werdet Hatake-sensei genauso gut verstehen und euch ihm gegenüber angemessen benehmen. Ich will keine Klagen über euch von eurem neuen Klassenlehrer hören!“ Mit erhobenem Zeigefinger wedelte er vor der Klasse herum. Einige lachten leise. Ich grinste ebenfalls. Es klang, als wollte der Direktor uns erzählen, dass wir einen neuen Schüler bekommen hätten, anstatt einen Lehrer, der für sich selbst sprechen konnte.
 

„Seine Haare sind grau“, murmelte Naruto neben mir belustigt, „Haben die ihn an seiner alten Schule so geärgert oder denkst du, der ist in Wirklichkeit total alt?“ Ich musste ein Prusten unterdrücken. „Frag doch, wenn's dich interessiert“, murrte Sasuke. Wie immer wollte er einfach nur, dass der Unterricht begann.

Der Direktor verschwand mit einem ermutigenden Schulterklopfen und lies uns mit unserem neuen Lehrer allein. Der musterte uns kurz, bevor einige Hände hoch schossen. „Sensei“, warf jemand in den Raum, „Dürfen wir Sie etwas fragen, bevor wir mit dem Unterricht beginnen?“ Er schien gar nicht darauf zu reagieren. Unsicher, ob er zugehört hatte, wiederholte der Jemand seine Frage. Der Typ da vorne schnaufte.

„Mein erster Eindruck von euch ist: Ich mag euch nicht“, brummte er und drehte sich um, nahm ein Stück Kreide zur Hand und schrieb seinen Namen an die Tafel. Wir waren alle ruhig geworden bei diesen Worten, sahen uns aber an, als müssten wir uns gegenseitig sagen, dass wir richtig gehört hatten. Ich verzog ängstlich das Gesicht. Dieser Kerl strahlte sowas aus, das einen um die eigene gute Note fürchten lies. Der letzte Lehrer, der so demonstrativ keine Lust gehabt hatte, seinen Job zu machen, hatte seinen Unterricht einfach nur so heruntergeleiert und sich nicht im Mindesten darum gekümmert, ob wir mitkamen. Und dann hatten wir auch keine Chance gehabt, mit einem Referat auszugleichen. Damals hatte ich meine einzige Vier im Zeugnis kassiert. Und der Mann hier schien genauso zu sein.

Sasuke hatte die Finger beider Hände ineinander geschoben und sein Kinn darauf abgelegt. Er ignorierte im Moment alles, was nichts mit lernen zu tun hatte. Naruto rollte gerade mit den Augen und zog einen Schmollmund. Menschen, die scheinbar keinen Spaß verstanden, waren für ihn nur nervig. Er wollte immer Action haben.
 

„Naruto“, flüsterte ich und lehnte mich zu ihm herüber, „Versuch doch wenigstens, freundlich zu gucken!“ Wenn er es sich mit diesem Lehrer verdarb, würde er dieses Schuljahr garantiert sitzen bleiben. Er lehnte sich zurück und schnaubte. Verschränkte sogar die Arme vor der Brust. „Nö, der Typ ist ein Langweiler. Und wahrscheinlich geht der zum Lachen in den Keller!“ Er schloss die Augen und schien abzuschalten. Ich lies enttäuscht den Kopf hängen. „Willst du unbedingt wiederholen?“, fragte ich leise nach. Er wandte sich mir zu. „Natürlich nicht“, brummte er, „Aber bei so einem Kerl fühl ich mich echt unmotiviert, echt jetzt!“

Ein Buch auf seinem Kopf unterbrach unsere Unterhaltung. Überrascht sahen wir beide auf, aber ich wurde gar nicht beachtet. Unser neuer Sensei starrte angefressen zu meinem besten Freund herunter. „Junge“, begann er scharf, „Wenn du schon so viel Zeit hast, um deine Klassenkameraden zu unterhalten, kannst du mir auch die Aufgabe lösen, die ich gerade gestellt habe. An die Tafel mit dir!“ Er wies mit dem Daumen hinter sich zu besagter Fläche. Naruto sah ihn an, verwirrt, welche Aufgabe er meinte. Das eine Auge, welches zu sehen war, verengte sich.

„Na los, hoch mit dir!“ Der Blonde stand zwar auf, stolperte aber mehr nach vorn, als dass er sich fügte. Er nahm sich ein Stück Kreide und blickte unsicher auf die Zahlen, die dort standen. Er blinzelte. Dann sah er hilfesuchend über seine Schulter zu Sasuke. Ich wusste genau, dass Naruto nicht immer so folgsam war, aber der Tonfall und die direkte Wortwahl hatten ihn überrumpelt. Jetzt zeigte sich, dass er längst nicht so selbstsicher war, wie er immer vorgab.
 

„Wird es heute noch mal etwas?“, kam von unserem Lehrer. Narutos Blick wurde flehender, aber Sasuke schüttelte nur mit dem Kopf. Er konnte ihn da nicht rausholen. Ich seufzte schwer und sah zu, dass mein Stift schnell genug über das Papier glitt. Dann hob ich die Hand. Hatake-sensei hob eine Augenbraue. „Ja?“ Ich stand auf, griff nach meinem Heft. „Darf ich die nächste Aufgabe machen?“, fragte ich und biss mir nervös auf die Lippe. Er machte eine Geste nach vorn. „Bitte.“ Ich hob die Schultern und ging schnell nach vorn, stellte mich direkt neben meinen besten Freund und stupste ihn an. Ganz oben hatte ich die Worte Schreib das ab! hin gekritzelt. Er sah darauf, nickte kaum merklich und schrieb so schnell er konnte.
 

Beide Aufgaben waren gelöst, als wir uns wieder setzten. Der Grauhaarige nickte leicht. „Gut gemacht...“ Er sah mich an. „Haruno“, erklärte ich leise, „Haruno Sakura.“ Er grinste – oder bildete ich mir das nur ein? „Gut, du kriegst die gute Note für heute.“ Er sah zu Naruto, seufzte und ging wieder nach vorn. „Und ich?“, fragte der Blonde verwirrt. Der Sensei sah nicht einmal zu ihm. „Welche Note willst du denn dafür, dass du gut abschreiben kannst?“, brummte er und ich zuckte zusammen. Wie hatte er das denn gemerkt? Keiner von uns beiden hatte lange genug zum anderen gesehen, Narutos Gesicht hatte sich nicht zu meinem Heft gedreht.

Er sah mich direkt an. „Denkt ihr, ich kenne den Trick nicht?“ Ich senkte den Blick, die Wangen warm vor Scham. Sasuke schnaubte nur. Wahrscheinlich hatte er deswegen nicht geholfen – weil er ahnte, dass wir erwischt werden würden. „Demnächst ist jeder für seine eigenen Noten verantwortlich, verstanden?“ Gehorsam nickten wir Schüler. Mit dieser Aktion hatte er sich Respekt verschafft. So schnell würde keiner mehr versuchen, sich durch zu schummeln.
 

Das Ende der Stunde kam uns vor wie eine Erlösung. Wir seufzten alle auf, als die Tür hinter unserem Lehrer zufiel. „Was für ein Typ!“, murmelte Kiba. Neji nickte leicht. „Hast Glück gehabt, dass er dich nicht erwischt hat.“ Kiba schoss hoch, wollte schon wieder einen Streit anfangen, aber Tenten quetschte sich zwischen die beiden Jungs. „Ruhig Blut, wir wollten jetzt nicht untereinander anfangen. Reicht schon, dass der Kerl uns auf dem Kieker hat.“ Damit hatte sie wohl Recht. Ich warf einen Blick in den Raum. Jeder schien sich zu überlegen, wie wir dieses Schuljahr überstehen würden. Ich seufzte schwer. Sah zu Sasuke. Der erwiderte meinen Blick. „Scheint, als müsste Dobe sich jetzt mal anstrengen.“, sagte er. Naruto murrte leise. Diese Blamage würde er so schnell nicht vergessen.

Ich lächelte und legte meine Hand auf seine Schulter. „Such dir doch jemanden, der dir hilft. Dann klappt das schon.“ Er sah mich geknickt an. „Nee, mit meiner Dummheit will sich keiner anlegen. Du selbst doch auch nicht, oder, Sakura-chan?“ Ich lachte nervös. Ich hatte tatsächlich nicht genügend Zeit, um ihm alles zu erklären und meine Noten gleichzeitig zu halten. Entschuldigend zuckte ich mit den Schultern.

Es klingelte zur nächsten Stunde und Kurenai-sensei rauschte in den Raum. Ich stellte mich auf eine harte Stunde ein. In Japanisch war ich nicht so gut.
 

„Dobe!“, fauchte Sasuke auf dem Heimweg nun schon zum zweiten Mal. Er hielt in seiner Hand Narutos heute frisch zurück gegebene Japanischarbeit. Unser bester Freund hatte die beste Note von allen bekommen. Mich überraschte immer wieder, wie gut er darin war, Texte oder Gedichte zu interpretieren. Naruto hatte einfach ein Talent für Worte und ihre tiefere Bedeutung. Ich hatte mal wieder nur knapp den Durchschnitt erreicht. Sasuke war sogar am Schlechtesten weggekommen Er schrieb laut Kurenai zu kurz und viel zu wenig über die Gefühle des Schreibers, die wir einbringen sollten. Die Noten fassten ganz gut zusammen, wie wir drei waren, hatte sie gesagt. Ich glaubte, es zumindest ein bisschen zu verstehen.

Sasuke redete nicht viel. Ich konnte hier und da zu einem Thema entweder viel oder wenig sagen und Naruto...der fand zu jeder Sache etwas, das er sagen konnte.
 

Ich lachte, als Naruto sich stolz aufplusterte und Sasuke leise grollte. Die beiden würden wohl auch in zwanzig Jahren noch so sein – obwohl ich keine Ahnung hatte, wie unser Leben dann aussehen würde.

Für heute trennten wir uns erst einmal und ich ging nach Hause.

5 Monate später
 

Naruto:

Mit einem tiefen Seufzen schlug ich das Heft wieder zu und unterdrückte Tränen der Wut. Ich war wieder einmal nicht gut genug gewesen. Mathematik war einfach nichts für mich. Ich konnte tun, was ich wollte, ich kam einfach nicht mit. Jetzt ahnte ich, dass ich dieses Jahr wohl nicht schaffen würde. Ich traute mich gar nicht, zu Sakura oder Sasuke zu sehen. Beide sahen recht zufrieden aus. War ja klar, dem Teme gelang eh alles ohne große Mühe und Sakura lernte mehr als alle anderen Leute hier. Nur ich war der Doofe.

Grüne Augen sahen mich an. „Nicht gut?“, fragte sie und sah mich mitleidig an. Ich schüttelte den Kopf und biss mir auf die Lippe. Sasuke nahm sich in diesem Moment mein Heft und schlug es auf. Als er die Note sah, zuckte er kurz zusammen. „Oha“, murrte er, „Du erreichst ein neues Tief, Dobe.“ Ich riss ihm das Heft aus der Hand und es fiel zurück auf meinen Tisch. „Halt die Klappe, Teme! Ich brauch nur einen Ausgleich und ich komm gerade noch so durch, ja?!“ Ein Rascheln und ein schockierter Laut ließen mich herumfahren. „Sakura-chan!“ Sie starrte in mein Heft.

„Von vier Vierteln hast du zwei Drittel abgezogen? Da hat Hatake-sensei echt recht, wenn er sagt, dass sei höhere Logik. Was hast du dir dabei gedacht?!“ Ich schnaufte schwer. Wenn ich es mir mühevoll zu Hause erarbeitet hatte, kapierte ich es zumindest ein bisschen. Aber in den Arbeiten saß ich da und wusste oft nicht mehr weiter. Ich konnte mir die Rechenwege einfach nicht merken und machte das, was ich konnte. Leider reichte das nun wohl nicht mehr ganz aus. Ich lies den Kopf hängen.
 

Ganz vorne hörte ich meinen Namen so leise, dass es beinahe im Stimmengewirr untergegangen wäre. Ich sah zu Hinata, die mich fragend und freundlich wie immer ansah. Ich hob vier Finger und setzte einen waagerecht dahinter. Sie schluckte für einen kurzen Moment schwer, dann nickte ich zu ihr hin. Sie hielt zwei Finger nach oben, dann drehte sich sich wieder um. Unser Lehrer erklärte gerade, dass die Berichtigung unsere Hausaufgabe sei. Super, tolle Wurst. Durfte ich mal wieder die halbe Nacht durchmachen. Dachte der eigentlich auch mal daran, dass wir noch andere Fächer hatten? Nee, lieber lies er uns endlos ackern. Ich grummelte unhörbar.
 

„Naruto-kun, würdest du bitte noch ein wenig bleiben?“, ertönte es hinter mir, als ich schon fast aus der Tür war. Ich stöhnte auf, lies die Schultern hängen und meine Tasche fiel zu Boden. Dann drehte ich mich um. „Hai, Hatake-sensei?“ Er saß auf seinem Stuhl und bedeutete mir, mich in die erste Reihe zu setzen. Ich tat, wie befohlen und fühlte mich sofort unbehaglich. Allein von diesem Kerl mit seinem einzelnen, sichtbaren Auge fixiert zu werden, war unheimlich.

„Du bist dir im Klaren, dass die letzte Arbeit von dir nicht gut war?“, begann er und ich nickte. Er seufzte auf. „Aber wenn ich deine Hausaufgaben sehe, müsstest du es doch können! Was ist los mit dir? Hilft dir sonst heimlich jemand?“ Beleidigt wollte ich das Gespräch hier beenden, ich wollte aufstehen, ihm eine Beleidigung an den Kopf werfen und davon rennen. Aber ich blieb und funkelte ihn wütend an. „Nein“, erwiderte ich kalt, „Aber wissen Sie, wie lange ich dafür brauche? Ich hab noch andere Fächer, Sensei!“

„Ja, dass ist mir bewusst. Und ich weiß auch, wie du in den restlichen stehst.“ Das überraschte mich schon ein bisschen. Er wusste es? Hatte er sich etwa wirklich nach mir erkundigt? „In Japanisch scheinst du der Beste in der Klasse zu sein. Auch Englisch scheint dir mehr zu liegen als allen anderen. Chemie und Physik sind ausreichend und im Sport steht es auch ganz gut. Nur Mathematik und Biologie sind furchtbar. Genauso wie Musik letztes Jahr.“ Er wusste das alles von mir? Auch mein Zeugnis vom letzten Jahr? Seit wann war der Kerl so sehr um seine Schüler bemüht?

Seufzend beschloss ich also, ihm die Wahrheit zu sagen. Irgendwie freute es mich, dass er mich verstehen wollte. Es passierte nicht oft, dass Leute auf mich zugingen. Die meisten behandelten mich wie als hätte ich die Pest. Nur, weil ich keine Eltern hatte und niemand wusste, wer sie gewesen waren, mieden die Leute mich. Ohne Sakura und Sasuke würde ich total eingehen.

„Das Problem ist, Sensei, wenn ich zu Hause sitze, klappt es irgendwann. Aber wenn ich wieder hier bin und vor den Aufgaben sitze, ist alles weg. Ich versuch es, aber...naja, es läuft eben nicht.“ Er sah mich ernst an und hörte mir ruhig zu.

„Was ist mit Nachhilfe?“ Beinahe hätte ich gelacht. „Habe ich schon alles durch. Es gibt kaum jemand, der mir helfen würde. Und meine Freunde hab ich schon alle durch.“ Er nickte und blätterte in seinem Heft herum. Was dort stand, wusste ich nicht, aber er blieb an einer Seite hängen und fuhr mit dem Finger über eine Zeile, während er las. „Ah ja, richtig. Deine...Situation ist wohl nicht einfach.“ Sein Blick blieb weiterhin auf die Seite gerichtet. Ich nickte trotzdem. „Ich bleib sitzen, oder?“, fragte ich direkt nach. Das Heft wurde zugeschlagen.
 

„Nun, darüber wollte ich mit dir reden. Es gibt einige in dieser Klasse, denen die Mathematik nicht zu liegen scheint. Ich wollte euch den Vorschlag machen, dass wir Dienstags die letzte Stunde nutzen und ich euch etwas Nachhilfe anbiete. Würdest du deine Freistunde dafür opfern?“ Erschrocken sprang ich auf. Er? Nachhilfe? Bei mir – und so richtig gratis? Eiligst lies ich meinen Kopf von oben nach unten wandern und wieder zurück. „Aber sowas von, Sensei! Ich will ja versetzt werden, echt jetzt!“ Er lachte leise. Das Geräusch hallte klar und angenehm durch den Raum. „Das ist die richtige Einstellung. Gut, dann werde ich morgen in der zweiten Stunde dazu kommen, es anzubieten. Aber dafür habe ich dich nicht gebeten, hierzubleiben.

Naruto-kun, du stehst momentan zwischen zwei Noten.. Mit der besseren von beiden würdest du gerade noch versetzt werden und Biologie wäre dein einziges Fach, das zu schlecht wäre. Ich würde dir einen Versuch geben, mich von der besseren Note zu überzeugen. Im Moment sehe ich keinen Grund, dir den Gefallen zu tun.“ Ich war überfordert.

„Was soll ich tun?“, fragte ich daher noch mal nach. War doch nicht so, dass man in Mathematik plötzlich Referate halten konnte, oder? Über was denn auch? Wie Pythagoras seinen bescheuerten Satz erfunden hatte? Wer auf die Idee der binomischen Formeln kam?
 

Hatake-sensei seufzte schwer. „Du benimmst dich absolut nicht. Ständig versuchst du, andere Schüler zu Unsinn zu animieren. Das muss aufhören. Und wenn du was verstanden hast, dann beteilige dich auch am Unterricht, anstatt aus dem Fenster die Wolken zu beobachten! Shikamaru-kun wird das auch noch zu hören bekommen!“ Ich nickte zweimal hintereinander, verkniff mir ein Grinsen. Der Nara war immer so. Total genial, aber super unmotiviert. Ständig war ihm alles zu anstrengend. Schon unser alter Lehrer hatte aufgegeben, ihm eine Note für Unterrichtsbeteiligung zu geben.

Er holte einige Blätter aus seiner Tasche. Legte sie auf den Tisch, an dem ich saß. „Das hier plane ich zum Einstieg in unser neues Thema am Montag. Wärest du bereit, die Zeichnungen zu den beschriebenen Aufgaben zu zeichnen und würdest du versuchen, sie auf einem Extrablatt über das Wochenende zu lösen?“ Schluckend blickte ich auf den kleinen Stapel vor mir. Fünf eng beschriebene Blätter, alle Aufgaben sahen kompliziert aus. Ich nickte leicht. „Ich versuch's. Echt, Sensei.“ Unsicher nahm ich die Zettel, als mein Lehrer zufrieden nickte. „Gib mir deine Lösungen und die Zeichnungen Montagmorgen vor der ersten Stunde. Ich kopiere sie dann für die Klasse.“ Schwer schluckend sah ich ihn an, der Papierstapel wog auf einmal schwer in meiner Hand. Doch mehr als ein Nicken brachte ich nicht zustande. Hatake-sensei stand auf. Eine warme Hand fand sich kurz in meinem Haar wieder. „Das schaffst du schon.“ Dann war er aus dem Raum, ehe ich eine Antwort darauf hatte. Er glaubte wirklich an mich. Ich schrie vor Freude auf und machte einen Luftsprung. „Versetzung, ich komme!“
 

„Er hat was gesagt?“, fragte Sakura auf dem Rückweg nach Hause zum dritten Mal. Ich grinste sie an, meine Laune schwang sich immer höher. „Er glaubt, dass ich es schaffe“, grinsend verschränkte ich die Arme hinter dem Kopf. Sasuke neben mir schnaubte leicht. „Hast du es schon wieder geschafft, einen Lehrer mit deiner Art zu erweichen?“ Es hätte beleidigend klingen können, hätte ich nicht genau gewusst, dass er genauso erleichtert war, wie Sakura und ich. Gespielt empört zog ich eine Schnute. „Ich hab immerhin verhindert, dass sich Lee und Neji mitten im Unterricht kloppen. Und ich hab Hinata dazu gebracht, ihre Antwort laut genug zu sagen, damit Sensei sie versteht.“ Sakura nickte beifällig. „Stimmt, du sorgst immer dafür, dass die anderen sich verstehen.“ Ich reckte den Kopf soweit es ging. „Vielleicht sollte ich Therapeut werden!“

Sasuke lachte, „Weißt du überhaupt, was das ist?“ Er ging schneller und ich jagte ihm hinterher. Also echt, als ob ich nicht wüsste, dass so ein Mensch anderen bei ihren Problemen half! Hatte der Teme doch selber genug von – ich würde ihn nachher als Patienten aufnehmen! Ich hörte Sakuras Gelächter und nicht zum ersten Mal lief mir ein warmer Schauer über den Rücken, wenn ich sie so sah und ihre Stimme hörte. Ich wollte Sakura einfach immer fröhlich sehen.
 

Montagmorgen
 

Kakashi:

Ich stand vor dem Lehrerzimmer und nahm die Blätter vom Uzumaki entgegen. Er grinste und sah mich mit funkelnden Augen an. Ich musste ein Lächeln unterdrücken. Deutlich sah ich die Schatten unter seinen Augen. Mein Schüler musste wirklich an den Aufgaben gearbeitet haben. Bei einer schnellen Durchsicht fiel mir auf, dass er zu allen Fragen etwas aufgeschrieben hatte. Ich hob eine Augenbraue. Auch die Zeichnungen waren exakt und fein ausgeführt. Na bitte, er konnte es doch! Ich hob die Hand an, die die Zettel hielt. „Danke, ich werde sie kopieren. In der vierten Stunde habt ihr sie dann vor euch liegen. Du hast heute den Vorteil, dass du schon das Thema weißt. Ich erwarte also, dass du dich meldest!“ Er nickte und salutierte auf alberne Weise. „Jawohl, Sensei!“ Seine Reaktionen amüsierten mich. Immer, wenn ich dachte, ich hätte diesen Jungen verstanden, tat er etwas, das mich verblüffte.

Zum Beispiel hätte ich niemals damit gerechnet, dass er den Streit zwischen Neji Hyuuga und Lee Sakurai schlichten würde, indem er beiden eine Predigt über ihr Benehmen hielt. Laut ihm waren Menschen, die andere nicht für sich selbst sprechen ließen, einfach nur egoistisch und fies. Grund für den Streit war die kleine Hinata gewesen, die bei meiner Frage auf eine Lösung einer schwierigen Aufgabe so nervös geworden war, dass sie mir beinahe an der Tafel in Ohnmacht gefallen wäre. Ich wusste, dass Neji seine Cousine nicht mochte, aber dass er sie vor der ganzen Klasse wegen ihrer Schüchternheit bloßstellte, war ein starkes Stück. Lee hatte sich das nicht gefallen lassen wollen und hatte Neji beleidigt. Der wollte Ärger anfangen und ich sah mich schon eine Prügelei schlichten. Da war der Blondschopf einfach aufgesprungen, zwischen die zwei getreten und hatten ihnen klar gesagt, was er von der Sache hielt. Er hatte sogar die kleine Hyuuga wieder aufgebaut und sie hatte die Aufgabe fehlerfrei lösen können.
 

Insgesamt schien Naruto so etwas wie der gute Geist der Klasse zu sein. Wenn jemand ein Problem hatte, war er zur Stelle und versuchte zu helfen. Gedankt hatte es ihm bisher selten jemand. Ich sah oft genug, wie seine Mitschüler untereinander tuschelten und ihm verächtliche Blicke dabei zuwarfen. Er schien sich bewusst zu sein, in welcher Situation er steckte, aber es machte ihm wohl nichts aus. Immer, wenn ich ihn sah, lachte er. Oder schmollte, weil er eine Lösung nicht wusste. Oder er sah zufrieden aus, wenn er aus dem Fenster sah. Jedes Gefühl konnte man diesem Jungen am Gesicht ablesen, aber seine Gedanken erriet ich nie.

Jetzt drehte er sich herum und winkte mir zu. „Ich muss jetzt zum Unterricht, Sensei. Wir sehen uns ja nachher!“ Und weg war er. Ich grinste.

„Na sowas! War das etwa Naruto?“, fragte mich Iruka Umino. Ich sah ihn an. „Ja, das war er. Wieso fragst du?“ Iruka war der Erste gewesen, der mir hier die vertraute Anrede angeboten hat. Ich hatte es gerne angenommen – wir waren ja auch fast im gleichen Alter, er nur drei Jahre jünger als ich. Er lächelte väterlich. „Er kommt hoffentlich gut mit?“ Ich runzelte die Stirn, was man bei mir kaum sah. „Wer bist du, sein Vater oder was?“ Er lachte freimütig. „So ungefähr. Ich kenne den Jungen seit dem Kindergarten. Er ist mir wohl irgendwie ans Herz gewachsen.“ Ich schnaufte aus. Meiner Meinung nach war es nicht gut, allzu sehr an den Schülern zu hängen. Immerhin musste man bei der Notenvergabe objektiv bleiben und in ein paar Jahren würden diese Kinder erwachsen sein und eh aus dem eigenen Leben verschwinden. Kein Schüler wollte freiwillig noch Kontakt zu seinem Lehrer nach der Schulzeit!

Iruka neben mir schüttelte den Kopf. „Ich ahne, was du denkst, Kakashi. Aber du irrst dich. Der Junge spricht mich auch oft an, wenn wir uns in der Stadt begegnen. Es beruht auf Gegenseitigkeit.“ Irgendwie machte mich das ein bisschen wütend. So drehte ich mich um und stapfte ins Lehrerzimmer, um mir die Zeichnungen anzusehen. Alles sauber und ordentlich, sogar alles richtig. Er hatte allerdings hier und da ein wenig öfter radieren müssen – ich spürte das aufgeraute Papier unter meinen Fingern. Wer hätte gedacht, dass derselbe Junge, der im Unterricht regelrecht bockig war, auf einmal soviel Ehrgeiz entwickeln konnte? Lächelnd legte ich die Zettel auf den Kopierer und schaltete das Gerät an.

Sasuke:

Ich schaute auf, als unser Sensei vorn um Ruhe bat. Die Stunde ging los und ich wartete wie immer darauf, was heute das Thema sein würde. Meine Unterlagen waren fein säuberlich auf dem Tisch ausgebreitet und mit einem Griff würde ich zu den Hausaufgaben blättern können. Die ich ebenfalls sauber und ordentlich erledigt hatte.

Eben jene Aufgaben waren schnell erledigt – nur wunderte mich, wie sehr Naruto sich dabei beteiligte. Er meldete sich, um Lösungswege zu erklären, fragte nach, wenn er nicht weiter gekommen war. Und seine Antworten waren sogar richtig. Es war neu, dass der Dobe sich für gute Noten einsetzte. Aber naja, wahrscheinlich hatte er endlich begriffen, dass er für seine Versetzung kämpfen musste. Ich gab es zwar laut nicht zu, aber ich war erleichtert, dass er noch eine Chance hatte. Die Aussicht, den Rest der Schulzeit ohne meinen besten Freund zu verbringen, hatte mich schon nervös gemacht – immerhin würden wir bald entscheiden müssen, ob wir hier die weiterführenden Klassen besuchten oder eine andere Schule wählten. Im Moment war mein Vater drauf und dran, mich hier zu lassen, aber wer wusste schon, wie viel Zeit mir wirklich blieb? Also wollte ich mir meine Freunde so lange so nahe wie möglich halten und die Zeit mit ihnen genießen.
 

Das neue Thema waren also Geradengleichungen. Hn. Sah nicht allzu schwierig aus. Ich betrachtete die Aufgaben und die erklärenden Zeichnungen mit einem skeptischen Blick. Diese Handschrift, mit der die beiden Graphen bezeichnet waren, erinnerte mich stark an jemanden. Ich blickte fragend nach vorn, als Hatake-sensei anfing, uns die Grundlagen zu erklären. Ich schrieb mit, aber hier und da ging mein Blick zu meinem besten Freund, der überhaupt nicht mitschrieb. Aber er war dabei und verfolgte aufmerksam, was vorne geschah.

Ich blinzelte, als er sich die Hand leicht vor den Kopf schlug und murmelte „Ach, daran hab ich nicht gedacht. Mist auch, echt jetzt!“ Irgendwie wirkte es, als sei das nichts Neues für ihn. Als wir die gestellten Aufgaben selbstständig bearbeiten sollten, wandte ich mich ihm kurz zu. „Dobe?“, flüsterte ich, „Hast du irgendwas angestellt?“ Er grinste zur Antwort nur zufrieden. Schüttelte den Kopf und sah nach vorn. Unser Lehrer sah scheinbar zufrieden zurück. Merkwürdig.
 

Wir arbeiteten ganz normal weiter und Sensei rief einen nach dem anderen nach vorn, um unsere Lösungen an die Tafel zu schreiben und sie wenn nötig zu korrigieren. Fast alle kamen dran, bis Hyuuga die Hand hob.

„Sensei!“ Unser Lehrer sah zu ihm. „Hm?“ Das nahm der Kerl zum Anlass, seine Frage zu stellen: „Wieso werden wir alle nach vorn gerufen und der Idiot da hinten nicht? Er schreibt nicht mit, er macht gar nichts.“ Einige andere Schüler pflichteten ihm bei. Idioten, hielten sich für was Besseres. Ich presste die Zähne aufeinander. Aber die Antwort überraschte mich: „Ich nehme ihn aus gutem Grund nicht dran.“ Hatake-sensei hielt ein paar Blätter hoch. „Seine Lösungen habe ich hier. Bis auf eine Aufgabe ist alles richtig.“ Er sah den verblüfften Neji an. „Außerdem solltest du dich lieber um deine eigenen Noten kümmern, oder, Neji-kun?“ Das brachte ihn dazu, komplett den Mund zu halten. Ich unterdrückte ein Zucken der Mundwinkel. Das war eine gute Antwort. Obwohl es mich wunderte, dass Dobe die Aufgaben schon gemacht hatte. War das vielleicht die Chance, die Naruto bekommen hatte, um seine Note aufzubessern?
 

Sakura:

„Man, Naruto! Wie hast du das denn gemacht? Wieso hattest du schon die Aufgaben – und wieso hatte Sensei deine Lösungen schon vor Unterrichtsanfang?“ Ich war völlig perplex. Klar hatte ich gehört, dass Hatake-sensei einigen Schülern angeboten hatte, ihnen in einer Freistunde Nachhilfe zu geben, aber die erste Stunde wäre dafür doch erst morgen. „Hn“, machte Sasuke, „Ist das die Möglichkeit, die du am Mittwoch erwähnt hast? Deine Note aufbessern wolltest du doch.“ Eifrig nickte der Blondkopf. Ich sah zwischen den beiden hin und her. Die Stunde war vorbei, wir saßen hier und warteten darauf, dass unser nächster Lehrer kam.

„Und was heißt das?“, fragte ich. Irgendwie stand ich gerade auf dem Schlauch. „Na, dass Hatake-sensei ihm die Aufgaben schon vorher gegeben hat und er sollte die Lösungen heute morgen abgeben. Dann noch die Beteiligung am Unterricht. Er will, dass Dobe sich anstrengt.“ Naruto nickte heftig zu Sasukes Erklärungen. Huh, ich hätte nicht gedacht, dass unser Lehrer sich so für uns anstrengen würde. Andererseits war er schon bemüht, dass wir alle mitkamen. Der Mann war schweigsam und zurückgezogen, aber gerecht. Wenn sich jemand anstrengte, dann nahm er das auch wahr.
 

Naruto jedenfalls schien kaum noch aus dem Strahlen heraus zu kommen, er war dauerhaft gut gelaunt gewesen heute. Nicht einmal die üblichen Kommentare unserer Mitschüler konnten ihm etwas anhaben.
 

Naruto:

Ich hüpfte regelrecht nach Hause. Immer wieder machte ich mir klar, dass ich das Jahr schaffen könnte. Ich würde nicht von meinen Freunden getrennt werden und vielleicht würden die anderen Schüler mich endlich mehr respektieren, wenn ich bessere Noten bekam.

Aber an meiner Haustür war meine gute Laune gänzlich verschwunden. So war es immer – je näher ich der Wohnung kam, umso mehr zog es mich runter. Mein Weg war so lang, dass ich immer wieder sah, wie andere Kinder meines Alters oder auch jünger nach Hause kamen. Wie ihre Eltern sie mit einem Lächeln an der Tür begrüßten und sie nach ihrem Tag fragten. Ich roch die verschiedenen Gerichte, die pünktlich zu Schulschluss auf den Tisch kamen. Ich musste daran denken, wie schön es wäre, mit einer warmen Umarmung anzukommen. Nicht selbst in der Küche zu stehen und doch immer wieder dasselbe zu essen. Jemanden zu haben, der zuhörte, wenn ich etwas sagte und einfach da war.
 

Man durfte mich nicht falsch verstehen – ich war unendlich dankbar für meine Freunde, sie machten mein Leben um vieles besser und ich wüsste nicht, was ich ohne sie tun würde. Aber ihre freundlichen Worte, die aufmunternden Blicke und ihr Lachen endeten bei ihren Häusern. Oder eher, an der Kreuzung, an der wir drei immer in verschiedene Richtungen gehen mussten. Dann war da niemand mehr, der meine Gedanken in eine andere Richtung lenken konnte. Niemand, auf den ich mich freuen konnte. Ich war immer allein.
 

Seufzend öffnete ich die Tür und hob den Kopf, um das Licht einzuschalten. Da merkte ich, dass es bereits brannte. Ich blinzelte und roch Gebäck. Wärme hing ebenfalls noch in der Luft. Was war denn hier los?

Mit zwei Schritten war ich durch meinen viel zu kurzen Flur und trat ins Wohnzimmer. Dort stand ein kleiner Kuchen auf dem Tisch, der seit langer Zeit mal wieder eine saubere Tischdecke hatte. Auf dem Kuchen waren dreizehn kleine Kerzen, welche fröhlich vor sich hin flackerten. Ich versuchte, um die Flämmchen herum die Person auf dem Stuhl dahinter zu erkennen. Alles, was ich sehen konnte, waren braune Haare in einen Pferdeschwanz gebunden – aber das ist alles, was ich wissen musste.

„Iruka-sensei?“, flüsterte ich halblaut in den Raum. Er stand auf. „Hallo, Naruto-kun“, lächelte er warm, „Ich dachte, ich überrasche dich heute einmal.“ Ich sah zurück auf den Tisch. Der Kuchen war winzig, wahrscheinlich nur für eine Person gedacht. Ich hob misstrauisch eine Augenbraue. „Sensei? Haben Sie den selbst gebacken?“ Beleidigt sah er mich an. „Was soll das?“, erklärte er gekränkt, „Nach all der Mühe, die ich mir gemacht habe?“ Dann senkte er den Blick und nuschelte, dass ihm eine Bekannte geholfen habe und er den Kuchen in meinem Backofen lediglich fertig gebacken hatte. Ich grinste und sprang in das Zimmer, direkt herum um den Tisch und umarmte meinen ehemaligen Lehrer voller Freude. „Danke!“, jubelte ich begeistert. Iruka-sensei lachte. „Alles Gute zum Geburtstag, Naruto-kun.“

Dreieinhalb Monate später

Naruto:

„Hier“, erklärte Hatake-sensei emotionslos und drückte mir mein Zeugnis in die Hand. Ich starrte darauf und blinzelte einmal, zweimal. Dann riss ich beide Hände mitsamt dem Blatt Papier nach oben und jubelte lauthals los. „Ich bin versetzt!“, brüllte ich lauthals und starrte auf die meine Freunde an. Sasuke lächelte und Sakura hob begeistert beide Daumen. Ich drehte mich zurück zu meinem Lehrer. Er nickte mir zu. „Gut gemacht.“ Ein freudiges Kribbeln machte sich in meinem Magen breit und ich grinste von einem Ohr zum anderen. „Danke, Sensei“, nuschelte ich schnell und setzte mich wieder hin.
 

„Also, Leute. Ich weiß, dass einige von euch jetzt enttäuscht sein werden. Wegen schlechten Noten, weil ihr eure Ziele nicht erreicht habt. Oder, weil ihr die Erwartungen anderer Menschen nicht erfüllen konntet. Aber das ist nicht wichtig. Es zählt allein, dass ihr euer Bestes gegeben habt. Wenn es so ist, müsst ihr nichts bereuen. Denkt an eure Ferienaufgaben und genießt den Rest der freien Zeit!“ Damit waren wir entlassen. Alle packten schnell zusammen und machten sich auf den Weg nach Hause. Viele würden jetzt wohl erst einmal ihr Zeugnis zu Hause vorzeigen müssen. Und bestimmt würde der ein oder andere Schüler Ärger bekommen. Ich seufzte schwer und bewegte mich langsam.

„Hey, Dobe“, meinte Sasuke neben mir, bereits schon mit der Tasche in der Hand. Ich sah auf. „Was denn, Teme?“ Er nickte zu Sakura rüber. Während ich zu ihr sah und sie zustimmend nickte, redete er munter weiter. „Wir hatten uns gedacht, dass wir zur Feier des Tages mal zum Essen gehen. Oder in die Stadt, Karaoke und so. Was denkst du?“

Begeistert nickte ich. „Auf jeden Fall!“
 

Aus dem Augenwinkel sah ich Hatake-sensei, wie er seine Unterlagen zusammen packte. Ich stand auf und trat auf ihn zu. Er sah auf, sein Auge fragend. Ich räusperte mich. „Ehm, danke Sensei. Ohne Ihr Angebot und Ihre Hilfe hätte ich es nicht geschafft. Dankeschön, dass Sie mir die Chance gegeben haben!“ Ich verbeugte mich leicht, bevor ich zu meinen Freunden ging, die an der Tür auf mich warteten. Als ich mich im Flur zur Seite drehte und den Ausgang ansteuerte, sah ich über die Schulter noch einmal zurück. Unser Lehrer sah mich mit verblüfftem Gesichtsausdruck an und schien mitten in der Bewegung erstarrt. Dann schob sich die Tür in mein Blickfeld, weil ich nicht stehen geblieben war und ich vergaß, dass mir seine Reaktion merkwürdig vorkam.
 

Am Schultor wartete eine Überraschung auf uns. Genauer gesagt, Hinata Hyuuga. Sie war ein nettes Mädchen. Vielleicht ein wenig schüchtern und leise, aber sehr freundlich und mit einem großen Herzen.

„Hallo, Hinata-chan!“, rief ich schon von weitem. Sie wurde rot, noch bevor sie zu mir sah. Ich hob die Hand und winkte, lief schnell zu ihr hin. „Hallo, N-Naruto-k-kun“, flüsterte sie leise. Ich grinste. „Was machst du denn hier?“ Jetzt erreichten uns auch Sasuke und Sakura. Wortlos grüßten die beiden und Hinata lächelte sie an. Während sie redete, sah sie nervös zur Seite. „I-Ich hab gehört, d-dass ihr singen gehen wolltet. I-Ich wollte f-fragen, ob – ob ich mitkommen könnte?“ Sie tippte mit den Zeigefingern aneinander. Ich nickte begeistert.

„Aber sicher, Hinata-chan! Je mehr wir sind, desto besser ist es doch. Oder nicht?“, wandte ich mich mit dem letzten Satz an meine Freunde. Beide nickten leicht. „Aber wird dein Vater nicht auf dich warten, Hinata-chan?“, wandte Sakura ein. Ich merkte den kurzen Stich im Herzen. Ich mochte Hinata. Sie hatte mich nie verurteilt, hatte nie diesen Blick, den ich bei so vielen anderen Menschen sah, wenn sie mich ansahen. Sie schien wirklich daran interessiert zu sein, sich mit mir anzufreunden. Ich wollte mehr Zeit mit ihr verbringen und sie noch besser kennen lernen.
 

„N-Nein, ich habe heute gar keinen zu Hause. S-Sie sind schon seit g-gestern nicht da. Ei-eine Party, die sie besuchen mussten. U-und sie kommen erst morgen wieder. Meine Schwester übernachtet bei einer Freundin. I-Ich habe a-also Zeit.“ Ich ergriff ihre Hand, was ihr komplettes Gesicht sehr süß rosa färbte. „Dann mal los!“, rief ich und rannte los.
 

Sakura:

„Komm schon, Hinata-chan!“, redete Naruto gerade auf die Blauhaarige ein und ich konnte nur schwer ein Kichern unterdrücken, als er weiter redete, „Du muss einfach mit mir singen! Ich jaule laut Sakura-chan so furchtbar, dass sie nie bis zum Ende zuhören will! Ich bin sicher, deine Stimme gleicht meine super aus!“ Das arme Mädchen wirkte völlig überfordert. Wohl auch, weil mein bester Freund ihr einen Arm um die Schultern geschlungen hatte und so nahe an ihr dran war, dass seine Nase beinahe ihre Wange streifte. Ich nahm das Songbuch und hielt es mir vor das Gesicht, damit niemand mein Grinsen sah. Hinata sah aus, als sei sämtliches Blut ihres Körpers in ihren Kopf geschossen!

Schließlich erklärte sie sich bereit, es zumindest zu versuchen. Mit wackligen Schritten stolperte sie hinter dem Blondschopf auf die kleine Bühne. Das Mikro ah sie in ihren Händen an, als wunderte sie sich, wie es dahin gekommen war. Dann sah sie zu Naruto, der munter die Lieder durchging und versuchte, einen bekannten Song zu finden. Schließlich haute er förmlich auf den Knopf, welcher das Lied startete. Hinata zuckte zusammen und sah konzentriert auf den Bildschirm.
 

Zuerst konnte ich gar nichts hören, weil sie so leise war. Dann, mit zunehmender Sicherheit, wurde sie etwas lauter. Narutos Gejaule wurde leiser und von ihrer schönen Stimme fast schon abgelöst. Als das Lied zum kräftigen Höhepunkt kam, wurde Hinata so mutig, dass sie richtig laut sang. Und das total gut. Mein bester Freund neben ihr hörte selbst auf und sah zu ihr, wie sie mit strahlenden Augen ihren Körper im Takt wippte und voller Inbrunst die Zeilen schmetterte.

Als sie fertig war, kam sie scheinbar wieder zu sich und sah sich um. Sofort wurde sie wieder unsicher. „I-Ist etwas?“, nuschelte sie.

Eine Weile schwiegen wir, dann platzte aus mir und dem Blonden ein lautes Jubelgeräusch heraus. „Mensch, Hinata-chan! Wo hast du so singen gelernt? Du könntest glatt Profi werden, echt jetzt!“ Ich konnte nur nicken.Sie sah auf den Boden. „I-Ich singe gern. A-Aber mein Vater-“

„Ach Quatsch!“, fiel Naruto ihr ins Wort, „Du solltest nicht darauf hören, was er sagt. Du bist klasse! So, wie du bist, bist du super!“ Sie sah ihn an und war so perplex, dass sie noch nicht einmal rot wurde. Ihr war wohl nie eingefallen, gegen ihren alten Herren zu rebellieren. Jetzt lächelte sie und nickte. „Danke, Naruto-kun.“ Er grinste sie breit an. „Wenn du je vorhaben solltest, Sängerin zu werden, hättest du meine volle Unterstützung, echt jetzt!“ Als selbst Sasuke nickte, wurde mir klar, dass Hinata echt Talent hatte und sich scheinbar genau diesen Beruf wünschte. Meine Unterstützung hätte sie auf jeden Fall auch!

Zwei Jahre später

Hinata:

„Hey! Da bist du ja!“ Ich drehte mich um und sah blondes Haar, das auf mich zukam. Ich wurde rot. „Hallo, Naruto-k-kun.“ Mein mittlerweile bester Freund kam auf mich zu. Neben mir seufzte Neji leise und schüttelte den Kopf. Seit Naruto sich mit meinem Vater auf offener Straße lautstark gestritten hatte und alles versucht hatte, um mich in Schutz zu nehmen, hatte sich die Einstellung meines Cousins stark geändert. Mein Vater sah meinen Cousin, der eigentlich nur mein Beschützer werden sollte, hatte seit Neuestem gute Chancen, den Direktorposten in unserer Firma zu bekommen. Dann wäre ich die Besitzerin der Company und er würde für mich arbeiten. Und wir wussten beide, dass ich ihn alles machen lassen würde, was er wollte. Ich war einfach nicht die taffe Geschäftsfrau, die mein Vater erwartete. Oder vielleicht war er auch gar nicht mehr der Meinung, dass ich härter werden musste. Durch Narutos direkte Art hatte ich gelernt, dass meine Meinung auch etwas zählte und ich nicht alles hinnehmen musste.

Neji sah mich mit anderen Augen, weil ich ohne Nachzudenken Naruto unterstützt hatte in eben jenem Streit und verlangt hatte, dass Neji-nii-san eine echte Chance bekam, sich zu beweisen. Das hatte meinen Cousin wohl beeindruckt.
 

„Na“, lies sich Naruto neben mich fallen,“Wie ist dein Vorsingen gelaufen?“ Ich lächelte gequält. „Sie haben mich nicht genommen.“ Kurz stockte er, ballte die Faust und schüttelte dann den Kopf. „Diese Idioten! Warte nur ab, wenn dich erst einmal wer anders unter Vertrag genommen hat und du einen Hit nach dem anderen ablieferst, werden die sich in den Hintern beißen!“

„Naruto!“, protestierte Neji neben mir ob der Wortwahl, aber mich störte es nicht. Das war eben so der normale Wortschatz des Blonden. Ich senkte verlegen den Blick. „Das war die dritte Absage“, murmelte ich, „Wenn ich nicht diese Jahr noch eine Zusage bekomme, hat mein Vater die Wette gewonnen.“ Denn ich hatte eine Art Abkommen mit meinem Vater getroffen: Würde mir ein Talentscout bestätigen, dass ich Talent hatte und eine Sängerin werden könnte, bevor ich sechzehn wurde, würde er mir meinen Weg lassen. Es stellte sich heraus, dass er mir die Sanftheit übel nahm, weil er geglaubt hatte, die Menschen würden mich nur ausnutzen. Weil ich zu schüchtern wäre, um mich durchzusetzen. Aber als ich so selbstsicher wie möglich vor ihm stand und verlangte, dass er mir zum ersten Mal einfach nur zuhörte, merkte er wohl, wie ernst es mir war. Und so hatten wir lange gesprochen. Und so ehrlich wie noch nie. Ich war dankbar dafür, dass Naruto mich all die Zeit so sehr aufgebaut und an mich geglaubt hatte. Immer, wenn ich daran dachte, was er alles erdulden musste und wie sehr er immer noch kämpfte, machte es mir Mut. Ich dachte, ich müsste mich auch so anstrengen und durfte nicht den Mut verlieren. Jetzt dachte ich auch wieder daran.
 

Da zog Neji einen großen Umschlag aus seiner Schultasche. „Ich hab hier übrigens was für dich“, meinte er. Ich riss ihm förmlich den Brief aus den Fingern. Andere hätten vermutlich gesagt, dass dieser Ausdruck übertrieben wäre, aber für mich fühlte es sich so an.

Schnell riss ich das braune Papier auf. Ein Bogen mit fein säuberlicher Computerschrift flatterte mir entgegen. Ich faltete das Papier auseinander und las die wenigen Zeilen hastig. Dann sprang ich auf. Ungläubig blickte ich immer noch auf die Buchstaben, als Naruto ebenfalls aufstand und mich ansah. „Hinata-chan?“, fragte er vorsichtig. „Ich bin eingeladen worden zu einem Vorsingen. Beim größten Label in dieser Gegend.“ Ich sah in seine blauen Augen. Sie strahlten mich an, noch bevor er etwas sagte. „Echt?“, rief er laut, was uns einige Blicke unserer Mitschüler einbrachte, „Das ist ja super! Die werden dich bestimmt nehmen!“

„Aber ich hab denen gar kein Band geschickt“, murmelte ich verwirrt. Ich sah zwischen den beiden Jungen hin und her. Vielleicht war es ja ein Versehen? Oder es gab ein Mädchen, dass so ähnlich hieß und sie hatten sich verschrieben?
 

„Ich hab es ihnen geschickt“, antwortete Neji und lehnte sich zurück. Naruto verschränkte die Arme hinter dem Kopf und grinste. „Jepp, ich war auch dabei. Und wir kommen morgen mit, dann kannst du ganz beruhigt sein und dein Bestes geben.“ Mein Kopf ruckte hoch. Am liebsten hätte ich ihn umarmt, aber ich traute mich nicht. Da nahm er mir die Entscheidung ab und schlang ganz sanft die Arme um mich. „Ich freu mich echt für dich, Hinata-chan.“ Ich glaubte, meine Wangen müssten mittlerweile glühen wie die Sonne.
 

Nervös lief ich vor der Tür auf und ab. Naruto saß auf einem der vielen Stühle im Raum und sah mir hinterher. Jedes Mal, wenn ich an ihm vorbei kam, konnte ich seinen Duft riechen. Mal machte es mich nervös, mal machte es mich ruhiger, dass er hier war. Er und Neji hatten wirklich Wort gehalten und waren hier. Alle anderen Mädchen hatten mich komisch angesehen, als ich mit Begleitung hier herein kam. Von den etwa zwanzig weiteren Kandidatinnen war keine so unsicher wie ich. Jedenfalls sahen sie nicht so aus und waren auch alle allein hier. Ich lief erneut neben Naruto her. Er griff nach meinem Handgelenk und zog mich neben sich. „Sei doch nicht nervös“, meinte er sanft und strich mit seinem Daumen in kleinen Kreisen über meinen Daumen, „Du kennst das Lied in und auswendig. Du bist richtig gut und du liebst das Singen. Das wird klappen.“ Skeptisch sah ich ihn an. Das hatte er auch bei meinem ersten Vorsingen gesagt und es hatte nicht geklappt. Ich zog die Stirn in Falten, was ihn glucksen lies.

„Stell dir doch einfach vor, dass du nicht für die Trottel da drin singst. Sondern stell dir vor, du bist wieder mit uns in der Karaokebar und wir hören dir zu, wie du Nanatsu no ko singst.So wie damals, ja?“ Ich nickte schwer. Dann wurde meine Nummer aufgerufen und ich erhob mich. Sah über die Schulter zu den beiden Jungs. Neji nickte und lächelte. Naruto hob den Daumen und grinste. Ich drehte mich zu der Tür um, straffte die Schultern und schritt auf meine Entscheidung meines Lebens zu.
 

Neji:

Mit einem skeptischen Blick betrachtete ich die anderen Mädchen im Raum. Es war schon beinahe ein Saal, in den einfach nur einige Stühle gestellt wurden. Sobald diese Veranstaltung hier vorbei war, würden sie wohl einfach wieder weggeräumt werden.

Mein Blick fiel auf Naruto. Nun, ich musste daran denken, dass ich wohl niemals hier sitzen würde, wäre dieser Junge nicht so stur und positiv. Er hatte mir meine Kommentare nie wirklich übel genommen, obwohl ich manchmal echt übertrieben hatte. Ich hatte nie darüber nachgedacht, warum alle Erwachsenen ihn so sehr mieden. Damals hatte für mich nur gezählt, die bestmögliche Leistung abzuliefern, damit mein Onkel endlich mein Talent bemerkte. Für unsere Firma zu arbeiten war immer mein Traum gewesen. Der Businessman passte einfach zu mir, ich konnte mich gut in einem Büro sitzen sehen, wo ich wichtige Entscheidungen für unsere Familie traf. Ich wollte den Einfluss der Familie nutzen, um die Sicherheit in unserer Stadt zu erhöhen. Immerhin stellten wir zu sechzig Prozent Sicherheitskleidung für Polizisten, Ärzte und Krankenschwestern her. Schusssichere Westen zum Beispiel oder Schutzwesten, welche bei Röntgenaufnahmen zum Einsatz kamen. Den Rest, jene dreißig Prozent, geschahen in Zusammenarbeit mit dem Uchihakonzern, die in der Waffenindustrie tätig waren. Gemeinsam versorgten wir das ganze Land mit Schusswaffen. Ich wollte dazu beitragen, unsere Straßen sicherer zu machen.
 

Aber mein Onkel fand die Idee albern. Seit Jahren war es so, dass die Kinder der Zweigfamilien zu Beschützern der Gründerfamilie erklärt wurden. Ich hätte also wie mein Vater nur der Bodyguard meiner Cousine werden können. Eine Alternative gab es eigentlich nicht. Aber ich wollte ausbrechen.

Wollte die Entscheidungen treffen, die Hinata sich nicht zutraute. Damals hatte ich sie dafür gehasst, dass sie mich tatenlos zu so einem Leben als ihr Schatten verdammte. Ich hatte erst später gelernt, dass sie gar keine Ahnung gehabt hatte, was für mich schon seit Jahren feststehen sollte. Sie hatte sich für mich eingesetzt und ich hatte sie dafür bewundert. Wie deutlich sich gesagt hatte, ich sei viel besser geeignet und wie schockiert sie gewesen war, als ihr Vater es ihr erklärt hatte. Und dann Narutos Einwurf, dass man alte, unschöne Dinge doch nur ändern könne, indem man neue Wege ging. Ob er nicht traurig wegen seines eigenen Bruders, meines Vaters, gewesen sei. Denn mein Vater war gestorben, als ich noch sehr klein gewesen war. Ein Attentat auf meinen Onkel, dass er verhindert hatte.

Diese Frage brachte meinen Onkel dazu, seine kalte Maske fallen zu lassen. Wie sich herausstellte, hatte er seinen Bruder sehr geliebt und einfach selbst nicht den Mut gehabt, mit den eisernen Regeln des Clans zu brechen. Sein eigener Vater, unser Großvater, hatte ihn ähnlich behandelt wie er meine Cousine. Und da er ein gutes Oberhaupt geworden war in den Augen der anderen Familienmitglieder, hatte er gedacht, es müsse eben so sein. Erst da gestand er sich damals ein, dass es auch einen anderen Weg geben könnte.
 

Ich musste zugeben, dass nur Narutos dauerhafte Unterstützung und Freundschaft Hinata so stark gemacht hatten. Nur dank ihm hatte sich unsere Situation geändert. Und nur dank ihm stand Hinata jetzt in diesem Raum und hatte den Mut, um ihren großen Traum zu kämpfen. Wer hätte nur damals gedacht, dass ich einmal neben Naruto Uzumaki in einem Raum volle Mädchen sitzen würde und wir sogar dafür die Schule schwänzten, weil wir keine Freistellung bekommen hatten. Aber nun ja, wir hatten es ihr immerhin versprochen. Ich wollte nicht gelten als derjenige, der seine Worte nicht ernst meinte.
 

Wir warteten schon satte zehn Minuten, als die Tür aufflog und eine strahlende Hinata heraus kam. Nach zwei Schritten ihrerseits folgte derselbe Mann, der sie hereingebeten hatte und reichte ihr die Hand. Sie schüttelte sie und nickte, als er etwas sagte. Dann verschwand er zurück in den Raum und Hinata kam auf uns zu. Sie wartete gar nicht erst, bis wir ihr Fragen stellten, sondern bedeutete uns, mit ihr zu kommen. Im Flur vor dem Raum drehte sie sich um und warf freudestrahlend beide Arme um Narutos Schultern. „Ich hab's geschafft“, flüsterte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, drückte ihre Wange an seine. Dann wiederholte sie es etwas lauter und Naruto trat einen Schritt zurück und packte sie an den Schultern. „Echt jetzt?“, fragte er. Sie nickte, selig lächelnd. „Sie haben gesagt, dass sie so etwas wie meine Stimme gesucht hätten. Sie wollen mich engagieren und ich darf sogar ein Lied jetzt schon selbst schreiben!“ Vor Freude ergriff sie seine Oberarme und drückte sie leicht. „Ich sollte vor den anderen Mädchen nichts sagen, weil die sonst wütend geworden wären, aber sie meinten, sie würden die Stimmen von allen da drinnen kennen und keine wäre so gut wie ich.

Oh, Danke ihr beiden!“ Vor Freude kamen ihr die Tränen. Ich lächelte ihr zu und nickte. „Haben sie dir das auch schriftlich gegeben?“, fragte Naruto nun nach, als sie sich voneinander gelöst hatten. „Das soll ich mit der Frau im Büro dahinten ausmachen, haben sie gesagt.“ Sie wies mit dem Finger an ein Ende des Flurs, wo sich eine Tür befand. Der Blonde nickte und setzte sich in Bewegung. „Dann sollten wir das jetzt gleich erledigen, ne?“ Nun gut, er hatte Recht, Verträge sollte man so schnell wie möglich aufsetzen und mündliche Zusagen galten nichts, solange sie nicht schriftlich festgehalten wurden. Da hatte er gut mitgedacht.
 

Als meine Cousine den Stift auf das Papier setzte und ihre Unterschrift unter das Dokument setzte, strahlte nicht nur sie wie die Sonne. Ich stellte mir vor, wie überrascht und dann vermutlich stolz ihr Vater sein würde. Das hier war etwas, was sie ganz allein aus ihrer eigenen Kraft geschafft hatte und ich freute mich wirklich für sie.
 

Sakura:

„Was?!“, kreischte ich lauthals, sodass sich einige Leute in dem Cafè umsahen und mich mit irritierten Blicken musterten. Aber das war mir gerade egal. Viel wichtiger waren die Nachrichten, die mir mein bester Freund soeben gesagt hatte. „Hinata hat es geschafft?!“ Er nickte fröhlich. „Und wie! Sie wollen sofort loslegen. Sie hat es mit einem Lächeln ihrem Vater gesagt und er hat echt gelächelt. Stell dir das mal vor, er meinte, er sei stolz auf sie!“ Und nach seinem Tonfall war er es auch. Und ich sowieso. Hinata war für uns alle drei in nur drei Jahren ein fester Bestandteil unseres Lebens geworden. Zwar hatte sie es nicht geschafft, so eng mit uns zu werden wie wir untereinander, aber auch so verband uns genügend mit ihr. Wir hielten zusammen – und seit wir von der angespannten Situation bei ihr zu Hause gewusst hatten, war Naruto eh richtig besessen davon gewesen, Hinata, ihren Vater und Neji miteinander zu versöhnen. Laut ihm hatte das eh alles nur auf Missverständnissen beruht und er hielt alle drei für gute Menschen. Heute musste ich ihm in Bezug auf Hiashi Hyuuga tatsächlich zustimmen. Der arme Mann hatte selbst eine furchtbare Kindheit gehabt und kämpfte immer noch mit den Spätfolgen. Er hatte einfach nicht begriffen, was er seiner Tochter angetan hatte.

Manchmal wirkte es, als konnte Naruto spüren, wer Schmerzen erlitt und wer Hilfe brauchte, um sein Leben in bessere Bahnen zu lenken. Er konnte sich gut in andere einfühlen und wurde mit Worten immer besser. Ich hatte oft erlebt, wie er mit seiner Art die Herzen anderer Menschen berührte. Wie sie sich ihm öffneten, obwohl sie es gar nicht vorgehabt hatten. Er war charismatisch und wusste es gar nicht.
 

Ich nickte passend, während er mit ausladenden Bewegungen erzählte. Mit Sicherheit übertrieb er deutlich, aber es war einfach mitreißend, wenn er sprach. Schon seit einiger Zeit merkte ich das Flattern, wenn wir beide allein waren. Wenn Sasuke seinen Zusatzunterricht hatte und wir uns zu zweit die Zeit vertrieben. Sein blondes Haar war etwas kürzer als früher, er war gewachsen und sein Gesicht wirkte kantiger.

Und immer wieder merkte ich, wie ich mich näher zu ihm lehnte und mir durchs Haar fuhr. Mit den Fingern meinen Hals entlang fuhr. Ich merkte es erst, wenn ich es tat und es waren Signale, die ihm wohl ein eindeutiges Bild vermittelten. Und ich unternahm nichts dagegen.

Weil ich wollte, dass er es wusste. Weil ich wissen wollte, wie er dachte. Wie er fühlte.
 

Naruto schob eine Hand über den Tisch. Sie stoppte kurz vor meinen Fingern und er sah mich an. Fragend. „Hör mal, ich glaub, Hinata braucht Unterstützung. Bis sich alles eingespielt hat und sie weiß, dass es läuft und kein Traum ist und so. Ich hab ihr gesagt, dass ich für sie da bin. Würdest du mitkommen wollen? Zu ihrem ersten richtigen Konzert?“ Ich sah ihn an. Sein Tonfall war so unsicher gewesen. Und es war eines der wenigen Male, bei denen er Sasuke nicht erwähnte, der sich gerade immer weiter von uns entfernte. Er hörte im Moment mehr auf seinen Onkel Madara als auf uns. Und wir standen dem hilflos gegenüber.

Umso enger war der Kontakt zwischen Naruto und mir. Und jetzt fragte er mich, ob wir beide gemeinsam auf ein Konzert gehen wollten. Die Entscheidung fiel mir nicht schwer.

Ich schob meine Finger die wenigen Zentimeter auf seine zu und berührte sie. Der Kontakt lies einen warmen Schauer über meinen Arm und meinen Rücken hinunter laufen. „Ja“, sagte ich, „Ich würde gerne mit dir hingehen.“ Und dann lächelte ich.
 

Als ich an diesem Abend in meinem Zimmer saß, dachte ich noch einmal über meine Situation nach. Ich hatte immer schon für Sasuke geschwärmt. Sobald ich alt genug war, um Jungs nicht bloß blöd zu finden, war mir aufgefallen, wie gut meine beiden besten Freunde eigentlich aussahen. Sasuke hatte mehr die edle Schönheit, dunkle Augen und Haare, dazu weiße Haut und eine aufrechte Haltung.

Naruto schien in vielem sein Gegenpart zu sein. Blondes Haar, gebräunte Haut und Augen von der Farbe des Himmels.

Ich hatte es anziehend gefunden, dass Sasuke ein Mann war, der scheinbar erobert werden musste. Es war eine Herausforderung, bei der ich mich im Vorteil sah. Weil ich seine beste Freundin war, weil er in meiner Nähe sogar lächelte.

Naruto war immer nicht nur greifbar gewesen, sondern einfach immer da. Er bot keine Herausforderung, sondern war der liebe Kerl. Der Mensch, bei dem man sich eher ausheulte, wenn man Liebeskummer hatte oder andere Probleme der Art. Aber ich konnte mir damals nicht vorstellen, ihn anziehend zu finden. Bis auf sein interessantes Äußeres war da nichts, was weiter ging.
 

Jetzt, wo ich mir Sicherheit und Verständnis wünschte, sah die Sache anders aus. Je älter ich geworden war, desto mehr wurde mir klar, dass ich klare Ansagen einer kryptischen Bemerkung vorzog. Dass eine warme Umarmung sich besser anfühlte als ein genuschelter Satz am Telefon.

Vielleicht war ich es auch einfach nur müde geworden, um jeden Hinweis auf Zuneigung zu kämpfen. Ich meine, jeder wollte doch irgendwann einmal Ruhe haben und irgendwo einen Fortschritt sehen. Aber bei Sasuke biss ich scheinbar auf Granit – jedes Mal, wenn ich zarte Hinweise eingestreut hatte, hatte nicht ein Muskel bei ihm gezuckt. Ich war scheinbar einfach nur eine Freundin für ihn. Mehr nicht.
 

Nach ewig erscheinenden Wochen hatte ich versucht, mich damit abzufinden. Ich war nicht rausgegangen in diesen Ferienwochen. Es war Sasuke nicht einmal aufgefallen, weil er ständig lernte und selbst in den Ferien genauso wenig Zeit hatte wie in der Schulzeit. Ich war wütend gewesen, weil er mich überhaupt nicht beachtet hatte.

Dann hatte meine Mutter mir damals gesagt, dass ich Besuch gehabt hatte. Sie hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da war Naruto in mein Zimmer geplatzt. Ein sorgenvoller Blick im Gesicht, der sich bei meinem Anblick nur noch verstärkte. Ich konnte nur raten, wie ich ausgesehen haben musste, schließlich hatte ich meine Nachtkleidung an diesem Tag anbehalten, mein Haar war ungekämmt gewesen und meine Augen mussten ganz rot wegen meiner Tränen gewesen sein.

Er hatte sich zu mir gesetzt und mich sehr einfühlsam gefragt, was mir fehlen würde. Ich hatte ihn verblüfft angestarrt. Dann erst war mir klar geworden, dass er dachte, ich wäre krank gewesen. Anders hatte er sich meine Abwesenheit nicht erklären können und er hatte sich Sorgen gemacht.
 

Ich hatte damals aufgelacht, dann waren mir die Tränen gekommen. Seine ganze Art hatte mich unheimlich gerührt und seine Umarmung hatte sich unglaublich gut angefühlt. Ich nahm an Naruto damals zum ersten Mal die sanfte Stärke wahr, die er schon immer gehabt hatte. Ich wusste nicht, wie lange wir so gemeinsam zusammen gesessen hatten, aber als er an diesem Tag nach Hause gegangen war, hatte ich mich besser gefühlt. Die Schwere in meinem Herzen war damals verschwunden.
 

Jetzt sah ich auf das Bild, welches vor einigen Jahren entstanden war. Es zeigte Naruto, Sasuke und mich, als alles noch einfach gewesen war. Damals waren wir eben einfach nur Freunde gewesen. Doch jetzt, nur wenig später, war ich drauf und dran, mich in Naruto zu verlieben. Noch war es nicht passiert, aber ich fühlte mich zu ihm hingezogen. Würde ich es zulassen, konnte es schnell zu etwas Intensivem werden. Ich seufzte und legte das Bild mit dem Gesicht nach unten auf das Holz meines Schreibtisches. Das Bild, auf dem Naruto und ich zu zweit in die Kamera grinsten und stolz den Fisch hochhielten, den ich gefangen hatte, blieb stehen. Genauso wie das, auf dem ich mit einem grünen Kleid und er mit einem Anzug zu sehen waren. Das war auf Itachis Hochzeit gewesen. Damals hatte ich meine Haare noch lang getragen, was es mir erlaubt hatte, eine kunstvolle Hochsteckfrisur zu versuchen. Laut Naruto hatte es wundervoll ausgesehen.

Meine Augen wanderten weiter zum Bild eines Schulfestes. Im Hintergrund dieses Fotos war unser Lehrer zu sehen. Beinahe sah es so aus, als sei Hatake-sensei unser persönlicher Trainer gewesen, so nahe stand er bei uns. Er lächelte sogar und wieder bemerkte ich, dass sein Blick auf Naruto gehaftet hatte.

Ich hatte es öfters bemerkt, dass unser Lehrer zwar meist schweigsam war, was sich selbst betraf, aber er versuchte in seiner etwas ungelenken Art wirklich, uns auf unseren Lebenswegen zu helfen. Besonders uns drei hatte er immer im Auge.

Sei es die Beinahe-Scheidung meiner Eltern, weil mein Vater von seiner Arbeitskollegin eindeutige Anrufe und Angebote erhalten hatte, oder etwa Sasukes Streit mit seinem älteren Bruder, weil dieser ohne Familie hatte heiraten wollen und man mühevoll nachfeiern musste. Für die komplette Uchihafamilie war das wohl ein unangenehmes Thema gewesen. Sie mussten so sehr darauf achten, keine Negativschlagzeilen zu produzieren. Und auf Itachis Entscheidung hin hatten alle Medien behauptet, die Familie sei kurz davor, auseinander zu brechen. Es war eine scheußliche Angelegenheit gewesen und hatte Sasuke furchtbar aufgeregt.

Vor allem aber hatte Hatake-sensei versucht, die Ablehnung gegenüber Naruto abzumindern. Er war einer der wenigen Menschen gewesen, der ihn nicht von Anfang an verurteilt hatte. Ich wusste immer noch nicht, was sämtliche ältere Menschen gegen ihn hatten.
 

Seufzend stand ich nun auf und ging ins Badezimmer, um mich bettfertig zu machen. Ich würde morgen den Tag allein verbringen und dann Übermorgen Hinata zu ihrem Erfolg gratulieren. Und dann würde ich ihr auch gleich sagen, dass ich Naruto zu ihrem ersten Konzert begleiten würde.
 

Hinata:

Ich hatte vor Aufregung nicht schlafen können und gähnte nun die ganze Zeit am Frühstückstisch. Meine kleine Schwester kicherte schon wieder, als sie mich mit vorgehaltener Hand ertappte, wie ich versuchte, keinen Laut von mir zu geben, der meine Müdigkeit preisgab. Ich sah zu ihr herüber. „Hanabi, ärgere deine Schwester nicht!“, ermahnte sie unser Vater. Sie nickte und setzte sich ordentlicher hin. Ich nahm einen Bissen Reis.

Vater setzte sich auf, verschränkte die Arme wie immer und musterte mich. „Du siehst nicht gut aus“, meinte er. Ich schüttelte den Kopf und lächelte. „Ich habe nur am Text meines Liedes gearbeitet, Vater. Dabei habe ich wohl die Zeit vergessen. Es ist aber alles in Ordnung.“ Er nickte zögerlich.

Tatsächlich war der Text für mein erstes, selbst komponiertes Lied schon längst fertig. Ich hatte die Worte einfach nicht mehr zurück halten können und so waren schon etliche Zettel mit immer denselben Worten beschrieben. Die Worte, die ich an Naruto richten würde, hätte ich nur endlich den Mut dazu, ihm zu erzählen, was er mich fühlen lies. Aber nun musste ich mich erst einmal beeilen, um noch rechtzeitig zur Schule zu kommen.

Sakura:

Schon von weitem sah ich meine Freundin kommen. Hinata hatte schon vor Jahren beschlossen, einige Straßen vor der Schule aus der Limousine zu steigen, mit der sie und ihre Schwester immer gebracht wurden. Die letzten Meter ging sie lieber zu Fuß – sie sagte mir einmal, sie hasse diese Art von Aufmerksamkeit. Wie sie demnächst mit der Popularität umgehen wollte, wäre sie erst einmal berühmt, wusste ich nicht, aber sie würde bestimmt einen Weg finden.

Ich rannte ihr entgegen und schlang meine Arme um ihre Schultern. Ich sprang ihr beinahe in die Arme. Lachend stolperten wir beide ein paar Schritte zurück. Dann lehnte ich meinen Oberkörper zurück und strahlte sie an. „Naruto-kun hat es dir gesagt?“, fragte sie. Ich nickte wild. Drückte ihre Schultern ein wenig fester. „Ich freu mich so für dich!“, jubelte ich, „Du hast es so verdient! Du wirst zum größten Star, den wir je in dieser Stadt gehabt haben!“ Sie lachte verlegen. Ihre Wangen wurden rot.

„Erst einmal muss mein erstes Lied noch rauskommen“, nuschelte sie. Ich lies sie los und wir gingen die wenigen Schritte zurück zum Schulhof. „Ach, das wird schon“, sagte ich. Sie biss sich auf die Lippen und nickte. In solchen Momenten sah man wieder deutlich, dass sie eigentlich immer noch ein schüchternes Mädchen war. Diese Eigenschaft würde sie wohl nie ablegen und es machte sie in meinen Augen umso sympathischer. Wir hatten den Schulhof erreicht und schlenderten darüber in Richtung Haupteingang. Wir wussten ja alle beide, dass Naruto mal wieder auf den letzten Drücker auftauchen würde. Auch, wenn er immer erwachsener geworden war, das hatte er immer noch nicht im Griff.
 

„Wann wird das denn sein? Also, ich meine, du wirst den Song doch auf so einem Minikonzert singen, oder?“ Sie nickte, wobei ihr langes Haar mit wippte. „Mh-hm. Ja, meine Managerin hat gesagt, dass es schon nächsten Monat so weit sein wird. Alles läuft gerade sehr hektisch, ich werde heute auch direkt von der Schule aus zum Studio gehen.“ Ich machte große Augen. „Nächsten Monat! Das geht ja echt fix!“ Ich wusste ja nicht, dass der Job einer Sängerin derart stressig sein konnte. Seit sie den Vertrag unterschrieben hatte, war sie ständig unterwegs, um ihr Debut zu proben. Ich hatte immer gedacht, Sängerinnen schrieben ein paar Texte, sagen sie im Studio ein und machten ein paar Konzerte. Und den restlichen Teil der Zeit hätten sie halt frei und so. Anscheinend irrte ich mich.
 

Sie nickte. Wir stiegen gerade die Treppen zu unserem Klassenraum hoch, als ich sie in ihren Ausführungen über ihr Outfit und ihr geplantes Image unterbrach: „Ich werd auf jeden Fall da sein!“ Wir stoppten vor der Tür unseres Klassenraums und sie drehte sich zu mir hin. „Wirklich?“, fragte sie und ich sah ihr an, dass es sie freute.

Ich grinste. „Ja, ich werde mit Naruto zusammen hingehen. Wir beide werden dich lautstark anfeuern!“ Ihr Strahlen erlosch. Es war, als hätte mein Kommentar einen Schalter umgelegt. „Hinata?“, fragte ich verblüfft. Sie biss sich auf die Lippen und sah zu Boden. „Naruto-kun hat dich gefragt?“, flüsterte sie belegt. Und bei mir fiel endlich der Groschen. Gleich einem Dampfhammer erschlug mich die Erkenntnis, die ich bisher nie gehabt hatte.
 

Hinata lächelte gequält, als sie wieder aufsah. „Ich würde mich über deine Unterstützung wirklich freuen, Sakura-san“, erklärte sie und zog die Tür auf. „Hinata!“, rief ich ihr nach, aber sie verschwand schnurstracks auf ihren Platz und sah nicht mehr zurück.

In all der Zeit, die wir nun zusammen verbracht hatten, war mir schon klar gewesen, dass es viele Mädchen geben musste, die mittlerweile für Naruto schwärmten. Aber mir war nie aufgegangen, dass Hinata ebenfalls zu diesen Mädchen gehörte. Wie konnte ich nur so blind ihr gegenüber sein und wie sollte ich mich denn jetzt bloß verhalten?
 

Naruto:

Der heutige Schultag war nicht normal. Absolut nicht. Es fing damit an, dass Sasuke überhaupt nicht auftauchte. Gar nicht. Er schrieb mir nicht mal eine SMS, warum er fehlte. Selbst, als er eine Lungenentzündung gehabt hatte, hatte er uns Bescheid geben können. Jetzt herrschte Funkstille.

Dann benahmen sich Sakura und Hinata komisch. Immer, wenn ich eine von beiden ansprach, senkten sie den Blick oder wichen mir aus. Beide wirkten bedrückt, wollten mir aber nicht erzählen, warum das so war. In der Mittagspause hatten wir auch nicht zusammen gegessen.

Ich hatte neben Sakura gesessen und hatte schon nach drei Bissen gemerkt, dass meine Freundin ihr Bento nicht anrührte. Stattdessen saß sie verkrampft da und sah auf ihre Knie. Auf meine Frage, ob alles in Ordnung sei, hatte sie nur genickt und traurig gelächelt.
 

Jetzt saßen wir in der letzten Stunde zusammen um unsere zusammen geschobenen Tische und ich versuchte seit mehreren Minuten, mit den beiden unsere Gruppenarbeit zu besprechen, die wir schon nächste Woche vorstellen sollten. Aber ich erntete eisiges Schweigen, wann immer ich einen Vorschlag zur Einteilung machte.

Schließlich lies ich den Stift auf den Tisch fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Okay“, sagte ich bestimmt, „Was zum Geier ist hier los? Was hab ich wieder angestellt?“ Zwei Blicke flogen zu meinem Gesicht. „Das hast du nicht!“, beteuerte Hinata sofort.

Dann sah sie verstohlen zu Sakura und senkte ihren Blick. Meine beste Freundin schüttelte den Kopf. „Es ist eine Sache zwischen uns beiden. Ich...glaube, Hinata denkt, ich wolle ihr etwas wegnehmen.“ Sie sah mit einem intensiven Blick zu der Blauhaarigen. „Aber das stimmt nicht. Es ist nicht meine Entscheidung, was passiert. Ich will dir nicht wehtun, okay?“ Hinata sah auf und blickte Sakura überrascht an. Sie blinzelte, dann zuckten ihre Mundwinkel nach oben.

„Danke, Sakura-san. Aber es ist okay, wirklich.“ Verwirrt sah ich zwischen den beiden Mädchen hin und her. „Uhm, ist alles okay? Also, jetzt wieder?“, fragte ich. Nach kurzem Zögern nickten sie beide. Ich zog die Stirn kraus. „Hört mal, ihr beiden. Ich weiß nicht, was passiert ist. Vor ein paar Tagen war alles noch okay bei euch und jetzt könnt ihr euch nicht mal mehr ansehen.

Ich glaub auch nicht daran, dass du Hinata-chan irgendetwas wegnehmen würdest, Sakura-chan. Das bist nicht du, du achtest immer auf die Gefühle deiner Mitmenschen. Das kann also nur so sein, dass du gar nicht wusstest, was du da tust.“ Überrascht sah sie mich an. Ihr rutschte sogar der Stift aus den Fingern und er kullerte auf ihr Heft, wo er einen unschönen Tintenfleck hinterließ. Ich wandte mich an Hinata.

„Und du, Hinata-chan, du musst dich nicht immer klein machen. Wenn du was haben willst, hast du jedes Recht der Welt, es dir zu nehmen und auch zu sagen, dass du es haben willst. Woher sollte Sakura-chan das wissen, wenn du nichts sagst? Nur, weil ihr beide befreundet seid, musst du nicht sofort deine Gefühle hinten anstellen, okay?“ Ihre Wangen wurden rot und sie nickte schüchtern. Ich sah beide nacheinander eindringlich an. „Und jetzt hört auf, umeinander herum zu tänzeln, als wäre eure Freundschaft ein Staatsverbrechen! Wir werden ewig Freunde sein, da bringt uns so etwas doch nicht auseinander, echt jetzt!“ Sakura rang sich ein Lächeln ab. „Du hast Recht, wir bleiben Freunde. Egal, wer jetzt was bekommt.“ Sie sah zu Hinata und stupste ihr an die Schulter. „Wir bleiben einfach fair und dann werden wir sehen, was es werden wird, nicht wahr?“ Die Blauhaarige nickte schwer. „Ja, du hast Recht. Habt ihr beide. Und ich werde mich anstrengen!“

Danach war zwar noch nicht alles vergessen, aber wir waren alle drei viel entspannter und konnten wieder normal miteinander umgehen. Ich ahnte, dass die Mädchen es untereinander klären würden, sobald ich nicht dabei war.
 

Kakashi:

Ich hatte Narutos kleine Ansprache mitbekommen und musste ein Lächeln unterdrücken. Auch, wenn er scheinbar nicht begriff, worum es ging, schaffte er es, die richtigen Worte zu wählen. Man konnte dabei zusehen, wie die Last von den Mädchen abfiel. Der Blonde war wahrhaftig ein Meister der Worte geworden. Wenn das doch auch nur mehr Menschen erkennen würden.

Mittlerweile war er zwar älter und hatte sich in vielen Situationen bewiesen, aber noch hatte es nicht alle Menschen hier in Konoha erreicht, dass er ein guter Mensch war. Ich hatte gedacht, nachdem er geholfen hatte, den entlaufenen Bären des Zoos in der Nähe wieder einzufangen und dabei auch noch mehr durch Zufall einen Anschlag auf unsere Bürgermeisterin verhindert hatte, würde es besser werden. Aber dennoch gab es immer noch Menschen, die ihn verachteten. Was hatten solche Menschen nur im Kopf?
 

Ich sah noch einmal zu den anderen Schülern. Sai und Ino saßen so dicht zusammen, dass ich nicht wissen wollte, ob sie in der hintersten Ecke des Zimmers wirklich an ihrem Projekt arbeiteten, oder andere Dinge machten. Ich würde die beiden wirklich ungern vor dem Rest der Klasse bloßstellen. Gaara, welcher erst dieses Jahr in diese Klasse gekommen war, hatte sich neben Kiba gesetzt und beide schwiegen sich an. Ob das was werden würde? Der rothaarige Junge schien nicht daran interessiert zu sein, mit anderen Menschen Kontakt zu schließen. Nur Naruto hatte es bisher geschafft, die Aufmerksamkeit dieses großen Schweigers zu erringen. Ich ahnte, dass Gaara sich vorgenommen hatte, seine Isolation zu ändern. Aber es haperte wohl noch an der Ausführung.

„Alles klar, Sabakuno-san?“, fragte ich und er nickte steif. „Und du?“, fragte ich den Jungen daneben. Kiba seufzte schwer. „Ja, irgendwie schon. Nur...das Thema, dass Gaara-kun hier vorgeschlagen hat, können wir hier im Raum nicht ausarbeiten. Deswegen machen wir das nach dem Unterricht.“ Ich blinzelte. „Hm, okay. Hauptsache, ihr werdet früh genug fertig.“ Beide nickten synchron. Ich unterdrückte ein Kopfschütteln.
 

Nach Ende der Stunde beobachtete ich, wie Naruto sich beim Zusammenpacken seiner Sachen Zeit lies. Er blickte zur Seite und sah den beiden Mädchen hinterher, die gerade den Raum durch die hintere Tür verließen. Aha, er wollte ihnen wohl die Möglichkeit geben, was auch immer es war zu klären. Wie mitfühlend. Ich räusperte mich.

Naruto kam an mir vorbei und blieb bei diesem Laut stehen. „Wollten Sie etwas von mir, Sensei?“, fragte er. Ich unterdrückte ein Lächeln. „Läuft es gut?“, fragte ich zurück, „Deine Noten sind gut, aber ich war neugierig, wie es sonst aussieht.“ Es war die richtige Frage gewesen, denn der Junge begann zu strahlen. „Oh, ja! Ich meine, ich hab richtig viele Freunde und so. Ich bin sogar umgezogen, Sensei!“ Ich sah ihn perplex an. „Ach, tatsächlich?“ Er nickte. „Ich geh jetzt hin und wieder arbeiten, da hab ich mehr Geld im Monat.“ Anscheinend war er wirklich stolz darauf.
 

„Bei wem?“ Vielleicht war die Frage etwas harsch gestellt, aber ich wollte eben wissen, wer einen fünfzehnjährigen Jungen bei sich arbeiten lies – zu einem Gehalt, dass eine neue Wohnung möglich machte. Er druckste herum, bevor er mit der Sprache herausrückte: „Bei Jiraya. Ist aber echt in Ordnung!“ Ich stand auf. „Du arbeitest in einer Bar?!“ Was dachte sich der Mann nur dabei, den Jungen in diesen Laden zu stecken? Alkohol, betrunkene Gäste und regelmäßige Versuche, mit Drogen zu handeln. Das war es, was man von dieser zwielichtigen Bar wusste. Ich konnte mir diesen herzensguten Jungen vor mir nicht in so einer Umgebung vorstellen.

Es war bekannt, dass der Mann sein Geschäft nur eröffnet hatte, weil er glaubte, mit gut aussehendem, männlichen Personal ebenso gut aussehende junge Frauen anzuziehen. Der Kerl war stadtbekannt als Spanner und Lüstling. Ich verengte die Augen.

„Und du hältst dich auch an die Arbeitsbestimmungen, die in deinem Alter gelten?“ Er trat einen Schritt zurück. „Ja, na klar, Sensei!“, erwiderte er hastig und ich sah ihn an, während er den Raum verließ. Hatte er mich etwa gerade angelogen?
 

Diesen Abend wollte ich der Sache auf den Grund gehen. Ich hatte bewusst noch zwei Tage gewartet. Sollte Naruto wirklich zu lange arbeiten oder die falsche Arbeit erledigen, würde er sich davor hüten, am gleichen Abend da zu sein, an dem ich erfuhr, was er wo machte. Nun, mehr als zwei Tage konnte er sich hoffentlich nicht leisten und so stand ich hier. An der Ecke der Straße, an der sich Jirayas Geschäft befand. Schon von hier aus hörte ich die Betrunkenen brüllen. Es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis es eine Schlägerei geben würde. Kein Wunder – die Sperrstunde für sämtliche Kinder und Jugendliche war seit einer Stunde vorbei. Wer jetzt noch auf den Straßen unterwegs war, sollte laut Gesetz volljährig sein.

Ich glitt um die Ecke und betrat den Laden. Sofort schallte mir laute Musik entgegen und die Luft stand vor Alkohol und Zigarettenrauch. Würde ich nicht sowieso einen Mundschutz tragen, hätte ich ihn mir spätestens jetzt gewünscht. Einige junge Frauen saßen gackernd vor der großen Bartheke, andere liefen gerade an mir vorbei. Dabei unterhielten sie sich über einen Mann, den sie wohl attraktiv fanden. Ich rollte mit den Augen, als ich unfreiwillig zuhörte. „Und diese Augen! Ich sag dir, die sind nicht alltäglich! Wenn ich bei dem an der Bar sitze, kann ich mich vor lauter Himmelblau kaum konzentrieren, was ich bestellen möchte!“ Sie kicherten.

„Oh ja, so ein junges Gesicht ist echt süß. Ich würde ihn ja schon längst auffressen, wenn Jiraya nicht immer so ein Auge darauf hätte.“ Ich stockte in meinem Schritt. Das klang doch so, als ob ich wüsste, über wen sie redeten. Mein Blick schnellte zum Tresen.
 

Naruto stand dahinter und schenkte gerade einer Kundin ein strahlendes Lächeln, während er eine Zitrone auf einem Glasrand platzierte. Ich seufzte in mich hinein, dann schlängelte ich mich zur gegenüber liegenden Seite durch. Lehnte mich mit verschränkten Armen gegen die Wand und sah zu ihm herüber. Er hatte seine Gäste im Griff, das musste ich zugeben, obwohl es in mir brodelte.

Ich war auf beide wütend: Auf Naruto, dass er mich trotz meiner Nachfrage anlog. Er wusste genau, dass er etwas Illegales tat. Und auf Jiraya, weil er den Jungen hier arbeiten lies. Uhrzeit, Einsatzgebiet und Umgebung waren absolut nichts für so ein halbes Kind!
 

Tatsächlich tat sich nur wenige Minuten später ein Streit auf, der schnell heftig wurde. Eine gefährliche Sache, aus der sich Unerfahrene besser heraushielten. Zu meiner absoluten Verblüffung lief Naruto jedoch direkt in die kämpfenden Männer hinein. Jeden von beiden packte er an den Schultern und zog sie auseinander. Scharf sah er sie an. „Ey, das ist nicht der richtige Ort dafür. Klärt was auch immer gefälligst draußen, klar?!“ Er lies sie los und wies zur Tür. Als keiner Anstalten machte, sich zu bewegen, packte er sich einen der Streithähne und beförderte ihn zu Boden, nahe des Eingangs. „Raus!“, erklärte er bestimmt – und wandte dem Zweiten dabei den Rücken zu. Ein Fehler, denn ich sah das Messer aufblitzen, dass der Kerl zog.
 

Bevor irgendjemand wusste, was geschah, war ich schon hinter Naruto getreten und fing den Stoß des Messers ab. Der sengende Schmerz schoss mir in die Hand und bis ins Handgelenk hinauf. Aber außer einem tiefen Schnitt in der Handfläche durfte ich nichts davongetragen haben. Der Mann sah mich an. „Scheiße!“, fluchte er laut und Naruto schien jetzt erst zu bemerken, was los war. Er wirbelte herum, blieb aber stumm.Ich blickte auf den etwa einen Kopf kleineren Kerl hinunter, der ohne seine Waffe zurück taumelte. „Lass das!“, fauchte ich, „Einen nicht mal volljährigen Jungen hinterrücks angreifen! Verzieh dich, bevor ich die Polizei rufe!“ Ohne weitere Widerworte machte er, dass er davon kam.

Ich öffnete die Hand und nahm das Messer mit der anderen, schob es zusammengeklappt in meine Hosentasche und wandte mich um. Naruto sah mich ehrlich bestürzt an. Er blickte in meine Augen, schluckte schwer und sah dann das Blut auf meiner Hand. Er wurde so blass, dass ich schon Angst hatte, er würde bewusstlos werden, doch dann packte er mich erstaunlich fest am Arm.

„Kommen Sie, Sensei!“, erklärte er und zog mich zu den Privaträumen des Geschäftes. Dort angekommen platzierte er mich auf einem Stuhl und suchte hektisch nach einem Erste Hilfe Kasten. Er kniete sich neben mich und zog meine verletze Hand zu sich, um sie besser betrachten zu können.

„Das ist ein ganz schön tiefer Schnitt, Sensei. Ich werde versuchen, es zu desinfizieren und es zu verbinden, aber ich denke, Sie sollten besser ins Krankenhaus damit gehen.“ Ich sah auf seinen Kopf, auf die wirren blonden Strähnen. „Naruto“, sagte ich tadelnd. „Ich werd jetzt erst mal das Jod holen gehen, das haben wir hier in einem Arzneischrank, also muss ich nach oben. Bin gleich wieder da, Sensei“, machte er weiter, als hätte er mich nicht gehört und sprang auf. „Naruto.“

„Es dauert wirklich nur eine Minute. Und ich werde auch Jiraya Bescheid geben, was passiert ist.“ Ich verlor die Geduld. „Naruto!“ Er zuckte zusammen und sah mich endlich an. Schuldbewusst. „Sag mal, was denkst du dir eigentlich?! Ist dir klar, was passiert wäre, wenn ich nicht so schnell reagiert hätte? Du hättest das Messer im Rücken stecken! Wieso arbeitest du hier, das ist absolut nichts für dich! Ich verlange von dir, dass du sofort hier aufhörst!“ Meine Stimme war eine Mischung aus Autorität und Wut gewesen und es hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Naruto senkte den Blick und biss sich auf die Lippen.

„Ja, Sensei. Ich weiß, Sie haben mir sehr geholfen. Und ich habe gelogen, das tut mir Leid.“ Täuschte ich mich, oder sah ich eine kleine Träne auf den Boden tropfen? „Es tut mir wirklich Leid, Sensei.“ In seine Stimme mischte sich ein Schniefen. „Ich hab mich schrecklich dabei gefühlt, Sie zu belügen. Aber ich brauche das Geld, echt jetzt. Ich meine, ich bin jetzt umgezogen, wie soll ich sonst die Miete dafür aufbringen?“ Ich stand ebenfalls auf und trat vor ihn. „Warum bist du denn überhaupt umgezogen, wenn du dir die Wohnung nicht leisten kannst?“, fragte ich, sehr viel versöhnlicher. Anscheinend dachte er, er habe keine Wahl gehabt. Hilflos zuckte er mit den Schultern. „Mein vorheriger Vermieter meinte, er wolle die Wohnungen renovieren und das würde die Miete erhöhen. Ich musste so oder so da raus. Und das jetzt ist das Billigste, was ich auf die Schnelle finden konnte.

Ich habe Jiraya dadurch kennen gelernt, dass er in der Nachbarschaft wohnt. Und er hat mir angeboten, dass ich hier ein paar Tage in der Woche ihm helfen und den Laden danach sauber machen soll, dann bräuchte ich mir keine Gedanken über die Miete zu machen.“ Er ballte die Hände zu Fäusten und sein Haar verdeckte die Augen. Ich sah ihn verdattert an. Wieso hatte er wieder einmal nichts davon gesagt? „Weiß Iruka davon?“, fragte ich. Er schüttelte den Kopf. Ich seufzte, legte eine Hand auf seine Schulter. „Okay, dann verbinden wir schnell meine Hand und du holst Jiraya hier her. Wir werden uns schon was überlegen, ja?“ Ohne mich anzusehen nickte er und verließ den Raum. Ich setzte mich wieder zurück auf den Stuhl und griff nach einer Mullbinde, mit der ich fahrig das Blut abwischte, ohne die Wunde näher zu berühren.
 

Etwa fünf Minuten später öffnete sich die Tür wieder und Naruto betrat den Raum hinter Jiraya, der mich mit wachem Blick musterte. Der Mann war beeindruckend groß, hatte breite Schultern und eine Vorliebe für Yukatas und Holzsandalen. Sein bereits weißes Haar trug er lang. Der Mann machte mehr den Eindruck eines unbeständigen Künstlers als den eines Barbesitzers.

Jiraya trug die Flasche mit Jod zum Tisch und nahm sich ein kleines Tuch, das er mit dem Wirkstoff tränkte. Er nahm meine Hand in seine und tupfte vorsichtig an dem Schnitt entlang. Es brannte, lies sich aber aushalten. Ich hatte schon schlimmeres erlebt als diesen Kratzer. Dann verband er meine Hand fachmännisch mit einer weiteren Mullbinde und lies meine Hand los.

„Jiraya“, sagte ich und verzichtete diesmal auf jegliche Höflichkeit. Ich kannte den Mann persönlich, aber das wussten nur die wenigsten Menschen. Er seufzte schwer und wank mit der Hand ab. „Ich weiß, Kakashi. Natürlich weiß ich es. Du brauchst mir keine Predigt halten, Junge.“ Ich biss die Zähne aufeinander. „Ich bin schon lange kein Junge mehr, Jiraya. Und du solltest auch wissen, dass das hier strafbar ist.“ Mit dem Kinn wies ich auf Naruto, welcher immer noch vollkommen elend neben der Tür stand und den Boden anstierte. Der ältere Mann nickte. „Ich hätte ihm doch wohl kaum anbieten können, bei mir einzuziehen, hm? Oder würdest du ihn aufnehmen? Wir sind beide nicht der richtige Umgang für einen Jungen in dem Alter.“ Widerstrebend nickte ich. Er hatte in allem Recht, aber ich wollte dem Kind dennoch helfen.

„Wie wäre es mit einer anderen Arbeit? Ich könnte jemanden gebrauchen, der meinen Garten in Ordnung hält. Und meine Hunde würden sich über noch mehr Auslauf sicher freuen.“ Jiraya sah wie ich zu Naruto. Der schien uns gar nicht richtig zu hören.
 

Ich stand auf und ging zu ihm. Hob sein Kinn mit einer Hand an und sah die Tränen, die in seinen Augen schimmerten. Völlig glasig wirkte der Blick, der mich kaum wahrzunehmen schien. „Hey“, beugte ich mich zu ihm herunter, „Hast du gehört, was wir gesagt haben?“ Er blinzelte und zog meine Hand von seiner Haut. Dann nickte er schwer. „Hab ich.“ Ich sah ihn eindringlich an. „Wärest du denn damit einverstanden, bei mir zu arbeiten? Es bringt dir vielleicht nicht soviel ein, dass du viel Geld übrig haben wirst, aber ich kann dir versprechen, dass du nicht auf der Straße landen wirst.“ Er presste die Lippen zusammen. Überlegte lange. Dann sah er mich an. „Wann? Wie oft?“ Ich lächelte, was unter meiner Maske versteckt blieb. „Beim Garten weiß ich es nicht genau. Da hat sich einiges angesammelt, du wirst schon ein paar Tage beschäftigt sein. Und meine Hunde – die wollen logischerweise jeden Tag raus. Ich gehe meistens morgens mit ihnen, aber du könntest sie abends nochmal für eine Runde mitnehmen. Sie sind ganz friedlich und gut erzogen, es ist nicht so schwer, ja?“ Er war einverstanden. Ich würde mir über die Bezahlung noch Gedanken machen. Ich lebte allein und das immer noch in der Wohnung, die ich als Student bezogen hatte. Sie war zu klein für zwei Personen, wenn sie nicht gerade ein Paar waren. Und für mich und meine Hunde gerade groß genug. Ich leistete mir höchstens den Luxus, ein paar Bücher hier und da zu kaufen. Ich hatte also genügend Geld in den letzten Jahren angehäuft.

Außerdem gab mir Jiraya die Zusicherung, ebenfalls etwas zu diesem mickrigen Lohn beizutragen. Gemeinsam würden wir es wohl schaffen, Naruto zu helfen.

Sakura:

„Und es ist wirklich okay, Hinata?“, fragte ich zum gefühlt hundertsten Mal. Und sie nickte tapfer. „Ja, Sakura-san, ich kann dir wohl kaum vorwerfen, was ich selbst gut an ihm finde. Naruto-kun wird selbst entscheiden müssen, wen von uns beiden er will, nicht wahr?“ Sie sah mich an und ihr Tonfall wurde neckend. „Und außerdem: Wer sagt denn, dass du schon gewonnen hättest, nur, weil ihr gemeinsam auf mein Konzert geht? Vielleicht ist er ja auch von mir so hin und weg, wenn er mich dort oben sieht, dass er dich gar nicht mehr bemerkt?“ Ich grinste. „Tja, dann muss ich mir eben was einfallen lassen!“ Wir sahen uns an und erkannten, dass wir damit klar kommen würden. Wie auch immer diese Sache ausgehen würde, wir würden noch miteinander reden können und wir würden Freundinnen bleiben. Ich stand auf und strich den Bereich auf ihrem Bett glatt, der durch mein Gewicht ganz zerknautscht worden war. Dann drehte ich mich zu ihr und verbeugte mich leicht. „Danke, dass du so verständnisvoll bist. Ich hätte nicht gewusst, was ich ohne dich tun würde. Du gehörst zu meinen engsten Freunden, ja?“ Sie erhob sich ebenfalls. „Und du zu meinen, Sakura-san. Ich würde mich schrecklich fühlen, wenn ich dich auf einmal links liegen lassen müsste.“ Wir umarmten uns sachte. Dann machte ich mich auf den Weg nach Hause.

Ich ging zur Bahnstation, deren Zug mich nach Hause bringen würde. Hinata wohnte in einem ganz anderen Viertel als ich, hier reihten sich die Luxusvillen aneinander. Sündhaft teure Wagen standen vor ebenfalls riesigen Garagen. Alle hatten hier eindeutig zu viel Geld. So wie Sasuke.

Ich drehte mich abrupt um und ging einen anderen Weg. Ich hatte mich entschieden, jetzt endlich mal nachzufragen, was mein zweitbester Freund in letzter Zeit machte, dass er gar keine Zeit mehr für Naruto und mich hatte. Ich wollte nicht mehr abgewiesen werden, nicht mehr abgewimmelt werden. Heute würde ich endlich mit ihm reden, ich hatte es lange genug aufgeschoben.

Naruto hatte in der Schule immer wieder versucht, mit ihm zu reden. Er hatte sich nicht gescheut, auch mal Streit anzufangen, wenn Sasuke abwehrte. Jetzt war ich dran, ich konnte mich nicht immer hinter den beiden verstecken.
 

Ich drückte auf den Klingelknopf. Das hatte ich schon viele Male getan, bevor wir uns so entfernt hatten. Jetzt hatte ich feuchte Hände vor Aufregung, weil ich diesmal nicht eingeladen worden war. Weil Sasuke wahrscheinlich noch nicht einmal zur Tür kommen würde und ich von irgendeinem Dienstmädchen gesagt bekommen würde, dass ich besser nach Hause gehen solle.

Die Tür schwang auf und zu meiner Verblüffung sah ich mich Konan gegenüber. Sie war Itachis Frau und ich mochte sie recht gern, auch wenn sie uns wohl immer noch als Kinder ansah. „Hey“, meinte ich schüchtern, „Ist...Sasuke da?“ Sie sah überrascht aus. „Natürlich. Soll ich dich zu ihm bringen?“ Erleichtert nickte ich. „Oh ja, das wäre gut.“ Sie hielt mir die Tür auf und ich schlüpfte schnell ins Haus.

Als wir die riesige Treppe hinaufgingen, sah sie mich von der Seite an. „Du warst lange nicht mehr hier“, stellte sie fest. Ich zuckte mit den Schultern. „Sasuke-kun hatte irgendwie nie Zeit.“ Sie blieb auf einer Stufe abrupt stehen. „Ich dachte, das wäre ein Witz gewesen“, murmelte sie. Fragend legte ich den Kopf schief. „Was meinst du, Konan-san?“ Sie antwortete nicht, also wiederholte ich meine Frage. Da schreckte sie auf. „Sakura-san“, meinte sie eindringlich, „Ich durfte dir das gar nicht sagen, aber ich denke, du solltest es wissen.

Sasuke-kuns und Itachis Onkel, Madara Uchiha, hat im Moment sehr großen Einfluss auf dieses Haus. Und Itachi-san und mir gefällt das gar nicht, weil wir ihm nicht trauen. Ich denke, er führt irgendwas im Schilde. Ich will dir helfen, euch helfen, damit ihr Sasuke-kun den Kopf gerade rücken könnt. Bitte, lasst ihn jetzt nicht fallen.“ Sie sah mich regelrecht verzweifelt an. Ich schrak zusammen. Das hörte sich ja sehr viel ernster an, als ich gedacht hatte. Was war denn nur mit Sasuke los?

Zaghaft nickte ich. „Ich werde mein Bestes tun, Konan-san. Aber ich hab auch keine Ahnung. Sasuke-kun ignoriert mich in letzter Zeit ziemlich. Heute war er auch gar nicht in der Schule, genauso wie vor zwei Tagen.“ Sie nickte leicht. „Mhhm, ja, ich weiß. Er war den ganzen Tag bei Madara. Angeblich trainieren sie dauernd. Und das erschöpft ihn so sehr, dass er sich den halben Tag erholen muss.“
 

Ich klopfte an die Tür, die zu Sasukes Zimmer führte. Als ich von drinnen nichts hörte, wandte ich mich hilfesuchend an Konan. Sie sah zu mir und machte eine auffordernde Geste. Ich drehte mich also wieder um und drückte die Türklinke herunter.

Das Zimmer lag im Halbdunkeln. Ich konnte kaum etwas sehen, aber die Nachttischlampe brannte hell genug, dass ich die Person auf dem Bett ausmachen konnte. „Sasuke-kun?“, fragte ich leise. Er öffnete die Augen und sah mich an. Überraschung malte sich auf sein Gesicht. „Dich habe ich hier nicht erwartet“, gestand er leise ein. Ich machte noch einen Schritt auf ihn zu und lies dabei die Tür offen stehen. Das Licht im Flur erhellte den Raum zusätzlich. Ich zwang mich zu einem Lächeln, obwohl mir ein Kloß im Hals steckte. Die ganze Stimmung war nicht gut, es fühlte sich an, als wolle er mich nicht hier haben. Als wäre ich plötzlich ein Eindringling in seinem Reich.
 

„Was willst du hier?“, fragte er. Es klang müde. Jetzt erst bemerkte ich die Schatten unter seinen Augen, die definitiv nicht dem Licht geschuldet waren. Es ging ihm nicht gut. „Ich wollte nach dir sehen“, fing ich an, „Du warst wieder nicht in der Schule.“ Er nickte, als würde ich ihm nichts neues erzählen. „Hn.“

„Komm mir jetzt nicht damit, Sasuke-kun!“, polterte ich, „Deine einsilbigen Antworten hängen uns allen echt zum Hals raus! Sag gefälligst deutlich, was du meinst! Ich will wissen, was mit dir los ist, ich will dich verstehen!“ Er stand abrupt auf. „Du willst wissen, was los ist?“, fragte er scharf, „Ich sag es dir: Ich hab euch satt. Dich und Naruto, diese ganze verfluchte Nummer mit den besten Freunden! Steck dir das sonst wohin, ich hab auf Lügner keinen Bock! Und jetzt hau ab, lass dich hier nie wieder blicken!“ Er schrie mich tatsächlich an. Trat direkt vor mich und schubste mich zur Tür. „Verschwinde!“, brüllte er, schäumend vor Wut.

Ich überlegte nicht lange. Ich drehte mich um und stürmte aus dem Zimmer, meine Gedanken ein einziges Chaos. Ich hörte zwar noch Konans Stimme, wie sie meinen Namen rief, aber ich konnte ihr nicht antworten. Alles, was über meine Lippen gekommen wäre, wäre ein Schluchzen gewesen. Die ersten Tränen bahnten sich bereits einen Weg über meine Wangen, während ich verzweifelt überlegte, wo ich hinwollte. Mir fiel nur ein Mensch ein, zu dem ich jetzt wollte.
 

Ich war noch nie in Narutos neuer Wohnung, aber er hatte mir schon mehrere Male erklärt, wie ich dorthin kam. So war es für mich auch in meinem Zustand nicht schwierig, den Wohnblock zu finden. Ich raste nahezu die Treppenstufen herauf und knallte meine Hand auf den Klingelknopf. Wie ein Stakkato hallte der Ton immer wieder in der Luft, bevor schwere Schritte ertönten und die Tür hastig vor mir geöffnet wurde.

Wer mich ansah, war unser Lehrer, Hatake-sensei. Ich blinzelte und versuchte, meine Stimme wiederzufinden. „Sensei“, murmelte ich und sah an ihm vorbei in das Innere der Wohnung, „Ist Naruto nicht da?“ Ich hörte mich genauso scheußlich an, wie ich mich fühlte. In diesem Moment war es mir auch vollkommen egal, wieso unser Lehrer eigentlich bei meinem besten Freund war. Alles, was ich wollte, kam gerade zur Tür und sah mich verdattert an.

„Sakura-chan?“, fragte er, er klang schockiert. Ich schluchzte und warf mich in seine Arme. Der Sensei sprang zur Seite, bevor ich an ihn stoßen konnte. „Naruto-kun!“, heulte ich los und vergrub das Gesicht an seiner Brust. Seine Arme schlossen mich in eine warme Umarmung. Sofort war ich mir sicher, dass es mir besser ginge, wenn ich ihm erst einmal alles erzählt hatte. „Es wird alles wieder gut, Sakura-chan“, murmelte er mit sanfter Stimme und hüllte mich ganz in diese Sicherheit, die ich so sehr an ihm schätzte. Ich spürte das Vibrieren seiner Stimme an meiner Wange, die sich an seine Brust schmiegte, als er wieder sprach. „Sensei, könnten Sie für heute vielleicht gehen? Ich...kann im Augenblick keinen Nerv für etwas anderes aufbringen.“

„Natürlich, Uzumaki-san“, hörte ich die tiefe, ruhige Stimme, die im Unterricht oft so gelangweilt klang. Dann ertönte die Tür und ich nahm an, dass wir allein waren.
 

Nach mehreren Minuten fand ich die Kraft, wieder den Kopf zu heben. Ich sah den Blonden aus verweinten Augen an. „Naruto-kun“, murmelte ich. Er sah mich an und hob eine Hand, legte sie auf meine Wange. „Was ist denn los? Was ist passiert?“, fragte er leise. Er machte sich wohl große Sorgen um mich. Ich musste drei mal ansetzen, bevor ich in Worte fassen konnte, was vor einer halben Stunde bei Sasuke passiert war. Bei jedem Satz meinerseits wurde seine Miene immer finsterer. Schließlich herrschte Schweigen zwischen uns.

Er nahm mich bei der Hand und zog mich in sein Wohnzimmer. Doch schon an der Tür blieb ich stehen. „Naruto-kun“, murmelte ich, „Was sollen wir jetzt tun? Sasuke-kun...“ Ich verstummte. Er drehte sich um und blickte in meine Augen. Ich konnte in seinen die Aufrichtigkeit sehen, die auch in seinen Worten lag. „Mach dir keine Sorgen, Sakura-chan. Ich werde schon noch rausfinden, was mit dem Teme los ist. Das verspreche ich dir! Ich werde ihn wieder zu uns zurück holen!“ Er lächelte sanft. Legte mir wieder eine Hand auf die Wange und strich mit dem Daumen über meine Haut. „Also bitte, schau mich nicht mehr so traurig an, ja?“ Die letzten Tränen wurden von seiner Hand aufgefangen. Sie liefen an seinem Handrücken herab und tropften auf den Boden, wo sie im Teppich versickerten. Genauso, wie seine Worte in mich einsanken und mich beruhigten.

Wie nur schaffte er es, dass er immer die richtigen Worte wählte?
 

„Entschuldige“, stammelte ich, als ich mir unserer Nähe bewusst wurde, „Ich platze hier einfach herein und werfe mich an dich. Und du...du hattest doch Besuch? Was ist mit dir los? Stimmt etwas nicht?“ Meine Traurigkeit ebbte ab. Naruto hatte mir versprochen, dass er es regeln würde. Er hatte mich noch nie angelogen, ich würde mir keine Sorgen mehr machen. Stattdessen beschloss ich, so gut ich konnte für ihn da zu sein. Und auch für Sasuke, sobald dieser begriff, dass er wirklich auf uns zählen konnte. Was auch immer er mit Lügner gemeint hatte, er würde seine Worte furchtbar bereuen, wenn er erst wieder bei Verstand war. Und ich würde diejenige sein, die ihn dann wieder aufbaute. So machten wir das in unserer Freundschaft, so hatte ich es schon viele Male erlebt.

Jetzt allerdings wollte ich erst einmal für Naruto da sein. Sollte ich in meiner egoistischen Art übersehen haben, dass er auch Probleme hatte, würde ich es mir nie verzeihen.

Doch er wank ab. „Ach was, er wollte nur so allgemein mit mir reden. Sensei hat doch immer wissen wollen, wie es uns geht.“ Und da kam man direkt bei dem betreffenden Schüler vorbei? Ziemlich merkwürdig, aber nun ja, Hatake-sensei war nicht der normale Lehrer.
 

Ich lehnte mich gegen die Wand in meinem Rücken und legte meine Hände auf seine Brust. „Und es ist alles okay?“, fragte ich weiter. Mir fielen seine leicht geröteten Augen auf. Mich beschlich das mulmige Gefühl, dass es ihm nicht so gut ging, wie ich glaubte.

Er nickte schwer und legte die Hände auf meine Schultern. „Es ist alles okay, Sakura-chan.“ Er lächelte, was in meinem Magen ein leichtes Flattern auslöste. Ich lehnte meinen Oberkörper ihm entgegen. Sah ihm prüfend ins Gesicht. „Du riechst nach Alkohol. Und nach Zigaretten. Rauchst du heimlich?“ Er blinzelte, roch kurz prüfend an sich. „Oh, nein, nein! Ich hab das echt nicht gemerkt. Nein, ich bin an einer Ecke vorbei gekommen, wo so ein paar Idioten ihre Kippen geraucht haben. Als ich an ihnen vorbei bin, haben sie mich mit ihrem Bier beworfen.“ Er sah an sich herunter. „Ich dachte, sie hätten mich nicht erwischt. Aber vielleicht ist auch nur meine Hose betroffen.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Du riechst wie ein Aschenbecher.“ Das brachte Naruto zu Lachen, womit sich dieses angenehme Kribbeln weiter in mir ausbreitete. Ich verzog meine Lippen automatisch zu einem Lächeln. Sein Lachen war einfach ansteckend, es war so voller Leben.

„Dann geh ich besser gleich duschen, ne?“ Ich wurde rot. Eigentlich war es ein ganz normaler Satz, aber ich dachte automatisch an das Bild, das er dabei abgeben würde. Erst vor weniger als einer Stunde hatte ich mich mit Hinata darüber unterhalten, was für eine gute Figur Naruto eigentlich hatte. Wie gut er aussah. Wir hatten darüber philosophiert, wie sich diese Muskeln wohl anfühlen würden.

Und jetzt stand ich hier und fühlte unter meinen Fingern diese flache, definierte Brust. Ich biss mir auf die Lippen. Meine Hände wanderten zu seiner Hüfte. Spielten mit dem Bund seiner Hose. Diese himmelblauen Augen folgten meiner Bewegung. Ich schluckte schwer und traf meine Entscheidung.
 

Zaghaft hob ich den Kopf und verweilte kurz vor seinem Gesicht. „Ist das okay?“, fragte ich leise, „Darf ich?“ Meine Stimme zitterte.

Mit einem Ruck überwand er die letzten Zentimeter und sein Mund berührte meinen. Es war nicht wie ein Blitzschlag, der an mir herunter fuhr. Auch nicht wie der berühmte Paukenschlag, der einen von den Füßen hebt. Nein, alles, was ich von gleichaltrigen Mädchen übers Küssen gehört hatte, traf hier nicht zu.

Naruto war wie eine sanfte Kerzenflamme. Sein Kuss erfüllte mich mit Wärme und einer tiefen Zufriedenheit, die ich so noch nicht empfunden hatte. Ich fühlte mich angekommen, fühlte mich zu Hause. Und dennoch war da eine Neugierde, die sich langsam aber stetig anbahnte. Meine Hand wollte herumfahren, wollte seinen Rücken erkunden. Die andere verweilte an seiner Hüfte. Ich lehnte meinen Oberkörper gegen seinen und er kam mir entgegen. Ich sah gerade noch, wie er eine zur Faust geballte Hand an der Wand abstützte, dann fielen meine Augen zu. Ich legte den Kopf in den Nacken, was ihn wie gewollt dazu veranlasste, seinen weiter zu senken und den Druck unserer Lippen zu erhöhen. Die Neugierde wuchs weiter. Ich wollte seinen Körper an meinem fühlen.

Ein Bein drückte sich zwischen meine, aber sonst war er sehr sanft. Fast schon zögerlich fuhr seine rechte Hand hoch zu meinem Kleid, welches ich heute angezogen hatte. Fragend fuhren seine Finger über den Reißverschluss, der es vorn zusammen hielt. Nach kurzem Zögern spürte ich auch seine Zunge, die über meine Unterlippe strich. Ich öffnete meinen Mund einen Spalt und spürte, wie er fragend, fast schon ungelenk, seine Zunge in meinen Mund schob. Ich kam ihm schon nach einem winzigen Zentimeter entgegen und beinahe wäre ich zusammen gezuckt. Das fühlte sich gut an! So gut, dass ich mir nicht vorstellen konnte, es zu beenden.

Wieder strichen seine Finger über den Kragen meines Kleides. Ich löste mich gerade lange genug von ihm, um ihm zuzuflüstern, dass er ruhig weitermachen konnte. Mit Daumen und Zeigefinger zog er den Reißverschluss ein Stück nach unten. Mein rotes Kleid rutschte mir über die Schultern und weil ich meine Hüfte nach vorne schob, enthüllte der Schlitz des Kleides den Minirock, den ich zur Sicherheit noch drunter gezogen hatte. Ich spürte, wie die kühle Luft mein nacktes Bein traf und unterdrückte mit Mühe ein Schaudern. Ich wollte den Moment nicht ruinieren, ich wollte weiter gehen. Schließlich spürte ich, wie seine Hand meine nunmehr nackte Schulter streifte. Er löste die Lippen von meinen und sah mich intensiv an.

„Was ist?“, fragte ich leise. Es kam mir vor, als würde jedes zu laute Wort den Moment zerstören, in dem wir uns befanden. Seine Wangen zierte ein absolut süßer Rotstich. „Ich...bist du...dir sicher?“, hauchte er, „Ich hab noch nie...“ Er schluckte schwer. Und ich – ich blinzelte verwirrt und dachte blitzschnell darüber nach. Hatte er etwa wirklich noch nie mehr Kontakt zu einem Mädchen gehabt? Dann schollt ich mich in Gedanken selbst. Natürlich nicht, mit wem denn? Fast alle in unserem Alter sind von ihren Eltern dazu erzogen worden, ihn zu meiden oder zu verachten. Und ich bezweifelte, dass er jüngere Mädchen überredete. Nein, Naruto war von Grund auf anständig.
 

Ich lächelte und wanderte mit meiner Hand nach oben, fuhr mit den Fingern durch sein Haar. Fasziniert fühlte ich dem nach, was unter meinen Fingerspitzen war. „Ist schon gut, ich glaub, wir sind beide Anfänger in dem Gebiet.“ Er sah mich verdattert an. Dann fiel seine Kinnlade nach unten. „Du bist...?“ Ich nickte zaghaft. Ich wollte jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen. „Aber es ist okay, wirklich. Ich...denke, es ist richtig. Es fühlt sich auf jeden Fall so an.“ Er strahlte plötzlich. Ich verstand es zuerst nicht, was auf einmal dazu führte, dass er so überglücklich schien. War das nicht erst nachher der Fall? Aber dann verstand ich, weil der nächste Satz alles klärte:

„Ich bin dafür der Richtige? Für dich?“ Mit zittrigen Fingern versuchte ich, ihn wieder zu mir herunter zu ziehen. Naruto beugte sich über mich, seine Hand rutschte langsam von meiner Schulter zum Schlitz des Kleides, der eindeutig nach oben gerutscht war. Seine kalten Finger glitten unter den Stoff und traf auf meine leicht erhitzte Haut, was meinen Magen einen Salto schlagen lies. Ich berührte mit meiner Hüfte seine. Kurz musste ich ein Grinsen unterdrücken, dass sich seine Bahn brechen wollte. Ich spürte, dass es ihm gefiel. Eindeutig. Eigentlich hatte ich gedacht, dass es mir Angst machen würde, wenn es einmal so weit wäre. Ich hatte immer gern Angst vor dem Unbekannten, aber alles, was ich jetzt fühlte, war der Wille, endlich weiterzumachen. Mein Kleid rutschte endgültig von meinen Schultern und ich bemühte mich, aus meinem Rock zu steigen.

Naruto:

In diesem Augenblick war ich so restlos zufrieden wie schon lange nicht mehr. Nein, es war sogar noch mehr. Ich war glücklich.

Meine Finger fuhren an ihrer nackten Schulter hin und her. Gedankenverloren rieb ich mit dem Daumen über die weiche Haut. Ich konnte nicht fassen, dass es passiert war. Bis heute Abend waren wir nicht mehr, als gute Freunde. Da waren zwar gewisse Momente, aber mehr nicht. Unser Date für nächsten Monat war für mich schon ein riesiger Fortschritt. Aber jetzt war es anders. Mein Zeigefinger fuhr einsam die Kontur ihres Schulterblattes nach. Sakura seufzte müde.

„Sakura-chan?“, fragte ich leise. Sie murrte eine Antwort. „Wenn du...das noch nie getan hast, wieso hast du dann Kondome dabei?“ Ich musste einfach fragen. Sie brummte unwillig. „Meine Mutter“, erklärte sie genervt, „Sie hat mir erklärt, dass ich jederzeit gut beschützt sein sollte. Und dann hat sie mir die Packung in die Hand gedrückt.“ Sie nuschelte ihre Erklärung mit roten Wangen und Ohren in mein Kopfkissen hinein.

Ich strich mit der Hand über ihren Rücken, was ihr einen Schauder entlockte. Ich grinste. „Und trotzdem hast du sie eingepackt“, neckte ich. Sie wedelte mit dem Arm herum, was lustig aussah, immerhin lag sie auf dem Bauch neben mir auf der Couch. Ich saß davor und sah ihren Körper an. „Hab ich nicht, meine Mutter hat sie in alle nur erdenklichen Taschen meiner Klamotten gesteckt!“ Ich grinste, während ich ihren Po betrachtete. „Mh-hm“, machte ich vage. Sakura hob den Kopf. „Was machst du da eigentlich die ganze Zeit?“, fragte sie und bemerkte meinen Blick. Ihr Gesicht wurde krebsrot. „Hör auf damit!“ Ich sah in ihr Gesicht. „Und wieso sollte ich?“ Sie stemmte sich hoch und warf ein Kissen nach mir. Obwohl ich direkt vor ihr saß, verfehlte sich mich. Ich lachte. „Sakura-chan! Sag mir nicht, dass du mich nicht auch ansiehst. Wir sind beide nackt!“ Sie hielt inne und ich konnte beobachten, wie ihr Blick an mir herunter wanderte. Kurz vor meiner Hüfte hielt er an und wandte sich ruckartig wieder meinem Gesicht zu.

„Ich würde mich trotzdem gerne anziehen.“ Ich lehnte mich nach hinten und langte nach ihrem BH. Ohne ihn allzu sehr zu betrachten, gab ich ihn an Sakura weiter. Sie zog ihn wortlos an. Dann folgte ihr Kleid – der Slip lag praktischerweise so nahe am Sofa, dass sie ihn sich selbst holen konnte. Sie streifte es sich über, während ich in meine Boxershorts schlüpfte. Dann zog ich mir mein T-Shirt über und stieg in meine Hose. Als wir beide wieder angezogen waren, kam mir die Situation schon normaler vor. Nicht mehr ganz so ungewöhnlich eben.
 

„Was hat uns eigentlich geritten, es mitten auf dem Wohnzimmerboden zu tun?“, fragte Sakura mich nach einer Weile. Inzwischen saßen wir beide nebeneinander auf der Couch und sie hatte sich an mich gekuschelt, während ich einen Arm um sie geschlungen hatte. „Ne, Sakura-chan, geritten ist ein interessantes Wort.“ Sie schlug mir gespielt empört gegen die Brust. „Mal im Ernst!“ Ich überlegte lange, zog die Stirn kraus. „Mh, keine Ahnung. Aber so schlimm war das nicht, oder?“ Sie lachte auf. „Wir erzählen es aber keinem, oder?“

Ich grinste wieder. „Nein, Sakura-chan, ich dachte, ich gehe gleich am Montag zu Ino und erkläre ihr, dass es ein Geheimnis bleiben muss!“ Wenn man das zu Ino sagte, dann wusste es nach der ersten Pause die halbe Schule. Empört schlug sie noch einmal zu. Diesmal etwas kräftiger. „Bleib mal ernst!“

„Aber ich kann nicht!“, sagte ich ehrlich, „Ich könnte gerade vor Freude durch die halbe Stadt rennen und jeden umarmen!“ Sie hob den Kopf und sah mich an. Vergessen war der Film, den wir uns eigentlich ansehen wollten. „Und du?“, fragte ich nach. Sie lächelte und legte ihren Kopf an mein Schlüsselbein. „Ich auch. Trotzdem, wir sollten es den anderen nicht erzählen.“ Ich nickte. „Ja, wäre wohl nicht so gut.“ Eine Weile sahen wir stumm auf den Fernseher, der uns in einem Liebesfilm zeigte, dass angeblich das Erste Mal ganz anders ablaufen sollte. Wilder, sexier. Ich verzog nachdenklich den Mund. Ne, das passte nicht zu uns. Ich wollte gar nicht das machen, was die da andeuteten. Auf einem Esstisch? Ganz bestimmt nicht! Den konnte man danach doch entsorgen.

„Wenn wir nicht so normal wären, wären wir so?“, fragte Sakura leise und nickte zum Bildschirm. Ich lachte. „Bloß nicht!“ Sakura stimmte mit ein, dann waren wir ruhig. Erst nach Ende des Films bewegten wir uns wieder.

Müde streckte ich meine Glieder und gähnte. Irgendwie war diese Sache anstrengender als ich gedacht hatte. Sie sah mich an. „Kann ich heute Nacht bei dir schlafen?“ Ich zuckte unbestimmt mit den Schultern. „Hätte nichts dagegen“, antwortete ich ihr und sie bewegte sich zum Telefon, um bei ihren Eltern anzurufen. Es war durchaus nichts Ungewöhnliches, dass wir bei dem jeweils anderen über Nacht blieben. Lediglich beim ersten Versuch hatte es damals Ärger gegeben, weil ihre und Sasukes Eltern nicht wollten, dass sie bei mir in der Wohnung blieben. Aber als sie beide nach einer Nacht gesund und munter wieder zu Hause auftauchten, waren die Vorbehalte schon etwas kleiner. Als ich dann auch noch schließlich bei den beiden übernachtet hatte und das Haus bei beiden noch stand, war es in Ordnung. Wichtig war nur, dass ihre Eltern wussten, wo sie war.
 

„Alles in Ordnung“, erklärte sie, als sie wieder ins Wohnzimmer zurück kam. Dann stockte sie. „Was wird das?“ Sie deutete auf die dünne Bettdecke, die ich auf die Couch gelegt hatte. Ich sah sie mit schief gelegtem Kopf an, verstand nicht ganz, was daran falsch war. „Naja, ich schlafe hier. Dann hast du das Bett ganz für dich allein.“ Sie lachte so laut auf, dass ich zusammen zuckte. Für eine ganze Weile konnte meine beste Freundin nicht reden, weil sie sich vor Lachen ausschüttete. Dann wischte sich sich durch das Gesicht, beseitigte die letzten Lachtränen. Die Situation war so absurd, dass es kaum zu fassen war. „Naruto, wir haben gerade eben miteinander geschlafen! Glaubst du wirklich, dass es mir etwas ausmacht, neben dir im Bett zu liegen?“ Ich sah noch einmal auf den Haufen auf meiner Couch. So gemütlich diese auch an Filmabenden war, so unbequem konnte sie werden, wenn man darauf die Nacht verbringen wollte. Klar, morgen war Samstag, aber ich hatte zugesagt, Senseis Garten mir anzusehen und die Hunde auszuführen. Mit verkrampften Muskeln und übermüdet wäre das kein Spaß. Ich überlegte nicht lange.

„Okay, aber wir nehmen zwei Bettdecken. Ich will nicht mitten in der Nacht wach werden, weil mir kalt wird.“ Sie grinste mich an, wedelte mit einem Kissen herum, dass sie sich vom Boden geholt hatte – immerhin hatte sie damit eben noch versucht mich abzuwerfen. „Dann schwing deinen Hintern hier herüber und lass uns schlafen gehen!“ Ich folgte ihr in mein Schlafzimmer. Nie hätte ich gedacht, dass Sakura einmal dort neben mir liegen würde! Und ich wusste nicht, ob ich diese Nacht überhaupt würde schlafen können.
 

Kakashi:

Wortlos lies ich Naruto eintreten. Der Garten befand sich hinter dem Haus und wenn ich ehrlich war, war es mehr ein Urwald. Der Junge fackelte nicht lange, blieb nicht stehen, um sich irgendwo umzusehen. Stattdessen ging er mit großen Schritten direkt zu der einzigen Schiebetür in diesem Haus und zog sie schwunghaft auf. Dann trat er nach draußen. Ich konnte verfolgen, wie ihm der Kiefer herunterklappte. Schockiert sah er sich um. „Sensei!“, flehte er dann, „Ich bin kein Gärtner! Wie soll ich das denn bitte alles kleinkriegen?!“ Ich verzog keine Miene. „Fang einfach in einer Ecke an und arbeite dich vor. Du kannst selbst entscheiden, was du draus machen willst.“ Es war mir wirklich egal, wie es nachher aussah. Hauptsache war doch, dass der Junge vernünftig beschäftigt wurde. Wenn er schon keine Almosen wollte, dass konnte er genauso gut etwas tun, was seinem Alter entsprechend angemessen war. Ich zeigte ihm noch kurz, wo ich die Gartengeräte seit Jahren hin verbannt hatte, dann drehte ich mich um und ging ins Haus. „Wenn du trinken oder essen willst, komm ruhig rein, hier ist direkt das Wohnzimmer“, sagte ich noch, bevor ich dessen Tür wieder zuzog. Mein Haus war nicht traditionell japanisch errichtet worden, aber der ein oder andere Anklang fand sich. So waren nach einem Eingangsbereich nur Wohnzimmer und Gästetoilette einfach so zu erreichen. Die restlichen Zimmer waren nur zugänglich, wenn man durch das Wohnzimmer in den hinteren Flur ging, der sich auf der ganzen Länge des Hauses erstreckte. Breite Fenster und eine verglaste Schiebetür gingen in den Garten hinaus, der Rest waren normale, westliche Türen mit Schlössern. Wenn bei mir eingebrochen werden sollte, würde jeder Dieb wohl dumm aus der Wäsche schauen, ich hätte ihn viel zu schnell erwischt. Hinten war das Grundstück nämlich von einem mehrere Meter hohen Zaun umgeben, der extra so angelegt war, dass man nicht daran hochklettern konnte.
 

Fast zwei Stunden widmete ich mich den Klassenarbeiten in Biologie, die Narutos Klasse letzte Woche geschrieben hatte. Noch war sein Heft nicht zum Vorschein gekommen, aber ich würde es zwischen die Finger kriegen. Im Moment hatte ich das Heft von Kiba Inuzuka vor mir. Der Anfang war nicht schlecht, aber beim Rest fehlte ihm offensichtlich die Konzentration. Je mehr er geschrieben hatte, desto häufiger hatte er seine Antworten wieder durchgestrichen und sich umentschieden. Bei der letzten Aufgabe hatte er sogar dreimal seine Antwort erst hingeschrieben und dann durchgestrichen – nur, um am Ende wieder bei genau der Antwort zu landen, die er von Anfang an gegeben hatte. Und die war auch noch grundfalsch. Ich seufzte, als ich in seinem durchgestrichenen Wust aus Gedanken die richtige Lösung entdeckte. Eigentlich ein kluger Junge, warum machte er nur solche dummen Fehler? Ständig unterschätzte er die Anforderungen, die in den Arbeiten steckten. Er glaubte, er habe alles unter Kontrolle und wenn es dann schwierig wurde, war er zu nervös, um sich auf sein Gelerntes zu besinnen.

Hinata Hyuuga war da anders. Obwohl jeder wusste, dass sie höchstwahrscheinlich mit sechzehn von der Schule gehen würde, um sich ganz der Musik zu verschreiben, lernte sie immer noch ordentlich weiter. Ihre Arbeit war nahezu fehlerfrei gewesen – nur zwei Schusseleien hatte sie sich geleistet, die aber nicht ins Gewicht fielen. Sie hatte bisher die beste Note erreicht.
 

Nach einer weiteren halben Stunde kam ich zu Sakura Haruno. Noch eine gute Schülerin. Überhaupt schienen die Mädchen dieser Klasse tatsächlich mehr ihre Noten als Makeup und Jungs im Kopf zu haben. Es freute mich, dass sie gut mitkamen. Sie hatte ebenfalls nur wenige Fehler gemacht, was dazu führte, dass sie Hinata Hyuuga sogar noch übertraf. War aber auch nicht anders zu erwarten bei einem Mädchen, welches schon seit ihrem zwölften Lebensjahr jedes Jahr zur Klassensprecherin und Jahrgangsstufensprecherin gewählt wurde. Sie war immer schon ein fleißiges Mädchen.

Jetzt jedoch schmunzelte ich. Sie war wohl ein wenig in Gedanken gewesen, denn am Rand, wo ich eigentlich meine Korrekturen anbringen wollte, hatte sie mit Bleistift verträumt kleine Herzchen hingemalt. Dazu tauchte Narutos Name mehrfach auf. Hoffentlich behielt die Kleine ihren Kopf hier auf der Erde und nicht auf Wolke sieben. In meinem Magen rumorte etwas. Ich wusste nicht, was es war. Vielleicht die Tatsache, dass ich sie alle noch für halbe Kinder hielt? Oder eher, dass sie in meinen Augen zu jung waren für diesen ganzen Beziehungskram? Sie sollten erst noch ein oder zwei Jahre warten, bevor sie sich damit befassten. Das musste es sein, ich wollte keine guten Schüler verlieren, weil sie nicht beim Thema blieben, sondern von ihrer Freizeit träumten.

Sasuke Uchihas Heft war für mich eine Überraschung. Der Junge war immer einer der Besten gewesen. Der Einzige, der Sakura Haruno das Wasser reichen konnte, was den Notenschnitt anging. Und jetzt dieser Einbruch. Die Aufgaben waren viel zu kurz gelöst, ich konnte kaum nachvollziehen, was er sich gedacht hatte. Noch dazu war seine Schrift nahezu unleserlich geworden, als habe er die Dinge nur kurz dahingeschmiert. Es wirkte völlig desinteressiert, wie er hier gearbeitet hatte. Er war zwar nicht durchgefallen, aber er war nahe dran. Ich musste zugeben, dass ich schon schockiert war. Insgesamt wirkte der Junge völlig verändert. Ich hatte in ihm immer schon den Drang gesehen, sich zu verbessern und sich nicht mit Unwichtigem aufzuhalten, aber dass er so aus dem Ruder laufen könnte, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Wenn er denn mal zum Unterricht erschien, wirkte er unterschwellig aggressiv und gab patzige Antworten. Manchmal verschwand er auch einfach nach einer Stunde und tauchte für den Rest des Tages nicht mehr auf. Seine ehemals besten Freunde schienen für ihn nicht mehr zu existieren. Obwohl Naruto ihn nahezu jeden Tag darauf ansprach, schien er sie nicht einmal mehr richtig wahrzunehmen. Es stimmte mich traurig, denn jeder konnte sehen, wie sehr das Naruto und Sakura mitnahm. Auch im Lehrerzimmer war die unschöne Verwandlung von Sasuke Uchiha ein ernstes Thema. Mehrere Kollegen fragten sich, ob er Probleme in der Schule hatte, oder in der Familie.

Kurenai vermutete, dass ein Verwandter wohl schwer krank geworden sein müsste. Gai meinte, der Junge verkrafte es einfach nicht, dass er das dritte Rad am Wagen geworden sei, weil Naruto und Sakura nur noch zusammen rumhingen. Ich hatte beides als Unsinn entlarvt – seiner Familie ging es prächtig und Naruto und Sakura wollten Zeit mit ihm verbringen. Genauso, wie sie Zeit mit der kleinen Hyuuga verbrachten, die wohl enger mit ihnen wurde, als vorher für möglich gehalten worden war. Aber somit hatte ich keine Ahnung, was mit dem Kind los war. Da ich dieses Jahr wieder einmal ihr Klassenlehrer war, fühlte ich mich aber verpflichtet, es herauszufinden. Vielleicht konnte ich Naruto dazu überreden, sich mir mitzuteilen.
 

Ich war praktischerweise nach eineinhalb weiteren Stunden bei seinem Heft angekommen, nachdem ich ein paar schlechte Noten verteilt hatte. Viele der Schüler schienen überhaupt nicht nachzuarbeiten, was wir im Unterricht behandelten. Dabei empfand ich die Mendel'schen Vererbungsgesetze eigentlich als gar nicht so schwierig. Konnte aber auch daran liegen, dass ich das Fach studiert hatte und wusste, dass es noch weitaus schwierigere Themen gab. Ich konnte mich nicht erinnern, wie schwer dieses Thema für mich in dem Alter der Kinder gewesen war, aber ich war überzeugt, ich würde mich an eine schlechte Note erinnern und war deshalb besser.

Naruto war eine kleine Überraschung an sich. Er hatte sich nicht überragend verbessert, aber stetig war sein Wissen gestiegen. Jetzt bewegte er sich im guten Mittelfeld mit der Tendenz nach oben. Es freute mich, dass der Junge sich anstrengte. Meine häufigen Ansprachen in der Vergangenheit schienen gewirkt zu haben. Es machte Spaß, sich Narutos Entwicklung anzusehen.

Ich schrieb eine Zusammenfassung seiner Leistung, als die Tür zum Garten aufging. „Ich geh dann mal mit den Hunden, Sensei!“, ertönte es aus dem Flur. Ich schlug das Heft zu und sah zur Uhr. Tatsächlich, es war schon spät genug, dass er nach der Runde nach Hause gehen konnte. Ich sah zu ihm, als er ins Wohnzimmer trat. „In Ordnung, aber nimm heute mal nicht Pakkun mit. Der kränkelt in letzter Zeit etwas.“ Er nickte und schnappte sich die anderen drei Vierbeiner.
 

Manch einer würde sich fragen, warum ich als alleinstehender Lehrer mit vier Hunden zusammen lebte. Aber ich würde wohl immer dasselbe antworten: Wieso nicht? Ich hatte keine Frau oder Freundin, die demnächst hier einziehen könnte. Auch keine Aussicht, so schnell eine zu finden – ich galt mit meinem Charakter als schwierig. Die Hunde erfüllten mein Maß an sozialen Kontakten wunderbar. Alles, was ich ihnen an Vertrauen und Mühe gab, bekam ich doppelt zurück, sie waren treu und belogen mich nicht. Wer mich haben wollte, musste eben damit leben, dass meine Hunde zu mir gehörten. Jeden einzelnen von ihnen hatte ich als Welpen bekommen und zwei sogar mit der Flasche aufgezogen. Dadurch kam ich im Studium erst auf die Idee, den Studiengang zu wechseln und Lehramt anzupeilen. Ich kümmerte mich gerne um hilfsbedürftige Seelen, auch wenn ich vielleicht nicht so wirkte. Nur, weil ich privat gern meine Ruhe hatte, hieß es noch lange nicht, dass mich meine Arbeit nicht mit Freude erfüllte. Ich war Lehrer, weil ich einer sein wollte und nicht, weil es so gut bezahlt wurde oder dergleichen.
 

Ich arbeitete Narutos Heft noch fertig durch – was lediglich bedeutete, dass ich seine Note darunter schrieb – und betrat dann den Garten, um mir anzusehen, wie weit er gekommen war.

Die von mir aus gesehen linke Seite war fast völlig von Unkraut befreit und man konnte wieder das Beet erkennen, dass vor etlichen Jahren einmal von Gai angelegt worden war, als er zu Besuch hier war und glaubte, ich brauchte selbst gezogenes Gemüse. Wie oft hatte ich ihm schon gesagt, dass jede Pflanze, die mehr Pflege als zweimal die Woche gießen benötigte, bei mir hoffnungslos einging? In der Klausurphase hatte ich keine Zeit, mich um den Garten zu kümmern und sonst hatte ich schlicht keine Lust. Solange genug Platz da war, damit ich die Hunde rauslassen konnte, war mir alles andere recht.
 

Naruto ging anscheinend eine riesige Runde mit meinen Tierchen. Schon zwanzig Minuten war er weg, wo sie bei mir sonst nur die Hälfte der Zeit zugesprochen bekamen. Nun, dann konnten sie sich mal richtig austoben, war mir nur recht, so würden sie sich am nächsten Tag nicht so wild aufführen.

Ich sah zu meinem kleinen Liebling und kraulte ihm sanft hinter dem Ohr. Pakkun hob nur müde den Kopf und sah mich aus winzigen Augen an. Ich seufzte leise auf, das apathische Verhalten machte mir Sorgen. Normalerweise war mein Hund eine kleine Diva und wuselte ständig um mich herum. Manchmal legte er sich auch direkt vor mich – und sei der Platz vor mir auch noch so winzig. Wenn mein Hund meine Aufmerksamkeit wollte, war er nicht aufzuhalten. Und jetzt bewegte er sich kaum noch. Ich hoffte wirklich, dass es sich ein wenig geben würde, bis ich mit ihm zum Tierarzt gehen konnte. Ich war nicht bereit, mich jetzt schon von meinem Hund zu trennen.
 

Nach weiteren zwanzig Minuten kam Naruto wieder. Ich hatte erwartet, dass er erledigt sein würde, oder zumindest genervt, da er keinerlei Erfahrung mit den Tieren hatte, aber er überraschte mich. Er lachte, als ich ihn sah. Warf einen kleinen Stock, dem drei Hunde nachliefen, als sei es das tollste Leckerli überhaupt. Ich blinzelte überrascht. Wieder einmal hatte der Junge bewiesen, dass ich mich irrte, wenn ich ihn einzuschätzen versuchte.

Ikkun hatte den Stock erobert und trabte zufrieden zurück zu dem Blonden. Der kniete sich hin und strich dem Hund über den Kopf. „Guter Junge!“, sagte er leise und erhielt ein Kläffen, dass pure Freude ausdrückte. Er lachte auf und erhob sich, wobei er ein wenig mit den Hund rangelte, der den Stock überhaupt nicht mehr hergeben wollte. Ich sah, dass er mindestens so viel Spaß hatte, wie meine Tiere.
 

„Naruto?“, fragte ich belustigt, „Soll ich euch noch mal für ein paar Minuten allein lassen?“ Er lies den Arm sinken und wandte sich mir zu. „Sensei!“, rief er und strahlte, „Ich mag ihre Hunde!“ Wie sollte ich denn diesen Satz bewerten? „Hn, danke.“ Ich nickte unverbindlich und pfiff kurz, um meine Tiere zu mir zurück zu holen.

Sie gehorchten und rannten bellend nach drinnen. Ich würde mich nachher darum kümmern, ihre Tappser von Boden zu entfernen. „Warte mal gerade“,murmelte ich und holte aus dem Flur meine Geldbörse. Ich fischte den Betrag heraus, den wir vorher ausgemacht hatten und gab ihn ihm. Als er aufsah, leuchteten seine Augen im Schein des Flurlichts, das durch die geöffnete Tür nach draußen fiel, auf und erinnerten mich an den Himmel im Sommer.

Es lies mich die Lippen zu einem Lächeln verziehen. „Also hier“, sagte ich nüchtern, „Wie ausgemacht.

Ich würde sagen, morgen noch mal dasselbe, ja?“ Er nickte heftig und steckte seinen Lohn ein. „Natürlich Sensei. Vielen Dank nochmal, dass sie mir die Chance geben, das Geld zu verdienen.“ Als Antwort streckte ich die Hand aus und wuschelte ihm kurz durch sein blondes Haar. „Wir sehen uns.“ Er drehte sich danach um und ging seiner Wege. Ich seufzte heute nur noch dieses eine Mal und wandte mich um, um in mein Haus zu gehen, als ich einen Schatten neben der Straßenecke zu sehen glaubte. Ich hielt inne und starrte angestrengt in die Finsternis. „Ist da jemand?“, fragte ich und wartete auf Antwort. Ich bekam keine. Aber meine Sinne sagten mir, dass ich nachsehen sollte. Und so trat ich nach vorn und sah doch niemanden. Merkwürdig, im Normalfall täuschte ich mich selten. Vielleicht war dort wirklich jemand gewesen, hatte sich aber schon weiterbewegt? Ich zuckte mit den Schultern und beschloss, dass es nicht wichtig war.

Sakura:

Es war Montag und wir hatten Biologie vor uns. Heute erwartete ich die Arbeit zurück, die wir geschrieben hatten. Hatake-sensei war immer der Schnellste, wenn es um Korrekturen ging. Konnte auch daran liegen, dass seine Aufgabenstellungen recht eindeutig waren.

Ich betrat den Raum und legte meine Schultasche auf dem Tisch ab. „Guten Morgen, Sakura-san!“ Ich hob den Blick. „Guten Morgen, Hinata-chan!“, erwiderte ich. Wir lächelten uns an. Wie schön, dass unser Versprechen vom Wochenende noch galt und wir uns nicht plötzlich mieden.

Sie kam auf mich zu, blickte leicht verunsichert. „Sag mal, hast du auch schon davon gehört?“ Ich hatte mich gerade setzen wollen und hielt nun halb auf meinem Stuhl und halb stehend inne. „Was gehört?“, fragte ich und plumpste auf meinen Stuhl. Sie druckste herum, wandte den Blick ab und wurde auf ungesunde Art und Weise erst rot und dann erschreckend blass. Es war eine Abfolge, die Nervosität in mir aufsteigen lies. Ohne es zu wollen, biss ich mir auf die Lippen.

Alle anderen Schüler um uns herum spitzten neugierig die Ohren. Mir fiel auf, dass es viel weniger waren als sonst m diese Uhrzeit. Wo war der Rest, hier im Raum waren nur noch fünf weitere Schüler?

„Also, ich habe es nicht selbst gesehen, aber ich hab ein Foto gesehen“, begann sie zögerlich. Ich hing an ihren Lippen, begierig, jedes Wort zu erfahren, was sie erfahren haben mag. Was war passiert, dass sie so reagierte? „Es geht um Naruto-kun“, flüsterte sie, was die restlichen Schüler nur dazu brachte, zu uns zu sehen und sich in unsere Richtung zu lehnen. Ich schoss hoch. „Naruto?“, wiederholte ich. Sie nickte. Allerdings kam sie nicht dazu, noch etwas zu sagen, denn unser Lehrer betrat den Raum. Hinata wurde weiß wie eine Wand. Sie zuckte zurück, als hätte der Grauhaarige ihr persönlich etwas getan. Verwirrt sah ich zwischen den beiden hin und her. Was hieß das denn jetzt? War jetzt etwas mit Naruto oder mit Hatake-sensei?

In den nächsten zwei Minuten trudelten auch die restlichen Schüler ein, unter ihnen auch Kiba, der unseren Lehrer ansah, als habe er etwas Merkwürdiges vor sich. Kurz vor knapp tauchte auch Naruto auf, der lautstark die Tür aufstieß und in den Raum stolperte. Er grinste in die Runde. „Gerade noch pünktlich, Uzumaki“, murmelte unser Sensei und hakte seine Anwesenheit ab. Für mich hörte sich seine Stimme sanfter an als noch vor wenigen Tagen. Aber gut, hatte er heute anscheinend einen guten Tag erwischt, was sollte ich mir Gedanken darum machen.
 

„Also dann, los geht's“, ertönte von vorne, „Ich hoffe, Sie haben heute alle ihre Kenntnisse mitgebracht, denn es geht heute um die Korrektur Ihrer Arbeiten.“ Wie ich es mir gedacht hatte, erklärte er nun im Detail, was bei der Arbeit letzte Woche verlangt worden war und welche Lösungen er sich vorgestellt hatte. Wir waren alt genug, dass man uns die Korrektur der Arbeit nicht selbst machen lies. Wer schlecht lernte, war dafür allein verantwortlich und die Lehrer sahen es nicht mehr als nötig an, uns mit erzwungenen Überarbeitungen zu mehr Sorgfalt aufzufordern. Dann wurden die Hefte zurück gegeben und ich freute mich über meine Note.

Ich sah zu Hinata, die ihr Heft anstarrte, als könne sie das Ergebnis nicht verstehen. Dann wanderte mein Blick zu Naruto, der sehr zufrieden wirkte. Fragend zog ich eine Augenbraue hoch und er hielt das Heft so, dass ich seine Note lesen konnte. Wow, er hatte sich echt gemacht. Ich zeigte ihm das Victory Zeichen und er hob als Antwort einen Daumen. Dann allerdings holte er tief Luft, wandte sich um und sah zu Sasuke hinüber. Der hatte sein Heft zwar aufgeschlagen, sah aber absolut unbewegt aus. Ihn schien nicht zu interessieren, wie seine Leistung bewertet worden war. Diese völlige Gleichgültigkeit machte mir Angst.

„Ey, Teme, wie sieht es aus?“, fragte Naruto freundlich, wurde aber, wie in letzter Zeit üblich, einfach ignoriert. Er sah auf das Heft, indem er sich ein wenig zur Seite beugte und zog sich rasch wieder zurück. Etwas verdattert wandte er mir das Gesicht zu. Mit den Fingern zeigte er die Note an, welche er gerade gesehen hatte und ich machte große Augen. Ach du liebe Güte, seit wann war Sasuke denn so schlecht?!
 

„Gibt es noch irgendwelche Fragen?“, wollte unser Sensei wissen, was das aufgeregte Gemurmel seltsamerweise nicht zum Verstummen brachte, sondern wieder neu anheizte. Ich sah in die Runde und war mir definitiv sicher, dass die Leute heute kaum zu bändigen waren. Die meisten Schüler waren überhaupt nicht bei der Sache gewesen und schienen andere Dinge im Kopf zu haben.

Schließlich hob Kiba die Hand und sein Gesicht war eine Mischung aus Wut und Ekel. „Ich würde gerne wissen, warum Sie das getan haben!“ Es war keine Frage, aber alle wurden ruhig, als warteten sie auf eine Antwort. Hatake-sensei hob eine Augenbraue. „Was denn? Deine Note bestimme nicht ich, sondern deine Leistung allein, Inuzuka-san.“ Aber der Braunhaarige war von dieser Antwort nicht begeistert. Er stand auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Ich zuckte zusammen. „Das meine ich nicht! Wieso zum Geier machen sie sowas mit ihm?“, polterte er und zeigte vorwurfsvoll zu meinem besten Freund. Der bemerkte, genauso wie ich, dass hier wohl etwas Ungesagtes im Raum hing, über das wir nicht Bescheid wussten. „Was macht er denn mit mir? Kiba, was ist hier los?“, fragte Naruto nach. Seit er einen kleinen Fuchs aufgelesen hatte und sich bei Fragen nach der Pflege an Kiba gewandt hatte, waren die beiden sozusagen Freunde geworden. Zumindest stimmen sie überein, dass jedes Tier eine anständige Behandlung verdient hatte und Kiba hielt mittlerweile große Stücke auf den Blonden neben mir.
 

Eben jener Freund fuhr zu uns herum. „Das fragst du noch? Er ist doch derjenige, der dich letztes Wochenende zu sich nach Hause gelockt hat!“ Anklagend verwies sein Finger nun auf unseren Lehrer. „Ich war mit meinem Akamaru noch draußen, weil er abends gern die große Runde dreht. Da hab ich euch gesehen!

Wie er dich angegrinst hat, wie er dir Geld gegeben hat. Und du warst am Sonntag auch wieder da! Wieso zum Geier machst du das?!“ Der Tonfall, den er benutzte, war mir völlig fremd. Es klang fast schon angewidert, aber auf jeden Fall fassungslos. Ich verstand überhaupt nichts, bis Naruto ebenfalls aufstand.

„Kiba?“, fragte er leise, „Willst du mir etwa gerade unterstellen, ich hätte Sex mit unserem Lehrer für Geld?“ Es folgte eisiges Schweigen, in welchem mein Blick nach vorn flog. Hatake-sensei war nicht bloß blass geworden, er sah aus, als wolle er einer frisch gestrichenen Wand Konkurrenz machen. Dann erst sackte der Vorwurf vollends in mein Bewusstsein ein. Ich wurde rot und mein Magen verknotete sich. Was zum Geier lief hier bitte?!
 

„Etwa nicht?“, fragte Kiba heftig. Narutos Ruhe war ein krasser Gegensatz dazu, als er bedauernd den Kopf schüttelte. „Nein, natürlich nicht! Wie kommst du bloß immer auf so verrückte Ideen?“ Ich nickte leicht. „Genau“, wandte ich ein, „Was willst du da gesehen haben?“ Sensei war immer noch nicht in der Lage, sich zu dieser Sache zu äußern. Ich dachte, es wäre nicht richtig, Naruto diese Sache allein durchstehen zu lassen, also mischte ich mich ein. „Nur, weil Naruto-kun mal mit unserem Sensei geredet hat, heißt das doch nichts!“

Kiba starrte uns an. „Hast du es so nötig, oder was? Verteidigst ihn auch noch!“ Der Geduldsfaden meines besten Freundes zerriss. Er schlug seine Faust auf den Tisch, vor Empörung war er rot geworden. „Sag mal, was ziehst du hier eigentlich ab? Bist du verrückt geworden!“ Er schrie jetzt auch. Beide schrien sich an. Vor der gesamten Klasse.

„Ich hab gehört, was er zu dir gesagt hat! Morgen dasselbe nochmal hat er gesagt! Alter, da wird einem ja schlecht!“ Kiba atmete schwer aus.

„Na und? Du weißt doch gar nicht, was gemeint war! Bist du bescheuert, so etwas zu behaupten? Wo sind denn bitte deine Beweise?!“ Mir dröhnten jetzt schon die Ohren, doch sie machten einfach weiter. „Natürlich hab ich Beweise, du kleiner Möchtergern-“ „Wag es ja nicht, das jetzt auszusprechen!“, drohte Naruto und seine Stimme war zwar so laut wie noch nie, aber gleichzeitig so dunkel, dass ich schauderte. Es fehlte nicht mehr viel und es würde eskalieren. Anscheinend hatte es Kiba jedoch darauf angelegt, denn er beendete seinen Satz dennoch: „Kleiner Möchtegernstricher!“ Und Naruto stürzte sich mit erhobener Faust auf ihn.
 

Hinata:

Wir saßen oder standen alle vor dem Rektorenzimmer und keiner sprach ein Wort. Drinnen befanden sich immer noch Naruto, Kiba und Hatake-sensei. Ich klammerte mich an den Saum meines Kleides und wagte es nicht, meine Gedanken laut auszusprechen. Ich wusste nämlich nicht, was ich denken sollte.

Kiba hatte mir Bilder gezeigt, welche meinen blonden Freund und unseren Lehrer zeigten. Auf einem Foto erhielt Naruto unmissverständlich Geld, auf dem anderen strich ihm unser Sensei beinahe liebevoll durch sein Haar. Die Bilder waren nicht gut, weil Kiba sie hastig aus der Hüfte mit seinem Handy geschossen hatte. Aber sie waren da.

Andererseits hatte Naruto deutlichst gesagt, dass an dem Gerücht nichts dran sei. Ich wollte ihm glauben, besonders, da er so überzeugend und ehrlich gewirkt hatte. Ich wollte die Wahrheit wissen, aber ich war nicht in diesem Zimmer und ich wusste nicht, ob mir einer von dort drinnen die Wahrheit sagen würde.
 

Wenn ich mir vorstellte, dass es stimmen könnte, wurde mir schlecht. Laut Kiba hatte Naruto Geldprobleme gehabt und die hatten sich überraschend schnell erledigt. Laut Kiba hatte er eine Arbeit gefunden, mit der er richtig gut verdiente, aber er wollte partout nicht sagen, was es war. Und jetzt das. Ausgerechnet unser Sensei? Wie kam das zustande? Und was hatte er mir ihm gemacht? Ich dachte nicht im Traum daran, dass Naruto so etwas freiwillig tun würde. Hatte unser Lehrer das etwa ausgenutzt? Ich schauderte.
 

Nachdem es eskalierte und eine schreckliche Prügelei anfing, wurde es so laut, dass es bis zu unserer Direktorin vordrang, die ihren Kontrollgang durch die Flure gemacht hatte. Als sie in der Tür stehend fragte, was bei uns los sei, waren alle kurz erstarrt, bevor Kiba erneut seinen Vorwurf heraus posaunte. Senju-sensei hatte kurzen Prozess gemacht und uns alle mitgenommen. Ich begriff jetzt erst, was für ein unglaublicher Vorwurf das eigentlich war. Wenn es stimmen würde, würde es Hatake-senseis Karriere zerstören. Er würde nie wieder als Lehrer arbeiten und ich hatte keine Ahnung, was es noch für ihn bedeuten würde.
 

Kakashi:

„Und das ist wirklich alles?“, fragte Senju-san zum bereits dritten Mal hintereinander. Ich nickte nur. „Echt, das ist alles!“, begehrte Naruto neben mir auf. Er schien vor allem darauf aus, mich zu verteidigen. Die Direktorin, Shizune Senju, sah zu ihm. „Warum hast du dich nicht an das Jugendamt gewandt?“, fragte sie scharf. Der Junge sah trotzig zur Seite. „Hab ich schon. Die Sachbearbeiterin hat mich ignoriert.“ Perplex sah ich zu dem Blonden. Er hatte also selbstständig schon versucht, das Problem zu lösen. Und war wieder an der Engstirnigkeit der Menschen um ihn herum gescheitert. Ich lies die Schultern hängen.

„Es tut mir Leid“, murmelte ich, was mit die Aufmerksamkeit alle anderen einbrachte. Ich legte die Hand in den Nacken und rieb peinlich berührt darüber. „Ich habe nur darüber nachgedacht, dass die Umgebung nichts für den Jungen ist. Aber das diese Situation vor meiner Haustür so missverstanden werden könnte, war mir nicht klar. Ich hätte es anders lösen müssen, das ist mir jetzt klar.

Ich bedauere den ganzen Tumult.“ Ich verneigte mich leicht und hoffte, dass es sich damit erledigt hatte. Senju-san nickte leicht. „Inuzuka-san“, wandte sie sich dann an den Schüler, „Wie vielen Menschen hast du davon erzählt?“ Er saß zusammen gesunken da und biss sich auf die Lippen. „Fast der gesamten Klasse“, nuschelte er. Unsere Direktorin schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, was uns alle zusammen zucken lies. „Warst du dir nicht im Klaren darüber, was das für Hatake-san heißen kann? Du hättest leicht sein Leben ruinieren können!“ Das Kind wurde noch kleiner in seinem Stuhl. Der laute Rüffel zeigte seine Wirkung. „Entschuldigung. Ich war mir einfach so sicher.“ Naruto schnaubte leicht. „Na klar. Wieso konntest du mich nicht vorher fragen?“ Weil er geglaubt hatte, Naruto würde für mich lügen, damit er sein Einkommen nicht verlor. „Ich dachte nicht, dass du ehrlich sein würdest mit mir“, bestätigte er meine Vermutung. Naruto sah nicht wütend aus, sondern eher enttäuscht. Es war ihm genauso peinlich wie mir, mit so einem Verdacht hier zu sitzen Ich sah zu ihm und lächelte.

„Mein Fehler“, sagte ich kurz. Er schüttelte zu meiner Überraschung den Kopf. „Nein, ich hätte mich schon viel früher an Sie alle wenden sollen!“ Mich ergriff ein warmes Gefühl, als ich hörte, was er sagte. Ich hatte den Eindruck, es tat ihm vor allem Leid, mir so viel Ärger bereitet zu haben. Es juckte mir in den Fingern, ihm durchs Haar zu fahren, warum auch immer, ich wollte ihm zeigen, dass ich ihm nicht böse war. Allerdings beließ ich es bei einem Nicken. Es stimmte sowieso, er hätte sich viel früher melden müssen. Es war erstaunlich reif von ihm, dies jetzt so einzusehen und es zuzugeben.
 

Nach einigen weiteren Minuten erhoben wir uns, weil alles gesagt worden war. Wir verließen den Raum und wurden von den neugierigen und misstrauischen Blicken meiner restlichen Schüler begrüßt. Ich sah Kiba an, der dazu verdonnert worden war, das Missverständnis zu erklären. Er seufzte und sah zu Boden. „Ich hab mich geirrt“, nuschelte er, „Sorry, Leute, mit mir ist die Fantasie durchgegangen.“ Mehr kam nicht von ihm. Ich sah zu den Kindern. „Uzumaki-san hat tatsächlich von mir Geld bekommen, aber nicht für etwaige Dienste, wie sie euer Mitschüler hier vermutet. Er führt meine Hunde aus und richtet meinen Garten etwas. Beides Dinge, zu denen ich häufig nicht komme. Es ist alles halb so wild.“ Immer noch sahen mich unüberzeugte Blicke an.

Ich sah in die Runde, dann hörte ich Narutos Stimme. „Soll ich euch die einzelnen Namen der vier Hunde nennen, die der Sensei hat? Ich könnte euch auch noch erzählen, welcher Hund welche Fellfarbe hat und welches Spiel gern spielt, wenn euch das überzeugt.“ Es war ein netter Versuch, an dessen Erfolg ich zuerst nicht glaubte. Aber ich wurde wieder eines besseren belehrt, als Sakura Haruno auflachte. „Nee, lass mal. Jetzt weiß ich, dass es so ist. Du kannst dir solche Sachen nicht ausdenken. Ich kenne dich ja, du sagst die Wahrheit.“ Es schien, als löse sich der Verdacht tatsächlich in Wohlgefallen auf. Ich wäre unendlich erleichtert, wenn es so wäre und niemand von diesem Unsinn weiter erfahren würde. Ich sollte mich irren.
 

Die Tür des Lehrerzimmers öffnete sich und Gai erstarrte in der Tür. Dann stürzte er sich regelrecht auf mich. Aber eben nicht, um mich zu schlagen. Schon von Weitem sah ich die Tränen in seinen Augen glitzern. Ich machte mich auf eine Szene vom Allerfeinsten gefasst und ich wurde nicht enttäuscht.

„Kakashi!“, plärrte er und zog den letzten Vokal gequält in die Länge, „Wie konntest du nur? Ich habe nie gewusst, dass du solche Neigungen hast! Wie ist das bloß passiert?“ Er heulte mir die Schulter voll und ich hatte Mühe, ihn von mir zu drücken, weil er seine Arme um mich schlang, als wolle er mich nie wieder loslassen. Es wurde langsam wirklich unangenehm. Besonders, weil meine Schüler zusahen. „Hör auf!“, entgegnete ich und schob sein Gesicht von mir, „Was redest du überhaupt? Du hast doch mal wieder nur die Hälfte mitbekommen!“ Als das nicht half, erklärte ich ihm in kurzen Sätzen, was wirklich passiert war. Er lies mich immer noch nicht los. „Kakashi, alter Freund! Kann ich dir das wirklich glauben?“

Ich schubste ihn so heftig, dass er zurück taumelte, dann richtete ich mir mein Jackett. „Natürlich, hör auf, dich hier so zu blamieren“,blaffte ich ihn an. Endlich schien er sich beruhigt zu haben. Mein Blick fiel unwillkürlich auf Naruto. Er sah in der allgemeinen Hektik und dem Geplapper zu mir auf. „Soll ich jetzt nicht mehr kommen?“, fragte er leise. Ich überlegte nicht lange. „Nein, das nicht. Aber es wäre besser, wenn du in der nächsten Zeit nur die Hunde ausführst. Der Garten kann noch warten.“ Er nickte schwer. Anscheinend erwartete er, dass damit auch sein Lohn sinken würde. Doch da konnte ich ihm nicht weiterhelfen, er würde sehen, was Sache war, wenn er das nächste Mal Geld bekommen würde, denn ich hatte nicht vor, ihm meine Unterstützung zu streichen. Ich wollte dem Jungen weiterhin helfen.
 

Einen Monat später

Kakashi:

Es war merkwürdig, wie wenig Aufmerksamkeit die Sache erhalten hatte. Nach wenigen Tagen hatten die meisten Schüler ihre Verwirrung überwunden. Natürlich tauchten einige wie zufällig vor meiner Haustür auf, wenn Naruto vorbei kam. Aber das ertrug ich stur, immerhin taten wir nichts Verbotenes. Ich beschränkte mich allerdings nur auf das Nötigste, wenn wir Zuschauer hatten. Ich wollte keine neuen Gerüchte in die Welt setzen, es reichte schon, dass ich so manchen Blick eines Elternteils falsch interpretierte. Ich versuchte, unvoreingenommen zu sein, aber ich erwischte mich selbst, wie ich dachte, sie würden mich verurteilen. Ich musste mich beruhigen und das dringend.
 

„Sensei! Ich bin wieder da!“, ertönte die Stimme meines Schülers und ich wandte mich zu ihm. „Ah, gut“, sagte ich. „Gib her, ich bringe sie rein.“ Wir hatten beschlossen, nur noch vor der Haustür auf der Straße miteinander zu reden. Er kam nicht mehr rein, ich berührte ihn nicht mehr. Damit kamen wir beide aus und ich hatte sogar mein weiterhin großzügiges Gehalt an den Jungen erklären können:

Pakkun war tatsächlich krank gewesen. Und nach all dem war Naruto trotzdem wie immer bei mir erschienen und wollte loslegen. Ich hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass wir Dinge ändern mussten. Aber er hatte sich bereit erklärt, Pakkun zum Tierarzt zu bringen und danach meinte er sogar, er würde sich um den Hund kümmern. Er brachte ihn zur Klinik, nahm ihn mit zu sich nach Hause und kümmerte sich liebevoll um mein Haustier. Gesund brachte er ihn mir wieder und ich merkte, dass ausgerechnet Pakkun, der sonst niemanden an sich heran lies außer mich, völlig an Naruto hing. Er sah ständig zu ihm auf, wuselte um seine Beine herum und rieb seinen Kopf an Narutos Schienbein. Alles Zeichen, dass er den Jungen regelrecht vergötterte. Jedes Mal, wenn er ging, winselte mein Hund los, als würde er den Blonden nie mehr wiedersehen.

So auch heute. Ich hatte die Hand noch nicht richtig zu den Leinen der Hunde ausgestreckt, da hörte ich Pakkun winseln. Tieftraurig sah der Rüde zu ihm auf, als solle der Blonde ihn wieder mitnehmen. Tatsächlich beugte sich mein Schüler zu ihm herunter. Er strich ihm liebevoll über den Kopf, was Pakkun ein Brummen entlockte. „Keine Sorge, ich komme morgen wieder, ja?“ Er stand wieder auf und drückte mir die Leinen in die Hand.

Seine Finger berührten meine. Ich zog meine Hand diesmal mit den Leinen zurück und trat einen Schritt zurück. Irrte ich mich, oder war seine Haut irgendwie warm? Ich betrachtete ihn genauer.

„Naruto!“, schollt ich ihn dann, „Du bist ja völlig nass!“ Er schien sich aber keine Gedanken darum zu machen, denn er zuckte mit den Schultern. „Ja, ich hab den Stock zu weit geworfen und Ikkun wollte ihn aus dem Fluss holen. Es endete damit, dass ich Ikkun samt Stock aus dem Fluss holen musste.“ Er sah zu meinem kleinsten Haustier und grinste. Es war typisch für den Winzling, sich jeder Herausforderung zu stellen, ganz gleich, ob er es schaffte, oder nicht. Ich sah die Straße runter und bemerkte, dass wir allein waren. Ich hob die Hand und strich ihm einen Wassertropfen von der Stirn.

„Komm mit rein“, entschied ich dann, „Es ist kalt, wir haben bald Oktober. Du kannst duschen, bevor du noch krank wirst.“ Er sah mich verdattert an. „Aber ich dachte...“ Er verstummte nach der Hälfte und sah sich nervös um. „Es ist keiner hier und es ist besser, als wenn du mit einer Lungenentzündung im Bett liegen würdest, oder?“ Er wog meine Worte ab und nickte schließlich. „Okay, Sensei. Danke.“ Er ging an mir vorbei und ich konnte bemerken, dass der Junge gewachsen war. Sein Kopf streifte beinahe meine Schulter.
 

Ich brachte die Hunde in ihre Körbchen und lauschte kurz dem Rauschen des Wassers in meinem Bad. Ich seufzte leise. Und schon wieder befand ich mich in einer Situation, die man leicht missverstehen konnte. Wieso spielte mir mein Leben immer solche Streiche? War das etwa so etwas wie Karma?
 

Ich saß gerade im Wohnzimmer und arbeitete die nächste Stunde für eine meiner unteren Klassen aus, als die Tür aufging. Ich drehte mich um, als ich einen schüchtern klingenden Laut vernahm – und stockte sofort. Naruto sah mich peinlich berührt an, seine Wangen wohl nicht nur von der Wärme rot. „Ehm, Sensei, haben Sie vielleicht trockene Kleidung für mich?“ Ich stand auf und wandte den Blick ab. „Warte hier“, sagte ich und verschwand in mein Schlafzimmer. Hatte ich nicht irgendwo noch ein paar alte Kleidungsstücke, die mir zu klein geworden waren?

Ganz hinten wurde ich fündig, ein schwarzes Shirt und eine dunkelgrüne Hose, dazu passend eine dünne Jacke derselben Farbe. Die Sachen stammten aus der Zeit, in der ich noch mehr Sport getrieben hatte. Nun waren sie mit etwas zu klein geworden und ich schätzte, dass sie passen müssten. So kehrte ich in mein Wohnzimmer zurück.

Naruto stand immer noch an Ort und Stelle neben der Tür, die in den Flur nach hinten herausführte. Ich gab ihm den Stapel Kleidung. „Hier“, sagte ich und er nickte. Dann zog er sich das Shirt über den Kopf und griff nach der Hose. Überrumpelt sah ich weg, als er das Handtuch löste und ohne Unterwäsche in die Hose stieg. Verdammt, woher wusste ich, dass er keine Hose trug? Wieso zog er sich einfach so vor mir um, ohne sich wenigstens wegzudrehen?
 

Naruto zog sich schließlich die Jacke über und lachte auf. „Schauen Sie mal“, meinte er, „Das kann ich nur hier drin anziehen.“ Ich sah zu ihm und erkannte, dass die Arme von Shirt und Jacke zu lang waren, seine Hüfte war auch schmaler als meine und die Hose saß gefährlich weit unten. Ich schob mich an ihm vorbei. „Tja, bis deine Kleidung trocken ist, kannst du hier bleiben“, beschloss ich, „Solange du mich nicht störst, ich muss noch arbeiten.“ Er murmelte eine Zustimmung und setzte sich an den niedrigen Wohnzimmertisch. Dieser Tisch war traditionell japanisch in den Boden eingelassen und wenn man sich daran setzte, befand man sich mit den vier Buchstaben auf der Höhe des eigentlichen Bodens drum herum. Er sah kurz zu mir, dann stütze er die Arme auf den Tisch und platzierte sein Kinn auf seinen Fäusten. Er sah nach draußen in den Garten.

Fast zwei Stunden arbeitete ich an meiner Stunde, bevor ich mich wieder herum drehte. Ich hatte Gelächter gehört und sah wieder einmal, wie der Junge mich überraschen konnte:

Pakkun war aus seinem Körbchen ausgebüxt und hatte sich zu Naruto gesellt. Der hatte sich von meinem Hund ein Spielzeug bringen lassen und beschäftigte das Tier, indem er mit dem Seil herumwedelte und den Rüden hochspringen lies. Pakkun sah verblüffender Weise auch so aus, als habe er Spaß. Es lies mich leicht lächeln. Das Bild eines lachenden Naruto gefiel mir.

Kopfschüttelnd aber lächelnd wandte ich mich wieder meinen Materialien zu. Ich musste noch zwei weitere Schulstunden vorbereiten.
 

Es wurde überraschend spät. So spät, dass es den Nachbarn merkwürdig vorgekommen wäre, hätte ich den Jungen nun noch allein gehen lasen. Warum besaß ich auch keinen Trockner? So wäre ich schnell wieder allein gewesen.

Es war noch nicht einmal, dass mir seine Anwesenheit unangenehm war. Ich dachte viel eher daran, was das für Gerede geben würde. Und es wäre nicht gut, was ich jetzt vorhatte, aber ich wollte auch nicht dafür verantwortlich sein, wenn ihm auf dem Heimweg etwas zustieß.

„Hey, es ist schon spät“, begann ich, „Hättest du etwas dagegen, heute hier zu bleiben?“ Ich sah ihm an, dass ihn die Frage überraschte. Doch er nickte zögerlich. „Ich kann dann keine Hausaufgaben mehr machen“, nuschelte er. Ich zuckte mit den Schultern. „Das wird sich erklären lassen“, meinte ich leichthin. Es lies sich eben nicht mehr ändern, dass er seine Schultasche erst nach Hause gebracht hatte. Er zog eine Schnute und sah sich um. „Wo soll ich dann schlafen?“ Ich deutete auf den Boden neben ihm. „Hier im Wohnzimmer. Ich habe einen Futon da.“ Ich stand auf, um besagtes Stück zu holen. Damit beladen kam ich wieder.
 

Naruto kam mir entgegen und nahm mir die Decke ab. Sein Arm streifte meinen und ich blieb kurz stehen, als ich sah, wie der Ärmel nach oben rutschte, da er nach oben greifen musste, um mir zu helfen. Ich lies den Futon fallen und packte sein Handgelenk. „Was ist das?“, fragte ich scharf und deutete auf sein Handgelenk. Ich hatte heute keinen Unterricht in seiner Klasse gehabt, doch ich war mir sicher, dass er diese blauen Flecken gestern noch nicht gehabt hatte.

Er zuckte zurück und zog hastig den Ärmel über seinen Arm. „Das ist nichts“, meinte er leise, „Ich hab nur mit jemandem geredet und dabei hat er mich am Arm gepackt. Es ist in Ordnung, echt jetzt.“ Ich sah ihn lange an, wie er den Futon ausbreitete und die Decke darüber legte. Wie er Pakkun von seiner heutigen Schlafstätte wegschob, weil der Hund natürlich neugierig den Gegenstand beschnüffeln wollte.

„War es Uchiha?“, fragte ich. Er gab keine Antwort, hielt jedoch kurz inne. Das war für mich genug, um zu wissen, dass ich richtig lag. „Warum verteidigst du ihn noch?“, fragte ich, „Nach all dem, was er getan hat?“ Er sah mich nicht an. „Weil er mein Freund ist.“ Diese Loyalität war beeindruckend, aber meiner Meinung nach auch dumm. Was ich ihm auch sagte. Er sah immer noch zu Boden. „Wenn es heißt, einen Freund aufzugeben, damit man als intelligent gilt, dann bleibe ich lieber für immer ein Dummkopf.“ Ich konnte ihn eine Weile lang nur ansehen, bevor er anmerkte, er sei müde und ich das Zimmer verließ.

Allerdings lag ich noch lange wach und dachte darüber nach, was er gesagt hatte.
 

Der nächste Morgen kam zu früh. Unausgeschlafen rollte ich mich zur Seite und betrachtete meinen Wecker. Fast noch eine Stunde würde vergehen, bevor ich eigentlich aufstehen musste. Und dann hatten mich auch noch wirre Träume heimgesucht. Wenn ein Tag so anfing, war ich nur wenig gewillt, ihn auch in Angriff zu nehmen.

Aber es half ja alles nichts – Naruto musste aus meiner Wohnung verschwinden, bevor meine Nachbarn aufwachten und ihn gehen sahen. Sonst würde wieder das Gerede anfangen.
 

Aber schon als ich die Tür des Wohnzimmers öffnete, kam mir ein Laut entgegen, der alle Pläne zunichte machte. Naruto hustete. Zwar leise und unterdrückt, aber eindeutig. Er hatte sich also doch eine Erkältung eingefangen.

Ich kniete mich neben ihn und stellte fest, dass er wach war. „Hey“, murmelte ich und er drehte sich auf den Rücken, um mich anzusehen. „Hey, Sensei“, krächzte er. Sein Gesicht war ganz rot und ich konnte nur raten, wie hoch sein Fieber sein müsste. Zaghaft legte ich ihm eine Hand auf die Stirn. Sie war sengend heiß.

„Mmh“, murmelte er nahezu unhörbar, „Das fühlt sich gut an.“ Ich sah auf ihn herunter und mir wurde klar, dass er so unmöglich zur Schule gehen konnte. Überhaupt würde er nirgendwo hingehen, so schlecht ging es ihm. „Du hast Fieber“, stellte ich fest, „Und du bist komplett durchgeschwitzt. Das kann doch nicht von einem Tag auf den anderen passiert sein.“ Fast unmerklich schüttelte er den Kopf. „Nein, ich hatte schon seit vorgestern Halsschmerzen. Ich dachte, das verschwindet wieder.“ Er musste erneut husten. Ich strich ihm den Schweiß aus der Stirn. „Bleib liegen“, seufzte ich, „Ich rufe in der Schule an. So geht das nicht.“

Naruto rollte sich als Antwort zusammen und zog die Decke etwas höher.
 

Ich legte den Hörer auf und sah zurück zu meinem Patienten. Mittlerweile klang sein Husten noch schlimmer und es schienen auch Schmerzen hinzugekommen zu sein. Er krümmte sich, versuchte aber gleichzeitig, keinen Laut von sich zu geben. Es war ein regelrechtes Trauerspiel, zu sehen, wie der Junge sich bemühte.

Also wählte ich nach der Nummer der Schule gleich noch einmal, diesmal jedoch eine bekanntere Nummer, die ich allerdings selten benutzt hatte.
 

Tsunade tauchte innerhalb einer halben Stunde auf. Ihr Koffer schien in ihren Händen nichts zu wiegen, aber ich vermutete, dass ich den nicht einmal besonders lange halten können würde, ohne einzuknicken. Sie rauschte an mir vorbei und wehte in einer einzigen Beschwerde in mein Wohnzimmer. Tsunade Senju und ich kannten uns. Ihr Kollege und Freund, Jiraya, war ein Lehrer von meinem Adoptivvater gewesen. Schon seit ich elf Jahre alt gewesen war, hatte sie sich um meine größeren und kleineren Wunden und Krankheiten gekümmert. Sie war diejenige, der ich am meisten vertraute und ich wusste auch, dass sie nicht tratschen würde.

Ich ging hinter ihr her. Sie hatte kurz hinter der Tür gestoppt und sah auf das unförmige Bündel herab, ihr Blick mitleidig. „Wer ist das denn?“, fragte sie leise. Ich ging an ihr vorbei. „Einer meiner Schüler“, erklärte ich, „Er hatte meine Hunde ausgeführt und jetzt ist er erkältet. Kannst du ihm helfen?“ Sie nickte und zog ganz langsam die Decke weg, als sie neben ihm kniete.
 

Naruto sah blinzelnd zu ihr auf. Ich dachte nicht, dass er sie erkannte. Seine blauen Augen wirkten glasig, seine Bewegungen waren fahrig. Erneut stand ihm kalter Schweiß auf der Stirn.

Ich sah, wie Tsunade in ihren Bewegungen kurz stockte, ich hörte ihr kurzes Luftholen. Fragend sah ich zu ihr. „Was ist?“, sagte ich. Sie wandte sich mir fassungslos zu. „Wer ist der Junge? Er sieht aus wie-“ Naruto unterbrach sie mit einem Wimmern. Er presste eine Hand auf sein rechtes Ohr. „Sensei“, kam es gequält, „Ich hab das Gefühl, ich spüre die Gesichtshälfte kaum noch. Mir tut alles weh.“ Ich glaubte, sogar Tränen über sein Gesicht laufen zu sehen. Besorgt legte Tsunade eine Hand auf sein Gesicht.

Dann ging alles ganz schnell. Sie untersuchte Naruto kurz und ihr Gesichtsausdruck wurde immer düsterer. „Gut, dass du mich gerufen hast“, bemerkte sie leise, „Der Junge ist nicht erkältet.“ Ich sah zu ihr. „Sondern?“ „Das ist eine ausgeprägte Mittelohrentzündung. Hättest du mich jetzt nicht geholt, müsstest du ihn spätestens morgen in ein Krankenhaus bringen. Hier helfen nur noch Medikamente.“

Ihre Antwort warf mich aus der Bahn. Dass es ihm so schlecht ging hatte ich einfach nicht erwartet. „Und was jetzt?“, fragte ich, woraufhin sie mir ein Rezept in die Hand drückte. „Sieh zu, dass du diese Sachen besorgst. Ich bleibe solange bei ihm.“ Ohne große Widerworte machte ich mich auf den Weg.

Tsunade:

Ich konnte kaum glauben, wen ich hier vor mir liegen sah. Ob sich Kakashi bewusst war, was für einen Scherz sich das Schicksal hier erlaubt hatte? Ich sah noch einmal in das junge Gesicht, dass mich so an jemanden erinnerte. Obwohl ich nur dasitzen und warten konnte, hätte ich gern etwas getan. Ich wollte nicht wieder untätig sein, während andere Menschen litten.
 

Der Junge war zwar nicht eingeschlafen, hatte aber die Augen geschlossen. Er murmelte erschöpft vor sich hin. Ich versuchte zu verstehen, was er sagte.

„Sasuke, wieso machst du das?“ Meinte er etwa Sasuke Uchiha, den jüngsten Sohn von Fugaku? Der Mann war mir ein Begriff, immerhin war er nicht nur der Besitzer einer millionenschweren Firma, sondern auch noch ein hohes Tier bei der Polizei Konohas. Ich kannte seine Söhne nur vom Sehen, aber sie schienen dem Mann ähnlich zu sein.

Der Blonde öffnete die Augen einen Spalt. Ich versuchte, ihn zum reden zu bringen, scheiterte allerdings zuerst daran, dass er mich nicht genau erkennen konnte. Erst nach mehreren Versuchen fokussierte sich sein glasiger Blick auf mich. „Hallo Tantchen“, nuschelte er. Ich fühlte mich beleidigt, schob es aber auf sein Fieber. „Wow, du bist echt hübsch“, kam es von ihm. Das Fieber löste seine Zunge und er sagte wohl das, was er gerade dachte. Sofort ging es meinem Temperament besser.

Eine Hand fand ihren Weg in meine Richtung und ich schob ihm meine Hand entgegen. Sobald er etwas hatte, an das er sich klammern konnte, entspannten sich seine Muskeln etwas. „Geh nicht weg“, kam es schwach von dem kranken Kerl, „Ich will nicht, dass immer alle gehen!“ Beim Unterton in dieser Stimme brach mir beinahe das Herz. Wie konnte ein Kind nur so ängstlich und verletzt klingen? Gleichzeitig kam in mir das schlechte Gewissen hoch. Es gab viele Kinder, die jetzt gerade ebenso dalagen und litten. Und was machte ich? Ich hatte meiner Berufung den Rücken gekehrt und lebte vor mich hin.

„Keine Sorge“, sagte ich und drückte seine Hand etwas, „Ich gehe nirgendwo hin.“ Glücklich schloss er die Augen, aber ich wusste, dass er wach blieb. Bei diesen Schmerzen konnte keiner einfach einschlafen.
 

Es dauerte die längsten zwanzig Minuten, die ich in den letzten fünfzehn Jahren erlebt hatte, bis Kakashi wieder zurück kehrte. In seiner Hand eine Tüte mit den Arzneien, die hier wichtig waren. Ich rüttelte den Jungen an der Schulter und versuchte ihm zu erklären, dass er die Medikamente nehmen müsse, damit es ihm besser ginge. Er nickte zwar schwerfällig, aber machte sonst keinerlei Anstalten, sich zu bewegen. Mühsam hob ich ihn etwas an und lehnte ihn an meine Schulter an. Sein Kopf rutschte gegen meinen Hals und ich konnte spüren, wie hoch sein Fieber war.

„Gib ihm erst einmal das fiebersenkende Mittel, Kakashi“, wies ich den Grauhaarigen an, „Danach müsste er begreifen, was wir ihm sagen.“ Er nickte und hielt dem Kind eine Kappe voll des Saftes hin, aber nichts passierte. Blaue Augen starrten darauf, als erforderte es alle Konzentration und Kraft. Ich seufzte. „Dann gib es ihm eben direkt.“ Er sah mich verdattert an. „Wenn er es nicht selbst nehmen kann, müssen wir eben nachhelfen. Stell dich nicht so an.“
 

Es dauerte eine volle Minute, bis Kakashi sich überwand, meiner Aufforderung folge zu leisten. Er kippte sich den Saft selbst in den Mund und drückte eben jenen dann gegen die Lippen des Jungen. Ich sah, wie der Kleine schluckte. „Gut, jetzt warten wir ein bisschen, dann kommen die Entzündungshemmer.“ Der Hausherr nickte zwar, verschwand aber für einige Minuten aus dem Raum. Angeblich warteten seine Hunde darauf, dass sie ihre Runde laufen konnten.
 

Nach weiteren dreißig Minuten überprüfte ich die Temperatur des Jungen. Sie war etwas runtergegangen, was hieß, er müsste wieder zu sich kommen. Und tatsächlich sah sein Blick wacher aus. Als ich ihn diesmal anwies, die Tabletten zu nehmen, konnte er es aus eigener Kraft tun. Direkt danach rollte er sich wieder zusammen. Als die Wirkung des Schmerzmittels einsetzte, schlief er sofort ein. Genau zu diesem Zeitpunkt kehrte auch Kakashi zurück. „Bring den Jungen in dein Bett“, murrte ich, „Du kannst ihn unmöglich noch länger auf dem Boden liegen lassen. Er soll die Entzündungshemmer dreimal am Tag nehmen, das Fiebermittel einmal am Tag, bis er wieder bei normaler Temperatur angekommen ist. Die Schmerzmittel nur bei Bedarf. In etwa einer Woche ist alles wieder gut, wenn er sich ordentlich ausruht.“ Er nickte und sah zu seinem Schüler. „Danke, Tsunade. Ich hätte nicht gewusst, was ich sonst mit Naruto hätte machen sollen.“

Ich sah zu dem Kind. „Naruto also. Ich hätte nicht gedacht, dass er den Namen tatsächlich nimmt. Jiraya platzt bestimmt vor Stolz.“ Der Grauhaarige schnaubte, was mich wieder zu ihm sehen lies. „Was?“, fragte ich scharf. „Jiraya hat ihn in seiner Bar arbeiten lassen. Nach der Sperrstunde.“ Okay, jetzt würde ich mit meinem alten Freund mal ein paar ernste Takte reden müssen.

Was dachte er sich nur dabei?
 

Naruto:

Das erste, was ich wieder aktiv wahrnahm, war die Wärme, die mir unangenehm war. Und ich war irgendwie steif gelegen. Aber woher? Ich erinnerte mich klar und deutlich, bei Sensei im Wohnzimmer eingeschlafen zu sein. Konnte ich davon etwa schon so geschafft sein, nur, weil ich auf einem Futon gelegen hatte? Das verkraftete ich doch normalerweise besser – zumindest, wenn ich bei meinen Freunden übernachtet hatte.

Ich öffnete die Augen und stellte fest, dass ich nicht mehr im selben Raum sein konnte. Diese Zimmerdecke hatte eine andere Farbe. Als ich mich leicht bewegte, stellte ich außerdem fest, dass ich in einem Bett lag. Zwar etwas durchgelegen und der intensive Geruch nach Waschmittel hätte die meisten gestört, aber ich kam mir ganz anders vor. So wählerisch war ich nicht, wenn ich ein Bett vorfand, in das ich mich legen konnte, war ich meistens schon zufrieden. Das hier hatte sogar noch einen Eigengeruch, den ich nicht zuordnen konnte.

Anstatt jedoch weiter herum zu liegen, warf ich die Decke zur Seite und rollte mich herum, um aufstehen zu können. Ich saß gerade aufrecht, da öffnete sich die Tür. Ich sah in ein graues Auge, welches zurück starrte. Zögerlich hob ich eine Hand. „Hey“, machte ich unintelligent, „Sensei, wieso liege ich in ihrem Bett?“ Ich erhielt keine Antwort. Blinzelnd wandte ich den Blick ab und sah mich um. Schien ein recht spartanischer Mensch zu sein, unser Lehrer. Überall nur das Nötigste, kaum Fotos. Lediglich drei, von denen ich gerade eines in die Hand nehmen und es betrachten wollte, als eine Hand in meinem Blickfeld erschien und es wieder zurück stellte – diesmal mit dem Rücken des Rahmens zu mir. Ich biss mir auf die Lippe. „Sind Sie irgendwie sauer, Sensei?“, fragte ich zögerlich. Er verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte schwer. „So ungefähr“, machte er vage, „Wieso hast du mir nicht gesagt, dass es dir nicht gut ging? Du hättest schon längst zu einem Arzt gemusst.“ Das verstand ich nicht ganz. „Wegen Halsschmerzen?“ Welche übrigens schon viel besser geworden waren. Was eine kurze Nacht an Schlaf nicht alles erreichen konnte.

„Nein, das waren keine einfachen Halsschmerzen“, erklärte er, „Naruto, du hast eine Mittelohrentzündung. Merkst du gar nicht, wie deine Stimme klingt?“ Jetzt, wo ich darauf achtete, merkte ich schon, dass ich mich kratzig anhörte. „Ich dachte, das wäre eine Erkältung.“ Mein Lehrer nickte schwer, er lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand neben sich. „Das dachte ich auch. Aber ich habe einen Arzt hergeholt. Mit dir war ich nicht in der Lage, zu einem zu fahren. Und sie meinte, du warst kurz davor, in ein Krankenhaus zu müssen.“ Oh je, das hörte sich aber übel an. Mir klappte die Kinnlade herunter. „Krankenhaus?“, wiederholte ich. Er nickte kurz. „Erinnerst du dich nicht, dass du über Ohrenschmerzen geklagt hast?“ Einen kurzen Moment überlegte ich, aber mir fiel es nicht mehr ein. Also schüttelte ich mit dem Kopf, was direkt zu einem Schwindelgefühl führte. Ich hielt mir meinen Kopf und unterdrückte einen Laut des Unwohlseins. Hatake-sensei hielt mir ein Glas Wasser entgegen. „Du musst noch deine Tabletten nehmen. Und noch etwas: Du bleibst solange bei mir, bis ich der Überzeugung bin, dass du wieder fit bist.“

Ich hielt in der Bewegung inne, sah nach oben zu seinem Gesicht. „Eeeh?!“, machte ich genervt. Doch er blieb hart. „Ja, was dachtest du denn? Du wohnst doch allein, oder nicht? Wer soll denn dafür sorgen, dass du vernünftig isst und deine Medikamente nimmst? So selten, wie du mal um Hilfe bittest, kann ich doch nur annehmen, dass du dich nicht ausruhen würdest!“ Naja, das war nicht ganz von der Hand zu weisen, ich war öfters von Sensei ertappt worden, wenn ich versuchte, eine Erkältung oder ähnliche Dinge zu verschweigen. Ich wollte eben niemandem zur Last fallen, es war schon schlimm genug, wenn meine Freunde glaubten, sie müssten mir die Hand halten. Ich war fünfzehn Jahre alt, ich müsste ja wohl über solche Sachen hinweg sein. Dennoch rührte es mich, dass er sich um mich sorgte.

Ich zeigte ihm mein übliches Grinsen. „Och, danke Sensei, aber Sie haben doch auch genug zu tun, oder nicht?“

„Solange ich in der Schule bin, kannst du schlafen und dich erholen. Ich kann danach nach dir sehen. Und du wirst hier drin bleiben und die Sachen, die du verpassen wirst, nacharbeiten. Wenn du meinst, dass du ohne Aufgaben aus der Nummer rauskommst, hast du dich getäuscht.“ Anscheinend war alles schon gut durchdacht worden. „Oh, übrigens, du hast den halben Tag geschlafen. Es ist bereits Abend.“ Das hatte ich nicht bemerkt. „Ich habe wie lange geschlafen?“ Er sah zur Tür. „Ein paar Stunden“, meinte er. Und dann sah er zu seinem Nachtschränkchen, auf dem ein Tablett mit einem Teller Suppe platziert worden war. Ich schätzte, dass das Wasserglas auch von dort stammte, ich hatte es immer noch in der Hand. Schweigend nahm ich die Medizin und stellte das Glas zurück. Dann nahm ich den Teller und den dazu gehörigen Löffel und aß meine Mahlzeit. Die Wärme breitete sich in meinem Magen aus. Ich rollte mich wieder zusammen und sofort schlief ich wieder ein.
 

Als ich danach aufwachte, fühlte ich mich eigentlich gut. Mein Schwindel war verschwunden, ebenso die Kopfschmerzen und meine Halsschmerzen. Als ich leise vor mich hinmurmelte, wie wirksam die Medizin doch war – und vor allem, wie teuer – hörte ich jedoch genau, wie rau meine Stimme klang. Ich hatte das Gefühl, wenn ich mehr als flüstern versuchte, würde sie mir versagen. Stöhnend beschloss ich, so weit es ging meinen Mund zu halten.

Ich stand auf und wanderte aus dem Raum, durch den Flur und in das Wohnzimmer. Ich wollte nur auf die Toilette gehen. Dabei kam ich an der schlafenden Gestalt meines Lehrers vorbei. Es war mitten in der Nacht und ich hatte mir schon gedacht, dass er sich hier hinlegen würde – ein Gästezimmer war bei seiner Lebensweise wohl nicht vorgesehen.

Ich blieb stehen und betrachtete seine Gestalt. Hatake-sensei war nicht so viel älter als ich. Ich war jetzt fünfzehn und er neunundzwanzig. Aus meiner Klasse hatten einige Mädchen schon geschwärmt, dass sie jemanden wie ihn schon gerne daten würden, wenn er nur nicht so alt wäre. Beinahe hätte ich damals gelacht. Mit fast dreißig Jahren war man doch nicht alt! Hätten sie jetzt über einen Kerl über sechzig geredet, hätte ich es eher verstanden. Sensei hatte – soweit ich es sehen konnte – noch nicht mal eine einzige Falte vorzuweisen. Und er war auch nicht der Typ, der mit grauen Haaren alt aussah. Viel eher hatte es eine alterslose Attraktivität, wenn ich es genau sagen sollte.

Ich schüttelte den Kopf und ging zur Toilette. Mitten in der Nacht wach zu sein, schien meinem Kopf nicht gut zu tun.
 

Als ich fertig war, ging ich direkt zurück. Ich hatte die Nachttischlampe angelassen, damit ich nicht gegen Gegenstände lief, wie zum Beispiel den Stuhl, der neben einem winzigen Beistelltisch stand. Da fielen mir die Bilder erneut ins Auge. Ich setzte mich auf die Bettkante und nahm mir eben jenes Bild, dass Sensei mir vor einigen Stunden weggenommen hatte. Kurz haderte ich mit mir selbst. Sollte ich das wirklich tun? Nach allem, was mein Lehrer für mich getan hatte? Ich überwand mein schlechtes Gewissen jedoch und drehte den Bilderrahmen um. Vier Gesichter strahlten mir entgegen. Eines war wohl Sensei. Sein graues Haar hatte er also schon als Kind gehabt. Es stach heraus. Direkt daneben stand ein Mädchen mit braunem Haar und lila Balken im Gesicht. Sie sahen beide nicht besonders groß aus, vielleicht waren sie noch nicht einmal zehn Jahre alt. Daneben stand ein Junge mit dunklem Haar. Ich konnte nicht genau sehen, ob es braun oder schwarz war. Er hatte eine Fliegerbrille auf und starrte leicht missmutig zur Seite.
 

Aber das war nicht der Hauptpunkt, der mich so fesselte. Es war der Mann, der hinter den drei Kindern stand. Blondes Haar, blaue Augen und ein gütiges Lächeln. Ein Stirnband hielt das etwas längere Haar aus seinem Gesicht. Es war mein Gesicht, welches mich ansah. Oder etwa nicht? Wer war dieser Kerl da? Wieso legte er einen Arm um meinen Lehrer, als kannten die zwei sich bestens. Ich sah auf und überlegte kurz. Sollte ich ihn danach fragen? Wieso hatte er nicht gewollt, dass ich dieses Bild sah?

Oder nahm ich einfach nur an, dass es mit mir zu tun hatte? Es konnte auch sein, dass er einfach nur private Dinge gerne privat halten wollte. Ich stellte das Bild zurück und sah im Schein der Lampe zum nächsten. Der Junge mit der Brille, die er diesmal auf die Stirn geschoben hatte. Diesmal deutlich älter, vielleicht sogar schon vierzehn Jahre alt, hob die Hand zum Victory Zeichen. Er wirkte völlig glücklich. Direkt neben ihm stand wieder das Mädchen. Sie hielten Händchen. Waren sie vielleicht Freunde des Sensei und er hatte miterlebt, wie sie ein Paar geworden waren? Wieso gab es keine weiteren Bilder von den beiden? Denn es gab nur noch ein Bild. Auf diesem stand Sensei vor einer Universität und Gai-sensei stand neben ihm. Während unser Sportlehrer in die Kamera grinste, stand der andere Mann einfach nur teilnahmslos daneben. Zwischen den Bildern bestand ein Kontrast, der sichtbar war. Auf den ersten beiden Fotos hatte unser Lehrer einen freundlichen Blick. Vielleicht etwas unterkühlt, aber definitiv noch der eines halbwegs zufriedenen Kindes. Der Blick, der auf dem letzten Foto gebannt worden war, war regelrecht abwesend. Es schien, als sei dem Mann auf diesem Bild alles egal. Als habe er einen Verlust erlitten, den er nicht verkraftet hatte.

Ich wusste, wie solch ein Blick aussah, ich sah ihn selbst jeden Tag im Spiegel. Der Blick eines Menschen, der vielleicht Freunde hatte, aber sonst nichts im Leben. Was hatte ihm nur so zugesetzt?

Ich löschte in einem spontanen Impuls das Licht und verkroch mich unter die Bettdecke. Das alles ging mich gar nichts an, aber irgendwie hatte ich den Impuls, ihm zu helfen. Ich dachte, irgendwie musste ich ihm doch seine Freundlichkeit mir gegenüber zurück geben können? Er gab mir Arbeit, sorgte sich um mich, kümmerte sich um mich und verteidigte mich sogar vor anderen Erwachsenen. Ich hatte mehr als einmal mitbekommen, wie er sagte, ich sei ein Schüler, der sich mehr anstrenge als alle anderen.

Kakashi:

Es war eine Woche vergangen. Eine Woche, in der jeden Tag einer meiner Schüler nach Naruto fragte. Ich antwortete immer dasselbe, nämlich, dass er krank sei und sich ausruhen müsse. Ich bat die Mitschüler, ihn einfach in Ruhe zu lassen. Eine verantwortungsvolle Person sehe nach ihm und er käme schon klar.

Am ersten Tag war ich selbst nicht hingegangen, was wieder einmal für dumme Kommentare gesorgt hatte. Diesmal war es Neji gewesen, der einen Satz in der Pause eingeworfen hatte. „Wissen Sie, Sensei, es ist schon merkwürdig, wenn ausgerechnet die zwei Menschen, über die eh schon geredet wird, am selben Tag krank werden und nicht auftauchen.“ Ich hatte ihn ausdruckslos angesehen. „Und? Ich bin doch hier, oder nicht, Hyuuga-san?“ Er hatte genickt, es aber wohl freundlich gemeint. Nachdem Naruto sich mit seinem Onkel gestritten hatte, hatte eben jener wohl mit seinem Neffen geredet. Neji wirkte weniger wütend und nicht mehr so verbissen. Überhaupt, stellte ich in dieser Zeit fest, gab es viele Schüler, die sich ernsthaft besorgt nach dem Blonden erkundigten. Anscheinend hatte Naruto es geschafft, dass zumindest diese Kinder ihn akzeptierten.
 

„Und Naruto kommt heute auch nicht zur Schule?“, fragte Sakura mich zum wiederholten Male. Ich seufzte. „Ich habe gestern erst mit ihm gesprochen, ja?“ Eigentlich ja direkt heute morgen, als ich mir meine Kleidung aus dem Schrank geholt habe. „Er kommt nächste Woche wieder in die Schule, er möchte ganz sicher gehen, dass es nicht von vorne losgeht. Aber es geht ihm soweit ganz gut.“ Ich war eh überrascht, dass sie so lange Ruhe hielt. Einmal hatte sie mir erzählt, sie habe an seiner Haustür gestanden und geklingelt, aber keine Antwort erhalten. Ich hatte ihr gesagt, er habe sie wahrscheinlich nicht gehört. Es war noch eine Lüge – er war an diesem Tag schließlich immer noch bei mir gewesen. Heute würde ich ihn gehen lassen. Er hatte keinerlei Beschwerden mehr und nur seine Stimme klang hier und da noch etwas rauer. Aber auch Tsunade hatte ihr Einverständnis gegeben.
 

Sakura:

Ich klopfte erneut gegen die Tür, welche mir genau eine Woche verschlossen geblieben war. Und dann wartete ich. Mehrere Minuten lang geschah nichts und ich wollte mich schon wieder umdrehen, nach Hause gehen und mir überlegen, ob es richtig war, beim nächsten Mal einfach die Tür aufzuhebeln. Da öffnete sich die Tür endlich und ich wirbelte wieder herum. Im Türrahmen stand mein bester Freund – eh, mein Freund und sah mich aus überraschten Augen an. „Sakura-chan?“, fragte er so verdattert, wie ich mich fühlte. Ohne nachzudenken machte ich wenige Schritte vorwärts und warf ihm die Arme um den Körper. „Meine Güte, wo warst du?!“, meinte ich lauthals und vorwurfsvoll. Er taumelte ein paar Schritte zurück, hielt meinem Ansturm dann aber stand. Er lies die Tür ins Schloss fallen und nahm mich in den Arm. Erneut spürte ich, wie mich seine Wärme umhüllte. „Keine Sorge, mir geht es wieder gut“, murmelte er mir beruhigend ins Ohr. Ich nickte, trat einen Schritt zurück und schlug ihm dann gegen die Brust. „Was sagst du denn nichts, du Trottel!“ Er krümmte sich gespielt getroffen und hielt sich den getroffenen Bereich. Er grinste wie üblich.

Ich schnaubte, musste aber gleich darauf in seine gute Laune einstimmen. Er zog mich in sein Wohnzimmer, wo wir uns auf sein Sofa setzten. Er lächelte, als wir so dasaßen. „Was?“, fragte ich. Er nickte mit dem Kinn nach unten auf den grünen Stoff. „Da haben wir drauf gelegen, letzten Monat.“ Ich wurde rot und verlegen. Das war ja mal ein Einstieg ins Gespräch. „Ehm, ja. Aber eigentlich...“

„Ja, da gibt es aber nicht viel zu erzählen, Sakura-chan.“ Leicht zurück gelehnt zuckte er mit den Schultern. „Ich hatte schon ein, zwei Tage lang Halsschmerzen gehabt, dachte aber, ich hätte mir nur eine harmlose Erkältung eingefangen. Am Freitagmorgen dann kamen Schmerzen dazu und mich hat sich ein Arzt angeguckt. Der meinte dann, ich hätte 'ne Mittelohrentzündung und sollte nicht viel rausgehen und viel schlafen. Das hab ich halt gemacht und naja, jetzt geht es mir wieder gut.“ Sein Tonfall war so normal, als handele es sich um den Wetterbericht. Ich schüttelte fassungslos den Kopf. „Du bist so nachlässig mit deiner Gesundheit, Naruto!“

Nach meiner Feststellung war es ruhig, bis er leise meinte: „Ehm, Sakura-chan, wie hast du mich gerade genannt?“ Ich schluckte. „Oh, äh, das habe ich laut gesagt?“ Er nickte, grinste dabei. „Wenn du mich jetzt nur noch mit meinem Vornamen anredest, dann heißt das doch...?“ Er lies den Satz wohl absichtlich unvollständig. „Dann heißt es, dass ich uns als Paar sehen will. Ja“, beendete ich leise. Seine Augen erstrahlten in einer neuen Form von Freude, die ich bei ihm noch nie gesehen hatte. Zögerliche Finger an meiner Hand, die mich dazu brachten, mich ihm zuzuwenden und ihn zu küssen. Es war kein verlangender Kuss, sondern einer, der uns beiden zeigte, dass wir dasselbe fühlten.
 

Montagmorgen:

Sasuke:

Wieder einmal saß ich hier. Seit ich nicht mehr auf den Idioten wartete, war ich überpünktlich in der Schule. Wenn ich es denn mal als sinnvoll erachtete, hier aufzuschlagen. Ich konnte ja schon fast alles, was die anderen Schüler mühevoll lernen mussten. Sie waren alle nichts gegen meinen Verstand. Ich war froh darum, dass ich meine Zeit nicht mehr mit diesen Versagern verbringen musste. Endlich sah ich klar. Ich brauchte keinen von denen hier.
 

Ich hörte die beiden schon, bevor sie die Klassentür aufzogen. Lautes Gelächter, das durch den Flur hallte. Wie konnte man nur so laut sein? Und so nervig? Wie hatte ich meine Zeit nur mit denen verbringen können? Wie konnten sie nur so gut gelaunt sein bei allem, was sie getan hatten?! Ich schnaubte und wandte mich ab, als die Tür aufging. Trotzdem sah ich in der Spiegelung der Fensterscheibe, wie sie herein stolperten. Ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen, aber sie kamen auf mich zu, als existierte ich nicht.Vor ein paar Tagen hatten sie begriffen, dass es ihnen nichts mehr brachte, vor mir freundlich zu tun. Der Trottel lies sich auf seinen Platz fallen, die Nervensäge direkt daneben. Ja, genau, lasst mich endlich in Ruhe!
 

Die Stunde verging schleppend. Beinahe jeder dieser Trottel hier freute sich doch tatsächlich, den Klassenclown wiederzusehen. Hirnlose Mitläufer, könnt ihr nicht für euch selbst denken? Ich unterdrückte ein Schnauben, wollte niemandem zeigen, dass es mich aufregte.

Die Pause wurde wohl nicht nur von mir ersehnt, denn ich hörte ihn neben mir aufseufzen. Er wandte sich meiner ehemals besten Freundin zu. „Uuh, ich bin echt froh, die Sachen von letzter Woche schon nachgearbeitet zu haben!“ Huh, seit wann so strebsam? „Echt? Wie bist du denn da überhaupt rangekommen?“ Er grinste. „Hatake-sensei hat mir regelmäßig die Hausaufgaben mitgebracht. Und Iruka-sensei hat auch hin und wieder die Blätter beschrieben, auf welchen Seiten ich was machen muss.“ „Aha“, machte Pinky verstehend. Typisch die beiden Alten, ständig trugen sie ihm seinen Kram hinterher. Eine Sache, die ich früher erledigt hatte – und nun über die Maßen hasste. Alle rannten ihm hinterher.
 

Ich wandte mich ihnen zu, als ein leises Raunen durch die hintere Reihe ging. Das Bild lies mich kurz stocken, mein Atem schien nicht mehr vorhanden. Er hatte ihre Hand ergriffen und sah sie mit einem so vertrottelt verknallten Blick an, dass jeder sehen konnte, was los war. Und sie? Sie grinste dämlich und neigte sich zu ihm hin. Sie redeten, als bemerkten sie die Leute um sich herum gar nicht mehr. So gefangen in ihrer kleinen, rosaroten Welt. Sie lachten wieder, was ihnen die Aufmerksamkeit der vorderen Reihe einbrachte. Da beugte sie sich nach vorn und lehnte ihre Stirn gegen seine. Er drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.

Lautes Gejohle von Kiba Inuzuka. Ein begeistertes Kreischen von Yamanaka. Sai klatschte sogar ein wenig. Ich hingegen fühlte mich für einen kurzen Moment wie mit Eiswasser übergossen. Hatte man mir gerade in den Magen geschlagen und ich hatte es nicht gemerkt? Der Trubel, der losbrach, erreichte mich kaum. Ich sah, wie einige Jungs aus der Klasse zu ihm stürmten und sie beide mit Fragen überhäuften, aber ich hörte nicht hin. Alles, was ich sah, war dieses dämlich glückliche Lächeln, welches auf ihrem Gesicht lag. Ich sah die Hand, die sie immer noch fest umschlossen hielt. Wieso traf mich das nur so sehr? Wieso?
 

Hinata:

Schlug mein Herz noch? Wenn ja, wieso war es dann nicht gerade in tausend Scherben zerbrochen? Ich biss mir auf die Lippen, wollte nicht hier und nicht jetzt weinen. Dennoch stahlen sich Tränen in meine Augenwinkel. „Hinata-san?“, flüsterte Neji. Mein Cousin schien der Einzige zu sein, der bemerkte, dass ich mich nicht an der allgemeinen Freude beteiligte. Ich wandte ihm mein Gesicht zu und versuchte zu lächeln. „Ist schon gut“, erklärte ich, „Ich...ich werde schon klar kommen. Bitte, Neji-san, bitte mach jetzt nichts!“ Zur Unterstützung meiner Worte legte ich ihm meine Hand auf den Arm. Ich spürte, wie seine Muskeln sich zusammenzogen, als er den Sinn meiner Worte begriff. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Sein Kiefer spannte sich an, was hieß, er biss die Zähne zusammen. Keine Frage, Neji war wütend, weil ich es nicht geworden war. Weil er sich für Sakura entschieden hatte und mir damit das Herz brach. Er wollte das nicht hinnehmen. Aber ich musste das tun. Ich hatte mich in den letzten Wochen mehrmals damit beschäftigt, was passieren könnte.

Halb hatte ich erwartet, dass sie es werden würde. Ich hatte nur nicht gedacht, dass es so sehr schmerzen würde. Trotzdem, ich hatte beschlossen, nicht auszuflippen und ihm sein Glück zu lassen. Ich würde nur nicht dabei zusehen. Ich stand auf.
 

Als ich nach draußen ging, sah ich, wie Sakuras Blick auf mir lag. Ich schüttelte den Kopf um anzuzeigen, dass ich jetzt niemanden um mich haben wollte. Mein Cousin folgte mir. „Neji-san, bringst du mich bitte nach Hause? Ich will heute nicht mehr zurück“, schniefte ich. Wortlos legte mein Cousin eine Hand an meinen Unterarm und führte mich aus der Schule. Ich versuchte, so würdevoll wie möglich auszusehen, sobald ich draußen war. In meinem Zimmer hätte ich noch genug Zeit, mir die Augen auszuheulen.
 

Naruto:

„Hm, ist Hyuuga-san gar nicht mehr da?“, fragte Hatake-sensei und kratzte sich am Hinterkopf. „Beide nicht?“, hakte er nach. Jetzt erst fiel mir auf, dass ich Hinata und Neji tatsächlich seit der Pause nicht mehr gesehen hatte. Das machte mir Sorgen, aber was sollte ich schon tun? Ich konnte ja schlecht zu ihnen rennen und verlangen, dass sie mit mir sprachen. Vielleicht waren sie auch krank und fühlten sich einfach nicht gut?

Trotzdem ging die Stunde natürlich weiter. „Okay, dann sind sie eben nicht da.

Oh, Uzumaki-san, schön, dass Sie endlich wieder da sind. Ich hatte schon die Antwort Keine Ahnung vermisst!“ Ich musste ein Lachen unterdrücken, was aber sonst keiner tat. Alle prusteten los – bis auf Sasuke natürlich. Es wunderte mich mittlerweile, dass er überhaupt noch zur Schule kam. Aber ich wollte mir meine gute Laune nicht mehr von dem Schwarzhaarigen ruinieren lassen. Und so grinste ich einfach.

„Und?“, neckte mich der Sensei weiter, „Haben Sie heute eine Ahnung, oder sind ihre Hausaufgaben etwa Inuzukas Hund zum Opfer gefallen?“ Ich lachte auf. „Nein, Sensei. Obwohl der liebe Akamaru eine Tendenz dazu hat, alles an Papier zu zerstören, was er in die Schnauze bekommt, habe ich sie heute gemacht!“ Er nickte grinsend. Zumindest glaubte ich, dass er das tat. Bei der dämlichen Maske konnte man das ja kaum sehen.

Aber der Witz mit Akamaru hatte sich zu einem Running Gag zwischen uns entwickelt. Zwar hatte der Hund tatsächlich einmal Kibas Hausaufgaben am Tag, als der die brauchte, restlos vernichtet, aber eben nur einmal. Jedoch benutzten Kiba und ich den Hund gern mal als Ausrede, wenn wir die Hausaufgaben vergessen hatten. Auch, wenn es uns nie etwas gebracht hatte, waren uns ein paar Lacher sicher, weil die Geschichten, die die Umstände schildern sollten, immer länger und abstruser wurden. Und Hatake-sensei, der ja selber immer zu spät kam, lies bei einer guten Story schon mal fünfe gerade sein und trug uns keine schlechte Note ein, wenn wir die Aufgaben am nächsten Tag nachreichten. Aber dafür brauchte man schon echt viel Kreativität.
 

Er wusste natürlich ganz genau, dass ich meine Aufgaben hatte, immerhin hatten wir sie am Samstag noch gemeinsam gemacht. Oder eher hat er neben mir gesessen und mich dazu ermahnt, meinen Kopf auch mal zu benutzen. Ich wusste nicht, ob alles richtig war, dazu hatte er sich nicht geäußert, aber das Funkeln in seinen Augen stimmte mich optimistisch. Und so zog ich mein Heft hervor und ging nach vorne, als er mich aufforderte, mein Flussdiagramm anzuzeichnen.
 

Ich setzte mich und wartete ab, was er sagen würde. Er sah sich mein Werk einen Moment an, bevor er auf ein loses Ende tippte. „Was ist damit?“, fragte er. Da es um eine Berechnung ging, wann das Wasser in einem Teich umkippte, hatte ich mir sogar dabei etwas gedacht. „Das steht für die Fische. Wenn die sterben, geht der Strang nicht weiter, der die Pflanzen im Teich reduziert.“ Er sah zu mir, dann wieder zurück. „Aha. Richtig, Frage bestanden.“ Erleichtert lies ich mich ein wenig tiefer in den Stuhl sinken. Dann rief er einen anderen Schüler auf, der den zweiten Teil der Aufgabe vortragen sollte. So ging es weiter, bis die Aufgaben völlig gelöst waren. Zum Glück hatte heute niemand eine Frage dazu.

Sensei schob einen Fernseher in die Mitte hinter dem Lehrerpult. Ein erfreutes Gemurmel ging durch den Raum. Unser Lehrer schnaubte. „Ja, bevor ihr fragt, wir sehen einen Film an. Aber ich warne euch, ihr bekommt Arbeitsblätter mit Aufgaben dazu. Die will ich morgen einsammeln, also passt auf!“ Das allerdings tat der guten Stimmung keinen Abbruch.
 

Der eigentliche Witz fing erst an, als das Licht im Raum erlosch. Am Anfang war noch alles in Ordnung, aber sobald unser Lehrer in der Reihe hinter uns Platz genommen hatte, um uns zu beobachten, spürte ich die Unruhe. Sie ergriff meinen Körper, brachte mich dazu, auf meinem Platz herum zu rutschen. Ich blickte zu Sakura, die just in diesem Moment ihre Augen ebenfalls mir zuwandte.

Beide grinsten wir, als wir die Unruhe des anderen bemerkten. Sie umgriff den Stift, als könne sie sich nur so halbwegs konzentrieren. Ich merkte, dass ich mit den Fingern auf den Tisch trommelte. Sofort versuchte ich, damit aufzuhören, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich zurück.

Kurz darauf lehnte ich mich wieder nach vorn, irgendwie machte mich es nervöser, wenn ich mich an die Stuhllehne anlehnte. Also sackte ich mit den Armen auf den Tisch und lehnte mein Kinn darauf. Ich konnte noch nicht einmal sagen, wovon der Film handelte. Zwar bewegten sich die Bilder auf dem Schirm da vorn, aber es erreichte mich nicht.

Ich sah über meine Schulter zu unserem Sensei. Er saß ebenfalls so da, wie ich es tat. Aber das taten die meisten Schüler auch. Es war einfach eine bequeme Haltung, der ich keine weitere Bedeutung beimaß. Aber sein Blick lag auf mir, was mich verwirrte. Er sah nicht einmal zu jemand anderem, ich blieb der Punkt, den er anstierte. Selbst, als ich mich wieder nach vorn drehte, spürte ich seinen Blick im Rücken. Es lies mich unruhig mit dem Bein wippen.
 

Nach der Hälfte der Zeit spürte ich eine Hand auf meinem Bein. Die Hand war zart und schmal, sie konnte nur von meiner Freundin sein. „Naruto“, flüsterte sie, „Du nervst mich damit.“ Sofort bemühte ich mich, damit aufzuhören. Als Reaktion darauf krampfte ich meine Finger so stark in meinen Arm, dass dieser schmerzte. Trotzdem hörte ich nicht auf damit. So ging die Zeit herum, ohne, dass ich auch nur einen Satz verstanden hätte. Ich wusste nicht, welches Thema behandelt wurde.

Das Licht ging wieder an und ich bewegte mich wieder. Nach einigem Blinzeln blendete mich auch das Licht nicht mehr und ich grinste Sakura an. Sie streckte die Arme aus, als ob sie lange ebenfalls still geblieben wäre. „Das war merkwürdig“, meinte sie. Ich lachte. „Ja, echt jetzt! Total komisch.“ Ich hob die Arme über den Kopf und reckte mich. Ich war mir sicher, einige blaue Flecken morgen an meinem Arm zu haben, so sehr hatte ich zugedrückt. Der Stuhl hinter uns quietschte über den Boden, was hieß, dass Sensei ebenfalls aufstand. War er es nicht gewesen, der das Licht angeschaltet hatte? Verwirrt sah ich ihm hinterher, während Sakura ein Hand an den Mund legte, um ihre Worte nach vorn hin ab zu dämpfen. „Das war ja krass! Ich habe noch nie so einen Impuls gehabt, dich zu berühren.“ Abwesend nickte ich und wandte den Kopf zu ihr hin, aber im Augenwinkel sah ich den Grauhaarigen an, wie er die Arbeitsblätter aus seiner Tasche holte. „Ja, wirklich was Ungewöhnliches“, bestätigte ich. Nur meinte ich den Satz anders als sie, denn ich war nervös gewesen, aber nicht, weil ich sie hatten anfassen wollen. Die Irritation war nicht schlecht gewesen, nicht negativ, aber sie war es nicht gewesen, die etwas in mir ausgelöst hatte, sondern die durchdringenden Blicke meines Lehrers. Irgendwie spürte ich, dass da was nicht stimmte.

Ein paar Tage später

Naruto:

Mit einem mulmigen Gefühl stand ich in der Halle und sah mich um. Es waren erstaunlich viele Menschen gekommen, um Hinatas Debut zu sehen. Es wimmelte vor jungen Leuten. Ich sah zurück zu meiner linken Seite, wo meine Freundin stand. Sie sah immer noch sauer aus, was mich nervte. Wir hatten uns gestritten, weil sie darauf bestanden hatte, dass ich aufhörte, Sasuke wieder zur Vernunft bringen zu wollen. Ich hatte daraufhin erwidert, dass ich nicht einfach so einen Freund fallen ließe. Und dann hatte sie behauptet, ich sei viel zu stur. Es geriet alles etwas aus dem Ruder und wir hatten es noch nicht geklärt. Und so standen wir hier und waren uns nur einig, dass wir Hinata anfeuern wollten. Ansonsten war der Tag gelaufen.
 

Sobald es anfing, sah ich nicht mehr zur Seite. Mein Blick ging nur nach vorn, zu dem Mädchen, dass ich so niedlich zurecht gemacht noch nie gesehen hatte. Das Kleid stand ihr perfekt und betonte ihre Figur. Ihr langes, dunkelblaues Haar war hochgesteckt, ihr Gesicht dezent geschminkt. Ich kannte mich mit so etwas nicht besonders aus, aber ich dachte mir, dass dafür wohl viel Mühe und Zeit draufgegangen war. Selbst das Mikrophon war in der Farbe ihres Haars angemalt worden.

Wer war diese Schönheit da vorn bloß, das konnte doch unmöglich Hinata sein? Aber sie hatte ihr Haar, ihre Figur, ihre Augen. Dieses helle Flieder, das einen in den Bann ziehen konnte. Wo war das Mädchen mit den knielangen Röcken oder den akkurat gebügelten Stoffhosen hin? Dieses zarte Persönchen, das immer wirkte, wie eine viel zu jung geratene Lehrerin? Hier stand jemand ganz anderes auf dieser Bühne.

Ich hielt die Luft an, als sie zu ihrem ersten Lied ansetzte. Sie hatte immer gesagt, wir als ihre Freunde sollten auf den Text achten. Und das tat ich:
 

Whenever I am down

you bring me up.

You just don't know what you are,

to me, to them.

You don't realise, who you are,

but I know.
 

I have seen you,

each day, each moment,

nobody else knows

how much you cried.
 

I did so, too,

yet you never saw me.
 

I stand here,all alone.

I dream of you and me

why won't you see me?
 

Irgendwann während dieser Zeilen öffnete sie ihre Augen, die zuerst geschlossen gewesen waren und sah auf uns herunter. Ich dachte für einen Augenblick, unsere Blicke hätten sich getroffen. Sie lächelte leicht. Automatisch bewegte ich mich nach vorn, bahnte mir einen Weg durch die nach oben gerissenen Arme und die brüllenden Stimmen. Ich kam an, spürte das Absperrband unter meinen Fingern, als ich es umklammerte. Am liebsten wäre ich auf die Bühne gesprungen und hätte sie gefragt, was dieser Text zu bedeuten hatte.
 

I tried and tried

but failed each time

Your eyes see me, yet they don't.

I'm sick of being afraid,

I'm sick of crying.
 

I want you to know:

This is who I am,

this is how I feel.
 

I stand here,all alone.

I dream of you and me

why won't you see me?
 

I'm tellin' you,

I've been in love with you,

ever since the day I came to know you.
 

And I know,

I will love you

from now on till the day I die.

'cause I'm hopeless when it comes to you

I'm hopeless
 

Ich wusste, dass sie das Lied selbst geschrieben hatte, sie hatte es oft genug erwähnt. Jetzt fragte ich mich, von wem es handelte. Wer hatte ihr solche Worte entlockt?
 

Es kam nicht mehr dazu, denn nach diesem Lied kam alles anders. Sie ging an den Rand der Bühne, wollte noch etwas verkünden, aber einer der Männer, die sich neben mich gedrängelt hatten und Obszönitäten brüllten, verlor die Kontrolle. Er stemmte sich hoch und erklomm die Bühne. Dann warf er sich regelrecht auf Hinata, die mit einem leisen, spitzen Schrei zurück wich. Mit seinen stummeligen Fettfingern griff er nach ihrem Kleid. Als der Stoff riss und ein Ärmel sich verabschiedete und immer noch niemand sich rührte, kam Bewegung in mich.

Ich sprang mühelos auf die Bühne und sprintete die kurze Distanz zu den beiden. Dann griff ich dem Kerl an den Kragen seines Hemdes und schlug mit der anderen Hand auf seine Finger. Überrascht lies er los und ich zog ihn von ihr weg. Mein Bein schnellte hoch, das Knie stieß in seine Seite und er krümmte sich auf dem Boden neben uns. Hinata war wieder frei, doch ich schob sie zur Vorsicht hinter mich, wandte mich in derselben Bewegung zu dem Idioten um.

„Finger weg!“, schnauzte ich ihn an. Er wimmerte vor ich hin, kam aber nicht mehr hoch. Während der gesamten Aktion blendete uns beinahe das Blitzlichtgewitter der Kameras der Reporter. Sie knipsten Fotos, als ginge sie das alles nichts weiter an. Alles kotzte mich an. Das Klicken der Fotoapparate, das aufgeregte Murmeln der angeblichen Fans, die Untätigkeit der Leute, die Hinata beschützen sollten. Aber am meisten war es der Blick, der mir von meiner Freundin zugeworfen wurde. Sah sie denn nicht, dass ich hatte eingreifen müssen? Nahm sie mir allen Ernstes übel, dass ich unser beider Freundin vor diesem Verrückten bewahrte?

Ich drehte mich um und führte die Blauhaarige hinter die Bühne in den Backstage Bereich. Dort wurden wir schon sehnlichst erwartet. Eine Frau mit langen schwarzen Haaren und einem ebenso schwarzen Teint rang die Hände. Sie kam auf uns zugelaufen und verbeugte sich hastig vor uns. „Meine Managerin“, meinte meine beste Freundin zu mir gewandt. Ich nickte und seufzte. „Es geht uns gut“, sagte ich. Sie sah uns beide an. „Ich danke dir, junger Mann! Damit hatte niemand gerechnet, die Security hatte behauptet, sie hätten alles unter Kontrolle!“ erneut verbeugte sie sich, diesmal allein vor mir. Ich stand da und fühlte, wie meine Wangen warm wurden. Abwehrend hob ich die Hände. „Nein, bitte, das war doch wohl das, was jeder getan hätte. Hinata ist eine Freundin von mir, ich kann sie doch nicht schutzlos lassen!“ Meine blauhaarige Freundin sah mich begeistert von der Seite an. „Er ist immer so. Der große Beschützer.“
 

Ein Mann von der Security schlug mir freundlich auf die Schulter. „Du solltest echt Bodyguard werden, Junge. Das war schnell reagiert.“ Ich blinzelte, lächelte dann jedoch und hob die Schultern. „Hab noch nie darüber nachgedacht“, gestand ich. Aber der Gedanke war es schon wert, mal darüber nachzudenken. „Das wäre wohl besser, als ihre Firma noch einmal zu beauftragen!“, fauchte ein Mann, der wohl zu dem Team gehörte, das für Hinatas Karriere zuständig war, „Wie konnte dieser Kerl ihr so nahe kommen, ohne, dass sie reagiert haben? Wir können froh sein, dass der Junge da war!“ Er zeigte auf mich und funkelte den Kerl an, der mir den Vorschlag gemacht hatte. Ich war restlos überfordert mit dem, was um mich herum geschah. Wieso war das so etwas Besonderes, dass ich Hinata geholfen hatte? Ich hatte ihr all die Jahre vorher auch geholfen, wann immer es nötig erschienen war.
 

Ich wurde in einer unüberwindbaren Welle des Geredes mit Hinata zusammen fortgebracht. Erst aus der Halle heraus, dann in einen Wagen, der uns zu ihr fuhr. In dem Haus ihrer Familie trafen wir auf Hiashi Hyuuga. Er trat mit ausladenden Schritten auf uns zu, ergriff mit besorgtem Blick die Schultern seiner Tochter. „Ist mit dir alles in Ordnung?“, fragte er regelrecht panisch. Sie nickte nur. „Ja, Vater. Es ist nichts passiert, ich habe mich nur erschrocken.“ Nachdem sie ihn beruhigt hatte, strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Hand zitterte leicht. Ich legte eine Hand an ihren Rücken. „Das war ein ganz schöner Schreck, huh?“, sagte ich.

Hiashi Hyuugas Blick fokussierte sich auf mich. Er trat zu mir, nahm eine meiner Hände in seine und lächelte zaghaft. „Danke, Uzumaki-san, dass du auf meine Tochter aufgepasst hast.“ Ich unterdrückte den Impuls, einen Schritt zurück zu machen. So freundlich hatte man mich hier noch nie behandelt. Wie kam ich denn zu dieser Ehre?
 

„Gern geschehen, Hyuuga-san, aber ich hab doch nichts Besonderes getan.“ Verlegen zog ich meine Hand zurück und legte sie in meinen Nacken. Mir war diese absolute Dankbarkeit peinlich. Sowas machte ich schließlich nicht, weil es mich berühmt machen würde, oder so.

Hinatas kleine Schwester Hanabi wartete im Wohnzimmer auf uns. Merkwürdigerweise hatte der Hausherr darauf bestanden, dass ich noch etwas blieb. Mindestens bis sich Hinata wieder beruhigt hatte. Ich stimmte zu, wollte aber noch bei Sakura anrufen, damit sie Bescheid wusste. Aber sie ging nicht ran, nur die Mailbox sprach mit mir. Ich sprach ihr eine kurze Nachricht drauf, dass ich und Hinata in Sicherheit wären und ich ihr alles erklären würde, sobald ich wieder zu Hause sei. Mehr konnte ich im Moment nicht tun, aber ich hätte es gern. Ich mochte es nicht, wenn sie nicht wusste, wo ich war und sich Sorgen machte.
 

Wir saßen schon seit gewiss einer halben Stunde am Wohnzimmertisch, als die Türklingel erneut ertönte. Hanabi sprang auf und lies den Gast ein. Es war Hinatas Managerin. Sie setzte sich nach einer knappen Begrüßung zu uns und entschuldigte sich als allererstes für die schlechte Sicherheit.

„Das will ich auch meinen, dass so etwas nie wieder vorkommen darf! Wir reden hier von meiner ältesten Tochter!“ Sein Tonfall war so scharf, es hätte mich nicht gewundert, wenn er mit seiner Stimme die arme Frau in zwei Teile geteilt hätte. Ich schwieg und wog die Tasse Tee in der Hand. Hanabi hatte mir direkt welchen angeboten, als wir uns gesetzt hatten und ich hatte ihr schon vorher kaum etwas abschlagen können. Hanabi hatte immer einen so unglaublich bewundernden Blick, wenn jemand von ihrer älteren Schwester sprach.

Ich trank einen Schluck des grünen Tees und schluckte schwer in dem Schweigen, dass dann folgte. Erst Hanabi brach es und machte einen Vorschlag, der mich von den Füßen gehauen hätte, hätte ich nicht schon gesessen. „Uhm, Vater, O-nee-sama, ich weiß ja nicht, ob es richtig ist, aber...könnte Naruto-san nicht einfach als Hinatas Beschützer arbeiten?“ Beinahe hätte ich die Tasse fallen gelassen. „Huh? Ich?“, fragte ich dämlich. Sie nickte heftig.

„Ja, natürlich! Ihr beide seid so vertraut miteinander, ihr braucht euch manchmal nicht mal abzusprechen. Du bist immer sofort da, wenn es meiner Schwester nicht gut geht oder sie Unterstützung braucht. Du wärst perfekt dafür geeignet, für ihre Sicherheit zu garantieren!“ Verdattert sah ich in die Runde. Machten die hier gerade Witze? Ich und Bodyguard, das war doch lächerlich. Ich hatte noch nicht einmal vernünftig auf unser Klassenkaninchen aufpassen können, dass wir gehabt hatten, als ich dreizehn gewesen war. Ich hatte damals erst nach vier Tagen bemerkt, dass ich dran gewesen war, es zu füttern. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits jämmerlichst eingegangen. Wie sollte ich also auf einen Menschen aufpassen? Noch dazu auf eine Person, die mir sehr viel bedeutete?
 

„Aber ich hab das noch nie gemacht“, wehrte ich ab, „Ich kann das doch gar nicht!“ Nun sahen mich alle an, als wäre ich derjenige, der Unsinn redete. Hinata lächelte. „Naruto-kun“, begann sie leise, aber bestimmt, „Warst du nicht derjenige, der zu mir immer gesagt hat, dass es nichts gibt, das ich nicht erreichen könne?“ Sie schlug mich mit meinen eigenen Waffen. Das war doch nicht fair, so etwas gegen mich zu verwenden! Ich zog einen Schmollmund und sah zu ihrem Vater. Der Mann hatte nie viel von mir gehalten, ich baute darauf, dass er diese Idee für schlecht befinden würde. Doch auch er sah nachdenklich aus.

„Es wäre eine Überlegung wert“, meinte er langsam, dann sah er mir direkt in die Augen. „Hast du dich denn schon entschieden, was du nach der Schule machen willst?“ Er klang beinahe, als würde es ihn wirklich interessieren. Ehrlich schüttelte ich den Kopf. „Nein, keine Ahnung.“ Ich hatte zwar schon die ein oder andere Idee gehabt, aber meine Noten reichten dafür nicht aus. Nicht mal die Polizei, die ich eigentlich angepeilt hatte, würde mich ernsthaft in Erwägung ziehen. Ich war zu langsam, meine Noten waren zu schlecht und angeblich war ich zu ungestüm.

„Ich denke, über die Bezahlung könnte man sich einig werden, aber mir wäre sehr viel wohler, wenn du es machen würdest. Bitte, Uzumaki-san, hilf mir altem Mann, ruhiger zu schlafen.“ sein Blick ging mir unter die Haut. Ich sah zu Hinata. Sie nickte, absolut ernst. „Bei dir fühle ich mich sicher“, erklärte sie. Hanabi sah so zufrieden aus, als habe man ihr ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk gemacht. Ich seufzte leise. „Habe ich noch eine Wahl?“

„Nein“, mischte sich die Managerin ein, „Ich will ja nicht zu schnell schießen, aber der Vorfall ist bereits im Internet. Die Fans unseres kleinen Stars haben dich schon zu ihrem großen Retter stilisiert, Junge.“ In ihrer Hand hielt sie ein Tablet, auf dem ein Bild zu sehen war. Ich war klar zu erkennen, hinter mir stand Hinata und klammerte sich an meine Schulter, während der Kerl am Boden lag. Im kurzen Artikel dazu wurde ich beschrieben als mutiger Mann, der eingegriffen habe, während alle anderen Anwesenden nur zugeschaut hätten. Es wurde reißerisch behauptet, der Kerl hätte ja auch ein Wahnsinniger sein können. Er hätte bewaffnet sein können, doch das sei ja für mich alles nicht wichtig gewesen, ich hätte einen gemeingefährlichen Verrückten aufgehalten.

Die Schwarzhaarige lächelte mich an. „Wir kommen aus der Nummer nur raus, wenn wir dich als ihren persönlichen Beschützer vorstellen.“ Und unter dem Druck all der Personen, die mich erwartungsvoll ansahen, knickte ich ein und nickte. „Ich kann es ja mal versuchen“, stimmte ich zu.
 

Kakashi:

„Was meinst du damit, du kannst hier nicht mehr arbeiten?“, fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Mein Garten erstrahlte in neuem Glanz und meine Hunde waren so ausgelastet wie schon lange nicht mehr. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass Naruto zu mir kam und mir einen Teil der Arbeit abnahm, die ich früher immer so nebenher erledigt hatte. Wieso verzichtete er jetzt auf das Gehalt, dass er eigentlich dringend brauchte? Ich würde ihn ohne eine zufriedenstellende Antwort ganz sicher nicht gehen lassen. Der Junge stand nervös vor mir.

„Sensei, es tut mir ja auch Leid. Haben Sie denn in letzter Zeit keine News im Internet gelesen?“ Ich schüttelte den Kopf. Ich las kaum Zeitung, einen Fernseher hatte ich schon seit Jahren nicht mehr und im Internet suchte ich nur das, was ich haben wollte und achtete nicht auf die Schlagzeilen. Ich hatte einen Newsticker auf meinem Handy, der mir von politischen und wirtschaftlichen Neuigkeiten berichtete. Das reichte mir, genauso wie mein Radio.
 

„Ehm, ich habe wohl für einen ziemlichen Trubel gesorgt. Ich hab bei Hinata-chans Konzert auf den Putz gehauen.“ Ich hob eine Augenbraue. „Was hast du angestellt?“

Er sah zur Seite, dann auf den Boden und schob die Hände in die hinteren Hosentaschen. „Ich hab einen Bescheuerten verdroschen. Und jetzt feiern mich alle irgendwie als Helden.“ Und auch, wenn ich mir meine Überraschung nicht anmerken lies, so hätte ich ihn am liebsten gepackt und fassungslos nach jedem Detail ausgefragt. Während er mir erzählte, was genau passiert war, unterdrückte ich ein Schnauben. Und dann ein Lachen. Es war so typisch für ihn, zu handeln, ohne darüber nachzudenken, was das für ihn bedeuten könnte.

„Und naja, sie haben mich überredet, es mal zu versuchen. Ich dachte, bevor ich noch ewig grübele, was ich machen will, mache ich einfach mal das.

Und deswegen kann ich nicht mehr herkommen und so. Ich hab einfach keine Zeit mehr.“ Seine Stimme war entschuldigend, als ob er mich enttäuschte. Und ich war es, ich war enttäuscht. Ich hatte mich an seine Anwesenheit gewöhnt. Daran, dass er lachend mit meinen Hunden spielte. An das Gemüsebeet im Garten, welches meine Hunde magischer Weise nicht anrührten. Die Tomaten von dort waren schon so groß, dass ich dieses Jahr ganz sicher keine mehr kaufen würde, bis sie aufgegessen waren. Hatte ich jedenfalls gedacht.
 

„Aha“, machte ich vage. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Mir wurde nun klar, dass ich den Jungen lieb gewonnen hatte, ohne es zu merken. Ich hatte meine eiserne Regel, mich niemals an einen Schüler emotional zu binden, gebrochen. „Ich verstehe. Keine Sorge, das ist in Ordnung. Ich habe sowieso nicht mehr so viel zu tun, wenn ihr euren Abschluss gemacht habt. Es war ja nur für deine Miete gut.“ Ich wollte mich umdrehen und in meine Wohnung verschwinden. Wollte mir klar darüber werden, wie es passieren konnte, dass ich diesen Jungen so sehr um mich haben wollte. Aber vor allen Dingen wollte ich diese Bindung wieder loswerden, sie würde ihm nicht viel ausmachen, sondern mir den Schmerz bringen, irgendwann einmal nicht mehr wichtig für ihn zu sein. Ich hatte keine Lust, langsam und schleichend aus seinem Leben verbannt zu werden, also zog ich gleich hier die Reißleine.

„Dann sieh nur zu, dass du deinen Job gut machst. Hinata braucht einen Beschützer, der nur für sie da ist.“ Als er nickte und sich von mir verabschiedete, sah ich ihm nach und beschloss, nie wieder mehr für ihn zu tun, als jeder andere Lehrer auch tun würde.

Ich ging ins Haus und setzte mich im Wohnzimmer hin, um das Ereignis Naruto Uzumaki zu überdenken.

Kakashi Hatakes Haus, vier Jahre später

Kakashi:

Er war nie mehr wieder in die Klasse gekommen. Hinata war nach diesem Ereignis noch besser abgeschirmt worden und er hatte sich nie wieder mehr als einen Schritt von ihr entfernt. Sie konnte nicht mehr zur Schule kommen, da diese von Reportern und Fans belagert worden war. Und als ihr Beschützer war er ebenfalls fern geblieben.

Ich erfuhr von ihrem Vater, Hyuuga-san, dass beide in einer Art Fernstudium ihren Abschluss machen würden. Sie lernten zusammen, er war bei jedem Auftritt dabei, bei jeder Preisverleihung. Und immer wirkte er zufrieden, genauso wie sie. Hinata Hyuuga schoss in einer einzigartigen Geschwindigkeit an die Spitze der Charts. Sie machte Musik über Dinge, die jeder Jugendliche nachempfinden konnte. Herzschmerz, der Kampf um die große Liebe, der Versuch, die eigenen Träume zu leben. Erst neulich hatte sie das Titellied für einen Film gesungen, in dem es um zwei Menschen ging, die einander immer wieder begegneten und immer wieder den Namen des anderen vergaßen. Sie waren sich nur im Klaren, dass sie sich ineinander verliebt hatten. Ich musste zugeben, dass ich den Film gesehen hatte. Normalerweise interessierte mich so etwas nicht, aber ich hatte in einer Zeitschrift davon gelesen und da mir jeder von ihrer Stimme vorgeschwärmt hatte, wollte ich nicht außen vor sein. Irgendetwas hatte mich an diesem Film gepackt, sodass sich Bilder davon bis in meine Träume schlichen.

Ich dachte über die Legende nach, dass Menschen, die zusammen gehörten, durch einen roten Faden miteinander verbunden waren und sich immer wieder treffen würden. Der Gedanke, dass das Schicksal für jeden Menschen etwas bereit hielt, war mir lange absurd vorgekommen. Jetzt fragte ich mich, ob ich mir selbst im Weg gestanden hatte.
 

Denn mittlerweile war fast jeder in meinem Alter zumindest in einer Beziehung. Ich saß auch nur hier, um mir klar zu werden, was ich bei der Taufe des ersten Kindes meiner Kollegin Kurenai sagen sollte. Immerhin hatte sie mich überredet, den Taufpaten zu geben. Ihr Mann, Asuma Sarutobi, war ein Polizist, aber keinesfalls so mürrisch, wie man auf den ersten Blick denken könnte. Im Gegenteil, er war ein cleverer Kerl, der ernsthaft daran interessiert war, den Jugendlichen den richtigen Weg zu weisen. Er hatte in seinem Job die Aufgabe, die nächsten Generationen an Polizeianwärtern zu unterrichten. Er war beliebt und gut.
 

Ich erhob mich von meinem Küchenstuhl und nahm das Jackett von der Lehne, bevor ich es mir anzog. Ich trug selten Anzüge, ich hasste sie, um genau zu sein. Aber für diesen Anlass musste es wohl sein.

Ich steckte meine Haustürschlüssel in die Hosentasche und verließ meine Wohnung. Ich sah noch nicht einmal zurück auf die Reste des Beetes, das völlig verwildert war. Auch nicht auf den Rasen, der längst hätte gemäht werden müssen.
 

In der Kirche saß ich ganz vorne und lies alles über mich ergehen. Stumm, denn ich hatte herausgefunden, dass ich nichts sagen musste, wenn ich nicht wollte. Und ich wollte nicht, ich war kein großer Redner.

Ich sah über die Schulter in den hinteren Teil des Gebäudes. Einige ehemalige Schüler waren hier versammelt. Alle, die ebenfalls bei der frischgebackenen Mutter Unterricht gehabt hatten, waren hier. Ich konnte Kiba ausfindig machen, dessen Haare viel länger geworden waren. Daneben saß Shino, der – soweit ich wusste – ein Lehramtsstudium anstrebte. Ino Yamanaka hatte, wie schon voraus gesehen, den Blumenladen ihrer Eltern übernommen. Sie stand nahe an Sai, der eine Hand an ihrer Hüfte liegen hatte. Ah, war mir doch letztes Jahr so gewesen, als gefalle ihm die Blondine.

Mein Blick ging weiter zu einem rosa Haarschopf. Sakura Haruno tat mir am meisten Leid. Sie und Naruto waren gerade erst zusammen gekommen, da war er auch schon wieder fort gewesen. Sie hatten im ersten Jahr noch versucht, den Kontakt zu halten, aber als es auf Tour ging, wurden die Anrufe und Mails weniger, die Streitereien zwischen ihnen dafür umso mehr. Nach nicht einmal einem Jahr war es vorbei mit ihnen gewesen. Sie hatte einen furchtbaren Einbruch in ihren Noten gehabt und sich hilfesuchend an mich gewandt. Ich hatte ihr geraten, nicht zurück zu sehen, sondern nach vorn zu gehen. Ich wusste nicht, ob sie es getan hatte, aber ihre Noten hatten sich gebessert und sie hatte ihr Abschlusszeugnis als Jahrgangsbeste überreicht bekommen.

Sasuke Uchiha fehlte. Es überraschte mich nicht. Er war immer weniger zur Schule gekommen, Narutos Weggang schien der letzte Tropfen gewesen zu sein, der ihn endgültig in die Arme der Familie trieb. Ich hatte gehört, sein Onkel habe ihm einen guten Job in der Firma versprochen, wenn er vorher den Laufburschen für ihn mache. Tja, Einfluss und Macht verpflichteten anscheinend.
 

Nach der Zeremonie standen wir alle zusammen und redeten. Die Lautstärke des Geredes schwappte über mich hinweg und war mir in diesem Augenblick einfach zu viel. Ich sah Kurenai an und deutete nach draußen, dann auf mich selbst. Sie nickte, sie hatte verstanden, was ich hatte sagen wollen.

Draußen atmete ich tief durch. Direkt in der Nähe der Kirche lag der größte Friedhof, den Konoha zu bieten hatte. Ich fand es ironisch, dass der Ort für so viele schöne Dinge direkt neben dem lag, der für Trauer und Verzweiflung und das Ende aller Dinge stand. Ich verstand, dass die Trauerfeiern hier ausgerichtet wurden und der Weg deshalb nicht zu lang hatte sein sollen, trotzdem war der Friedhof in Sichtweite der Haupttür. Das fand ich makaber. Welches frisch getraute Paar wollte schon beim Auszug aus der Kirche auf Gräber schauen?
 

Seufzend lehnte ich an der überdachten Tür der Kirche und sah in den wolkenverhangenen Himmel. Es regnete wie aus Eimern, was der Stimmung im Gebäude keinen Abbruch tat. Die stolzen Eltern strahlten, als seien sie selbst die Sonne persönlich.

Mein Blick richtete sich auf den Gehweg, der von hier aus einsehbar war. Vielleicht sollte ich einmal kurz die Feier verlassen und einem Grab die Aufwartung machen, das ich lange nicht mehr besucht hatte.
 

Ich überlege noch hin und her, da fiel mir eine Bewegung ins Auge. Eine Person in einer schwarzen Jacke und einer hellen Hose ging dort entlang. Die Schultern waren gesenkt, als stehe dem Menschen ein schwerer Gang bevor. Doch das war nicht, was mich einfing, was mich immer weiter hinsehen lies. Es war das blonde Haar, welches zwar kürzer war, als ich es in Erinnerung hatte, aber der Farbton machte mich aufgeregt. Konnte es sein...?
 

Ich hatte nicht zurück geblickt, ob mich jemand vermissen würde. Stattdessen war ich los gerannt, um der Person folgen zu können, die gerade über den Friedhof ging und ein bestimmtes Grab anpeilte.

Nun sah ich, dass ich mich nicht geirrt hatte. Ja, es war tatsächlich Naruto Uzumaki, der wieder in unsere Stadt zurück gekehrt war. Er war größer geworden, seine Schultern breiter. Er war mittlerweile vielleicht etwas größer als ich. Oder auch genauso groß, jedenfalls schätzte ich das. Ich konnte sein Gesicht nicht genau erkennen, aber was ich sah, war ein kantiges Kinn. Große Hände, die sich gerade zu Fäusten ballten.

Und er stand vor einem Grab, das ihm eigentlich gar nichts hätte sagen sollen. Doch er war hier. Klatschnass, genauso wie ich. Keiner von uns beiden hatte sich die Mühe gemacht, eine Regenjacke mitzunehmen. Ich trat hinter ihn, unsicher, was ich ihm sagen sollte.
 

„Hallo, Uzumaki“, sagte ich schließlich. Er antwortete mir nicht. Ich trat näher heran, räusperte mich. „Was machst du hier?“ Ich sah, wie sich seine Lippen bewegten, denn ich stand seitlich hinter ihm. Aber ich verstand kein Wort, das Rauschen des Regens machte jede Unterhaltung in leisem Tonfall unmöglich. Ich lehnte meinen Oberkörper etwas nach vorn. „Was hast du gesagt?“

„Wussten Sie es? Sensei?“, fragte er, ohne aufzusehen. Ich blinzelte ein paar Regentropfen aus meinen Wimpern. „Was soll ich gewusst haben?“ Er drehte sich um und ich sah zum ersten Mal sein Gesicht. Es war vollkommen weiß, geprägt von einem Schmerz, den ich noch nicht verstand. Seine himmelblauen Augen waren trüb, sahen mich an, als würde er weinen. Doch das konnte ich bei all dem Regen nicht genau sagen. „Dass ich meine Eltern getötet habe?“, fragte er und ich stolperte schockiert einen Schritt zurück.
 

Wir sahen uns einen Moment lang an, schweigend. Ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken hinab und ich wusste, dass er nicht vom Regen stammte. Der Junge wusste Bescheid. Irgendjemand hatte ihm gesagt, was für immer unausgesprochen bleiben sollte.

Mein Schweigen hatte zu lange gedauert, ich hatte ihm schon längst die Antwort gegeben, nach der er mich gefragt hatte. Sein Gesicht verzog sich, er schloss die Augen und presste die Lippen aufeinander. Seine Fäuste zitterten. „Sie wussten es“, flüsterte er. Ich sah betroffen zur Seite. Meine Gedanken rasten, ich wollte es ihm nicht hier erzählen, wo die Präsens dieses Menschen so übermächtig zu sein schien, dass es mir die Luft abschnürte. Ich packte seine Schulter und zog ihn zu mir. „Komm“, sagte ich und nahm ihn mit.
 

Der Kaffee war noch heiß, als ich die zwei Tassen auf den Tisch stellte. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie ich dazu gekommen war, diese sich ergänzenden Tassen zu besitzen. Ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte. Es half auch nicht gerade, dass Naruto auf dem einen von drei meiner Küchenstühle saß und völlig apathisch wirkte. Er griff blind nach dem Kaffee. Seine Hand tastete über die Holzfläche, spürte die Keramik und zog es zu sich. Er nahm die Tasse in beide Hände und hielt sich daran fest, obwohl er immer noch vor sich hin stierte.

Ich setzte mich und wartete. Er würde sich schon melden, wenn er dazu bereit war. Und ich wurde nicht enttäuscht.

„Kannten Sie ihn?“, fragte er. Ich nickte und seufzte schwer. „Ja. Aber wer hat dir das alles gesagt?“ Er setzte ein paar Mal dazu an, doch nie kam ein Laut über seine Lippen. Tränen traten in seine Augen. „Willst du nicht darüber reden?“ Auf keinen Fall wollte ich ihn zu etwas drängen – er kam mir so verletzlich vor, als würde er bei einem falschen Wort zerbrechen. Er schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Mehrmals. Dann wisperte er ein Wort. „Sasuke.“ Mehr brauchte es nicht, um Jahre an merkwürdigem Verhalten zu erklären. Woher auch immer sein ehemals bester Freund es wusste, er hatte es an Naruto weitergegeben, dass seine Eltern tot waren. Und, dass sie für ihn gestorben waren.

„Was hat er gesagt?“, fragte ich. Ohne mein Zutun wanderte meine Hand zu seiner, die immer noch verkrampft um die bunte Keramik lag. Meine Fingerspitzen berührten seine kalte Haut. Er zuckte mit den Schultern. „Dass ich dran Schuld bin, dass sie tot sind. Sie alle.“ Er versuchte verkrampft, nicht zu weinen. Meine Hand legte sich um seine. „So ein Unsinn“, sagte ich sanft. Zum ersten Mal an diesem Tag sah er mich direkt an, direkt in meine Augen. „Woher wollen Sie das wissen, Sensei?“, blaffte er.

„Weil ich dabei war“, erwiderte ich leise. Er erstarrte, wandte sich mir dann komplett zu. „Erzählen Sie...mir davon?“ Ich nickte. „Warte hier.“

Als ich wieder kam, verfolgte er aufmerksam jede meiner Bewegungen. Ich stellte ein Foto vor ihn. „Siehst du den Mann da hinter mir?“ Er nickte. „Das ist dein Vater.“ Zögerlich musterte er den blonden Mann. Er stellte langsam die Tasse weg und griff nach dem Bilderrahmen. Eine Hand strich andächtig über die Stelle, an der das so typische Grinsen damals in die Kamera gelächelt hatte. „Und irgendwie war er wohl auch mein Vater“, sagte ich, was ihn verwirrt aufsehen lies. Ich presste die Lippen zusammen, atmete tief durch und zog meinen Mundschutz herunter, legte die feine Narbe frei, die kurz unter meiner Unterlippe prangte. Und ich schob mein Haar zur Seite, sodass er die Narbe, die senkrecht über mein linkes Auge verlief, sehen konnte. Er sah mich an, als wüsste er nicht, was er sagen sollte. Ich wüsste es an seiner Stelle wohl auch nicht.
 

„Der Name meines Vaters wird dir nichts sagen“, fing ich an, „Aber er war Polizist. In derselben Einheit, in der auch dein Vater war. Damals gab es mehrere Familien, die sozusagen die Polizisten in Konoha und der Umgebung stellten. Eine davon war die der Namikazes. Dein Vater war der einzige Sohn und für ihn war es eine Ehre, zur Truppe zu gehören. Er und mein Vater arbeiteten hier und da zusammen, deshalb kannte er mich. Ich war ein Kind, ich interessierte mich nicht für viel außer meinem Vater.“ Ich machte eine Pause, damit er alles verstehen konnte, nahm einen Schluck meines eigenen Kaffees. Er war beinahe noch zu heiß, aber bei den kalten Temperaturen hier in diesem Raum kühlte er schnell ab. Ich sah aus dem Fenster, das zu meinem Flur und damit zum Garten hinaus führte. „Und deine Mutter?“ Es war so zögerlich gefragt, dass ich einen Moment brauchte, um zu begreifen, dass er mich geduzt hatte. Ich schüttelte den Kopf. „Ist bei meiner Geburt gestorben.“ Er biss sich auf die Lippen. „Tut mir Leid“, sagte er. Ich nickte. Ihm konnte ich die Betroffenheit über meinen Verlust wirklich glauben.

„Nun, mein Vater war der Experte für Entführungen und Geiselnahmen. Aber bei einem Einsatz...entschied er sich falsch. Er hätte die Bank, in der sich drei Räuber verschanzt hatten, stürmen lassen können. Aber er zögerte damals. Er hatte Angst, seine Leute in eine Kamikazeaktion zu schicken. Und so starben damals drei Geiseln, unter anderem ein Junge von zwölf Jahren.“ Er sackte schwer mit seinem Rücken gegen die Lehne des Stuhls. Seine Hände rutschten in seinen Schoß. „Aber...warum?“ „Er wollte seine Leute retten, schätze ich“, zuckte ich mit den Schulter. „Aber das war nicht das Schlimmste – zumindest für mich.“ Sein Blick fiel auf mich.

„Mein Vater wurde dafür verurteilt, dass er das Leben von Männern, die dafür ausgebildet worden waren, notfalls für ihren Auftrag zu sterben, für wichtiger erachtet hatte, als das der Menschen, die unschuldig in die Sache geraten waren. Sie nannten ihn einen Verräter, einen Feigling, der besser den Dienst quittieren sollte.“ Lange war es still zwischen uns. Bis Naruto mich ansah, als suche er nach etwas.

„Und wer entscheidet, welches Leben mehr Wert ist? Ich bin sicher, er hatte seine Gründe.“ Meine Hand wanderte zu seinem Kopf, ich rutschte näher heran und strich durch sein kurzes Haar. „Du bist der Erste, der das sagt“, informierte ich ihn. Er hob einen Mundwinkel zu einem Lächeln, doch sein Blick blieb traurig. „Und dann?“
 

„Dann...kam ich eines Abends nach Hause und mein Vater hatte Selbstmord begangen.“ Er zuckte zusammen, als hätte ihn jemand geschlagen. Mit großen Augen sah er zu mir. Eine Hand wanderte nach oben, legte sich über meine, welche mittlerweile an seiner Wange ruhte. „Wie alt...warst...du?“ Ich sah ihm in die Augen. „Acht“, sagte ich kurz. Der Griff um meine Hand wurde stärker. „Und dann?“ Er spürte, dass ich nicht näher darauf eingehen wollte. Ich hatte die Szene so oder so viel zu genau vor Augen. Der Schock war immer noch spürbar, als wäre es nicht schon Jahre her. Tief in mir war immer noch der Junge, der vor der Leiche seines Vaters kniete und nicht verstehen wollte, was passiert war.

„Dann...hat dein Vater sich entschieden, mich aufzunehmen. Ich war ihm aufgefallen, weil ich schon als kleiner Junge die besten Noten hatte und mich gut durchsetzen konnte. Er mochte mich. Heute denke ich, er konnte ein Kind nicht einfach sich selbst überlassen. Oder der Fürsorge, die diesen Namen nicht verdient hat.“ Ich sah ihn nicken. Mit ebenjener Fürsorge hatte er auch schon Bekanntschaft gemacht als Waise. Dort war niemand anzutreffen, der sich wirklich für die Kinder engagierte. Sie waren dort nur Zahlen und Nummern, die abgearbeitet werden mussten.
 

„Ich bin einige Jahre bei ihm aufgewachsen. Ich habe auch mitbekommen, wie er sich in deine Mutter verliebt hat.“ Hier wurde er erneut hellhörig. Er lehnte sich noch etwas weiter nach vorn. „Wie war sie? Warum hat er sie genommen? Warum...?“, er verstummte, überwältigt von der Anzahl an Fragen, die er stellen wollte. Ich konnte mir denken, dass er einfach alles über sie wissen wollte.

„Sie war ein liebes Mädchen, aber wenn man sie wütend machte...oh, das hättest du nicht sehen wollen! Dein Vater war zwar Polizist, aber glaub mir, vor der Wut deiner Mutter hatte ich als Kind immer mehr Angst.“ Ich lachte, als ich daran dachte, wie ich einmal ohne Frühstück hatte davonschleichen wollen und mir heimlich Geld eingesteckt hatte, um mir später mit meinen Freunden Pommes zu teilen. Sie war noch drei Straßen weiter zu hören gewesen, als sie mir hinterher brüllte. Trotzdem war sie später, als ich wiederkam, genauso liebevoll wie immer gewesen.
 

„Sie hatte leuchtend rotes Haar, weißt du? Es fiel auf. In der Schule war sie deswegen wohl immer geärgert worden, aber dein Vater fand etwas an ihr, das er nicht hatte. Er war nie temperamentvoll gewesen. Und sie konnte das einfordern, das er aus lauter Freundlichkeit versagt bekam. Sie waren ein gutes Team, die beiden.

Es hat nach ihrem ersten offiziellen Treffen auch nicht lange gedauert, bis sie akzeptiert wurden. Deine Eltern wollten heiraten, als sie erfuhren, dass du unterwegs warst. Aber Kushina...naja, sie war da ein bisschen eigen. Sie wollte nicht, solange sie dich noch nicht geboren hatte. Sie wollte unbedingt eine gute Figur in dem Kleid machen. Da konnte dein Vater damals stundenlang davon reden, dass sie auch mit Bauch gut aussah, wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt hatte, zog sie das auch durch.“ Ich seufzte und zog meine Hand zurück. Verschränkte die Arme auf dem Tisch. „Darin ähnelst du ihr ganz besonders.“ Ich wartete wieder ab, was er tun oder sagen würde. Ich wollte ihn nicht überfordern, wollte an dem Punkt enden, bevor es ihm zu viel wurde. Aber er lächelte zaghaft. „Ja?“, fragte er leise. Ich nickte. „Aber...?“, machte er weiter, „Ich meine, ich habe sie nie kennen gelernt. Ich...was ist passiert?“ Ich sah in seinem Blick nur den Wunsch, mehr zu erfahren. Also machte ich weiter: „An dem Tag gab es einen...Terroranschlag. So kann man es wohl nennen. Es gab mehrere Explosionen, die verteilt in der Stadt stattfanden. Und dann ging ein Telefonanruf ein, der besagte, dass man...“ Ich seufzte schwer und setzte neu an, „Man wollte, dass wir Kushina auslieferten. Angeblich war sie von dort, wo sie geboren worden war, geflüchtet und es waren noch alte Rechnungen offen. Deine Mutter...stammte aus einer alten Familie, die nicht immer legal gearbeitet hatte. Sie hatten sie mit einem hochrangigen Mann verheiraten wollen, der in der Unterwelt bekannt war. Aber sie ist weggelaufen und hat dann deinen Vater kennen gelernt.

Das konnte dieser Mann nicht ertragen und...er wollte deinen Vater aus dem Weg haben. Und dich, weil du das Kind des Mannes bist, den er hasste.“ Er sah zur Seite, eine einzelne Träne lief seine Wange hinunter. Er hatte wieder die Hände im Schoß gefaltet, sein Kaffee schien völlig vergessen zu sein. Er zog die Schultern hoch, als ein Schluchzen durchbrach.

„Also hat mein Vater mich beschützen wollen?“ Ich nickte, obwohl er das nicht sah. „Und meine Mutter?“ Das war der schwerste Teil. „Als sie erfahren hat,...dass dein Vater erschossen worden war, war das zu viel für sie. Sie starb an dem Tag, an dem du geboren wurdest.“ Ich schloss die Augen, weil die Bilder mich überwältigten. Ich war vierzehn Jahre alt gewesen und es war so viel Blut gewesen. Noch völlig geschockt von der Nachricht, dass mein zweiter Vater gestorben war, musste ich hilflos daneben stehen und zusehen, wie der Krankenwagen zu spät kam. Ich erinnerte mich daran, wie Kushina mich angefleht hatte, mich um Naruto zu kümmern. Aber ich war davor geflohen und hatte versagt.
 

„Und du?“, fragte er so leise, dass ich ihn kaum verstand, „Warst du...wo warst du?“ Ich stand auf und drehte ihm den Rücken zu. „Ich war bei deiner Mutter. Ich fühlte mich als ihr Beschützer dafür verantwortlich, dass ihr nichts passierte. Ich habe es versucht, aber...“ Ich lies den Kopf hängen.

Lange war es still und nur der Regen trommelte auf mein Dach. Ich wusste nicht, was er jetzt von mir dachte. Am wahrscheinlichsten wäre, dass er begriff, wie sehr ich ihn im Stich gelassen hatte und, dass er jedes Recht hatte, mich zu hassen.

Doch wieder einmal machte er etwas anderes. „Wie alt warst du?“ Ich fixierte einen Punkt an der Wand. „Vierzehn.“ Wieder blieb er still. Dann: „Also warst du auch noch ein Kind, oder nicht? Du hast auch nichts tun können. Du hast sie auch verloren.“ Ich sah zurück zu dem Jungen, der mir gerade erklärte, dass er mich nicht dafür hassen konnte, dass ich untätig dagestanden hatte, als seine Eltern gestorben sind. Ich schluckte schwer gegen den Kloß in meinem Hals. Es half nicht.
 

Ich ging zu ihm, setzte mich wieder auf meinen Stuhl, mit dem ich ganz nah an ihn heran rückte. „Warum sagst du das? Hasst du es nicht, dass ich lebe und sie nicht?“ Er schüttelte den Kopf. „Wieso?“, fragte er, „Dann müsste ich mich ja selbst hassen, weil ich auch noch hier bin. Sensei, du hast alles getan, was du konntest, da bin ich mir sicher.“ Er lächelte mich auf so herzerwärmende Art an, dass es in mir etwas auslöste. Ich beugte mich nach vorn und fing seinen Lippen für einen winzigen Moment ein.

Er zuckte zurück, gleichzeitig begriff ich, was ich getan hatte. „Entschuldige“, murmelte ich und suchte nach Worten, mit denen ich mich hätte erklären können. Er lies mich nicht dazu kommen, denn er sah mich für wenige Sekunden fassungslos an. Dann sprang Naruto auf und stürmte aus meiner Wohnung. Noch bevor ich aufspringen konnte, um ihn aufzuhalten, schlug die Haustür zu. Was war da gerade passiert?

Konoha, ein Jahre später

Kakashi:

Ich hasste Anzüge wirklich, hatte ich das schon einmal erwähnt? Wieso nur wurde ich immer wieder auf die Art von Feiern eingeladen, bei denen das Pflicht war? Und außerdem war ich unausgeschlafen. Wer legte auch die Ernennung der neuen Polizisten auf den Todestag meines alten Adoptivvaters? Es war doch logisch, dass ich die gesamte Nacht nicht hatte schlafen können. Wieso war ich überhaupt eingeladen worden? Nur, weil Kurenai fand, dass ich mich verkroch? Und wenn schon, ich war auch vorher nicht der geselligste Mensch gewesen. Warum glaubten sie alle, mir helfen zu müssen? Ich war nicht unglücklich, ich hatte nichts zu klären. Was vor einem Jahr war, war aus dem Moment heraus passiert. Ich hatte über meine Vergangenheit gesprochen und war emotional aufgewühlt gewesen. Es hatte nichts zu bedeuten gehabt, es war nur, weil er seinem Vater in diesem Augenblick so ähnlich gewesen war. Und er hatte es auch nicht mehr erwähnt. Als wir uns eine Woche später per Zufall beim Einkaufen getroffen hatten, hatte er gesagt, dass er es komplett abgehakt habe und mir nicht böse sei. Ich solle nicht glauben, dass er jetzt verletzt sei. Es sei alles in Ordnung, nur solle ich darauf verzichten, ihn so trösten zu wollen. Er hatte es als Scherz abgetan, wie auch immer er das geschafft hatte. Also hatte auch ich es abgehakt.
 

Und jetzt stand ich hier und sah ihn drei Reihen weiter vorn stehen, wie er ein wachsames Auge auf seine Schutzbefohlene hatte. Hinata sah zurück und lächelte freundlich. Sie lehnte sich zu ihm und legte ihm einen Schal um den Nacken. Er lachte auf. „Hinata-chan!“, drang es zu mir, „Du bist echt die Beste! Danke!“ Sie lachte mit ihm. War das noch dasselbe Mädchen, das ich im Unterricht dreimal hatte auffordern müssen, lauter zu sprechen, bevor ich sie verstanden hatte? Ich seufzte und sah weg.

Vorn stand Asuma und strahlte mit der Sonne um die Wette. Die meisten seiner Jungs waren gut in ihrem Job und würden sehr gute Gesetzeshüter abgeben. Das hatte er mir schon vor Tagen erzählt, besonders auf Shikamaru war er sichtlich stolz. Der Junge war ein taktisches Genie, das musste ich ihm lassen. Er würde sich gut machen in der Abteilung für internationale Verbrechensaufklärung. Er würde vorhersehen müssen, wohin flüchtige Verbrecher wollten und sich mit den Behörden dort in Verbindung setzen. Er schaffte das ganz sicher. Wie er jetzt schon so spezialisiert sein konnte, war mir ein Rätsel, aber Asuma sagte, der Junge könne nur da eingesetzt werden.
 

Die Feier fing an und ich war schon genervt. Wie lange sollte das noch so gehen?

Doch es dauerte nicht mehr lange, bis die schöne Stimmung in sich zusammen fiel. Ausgelöst schlicht durch einen Knall, der uns alle erbeben lies. Mein Kopf schnellte zu der Stelle, von der Rauch aufstieg. Es war am Rande des Geländes, aber ganz in der Nähe der der Zuschauer.

Panik brach aus, die Menschen rannten durcheinander. Ich sprang auf und sah mich um. Sakura war da, ich sah ihr rosa Haar durch die Menschenmenge huschen. Sie rannte zu den Menschen, die der Explosion am nächsten gewesen waren und wollte helfen. Ich sah, wie sie ein kleines Kind auf ihre Arme nahm und zurück zur weiter entfernten Mutter trug. Mein Kopf wirbelte herum. Naruto hatte sich über Hinata gebeugt, die am Boden kauerte. Sein Blick ging ebenfalls hin und her, er suchte den Verursacher. Eine zweite Explosion lies uns beide erzittern. „Sakura!“, hörte ich seine panische Stimme über den Lärm hinweg. Mir gefror beinahe das Blut in meinen Adern. Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge, hin zu der Stelle, an de ich die Haruno bis eben noch gesehen hatte.
 

Sie lag verletzt am Boden, schien aber nicht in Lebensgefahr zu schweben. Noch bevor ich bei ihr ankam, kniete ein blonder junger Mann neben ihr. Naruto hob sie hoch. Sie war wach, ihr Blick suchte seinen. Dann sah er auf, als habe er etwas gehört. Einer der Polizeianwärter kam zu ihm, er redete kurz auf ihn ein, dann nahm der Mann Sakura mit sich. Bestimmt, um sie in ein Krankenhaus zu bringen. Naruto hingegen rannte los, sein Ziel war der Wald am Rande Konohas. Ich überlegte nicht mehr, sondern folgte ihm. Wenn er dort etwas gesehen zu haben glaubte, dann glaubte ich auch, dass dort etwas war.
 

Ich sah nur sein blondes Haar, ansonsten waren genügend Bäume im Weg. Doch irgendwann stoppte er abrupt. Ich konnte über meine Schulter noch den Rauch auf dem Platz aufsteigen sehen. Und auch die Geräusche von dort drangen noch zu uns.

Zwei Personen standen ihm gegenüber. Ich trat neben ihn, aber er schien es nicht zu bemerken. Als sich meine Augen ans Zwielicht gewöhnt hatten, unterdrückte ich es, nach Luft zu schnappen. Vor uns standen Madara und Sasuke Uchiha.
 

„Ich hätte nie gedacht, dass du es tatsächlich tun würdest“, hauchte der Blonde neben mir, sein Blick fest auf seinen ehemaligen Freund gerichtet. „Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Ich sah, dass Sasukes kühle Fassade, die er jetzt seit Jahren trug, nicht ganz so fest saß, wie früher. Was auch immer er mit alldem hier zu tun hatte, die Ereignisse hatten ihn getroffen. Er sah aus dem Augenwinkel zu seinem Onkel, der das Wort ergriff. „Und was willst du, du kleiner Bastard? Huh? Wieso bist du überhaupt noch hier?“ Er sah ihn abschätzend an. „Du müsstest diesen ganzen Verein an Lügnern noch viel mehr hassen, als ich es tue. Sie alle haben nur hilflos zugesehen, als dein Vater starb!“

Naruto neben mir knirschte mit den Zähnen. „Und selbst wenn! Das ist noch lange kein Grund, alles einfach in die Luft zu jagen!“ Er trat wütend einen Schritt nach vorn. „Wie krank ist das denn, zu denken, man könne einfach alles platt machen! So funktioniert das Leben nicht!“ In meinem Kopf setzte sich ein Puzzle zusammen, dessen Teile bis jetzt noch nicht vollständig gewesen waren. Madara war damals ebenfalls ein guter Polizist gewesen. Sehr Karriere orientiert, aber mit einer starken Hand und Führungsqualitäten. Er hatte damals fest damit gerechnet, der neue Polizeipräsident zu werden.

Ich schob Naruto hinter mich. „Madara!“, rief ich über die wenigen Meter hinweg, die uns trennten, „Schämst du dich nicht, den Jungen für deine Rachepläne zu benutzen?!“ Er sah mich an, sein überhebliches Grinsen erlosch. „Kakashi“, knurrte er, „Verschwinde, Hatake!“ Ich ignorierte ihn und wandte mich an Sasuke, „Sasuke-kun, egal, was dein Onkel zu dir gesagt hat, er lügt!“ Der Junge sah mich an, als sei es unter seiner Würde, mir zu antworten. Ich wusste plötzlich, dass das, was ich zu sagen hatte, die Wahrheit war. Diese Überzeugung färbte meine Stimme.

„Madara wollte immer nur Macht haben. Es war ihm egal, wie er sie bekam. Er glaubte immer schon, zu Höherem berufen zu sein.

Aber als ein Anderer Polizeichef wurde, hat er so im Präsidium gewütet, dass er von unseren eigenen Kollegen rausgeworfen wurde. Er hat den Mann aus dem Weg räumen lassen! Siehst du das denn nicht?“ Der Junge neben mir wurde völlig still. Fassungslos sah er mich an. Er hatte begriffen, dass ich über seinen Vater sprach. „Er hat einen gütigen und entschlossenen Mann ermorden lassen. Weil er dessen Position einnehmen wollte!“ Verzweifelt warf ich die Hände in die Luft.
 

„Halt den Mund, du dummer Mann!“, fuhr Madara mich an. Ich warf ihm nur einen wütenden Blick zu. „Und weil du dachtest, du würdest es werden, hast du dich nicht als Verantwortlicher der Aktion geoutet, nicht wahr?

Und dann wurde dein Bruder Fugaku zum Polizeichef ernannt. Da hast du beschlossen, Sasuke zu deinem Werkzeug zu machen, huh?“ Ich ballte die Hände zu Fäusten, während Sasuke unsicher wirkte. „Madara-oji-san?“, fragte er leise. Der Mann schnaubte auf. „Du wolltest ihn deinem Bruder entfremden“, sagte ich, „Du wolltest, dass ihm die Schuld gegeben wird, in der Hoffnung, dass seine Verhaftung auf Fugaku zurück fiele und er sich aus dem Dienst zurückziehen würde. Du hattest das schon jahrelang so geplant, nicht wahr?“
 

„Oji-san?“, fragte Sasuke, „Warum sagt der das?“ Er schien verunsichert. Was auch immer ihm durch den Kopf ging, meine Worte hatten etwas in ihm ausgelöst. Der ältere Mann erging sich in wüsten Beschimpfungen. „Oji-san!“, trat Sasuke einen Schritt näher an den Mann heran. Der Mann schlug mit dem Arm den zaghaften Versuch seines Neffen fort. „Nerv mich nicht!“, zischte er, „Du bist doch genauso unfähig wie mein Bruder und seine Frau! Und genauso unfähig wie diese Idioten von damals!“ Ich schnappte nach Luft.
 

In diesem Moment, als wir diese Worte hörten, ging ein Ruck durch den schwarzhaarigen Jungen. Er wirkte nicht bloß wütend, sondern rasend. „Du hast wirklich...!“ Er stolperte einen Schritt zurück. Wahrscheinlich begriff er jetzt, wie viele Jahre er an die Lügen dieses Mannes verschwendet hatte. „Es ist doch egal, was mit diesen Kreaturen passiert. Sie sind alle dumm und schwach. Wer schwach ist, verliert im Leben!“ Er sah uns alle drei an. „Es ist noch nicht vorbei. Und sie werden euch drei als die Schuldigen sehen. Wäre ja gelacht, wenn ich das nicht hinkriegen würde!“ Madara zog ein Messer und etwas, das wie eine Fernbedienung aussah.

Heiße Angst durchströmte mich. „Sasuke-kun, das ist der Zünder einer weiteren Bombe!“ Der Junge stürzte sich auf ihn, aber es war zu spät. Eine weitere Explosion, sehr viel heftiger als beide zuvor, warf uns beinahe von den Füßen. Ich spürte die Ausläufer der Druckwelle in meinem Rücken.

Weitere spitze Schreie vom Platz erreichten uns. Ich schluckte schwer, malte mir aus, wen es diesmal getroffen haben könnte. „Sasuke!“, hörte ich über das Klingeln in meinen Ohren hinweg Narutos Stimme, „Du musst zurück, hörst du? Sakura ist auch unter den Verletzten, du musst zu ihr! Hilf den Menschen dort, ich bitte dich! Dein Bruder und deine Eltern sind auch da!“ Endlich schienen unsere Worte zu dem Jungen durchzudringen. Er nickte schwer, seine Miene dennoch unergründlich. Dann rannte er an uns vorbei und zurück in Richtung des großen Platzes.

Endlich war ich überzeugt, den wahren Sasuke nach Jahren wieder sehen zu können. Ich wandte mich wieder Madara zu, doch er stürzte sich bereits auf mich. Überrascht stolperte ich nach hinten, ich wollte dem Schlag des Messers ausweichen. Doch er stürmte einfach weiter, hob erneut das Messer und schlug zu. Ich spürte den Schmerz durch meinen Bauch schießen. Gleich darauf sah ich nach unten und entdeckte das Blut. Madara zog das Messer heraus und hob es über den Kopf, um mir den letzten Schlag zu verpassen.
 

Von der Seite flog förmlich eine weitere Person auf uns zu. „Du Mistkerl!“, brüllte Naruto und ob die Faust, schlug mit aller Kraft zu. Madara lies von mir ab und stolperte wenige Zentimeter zur Seite. „Kleiner Dreckskerl“, zischte der Mann. Es waren die letzten Worte, die ich an diesem Tag von ihm hörte, denn Naruto war schon wieder da, noch bevor die letzte Silbe verklungen war. Er schlug erneut zu, beförderte den Mann zu Boden. Er schlug wieder zu, und immer wieder. Er war wie von Sinnen.

„Naruto!“, schrie ich. Längst schon war Madara bewusstlos, aber der Junge hörte einfach nicht auf. „Mistkerl!“, schrie er, „Du hast alle in Gefahr gebracht! Du wolltest Sakura-chan umbringen! Und Hinata-chan! Und Kiba und Shino und alle anderen! Du hast Sensei verletzt!“

Ich stolperte die wenigen Schritte auf ihn zu und fing seinen Arm ab, als der wieder nach oben schnellte, bereit für den nächsten Schlag. Endlich sah der Blonde mich an.

„Es ist gut, Naruto-kun“, murmelte ich. Ich umfasst seinen Arm fester, lehnte mich leicht an ihn. „Es ist gut, alles wird gut. Beruhige dich.“ Er lies den Arm sinken und sah mich an, als begreife er selbst nicht, was passiert war. Ich sah ihn an. Da schossen ihm die Tränen in die Augen. „Sensei“, er schluckte schwer. „Bist du schwer verletzt?“ Ich sah auf die Wunde, presst die Hand fester darauf.

„Nein. Hol die Leute hier her, wir brauchen Hilfe!“ Er nickte, stand auf und lief zurück.

Danach ging alles ganz schnell, Madara wurde festgenommen und für voll schuldfähig befunden. Ich wurde genäht und durfte zur Sicherheit einige Tage im Krankenhaus verbringen. Einige Menschen wurden schwer verletzt, aber wie durch ein Wunder kam niemand dabei um. Auch Sakura hatte keine bleibenden Schäden zurück behalten. Nach einhelliger Meinung gebührte der Respekt zwei Menschen:

Shikamaru und Naruto. Der Braunhaarige hatte sofort die Evakuierung des Platzes in die Hand genommen und die Krankenhäuser angewiesen, sich bereit zu halten. Naruto hatte den eigentlichen Täter überwältigt. Und was Sasuke anging – nun, der schien noch einmal davongekommen zu sein.
 

Sakura:

Als ich die Augen öffnete, spürte ich einen leichten Schmerz in meinem Arm. Kurz überlegte ich, weshalb das so war, als mir auch schon die Ereignisse einfielen, die dazu geführt hatten. Ich schlug die Augen auf und sah mich um, ohne den Kopf zu bewegen. Wie erwartet lag ich im Krankenhaus. Jetzt bemerkte ich auch den Geruch nach Desinfektionsmittel.

Dann fiel mir eine Bewegung ins Auge, die ich nicht erwartet hatte. „Sasuke-kun?“, fragte ich. Ich musste mich räuspern, weil meine Stimme ganz schwach klang. Er drehte sich zu mir um und setzte sich auf den Besucherstuhl. „Hn“, machte er. Dieser kleine Laut schoss durch meinen Körper und erzeugte ein Glücksgefühl, dass ich seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. „Schon wieder so einsilbig?“, lachte ich. Seine Mundwinkel verzogen sich nach oben.

„Sakura“, begann er, „Es...es tut mir Leid.“ Ich seufzte. „Was denn?“, fragte ich. Die Antwort war kurz, aber ehrlich. „Alles.“ Als er meine Hand nahm, blinzelte ich die Tränen aus meinen Augen. „Das sollte es auch. Blödmann.“ Ich lächelte ihn an und war einfach nur unendlich erleichtert, unseren Sasuke wiederzuhaben.

„Hör mal“, sagte ich nach einer Weile, „Ich...bin vielleicht ein bisschen dumm. Und ich kann nicht so viel, wie du und Naruto, aber ich...liebe dich. Und, also...wenn du meinst, dass du...also...“ Ich verstummte, weil ich meinem eigenen Gestotter nicht mehr zuhören konnte. Und er nickte einfach nur. „Ich werde es versuchen, wenn du es mir erlaubst.“ Ich nickte.
 

Naruto:

Es waren schon einige Tage vergangen, seitdem alles so aus dem Ruder gelaufen war. Ich war gerade auf dem Weg zu meiner besten Freundin, die heute aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ich konnte den Haupteingang schon sehen, als ich in der Eingangshalle einen rosa Haarschopf ausmachte. Ich beschleunigte meinen Schritt und ging durch die elektrischen Türen. Wie erwartet saß Sakura auf einem Stuhl und sah auf, als ich sie rief.

Ich trat zu ihr und hob die Hand. „Hey, du kannst es wohl gar nicht mehr erwarten, nach Hause zu kommen“, neckte ich sie. Sie streckte mir die Zunge heraus. „Geht es dir gut?“, fragte sie, „Also, wirklich gut?“ Ich nickte. Nachdem wir beide Schluss gemacht hatten, hatte ich mich lange nicht mehr gemeldet. Aus purer Angst, was dabei heraus kommen würde, wenn ich mich ihr stellte. Mir war klar gewesen, dass ich Sakura als meine Freundin verloren hatte, aber ich wollte nicht auch noch hören müssen, dass unsere Freundschaft ebenfalls beendet sei.

Erst vor einem Jahr hatten wir uns wieder getroffen, als es mir nicht so gut ging. Sie hatte erkannt, dass ich damals keinen weiteren Verlust ertragen hätte. Wie sie nun einmal war, hatte sie sich um mich gekümmert und dadurch waren wir irgendwie wieder zu Freunden geworden. Jedenfalls redeten wir wieder miteinander. Es war nicht mehr wie vorher, aber es war gut so, wie es jetzt lief.
 

„Ja“, antwortete sie mir endlich auf meine Frage von vorhin, „Meine Eltern kommen gleich wieder, nachdem sie den Papierkram erledigt haben. Und ich will keinen Tag länger als nötig hier bleiben. Zumindest nicht als Patientin.“ Sie sah den Gang entlang zur Anmeldung. Ich folgte ihrem Blick und entdeckte einen schwarzen Haarschopf neben ihren Eltern. Ich grinste. „Also...du und Sasuke, huh?“ Als sie nicht antwortete, blickte ich zu ihr. Sie biss sich auf die Lippen.

Ich begriff, dass sie Angst hatte, wie ich es aufnehmen könnte. Ich kniete mich vor sie und fing ihren verwirrten Blick ein. „Hör mal, Sakura-chan“, begann ich ernst, „Ich war damals derjenige, der die Sache zwischen uns beendet hat. Also brauchst du kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn du nach all der Zeit wieder glücklich bist. Ja? Ich würde mich freuen, wenn der Teme es endlich kapiert hätte.“ Sie fuhr mir mit einer Hand durchs Haar. Der andere Arm lag sicher in einer Schlinge. „Ach, Naruto. Ich hätte dich damals nicht so behandeln dürfen. Ich hätte dir mehr vertrauen müssen. Ich hab so geklammert, oder nicht?“ Verlegen sah ich zur Seite. Wie sollte ich ihr nur sagen, dass es so war, ich es aber sogar damals hatte verstehen können?
 

„Mh, du klammerst immer“, ertönte es neben uns. Wir sahen beide auf, ich stellte mich wieder hin. Zwischen uns dreien herrschte langes Schweigen. Bis ich es brach. „Hey, Teme.“ Er nickte leicht. „Hn. Dobe.“ Ich glaubte zu wissen, wie froh es mich machte, diesen Spitznamen wieder aus seinem Mund zu hören. Ich grinste ihn an. „Seit wann bist du denn hier?“ Wie zu erwarten war, wechselte er einen langen Blick mit unserer besten Freundin. Sie nickte ermunternd. „Seit ein paar Tagen. Heute schon seit einer Stunde.“ Ich sah zwischen den beiden hin und her. Dann klopfte ich Sasuke auf die Schulter und tätschelte Sakura den Kopf. „Na, wenn es läuft, dann läuft's.“ Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf und drehte mich um. „Ach ja, heute ist ein guter Tag.“ Ich hörte Sakura hinter mir lachen.

„Hey, ich will jetzt zu Hinata gehen. Sie hat die Aufregung ganz gut verkraftet. Vielleicht kommen wir nachher noch mal rüber?“ Sasuke rollte mit den Augen, das konnte ich in der Reflexion der Türen sehen. „Hn. Mach, was du willst, Dobe.“
 

Hinata:

„Und es geht ihr wirklich gut?“, fragte ich nach. Nur, weil ich meine Freunde schon länger nicht gesehen hatte, hieß das nicht, dass sie mich nicht mehr kümmerten. Besonders Sakura war mir immer wichtig gewesen. Sie hatte zwar damals unsere Abmachung gewonnen und war mit meinem Beschützer zusammen gekommen, aber die Entfernung hatte sie wieder auseinander getrieben. Es tat mir Leid, ich hatte nicht gewollt, dass das passiert. Eine Weile war er unglaublich traurig gewesen und ich hatte mich schuldig gefühlt, weil ich es gewesen war, die ihn dazu gebracht hatte, aus Konoha fortzugehen. Doch jetzt gerade wirkte Naruto regelrecht gelassen und fröhlich. „Ja. Wenn ich es dir doch sage. Und der Blödmann hat es auch endlich kapiert.“ Er lehnte sich zurück und pfiff anerkennend. „Heute hat er sie sogar vom Krankenhaus bis nach Hause gebracht. Wenn du magst, könnten wir sogar zu ihnen rüber gehen.“ Ich blieb einen Moment lang still. Hatte er damit wirklich das angedeutet, was ich herauszuhören geglaubt hatte?

„Du meinst...Sakura-chan und Sasuke-kun?“, fragte ich leise. Er lachte auf. „Yupp!“ Er sah mich an. „Möchtest du?“ Ich überlegte lange hin und her, mein Blick irrte ziellos durch den Raum. „Aber...ist sie denn nicht erschöpft, oder so? Und stören wir auch nicht?“ Er wuschelte mir durchs Haar, was mich empört aufschreien lies. „Na, das geht schon klar. Ich hab ja gefragt, bevor ich hier her gekommen bin.

Also, möchtest du?“ Ich nickte. „Wenn es in Ordnung ist, dann lass uns gehen. Ich möchte auch wissen, was eigentlich passiert ist.“ Und so sagten wir noch kurz meinem Vater Bescheid, dass wir außer Haus wären. Dann zog Naruto mir fürsorglich eine dicke Jacke an. Ich lächelte und meine Wangen wurden warm. „Danke, Naruto-kun.“ Er zog sich seine eigene Jacke an und nickte. „Es scheinen keine Reporter mehr draußen zu sein. Wir können also los.“ Ich nickte und öffnete die Tür.

Wie schon unzählige Male zuvor trat Naruto als Erster durch die Tür. Er sah sich alles an, bevor ich nach einem Zeichen ebenfalls das Haus verließ. Auch auf dem Weg zu den Harunos blieb er weiterhin wachsam, aber ich glaubte nicht daran, dass wir noch einen Angriff zu erwarten hatten. Deshalb war ich ganz ruhig und konnte seine Nähe voll und ganz genießen. Zaghaft schob ich meine Hand in seine. Ich kicherte, als er grinste und meine Finger fester umschloss.
 

Sakura öffnete uns selbst die Tür. Sie hatte immer noch einen Verband um den Arm und denselben in einer Schlinge, damit sie ihn ruhig hielt, aber ihr Gesicht war so lebhaft und fröhlich wie immer. Ich seufzte erleichtert, ihr schien es wirklich wieder gut zu gehen. Noch an der Tür fiel sie mir um den Hals. „Oh, Hinata-chan! Wie schön, dich endlich wieder zu sehen!“ Wir umarmten uns fest, dann ertönte die mahnende Stimme von Mebuki Haruno, die uns herrisch nach drinnen scheuchte. In Sakuras Zimmer angekommen setzte sie sich schwungvoll neben Sasuke auf ihr Bett. Naruto schob mir den Sitzsack zu und nahm auf dem Boden platz.

Ich versuchte, auf dem unförmigen Ding so elegant wie möglich zu sitzen, weil mein Rock sonst verrutschen würde. Dann sah ich in die Runde. „Wie lange musst du dich noch schonen?“, fragte ich. Sie winkte ab. „Ach, nur noch ein paar Tage. Bald werden die Fäden gezogen und dann ist alles wieder in Ordnung. Aber du hast nichts davon getragen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Naruto-kun hat mich von dort weg gebracht, bevor die größte Panik ausbrach. Ich hab nur einen Schreck gekriegt.“ Sie nickte dem Blonden zu. „Hast du gut gemacht.“ Er wurde rot und kratzte sich verlegen den Kopf.
 

„Hn, wenigstens etwas.“ Wie immer schien Sasukes Kommentar nur dazu da zu sein, seine anderen Freunde zu necken. Und wie erwartet lachten wir alle. „Und du? Wie geht es dir, Sasuke-kun?“, fragte ich, was uns alle wieder ernst werden lies. Er sah aus dem Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt. „Ja“, sagte er leise, „Ich beginne langsam, zu begreifen.“ Mehr sagte er nicht dazu, aber wir begriffen alle, dass eine Wandlung mit ihm vor sich ging. Von Naruto wusste ich, dass sein alter Freund in den letzten Tagen erst sehr schweigsam gewesen war, sich dann aber mit der Polizei in Verbindung gesetzt hat, um seine Beteiligung an der Sache zu klären. Er fühlte sich schuldig und wollte Buße tun, obwohl er auch so davon gekommen wäre. Immerhin hatte man nur gesehen, dass er umher gelaufen war und die Leute vom Platz geholt hatte. Niemand hatte Madaras Worten Glauben geschenkt, nach denen er ein Teil des Anschlags gewesen sei. Er hätte auch das Gegenteil behaupten und damit durchkommen können. Doch Sasuke hatte sich anders entschieden. Irgendwo bewunderte ich ihn ein klein wenig dafür, wie gerade heraus er sein konnte.
 

Ich sah zu Naruto, der leicht gequält wirkte. Er war immer noch einer von dreien, die nie wütend auf ihn gewesen waren. Die anderen zwei Menschen waren Sakura und ich. Selbst seine Familie hatte einige Tage gebraucht, bis sie verstanden hatten, dass er vom eigenen Onkel hereingelegt worden war. Und auch dann hatte es einige Strafpredigten gehagelt. Naruto hatte gemeint, er habe das Donnerwetter von Sasukes Vater Fugaku noch auf der Straße gehört.

Sein Bruder und dessen Frau hatten meinen blonden Beschützer gar nicht mehr gehen lassen, so dankbar waren sie ihm. Anscheinend hätten sie vollstes Verständnis dafür gehabt, wenn Sasuke auch jetzt noch komplett allein gewesen wäre. Aber Naruto war schon immer anders in diesen Dingen. Und ich wusste, wie wunderbar das sein konnte.
 

„Ah“, machte ich verspätet, „Das ist doch gut. Oder nicht?“ Naruto nickte heftig. „Oh ja, das heißt nämlich, dass der Teme endlich nicht mehr auf das Geschwätz von irgendwelchen Trotteln hört.“ Ich sah, wie sich Sasukes Mundwinkel nach oben zogen. „Hn“, machte er, „Dann müsste ich ja aufhören, auf dich zu hören.“ Sofort sprang der Blonde auf, plusterte beleidigt die Wangen auf. „Ey!“, maulte er, „Das war jetzt sowas von gemein, Teme!“ Ein Laut entfuhr Sasukes Kehle, welcher beinahe wie ein Lachen klang. „Hn, Dobe.“ Sakura und ich lachten.
 

Auf dem Rückweg bemerkte ich eine zarte Veränderung. Naruto blieb nicht bloß in meiner Nähe, er schritt nicht einfach nur neben mir her, nein, er legte einen Arm um mich und zog mich an sich heran. Ohne direkte Bedrohung vor Augen hatte er das noch nie gemacht. Aber jetzt schien es ihm richtig.

„Es ist toll, dass die beiden wieder so lebhaft sind“, bemerkte ich. Er gab einen zustimmenden Laut von sich. Ich lächelte in mich hinein und kuschelte mich noch enger an ihn, damit ich seinen Duft riechen konnte. Von jetzt an würden die Tage wohl weitaus entspannter vergehen.

Vier Jahre später; das Haus der Hyuugas

Sakura:

„Naruto!“, rief ich schon beim Eingang, „Alles Gute zum Geburtstag!“ Er lachte und nahm mich hoch. Mit mir in den Armen drehte er sich fröhlich einmal um sich selbst. Ich kreischte begeistert auf. Neben uns schnaubte Sasuke leicht. „Hört ihr auf, hier rumzuflirten?“, murmelte er. Wir trennten uns wieder voneinander und ich überreichte unserem besten Freund das Geschenk, welches wir beide ausgesucht hatten. „Danke“, meinte er und ging mit uns hinein. Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass Hinata es geschafft hatte, ihren Vater hierzu zu überreden. Eine Geburtstagsfeier für den Bodyguard seiner Tochter im eigenen Haus. Wie nur hatte dieses zierliche Geschöpf es geschafft, den strengsten Menschen von ganz Konoha so um den Finger zu wickeln? Hiashi Hyuuga schien mittlerweile alles zu tun, was seine älteste Tochter sich wünschte.
 

Drinnen war der Raum nicht sonderlich geschmückt – etwas, was Naruto sich gewünscht hatte. Er wollte kein großes Chaos in einem Haus hinterlassen, welches nicht ihm gehörte. Er legte das Geschenk zu einem ganzen Haufen anderer Präsente auf einem riesigen Tisch. Am meisten freute mich, dass er endlich das hatte, was er sich wohl all die Jahre gewünscht hatte. Eine große Geburtstagsfeier mit vielen lieben Menschen, die zu seinen Freunden geworden waren. Es war schön, dass er sich auch als erwachsener Mann noch darüber freuen konnte. Ich sah in seinen Augen, dass es so war.
 

„Uhm, kann ich euch kurz allein lassen?“, fragte Naruto und wirbelte kurz hin und her. Ich lachte und knuffte ihn in die Schulter. „Geh schon, du Held von Konoha!“ „Wir sind hier, wenn du uns suchst“, brummte Sasuke zustimmend. Und schon rauschte unser Geburtstagskind davon.
 

Nach einigen Minuten kam er allerdings wieder, diesmal mit einem bekannten Gesicht im Schlepptau. „Sensei“, stammelte ich überfordert. Er hatte sogar unseren alten Grundschullehrer eingeladen?

„Oh, ihr seid auch schon hier?“, murmelte Iruka Umino und wirkte sichtbar verlegen. Ich starrte ihn einen Augenblick lang ungläubig an. Dann fiel mein Blick auf Naruto, der uns mit einem zufriedenen Ausdruck auf dem Gesicht musterte.
 

„Was soll das hier werden, Dobe?“, fragte Sasuke irritiert. Er wusste also auch nicht, was das alles hier sollte. Das schien allerdings auch Iruka und mir so zu gehen. Er sah zu dem gar nicht mehr so kleinen Jungen neben sich.

„Ja, also das ist so“, begann Naruto und wirkte sichtlich verlegen, „Ich wollte bevor es losgeht – also so richtig losgeht – noch etwas sagen. Also, zu euch allen dreien. Deshalb...“ Er machte eine Geste, die ich nicht verstand. Vielleicht hatte sie auch keine Bedeutung sondern diente nur dazu, seine Nervosität unter Kontrolle zu halten.

Er räusperte sich. „Ich wollte euch danken. Euch allen. Dafür, dass ihr an mich geglaubt habt und immer für mich da gewesen seid. Selbst da, als mich noch niemand wirklich gesehen hatte. Ich weiß, dass ich nur durch eure Unterstützung so weit gekommen bin. Danke dafür!“ Er verbeugte sich vor uns. Ergriffen bekam ich erst einmal keinen Ton heraus. Sasuke neben mir blieb auch stumm vor Verblüffung. Dafür standen unserem alten Lehrer die Tränen in den Augen. „Naruto-kun!“, nuschelte er. „Komm, steh wieder auf. Ich weiß doch, wie gern du uns hast!“ Er schien einfach nur zu reden, damit überhaupt jemand etwas sagte. Naruto erhob sich zwar aus seiner Position wieder, lächelte aber dennoch. „Da wäre aber noch etwas, Sensei“, wandte er sich an den Mann. Er setzte dreimal an, bevor er den Satz heraus brachte. „Hinata und ich wollen demnächst heiraten.“ Ich machte einen Laut, der meiner Freude Ausdruck verleihen sollte. Sasuke grunzte überrascht auf. „Echt jetzt?“, fragte er. Ich hüpfte einmal kurz auf und ab und warf mich dem Blonden dann in die Arme. „Oh Gott, ich freue mich so für euch“, jubelte ich. Naruto lachte auf. „Es weiß eigentlich noch keiner“, meinte er mit Blick den Flur entlang auf den Türbogen zum Wohnzimmer, wo die restlichen bereits eingetroffenen Besucher feierten. Keiner schien bei der lauten Musik etwas von unserem Gespräch mitzubekommen. „Ich hatte vor, es heute Abend zu sagen. Hinata habe ich formell schon gefragt und ihr Vater weiß auch Bescheid. Aber ihr seid die ersten, die davon erfahren.“ Er drückte mich leicht, dann schob er mich von sich.

„Aber euch auch Glückwunsch. Zu eurer Verlobung“, meinte er und knuffte Sasuke in die Schulter.
 

Erst dann wandte er sich wieder an unseren Lehrer, der wohl gedacht hatte, er sei nicht mehr weiter wichtig. „Iruka-sensei“, meinte er fest. Dann verließ ihn aber auch schon wieder der Mut. Er wippte von einem Bein aufs andere und sah uns hilfesuchend an. Da ich aber keinerlei Ahnung hatte, was genau er eigentlich wollte, konnte ich nur mit den Schultern zucken.

„Würden Sie bei meiner Hochzeit den Platz meines Vaters einnehmen?!“, platzte es dann aus unserem blonden Freund heraus. Ich schlug die Hände vor den Mund und kämpfte gegen die Tränen an. Sasuke reichte mir kommentarlos ein Taschentuch. Und unser Lehrer? Tja, der schien sich mit aller Macht das Heulen zu verkneifen. Ohne großen Erfolg, wie ich anmerken musste – seine Augen waren vor lauter Tränen ganz klein, weil er durch zusammenkneifen versuchte, sie nicht fließen zu lassen. Er brachte nichts heraus, nickte aber heftig.

„Ich glaube, das soll Ja heißen“, sagte Sasuke nüchtern. Ich sah zu ihm, einen bissigen Kommentar zu Situationen und dem passenden Tonfall auf den Lippen, als ich bemerkte, wie er sanft lächelte. Ihn rührte das hier also auch.

Wortlos drückte unser Lehrer seinen Lieblingsschüler an sich. Naruto grinste, mit sich und der Welt zufrieden. Ich beschloss, die baldige Braut zu suchen. „Weißt du, wo Hinata ist? Ich will ihr gratulieren!“ Er nickte ins obere Stockwerk, war ansonsten noch ganz damit beschäftigt, unseren nun wirklich heulenden Sensei von sich loszueisen.
 

Hinata:

Ich lachte, als ich ein Stakkatoklopfen an meiner Zimmertür hörte. So konnte sich nur eine benehmen. Eine super aufgedrehte Sakura. „Ist offen!“, rief ich und sah zu Hanabi, die verdattert aussah, als meine beste Freundin ins Zimmer stürmte und aufs Bett sprang, um mich mit einer wahnsinnig kräftigen Umarmung umzuwerfen. „Onee-san!“, rief sie schockiert, aber ich lachte laut auf. „Sakura-chan! Ich nehme an, du weißt es?“ Sie quietschte auf. „Und wie ich es weiß, Naruto hat es mir gerade gesagt!“ Dann erst lies sie von mir ab und wir konnten uns aufsetzen. Sofort nahm sie meine Hände in ihre. „Oh, wie war es? Hat er dir romantisch einen Antrag gemacht? Ist er auf die Knie gegangen? Sag schon!“, verlangte sie zu wissen. Ich machte eine beschwichtigende Geste. „Immer eins nach dem anderen, ja?“

„Onee-san? Wovon redet Sakura-san da?“ Ich sah meine Schwester an. „Naruto-kun hat mir einen Antrag gemacht“, sagte ich. Hanabis Augen begannen zu leuchten. „Wann?“, fragte sie begeistert, „Wo? Wieso hast du mir nichts gesagt?“
 

„Also“, begann ich langsam. Wo sollte ich bloß anfangen? „Ihr wisst ja, dass ich in den letzten Jahren noch zwei Tourneen gemacht habe?“ Sie nickten unisono. „Naja, und nach der ganzen Sache mit Madara hatte sich was verändert. Ich hab erst gar nicht bemerkt, das er mir Signale senden wollte. Er war ganz schüchtern und hat sich erst getraut, als wir mal wieder in Kirigakure waren. Ihr wisst schon, da, wo sein Freund Gaara lebt.“ „Der Brieffreund?“, fragte Sakura dazwischen. Ich nickte. „Seine Familie ist dort total einflussreich. Temari ist übrigens seine Schwester.“ Einen Moment später sahen wir drei uns an. „Du meinst die Temari, nach der Shikamaru zur Zeit ganz verrückt ist?“ Wieder war es Sakura, die die Frage stellte. Erneut nickte ich. „Seinem Bruder Kankuro gehören mehrere Eventhallen in der Umgebung. Er bezeichnet sich selbst gern als Strippenzieher oder Puppenspieler.“ Der Humor der Familie Sabakuno war schon was besonderes. „Jedenfalls hat er mich kurz nach dem Soundcheck gefragt, ob ich es mal mit ihm versuchen möchte.“ Meine kleine Schwester schnappte nach Luft. „Einfach so?“ Ich lachte auf. „Es ist Naruto-kun. Was hast du erwartet?“ „Das ist so romantisch!“, warf Sakura ein. Ich konnte mir vorstellen, dass sie bei dem wortkargen Sasuke Uchiha alles als romantisch empfand, was über dessen typischen Laut hinaus ging.

„Und nach ein paar Jahren hat er mir gestanden, dass er von Anfang an ans heiraten gedacht hatte. Er ist zwar nicht auf ein Knie gegangen, aber er hat gesagt, ihm wäre klar geworden, dass er seit dem ersten Tag an nur noch sein Leben mit mir verbringen wolle. Naja, seit er begriffen hatte, was ich für ihn bin.“ Ein verzückter Laut entfuhr beiden.

„Und dann?“, fragten sie wie aus einem Munde. Ich lief rot an. „Dann hat er mir einen Ring angesteckt und mich geküsst.“ Nun schnappte Sakura nach Luft. „Ein Kuss?!“ Ich nickte leicht beschämt. „Und dann bin ich in Ohnmacht gefallen“, gestand ich. Sie lachten auf.
 

Kakashi:

Ich klingelte am Eingangstor und sah zu der riesigen Villa auf, die sich nach einem kurzen Wegstück regelrecht mächtig erhob. Warum nur war ich hier? Nur, weil dieser Chaot mich eingeladen hatte? Ich war mir sicher, er hatte die halbe Stadt hier hergeholt. Und nun war ich hier, in meinem einzigen guten Anzug, den ich mit einem T-Shirt unten drunter aufgelockert hatte. Immerhin hatte er mir geschrieben, ich könne ruhig lockere Kleidung tragen. Das hier war meine Vorstellung davon – zumindest auf einer Feierlichkeit, gleich welchen Anlasses.
 

Das Tor wurde geöffnet und ich taperte den Weg entlang. An der Haustür angekommen ging ich hinein und wurde vom Hausherren persönlich begrüßt. „Hatake-san“, gab er mir die Hand. Ich nickte. Fragend hob ich mein Geschenk hoch und sah mich um. „Wo ist denn das Geburtstagskind?“ Er lachte. „Im Wohnzimmer, gehen Sie nur durch.“ Ich folgte dem Fingerzeig und begab mich aus dem Flur durch einen großen Torbogen in eine riesige Halle, die wohl als Wohnzimmer durchging.

Dort drin wurde ich erst einmal gar nicht wahrgenommen. Sämtliche Augen lagen auf dem Geburtstagskind und dessen Schützling. Hinata stand recht nahe an dem Blonden und er sah gerade zu ihr. Sie nickte ihm zu.

Als er sich umdrehte, schien er mich in der Bewegung wahrzunehmen. Ich hob die Hand und nickte. Er sagte etwas zu Hinata, was ich nicht verstand und kam dann auf mich zu. „Hatake-sensei“, sagte er fröhlich, „Schön, dass Sie auch gekommen sind!“ Ich überreichte ihm mein Geschenk, welches er auf einen Tisch legte. Dann reihte ich mich neben Iruka Umino ein. Er sagte nichts zu mir, gab nur kurz ein Zeichen, dass er mich gesehen hatte, bevor er wieder zur Hauptperson sah. Verwundert blinzelte ich und folgte seinem Beispiel.
 

„Also“, begann Naruto, der zusammen mit Hinata etwas weiter vorne vor allen anderen stand, „Wie ich eben schon meinte: Wir haben euch was zu sagen.“ Regelrecht liebevoll sah er zu dem Mädchen neben sich. Ich schluckte in der Stille schwer. Ich fühlte mich wie in einem Film, der gerade eine unschöne Wendung machte. Doch er redete weiter, als bemerkte er mich nicht. Vielleicht tat er das wirklich nicht.

„Hinata und ich sind in den letzten Jahren ziemlich zusammen gewachsen. Und wir haben eine Zeit davon gemeinsam verbracht. Und jetzt haben wir uns entschieden. Wir zwei werden heiraten!“ Er schnaufte, als wäre er froh, den Satz endlich herausgebracht zu haben. Ich stand da wie erstarrt.

Ino Yamanaka brach sofort in Jubel aus. Temari Sabakuno klatschte locker in die Hände. Inuzuka brach in Tränen aus, als seien damit endgültig seine letzten Hoffnungen begraben. Insgesamt setzten sich die lautstarken Glückwünsche und bewundernde Pfiffe durch.

Iruka neben mir lächelte sanft. „Endlich ist der Junge zur Ruhe gekommen“, murmelte er. Ich sah zu ihm. „Du wusstest davon?“, fragte ich. Er zuckte mit den Schultern. „Er hat es mir erst vor ungefähr einer halben Stunde gesagt. Kurz bevor du auch kamst.“ Seine Stimme klang ehrlich. Ich seufzte schwer. „Kommt davon, wenn du ständig zu spät bist!“, neckte er mich. Ich versuchte mich an einem Lächeln, schien aber keinen großen Erfolg zu haben. Sein Blick wirkte besorgt. „Was hast du?“ Ich schüttelte nur mit dem Kopf.
 

Nach zwei Stunden hatte sich die Aufregung um die große Nachricht etwas gelegt. Die Gäste der Feier hatten sich in Grüppchen im Raum verteilt. Die kleine Hyuuga schien förmlich auf einer Wolke aus Glück zu schweben. Selig grinste sie vor sich hin, wann auch immer sie in mein Blickfeld geriet. Jetzt gerade lachte sie mit ihren Freundinnen.

Ich blickte mich um. Alle waren da, nur der Hauptmensch des Abends fehlte. Im ganzen Raum war er nicht zu entdecken. Ich verließ das Wohnzimmer und suchte im Flur. Auch hier kein Anzeichen von bekanntem blondem Haar. Ich nahm die Treppe ins Auge. Kurz vor den Stufen wurde ich von Hanabi Hyuuga angesprochen. „Suchen Sie etwas, Herr …?“ Sie hob verwirrt eine Augenbraue. Anscheinend war es ihr peinlich, meinen Namen nicht zu wissen. „Hatake“, half ich aus, „Und ja, ich suchte Naruto-kun.“ Sie sah erleichtert aus, als helfe mein Name ihr tatsächlich weiter, wie sie mich einordnen sollte. „Oh, er ist oben in seinem Zimmer. Der Moment, den er für sich wollte, ist eh gleich vorbei, gehen Sie ruhig rauf. Es ist das letzte Zimmer links auf dem Gang.“ Sie verbeugte sich höflich vor mir, drehte sich um und sauste in das Zimmer, welches ich eben erst verlassen hatte. „Onee-sama!“, hörte ich sie glücklich rufen, „Herzlichen Glückwunsch!“ Schien so, als würde die nächste Runde der erfreuten Quietscher der Damenwelt nun beginnen. Grund genug, mich etwas abzusetzen.
 

Die Tür war nur angelehnt, wie ich bei leichter Berührung feststellte. Kurz fragte ich mich, warum er jetzt schon ein Zimmer in diesem Haus besaß, verwarf das aber schnell wieder. Ein Beschützer ist am effektivsten, wenn er nicht erst durch die halbe Stadt rennen musste, sollte in der Nacht etwas geschehen. Logisch, dass er einen Raum zugewiesen bekommen hatte. Mich erstaunte nur die Größe und der Luxus, der innen zu sehen war. Hatte diese Familie überhaupt ein einzelnes, normales Zimmer zu bieten? Oder sahen alle aus wie gerade einem hoffnungslos überteuerten Einrichtungsprospekt entsprungen?

Und irgendwie wirkte Naruto in seiner schwarzen Hose und dem hochwertigen Hemd gar nicht so fehl am Platze, wie ich gedacht hätte. Er hatte lediglich die Ärmel bis auf Ellbogenhöhe hochgekrempelt und er trug keine Krawatte. Vorher hatte er auch noch eine schwarzgraue Weste getragen, doch die sah ich nun über der Lehne eines Stuhls hängen. Ein Schreibtisch mit sämtlichen Utensilien für eine tadellose Buchführung. Ein riesiges Bett, viel zu groß für eine einzelne Person. Ein Nachttisch mit einer einzelnen Lampe und einem weißen Wecker. Und Fenster. Riesige Fenster vom Boden bis zur Decke, die am Tag sicherlich viel Licht herein ließen. Der Ausblick musste unglaublich sein.
 

Jetzt aber sah ich nur Naruto, wie er vor einem der Fenster stand und in die Dunkelheit hinaus sah. Ich räusperte mich. Er drehte sich um, der müde Ausdruck verschwand nicht schnell genug, als dass ich ihn nicht gesehen hätte. „Oh, hey, Sensei“, murmelte er. Er klang irgendwie traurig. Bildete ich mir das nur ein, weil ich selbst mich so fühlte? Er kam nicht auf mich zu, sagte nichts weiter, sondern sah mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte. Ich machte einige Schritte in das Zimmer hinein. Schloss die Tür hinter mir. Augenblicklich war es dunkel bis auf das Leuchten der Nachttischlampe. Der Mond kam hervor und sendete von außen etwas Helligkeit.

Still sahen wir beide uns einen Augenblick an. Dann ging ich zum Bett und sah auf die perfekt gefaltete Decke herab. Viel zu farblos für sein persönliches Reich.

„Willst du mir gratulieren, Sensei?“, fragte er leise. Er kam zu mir, blieb wenige Schritte neben mir stehen. Ich spürte, wie er auf etwas wartete. Worauf? „Ich kam ja bisher noch nicht dazu“, meinte ich. Er schwieg so lange, dass ich zu ihm sah. Ja, ich hatte Recht gehabt, wir waren jetzt gleich groß, seine Augen waren auf der Höhe meiner angekommen.

Dieselben Augen, die mich jetzt gerade intensiv ansahen. Er öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, dann jedoch entkam ihm kein Laut. Er verschloss seine Lippen wieder zu einem dünnen Strich und schüttelte den Kopf. Ich runzelte verwirrt die Stirn. Wir schwiegen uns wieder einmal an, was sich falsch anfühlte. Ich holte so tief Luft, dass er es hören musste.

„Was wolltest du sagen, Uzumaki?“ Er zuckte kurz zusammen, seufzte aber. „Ich hab dein Geschenk noch nicht ausgepackt“, bemerkte er. Eine sinnlose Aussage, er würde sämtliche Geschenke erst auspacken, wenn alle Gäste gegangen waren. „Würdest du mir sagen, was es ist?“, fragte er. Ich hob die Augenbrauen und löste meine vor der Brust verschränkten Arme, schob meine Hände in die Hosentaschen. „Wieso willst du das denn wissen?“, fragte ich, „Wenn du so neugierig bist, dann man es doch jetzt gleich auf.“ Wäre immerhin nicht das erste Mal, dass er mit aller Etikette brach.
 

Er verzog den Mund missmutig. „Ich will aber von dir wissen, was du mir schenkst!“, beharrte er, „Ich kann mir echt nicht vorstellen, was es sein könnte!“ Entgegen aller Erwartungen musste ich ein Lachen unterdrücken. Manche Dinge änderten sich wohl nie! „Dann streng doch mal dein Hirn an!“, neckte ich gutmütig. Sein Lächeln war zu ernst, das kurze Auflachen zu nervös, um die aufgeheiterte Stimmung zu halten. Mein Grinsen verblasste ungesehen. „Weißt du, Sensei“, sagte er langsam, „Ich kann dir nur sagen, was ich gern von dir hätte.“

Ich schluckte, während er ein paar Schritte nach vorn trat und jetzt direkt zwischen dem Bett und mir stand. Er drehte mir den Rücken zu, aber nicht für lange. Als er sich umdrehte, fuhr mir sein Blick bis ins Mark. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und sah mich beinahe scheu an. Sein Atem wurde tief, er lies die Luft ganz langsam entweichen. Ich unterdrückte den Impuls, mir nervös durchs Haar zu fahren.

„Und was wäre das, Uzumaki?“ Meine Stimme klang nicht rau, aber ich war definitiv nervös. Naruto trat ganz nah an mich heran, seine Lippen nur wenige Zentimeter von meinen entfernt. „Dass du mich jetzt küsst“, erklärte er leise. Ich zuckte zurück, tat einen halben Schritt nach hinten. „Uzumaki!“, begehrte ich auf, „Lass die Scherze!“ Ich wollte mich beruhigen und ihm vor allem nicht zeigen, wie sehr er mich mit dieser Aussage traf. Er folgte mir auf dem Fuße, seine Hände klammerten sich an mein Jackett. „Du weißt, dass ich keine mache!“, sagte er, „Du weißt, warum ich das sage!“ Ich wollte nur noch, dass er mich losließ, damit ich aus dem Zimmer flüchten konnte. War er jetzt völlig verrückt geworden? Erst verkündete er seine Verlobung mit der jungen Hyuuga und nur wenige Stunden später bat er mich um das?! Was ging in seinem Kopf vor sich?!

„Lass mich los. Bist du betrunken?“ Aber ich wusste, dass er es nicht war. Naruto hatte noch nie viel vom Alkohol gehalten und trank fast gar keinen.
 

Plötzlich lies er mich los. Völlig unvorbereitet verharrte ich an Ort und Stelle. Seine Augen füllten sich mit Gefühlen. „Ich dachte...“ Er sah zu Boden, seine Wangen wurden rot. Meine Zurückweisung schien ihn tief zu treffen. „Ich dachte“, sagte er wieder, „dass du es so gemeint hattest. Als du mich damals...“ Seine Stimme brach ab. Er schluckte schwer und biss sich auf die Lippen. Der Anblick brach mir schier das Herz. Ich konnte es doch nicht einfach so stehen lassen.

„Ich weiß nicht, was du gedacht hast“, sagte ich leise, „Du bist ja einfach weggelaufen.“ Er konnte mich immer noch nicht ansehen. „Ich war verwirrt. Weil...“ Unbestimmt fuchtelte er mit den Händen herum. „Weil?“, hakte ich nach. Er atmete tief durch und sah mir direkt in die Augen.

„Weil ich nicht erwartet hatte, so dabei zu fühlen. Das hat mich umgeworfen, Sensei.“ Für einen Moment vergaß ich das Atmen.
 

„Was denn gefühlt?“, wollte ich wissen. Ich wollte ihn dazu bringen, mir alles zu sagen. Meine Stimme wurde drängend. Ich trat wieder näher an ihn heran. Ort, Zeit und Umstände dieses Gespräches waren vollkommen vergessen.

„Ich-“, er schien überfordert, „Ich wusste nicht, dass ich so bin. Du hast mich überrascht. Das alles hat mich überrannt.“ Das war keine Antwort auf meine Frage. Ich packte ihn an den Schultern. „Was war da?“, fragte ich eindringlich. Er sah mich flehentlich an. „Warum küsst du mich nicht einfach?!“ Seine Augen waren glasig vor ungeweinten Tränen. Es war alles, was ich gebraucht hatte. Ich beugte mich nach vorn und meine Lippen krachten auf seine.
 

Unser Kuss war nicht sanft oder zögerlich, sondern ziemlich hart und im ersten Moment auch etwas kalt. Dann flogen seine Hände nach oben, legten sich um meine Schultern und schoben somit automatisch meine Hände nach unten. Ich umfing seinen Oberkörper mit meinen Händen. Seine Seiten waren selbst durch den Stoff des Hemdes warm. Ich zog ihn näher an mich heran und erst dann wurden wir langsamer. Sanfter, zärtlicher. Eine seiner warmen Hände schob sich nach oben und legte sich um meine Wange. Er öffnete im selben Augenblick die Lippen und seine Zunge schob sich an meine Unterlippe. Ich unterdrückte ein Seufzen.

Es dauerte nicht lange, bis ich meinen Mund ebenfalls öffnete und wir uns vorsichtig aneinander heran tasteten.

Und es blieb nicht nur dabei, wir wurden immer mutiger. Sein Atem traf mich im Gesicht, wann immer wir uns kurz voneinander lösten und nach Luft schnappten. Ich zog ihn so nahe an mich heran, dass sich unsere Körper fast gänzlich berührten. Meine Finger glitten zum Bund seiner Hose.

„Wir sollten das hier nicht tun“, murmelte ich leise zwischen zwei Küssen. Er nickte hektisch. „Ich weiß.“ Wir stoppten und sahen uns an. „Was tun wir hier, Naruto?“, fragte ich. Er lehnte seine Stirn gegen mein Schlüsselbein. „Wir tun, was unsere Gefühle uns sagen“, meinte er schlicht. Meine Finger zogen sein Hemd aus der Hose und glitten darunter. Die warme Haut zuckte unter meiner Berührung zusammen. Ich drückte meine Lippen an seinen Hals. Er seufzte auf.
 

„Schlaf mit mir, Sensei“, flüsterte er in mein Ohr, was meine Hände zum Stillstand brachte. Ich zögerte lange genug, sodass er mich wieder ansah. „Willst du nicht?“ Ich schien das Sprechen verlernt zu haben. Aber dennoch schüttelte ich den Kopf. Ich konnte das doch nicht tun. Hier? Ausgerechnet heute? Waren wir so verrückt?

Er schob seine Hüfte gegen meine. „Nur ein Mal“, wisperte er, „Und dann werde ich nie mehr darüber reden.“ Seine Berührung brannte sich durch meinen Körper. „Warum reden wir dann nicht mehr darüber?“, fragte ich. Er schüttelte den Kopf und verschloss seine Lippen mit meinen. „Denk nicht daran, denk nur an jetzt.“ Und ich ließ mich fallen. Meine Hände fanden die Knöpfe seines Hemdes und ich begann sie zu öffnen.
 

Seine Finger fuhren über meine Brust und neckten meine Muskeln. Müde sah ich an die Decke und erinnerte mich selbst daran, nicht einzuschlafen. Wir bewegten uns nur deswegen leicht, damit uns die Müdigkeit nicht übermannte.

„Weißt du“, begann er leise, „Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, habe ich gedacht, du wärst ein furchtbarer Mensch.“ Ich grinste. „Und warum dann nicht mehr?“ Seine Hand stoppte und legte sich flach auf die Stelle zwischen Hals und Schulter. „Du hast dich darum gekümmert, dass ich die Klasse schaffe. Du hast dich um mich gekümmert. Das hat damals keiner.“ Ich hatte schon fast vergessen, wie furchtbar die Menschen dieser Stadt damals zu ihm gewesen waren. Es erschien so weit weg, als wäre es in einem anderen Leben passiert. „Na, ich war wohl nicht der Einzige“, bemerkte ich und dachte an Iruka. Er lachte auf. „Nein, keiner der Erwachsenen. Ich hatte ja keine Ahnung, warum ich so gemieden wurde.

Und du hast mich so oft verteidigt, das habe ich so manches Mal mitbekommen.“ Meine Augen weiteten sich etwas. Falls das wahr wäre, hatte er diese Tatsache sehr gut verbergen können. Mit einem Arm angelte ich quasi nach ihm und zog seinen immer noch verschwitzten Körper auf meinen. Er presste seine Wange an mich und ich lies die Arme nach unten zurück auf das Bettlaken sinken. „Ich habe dich nur noch mehr gemocht, als du mich in der Bar gerettet hast. Und noch mehr, als du mir deine Hunde anvertraut hast. Das hat mir viel bedeutet.“ Als ich nach unten zu seinem Gesicht schielte, sah ich ihn versonnen lächeln. „Ich gebe meine Hunde nicht in jedermanns Hände“, sagte ich. Er drückte einen Kuss auf die Haut, die er ohne große Bewegung erreichen konnte. „Und als ich krank wurde und dann wieder aufwachte, war das bei dir zu Hause. Als ich dein Gesicht gesehen habe, fühlte ich mich sicher.“ Ein warmes Gefühl durchströmte mich. „Du warst immer für mich da, wenn ich dich gebraucht habe. Auch auf dem Friedhof. Ich war so durcheinander und ich dachte, ich wäre ganz allein auf der Welt. Und dann warst du einfach so da. Ausgerechnet an diesem Tag.“ Er lachte wieder auf, doch ich hörte die traurige Note heraus.
 

„Wer hat dir damals eigentlich gesagt, was los ist? War es wirklich Uchiha?“ Ich spürte, wie er schluckte. „Ja. Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade mit Hinata von ihrer ersten Tournee wieder da. Ich hatte gerade versucht sie zu fragen, ob wir es nicht miteinander versuchen wollten.“ Der Satz stieß mir bitter auf und ich hob einen Arm um ihn um seine Hüfte zu schlingen. Ich drückte ihn an mich. „Sasuke tauchte auf, als Hinata mir gestand, dass sie mich lieben würde. Er ist völlig ausgeflippt und hat sie gefragt, ob sie denn verrückt wäre. Er meinte, so etwas wie mich könnte sie gar nicht mehr lieben, wenn sie die Wahrheit wüsste. Und dann hat er mir ins Gesicht geschrien, dass ich Schuld am Tod des meist geliebten Bürgers von ganz Konoha wäre. Und, dass ich sogar schon am Tag meiner Geburt meine eigenen Eltern getötet hätte.“ Er verstummte und schloss die Augen – ich konnte spüren, wie seine Wimpern über meine Haut strichen, so fest presste er sein Gesicht an mich. „Das ist nicht wahr!“, begehrte ich auf. Mich brachte es immer noch in Rage, wie schlimm es ihn damals getroffen hatte und wie naiv Uchiha seinem Onkel gefolgt war. Er hatte eine jahrelange Freundschaft einfach so mit Füßen getreten.

„Ich weiß, ja. Aber das hast du mir damals erst sagen müssen. Ich fühlte mich so wohl bei dir, dass ich gar nicht mehr gehen wollte. Als du gesagt hast, dass mein Vater sich um dich gekümmert hat, habe ich nur gedacht Warum haben wir uns nicht schon viel früher getroffen? Und dann hast du mich geküsst.“ Sein Lachen klang verlegen. Ich grinste ebenfalls. „Oh ja, ich erinnere mich“, scherzte ich. Als ob ich das jemals vergessen könnte.

Er nickte, was ich wieder nur anhand der Bewegung spüren konnte. „Ich war ganz durcheinander. Weil es mir so gefallen hat. Weil ich mir gewünscht hatte, dass du weitermachst. Und das hat mich so geschockt, ich bin aufgesprungen und abgehauen. Ich habe wochenlang daran gedacht und war richtig erschrocken über mich selbst. Ich habe nie gedacht, dass ich mal so fühlen könnte. Also, für jemanden wie dich.“ Er hob den Kopf und sah zu meinem Gesicht. „Ich habe es irgendwann akzeptiert. Und von da an konnte ich keinen Tag mehr leben, ohne den Wunsch, dich wenigstens einmal so bei mir zu haben.“ Wir sahen uns an. Er erhob sich und angelte nach seiner Hose. Ich setzte mich auf und tat es ihm gleich. Wir waren schon viel zu lange hier oben.
 

Als wir beide wieder angezogen waren, drehte er sich wieder zu mir um. Seine Augen leuchteten mit einer Zufriedenheit, die mich magisch anzog. Ich streckte die Hand aus und fuhr ihm durchs Haar. „Ich werde Hinata-chan heiraten, Sensei“, sagte er und sah mich entschuldigend an. „Ich meine, ich liebe sie schon. Auch so, wie es sich gehört. Ich denke schon, dass ich sie glücklich machen kann und ich das auch werden könnte.“ Ich verstand durchaus, was er meinte. In unserer Gesellschaft galt man allgemein als tolerant, aber im Gesetz waren gleichgeschlechtliche Beziehungen benachteiligt. Wir würden Spott und endlosen Schwierigkeiten ausgesetzt sein – was er sich nicht für mich wünschte. Ich wollte auch nicht, dass er all die Anerkennung, die er endlich erhalten hatte, direkt wieder verlor. Wir beide hatten keine offizielle Zukunft miteinander.

So nickte ich sanft lächelnd. „Tu das“, sagte ich und entschied mich, nun genauso offen zu sein, wie er es zuvor gewesen war.

„Als ich dich das erste Mal gesehen habe, warst du nur ein kleiner, lauter Bengel für mich“, begann ich leise und langsam, „Ich hatte deinen Nachnamen gehört und ich wollte einfach so tun, als hätte ich dich nie gekannt.“ Ich hatte seine volle Aufmerksamkeit. Also machte ich weiter. „Ich wollte vor mir selbst und meinen Erinnerungen weglaufen. Aber du hast mich nicht gelassen.

Je länger ich dich kannte, desto weniger bekam ich dich aus meinen Gedanken. Ich habe mir ständig Sorgen gemacht, ob sie dich auch nicht unfair behandelten.

Und als du dann verschwunden warst, weil du mit Hyuuga gegangen warst, habe ich nicht mehr begriffen, warum ich nicht mehr allein bleiben konnte. Ich habe mich bemüht, den Garten in Ordnung zu halten, aber es klappte nicht. Meine Hunde vermissten dich, mein Garten verwilderte. Und ich bin kaum noch aus den Haus gegangen.
 

Ich konnte noch nicht einmal wirklich glauben, dass du tatsächlich an mir vorbei liefst. Als ich dich auf dem Friedhof gesehen habe, wollte ich einfach nur, dass du nicht mehr so unsagbar traurig warst. Ich weiß bis heute nicht, ob ich aus einem Impuls heraus gehandelt habe, oder, ob ich dich damals einfach nur trösten wollte, aber ich weiß heute, dass ich dich so oder so geküsst hätte.

Als du fort warst, ist mir klar geworden, dass du dich eingeschlichen hattest. Ich habe mein Bestes versucht, um dich nur noch als Jungen zusehen.“ Ich sah ihm in die Augen und holte tief Luft. „Ich musste mir eingestehen, was ich fühle. Ich liebe dich, Naruto.“
 

Sasuke:

Seufzend stieg ich die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Dobe war schon überfällig und seine eigene Party zu schwänzen war eigentlich nicht seine Art. Ich sah mich auf dem langen Gang ein wenig um. Die Bilder hier oben sprachen von einer großen Familie, die anscheinend viele Familienfeste feierte. Hier und da entdeckte ich Fotos von Hinata – und natürlich war auf den meisten davon auch Naruto zu sehen. Manchmal nur als blonder Farbpunkt im Hintergrund, aber er war da. Ich war immer noch fasziniert, wie schnell es passiert war, dass er eine so traditionelle Familie von sich überzeugt hatte. Er war wie eine Bombe eingeschlagen und hatte Hiashi Hyuuga verändert. Nun gut, ich musste zugeben, er hatte diese Wirkung eben einfach. Wer mit ihm zu tun hatte, wurde früher oder später zu einem anderen Menschen. Ich selbst war ja auch von ihm gerettet worden.
 

Vor seiner Zimmertür angekommen verzichtete ich auf ein Anklopfen. Wieso sollte ich auch? Er tat es bei mir ebenfalls nie. Und so öffnete ich die Tür, völlig unvorbereitet, was ich vorfinden würde.
 

Naruto war nicht allein und auch nicht eingeschlafen, wie ich gedacht hatte. Nein, er stand mitten im Zimmer. Mit Tränen in den Augen.

Vor ihm stand unser ehemaliger Lehrer, mit seinen Händen an ihm. Er hielt ihn fest, drückte ihm die Lippen auf. Mein bester Freund drückte ihn von sich. „Sensei, nein“, erklärte er. Doch das schien den Kerl vor ihm gar nicht zu berühren, er zog ihn erneut ruppig zu sich und machte da weiter, wo er vor wenigen Sekunden aufgehört hatte. Seine Hände rutschten nach unten, zogen an der Hüfte des Blonden. Der schob ihn erneut weg. „Sensei! Nein!“ Der Nachdruck in seiner Stimme überzeugte mich, dass ich eingreifen musste.
 

„Was zum Teufel tun Sie da?!“, polterte ich, was beide zusammen schrecken lies. Mit wenigen, großen Schritten war ich bei den Zweien und zog meinen besten Freund aus den Fängen dieses Kerls. Wütend blickte ich den Grauhaarigen an. „Was fällt Ihnen eigentlich ein?! Sie-Sie-!“ Mir fiel keine Beleidigung ein, die dem annähernd gerecht wurde, was ich fühlte, aber mir würde schon noch etwas einfallen. Ich nahm Naruto mit mir und verließ den Raum. Er schien so schockiert zu sein, dass er einfach hinter mir her stolperte und nichts sagte.

Unten angekommen kam endlich wieder Leben in ihn. „Sasuke! Warte!“ Er blieb stehen, was mich auch zum Anhalten zwang. Ich wirbelte herum und sah über seine Schulter hinweg, wie der Mann, der auf meiner Hassliste ganz oben rangierte, uns hinterher lief. Beinahe hätte ich mich auf ihn gestürzt. „Warte, Uchiha-san! Du verstehst da etwas falsch!“
 

„Falsch?!“, echote ich lauthals, „Was versteht man denn da falsch?“ Nur am Rande merkte ich, wie die restlichen Gäste aus dem Wohnzimmer in den riesigen Flur kamen. Unsere lauten Stimmen mussten sie angezogen haben. Es kümmerte mich nur so weit, dass es ruhig alle wissen konnten, was sich dieser Mann geleistet hatte.

„Was kann ich denn falsch daran verstehen, wenn Sie meinem besten Freund die Zunge in den Hals stopfen?!“ Es blieb einige Sekunden lang ruhig, bevor ich ein unintelligentes Häh? von Ino hörte. Ich schnaubte auf, verwies mit einem Arm auf den Blonden neben mir. „Er hat nein gesagt! Zwei Mal, hat Sie das überhaupt interessiert?! Haben Sie eine Ahnung, was das heißt, oder ist Ihnen das egal?

Wenn er nicht will, haben Sie ihre Finger bei sich zu behalten!“ Ich atmete schwer, selten war meine Stimme so laut gewesen. Sie überschlug sich fast, so wütend war ich. Wie konnte dieser Kerl es wagen? Auf der Feier anlässlich des Geburtstages und der Verlobung meines besten Freundes?

Die anderen um uns herum begannen zu tuscheln. Hinata bahnte sich einen Weg zu ihrem Verlobten durch. Zaghaft griff sie nach seiner Hand. „Naruto-kun? Was ist hier los?“ Ich drehte mich um und sah die beiden an. Ich sah dieses liebevolle Mädchen. Erinnerte mich an den glücklichen Blick des Dobe, als er die Verlobung verkündet hatte. Wie konnte man nur so grausam sein und das zerstören wollen?

„Ich sag dir, was passiert ist“, fauchte ich, „Dieser Mann hat deinen Verlobten begrapscht und belästigt!“ Schockiert blickte sie zu ihm und entdeckte die Tränenspuren in seinem Gesicht. Mit den Fingerspitzen fuhr sie über seine Wange. Er war weiß wie eine Wand, seine Augen groß wie Teller vor Schreck. Regungslos sah er sie an. Und ich stände wohl auch unter Schock, wenn der Kerl mich in meinem eigenen Zimmer bedrängt hätte.

Kurz schilderte ich ihr, welche Situation ich vorgefunden hatte: „Er hat ihm echt die Zunge in den Hals gesteckt. In seinem eigenen Zimmer! Als ich die Tür geöffnet habe, hat Naruto ihm gesagt, dass er das lassen soll. Er hat einfach weiter gemacht, als hätte er nichts gesagt. Er hat ihm an den Hintern gepackt!“

Kiba irgendwo hinter mir sog scharf die Luft ein. Wie hatten wir nur jemals glauben können, dass er unrecht gehabt hatte? Schon vor Jahren hatte er gesagt, dass dieser Mann es auf Naruto abgesehen hätte. Dem Kerl schien nichts heilig zu sein. Ich wirbelte zum Übeltäter herum.

„Sie sind älter als er! Sehr viel älter! Was fällt Ihnen eigentlich ein?“ In dem Moment meldete sich Naruto wieder zu Wort. „Sasuke! Hör auf!“ Er war komplett rot angelaufen. Ihm war es wohl peinlich, dass der Kerl sein Vertrauen so hatte ausnutzen können. Ich schnaubte. „Er ist der Mistkerl hier, Dobe! Ich lasse doch keinen Kerl laufen, der dich zum Weinen gebracht hat!“ Mein bester Freund drehte den Kopf weg und klammerte sich mit einer Hand an seine Verlobte.
 

„Uchiha-san, lässt du mich auch einmal zu Wort kommen?“ Ich machte einen Schritt nach vorn und hob die Faust. Ich holte aus, um ihm ins Gesicht zu schlagen. Da erreichte mich Hiashi Hyuugas Stimme. „Was soll das alles bedeuten? Ich verlange eine Erklärung, Hatake-san!“ Diese Tonlage duldete keinerlei Widerspruch. Ich war froh darüber, dass der Mann es jetzt in die Hand nehmen würde. Unser alter Lehrer sah betrübt zu ihm.

„Die Erklärung ist leider nicht so, wie Sie es sich wünschen werden, Hyuuga-san“, sagte er und ich sah ihn schlucken. Höhnisch verzog ich das Gesicht. „Was Sie nicht sagen“, brummte ich. Aber er beachtete mich nicht. „Die Wahrheit ist nun einmal die, dass ich Gefühle für meinen alten Schüler entwickelt habe.“ Er drehte sich um und verbeugte sich vor Naruto. Das Gemurmel um uns herum erstarb bis auf ein leises Wispern. „Als ich dich wiedergesehen habe, ist mir klar geworden, dass du erwachsen geworden bist. Ich hab mich in dich verliebt und wollte, dass du es weißt. Es tut mir Leid, wenn du meinetwegen Unannehmlichkeiten hast.“ Er sah zurück zu Narutos baldigem Schwiegervater. Auch vor ihm verneigte er sich. „Und ich entschuldige mich auch bei Ihnen, Hyuuga-san. Ich hätte gar nicht erst herkommen dürfen. Es tut mir Leid, dass ich ihre Feier gestört habe.“ Er sah zu mir, dann in die Runde und ging. Er ging einfach, als ob es mit diesen lahmen Worten getan wäre!

Apathisch folgte Narutos Blick dem Abgang des Kerls. Ich hätte gern gewusst, was er jetzt dachte. War er erleichtert, weil der Mann nicht mehr in seiner Nähe war?
 

Sobald die Tür geschlossen war, ging das Gerede wieder los. Hinata strich immer wieder beruhigend über Narutos Gesicht, was dieser kaum wahrzunehmen schien. Er wirkte völlig schockiert. Ich sah zu Iruka Umino. „Wussten Sie was davon?“, fragte ich. Er schüttelte den Kopf. Sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass er nicht log. „Das hätte ich nie von ihm gedacht“, sagte er, „Er war noch nie der Typ, der den Frauen nachsah, aber so etwas...“ Er seufzte schwer und rieb sich mit beiden Händen über sein Gesicht. Der Rest unserer Freunde schien auch nicht zu wissen, was man sagen sollte.

„Ich wusste immer schon, dass das ein Arschloch ist!“ Naruto schob seine Verlobte zur Seite und fixierte Kiba mit einem wütenden Blick. „Hör auf, so zu reden! Du tust ja gerade so, als hätte er das alles geplant gehabt!“ Shikamaru schnaubte auf und kratzte sich am Nacken. „Naja, es wirkte schon so, als habe er das geplant. Immerhin hat er gesagt, er hätte nicht herkommen sollen. Klang so, als hätte er gewusst, dass es passieren könnte, wenn er dich sieht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Seinen Job als Lehrer kann er vergessen, wenn das rauskommt“, bemerkte er. Es lies Naruto nur noch blasser werden. „Was?“, fragte er fassungslos. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Hn, das hätte er verdient. Der kriegt kein Bein mehr auf den Boden.“

Hinata legte schützend ihre Arme um Narutos Mitte. „Bitte beruhige dich. Er hat dich angegriffen, das muss gemeldet werden.“ Ihre sanfte Stimme schien ihn nur leider noch mehr durcheinander zu bringen. „Aber wieso? Wieso wollt ihr ihn direkt anzeigen?“ Er sah in die Runde, dann ging sein Blick zum Boden. „Ich hab mich doch gar nicht richtig gewehrt. Ich hab's doch zugelassen.“ Schämte er sich wirklich so sehr dafür, dass er das totschweigen wollte?!

„Und deswegen soll er davon kommen?!“ Er zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich will nicht, dass die Leute reden.“ Er biss sich auf die Lippen und sah zu mir auf, ohne den Kopf zu heben. „Können wir das nicht einfach vergessen?“ Ich schnappte nach Luft. „Von wegen! Ich werde dem Kerl sämtliche Knochen brechen, wenn der sonst keinen Ärger kriegt!“ Und da stolperte Naruto auf mich zu und packte meinen Arm. „Lass ihn doch einfach! Lass es doch einfach sein!“, forderte er eindringlich.
 

Ich riss mich los und fauchte ihn an: „Was ist mit dir los? Wieso verteidigst du ihn? Du tust ja gerade so, als hättest du ihn gebeten, über dich herzufallen!“ Er zuckte zusammen. Sein Blick wurde fassungslos. Er stolperte zurück und sah mich an. Durch die Fenster drang die lauwarme Nachtluft zu uns herein, aber das kümmerte mich nicht. Sein Blick war nicht nur fassungslos, er war ängstlich, wie ich erst jetzt erkannte. Dieser stille Vorwurf, der zu sehen war, nahm mir die Luft zum atmen. Ich begriff in diesem Augenblick, was los war. Er war mein bester Freund, ich kannte die meisten seiner Gedanken. Und nun sah ich, was mein Satz in ihm ausgelöst hatte.
 

Sakura kam auf mich zu, was er zum Anlass nahm, fluchtartig den Flur zu verlassen. Er drehte sich einfach um und rannte hinaus in die Nacht. Ich wollte ihm folgen, wollte noch einmal mit ihm reden, aber es waren einfach zu viele Menschen hier, die mich davon abhielten. Er war fort. Hatte ich ihn so sehr getroffen? War er endgültig aus meinem Leben verschwunden?

„Sasuke-kun?“, fragte Sakura leise. Ich zwang meinen Blick zu ihr. „Ich glaube, ich bin zu weit gegangen“, murmelte ich. Sie lächelte traurig. „Er ist gerade eben angegriffen worden. Und scheinbar schämt er sich sehr. Es hilft ihm wohl nicht, wenn du ihn auch noch angehst.“ Sie hatte ja Recht, ich hatte es übertrieben. Seufzend sah ich zur Haustür, die immer noch offen stand. Für heute war der Abend ruiniert.

Hyuuga-san bat mich, noch etwas zu bleiben und ihm genau zu schildern, was ich gesehen hatte. Ich tat ihm den Gefallen, betonte aber, dass ich nicht gegen Narutos Willen handeln würde. Ich bat ihn, es ebenfalls nicht zu tun. Er versprach mir, zuerst mit seinem künftigen Schwiegersohn zu reden, bevor er eine Entscheidung traf.

Die restlichen Gäste wurden gebeten, für heute zu gehen. Hinata versprach, dass die Feier nachgeholt werden würde, sobald sich alles wieder beruhigt hätte. Shikamaru bemerkte, er werde auf jeden Fall noch einmal nach Naruto sehen, bevor er nach Hause gehe. Ich nickte ihm zu. „Mach das“, meinte ich leise. „Aber sei nicht zu hart mit ihm. Ich glaub, ihm ist das einfach nur furchtbar peinlich“, meinte Sakura. Sie blieb solange da, bis ich mich von Hyuuga-san verabschiedete. Schweigend gingen wir den Weg nach Hause entlang.

„Ich hoffe, Naruto kommt darüber hinweg“, meinte sie nach eine Weile. Ich nickte. „Hn.“ Sie blickte in den Himmel. Es war eine wolkenlose Nacht, man konnte die Sterne sehen. Ihre Hand fand meine. „Ich will mir gar nicht vorstellen, was das für ein Gefühl sein muss.“ Ich packte ihre Hand fester. „Hn. Es ist ekelhaft.“ Sie nickte. „Ich meine, wenn er das gewollt hätte, hätte ich es ja noch verstanden. Weißt du? Wenn Naruto auch Gefühle für ihn hätte, dann wäre es in Ordnung gewesen. Ich meine, ich habe nichts gegen solche Leute.“

Ich stoppte und drehte mich zu ihr hin. Sie verstummte und blickte mich aus ihren grünen Augen an. „Sakura“, begann ich, „Du bist ja selbst völlig durcheinander.“ Ich zog sie in meine Arme und hielt sie fest. Innerlich schollt ich mich einen Idioten, es nicht vorher schon bemerkt zu haben. „Hey“, begann ich leise, „Ganz ruhig. Es ist sonst nichts passiert. Er wird bestimmt bald wieder dümmlich durch die Gegend grinsen. So wie immer.“ Sie nickte, legte ihren Kopf an meine Schulter. Als ihre zarten Finger sich an meinen Rücken klammerten, stieß ich die Luft entnervt aus. Was hatte dieser Mann nur angerichtet!

„Also ich hab auch nichts gegen Schwule“, sagte ich, „Aber ich hab was gegen solche Angriffe!“

„Ehrlich?“, fragte aus der Dunkelheit die Stimme meines besten Freundes.
 

Sakura:

Ich zuckte zusammen und trat von Sasuke einen Schritt zurück. Vor uns stand unser blonder Freund und sah uns mit rotgeweinten Augen an. Ich schluckte schwer. „Naruto!“, sagte ich leise, „Wie geht es dir?“ Er schüttelte den Kopf. „Durcheinander.“ Ich nickte, trat auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Das denke ich mir“, bemerkte ich so sanft wie möglich. Ich wollte ihn nicht noch mehr verletzen, als dieser Abend es getan hatte. So hatte er sich seinen Geburtstag sicherlich auch nicht vorgestellt. Er wirkte vollkommen traurig und fertig. Ich sah Sasuke an, dann wieder zurück. „Willst du mitkommen zu Sasuke-kun? Ich wollte heute bei ihm schlafen.“ Naruto nickte stumm. Er zog die Nase hoch und wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes über die Augen. Ich gab dem Impuls nach und warf die Arme um ihn. „Ach, Naruto! Wenn ich dir doch nur helfen könnte!“ Er erwiderte meine Umarmung überhaupt nicht. „Mir kann keiner helfen“, flüsterte er. Ich schniefte selbst los. Wahrscheinlich konnte ich noch nicht einmal erahnen, wie es in ihm jetzt aussah.
 

„Komm mit“, brummte Sasuke hinter uns. Ich löste mich vom Blonden und nahm Sasukes Hand in meine. Dann griff ich nach Narutos Hand und lächelte ihn aufmunternd an. „Dann los“, sagte ich. Er ergriff meine Hand zögerlich und zu dritt machten wir uns auf den Weg.

„Hat Shikamaru dich noch gesprochen?“, fragte mein Verlobter. Ein Nicken war die einzige Antwort. „Lief es gut?“ Diesmal seufzte Naruto auf. „Ja, ich denke schon. Er meinte, er würde die Klappe halten.“ Ich umgriff seine Hand so fest ich konnte. „Wir lassen dich nicht allein“, sagte ich. Er lächelte zaghaft, was ich als gutes Zeichen wertete.
 

Ich schreckte auf. Warum konnte ich nicht sagen, ich war einfach wach und mein Puls jagte. Anscheinend hatte ich einen Albtraum gehabt – ich konnte mich selten an meine Träume erinnern. Vielleicht beschäftigte mich auch nur unbewusst noch, was heute passiert war. Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht und angelte nach Sasukes Wecker.

Ich musste mich etwas strecken, immerhin lag ich auf dem Boden. Nach einem kurzen Blick hatten wir drei beschlossen, in einem Zimmer zu bleiben. Also lag ich nicht in dem gemütlichen Bett im Gästezimmer, sondern wir hatten Itachis und eben jenes Gästezimmer um die Matratzen beraubt. Mit einiger Anstrengung hatten wir sie in Sasukes Zimmer befördert und nachlässig Bettbezüge darüber geworfen. Kissen und leichte Wolldecken reichten in dem gut geheizten Raum aus. Zu dritt waren wir eingeschlafen – Sasuke in seinem Bett, ich direkt davor und Naruto als letzter direkt vor der Zimmertür. Es gab mir ein gutes Gefühl, dass wir unsere spontanen Gruppenaktionen wieder umsetzten. Ich hoffte nur, Sasukes Mutter bekam morgen früh keinen Schrecken, wenn sie uns hier entdeckte. Als wir hier eintrafen, waren alle im Haus schon ins Bett gegangen. Itachi war mit seiner Frau im Ausland unterwegs, deswegen hatten wir uns auch großzügig in seinem Zimmer bedient.
 

Endlich fand ich den Wecker. Wieso war das Ding auch schwarz? Den fand Sasuke bestimmt auch nie im ersten Anlauf. Ich drückte auf den Knopf an der Seite und die Zahlen leuchteten auf. Fast halb drei. Stöhnend wollte ich mich zurück sinken lassen und wieder einschlafen. Aber dann sah ich den leeren Platz neben mir und mein Puls schoss wieder hoch. Wo war Naruto?
 

Ich fand ihn im dunklen Zimmer von Itachi. Ich hatte nur dort gesucht, weil er in der Küche und dem Wohnzimmer nicht gewesen war. Ich bezweifelte, dass er in die oberen Etagen gehen würde, solange niemand wusste, dass wir hier waren.

Er saß auf der breiten Fensterbank und starrte nach draußen in den Himmel. Die Beine waren angezogen und er hatte die Arme darum geschlungen. Er wirkte so unglücklich und hilflos, es zog mein Herz zusammen.

„Naruto?“, fragte ich leise in die Stille hinein. Er zuckte zusammen und wandte den Kopf zu mir. „Oh“, sagte er leise, „Hey, Sakura-chan.“ Ich kam zu ihm und setzte mich vorsichtig neben ihn. „Kannst du nicht schlafen?“ Er schüttelte den Kopf, seufzte tief. „Nein“, meinte er und sah zurück zu den Wolken, „Ich denke so viel nach.“ Noch vor einigen Jahren hätte dieser Kommentar mich dazu gebracht, laut zu lachen. Aber mittlerweile wusste ich es besser, als ihn dumm zu nennen.

„Was denn? Ob du ihn doch noch anzeigen willst?“ Entsetzt schüttelte er sich. „Nein!“, kam es entschieden, „Das werde ich ganz sicher nicht!“ Ich hob eine Augenbraue. War das so ein Männerding? Nicht zuzugeben, dass man belästigt wurde? Ich hatte mal davon gehört, dass die Dunkelziffer bei sexuellen Übergriffen bei Männern viel größer war, weil es als unmännlich galt, sich dagegen nicht aus eigener Kraft wehren zu können. War es das, was ich hier erlebte?
 

Lange wartete ich, ob er noch etwas sagen würde, aber er schwieg sich aus. Ich legte eine Hand auf sein Knie. „Hör mal, du musst dich für nichts schämen, ja? Ich bin immer auf deiner Seite. Und Sasuke auch.“ Seine Augen fixierend versuchte ich, so viel Trost und Überzeugungskraft in meine Worte zu legen, wie nur möglich war. Er hob ganz langsam den Blick zu mir, sah zu meiner Hand und dann wieder in meine Augen. Es schien, als wiege er ab, was er tun sollte. „Sag mir einfach, was in deinem Kopf vor sich geht“, bat ich ihn. Er lies den Kopf hängen und stöhnte gepeinigt auf.
 

„Sakura-chan?“, erklang es zaghaft, „Wenn ich dir etwas erzähle, versprichst du mir...es niemandem zu erzählen?“ „Einverstanden.“ Ich nickte, wollte unbedingt, dass er loswurde, was ihn so sehr quälte. Er holte tief Luft, zog den Sauerstoff bis tief in die Lungen. „Und du...würdest du mir auch bis zum Ende zuhören?“ Er fummele mit den Fingern an einem losen Faden an seinem Hosenbein herum. Wieder nickte ich.

Eine lange Pause. Dann: „Ich hab nicht geweint, weil der Sensei mich geküsst hat.“ Ein Blinzeln meinerseits. Abwarten auf der anderen Gesprächsseite. „Uhm, okay?“, machte ich überfordert. Er sah auf seine Knie, zog heftig an dem Faden, was den Umschlag der Hose ruckartig ein Stück nach oben beförderte. „Ich hab geweint, weil er mir kurz vorher erst gesagt hat, dass er mich liebt.“ Seine Stimme war so leise, ich begriff, dass ich heute Nacht sehr vorsichtig mit ihm sein musste. Er wirkte so unendlich zerbrechlich, so ganz anders als sonst.

„Und das hat dich überfordert?“, fragte ich leise. Der Faden wurde heftiger bearbeitet, riss schließlich ab. Er zwirbelte ihn kurz ohne hinzusehen zwischen den Fingern und lies ihn dann unbeachtet fallen. „Nicht wirklich“, sagte er. Ich wartete, bis er weiter sprach, hätte aber niemals damit gerechnet, was er sagen würde.

„Ich hab mich nicht gewehrt, weil ich es wollte. Ich wollte, dass er mich küsst.“ Schüchtern sah er aus seiner kauernden Position zu mir auf. Wartete ab, was ich tun würde. Und ich? Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Die ganze Zeit hatte ich gedacht, dass Naruto das Opfer eines Übergriffs geworden war, aber so war es gar nicht! Was auch immer Sasuke gesehen hatte, war mit Narutos Einverständnis passiert. Er hatte es gewollt?! Überfordert fuhr ich mir mit beiden Händen durchs Haar. Okay, ruhig bleiben. Redete er es sich vielleicht ein, weil er nicht wahrhaben wollte, was passiert war? Oder war es die reine Wahrheit? Ich war verunsichert.

„Warum solltest du das wollen?“, fragte ich. Es war die einzige Frage, die mir bei all dem Chaos in meinen Gedanken einfiel. Er zuckte merklich zusammen, Tränen traten in seine Augen. „Ich...“ Er brach ab, sah zur Seite und kaute nervös auf seiner Unterlippe herum. Seine Hände krampften sich stärker um seine Beine.
 

„Weil ich ihm nur eine Minute vorher gesagt habe, dass ich ihn liebe.“ Was?! Hatte ich mich verhört? „Eh?! Naruto, weißt du, was du da redest?“ Ich fuchtelte mit den Händen herum, blieb aber dabei sitzen. „Du sagst, du liebst ihn? Aber...was ist mit Hinata? Was ist mit eurer Verlobung? Oh Gott, weiß sie es?“ Ich sah wirr im Raum umher, nichts hielt meinen Blick lange genug. Panisch versuchte ich, Sinn in die Situation zu bekommen. Doch derjenige, der mir hätte helfen können, schwieg betroffen. „Naruto!“, fauchte ich ihn an, sah wütend in sein Gesicht, „Was zum Geier soll das?! Was machst du da?!“

Ich sah seine Tränen nicht. Auch nicht, dass er die Augen schloss. Erst, als er den Kopf auf die Knie sinken lies, hielt ich in meinem Tun inne. Erstarrt hörte ich, wie er zu schluchzen begann. Mit meiner Reaktion hatte ich ihn zum weinen gebracht!
 

Ich streckte die Hand aus, wollte sie auf seine Schulter legen. Dann hielt ich inne. Wollte er überhaupt noch Trost von mir? Mir fiel wieder ein, wie wir bei den Hyuugas über Hatake-sensei geredet hatten. Was hatte er da gefühlt, als wir ihn so unglamurös als Perversen bezeichnet hatten? Erneut fuhr ich mir gestresst durch die Haare. „Okay“, sagte ich so neutral wie möglich, „Lass uns reden. Sag mir, was passiert ist.“ Er schniefte noch einmal leise auf, dann hob er den Kopf und wischte sich mit dem Ärmel des Pyjamas durch sein nasses Gesicht. „Hasst du mich jetzt?“, fragte er leise und ohne mich anzusehen. Mein Blut gefror in meinen Adern bei seinem Tonfall. „Nein!“, schoss es aus mir heraus, „Natürlich nicht! Wie kommst du darauf?!“ Erneut wischte er sich über die Wangen. „Weil ich...weil ich so bin.“ Ich lachte verdattert auf. „Und das soll ein Grund sein?“ Aber ich wusste in diesem Moment nicht, wie ich dazu stehen sollte. Meine Gedanken und Gefühle waren noch nicht vollständig angekommen bei dem, was er gesagt hatte. Vernünftig überlegt wusste ich, was er mir sagen wollte, aber es dauerte noch, bis ich den gesamten Umfang dieser Beichte begriff.

„Hey, red einfach mit mir“, wiederholte ich leise. Ich legte ihm nun doch meine Hand auf seine Schulter und strich leicht darüber. Er seufzte schwer. „Ich weiß, was du jetzt denkst“, begann er erneut, „Aber du liegst falsch. Ich liebe Hinata. Und ich will sie auch heiraten.“ Ich blinzelte. „Huh?“ Er nickte, vollkommen ehrlich. „Ich bin nicht schwul, falls du das denkst.“ Tief atmete ich ein und hob die Hand. „Nur mal zum mitschreiben: Du liebst Hatake-sensei?“ Er nickte. „Und du liebst Hinata-chan?“ Wieder nickte er. Meine Hand fiel in meinen Schoß zurück. „Wie geht das denn zusammen?!“ Ich sprang auf und lief im Raum hin und her. Während ich sprach, gestikulierte ich erneut heftig. „Also du willst Hinata heiraten, knutschst aber auf deiner Verlobungsparty mit unserem alten Lehrer? Und du denkst, sobald es alle wissen, werden sie dich wieder hassen? Und du bist nicht schwul, hast aber eben was mit einem Mann?“ Ich lies mich neben ihn fallen. „Entschuldige, aber das ist mir zu hoch. Mein Hirn macht da nicht mit.“ Er lächelte bitter. Ich erwiderte es, weil die Situation so absurd war.

„Ich hab auch ganz schön zu kämpfen gehabt, glaub mir“, sagte er. Ein kurzes Mal lachte ich auf. „Ja, das denke ich mir.“ Er hob die Hand und sah mich bestimmend an. „Hörst du mir jetzt zu? Bis zum Ende?“ Meine kurze Heiterkeit verschwand. Ich begriff, dass er es alles auf einmal loswerden musste, sonst würde er nie wieder darüber reden können. Also nickte ich nur und schwieg.
 

„Weißt du noch, als alle behauptet haben, der Sensei hätte mir Geld gegeben? Damals, als ich mich mit Kiba geprügelt habe, weil er das überall verbreitet hatte?“ Ich nickte kurz. „Hast du die kleine Wunde an Senseis Hand damals bemerkt?“ Kurz versuchte ich, mir die Situation von damals wieder ins Gedächtnis zu rufen, stellte aber fest, dass alles sehr verschwommen und ungenau war. Mir war nur haften geblieben, wie Naruto und Kiba im Klassenzimmer angefangen hatten, sich zu prügeln und wie wir vor dem Zimmer der Direktorin gewartet hatten. Also zuckte ich mit den Schultern. Vielleicht war das ja wirklich eine Verletzung gewesen, aber ich hatte nicht darauf geachtet.

„Die hatte er, weil er mir geholfen hatte. Ich...mein Vermieter hat mich damals einfach auf die Straße gesetzt. Eigentlich wollte ich ja so oder so nicht mehr weiter in der alten Bruchbude hausen, aber ich hatte doch kein Geld für was Neues. Ich bin auf der Suche nach einer Lösung durch die Gegend gestreift.

Und dann hat mich ein Mann angesprochen.“ Meine Gedanken schossen sofort zu vielen Möglichkeiten, wie die Geschichte hätte weitergehen können. Alle Ideen waren schlecht und gefährlich, lag wohl daran, dass ich seit meinem Praktikum im Krankenhaus zu viele schlimme Schicksale kannte. „Naja, du kennst doch die Geschichten um die Bar, die dieser Jiraya betreibt?“ Okay, das ging nicht in die Richtung, die ich erwartet hatte. Was hatte das mit dem perversen alten Kauz zu tun? „Er war es, der mich angesprochen hat. Er hat mir angeboten, in seiner Bar als Kellner und Barkeeper zu arbeiten.“ Meine Augen wurden groß. „Das hast du doch hoffentlich nicht angenommen, oder?“, fragte ich. Er zögerte, was mir schon Antwort genug war. „Naruto! Weißt du, wie gefährlich das war? Wir waren doch noch Kinder!“ Er hob eine Hand, um leicht genervt ab zu winken. „Weiß ich doch. Damals erschien es mir wie eine gute Idee. Ich hab genug verdient, um mir die Wohnung in seinem Wohnblock leisten zu können.“ Ich richtete mich kerzengerade auf, mein Puls jagte in meinem Körper. „Deine neue Wohnung ist daher bezahlt worden?“ Er wurde rot. „Ja. Aber ich hab wirklich nichts Ungehöriges gemacht, echt jetzt!“ Ich schnaufte aus, als ich davon überzeugt war, dass er nicht log.

„Das war so dämlich“, bemerkte ich. Er lachte leise. Anscheinend hatte ich heute wenigstens einmal etwas richtig gemacht. Er hatte bemerkt, dass ich mir immer noch Sorgen um ihn machte. „Ja, ich weiß. Aber wenn du nie Hilfe bekommen hast, ist die erste Lösung meist die beste, die du kriegst.“ Eine kalte Faust packte mein Herz, als er das so ungeschönt sagte. Seiner Stimme haftete dieser neutrale Tonfall an, mit dem er immer über seine schlechte Zeit sprach. Wir beide, Sasuke und ich, hassten es, wenn er das tat. Es bedeutete nämlich, dass er uns nicht zeigen wollte, wie er dabei wirklich fühlte. Das machte er nur, wenn es ihm echt schlecht ging. Wenn er nicht zugeben wollte, wie hilflos er gewesen war, weil kein Erwachsener ihm hatte helfen wollen. Ich hatte den Atem angehalten und zwang mich, die Luft aus meinen Lungen zu lassen.

„Ich glaub, die Mädchen mochten mich“, grinste er, jetzt plötzlich wieder zufriedener, „Also die, die nicht wussten, wer ich war. Für die war ich einfach nur ein süß aussehender Barkeeper. Ich glaub, da hab ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich auch eine Wirkung auf andere Menschen habe, die nicht nur negativ ist. Das es also nicht daran liegt, wie ich aussehe oder wie ich mich gebe.“ Das Reden entspannt ihn sichtlich, er hatte sich aufrechter hingesetzt und seine Hände lagen mittlerweile ganz entspannt auf seinen Knien. Er lächelte sogar leicht. „Ich hab gedacht, dass ich es schaffen kann, jemanden zu finden, der wirklich mich sieht. Und ich hab überhaupt nicht gemerkt, dass es gefährlich für mich war. Ich hab gedacht, ich könnte mich auf jeden Fall wehren, wenn was kommt. Ich fühlte mich, als hätte ich alles unter Kontrolle.“ Verlegen fuhr er sich durch sein Haar und sah nach draußen in den dunklen Garten. Seine Augen huschten während der Erzählung hin und her, als sehe er die Situation erneut vor sich:

„An einem Abend war es schon weit nach der Sperrstunde. Ich bin halt noch länger geblieben, ich hab dann am meisten Trinkgeld gekriegt. Und es war nicht unüblich, dass eine Prügelei ausbrach. Ich bin immer dazwischen gegangen, so eben auch diesmal. Aber ich hab mich nur um einen Kerl gekümmert. Und der andere Mann hatte ein Messer.“ Entsetzt schoss ich hoch. Mein Atem stockte, als ich mir ausmalte, was alles hätte passieren können. Tränen traten in meine Augen, als mir klar wurde, wie nah er daran gewesen war, ernsthaft verletzt zu werden, vielleicht sogar getötet zu werden. Ich legte eine Hand auf meine Lippen.

„Hey, mir geht es gut, ja?“, erklärte er hastig, „Mir ist nichts passiert, Sensei hat mich gerettet!“ Ich schluckte schwer und nahm die Hand wieder herunter. Die Art, wie er die Bezeichnung Sensei aussprach, machte mir klar, wie er empfand. Dass da wirklich tiefe Gefühle im Spiel waren. Ich setzte mich zögerlich wieder hin. „Er hat dabei die Verletzung kassiert?“, fragte ich leise. Er nickte. Nun, das war irgendwie schon cool. Wie ein edler Retter, der plötzlich aus dem Nichts auftauchte. Ich hob eine Augenbraue, als sein Blick zärtlich wurde. „Natürlich hat er mich schwer gescholten. Ich hatte ja auch so ziemlich falsch gemacht, was man vergeigen kann.“ Er grinste auf eine sanfte Art und Weise, die ich bei ihm bisher selten gesehen hatte. Zaghaft lächelte auch ich.
 

„Er hat mir angeboten, auf seine Hunde aufzupassen. Und echt mal, du weißt auch, wie ich Tiere liebe!“ Ich lachte auf. Ja, das wusste ich! Einmal hatte er einen kleinen Fuchs am Wegesrand gefunden und mit zu sich nach Hause genommen. Er hatte das eigentlich wilde Tier wieder aufgepäppelt, bis sich der Fuchs gar nicht mehr von ihm lösen wollte. Ich glaubte immer noch, dass das Tier in ihm eine Art Elternersatz gesehen hatte. Abwesend strich ich mir eine Haarsträhne aus der Stirn und zwirbelte sie zwischen den Fingern.

„Die Bezahlung war dafür natürlich viel zu gut, aber er hatte instinktiv verstanden, dass ich kein Geld geschenkt haben wollte. Ich wollte immer schon aus eigener Kraft schaffen, was ich mir vornahm.“ Ich nickte. Ja, das war auch genau das gewesen, was so inspirierend an ihm war. Seine unermüdliche Kraft und sein Optimismus. Er gab niemals auf, egal, wie schwer sein Weg auch war.

„Als Kiba mit dieser dämlichen Idee ankam, war mir das peinlich. Ich meine, es war echt nichts! Ich hatte doch nur einen Spaziergang gemacht und dabei seine Hunde dabei gehabt!“ Er fuchtelte mit den Händen herum, beruhigte sich alsbald aber wieder. Es war so typisch für ihn, wie er immer noch nach all den Jahren sich so aufregen konnte. Ich wartete ab, was er noch erzählen würde. „Der Sensei wollte noch mit zu mir kommen. Es war immerhin kurz vor Mitternacht, er wollte nicht, dass mir auf dem Weg noch was passierte. Auf dem Weg wurde ich tatsächlich von so einem Betrunkenen angepöbelt und er warf mir seine Bierdose hinterher, als wir beide einfach weiter gingen. Hatake-sensei hatte mir gesagt, ich solle mich nicht darum kümmern, also hab ich das auch nicht gemacht. Und dann, als er mir noch mal ins Gewissen reden wollte, kamst du an.“

Ich brauchte einen Moment, bevor mir klar wurde, wovon er sprach. „Die Nacht, als wir miteinander geschlafen haben?“, fragte ich leise. Er nickte schüchtern. „Uhm, also, denk nicht, ich wäre damals nicht wirklich bei dir gewesen. Ich war echt in der Zeit in dich verknallt!“ Ich schüttelte den Kopf. Wie absurd, Naruto hatte mir nie das Gefühl gegeben, dass ich nicht seine volle Aufmerksamkeit gehabt hätte. Besonders, nachdem wir uns vor einem Jahr ausgesprochen hatten, gab es nichts mehr, was ich ihm übel nahm. „Ist schon gut. Aber deswegen war er da gewesen?“ „Ja“, gab er zu, sah wieder nach draußen. „Ich hab mich danach nicht so sehr um Hatake gekümmert, weil dann Sasuke so komisch war. Ich hab mich nur noch mit euch beiden beschäftigt. Und das mit den Hunden...das hat mir einfach Ruhe gegeben. Ich freute mich immer drauf, wenn ich mit den Tieren gehen konnte.

Naja, du weißt ja, wie die Zeit war. Jedenfalls hab ich mit ihm vereinbart, dass wir uns nur noch direkt vor seinem Haus treffen und die Hunde auch solange dabei bleiben sollten, bis ich mein Geld hatte. Wir wollten jedes Missverständnis vermeiden.“ Ich nickte mehrmals. Bei der Erwähnung von Sasukes damaligem Verhalten wurde mir klar, wie sehr wir damals aneinander vorbei gelebt hatten. Wir alle drei hatten uns zwar jeden Tag in der Schule gesehen, aber wir hatten nicht mehr darüber gesprochen, was uns bewegte. In dieser Konstellation konnte unsere Beziehung nur schief gehen. Mittlerweile hatte ich von meinen Haaren abgelassen und mich ähnlich hingekauert wie er. Ich legte mein Kinn auf meinen Armen ab und sah zu ihm. Er wechselte in den Schneidersitz und zupfte an seinen Socken herum.

„Einmal bin ich in den Fluss gefallen. Einer der Hunde war reingesprungen, obwohl er zu klein für die Strömung war. Also bin ich hinterher und hab ihn rausgeholt. Dabei bin ich krank geworden. Irgendwas mit meinen Ohren.“ Langsam wurde mir der zeitliche Ablauf wieder klar. Ja, kaum, dass wir beide zusammen gekommen waren, hatte es eine Woche gegeben, in der ich nichts von ihm gehört oder gesehen hatte. Ich hatte das gar nicht mehr auf dem Schirm gehabt, aber jetzt fiel mir wieder ein, wie oft Hatake-sensei gesagt hatte, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Ich gab einen Laut des Erkennens von mir. „Und ich bin bei ihm geblieben, weil er meinte, es sei zu spät, um noch draußen herumzulaufen. Als ich das nächste Mal wach geworden bin, lag ich in seinem Bett.“ Er lachte, als er meinen Gesichtsausdruck sah, aber das hielt mich nicht davon ab, rot zu werden. Ich musste zugeben, meine Gedanken waren sofort in eine unanständige Richtung gewandert. „Er hatte mir Medizin besorgt und so eine Ärztin hatte mich untersucht. Ich bin die ganze Woche bei ihm geblieben, damit er sicher sein konnte, dass ich mich erholte. Und danach...ja, das war's damals eigentlich. Für eigentlich ein paar Jahre. Ich wurde der Bodyguard von Hinata, bin mit ihr durch die Gegend gezogen.
 

Sie und ich haben natürlich keine Distanz zueinander gehabt. Wieso auch? Wir kannten uns ja. Ich wusste damals noch nicht, dass sie da schon lange in mich verschossen war. Ich hab's erst sehr viel später gemerkt.“ Er grinste verschämt. Was Menschen anging, die ihm gegenüber positiv gestimmt waren, war er immer schon ein bisschen langsam gewesen. Ich lachte auf. „Du bist echt ein Dobe, Naruto.“ Er blies die Wangen auf und sah beleidigt drein. „Jetzt fängst du auch schon so an!“ Wir lachten kurz gemeinsam auf. Es war schön, diesen Laut zu hören, zu hören, dass er nicht nur verzweifelt war.
 

„Und als ich dann mit Hinata zusammen kam, hab ich durch Madara erfahren, warum mich alle älteren Bewohner hier so hassten.“ Mir blieb der Laut in der Kehle stecken. Heute Nacht war wahrhaftig eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich wusste nicht, wie lange ich das noch ertragen konnte. Vielleicht war es auch zu viel, um es in nur einer Nacht zu erzählen. Aber ich unterbrach ihn nicht, sondern lauschte weiter.

„Ich bin zum Friedhof gegangen. Ich weiß bis heute nicht, wieso eigentlich. Ich glaub, ich wollte meinen Vater einfach nur um Verzeihung bitten. Ich wusste noch nicht, dass Madara meine Mutter in diese Kreise gebracht hatte und auch nicht, dass er meinen Vater gehasst hatte.“ Er biss sich auf die Lippen und atmete tief durch. Mir traten die Tränen in die Augen. „Und wieder war er da. Wieder hat er mich zu sich nach Hause gebracht. Und er hat mir erzählt, wie es wirklich war. Aus seiner Sicht.“ Er wurde rot, was ich überhaupt nicht einordnen konnte. Kurz herrschte Schweigen, was mich schon befürchten lies, er hätte es sich anders überlegt und jetzt wäre Schluss gewesen. Doch er knetete seine Hände auf eine Weise, die mich inne halten lies. „Er hat mich geküsst“, flüsterte er schließlich, den Blick auf seine Hände gerichtet und ein versonnenes Lächeln auf den Lippen, „Einfach so. Und einfach so hab ich mich gefühlt, als hätte der Blitz eingeschlagen. Ich hätte ihm am liebsten die Arme umgeworfen und ihn weitermachen lassen. Ich fühlte mich echt gut, wie damals, als du meintest, dass wir's versuchen sollten. Nur eben irgendwie anders.

Als mir klar wurde, was ich empfand, bin ich weggerannt. Ich hab so getan, als wäre es nie passiert. Und Sensei...er hat auch so getan. Ich kam mir blöd vor und wenn ich abends dann allein war...hat es echt scheiße weh getan!“ Er rang mit sich und ich sah seine Augen vor ungeweinten Tränen glasig werden. Aus dem Impuls heraus schlang ich die Arme um ihn und drückte ihn an mich. Er vergrub das Gesicht an meinem Hals und ich konnte seinen hektischen Atem über meine Haut streifen spüren.

„Ich hab gar nicht mehr gewusst, was ich denken soll“, erklärte er leise, tieftraurig, „Ich hab mich gefühlt, als hätte ich irgendwo ein Loch. Als hätte da einer was rausgeschnitten, ohne mich zu fragen. Und es verheilte einfach nicht. Ich hab mich auf meine Arbeit für Hinata gestürzt, weil mir das half. Hinata half mir. Wenn ich bei ihr war, hab ich nichts erklären müssen, sie wusste, dass was los war. Aber sie hat immer gesagt, sie werde warten, bis ich mit ihr reden würde. Sie hat wohl gedacht, ich würde immer noch an dir hängen. Oder sonst was in der Art. Als sie gefragt hat, ob es noch jemand anderen gebe, hab ich ja gesagt. Sie hat mich geküsst, hat gemeint, sie werde um mich kämpfen. Egal, wie lange es auch dauern möge.

Ich hab mich in sie verliebt. Ehrlich und echt. Und sie hat mich immer schon geliebt, das wurde mir klar. Und da hab ich mir gesagt, dass sie mir gut tut und dass ich bei ihr bleiben will.“ Er schniefte kurz. „Ich...wusste noch nicht einmal, dass ich bi bin. Ich hielt mich immer für normal.“ Er lehnte sich zurück und lachte unsicher. Wischte sich mehrmals über die Augen. Ich blinzelte verwirrt. „Was ist bi?“, fragte ich. Ich hatte den Begriff noch nie gehört – und ich hatte mich noch nie dafür interessiert. Er grinste unter Tränen. „Du weißt, was schwul heißt, kennst aber sonst nichts?“, grinste er.

Ich zuckte mit den Schultern. „Kenn mich da nicht aus.“ Er nickte vor sich hin. „Das bedeutet, dass man beide Geschlechter attraktiv findet. Also, nicht nur Frauen, oder eben nur Männer, sondern beide.

Es gibt viele Leute, die behaupten, Menschen, die bi sind, seien nur unentschlossen oder zu faul, sich mal zu entscheiden. Die Leute kapieren nicht, wie das ist. Dass es nicht so einfach ist. Es gibt nicht bloß eine Seite, die man wählt und fertig. Ich mein, ich hab ja nicht darum gebeten, so geboren zu werden. Das ist halt einfach so!“ Ich schob die Beine über die Kante der Fensterbank und lies die Füße hin und her baumeln. Ich wog seine Worte ab und überlegte hin und her. Was konnte ich dazu schon sagen? Er klang absolut überzeugt und – wenn ich ehrlich war – unglaublich reif. In mir machte sich Bewunderung breit, dass er seinen Weg weiter gegangen war. Ich selbst wäre vermutlich echt schnell eingeknickt und hätte mich einfach eingeigelt. Ich hätte mich niemals damit auseinander gesetzt, sondern vermutlich mir eingeredet, dass ich ein verwirrter Teenager gewesen wäre. Dass ich aufgrund meiner Jugend und Unwissenheit es nicht besser gewusst und das Gefühl der Geborgenheit mit Liebe verwechselt hätte.
 

„Wenn“, begann ich dann zögerlich, während ich auf den Boden vor meinen Füßen blickte, „Wenn Sasuke ein Mädchen gewesen wäre, ich glaub, ich hätte trotzdem so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen wollen.

Aber ich weiß nicht, ob ich's je kapiert hätte. Wahrscheinlich hätte Sasuke mich dann einfach irgendwann geküsst oder mir eine geknallt und mich weggeschickt.“ Ich lachte nervös. Damals wären beide Möglichkeiten drin gewesen. „Aber es hätte nichts geändert. Er wäre ja vom Charakter her derselbe Mensch geblieben. Also so theoretisch gesagt. Ich mein, er ist nun mal ein Mann, das haben wir beide uns ja auch nicht ausgesucht, ne? Ich kann halt nur sagen, dass der Mensch, den ich liebe, ein Mann ist. Und, dass ich gar nicht weiß, ob ich mal in der Lage wäre, für eine Frau zu schwärmen. Ich hab immer nur entweder dich oder Sasuke gesehen.“
 

„Soll ich mich jetzt darüber freuen?“, erklang von der Tür her eine dunkle, amüsierte Stimme. Ich fuhr zusammen und sprang hastig auf. „Sasuke!“, entfloh es mir schockiert, „Wie lange...?“ Ich machte eine unbestimmte Handbewegung in seine Richtung. Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Lange genug.“ Er und Naruto tauschten einen langen Blick.

„Du bist ein Idiot, Dobe.“ Der Blonde nickte schwer. „Ja.“ Sasuke lehnte sich an den Türrahmen. „Und echt verzweifelt, huh?“ Wieder ein Nicken. „Und wie.“ Sie sahen sich an, dann zog mein Verlobter die Mundwinkel nach oben. „Ist in Ordnung.“ Er nickte mit dem Kinn in Richtung Flur, drehte sich um und verschwand aus dem Zimmer, welches er gar nicht richtig betreten hatte.
 

Zurück in seinem Zimmer saß er auf seinem Bett und winkte uns, zu ihm zu kommen. Er zog Naruto mit einem Ruck auf die Matratze, dann sah er mich auffordernd an. Ich krabbelte über beide hinweg und legte mich an die äußerste Kante des Bettes. Naruto legte sich in die Mitte, Sasuke auf der anderen Seite. Wir beide legten unsere Arme über unseren Freund in der Mitte und seufzten auf. „Egal was kommt, wir sind deine Freunde“, sagte ich. Naruto schloss die Augen und nickte. „Ja. Danke.“ Wir wussten, dass er nur gering Trost in unserer Aktion fand, aber ich wollte für ihn da sein. Ich konnte ihn nicht allein damit lassen, auch, wenn ich ahnte, dass er schon eine Entscheidung gefällt hatte. Immerhin war die Verlobung von Hinata und ihm laut seiner Erzählung erst danach passiert. Zumindest hatte er es nicht erwähnt, also nahm ich es so an. Ich brauchte gar nicht zu wissen, was auf der Party passiert war. Es ging mich auch nichts mehr an, ich konnte ihm die Entscheidung nicht abnehmen.

Ich hoffte nur, er würde bei dem ganzen Chaos trotz allem sein Glück finden würde.

Naruto:

Ich hatte seit langem endlich mal wieder tief und traumlos geschlafen. Das war neu, solange ich nicht bei Hinata war. Nur, wenn ich bei ihr war und mir sicher war, dass ich das Richtige tat, fand ich Ruhe. Ich hatte nicht gelogen, ich liebte Hinata wirklich. Und ich begehrte sie auch. Auf der Ebene, wie ein Mann das bei einer Frau tun sollte.

Aber ich wollte auch Kakashi nicht mehr in meinem Leben vermissen. Der eine intime Kontakt, den wir hatten, war ein Schatz für mich. Wäre ich erneut vor die Entscheidung gestellt, würde ich es noch einmal tun. Vielleicht nicht unbedingt auf der Feier, aber sonst schon. Immer noch leicht müde fuhr ich mir mit einer Hand durch das Gesicht. Meine beiden Freunde schliefen noch selig. Im Schlaf hatten sich sich aneinander angekuschelt und Sasuke hatte beide Arme um seine Verlobte geschlungen. Sakura grinste sogar ein bisschen. Ich freute mich für sie, sie hatten sich endlich gefunden und waren sich absolut sicher. Ich wünschte mir auch, ich könnte einfach nur meinem Gefühl folgen, ohne den Eindruck zu haben, immer einen von beiden zu verletzen. Ich hatte letzte Nacht noch lange nachgedacht und eine Entscheidung getroffen. Oder besser gesagt, ich hatte meine Entscheidung noch einmal bestärkt.

Aber es fühlte sich gut an, mir alles von der Seele geredet zu haben. Also, fast alles. Ich liebte meine beiden Freunde echt total, aber über mein Sexleben würde ich niemals mit ihnen reden, echt jetzt!
 

Ich drückte auf den grünen Hörer und hielt mir mein Handy ans Ohr. Hinata nahm nach dem zweiten Klingeln ab. „Naruto-kun?“, fragte sie hektisch. Ich lächelte. „Hey, Hina. Tut mir Leid, dass ich gestern einfach abgehauen bin.“ Ich saß in der Küche. Sasukes Familie hatte uns entdeckt, als sie ihn zum Frühstück holen wollten. Wir hatten ihnen nur erzählt, dass Sakura und ich hier übernachtet hatten. Sonst wussten sie nichts. Sasuke hatte mir versichert, dass er schweigen werde.

„Ach was“, meinte Hinata und ich wusste, sie lief gerade rot an, was ich immer wieder süß fand, „Das war alles echt viel. Ich kann dich verstehen.“ Mit einer Hand schob ich die Tasse Kaffee hin und her. „Ich hätte mich melden sollen“, sagte ich. Sie lachte leise auf. „Hast du dir Sorgen gemacht?“ Der Kaffee schwappte bedenklich, also hielt ich die Hand ruhig. Eine Verbrennung hätte mir heute noch gefehlt. „Ja, ein bisschen. Aber Shikamaru hat mir Bescheid gesagt, dass du einfach Zeit bräuchtest.“ Ich haute mir mit der freien Hand gegen die Stirn. Natürlich, ich hatte den Nara ganz vergessen. Ich wusste gar nicht mehr genau, was ich ihm eigentlich gesagt hatte, als er mich gestern Abend gefunden hatte. Aber er hatte mich nicht verurteilt und mich nicht gefragt, wie ich zu der Sache stand. Seine Akzeptanz der Sachlage hatte mich dazu gebracht, bei meinen beiden besten Freunden Schutz zu suchen. Als ich gehört hatte, wie sie sich über den Vorfall unterhielten, hatte ich wissen wollen, wie sie dazu standen. Zu Andersartigkeit im Sinne von Nicht-hetero-sein. Aber ich hatte mich nicht mehr getraut – bis Sakura mich mitten in der Nacht angesprochen hatte.

Da hatten die Worte einfach heraus gemusst. Ich wäre noch daran erstickt - glaubte ich jedenfalls.
 

„Es tut mir Leid“, wiederholte ich noch einmal, „Kann ich mich bei dir eigentlich noch einmal blicken lassen nach der Nummer?“ Ich brachte sie zum Lachen. „Du kannst immer herkommen, Naruto-kun“, sagte sie. Ich sah ihr Lächeln förmlich vor mir. „Gut, dann bin ich in zwei Stunden bei dir“, sagte ich und legte nach einigen wenigen weiteren Worten auf. Ich suchte einen weiteren Namen aus der Kontaktliste heraus und betrachtete ihn lange. Wog mein Handy in der Hand. Dann rief ich meinen alten Lehrer an.

„Ja?“, fragte er einfach, was ein Kribbeln durch meinen Körper jagte. „Sensei?“, flüsterte ich, unwissend, ob er mich verstand. Er stockte am anderen Ende der Leitung nur kurz. „Naruto?“ Mein Name entkam ihm so, als forme er mit den Lippen einen Schatz statt ein einfaches Wort. „Ja“, sagte ich und unterdrückte den Drang, mit dem Fuß zu wippen, „Wie...geht es dir?“ Ein Seufzen rauschte knisternd durch die Leitung. „Ich gehe nicht raus, wenn du das meinst. Iruka ist hier, falls du das fragen wolltest.“ Ich erstarrte kurz. Hatte er etwa dasselbe getan wie ich? „Hast du...ihm was gesagt?“ Es dauerte lange, bis er antwortete. „Ja, hab ich. Tut mir Leid. Ich wollte einfach-“

„Ist okay“, unterbrach ich ihn, „Iruka ist quasi mein Vaterersatz. Ist echt okay. Wie hat er reagiert?“ Ich sah mich um. Mikoto war einkaufen gegangen, ihr Mann auf der Arbeit. Itachi war auf Geschäftsreise und Sasuke erledigte irgend so einen Außentermin für die Firma seines Vaters. Und Sakura war an die Uni gesprintet. Ich hoffte, sie kam heute morgen noch rechtzeitig zu ihrer ersten Vorlesung.

„Verwirrt, würde ich sagen. Aber er hat mir nicht den Kopf abgerissen.“ Ich schmunzelte. Iruka war wirklich zu gut für diese Welt. „Ich hab es meinen Freunden erzählt“, platzte ich heraus. „Was?“, kam lauter als beabsichtigt zurück. Ich wedelte mit dem Arm herum. „Nicht allen! Nur...nur Sasuke und Sakura-chan! Ich...bin kurz nach dir auch abgehauen. Bin herum gelaufen – und hab die beiden dann getroffen.

Ich hab die ganze Nacht wach gelegen, Sensei, und als Sakura mich mitten in der Nacht gefragt hat, was los ist...ich konnte einfach nicht mehr.“ Ich seufzte schwer. Wir schwiegen beide und ich wippte nun doch mit dem Bein. Es entspannte mich zumindest etwas, ich konnte besser denken. „Und?“, fragte er kurz. „Sie meinten, sie könnten mir nicht helfen, ich müsste das selber wissen. Aber sie wollen auch nicht, dass du Ärger bekommst. Ich werd alles tun, damit dir nichts passiert.“ Und das meinte ich auch so. Es war schlimm genug, dass ich ihn in das alles mit hineingezogen hatte, ich würde nicht auch noch sein Leben zerstören.

„Naruto. Ich bin ein erwachsener Mann, ich wusste, was ich tue. Und ich muss die Konsequenzen tragen, das ist doch wohl klar.“ Er klang so abgeklärt wie immer. Als ginge es nicht um den Rest seines Lebens. „Sensei...“ Ich kämpfte mit dem Kloß in meinem Hals. „Bitte, ich bin doch Schuld.“ Ich lies den Kopf hängen. Wieso machte ich all denen, die ich liebte, immer nur Ärger? Erst meine Eltern, dann meine beiden besten Freunde, Hinata und nun mein Lehrer.

„Dazu gehören zwei, Naruto“, sagte er altklug, „Und wenn ich nochmal die Wahl hätte, würde ich wieder bei dir landen.“ Hitze stieg mir in die Wangen. Wie konnte dieser Mann mit nur so wenigen Worten alles wieder auf den Kopf stellen?

„Wieso ich?“, fragte ich atemlos. Er warf mich selbst jetzt durchs Telefon aus der Bahn. „Weil ich nach dem Tod deines Vaters selbst wie tot war, Naruto. Deinetwegen habe ich endlich wieder das Gefühl, am Leben zu sein.

Was auch immer passiert, ich will dir helfen, deinen Weg zu gehen.“ Ich spürte, wie mir die Tränen über das Gesicht liefen. „Du auch“, schniefte ich, „Du hast mich aus meiner Einsamkeit geholt. Danke dafür.“ Er lachte tief. „Was machen wir jetzt nur?“, fragte er mich rhetorisch. Ich seufzte auf und putzte mir einhändig die Nase mit einem Papiertaschentuch. „Du bleibst weiter ein so toller Lehrer – und ich heirate Hinata.“ Es hörte sich so unheimlich einfach an. Und ich meinte wirklich unheimlich. Es war skurril, wie leicht mir diese Worte über die Lippen kamen, es machte mir Angst, dass ich diese Entscheidung scheinbar so leicht hinbekam.

„Ja“, sagte er leise, „Das wäre das Beste.“ Wir schwiegen uns an und die freundliche Computerstimme sagte mir, dass mein Guthaben bald aufgebraucht sei.

„Kann ich dich sehen?“, fragte ich plötzlich, „Jetzt?“ Er antwortete nicht. Aber alles in mir wollte ihm jetzt in diesem Moment gegenüber stehen. Ich wollte sein Gesicht sehen, wenn wir es endgültig klärten. „Ich komm auch zu dir, ich weiß ja, wo du wohnst.“ Ich stand auf und ging in den Flur. Kniete mich hin und schlüpfte in meine Schuhe.

„...Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?“, meinte er zögernd. Ich nickte, was er nicht sehen konnte. „Bis gleich, Sensei“, sagte ich und legte auf.
 

Der Weg war nicht so weit, ich war in nur wenigen Minuten da. Mit donnerndem Herzschlag betätigte ich die Klingel. Als ich Schritte hörte, klopfte ich zusätzlich noch an. „Ich bin's!“, rief ich. Die Tür schwang auf und ich blicke in Irukas Gesicht. Verdattert hielt ich inne, ich hatte ihn nicht mehr hier erwartet. „Uh, hey, Iruka-sensei“, machte ich leise und schob mein Gewicht unruhig von einem Bein auf das andere. Er bewegte sich eine kleine Ewigkeit lang überhaupt nicht, bis ihn von hinten eine Stimme wieder zurück brachte: „Lass ihn ruhig rein. Ist schon in Ordnung.“

Mein ehemaliger Grundschullehrer blickte über die Schulter zurück in den Raum, unsicher, was er tun sollte. Ich zappelte herum, weil mir unwohl bei dem Gedanken war, was passieren würde, würde mich jetzt hier jemand sehen. Ich schob ein wenig drängend den Mann vor mir ins Haus. „Lass mich bitte mal rein, ja? Ich will nicht, dass meine Freunde mich hier sehen.“ Mit dem Fuß stieß ich die Tür zu und sah meinen quasi Ziehvater an. Erstaunlicherweise musste ich dafür nach unten sehen. Meine Augen waren auf der Höhe seiner Stirn. Mir war nie klar gewesen, dass ich so in die Höhe geschossen war.
 

Entrüstet sah mich der Braunhaarige an. „Gomen ne, Sensei“, sagte ich leise, „Ich wollte dich nicht schubsen.“ Verlegen fasste ich mir in den Nacken. Er schnaubte schwer und sah weg. „Ich habe keine Ahnung, ob ich dich anschreien oder dich trösten soll“, brummte er. Ich hielt inne. Bis zu diesem Kommentar hatte ich völlig ausgeblendet, dass er Bescheid wusste.

Kakashi kam zu uns und sah mich lange an. In der durchdringenden, drückenden Stille sah ich zwischen den beiden Männern hin und her. Sie führten ein stummes Gespräch mit ihren Blicken, nur konnte ich nicht erkennen, wie es ausging. Bis Iruka sich räusperte. „Ich komm mir vor wie ein Vater, dessen Kind zum ersten Mal mit einer Beziehung nach Hause kommt, um sie vorzustellen.“
 

Abrupt lachte ich auf, der Laut brach sich einfach nach oben. Verwirrt sahen mich beide an. Ich schüttelte den Kopf und versuchte alles, um mich wieder einzukriegen. „Entschuldigung“, schnaufte ich, „Ich bin einfach so nervös, ich weiß gar nicht, was ich tun soll.“ Ich sah den Braunhaarigen an. „Ich...“ Unbestimmt machte ich eine Geste mit der Hand. Er nickte. „Ich geh mal nach Hause“, meinte er dann gedehnt und lächelte uns beide an. „Okay“, sagte der Grauhaarige ebenfalls langsam und wir warteten, bis die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
 

Unruhig sah ich ihn an. Er stand da mit den Händen in den Hosentaschen und sah zu mir. Ich ballte die Hände zu Fäusten und unterdrückte den Drang, auf den Füßen auf und ab zu wippen. „Uhm“, machte ich leise, „Wie viel hast du ihm erzählt?“ Er sah zu mir, drehte sich dann um und ging einige Schritte. „Willst du das wirklich hier bereden?“ Verlegen schüttelte ich erneut den Kopf und folgte ihm in sein Wohnzimmer. Sobald ich den Raum betreten hatte, sahen mich seine Hunde, die draußen im Garten waren. Pakkun blieb wie angewurzelt stehen, sprang dann laut bellend auf und raste förmlich ins Haus und in das Wohnzimmer. Dort angekommen sprang er außer sich vor Freude an mir hoch. Die anderen Hunde folgten schlitternd und wuselten ebenfalls um mich herum. Ich lachte auf, glücklich, dass sie mich nicht vergessen hatten. Mich hinkniend fuhr ich durch das drahtige Fell.

„Hallo, Pakkun“, sagte ich leise, „Hallo, Ikkun und ihr alle. Habt ihr mich vermisst?“ Wie zur Antwort drückte sich Pakkun an mich und schob mir sein Köpfchen in die Hand. Eine Aufforderung, ihn zu streicheln. Ich hob ihn hoch und setzte mich mit dem Tier auf dem Schoß auf den Boden. Sofort war ich umrundet von freudigem Gebell. Und einen kurzen Moment war ich einfach nur gerührt von der bedingungslosen Zuneigung und Treue dieser Tiere.
 

Als ich aufsah, erwischte ich den Mann vor mir, wie er sehnsüchtig dieses Bild beobachtete. Er sah meinen Blick und räusperte sich. „Pakkun, raus“, befahl er dann harsch. Er nahm Ikkun an seinem Halsband und zog ihn zur Tür hinaus in den Garten. „Alle nach draußen“, sagte er streng und nur widerwillig folgten seine Haustiere. Ich entließ Pakkun, der mich ansah, als wolle er fragen, ob ich wieder verschwinden würde. Gutmütig schob ich ihn von mir weg.

Die Tür glitt zu und meine Nervosität nahm rapide wieder zu. Kakashi glitt vor mir in einem formellen Sitz zu Boden und sah mich lange an. Ich schluckte schwer. Die erneute Stille drückte auf meine Selbstbeherrschung und ich biss mir auf die Lippen.

„Lass das besser“, sagte er da sanft. Ich erstarrte, mein Blick fand seinen. Irrte ich mich, oder lief er leicht rot an? „Wenn du das machst“, er deutete unterstreichend zu seinen eigenen Lippen, „will ich dich küssen. Ist wie eine Einladung.“ Meine Wangen wurden heiß. Das hatte ich nicht vorgehabt, aber es war auf unanständige Weise angenehm, diese Worte zu hören. Ich sah von ihm weg, obwohl er sich angehört hatte, als stelle er nur einen Fakt klar.

„Deine Hunde sind alle gesund?“, fragte ich leise. „Ja“, sagte er kurz. Ich seufzte leicht. „Und dein Garten sieht wirklich furchtbar aus“, bemerkte ich. Ich hatte einen kurzen Blick erhaschen können. Was ich gesehen hatte, erinnerte viel mehr an den Urwald, den ich vor meiner Arbeit hier vorgefunden hatte. Kakashi lachte auf. „Ich kann tun, was ich will, es geht immer alles ein. Ein Wunder, dass meine Hunde noch leben.“ Gegen meinen Willen musste ich schmunzeln. Meine Mundwinkel hoben sich einfach ohne mein Zutun. Ich rutschte näher an ihn heran, setzte mich ebenfalls formell hin, meine Füße unter meinem Hintern, auf den Unterschenkeln sitzend. Ich legte meine Hände auf meinen Oberschenkeln ab und mein Blick wurde ernst.

„Wir müssen darüber reden“, sagte ich. Er nickte und rutschte näher, bis unsere Knie sich beinahe berührten. Die Nähe trieb mir die Röte in die Wangen. Ich schluckte um den Kloß in meinem Hals herum. „Ja, da müssen wir“, sagte er. Seine Stimme klang belegt. Ich nickte.
 

„Wir beide können nicht zusammen sein“, sagte ich. Ich atmete tief ein und blinzelte die Tränen aus meinen Augen. Kakashi rührte sich nicht. „Ich...ich will Hinata heiraten. Ja? Ich will mir mit ihr ein Leben aufbauen, Sensei.

Ich kann nicht...wir können nicht einfach...“ Ich verstummte, weil die Worte, die ich mir vorher zurecht gelegt hatte, einfach nicht mehr richtig erschienen. „Ja, ich verstehe“, antwortete er. Er war so ruhig, dass es mich wütend machte. Fühlte er denn bei dieser Unterhaltung gar nichts? Oder versuchte er etwa, seine Gefühle vor mir nicht zu zeigen? Ausgerechnet vor mir?!

„Sag doch was“, bat ich verzweifelt, „Sag doch wenigstens, wie es dir dabei geht.“ Er lehnte sich nach vorn, kam mir damit noch näher. „Was soll ich denn sagen? Du weißt, wie es ist. Ich kann dich nicht zwingen, mich zu wählen. Auch, wenn ich dich jetzt am liebsten nicht mehr aus meinem Haus lassen würde.“ Mein Atem stockte und unbewusst lehnte auch ich mich nach vorn. Nun berührten sich unsere Gesichter fast. Meine Hände fuhren zu seinen Knien. „Dann bring mich doch dazu, hier zu bleiben.“ Ich sah abwartend in seine Augen. „Ich hab noch eineinhalb Stunden, bis ich wieder los muss.“

Kakashi lehnte seine Stirn gegen meine, meine Hände legten sich auf seine Oberschenkel. „Naruto“, seufzte er schwer, „Wir sollten das hier nicht tun.“ Ich nickte, lies aber nicht von ihm ab. Und er zog sich auch nicht zurück. Dadurch ermutigt schob ich meine Hände noch weiter, hin zu seiner Körpermitte.

Harsch fing er meine Finger ab. Zog sie nach oben und fort von seinem Körper. „Naruto“, schollt er mich frustriert, „Was machst du?“ Sein Kommentar machte mir klar, dass ich erneut dabei war, mich in diesem Mann zu verlieren. Ich schluckte schwer und stieß den angehaltenen Atem aus. „Entschuldige“, sagte ich leise, „Ich bin so...ich...“ Sanft lehnte ich mich wieder zurück, begann erneut damit, auf meiner Unterlippe zu kauen. Er hatte meine Hände los gelassen und ich zog sie eilig zurück. Ich sah weg. „Ich kann einfach nichts dagegen tun, du bist einfach so. Du hast diese Wirkung auf mich.“ Ich spürte seine Hand an meiner Wange. Wir konnten einfach nicht ohne Körperkontakt, so schien es mir.

„Glaubst du, mir geht es mit dir anders? Seit ich mit dir auf der Party gestern geschlafen habe, kann ich kaum noch an etwas anderes denken.“ Ich grinste unpassend, weil mich Erinnerungen heimsuchten. „Eigentlich war es ja nicht...also, nicht richtig, oder?“, fragte ich. Verwirrt zog er die Stirn in Falten. „Huh?“, machte er leise. Ich sah zurück zu ihm, wobei ich leicht mit den Händen herum fuchtelte. „Also, ich mein, wir haben ja nur...eh, du weißt schon. Rumgemacht halt. Das war kein richtiger Sex, oder nicht?“ Ich empfand es so, mein Hintern war gestern nicht berührt worden. Zumindest nicht auf die Art, die man überall las oder hörte. Aber wir hatten mit Händen und Mund den anderen erkundet. Nicht, dass es schlecht gewesen wäre, ich hatte nur mit etwas anderem gerechnet, als ich meine Bitte gestern vorgetragen hatte.
 

Aus irgendeinem Grund brachte mein dahin gesagter Kommentar Kakashi dazu, wütend die Augenbrauen zu verziehen und meine Schultern zu ergreifen. „Das meinst du?“, fragte er säuerlich. Ich schluckte, plötzlich starr. Ich wusste nicht, was mit ihm los war. „Dann meinst du also, wir hätten gar nichts getan?“ Seine Stimme klang vorwurfsvoll. Ich begriff schlagartig, weshalb er so war: Er hatte unglaublich mit sich gerungen, bis er seinen Gefühlen nachgegeben hatte – wohl wissend, dass er seinen Beruf und seinen guten Namen riskierte, sollten wir erwischt werden. Mein Kommentar hatte in ihm den Eindruck erweckt, ich hätte nicht begriffen, wie heftig seine Gefühle waren. Ich blinzelte überfordert. „So hab ich das nicht gemeint“, begehrte ich auf, „Du verstehst das falsch!“

Er schob plötzlich an meinen Schultern, drückte mich rücklings auf den Boden. „Sensei!“, stotterte ich überrascht, „Was wird das?“ Er kniete über mir und sah mich mit einem undefinierbaren Blick an. „Ich dachte“, sagte er langsam, „Du siehst es nicht als Sex an?“ Mein Atem beschleunigte sich, ich schluckte schwer. „Und du willst nicht, dass das so zwischen uns stehen bleibt?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein. Wenn ich dich gehen lassen soll, dann unter meinen Bedingungen.“ Seine ernsthafte Art brachte mich dazu, zu schmunzeln. „Ich denke nicht so. Ich hab nie so gedacht.“ Meine Worte bewegten etwas in ihm, seine Augen bekamen einen sanfteren Ausdruck. Er stöhnte gequält auf und lies den Kopf hängen. „Die ganze Sache zehrt doch mehr an mir, als ich dachte“, gab er zu, „Ich bin sonst nicht so...emotional.“ Als sein Blick mich wieder traf, hatte er etwas trauriges an sich. Ich sah sehnsüchtig zu ihm auf. Die Gefühle sagten mir, dass es einerseits absolut richtig war, hier bei ihm zu liegen. Andererseits fand ich es falsch, weil Hinata immer noch auf mich wartete. Auch mein Verstand sagte mir, dass ich das hier nicht tun sollte. Gleichzeitig spürte ich die Sehnsucht nach ihm. Nach seiner Nähe, seiner stummen Art, mich zu verstehen.

Ich hob eine Hand und krallte sie in seine Kleidung. Aber ich schob ihn nicht von mir, ich zog ihn auch nicht nach unten. Ich tat einfach gar nichts, wartete nur ab. Er schien etwas in meinem Gesicht, in meinem Blick zu suchen. Und ich hatte keine Ahnung, was er fand, aber irgendwann lies er sich auf mich sinken und gab mir einen intensiven Kuss.
 

Ich erwiderte das zwar, regte mich aber sonst nicht. Immer noch zündete jeder Kontakt mit ihm ein Feuer in mir an. Immer noch begehrte ich, was so sorgsam von Kleidung verdeckt wurde. Aber was sollte ich tun?

Da stützte er sich auf einen Arm und mit der anderen Hand schob er mein Hemd nach oben. Ich trug immer noch die Kleidung von gestern, weil ich nichts von Sasuke tragen wollte. Früher hatte ich mich öfters aus seinem Kleiderschrank bedient, wenn ich bei ihm übernachtet hatte, aber heute war es mir falsch erschienen, zur Normalität überzugehen. Und so hatte ich dasselbe an, was er mir auch schon gestern von Körper geschoben hatte. Die Erkenntnis trug nicht dazu bei, dass ich mich ihm verweigerte. Es lies meinen Einspruch eher noch schneller schmelzen. Zögernd hob ich eine Hand. „Stopp“, sagte ich sehr deutlich.
 

Dieses eine Wort brachte uns beide zurück. Ich konnte jetzt nicht das tun, was sonst gefolgt wäre. Es gehörte sich nicht, ich würde Hinata betrügen. Also, mehr, als ich eh schon hatte. Mein schlechtes Gewissen killte mich gerade.

„Nein“, erklärte ich deutlicher, aber mit wackeliger Stimme, „Ich gehöre zu Hinata“ Er nickte und erhob sich. Als ich ebenfalls wieder stand, strich mir eine vertraute Hand über mein Haar. „Gut gemacht“, murmelte er, „Es heißt, du hast die richtige Entscheidung getroffen“ Ich nickte, schwer und abgehakt. Ein Teil von mir seufzte auf, aber ich hatte mich endlich entschieden, wohin mein Herz gehörte. Ich konnte hiermit abschließen.

Ich drehte mich zu ihm um und lächelte. „Viel Glück, Sensei“, sagte ich, „Ich hoffe, du findest jemanden, der zu dir passt und wirklich nur für dich da ist“ Und dann ging ich.
 

Hinata:

Naruto war spät dran. Ich wanderte unruhig in meinem Zimmer hin und her. Was sollte ich denken? Ich hatte zwar am Telefon gesagt, ich wäre in Ordnung, aber ich ging allein in der halben Stunde seit seinem Anruf heute morgen die Ereignisse von gestern unzählige Male durch. Was war gesagt worden? Wie hatte sich Narutos Stimme angehört? Was war in diesem Zimmer wirklich geschehen?

Ich drehte mich vor meiner Zimmertür wieder um und ging zurück zu meinem Fenster. Dort blieb ich stehen und sah auf den Hauptweg zum Haus. Unruhig schwang mein Körper hin und her, während mein Blick zu meinem Wecker flog. Er wollte eigentlich jetzt da sein. Was machte er noch? Wieso kam er nicht direkt, sondern erst zwei Stunden später? Ich wurde unsicher.

Er hatte mir einmal gesagt, dass es noch eine andere Frau gegeben habe. Eine Person, die sein Herz erobert hatte. Wer war sie? Kannte ich sie, oder war sie eine Unbekannte? Egal, wie oft ich unsere Kontakte der letzten Jahre durchging, ich konnte keine Frau finden, die besonderes Interesse an ihm gezeigt hätte. Mehr als Anschmachten hatte er nie zugelassen. Wie konnte eine von ihnen so nah an ihn heran kommen, ihm so unter die Haut gehen, dass er Gefühle für sie entwickelte?

Warum hatte ich nichts bemerkt? Immer wieder stellte ich mir vor, wie sie wohl aussehen mochte. War sie blond? Rothaarig? Sah sie mir ähnlich? Wie war ihr Charakter? Er hatte mir nichts erzählt. Ich hatte nicht gefragt.

Und ich war trotzdem der festen Überzeugung, dass er mich gewählt hatte. Als sein Antrag kam, war ich überwältigt gewesen. Er hatte meine Überzeugung in die reine Wahrheit verwandelt. Einfach so, als wäre ich schon immer die gewesen, zu der er ewig zurückkehren würde.
 

Aber dann kam der Abend, der nicht ansatzweise in unsere Beziehung zu passen schien. Gestern war er anders gewesen. Ich hatte gesehen, wie beschämt er gewesen war. Wie er meinem Blick ausgewichen war. Ich war so erschrocken gewesen, dass ich ihm nur hatte beistehen wollen. Aber er hatte alles unter den Tisch kehren wollen. Er hatte so tun wollen, als sei nichts passiert. Das war so untypisch für ihn.

Normalerweise wäre er der Lauteste von allen gewesen. Er hätte dem Mann wenigstens einen Schlag dafür verpasst. Aber nichts dergleichen war passiert.

Andererseits war er auch noch nie so angegriffen worden. Es war wohl ein Unterschied, ob man mit der Faust angegriffen wurde – oder ob man angetascht wurde. Ob der Gegenüber sich mit der Absicht näherte, einen zu verletzen. Oder, ob er sich näherte, um einen sexuellen Kontakt zu erreichen. Männer schämten sich anscheinend sehr viel mehr, wenn sie ein Mann angriff. Ich seufzte. Schon wieder war ich beim gleichen Gedanken angekommen wie vorher. Es brachte nichts und doch konnte ich es nicht abstellen.
 

Eine Bewegung auf dem Weg erhaschte meine Aufmerksamkeit. Blondes Haar bewegte sich zwischen den Bäumen auf das Haus zu. Mein Herz schlug mit der Kraft eines Presslufthammers gegen meine Rippen. Naruto war hier!

Ich flog schon beinahe aus meinem Zimmer, die Treppen nach unten und zur riesigen Haustür. Ohne auf die Bediensteten zu achten, die eigentlich dafür zuständig waren, riss ich die Tür schwungvoll auf. Ich war so hastig, dass ich beinahe durch meinen eigenen Schwung vor ihm auf die Nase gefallen wäre. Er stand da und hatte mich erwartend die Arme ausgebreitet. Ich fing mich wieder, indem ich mich am Türgriff festhielt. Als ich wieder sicher stand, warf ich mich in seine Arme. Er roch verschwitzt, was ich einfach hinnahm. „Du bist hier!“, seufzte ich. Er schlang die Arme um mich und hob mich lachend hoch. „Ja, ist nicht zu übersehen.“ Ich löste mich nach einigen Minuten äußerst widerwillig von ihm. Sah ihm in die Augen, suchend, besorgt. In meiner Freude, dass er hier war, hatte ich vergessen, dass er vielleicht gar keinen Körperkontakt wünschte. „Geht es dir gut?“, fragte ich. Er wurde wieder ernst und nickte schwer. „Ja“, sagte er und trat wieder zu mir, vergrub sein Gesicht an meinem Hals und schlang die Arme unter meinen Achseln um mich.

„Ich bin hier“, meinte er, fast schon befreit klingend, „Und ich werde genau hier bleiben. Für immer, bei dir.“ Wortlos legte ich meinen Kopf an seine Schulter und drehte mit einem Finger den Ring, der an meinem Ringfinger steckte.
 

Wir gingen zurück in mein Zimmer, damit wir offen reden konnten. Auf dem Weg trafen wir nicht einmal auf meinen Vater, weil es in der Firma einen Notfall gegeben hatte. Und meine Schwester war noch in der Schule. Ich hatte – bis auf Neji – das Haus für mich. Und mein Cousin war gerade vor wenigen Minuten zu seiner täglichen Joggingrunde aufgebrochen.
 

„Wie geht es dir?“, fragte er mich. Überrascht hob ich die Augenbrauen. „Ich?!“, fragte ich, „Sollte ich nicht eher besorgt um dich sein?“ Er wog den Kopf hin und her, nickte dann aber schief grinsend. „Aber ich will nicht, dass du ewig einen Eiertanz um mich machst. Ich bin nicht so zerbrechlich. Ich komm schon klar.“ Ich legte den Kopf schief und schob eine wirre Haarsträhne aus meinem Gesicht. Er sah meiner Hand interessiert zu, was mich auf meine Hände in meinem Schoß blicken lies.

„Wo warst du bis eben?“, fragte ich. Wenn ich es jetzt nicht erfahren würde, würde ich daran noch verrückt werden. Er sah zum Fenster. „Ich hab die Sache geklärt. Ich war bei Hatake-sensei.“ Er sagte es so einfach, als wäre es ein normales Gespräch gewesen. Ich jedoch schoss zutiefst schockiert hoch und starrte fassungslos auf ihn hinunter. „Du hast was?“, meine Stimme klang schrill vor Aufregung. Er schnappte sich sofort meine Hand und hielt sie fest. „Ganz ruhig“, meinte er, „Hör erst mal zu. Bitte.“ Nur widerwillig folgte ich seiner sanften Stimme.

Er nahm meine Hand zwischen seine beiden und wandte sich so gut es eben ging mir zu. „Hör zu“, bat er erneut, „Ich weiß, es ist erst gestern passiert und wir sind alle durcheinander. Aber ich habe die ganze Nacht nachgedacht. Ich hab mit Sasuke und Sakura und Shikamaru geredet. Und wenn ich den Mumm gehabt hätte, hätte ich dich auch gefragt.“ Ich seufzte leise. War ja klar, er spürte, dass ich mich manchmal ausgeschlossen gefühlt hatte, wenn er und seine beiden Freunde die Dinge unter sich ausgemacht hatten. Ich hatte mich gefühlt, als hätte er zu mir nicht so viel Vertrauen wie zu den anderen. Ich war neidisch gewesen, besonders auf Sakura.

Nun aber wurde mir klar, dass es keine Absicht gewesen war und er schon selbst begriffen hatte, wie ich es damals aufgefasst hatte.
 

„Sie haben mir gesagt, dass es meine Entscheidung wäre und ich will nicht weglaufen. Wenn ich es jetzt nicht kläre, werde ich immer neue Ausreden erfinden, um ihn zu meiden. Deswegen hab ich es heute Morgen in Angriff genommen.“ Er nahm meine Hand hoch und hauchte einen Kuss darauf. Ich errötete dezent, was ihn zum Grinsen brachte. „Es ist alles gut. Es geht mir gut, er hat es begriffen und ich...“ Kurz suchte er nach den richtigen Worten. „Ich denke einfach, er hat eine ganze Menge falsch verstanden. Er hat mir glaubhaft versichert, dass es langsam angefangen hätte, seitdem ich halt so erwachsen bin. Hinata, er steht ganz sicher nicht auf Kinder oder so! Ich...denke, er hat eine zweite Chance verdient. Ich will nicht sein Leben kaputt machen, wenn er es doch einsieht.“ Ich starrte ihn an. Lange. Dann lächelte ich und schmiegte mich an ihn. „Das ist so typisch für dich, Naruto-kun!“, entfuhr es mir, „Du willst immer allen helfen!“ Er schlang einen Arm um mich, die andere Hand hielt immer noch meine fest. „Wo wäre ich, wenn ich keine zweite Chance bekommen hätte?“, fragte er mich rhetorisch und ich seufzte erneut.

Es war mir nicht recht, dass er so entschied. Aber er hatte Recht, es war ganz allein seine Entscheidung, keiner von uns konnte für ihn die Anzeige bei der Polizei machen. „Und dann macht er einfach so weiter?“, fragte ich angesäuert. Ein Schnauben lies meinen Pony hin und her schwingen. „Er und ich, wir werden uns nicht mehr sehen. Und selbst, wenn wir uns ungeplant begegnen, werde ich so tun, als wäre er nicht da. Es ist beendet.“ Nicht, dass es da etwas gab, was angefangen hatte, das hatte Sasuke im Keim erstickt. Ich nickte leicht und fuhr mit meiner Hand über sein Hemd und die darunter liegenden Muskeln. Ich bemerkte, dass es ganz nass war. Ich schob mich etwas von ihm weg.

„Bist du her gerannt?“, fragte ich. Er hob nur fragend eine Augenbraue. „Wieso fragst du?“ Ich wies auf seine Erscheinung. „Du bist völlig verschwitzt.“ Er sah an sich herunter und zupfte an dem Stoff, der ein wenig an ihm klebte. „Oh“, murmelte er, „Ist wohl eine Mischung aus her rennen und Aufregung von eben.“ Er presste die Lippen aufeinander und sah aus, als wäre es ihm peinlich.
 

„Ich geh wohl besser duschen“, bemerkte er und erhob sich. Ich sah ihn an und nickte. „Mh-hm, mach das.“ Irgendwie fühlte ich mich ruhiger, entspannter. Er war hier, bei mir. Ich glaubte ihm, wenn er mir sagte, dass es in Ordnung war. Es war alles gut, uns ging es gut. Es blieb nur noch das Gespräch mit meinem Vater. Ich fragte mich, ob er auch so leicht nachgeben würde.

Naruto:

Das Wasser prasselte auf mich ein. Ich verzog das Gesicht, als ich daran dachte, was ich beinahe getan hätte. Ich hatte es mir anders vorgestellt. Tatsächlich fühlte sich sowas wohl ziemlich komisch an. Hatte ich zumindest gelesen. Ich hatte recherchiert, so gut es ging.

Ich schnaubte, genervt von meiner eigenen Naivität. Natürlich war es nicht so einfach. Diese Stelle war nicht dafür gemacht, so berührt zu werden. Wir hätten wahnsinnig aufpassen müssen, damit ich nachher keine Schmerzen hätte und überhaupt – war für den, der unten lag, keine so tolle Sache.

Ich speicherte, was ich erlebt hatte, als Erfahrung ab. Als einmalige Erfahrung. Wenn es ihm half, loszulassen, würde ich es hinnehmen. Ich hoffte nur, dass der Schmerz bald nachlassen würde – ich konnte es nicht ausstehen, Menschen um mich herum zu verletzen.

Ich konnte froh sein, dass Hinata nichts davon gemerkt hatte. Auch, wenn ich mich nicht wohl dabei fühlte, ihr etwas zu verschweigen, war es so das Beste. Sie würde es nicht verstehen und ich würde sie nur verletzen. Und so, wie ich es gesagt hatte, war es die Wahrheit gewesen. Wir hatten darüber geredet und wir hatten es beendet. Ich hatte nur einige Details in der Erklärung für sie ausgelassen.
 

Hiashi Hyuuga kam nach fast einer Stunde zurück nach Hause. Er entschuldigte sich sogar bei mir dafür, dass es bei ihm so lange gedauert habe. Ich schüttelte abwehrend mit dem Kopf. Als ob das so schlimm gewesen wäre! Ich war sogar froh, dass ich Zeit gehabt hatte, mich frisch zu machen – er konnte so nicht riechen, was ich noch kurz zuvor getan hatte. Ich benutzte normalerweise kein Männerparfum, der Sensei aber schon. Und es wäre nicht gut gewesen, hätte er das gerochen. So aber konnte er nur den Duft des Shampoos an mir wahrnehmen.

„Bitte, setz dich doch“, wies er auf einen Stuhl im Zimmer. Nervös setzte ich mich hin, in der Annahme, er würde sich gegenüber hinsetzen und mich über seinen Schreibtisch hinweg anstarren, wie er es früher immer getan hatte. Doch er zog sich eben jenen Stuhl heran und setze sich in angemessenem Abstand neben mich. Er wandte sich mir halb zu und schien nervös. „Geht es dir gut?“ Ich nickte.

„Und...was hast du entschieden?“ Ich starrte ihn an, überrascht, dass er das wusste. Er verzog die Lippen zu einem halben Lächeln. „Deine Augen zeigen mir Entschlossenheit. Aber eben auch, dass du Ruhe gefunden hast, die mit einer Entscheidung kommt.“ Wieder nickte ich. Schluckte schwer. Ich erzählte ihm, was ich auch meiner Verlobten gesagt hatte:

„Ich habe heute morgen mit Hatake-san geredet. Wir haben alles geklärt und ich verzichte auf eine Anzeige.“ Er hob minimal die Augenbrauen und lehnte sich etwas zurück. „Ach“, machte er leise. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich glaub ihm, wenn er sagt, dass er kein Interesse an Minderjährigen hat. Ich glaub ihm auch, wenn er sagt, dass ihm das nicht noch einmal passieren wird.“ Ich lehnte mich nach vorn, stützte mich auf meinen Oberschenkeln mit den Unterarmen ab. „Und was auch immer er gedacht hat, es wird nicht passieren. Was auch immer an dem Abend anfangen sollte, ist endgültig vorbei.

Ich denke, er hat eine zweite Chance verdient. So, wie ich eine verdient hatte.“ Lange sahen wir uns an, dann nickte er. „Nun, da magst du Recht haben. Sehen wir uns erst einmal an, wie sich das alles entwickelt. Es gibt ja immer noch eine Verjährungsfrist.“ Die ich ganz gewiss verstreichen lassen würde. Trotzdem nickte ich. „Ist gut.“ Er seufzte, als wäre eine Last von seinen Schultern gefallen. „Naruto-san, du musst nicht glauben, du müsstest etwas still ertragen, weil du bald zu dieser Familie gehören wirst. Der Ruf der Familie wird dadurch nicht ruiniert werden.“ Ich schüttelte den Kopf. „Das tue ich nicht. Sie können mir glauben, ich würde nicht schweigen, wenn ich denke, dass so etwas noch einmal passieren würde.“
 

Er schüttelte langsam den Kopf, mit geschlossenen Augen und vor der Brust verschränkten Armen. „Darum geht es mir nicht. Du hast gemeint, du würdest es von seinem zukünftigen Verhalten abhängig machen.

Du hast mir damals gezeigt, dass Hinata sich quälte. Ich will nicht, dass das noch einmal passiert. Es ist schlimm genug, wenn mir dieser Fehler einmal passiert ist.“ Ernst sah er mich an, lächelte gequält. Ich starrte ihn an, überwältigt von seinem Mitgefühl. Er machte sich ehrliche Sorgen um mich. Ich war diesem Mann wichtig geworden wie eines seiner Kinder. Gerührt nickte ich. „Das werde ich nicht noch einmal zulassen, Hiashi-san. Auch bei mir selbst nicht. Trotzdem, danke für ihre Sorge. Es geht mir gut.“ Wir standen auf und verbeugten uns voreinander. Er entließ mich und ich kehrte in Hinatas Zimmer zurück.
 

Sie erwartete mich nur halb, denn sie war eingeschlafen. Seufzend ging ich zu ihrem Bett und betrachtete sie. Sie lag auf der Seite, einen Arm lang ausgestreckt, der andere war so angewinkelt, dass ihre kleine Faust vor ihrem Gesicht lag. Ihr Ausdruck war entspannt, was sie wunderschön aussehen lies. Ich kniete mich neben sie und strich ihr über ihre Wange, was sie murmeln lies. Ich musste grinsen.

Hinata war die Richtige für mich, das wusste ich jetzt. Sie hatte mich immer schon so angesehen, wie sie es jetzt tat. Ich hatte ihr nichts beweisen müssen und sie akzeptierte mich einfach. Und sie würde immer zu mir stehen – und mir notfalls sogar meine kleinen Geheimnisse lassen. Hinata würde aus Liebe zu mir alles tun. Und ich wollte mit ihr glücklich werden.

Sie war alles, was ich mir je gewünscht hätte, hätte ich mich selbst damals schon gut genug gekannt.
 

Wenn ich dagegen an Kakashi dachte, dachte ich sofort an Verständnis. An Wärme und Schutz. Ja, er hatte genügend Zeit gehabt, sich um mich zu kümmern und hatte sie nicht genutzt. Er war weggelaufen – sowohl vor mir als auch vor den Erinnerungen. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich wohl ähnlich reagiert. Wer konnte schon von einem Kind erwarten, dass es den eigenen Schmerz beiseite lies und sich um ein Neugeborenes kümmerte? Ich konnte vermutlich dankbar sein, dass er es nicht versucht hatte.

Ich musste ein belustigtes Schnauben unterdrücken, als ich an die nicht existenten Kochkünste von Iruka-sensei dachte. Ob Kakashi genauso schlecht in der Küche war? Zumindest seinen Garten pflegte er jedes Mal zu Tode.

Nein, er war Sehnsucht und Begehren, er war Stärke, an die ich mich hatte klammern können. Er hatte meine schlimmsten Seiten gesehen und mir helfen wollen. Für die Zeit, in der ich hilflos war, war es gut gewesen, aber ich brauchte etwas anderes als einen großen Schweiger. Und Kakashi würde nie von sich aus das tun, was Hinata für mich sein würde und wollte.
 

„Naruto-kun?“, hörte ich vom Bett, was mich wieder zurück brachte. Ich blinzelte und sah in Hinatas helle Augen. Ich verzog die Lippen zu einem Lächeln. „Na, ausgeschlafen?“, fragte ich. Sie setzte sich auf, rieb sich mit einer Hand über die schlaftrunkenen Augen. „Alles okay mit dir? Wie war es mit Vater?“ Ich schüttelte abwehrend den Kopf, behielt mein Grinsen aber bei. „Es ist alles in Ordnung. Er akzeptiert meine Entscheidung. Wir werden sehen, wie er sich verhält.“ Sie nickte, gähnte einmal verhalten und rutschte näher zu mir. „Und?“, fragte sie leise, „Was machen wir jetzt?“ Ich lachte. „Wie wäre es damit, langsam mal in die Planung zu gehen? Oder hast du schon ein Kleid?“ Ich liebte es, wie ihre Augen in diesem Moment zu leuchten anfingen, wie sie begann, mich mit ihren Vorstellungen zu erschlagen. Was auch immer sie sich wünschte, ich wäre glücklich damit, es ihr zu erfüllen.
 

Konoha, einige Monate später
 

Sasuke:

Schnaubend sah ich mich um. Überall diese stinkenden Blumen. Wer war überhaupt auf die Idee gekommen, weiße Rosen zu nehmen? Sollte nicht eigentlich das Kleid der Braut das einzig weiße sein?

Ich wandte mich an Sakura, die sich mit leuchtenden Augen umsah. „Keine Blumenorgien“, warnte ich sie leise. Sofort verschwand das Glitzern und wurde durch einen Schmollmund ersetzt. „Und was soll ich dann tun? Das hier sieht wunderbar aus!“ Sie wedelte zur Untermalung ihrer Worte mit der Hand herum. Ich sah mich skeptisch um. Überall hingen oder standen riesige Sträuße mit hellen oder weißen Blumen herum. Hier und da waren Girlanden damit und reichlich Grünzeug über die Holzkonstruktion gezogen worden, unter der wir saßen. Laut den Mädchen sah es aus wie im „Sommernachtstraum“, diesem merkwürdigen Buch, das ich noch nie gelesen hatte. Aber es gefiel den Frauen so unglaublich gut. Ich ahnte, dass ich mich Sakura noch würde beugen müssen, wenn unsere eigene Hochzeit anstehen würde. Was mich kurz seufzen lies.

„Nicht das hier“, sagte ich ernst. Sie schüttelte den Kopf. Stur wie immer. „Ich will Blumen, Sasuke.“ Natürlich, die konnte sie haben. „Ich will nicht drin ersaufen!“ Sie lachte laut auf, wedelte dann mit der Hand herum, als uns alle anstarrten. Ihre Wangen wurden pink. Kurz war ich versucht, ihr über diese Stelle zu streicheln, aber hier waren zu viele Menschen.

Wir sahen uns um und entdeckten unsere ehemaligen Klassenkameraden. Shikamaru gähnte wie immer, er hatte seine aktuelle Freundin dabei, Temari Sabakuno. Ich kannte sie nicht, sie war wohl eine Verwandte von einem jungen Mann, mit dem Hinata zusammen gearbeitet hatte. Und natürlich hatte der sich mit Naruto beinahe sofort angefreundet, der Kerl fand überall Leute. Eben jener Bruder, Gaara, stand neben Sakuras alter Freundin Ino. Die sah mit ihrem Schwangerschaftsbauch aus, als würde sie von innen heraus strahlen. Ihr Mann, Sai, stand in einer anderen Ecke und beobachtete sie mit Argusaugen. Ich dachte darüber nach, wie ich an seiner Stelle sein würde. Das Bild einer Sakura, rund mit meinem Kind, brachte mich dazu, vor mich hin zu lächeln.
 

„Woran denkst du?“, fragte meine Verlobte. Ich nickte mit den Kinn zu Ino hinüber. „Wie du aussehen würdest“, sagte ich wahrheitsgemäß. Sie folgte meinem Blick und wurde augenblicklich rot. Wir hatten noch nie darüber gesprochen, was nach dem Ehegelübde kommen sollte. Entsprechend überwältigt sah sie aus. „Ich will ein Mädchen“, flüsterte ich in ihr Ohr. Sie schnappte nach Luft, rang mit sich, bevor sie doch nachgab und ihre Arme um mich schlang. Natürlich mit Tränen in den Augen, meine kleine Heulsuse. Ich grinste vergnügt. „Das kriegst du“, kam die leise Antwort. „Hn.“
 

Kakashi:

Ich hatte nicht herkommen wollen. Noch nie in meinem Leben war ich so zwiegespalten gewesen, wie hier in diesem Moment. Auf gar keinen Fall wollte ich sehen, wie der junge Mann, an den ich zur Zeit nur noch denken konnte, der Ehemann einer Frau wird, die ganz anders war als ich.

Überhaupt, die Tatsache, dass ich als Mann ihn an eine Frau verlieren würde, war bitter.

Ich war nie der Typ für Beziehungen gewesen – hatte ich gedacht. Ich stand von Anfang an auf Frauen – hatte ich gedacht. Beides war durch Naruto auf den Kopf gestellt worden. Tatsächlich wünschte ich mir eine Beziehung mit ihm. Naruto würde mich so verstehen, wie es noch keinem Menschen vor ihm gelungen war. Dessen war ich mir sicher.
 

Ich dachte sogar jetzt, wo ich mich in die Kirche gestohlen hatte und neben der Eingangstür stand, nur daran, wie nahe wir uns gewesen waren. Ich dachte an den Moment, wo er nur mir gehört hatte. Und an die peinliche Stille, wenn wir uns danach zufällig in der Stadt begegneten. Der krampfhafte Versuch, so zu tun, als kannten wir uns nicht. Und dabei wanderten unsere Blicke immer zueinander.

Ich dachte an seine Haltung, wenn Hinata dabei gewesen war. Wie er Abstand gesucht hatte. Wie er umständlichere Wege gewählt hatte, damit wir nicht direkt aufeinander trafen. Wie sich seine Schultern angespannt hatten, wenn er meine Stimme gehört hatte.
 

Ich wusste immer noch nicht, wie er es geschafft hatte, dass alle dicht hielten. Jeden Tag hatte ich mit einer Anzeige gerechnet. Mit dem Rauswurf an der Schule, einer Lehrerversammlung, irgendetwas. Aber nichts war passiert – wenn man den einen oder anderen schiefen Blick der damals anwesenden Personen außen vor lies. Besonders Kiba Inuzuka schien jede Gelegenheit zu nutzen, um mich mit schlechten Kommentaren daran zu erinnern, dass ich unter Beobachtung stand. Ich machte mir bezüglich ihm keinerlei Sorgen, viel mehr verwunderte es mich, dass er sich nur darauf beschränkte, mir angeekelte Blicke zuzuwerfen und gehässige Worte zu benutzen. Was hatte Naruto nur gesagt, dass ich verschont wurde?
 

Ich schüttelte den Kopf. Die Grübelei würde mich nicht weiterbringen. Ich würde auch nicht fragen, sondern es als gegeben hinnehmen. Auch ich bemühte mich, ihn zu meiden.
 

„Hätte nicht gedacht, dass du kommst“, erreichte mich eine Stimme neben mir. Ich fuhr herum und sah Iruka an. „Mh“, brummte ich dann und wandte mich wieder um, „Wenn er mir doch das Datum gesagt hat.“ Ich hörte ein Schnauben neben mir. „Vor oder nach der Sache?“ Autsch, das war auf den Punkt getroffen. Nach außen hin verzog ich jedoch keine Miene und hob nur die Schultern. „Weiß ich nicht mehr“, behauptete ich. Ich spürte Irukas Blick auf mir, doch ich bewegte mich nicht.

„Willst du dir das wirklich antun?“, fragte er dann leise. Kurz zuckte ich zusammen. Es verriet mich. „Warum bist du hier, Kakashi-san?“ Iruka entließ mich einfach nicht. „Willst du ihm den Tag seines Lebens verderben?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte ich so leise wie möglich. Dann sah ich in die Masse an Menschen, die sich versammelt hatte. Fast alle waren sie wegen Naruto hier. „Ich muss es einfach wissen, verstehst du? Dass ich wirklich verloren habe. Sonst werde ich immer Hoffnung haben.“ Lange sahen wir beide nur zu den Personen, die da vor uns saßen, lachten und quatschten. Sie machten Fotos, besahen sich die Dekoration und kontrollierten ihr Aussehen, damit sie auf den offiziellen Bildern nachher auch gut aussahen.
 

„Ich verstehe. Ich dachte nur, damit tust du doch euch beiden weh, oder nicht? Er wird dich sehen, du wirst ihn sehen. Keiner von euch darf zugeben, dass der andere da ist. Macht es das nicht noch schwerer?“ Ich zuckte mit den Schultern. Vielleicht war es egoistisch, doch ich brauchte einfach die Gewissheit, dass er glücklich war. Dass er sie wollte, nicht mich.

Seit Monaten war da, wo vorher er gewesen war, nur noch ein hohles Gefühl des Verlustes in mir. Ich sagte mir, dass Naruto nicht tot war, so wie Minato. Ich würde genügsam sein, würde mich zufrieden geben, wenn ich ihn nur sehen konnte. Wenn ich für ihn da sein konnte. Egal, ob freundschaftlich oder sonst wie. Ich würde einfach nur sein alter Lehrer sein, der ihm hier und da einen Ratschlag geben würde. Und diese Rolle würde ich voll und ganz ausfüllen.
 

Die Musik begann, passend zum Ende unserer Unterhaltung. Ich war gespannt, wie er aussehen würde, denn er war noch nicht da. Die Zeremonie war nicht westlich gehalten, sondern streng traditionell. Und so kam er mit ihr gemeinsam herein.

Bei seinem Anblick blieb mir kurz das Herz stehen. Nie hätte ich gedacht, dass ihm der schwarze Hochzeitskimono so gut stehen würde. Hinata ganz in weiß direkt daneben bemerkte ich kaum. Gut, sie war schon ganz hübsch zurecht gemacht – die Haare hochgebunden zu einem üppigen Pferdeschwanz, leichtes Makeup. Ihr Strahlen zeigte, wie wunderbar sich das hier für sie anfühlte. Unter anderen Umständen hätte ich ihr zugestanden, dass es zu Recht ihr großer Tag war.

Aber jetzt konnte ich nur neidisch das Gesicht verziehen, weil sie an dieser Stelle stand. Weil sie ihn jederzeit küssen konnte, ohne komische Blicke zu kassieren. Weil sie seine Hand halten, ihn in den Arm nehmen und all das machen konnte, wofür ich verachtet werden würde. Ich seufzte schwer und versuchte, diese Gedanken nicht überhand nehmen zu lassen. Ich konnte von dieser Frau nicht schlecht denken, sie konnte nichts dafür, was passiert war.

Sie hatte sich einfach nur als Kind schon in den Mann verliebt, den sie nun heiraten würde.
 

Ich sah nach vorn und traf Sasuke Uchihas Blick. Er sah mitleidig aus, was mich wütend machte. Der Junge hatte keine Ahnung, wie es mir ging, glaubte aber, sich einfühlen zu können. Er war in meinen Augen immer noch ein Kind, das erst noch eine Menge Erfahrungen machen musste, bevor er mitreden konnte. Das, was er sich vor Jahren mit Madara geleistet hatte, war ein Zeichen dafür, dass er viel zu leicht zu beeinflussen gewesen war. Über Jahre hinweg hat er nur diesem einen Mann geglaubt. Wer wusste schon, ob er jetzt wirklich klüger war? Für mich stand der jüngste Uchiha immer noch unter Beobachtung.

So aber verdrehte ich nur die Augen und seufzte schwer. Er nickte mir zu und sah dann wieder zu den beiden Hauptpersonen.
 

Nach der Zeremonie ging es nach draußen. Der riesige Garten des Hyuugaanwesens hatte ich bis dahin noch nie betreten, deshalb sah ich mich neugierig um. Auch hier waren die Blumengirlanden üppig und die Vasen auf den Tischen quollen über. Dennoch wirkte es nicht überladen, man konnte bequem herumstehen und seinen Teller mit Speisen hinstellen.

Nun war reges Treiben, die Gäste verteilten sich. Beinahe jeder hatte sich ein paar Häppchen gesichert, bevor es an die eigenen Bilder ging, die hier geschossen wurden. Die engagierte Fotografin huschte hin und her und versuchte, alle Anwesenden einzufangen.
 

„Entschuldigung, könnte ich auch von Ihnen ein paar Fotos machen?“, fragte sie und es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass sie mit mir redete. Ich runzelte die Stirn, als Iruka neben mir ins Stottern geriet. Gefiel sie ihm etwa? Ich meine, gut, es war die Tochter von Teuchi, aber keine überragende Schönheit. Dennoch, sie strahlte ihn an und brachte ihn somit völlig aus dem Konzept. Er strich sich über seinen Nacken und grinste verschämt, als er einfach nickte und so für mich mit entschied.

„Sag mal, spinnst du?“, flüsterte ich angefressen, „Dann sieht er doch nachher, dass ich da gewesen bin!“ Iruka holte tief Luft, hielt sie an und sah dann ernst zu mir. „Ja, das ist mir schon bewusst. Und? Denkst du, er hält das nicht aus?“ Nun, eigentlich hatte er schon schlimmere Dinge in seinem Leben ertragen. So gesehen konnte ich darauf nichts erwidern. Ich seufzte schwer und lies mich von ihm mit zerren, hin zu den Bäumen am Rande des Grundstücks.

Die Blüten der Sakurabäume rieselten auf uns herab und ärgerlich wischte ich ein paar davon von meinen Schultern, bevor ich gezwungener Maßen in die Kamera lächelte. Alles war so kitschig romantisch, dass ich am liebsten gebrüllt hätte. Die Stimmung, die Bäume, die strahlende Sonne, wie bestellt für einen solchen Anlass. Würde man sehen können, wie gequält ich mich fühlte?
 

Dann kam die große Rede, nachdem die beiden uns erneut begrüßt hatten. Naruto wartete, bis er ein Nicken von seiner Frau und seinem Schwiegervater bekommen hatte, dann stellte er sich auf den höchsten Punkt des Gartens und räusperte sich. Nach ein oder zwei Minuten kehrte Ruhe ein und er hob sein Glas.

„Ich danke euch, dass ihr alle heute hier seid. Danke, dass ihr diesen Tag mit uns feiert!“ Er grinste in die Runde. Da blieb sein Blick zum ersten Mal für heute an mir hängen. Er stockte, sein Lächeln war eine Sekunde wie eingefroren, dann war das Strahlen in seinen Augen wieder da. Er hob das Glas etwas höher.

„Ich wollte noch ein paar Worte sagen. Und zwar: Für mich fühlt es sich immer noch unglaublich an, das hier zu erleben. Vor einigen Jahren hatte ich noch zwei beste Freunde und sonst nichts.“ Sein Blick fiel auf Sakura und Sasuke. Die Rosahaarige lächelte strahlend zurück. „Aber ich hatte Menschen, die immer an mich geglaubt haben. Obwohl ich selbst das nicht immer tat, ward ihr alle immer für mich da. Für uns beide. Ihr seid diejenigen, die meine Frau und mich durch die besten und schlimmsten Zeiten unseres Lebens begleitet haben und wir wissen jeden Einzelnen zu schätzen dafür.“

Er machte eine lange Pause und sah dabei in die Runde. Als er weiter sprach, klang seine Stimme leicht gedämpft, aber so emotional, dass ich schluckte. „Ich...habe nie geglaubt, dass ich jemals so weit kommen würde. Ihr alle habt mir eine Chance gegeben, aber Hinata...war die erste, die bereit war, mich in ihr Herz zu lassen. Sie hat mir meine Einsamkeit genommen, mich angenommen wie ich bin.

Sie hat meinem Leben eine Richtung und ein Ziel gegeben. Und genau dafür liebe ich diese unglaubliche Frau, die ich eigentlich gar nicht verdient habe.“ Er sah direkt zu seiner frisch Angetrauten hin. „Hinata, ich habe ewig lange gebraucht, bis ich erkannt habe, wie wichtig du mir bist, aber ich werde dich für den Rest meines Lebens so behandeln, wie du es verdienst, das schwöre ich dir hiermit!“ Er lächelte zärtlich und sprach einen Toast auf seine wunderschöne Braut aus.

Gläser klirrten, alle stießen miteinander an. Ich nickte nur, als seine Augen mich fanden. Ich hatte mir kein Glas genommen, also war auch keiner so verrückt, mich zum Anstoßen zu animieren. Naruto legte den Kopf schief und sah dann wieder weg, hin zu Hinatas Vater, der jetzt das Wort ergriff.

„Umino-san“, sagte er und ich trat einen Schritt zur Seite, halb hinter den Stamm des Baumes, denn nur Sekunden später richteten sich alle Blicke auf den Braunhaarigen. Iruka schien es peinlich zu sein, aber er bemühte sich, nicht verlegen auszusehen. Ernst und leicht nervös erwiderte er das Nicken, welches er erhalten hatte. Mit einer Geste machte er klar, dass Hiashi Hyuuga ruhig weitersprechen sollte. Was er auch tat. „Ich richte mich an Sie, weil Sie als Stellvertreter für Narutos Vater hier sind. Weil Sie für ihn ein Vater waren.

Ich möchte Ihnen sagen, dass Sie in unserem Hause immer willkommen sind. Fühlen Sie sich frei, diesen jungen Mann zu besuchen, wann immer Sie wollen.

Wir sind dankbar für ihn, denn Naruto hat das Leben in unserer Familie wieder etwas reicher gemacht. Er hat die Fröhlichkeit zurück gebracht, die nach dem Tode meiner Frau verloren ging. Es gibt viele Dinge, für die auch ich ihm unendlich dankbar sein werde. Für mich ist er wie ein Sohn geworden und ich weiß, dass er meine Tochter auf Händen tragen wird. Vom heutigen Tage an wird er ein Teil unserer Familie sein, was auch immer kommen mag, wir werden ihn in allem unterstützen, was er in Zukunft tun wird.“ Er legte Naruto eine Hand auf die Schulter und sah stolz zu ihm. Der Blonde sah ihn gerührt an. Ich wusste, dass er sich immer eine Familie gewünscht hatte.
 

Danach folgten etliche Reden anderer Personen. Shikamaru überraschte alle damit, dass er seinen Auftritt für einen Heiratsantrag nutzte. Temari schien so krebsrot anzulaufen, als fließe alles Blut ihres Körpers in ihren Kopf. Ich musste grinsen, als sie ihn zur Seite zerrte und zischend um den Ring bat. Als sie ihn sich hastig selbst überstrich, hörte ich ein Seufzen von den Damen um sie herum. Sie verzog sich weit nach hinten, womit sie mir recht nahe kam, aber die beiden bemerkten mich nicht.

Nun, Shikamaru vielleicht schon, aber seine blonde Freundin war zu beschäftigt damit, unter jedem Blick zu erröten, als dass sie auf ihre Umgebung geachtet hätte.
 

Der Auftritt von Iruka wurde zu einer lustigen Nummer, denn er begann damit, wie stolz er auf seinen Jungen war und der Rest seiner Rede ging in den Tränen der Rührung unter, nach welchen er ins Haus stürmte, um seine Fassung wieder zu erlangen. Fast hätte ich aufgelacht. Typisch Iruka Umino.

Dann trat Sasuke nach vorn. Sein Glas war nur noch halb voll, aber etwas sagte mir, dass es das erste Glas für ihn war. Sein Blick war wach und klar, er sprach betont und ausnahmsweise nicht so kalt wie sonst. „Als ich fünf Jahre alt war, traf ich Naruto zum ersten Mal. Ich dachte, er sei ein kleiner Besserwisser und einfach nur nervig.“ Ich hörte Narutos helles Lachen, ein paar vereinzelte Leute kicherten. „Aber ich habe mich geirrt“, fuhr der Uchiha fort, „Durch Naruto habe ich erfahren, was Freundschaft wirklich bedeutet. Wie schön es ist, Vertrauen zu schenken und es auch zu erhalten. Durch ihn habe ich die Liebe meines Lebens gefunden.“ Er schenkte Sakura einen warmen Blick. Naruto rief ein „Gut gesagt!“ zu seinem besten Freund hin.

„Was ich sagen will: Naruto Uzumaki ist eine besondere Person, bei der ich froh bin, sie in meinem Leben zu haben. Ich wünsche dir und deiner Frau nur das Beste, alter Freund!“ Er ging wieder zurück zu seiner Verlobten, die restlos glücklich wirkte, als wäre sie die Braut und nicht ihre beste Freundin.

Eine Weile verging, in der Sai Yamamoto dazu genötigt wurde, nach vorn zu schreiten. Er stotterte unbeholfen ein paar Glückwünsche zusammen, die seine Freundin ihm vorsagte, dann verließ er eiligst die Runde, um sich für einige Minuten im Haus zu verschanzen. Der Auftritt hatte ihn wohl einiges an Kraft gekostet, er war nicht so der Mensch, der passende Worte fand.
 

Sakura Harunos Auftritt war ein Kapitel für sich. Das Mädchen hatte eine großartige Entwicklung durch gemacht. Von einem kleinen Mädchen, dass nur den Erwartungen der Eltern entsprechen wollte und keine Ahnung hatte, welche Ziele sie in ihrem Leben haben wollte, war nichts mehr übrig. Sie war eine selbstbewusste junge Frau geworden, die ein Medizinstudium aufgenommen hatte. Sie war jetzt schon überragend.

„Seit ich denken konnte, war ich in Sasuke-kun verknallt“, begann sie schüchtern, festigte ihre Stimme aber während sie sprach. „Und Naruto-kun war immer an meiner Seite, seit ich alt genug war, mit anderen Kindern zu spielen. Ich habe mir im Laufe all dieser Jahre oft gedacht, wie schön es ist, einen so verlässlichen Freund bei mir zu haben.

Ich weiß aus erster Hand, wie sehr er sich um seine Freunde sorgt. Für Naruto gehört jeder, der sich einmal sein Vertrauen erworben hat, zu seiner Familie dazu. Ich bin stolz darauf, ebenfalls dazu zugehören, so wie wohl jeder von euch. Und ich weiß, wer seine Freunde schon so behandelt, der wird der Frau seines Herzens jeden Wunsch von den Augen ablesen.“ Sie lächelte und stellte sich aufrechter hin.

„Ich sollte das vielleicht nicht sagen, aber auch ich habe ihn einmal geliebt. Und ich liebe ihn jetzt wie einen Bruder. Also, Hinata, ich hoffe, du weißt, was für einen Mann du dir da geangelt hast und wie viele Frauen alles tun würden, um an deiner Stelle zu sein.“ Die Angesprochene lächelte schüchtern, nickte aber heftig. Zärtlich ergriff Naruto ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf.

„Vielleicht gibt es sogar einige Männer, die jetzt mit gebrochenem Herzen dastehen und euch beide beneiden, aber ich finde, in euch beiden haben sich die Richtigen gefunden!“ Mein Herz sackte ein ganzes Stück nach unten. War das eine Anspielung auf mich? Aber sie wusste doch gar nicht, dass ich da war!

„Ich wünsche euch jedenfalls nur das Beste. Mögen eure Wünsche alle in Erfüllung gehen und ihr mit vielen Kindern gesegnet sein! Ich mach auch die Babysitterin!“ Unter großem Gelächter ging sie zu ihrem Verlobten zurück.
 

Dann kam der Moment, den ich nicht erwartet hatte, den wohl keiner erwartet hatte: Hinata Hyuuga, jetzt Uzumaki, schritt nach vorn. Sie blickte so entschlossen drein, als stünde sie vor einer großen Herausforderung. Und das war ein solcher Auftritt für sie wohl auch. Ihre Stimme klang sanft, zärtlich. In ihr konnte man alle Gefühle hören, die sie jetzt empfand.

„Als ich vier Jahre alt war, bin ich meinem Mann zum ersten Mal begegnet.“ Sie wurde auf die schönste Art und Weise rot. „Ich kann immer noch nicht ganz glauben, dass das hier kein Traum ist!“ Fast alle lachten leise, sie war so ehrlich wie immer. „Seit damals habe ich meine Augen nie von ihm abwenden können. Und was ich gesehen habe, hat mich inspiriert.

Ich wollte immer wie er sein. Ich wollte seinen Optimismus, seine Stärke und sein Strahlen. Ich wollte so stark sein, wie er es immer schon war.

Also habe ich mein Bestes gegeben, habe mich angestrengt. Ich würde heute nicht hier vor euch stehen, wenn er nicht gewesen wäre. In den Jahren meiner Tourneen war er mein Beschützer, mein verlässlichster Freund und meine Stütze. Naruto, ich habe dich schon immer geliebt und werde es immer tun, denn du bist es, der meinem Leben einen Sinn gegeben hat.“ Und damit kehrte sie zu ihm zurück, holte sich einen sanften Kuss von ihm ab. Sie wirkten so glücklich. Wie aus einem Bilderbuch. Mein Magen war ein einziger heißer Knoten.
 

Ich wollte das nicht hören, wollte nicht sehen, wie sie an seiner Seite war. Mir reichte es, ich wollte hier weg. Doch dafür musste ich einmal quer durch den Garten, dann neben dem Haus entlang und durch den Vorgarten hinaus in die Straßen der Stadt. Ich bewegte mich, versuchte, mich am Rand des Grundstückes zu halten.

Ich hatte es fast geschafft, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich wirbelte herum und sah in Sasukes Augen. „Uchiha“, murmelte ich leise, „Du hast mich kalt erwischt.“ Er sah betont zum Brautpaar. „Sie sollten auch nach vorn gehen. Sagen Sie ihm was. Irgendwas.“ Er sah mir in die Augen. Ich schüttelte den Kopf. Er schnaufte. „Gehen Sie hin!“, sagte er barsch und schubste mich mit all seiner Kraft in die Richtung der kleinen Anhöhe. Ich stolperte über Sakuras ausgestreckten Fuß, der mit Sicherheit absichtlich da war, und taumelte genau dahin, wo ich nicht hatte stehen wollen.

Sofort verstummten die Gespräche. Ich drehte mich um und sah in entgeisterte Gesichter. Sie hatten mich nicht bemerkt und waren fassungslos, mich jetzt hier zu sehen.

Ich schluckte um den Kloß in meinem Hals herum und räusperte mich. Ich sah Narutos verblüfften Blick und irgendwie gab mir das die Kraft, meine Schultern zu straffen und meine Stimme wieder zu finden. Das hier tat ich für ihn. Es ging heute nicht um mich, sondern um sein Glück.

„Naruto...kun war mein Schüler seit seinem zwölften Lebensjahr.“ Meine Worte verklangen unkommentiert, da jeder der hier Anwesenden wusste, was auf der Geburtstagsfeier damals passiert war. Ich blickte zu einem Punkt über den Köpfen aller hin und stellte mir vor, ich würde diese Worte nur zu ihm sagen, anstatt einem Haufen misstrauischer Menschen gegenüber zu stehen.
 

„Er war laut, ungehobelt und ein ziemlicher Unruhestifter. Aber er war auch loyal, verständnisvoll und er gab nie auf. All die negativen Dinge, die die Leute zu ihm sagten, haben ihn nur stärker gemacht. Ich habe seinen Vater gut gekannt und er ist ihm nicht nur wie aus dem Gesicht geschnitten. Naruto hat denselben Wunsch wie sein Vater, Minato, ihn hatte. Diese Stadt zu beschützen, mit all ihren Bewohnern.

Naruto hat die Gabe, jedem Menschen hier den Schmerz genommen zu haben, völlig egal, welcher das auch war. Ich finde, er hat sich zu einem wunderbaren Mann entwickelt, der es verdient hat, so glücklich wie nur möglich zu werden. Ich wünsche euch beiden, dass dieses Glück für immer bleibt und ihr nie das verliert, was der andere jeweils an euch liebt. Viel Glück euch beiden.“ Ich konnte spüren, wie meine Augen zu brennen begannen, deshalb drehte ich mich weg und flüchtete aus dem Garten. Zurück lies ich eine penetrante Stille, die mir noch lange in den Ohren dröhnte.

Neji:

Ich sah unserem alten Lehrer hinterher. Irgendwie wirkte er gebückt, als drücke eine unsichtbare Last auf seine Schultern. Nach allem, was ich seit ein paar Jahren von ihm wusste, konnte ich es mir schon denken, was ihn bewegte. Dennoch konnte ich kaum Mitleid aufbringen, immerhin hatte sich mein Schwager für Hinata entschieden.

Ich sah zu ihr herüber, wie sie ihn völlig hingerissen anstrahlte. Naruto sah genauso begeistert zurück. Sie wirkten in solchen Momenten wie in ihrer eigenen Welt, die niemand sonst betreten konnte. Ich ertappte mich dabei, wie ich lächelte.
 

„Sie sieht so glücklich aus“, bemerkte Hiashi neben mir. Ich unterdrückte ein Zucken. Stattdessen nickte ich. „Ja, er ist ein guter Mann“ Ich hörte meinen Onkel leise grunzen. „Ich hoffe nur, sie werden nicht ewig überall herumreisen“ Typisch, am liebsten hätte er seine Tochter ständig um sich. „Du muss loslassen, Onkel“, sagte ich leise, „Sie ist kein kleines Mädchen mehr“
 

Er seufzte auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Das traditionelle Gewand, welches er heute natürlich trug, versteckte seine Hände in den weiten Ärmeln. „Sie wird immer mein Mädchen bleiben“, murmelte er in einem Tonfall, der beinahe schon so liebevoll klang wie ich es bei ihm noch nie gehört hatte. Ich schnaubte leicht. „Oji-san!“, schollt ich ihn nur halb ernst gemeint. Er lachte einmal auf.

„Neji“, seine Stimme veränderte sich und ich wurde aufmerksam. Was wollte er nun von mir? „Ich will nicht nur meine Töchter einmal so glücklich sehen“ Er gab mir einen bezeichnenden Blick. „Solltest du jemanden im Auge haben, so scheue dich nicht, dein Leben zu leben“ Mein Blick schnellte zu einem ganz besonderen Mädchen hinüber. Sie sah mich nicht an, sondern machte gerade fleißig Fotos mit ihren Freundinnen. Ich sah zurück zu meinem Onkel. „Was meinst du damit?“, fragte ich.
 

„Neji, die Arbeit ist nicht alles. Das hat mir damals meine Frau beigebracht. Achte nur darauf, dass du nicht eines Tages aufwachst und denkst, du wärst einsam. Nimm dir, was du willst, wenn du es bekommen kannst. Scheu dich nicht, weil du denkst, du verdientest es nicht“ Er sah ebenfalls zu den Gästen hinüber. „Versuch, Herz und Kopf in Einklang zu bringen“ Und damit lies er mich mit einem väterlichen Klaps auf den Rücken stehen. Ich blinzelte und sah ihm überfordert hinterher.
 

„Neji?“, ertönte eine Stimme nur wenige Minuten später neben mir, „Was wollte er?“ Wie war ich direkt neben Tenten gekommen? Hatten sich meine Füße von selbst bewegt? Ich sah in ihre Augen und fühlte einen heiß-kalten Schauer an meiner Wirbelsäule. „Weißt du schon Bescheid?“, fragte ich sie, was wohl etwas abrupt war. Sie brauchte einen Moment, dann nickte sie. „Ja“, sie wurde leicht rot, „Aber ich hab mich nicht getraut, den Brief aufzumachen. Ich meine...was ist, wenn es eine Absage ist? Ich wollte heute nicht mit schlechter Laune hier auftauchen“ Ich trat näher an sie heran. „Ich komme morgen Abend zu dir“, bestimmte ich, „Dann machen wir ihn gemeinsam auf“ Sie wurde rot.

„Neji!“, zischte sie, „Es geht darum, ob ich beim Militär aufgenommen werde! Nicht um irgendeine dämliche Aufnahmeprüfung wie in der Schule! Das ist eine wichtige Sache für mich!“ Ich nickte und lehnte mich zu ihrem Ohr. „Und genau deswegen möchte ich bei diesem Schritt bei dir sein“ Sie zuckte zusammen, sah mich mit großen Augen an und nickte. Dann sprintete sie mit einem breiten Grinsen zu Haruno herüber. „Sakura!“ Irrte ich mich, oder war ihre Stimme jetzt gerade noch lebhafter? „Sakura, lass uns noch ein paar Fotos machen! Komm, ich habe noch zu wenige auf meinem Handy!“ Lachend hakten sich die beiden beieinander unter und schlenderten zu meiner jüngeren Cousine hinüber. Ich stellte fest, dass ich wieder grinste. Scheint so, als hätte ich genügend Weichen gestellt.
 

Im Haus traf ich auf den Mann, den ich nicht mehr hier erwartet hatte. „Hatake-sensei“, meinte ich verdutzt. Dann kontrollierte ich mich wieder und nickte ihm zu. Er sah mitgenommen aus. Nicht unbedingt, als habe er geweint. Aber so, als koste es ihn viel Kraft, überhaupt hier zu sein. Ich blieb stehen. „Geht es Ihnen gut?“ Der Mann nickte. „Danke, Hyuuga-san, es ist alles in Ordnung“ Irgendwie glaubte ich ihm das nicht. „Seien Sie ehrlich“

„Was soll ich sagen?“, fragte er zurück, „Was soll ich überhaupt tun? Ich will ihm diesen Tag nicht ruinieren“ Ich seufzte schwer auf. „Das meinte ich nicht. Ich wollte nur hören, ob sie sich für ihn freuen können“
 

„Natürlich!“, schoss es aus ihm heraus, „Wenn er glücklich ist, ist es gut so!“ Er erhielt ein anerkennendes Nicken. „Hatake-sensei“, sagte ich leise, „Er hat sich entschieden. Und Sie können ihn nicht mehr umstimmen“ Er biss die Zähne zusammen. „Das weiß ich“

Ich legte den Kopf schief und verschränkte die Arme vor der Brust. „Die beiden werden Kinder haben“ Seine Hände ballten sich an seinen Seiten zu Fäusten und er stopfte sie hastig in seine Hosentaschen. „Und vielleicht werden diese Kinder einmal in ihren Unterricht gehen. Wenn Sie dann noch Lehrer sind“ Das Zittern aus unterdrückter Wut erstarb. Er sah an mir vorbei zum regen Treiben im Garten. Lange Minuten schien er in Gedanken versunken zu sein. Geduldig wartete ich ab, zu welchem Schluss er kam.

„Daran habe ich nicht gedacht“, gestand er dann, „Aber...ich würde natürlich mein Möglichstes tun“ Zufrieden nickte ich erneut. Mit meinen Worten hatte ich eine Idee in seinen Kopf gepflanzt, die wohl verlockend genug war, um ihn abzulenken. Ich hatte ehrlich gesagt lange hin und her überlegt, alles bedacht, was ich gehört und gesehen hatte. „Wenn Sie ihn lieben, lassen Sie ihn gehen. Das gehört auch dazu“ Ich hörte mich zu altklug an, das wusste ich. Dennoch wollte ich es mal gesagt haben. Damit lies ich ihn stehen und machte mich auf den Weg, meine Freunde wieder zu finden.
 

Ich kam gerade rechtzeitig, Lee war schon dabei, dem Alkohol kräftig zuzusprechen und wir wussten alle, wie wenig er vertrug. Ich riss ihm das Glas aus der Hand. „Du hattest schon genug“, bestimmte ich. Mit einem Schmollen sah er mich an, aber er gehorchte und nahm sich ein Glas Wasser. Ich nickte und leerte den Alkohol am Rande des Garten aus, die Blumen würden es mir wohl nicht übel nehmen.
 

Hinata:

Der heutige Tag war wirklich unglaublich. Ich wollte seine Hand gar nicht mehr loslassen und meinem Mann schien es genauso zu gehen. Mein Mann – allein der Gedanke lies mich leise unkontrolliert kichern. Ich konnte es immer noch kaum glauben.
 

„Hier“, sagte Naruto und hielt mir ein Getränk entgegen. „Damit du nicht am Ende des Tages betrunken bist“, erklärte er, denn es war kein Alkohol darin. Bei seinen Worten fühlte ich ein Flattern im Bauch. Heute Abend würden wir zum ersten Mal in einem Bett schlafen. Und je nachdem, würde es vielleicht sogar noch mehr werden. Ich hoffte auf mehr, wenn ich komplett ehrlich war.

„Danke“, sagte ich nun und versuchte, meine Finger nicht zittern zu lassen. Er sah es und ergriff meine Hand. „Ganz ruhig, wir lassen alles auf uns zukommen“ Mir auf die Lippen beißend nickte ich. Hier endete mein Mut, ich hatte zwar den Wunsch, aber keine Ahnung, wie ich das durchziehen sollte. Sakura kam mit Tenten im Schlepptau zu uns, ihrer beider Wangen glühten förmlich. Ich fing aus einiger Entfernung den Blick von Sasuke auf, der fragend eine Augenbraue hochzog. Ich hob mein Glas und prostete ihm zu. Ein Zeichen, dass auch für meine beiden Freundinnen wohl der Zeitpunkt gekommen war, wo sie zum Sekt und Champagner nein sagen sollten. Er nickte und wehrte eines der Mädchen ab, welches ihn schon zum wiederholten Male umarmen wollte. Wie gut, dass Sakura das nicht sah und im Allgemeinen nicht allzu eifersüchtig wurde. Trotz allem bemerkte ich, wie er zuerst zu ihr sah und dann deutlichst den Versuch ablehnte. Anscheinend hatte er Angst, sie könne die Sache falsch verstehen.

Aber daran dachte sie eh nie. Immer, wenn ich Sasuke ansah, lag sein Blick wachend auf ihr, als wäre er jederzeit bereit, eine mögliche Gefahr von ihr abzuwenden. Er und Naruto waren angeblich so verschieden, aber im Grunde ihres Herzens waren sie gleich. Es lies mich lächeln.
 

„Du siehst wunderschön aus“, bemerkte Sakura zum gefühlt hundertsten Mal, aber ich konnte nicht genug davon bekommen. „Danke“, sagte ich deshalb und strahlte sie an. „Sie hat Recht“, meinte Tenten, „Wirfst du eigentlich auch irgendwann den Brautstrauß?“ Ich sah auf meine Hände hinab und schrak zusammen. „Du meine Güte!“, rief ich, „Das habe ich ja beinahe vergessen!“
 

Schnellstens versammelte ich sämtliche unverheiratete Frauen hinter mir und hob meine Blumen hoch. Eigentlich war das keine Tradition im Stile meiner Hochzeit, aber ich hatte mir den Spaß nicht nehmen lassen wollen. Immer wieder hatten wir darüber spekuliert, wer es wohl werden würde. Ich presste die Augen fest zusammen, damit ich nicht schummeln und zielen konnte und warf mit Schwung hinter mich. Sobald ich sicher war, dass meine Finger die Blumenstile nicht mehr berührten, dreht ich mich gespannt um.

Sakura sprang so hoch, als wolle sie Volleyball spielen, anstatt die nächste Braut zu werden. Tenten riss die Arme waagrecht zum Boden hoch, als würde der Strauß senkrecht von oben kommen. Ich hörte das Gelächter meiner kleinen Schwester, als die Blumen über ihrer beider Köpfe hinweg segelten. Auch die anderen Frauen hatten Pech – ich hatte so kräftig geworfen, dass das Ding die komplette Gruppe ausließ. Als ich jedoch sah, wer mehr aus Reflex zugegriffen hatte, um nicht am Kopf getroffen zu werden, begann ich laut zu lachen. Naruto direkt neben mir stimmte mit ein, Sakura nach einer kurzen Zeit ebenfalls. Tenten schüttelte grinsend den Kopf, als könne sie es nicht glauben und Neji murmelte etwas von Karma.

Nur Sasuke sah regelrecht verdattert in die Runde und sah mit seinem schwarzen Anzug und dem Brautstrauß in der Hand absolut lustig aus. Er starrte auf das Ding in seiner Hand, als könne er sich nicht erklären, wie es dahin gekommen war. Mit ziemlich ernster Mine warf er die Blumen zurück, direkt in Temaris Hände. Die grinste und schüttelte den Kopf. „Nix da, Uchiha! Du hast gefangen, du behältst ihn auch!“ Und sofort bekam er das Ding zurück. Leicht genervt drückte er die definitiv weiblich anmutenden Blumen seiner Verlobten in die Hand. Als Temari zu uns kam, einen Arm um meine Freundin legte und scherzhaft meinte „Siehst du, du brauchst gar nichts zu tun. Sasuke-kun kümmert sich schon um alles!“, schnaubte er beleidigt auf.
 

Der Tag wurde zum Abend, der Abend langsam aber sicher zur Nacht. Nach und nach verabschiedeten wir unsere Gäste und waren beide froh, uns einmal ruhig hinsetzen zu können. Ich sah zu ihm auf, unendlich froh, dass er so verständnisvoll war.

„Der Tag war so lang“, murmelte ich. Es war nicht böse gemeint, nur war irgendwie immer jemand da gewesen, der mit uns hatte reden wollen. Immer, wenn ich gedacht hatte, wir hätten mal wenige Minuten für uns, war wieder entweder mein Name oder Narutos gerufen worden. Wir waren heute mindestens fünf mal den kompletten Garten abgelaufen. „Ich bin froh, wenn ich aus den Schuhen rauskomme“, murrte er und seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass Naruto feine Schuhe trug, aber er hatte sich nie dafür begeistern können. Er war eher für Bequemlichkeit oder Funktionalität zu haben, also dunkle Sportschuhe oder sogar Wanderschuhe.

Ich jedoch nickte jetzt, auch meine Pumps waren jetzt gerade furchtbar unbequem. Zwar hatte ich mit Pflastern und anderen Tricks vorgebeugt, aber ein ganzer Tag auf hohen Hacken war selbst mir zu viel. Und so streifte ich meine Schuhe noch im Flur ab und schob sie nachlässig Richtung Wand. Narutos edle Treter folgten dem Beispiel.

„Wollen wir jetzt noch zum Haus fahren, oder bleiben wir heute Nacht noch hier?“, fragte er mich. Ich seufzte. Eigentlich hatten wir und ein eigenes Haus gekauft, welches hier ganz in der Nähe lag, aber ich war so müde, ich wollte keinen unnötigen Schritt mehr tun. „Wir bleiben hier“, bestimmte ich und sah ihn nicken. Auch mein Mann wirkte leicht geschafft. Heute würden wir wohl wirklich nur in unser Bett fallen und einfach schlafen. So viel also zu meiner Hoffnung von vor wenigen Stunden.

Neji:
 

Als ich vorsichtig die Tür öffnete und durch den entstandenen Spalt sah, fiel mir das Bild sofort ins Auge:

Naruto lag auf dem Rücken, beide Arme weit ausgebreitet. Sein Schnarchen war nur zu erahnen. Meine Cousine hatte sich an ihn gekuschelt, ihr Kopf lag auf seiner Brust. Ein Musterbeispiel eines glücklichen Paares kurz vor dem Aufstehen.
 

Ich schüttelte den Kopf, schloss die Tür und ging die Treppe hinunter. „Sagen Sie meiner Cousine bitte, dass ich heute aushäusig esse. Ich werde vermutlich erst spät abends wiederkommen“, informierte ich das Personal und sah ein Dienstmädchen nicken. Ich wusste nicht mehr, wann ich angefangen hatte, alle von ihnen zu Siezen, aber es kam gut an. Ich gab mir mehr Mühe, sie als Menschen zu sehen, nicht bloß als stumme Arbeitskraft. Meine Jacke überstreifend ging ich zur Tür hinaus, mit nur einem Ziel vor Augen.
 

Tenten kam erst beim zehnten Klingeln zur Tür. Hoffentlich hatte ich sie nicht aus ihrem Tiefschlaf gerissen. Die Art, wie sie viel zu schwungvoll an dem Holz riss, machte mir klar, dass sie schlechte Laune hatte. Na, das konnte ja was werden.
 

„Sagtest du nicht was von heute Abend?“, fragte sie anstatt einer Begrüßung und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich zuckte mit den Schultern und sah an ihr vorbei. „Darf ich rein?“ Sie ging zur Seite und ich betrat ihre Wohnung.

Wie immer war alles sauber aufgeräumt, nirgendwo konnte ich etwas entdecken. Typisch Tenten eben. „Ich habe dich nicht geweckt?“, fragte ich leise nach. Die Tür zu ihrem Schlafzimmer stand offen und ich sah die Falten im Bettzeug. Sie rollte mit den Augen. „Nein, ich war gerade aufgestanden. Warum bist du so früh dran?“

Ich entschied mich für die Wahrheit: „Ich bin auch neugierig, wie es gelaufen ist“ Sie blinzelte, besann sich dann aber und nickte. „Danke“, sagte sie leise, „Das bedeutet mir viel“ Ich nickte ebenfalls. Natürlich, Tenten war aus einer anderen Stadt mit ihren Eltern hergezogen. Eltern, die viel zu früh gestorben waren. Nun lebte sie schon so lange allein, aber ihren Traum hatte sie nie aufgegeben. Ich wusste, dass sie unbedingt zum Militär wollte, unbedingt so ihr Land schützen wie ihre Eltern. Sie behauptete immer, kämpfen sein das einzige, was sie wirklich gut könne. Ich war anderer Meinung, hielt mich aber zurück damit, sie laut auszusprechen.
 

Tenten holte den Brief, während ich mich an den Esstisch im Wohnzimmer setzte. Ihre Wohnung war nicht sonderlich groß, aber sie hatte allemal ausgereicht, wenn wir Freundestreffen veranstaltet hatten. Wurde die Gruppe größer als sieben Personen, wurde eben alles nach draußen in den Garten verlagert. Oder zu Naruto, seine alte Wohnung war zwar winzig, aber die restlichen Wohnungen drum herum standen damals leer und wir hatten einfach die restlichen Räume mitgenutzt. War ja nicht so, als hätte sich jemand beschwert. Im Laufe der Jahre waren die Treffen dann bei uns zu Hause gewesen und wir hatten uns zurückhalten müssen, weil mein Onkel sonst alles verboten hätte. In dieser Zeit entdeckte ich, wie unglaublich gut Tenten unseren Lee im Griff hatte. Sie schien nicht nur zu spüren, wann er genug Alkohol intus hatte, um einen Affen aus sich selbst zu machen – nicht, dass er das nicht sonst auch tat – sondern sie wusste ebenfalls, wie sie ihn wieder nüchtern bekam. Immer, wenn Lee das Gelände wieder verließ, glaubte man beim ersten Blick, er sei absolut nüchtern. Ich hatte nie verstanden, wie sie das schaffte.
 

Ein Briefumschlag, groß genug um ein komplettes Buch zu enthalten, der vor mir auf den Tisch sauste, riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah auf das braune Papier, hob dann den Kopf. „Du hast ihn wirklich noch nicht aufgemacht?“ Sie setzte sich hin und machte eine Bewegung mit der Hand.

Ich nahm den Brief, öffnete ihn und sofort fiel mir eine Masse an Papier entgegen. Ich ordnete alles, las mir die ersten zwei Blätter durch und schwieg danach einige Minuten. Währenddessen rutschte Tenten auf ihrem Stuhl hin und her und sah aus, als würde sie am liebsten an ihren Fingernägeln knabbern. Aber so etwas machte sie nicht, dafür hatte sie zu viel Stil.
 

Ich hob den Kopf und kontrollierte meine Mimik. „Tut mir Leid, Tenten“, sagte ich. Sie stöhnte auf und sackte in sich zusammen. Sekunden später sprang sie auf und fuchtelte wild mit den Händen herum. „Ich hab's geahnt!“, rief sie, offensichtlich wütend und enttäuscht, „Sie schicken mir einfach nur meine Unterlagen zurück, nicht wahr?!“ Sie fixierte mich, als wäre ich der Übeltäter.

„Ich-“, setzte ich an, kam aber nicht weiter. „Ich fasse es nicht! Braucht man echt so lange für 'ne Absage?!“ Sie riss sich noch zusammen, aber ich wusste, dass sie mit den Tränen kämpfte. „Tenten-“, begann ich erneut, aber sie hörte nicht zu. Stattdessen lief sie vor dem Tisch auf und ab. „Oh, ich hatte es schon im Gefühl! Was soll's, ich hab eh nicht wirklich damit gerechnet. Ich meine, meine Noten sind auch nicht so toll“ Ich seufzte. „Tenten!“ Sie machte einfach weiter: „Und ich bin ja auch nur eine Frau, die haben bestimmt viel mehr Interesse an Männern, die zehnmal so viel Kraft haben wie ich. Was hab ich mir bloß gedacht?!“
 

Ich hatte genug und stand auf, wobei ich meine Hand auf den Tisch knallen lies. Sie zuckte zusammen und blieb endlich einmal stehen. Ich legte das Schreiben auf den Tisch und zog mit der anderen Hand an ihrem Arm. Als meine Lippen auf ihre trafen, spürte ich ein winziges bisschen Genugtuung aufkommen, gemischt mit Freude.

Ich entließ sie kurz darauf und sah ihr fest in die Augen. „Ich wollte dir nicht sagen, dass sie dich nicht nehmen würden“, sagte ich fest. Sie starrte zurück, als begreife sie nicht. Ich seufzte erneut, ich war wirklich nicht für solche Sachen gemacht. „Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich so lange gebraucht habe, um mir über alles klar zu werden. Es wird wohl auf eine Fernbeziehung hinauslaufen“ Ich trat einen Schritt zurück, während sie versuchte, meine Worte zu verstehen.

Verwirrt blickte sie in mein Gesicht, dann auf den Brief. Sie drehte sich von mir weg und nahm die Bögen auf. Ich konnte sehen, wie ihre Augen von Zeile zu Zeile huschten.
 

„Neji!“, hauchte sie dann. Beinahe knickte sie ein, aber ich schlang einen Arm unter ihren Ellbogen und stützte sie. Dann hielt sie mir das Schreiben vor die Nase, als wisse ich den Inhalt nicht. „Ich bin angenommen!“ Ich nickte. „Das bist du“, bestätigte ich. Sie jubelte laut los, warf den Brief zurück auf den Tisch und sprang mir in die Arme. Unsicher versuchte ich, einen Sinn dahinter zu finden, dass sie mir zwar einerseits ihre Arme um die Schultern geschlungen hatte, andererseits aber auf und ab hüpfte. Wollte sie nun umarmt werden oder nicht?!

„Angenommen!“, rief sie und mir klingelte mein linkes Ohr, was ich aber ignorierte, „Ich bin tatsächlich dabei!“ Ein Lächeln zupfte an meinen Mundwinkel. Ich gab nach, beugte mich vor und traf ihren Mund mit meinen Lippen. Endlich mal ein paar Sekunden Ruhe.
 

Ich hatte erwartet, dass sie ruhig bleiben würde. Hatte erwartet, dass sie nach einigen Sekunden sich zurückziehen würde. Aber sie überraschte mich erneut, sie seufzte zufrieden auf und schmiegte sich noch näher an mich. Ihre Hände fanden mein Gesicht, ich schlang meine Arme um ihre Hüfte.

Erst, als ich mit der Zungenspitze ihre Unterlippe berührte, schien sie sich wieder zu sammeln. Sie beendete die Zärtlichkeit und strahlte mich an. Gleich darauf blinzelte sie und wurde rot. „Uh, das war...neu“, bemerkte sie. Ich nickte.

„Du...willst also wirklich?“ Ein erneutes Nicken meinerseits. Wirklich, was sollte ich auch anderes tun? Sie trat zurück. Ich lies sie. Hektisch fuhr sie sich mit einer Hand über die Stirn, die andere war in ihre Hüfte gestemmt. „Also, das kommt echt zum blödesten Zeitpunkt!“ Ich lachte auf. Wo sie Recht hatte, hatte sie Recht. „Trotzdem“, sagte ich fest, „Ich will das wirklich versuchen. Wenn du das auch noch willst“ Ich hatte sie sicherlich lange genug warten lassen. Sie war nicht Hinata, wie konnte ich schon erwarten, dass sie jahrelang Single bleiben würde?
 

Doch sie strahlte mich an, als hätte ich ihr tatsächlich ein Geschenk gemacht. „Also, gemeinsam? Als gleichwertige Partner?“ Hatte ich ihr bisher das Gefühl gegeben, dem wäre nicht so? „Aber sicher. Glaubst du, ich würde dich deiner Eigenständigkeit berauben?“ Sie trat näher, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ganz sanft meine Stirn.

Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Das hatte schon seit über zehn Jahren keiner mehr getan. Von jetzt an würde diese Stelle nur für sie reserviert sein. „Wie lange kannst du bleiben?“, fragte sie. „So lange du willst, ich hab den ganzen Tag Zeit“, antwortete ich und spürte, wie die Freude wie eine Welle meinen Körper ergriff. Tenten lächelte. „Dann lass uns mal klären, wie das von jetzt an laufen soll, Mister Firmenchef!“
 

Sakura:
 

Ich starrte wie hypnotisiert auf den Stab in meinen Fingern. Das konnte doch echt nicht sein. Ich meine, ich hatte doch immer...oh! „Mist!“, fluchte ich leise vor mich hin. Diese blöde Schmerztablette, das war es gewesen.

Ich legte den Kopf in den Nacken und hob die Arme über meinen Kopf. „So ein Mist! Das passt mir gar nicht!“ Die Worte waren so laut gesprochen, dass sie im Zimmer wieder hallten.

„Was passt nicht?“, fragte eine andere Stimme und ich sprang vor Schreck beinahe auf. „Tsunade-sama!“ Meine Mentorin in der Medizin stand in der Tür zum Ruheraum und betrachtete mich misstrauisch. Ich senkte meine Hände und wedelte abwehrend damit herum. „Nichts“, sagte ich hastig, „Absolut gar nichts! Ich hab jedenfalls nirgendwo Mist gebaut, es ist alles gut!“ Ich hatte völlig vergessen, was ich in den Fingern hielt – bis es bei einer schwungvollen Bewegung aus eben jenen Fingern glitt und mit lautem Getöse auf den Boden fiel und zu meiner Mentorin rutschte.

Ich wurde knallrot, während Tsunade sich bückte und meinen positiven Schwangerschaftstest aufhob.

Sie blickte lange darauf, dann lächelte sie. „Weiß er davon?“ Ich schüttelte den Kopf und hob die Schultern. Sicher, Sasuke und ich hatten darüber gesprochen, Kinder zu haben, aber doch nicht so früh. Ich steckte mitten in der Ausbildung, bald würde meine Prüfung sein. Sollte ich da etwa hochschwanger auftauchen? Und wie sollte ich den Stress jetzt bewältigen? In mir türmten sich die Fragen auf.
 

„Na schön“, sagte die Blondine vor mir einfach, scheinbar gut gelaunt, „Dann rede mit ihm, bevor er wieder eine Auslandsreise für seinen Vater macht. Wir wollen doch nicht, dass er in Suna ist, wenn der Nachwuchs kommt, oder?

Und wir kürzen dann später deine Schichten, ich werde sehen, ob ich dir die leichteren Fälle geben kann, die müssen immerhin auch behandelt werden“ Ich hob eine Hand. „Stopp mal!“ Sie hielt inne und wartete auf meine Reaktion.

„Du hast nichts dagegen?“, fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. „Du lebst, was ich immer haben wollte“, informierte sie mich. Okay, ich wusste, dass ihr Mann gestorben war, bevor sie Kinder haben konnten. Aber sie hatte das gewollt? Auf mich hatte Tsunade immer gewirkt, als sei sie glücklich so. Hm, wie man sich täuschen konnte.
 

Sie setzte sich neben mich und legte mir eine Hand auf ein Bein. „Sakura“, begann sie ruhig, „Ich werde dir jetzt etwas erzählen, von dem ich will, dass du es für dich behältst“ Ich nickte vorsichtig.
 

„Vor einigen Jahren war ich genau wie du. Jung, idealistisch und frisch verheiratet. Was du ja nun auch bald sein wirst.

Mein Mann und ich, wir machten die verrücktesten Pläne. Ich sah mich schon als Mutter einer talentierten Tochter, die mir in allem nacheifern würde. Natürlich hätte sie den Optimismus ihres Vaters. Ich wollte jeden retten und vor allem hatte mein Leben gerade erst angefangen“

Sie schluckte schwer. „Aber dann ging alles schief. Ein Freund von mir, Orochimaru, lief aus dem Ruder“ Ich machte große Augen. Dieser Mann war in der Ärzteschaft bekannt für seine illegalen Experimente. Er testete wahnsinnig gerne noch nicht zugelassene Medikamente an Menschen, die darüber keine Ahnung hatten. Er war vor Jahren aus der Forschungsgemeinschaft geworfen worden, was ihn jedoch nicht daran hinderte, munter im Untergrund weiter zu machen. Und den hatte die unglaublich starke Tsunade, die Königin der Medizin, die Meisterchirurgin, mal gekannt?!
 

„Ja, du kannst es ruhig glauben. Es klingt absurd, aber auch er war einmal nur ein kleiner Junge. Aber er hatte furchtbar an Hatakes Freunden Rin und Obito gehangen. Als das arme Mädchen an Krebs erkrankte und niemand ihr helfen konnte, wollte er etwas tun. Er schaffte es nicht und sie siechte dahin. Es war schlimm.

Hatake kam damit nicht klar, er distanzierte sich, um seine eigene Seele zu schützen. Aber Obito, der schon so lange für Rin schwärmte, war Tag und Nacht an ihrer Seite.

Als sie starb, folgte er ihr wenige Tage später. Keiner hatte gemerkt, dass er völlig entkräftet war und schon lange nicht mehr richtig gegessen hatte. Für Orochimaru waren zwei Kinder gestorben, die alles noch vor sich gehabt hatten. Er verzweifelte daran, wollte unbedingt ein Mittel finden, dass Krebs heilen kann. Aber er kam nicht weiter. Und so ging er immer weiter, was dann letzlich zu viel war“ Sie verstummte und sah mich an.

„Man muss irgendwann akzeptieren, dass man nicht alle retten kann. Und wenn du in zehn Jahren einen Weg findest, jemanden zu retten, der dir heute noch unter den Fingern wegstirbt – dann musst du auch das akzeptieren. Die Medizin ist nichts für zu Mitfühlende!“ Ich nickte ernst, ihr Rat war hart, aber die Wahrheit. Erst neulich hatte ich einem Ehepaar von über sechzig Jahren sagen müssen, dass der Mann Parkinson hatte und wahrscheinlich nicht mehr lange durchhalten würde. Die Tränen der Frau waren mir immer noch im Gedächtnis. Aufmunternd drückte Tsunade mein Knie.
 

„Dan war auch Polizist, weißt du? Warum alle Männer dahin wollen, ist mir nicht ganz klar, aber nun gut.

Als die Sache mit Madara passierte, war er ebenfalls vor Ort. Er versuchte sein Bestes. Und ich wartete im Krankenhaus auf die unvermeidlichen Fälle, die eingeliefert werden würden. Was auch passierte. Es war furchtbar, Sakura. Ich habe noch nie so viele Verletzte auf einem Haufen gesehen“ Ein Schauder lief ihren Körper hinab, als würde sie die Erinnerung erneut durchleben. Ich konnte nur ahnen, wie es gewesen sein musste. Ein von innen angeleiteter Anschlag der Mafia war nichts, was man als leicht bezeichnen konnte.
 

„Und ich wirbelte herum, versuchte, an allen Orten gleichzeitig zu sein. Bis der Notruf kam, dass bei Narutos Mutter die Wehen eingesetzt hatten“ Ich fuhr zusammen. Mit meinem besten Freund hatte ich in dieser Geschichte absolut nicht gerechnet. Tsunade lächelte nachsichtig. „Ja, ich war die betreuende Ärztin während ihrer Schwangerschaft. Ob du's glaubst oder nicht, Jiraya hatte mich empfohlen“ Ich grinste. Schien fast so, als hätte auch der alte Schwerenöter mal eine gute Seite gehabt. „Während ich mich fertig machte, um zu Kushina zu eilen, kam ein weiterer Patient“ Ihr Grinsen erlosch, als hätte man einen Schalter umgelegt. Jetzt kam wohl der schlimmste Teil der Geschichte. „Es war mein Mann“ Sie sah weg und hob die Schultern, als wolle sie sich schützen. Ihre Hand glitt von meinem Bein und blieb zwischen uns liegen.

„Ich lies alles fallen und behandelte ihn selbst. Ich war damals bekannt als diejenige, die am meisten Erfahrung und am kreativsten war. Ich hatte schon ganz andere Fälle gerettet.

Aber nicht meinen eigenen Mann. Ich habe versagt“ Sie seufzte schwer und schüttelte den Kopf. Ich schwieg betroffen.

Wenn ich daran dachte, Sasuke wäre auf meine Kenntnisse angewiesen und ich würde es nicht schaffen...Ich schauderte unwillkürlich. „Was ist passiert?“, wisperte ich betroffen. Ich konnte mir nicht vorstellen, was schief gelaufen sein konnte.
 

„Ich habe eine Naht vergessen“, flüsterte sie und starrte geradeaus, „Eine einzige, winzige Naht, die ich wieder hätte lösen müssen. Ich hatte mich nach der OP verzählt“ Sie lies den Kopf hängen.

Ich starrte sie an, als würde mein Blick es ungeschehen machen. Was war das für ein Unglück! Aber wir waren doch alle Menschen, oder nicht? Ich schluckte schwer.

„Lag das daran, dass du vorher so viel zu tun hattest?“ Sie nickte schwer, dann straffte sie sich. „Ja. Ich war völlig übermüdet, ich hatte zwei Schichten hintereinander geschoben. Und ich habe einfach einen Fehler gemacht“ Sie schüttelte sich, als wäre dieser Satz ein unangenehmes Insekt, das sie loswerden wollte. „Danach war ich fertig mit der Medizin. Überhaupt, mit der ganzen Welt. Bei jeder neuen OP wurde ich regelrecht manisch, ich kontrollierte zehn Mal, ob ich nichts vergessen hatte. Ob alles am richtigen Platz war. Ich konnte es nicht stoppen, immer wieder ging ich alles durch. Es dauerte immer länger, bis ich meine Operationen beendete. Und dann brauchte ich einmal zu lange und der Patient starb aufgrund der Belastung. Er hatte ein schwaches Herz gehabt und ich war angewiesen worden, so schnell wie möglich zu arbeiten. Aber ich hatte das völlig verdrängt, ich war wie gefangen“ Sie sah mich an. „Ich habe mich danach beurlauben lassen und dem Krankenhaus den Rücken gekehrt. Ich konnte nicht mehr“ Traurig nickte ich, ich konnte sie verstehen.
 

Plötzliuch lächelte sie sanft. „Bis ich auf Naruto traf. Hatake hatte mich gerufen, weil dein Freund krank war – und er überfordert. Wir kannten uns ja. Als ich ihn behandelte, erinnerte er mich an die vielen Menschen, die ich vorher noch hatte retten können. An all diejenigen, die mich brauchten. Er zeigte mir, dass ich nicht weglaufen darf. Naruto hat den Anstoß gegeben, dass ich wieder hier bin, denke ich“ Sie grinste, was sie um Jahre jünger aussehen lies. „Aber wehe, du sagst ihm das!“

Ich lachte noch, als sie meine Hände in ihre nahm und drückte. Verblüfft hielt ich inne.

„Was ich damit sagen will, Sakura: Du bist auf dem Weg zu etwas ganz Großem. Leb dein Leben und denke immer zuerst an dich und dann an die Arbeit. Wenn du dich nur in deiner Aufgabe verlierst, hast du nachher nichts und niemanden mehr, der dich auffängt. Du wirst dieses Kind bekommen und ich werde euch voll unterstützen, so sehr ich kann. Verschiebe sowas nicht ewig nach hinten, sondern leb dein Leben jetzt!“ Überwältigt nickte ich, befreite meine Hände und fiel ihr in die Arme.

Sasuke:
 

Ich kam völlig geschafft nach Hause. Mit einem Seufzer schloss ich die Tür und sah mich nach meiner Verlobten um.

"Sakura?", fragte ich. Sie hatte die Frühschicht im Krankenhaus gehabt und müsste eigentlich schon hier sein.
 

"Hier drin", kam die etwas wacklig klingende Antwort. Ich zog die Augenbrauen zusammen. War etwas passiert? War ihr ein Patient gestorben? Das war bisher noch nicht passiert, aber ich war mir sicher, dass es früher oder später passieren musste. Auch sie würde kein Wunderarzt werden. War es nun soweit?

Ich ging ins Wohnzimmer und sah sie nervös auf dem Sofa herumrutschen. Also war niemand gestorben. "Hast du was angestellt?", fragte ich. Manchmal hatte Sakura ein ziemlich heftiges Temperament. Und manchmal eckte sie eben damit auch an. Sie reagierte nicht angesäuert, was mich überraschte. Ich hatte damit gerechnet, dass sie mit aufgeplusterten Wangen verneinen würde. Stattdessen sah sie zum Fenster und wurde rot. "Jein"
 

Ich hob eine Augenbraue. "Hn" Sie wies mit der Hand auf den Platz neben sich. "Würdest du dich bitte setzen?" Ohne einen Kommentar tat ich wie geheißen. Sie sortierte länger ihre Gedanken, was mich nun nervös machte. "Sakura?", fragte ich, vielleicht sogar ein bisschen zu drängend.
 

"Ich bin schwanger!", platzte es aus ihr heraus. Drei Sekunden vergingen. "Huh?" Nicht mein bester Kommentar, aber im Moment fühlte ich mich, als hätte mich ein Bus gestreift. "Ich bin schwanger", wiederholte sie, deutlich ruhiger, "Sasuke, wir bekommen ein Kind" Ich schwieg sie an, während meine Gedanken wanderten.
 

"Junge oder Mädchen?", fragte ich schließlich. Und da war endlich das Schnauben, das ich schon viel früher erwartet hatte. "Och, Mensch! Das kann man doch jetzt noch nicht sagen, Sasuke! Das Baby ist noch nicht mal so groß wie ein Baseball! Das kommt alles noch" Ich sah ihr in die Augen. "Nicht das Baby", sagte ich, was sie unheimlich verwirrte. Sie legte auf diese süße Weise den Kopf schief und sah aus, als hätte ich dieses Wesen in ihrem Bauch als ein Wunder betitelt. "Unser Baby", korrigierte ich. Noch einmal zehn Sekunden des Schweigens. Dann wurden ihre Wangen rot, ihre Augen begannen zu strahlen und sie fiel mir in die Arme. "Du freust dich!", jubelte sie. Ich grinste. "Hn" Sie lachte auf und knuffte mich in die Schulter. "Sasuke?", fragte sie dann in ihrer süßesten Stimme. Ich nickte lediglich. "Tust du mir einen Gefallen? Einen, den nur du mir tun kannst?" Wieder nickte ich. Was konnte es auch schon sein? Es war Sakura.
 

"Du sagst es Naruto!" Ich nahm sofort alles zurück. Sie war wirklich manchmal viel zu durchtrieben! Und das war alles nur die Schuld dieser selbsternannten Lehrmeisterin! Diese elende Tsunade Senju!
 

Hinata:
 

"Was hast du gesagt?", brüllte mein Mann in sein Handy. Ich verzog für eine Sekunde das Gesicht, dann sah ich sein Strahlen, was mich eher eine Augenbraue heben lies. "Das ist großartig! Wie geht es Sakura damit?" Er lauschte für einige Sekunden der Antwort. Ich wartete geduldig ab, was los war konnte ich nicht sagen. Seit wir heute Morgen aufgewacht waren, war einiges los.

Zuerst rief das Umzugsunternehmen an, dass sie die Möbel, die schon für vorgestern angesagt gewesen waren, leider heute auch nicht liefern konnten. Somit hatten wir noch keine Küche. Deshalb waren wir immer noch in meinem Elternhaus und hatten versucht, meinem völlig übermüdeten Vater die Sachlage zu erklären. Er versprach, sich sofort darum zu kümmern und empfahl uns, am Preis zu drehen, immerhin sei der Service furchtbar. Seitdem hing er am Telefon und stauchte den armen Servicemitarbeiter der Lieferfirma zusammen.
 

Dann hatte Neji angerufen. Nun ja, es war sein Handy gewesen. Angerufen selbst hatte Tenten, um mir zu sagen, dass sie angenommen worden war. Ich freute mich für sie, wirklich, aber sie sprach fast eine komplette Stunde mit mir, bevor ich dazischen schieben konnte, dass es immerhin der Morgen nach meiner Hochzeit sei. Nach wortreichen Entschuldigungen legte ich auf - nur um damit Sasuke Platz zu machen, der direkt danah anrief. Und jetzt hing Nauto schon seit zwanzig Minuten da und telefonierte.

Ich seufzte leise auf. Die Realität hatte uns wieder.
 

Naruto gluckste. "Und wie geht es dir damit?", hakte er grinsend nach. Ich ahnte, dass Sasuke nur einsilbig geantwortet haben musste, denn mein Mann lachte auf. "Ich versteh schon, Alter. Aber ich gebe die Nachricht weiter, ja?" Er sah mich an und strich mit seiner freien Hand über meine Wange. "Wenn du mich entschuldigst? Ich muss meine Frau nun auf Händen tragen!" Er legte auf, ohne auf eine Antwort zu warten.

"Naruto!", scholt ich ihn, "Das kannst du doch nicht machen!" Er lächelte immer noch, schüttelte aber den Kopf. "Sasuke kann das schon ab. Wir haben schon Schlimmeres überstanden" Ja, da hatte er Recht. Vielleicht hatte er auch einfach nur meinen Ärger gespürt. Ich lief allerdings auch wegen seines abschließendes Kommentares rot an. "Und du trägst mich jetzt auf deinen Händen wo genau hin?", fragte ich fröhlich. Da, ich hatte nicht gestottert, obwohl ich völlig neben der Spur war.
 

"Na, bei uns zu Hause über die Türschwelle natürlich! Das gehört doch wohl dazu!" Ich läachelte nun ebenfalls. Typisch Naruto, mit dieser alten Tradition machte man ihm eher ein Geschenk, als das man ihn damit ärgern könnte. Naja, die meisten Männer würden es wohl nicht schaffen, das Gewicht ihrer Frauen zu halten und damit sich zu bewegen. Mein Mann hatte damit allerdings keinerlei Schwierigkeiten, er hielt sich jobbedingt erstaunlich fit.

Ich stand auf und reichte ihm meine Hand. "Nach Hause also?" Er nickte. "Nach Hause. Hört sich gut an, übrigens" Wir verliesen die Küche, traten in den Flur und zogen unsere Schuhe an. "Weiß mein Vater Bescheid?", fragte ich und er nickte. "Hab angeklopft, als du mit Tenten beschäftigt warst. Ist alles geregelt"

"Okay", sagte ich gedehnt, während ich meine Jacke anzog. Mein Kleid befand sich schon auf dem Weg in die Reinigung, nur um dann abgeholt und zu uns geliefer zu werden. Zu Hause würde ich es in meinen Schrank hängen und dafür sorgen, dass es auch in zwanzig Jahren noch so gut aussehen würde. Ich wollte die Erinnerung unbedingt lebendig halten.
 

"Was wollte Sasuke denn eigentlich?", fragte ich, als wir den Garten verlassen hatten und in die Straße einbogen. Unser Haus war so nahe, dass wir gut zu Fuß gehen konnten.

Naruto gluckste erneut. "Sakura ist schwanger", sagte er einfach so.
 

Ich blieb stehen und gab einen Laut von mir, der Überraschung und Freude zugleich war. ""Was hast du gesagt?", fragte ich und echote damit seine eigenen Worte vom Telefon. "Ehrlich? Seit wann? Was hat Sasuke gesagt? Geht es ihnen gut?"

Naruto hob eine Hand und lächelte leicht. "Immer langsam, Hina!" Ich musste tief Luft holen und presste dann die Lippen aufeinander. Meine Fragen wollten einfach so heraus sprudeln. Er lachte und tippte mir liebevoll gegen die Lippen. "Entspann dich, alles ist gut. Sakura ist völlig aus dem Häuschen, Sasuke ist nicht ansatzweise so brummig wie sonst - was heißt, er freut sich auch tierisch - und dem Baby geht es richtig gut. Und Tsunade hat angekündigt, die beiden nach bestem Gewissen zu unterstützen"

Gebannt lauschte ich seinen Worten, es war faszinierend, was er sagte. Selbst, wenn er Sasuke nicht ins Gesicht sah, konnte er dessen Tonfall so gut deuten, dass das gar nicht nötig war. Eben doch die besten Freunde, egal, was da kam.
 

"Und was wollte Tenten von dir?", fragte er nach. Durch die rasche Folge aufeinander hatten wir gar nicht viel reden können. Ich hatte lediglich sagen können, dass es nicht Neji gewesen war, er aber bei Tenten war, die mit mir gesprochen hatte. Dann hatte es ja schon wieder geklingelt.

"Ah", machte ich leise, "Tenten ist angenommen worden. Sie beginnt also bald ihre Ausbildung, vermutlich in Suna" Er hörte mir aufmerksam zu, kratzte sich aber dann am Hinterkopf wie früher. "Uh, okay. Das ist toll" Ich wartete, sicher, dass da noch was kam. Und ich wurde nicht enttäuscht. "Aber wieso hatte sie Nejis Handy bei sich? Hat er es bei ihr neulich vergessen?"

Ich hielt eine Hand vor meinen Mund, um nicht laut loszulachen, aber ein Kichern kam dennoch hindurch. "Naruto, du weisst schon, dass die beiden ineinander verliebt sind, oder?" Er blinzelte. "Nee, echt jetzt?" Ich grinste fröhlich. "Natürlich. Mein Cousin hat sie heute morgen fragen wollen, ob sie es nicht doch versuchen könnten. Wer weiß, vielleicht wird das nach Sasuke und Sakura die dritte Hochzeit?" Und wenn mein Cousin wirklich weiterhin den Firmenchef geben wollte, würde er heiraten müssen - Konoha war da leider ein bisschen altmodisch.
 

Naruto hob triumphierend eine Faust in die Luft. "Yeah", jubelte er kindlich, "Endlich mal so eine Veranstaltung, bei der ich nicht mitreden muss!" Typisch er.
 

Plötzlich tauchte er ein wenig unter meinem Blickfeld hinweg und ich spürte, wie seine Hand unter meine Kniekehlen fuhr. Die andere Hand hielt mich sicher im Rücken, während ich den Boden unter den Füßen verlor. "Naruto!", kreischte ich verdattert. Ich hatte nicht mitbekommen, dass wir schon beim Haus waren und er die Tür gerade aufgeschlossen hatte. Sein Blick lag auf meinem Gesicht, er zögerte. "Sieh mich bitte an, Hinata" So ernst klang er selten, also tat ich kommentarlos, was er verlangte. Erst, als er meine volle Aufmerksamkeit hatte, schritt er mit mir auf den Händen über die Schwelle.

Drinnen angekommen setzte er mich sanft wieder auf die Füße. "Also...", flüsterte er, plötzlich gar nicht mehr so selbstsicher. Klar, uns hatte keiner erklärt, was jetzt passieren sollte. Doch ich vertraute ganz meinem Gefühl.

"Willkommen zu Hause, Naruto", sagte ich einfach. Seine Augen wurden kurz glasig, dann lächelte er strahlend. Wie lange hatten wir beide darauf gehofft und dann gewartet, diesen Satz aus meinem Mund hören zu können? Ich hatte mich danach gesehnt, ihn als seine Frau so begrüßen zu dürfen, er hatte sich danach gesehnt, von seiner Familie so begrüßt zu werden.
 

Überwältigt nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich. Und irgendetwas sagte mir, dass ich meinen Wunsch von gestern doch noch erfüllt bekommen würde.

Zwei Monate später
 

Sakura:
 

Fröhlich hob ich einen Strampelanzug hoch. Er war schreiend rosa. „Was meinst du hierzu?“, fragte ich laut genug, um das Geplapper im Laden zu übertönen. Meine Mutter schmunzelte leicht. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. „Nimm lieber eine neutrale Farbe“, meinte sie und nickte mit ihrem Kinn zu einem weißen Strampler hin. Ich zog eine Schnute. „Aber der hier ist soo süß“, zog ich den Satz in die Länge. Meine Mutter grinste nun offen. „Sprechen da etwa schon die Hormone?“, neckte sie. Ich hängte seufzend meine Fast-Eroberung zurück und besah mir das weiße Kleidungsstück. Genau betrachtet war es gar nicht so schlimm. Ich nahm zwei Stück, nur für den Fall, dass es die falsche Größe sein könnte.

„Dann eben so“, murmelte ich und wandte mich zur Seite, um zu den Kindersöckchen zu kommen.
 

Prompt stieß ich mit jemandem zusammen. „Oh!“, keuchte ich, „Entschuldigung, ich hab nicht aufgepasst!“ Erst dann sah ich auf.

„Ist schon gut, nichts passiert“, antwortete Hinata, dann blinzelte sie überrascht. Eine Hand hob sich vor meine Lippen, als ich eine Ahnung bekam, was los sein könnte. „Na?“, fragte ich amüsiert, „Was willst du denn in der Babyabteilung?“ Ihre Wangen röteten sich und sie sah weg. Nervös zupfte sie an einem Kleidchen herum. „Ich...ich weiß nicht genau“ Ich legte den Kopf schief und sah sie an, eine Augenbraue hochgezogen.
 

„Seit einigen Tagen ist mir immer übel“, erklärte sie dann und hob die Schultern, „Dann ist es wieder vorbei. Und ich bin immer müde. Da bin ich einfach mal zum Arzt gegangen“ Meine Mutter lehnte sich vor und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Und was kam dabei heraus?“, fragte sie. Eigentlich wussten wir es alle schon, aber wir wollten es unbedingt von ihr hören.

Sie nickte, als hätten wir nach etwas gefragt, was nur so zu beantworten sei, dann lächelte sie sanft. „Ich bin schwanger“
 

Aufquietschend hüpfte ich einmal hoch und einige Leute sahen uns an, als seien wir verrückt. Aber das kümmerte mich im Moment wirklich nicht. „Herzlichen Glückwunsch!“, meinte meine Mutter ehrlich. Ich nickte heftig. „Von mir auch!“ Glücklich strich ich über meinen eigenen Bauch, der noch fast völlig flach war. „Und weiß Naruto es schon? Was hat er gesagt?“ Sie kicherte. „Nein, ich komme gerade von der Untersuchung. Es war einfach ein Impuls, hier mal reinzugehen und zu schauen“ Ich lachte auf und fühlte mal wieder die Verbindung. „Ich auch. Bei uns ist es auch noch Monate hin, aber ich konnte einfach nicht anders. Und ich weiß jetzt schon, dass ich was kaufen werde. Willst du auch was mitnehmen? Ein Paar Schuhe, um Naruto die Botschaft zu überbringen?“ Sie schüttelte erneut den Kopf. „Nein. Das mache ich anders“ Sie überlegte kurz. „Aber wir könnten uns wo hinsetzen und ein bisschen reden. Ich wüsste wahnsinnig gerne, wie du das empfindest“ Ich nickte heftig und sah meine Mutter an. Sie grinste und stimmte zu. Sie hatte sich heute den ganzen Tag freigenommen, weil ich auf diese Shoppingtour bestanden hatte. Und nachdem sowohl Temari als auch Ino keine Zeit hatten – waren völlig mit ihren Männern beschäftigt, die Süßen – hatte meine Mutter die Zeit genutzt, um mir ihre Ratschläge mitzugeben. Die würden Hinata auch nicht schaden.
 

Naruto:
 

„Was machen wir hier?“, fragte ich leise. Ich war schon lange nicht mehr hier gewesen. Sofort tat es mir Leid, den Ort gemieden zu haben. Schuldbewusst sah ich zu dem Namen und versprach wortlos, demnächst öfter herzukommen.

„Ich wollte dir etwas sagen“, sagte Hinata und zupfte nervös an ihren Fingern herum. Ich lächelte, hoffentlich beruhigend, und nickte ihr zu. Sie holte tief Luft, hielt sie an – und pustete sie heftig wieder aus. Dann holte sie erneut Luft.
 

„Es ist doch nichts Schlimmes, oder? Weil, ich habe hier gerade echt Schiss, echt jetzt!“ Sie lachte auf, was mich beruhigte. Immer noch grinsend wedelte sie mit den Händen. „Nein, nein! Es ist alles gut. Sogar mehr als gut“ Da wurden ihre Wangen so wunderschön pink. „Es ist etwas sehr Schönes, Naruto“ Ich wartete.

„...Ich wollte es hier sagen. Hier, direkt bei deinem Vater, damit er es auch hören kann. Damit er und deine Mutter dein Gesicht sehen können“ Nun legte ich den Kopf schief. Wir waren doch schon verheiratet, was sollte denn jetzt noch kommen? Eine Herausforderung zum Nudelsuppen Wettessen? Das ich mir einen Namen für Sakuras Kind ausdenken sollte? Oder vielleicht war es, dass ich irgendetwas grauenvoll falsch gemacht hatte?
 

„Ich bin schwanger“, hauchte sie.
 

Es vergingen exakt zwei Minuten, bevor ich realisierte, was sie gesagt hatte.

Dann fiel mir die Kinnlade nach unten. Aber so richtig. Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. „Naruto-kun?“, fragte sie panisch nach, weil ich nichts sagte.
 

Ich kauerte mich etwas zusammen, dann sprang ich hoch und riss die Fäuste nach oben. „Ja!“, brüllte ich lauthals, „Ich fass es nicht! Ich werd ein Papa!“ Jubelnd wedelte ich mit den Armen. „Ein echter Papa! Wie der olle Mießkopf! Ich werde es so richtig rocken, yeah!“

Erst Hinatas Kichern brachte mich wieder zur Besinnung. Leicht beschämt wandte ich mich an sie. Kratzte mir den Hinterkopf. „Ähm, `tschuldigung. Ich meine, wir werden es rocken“ Sie strahlte mich an. „Ich freue mich, dass du dich freust“ Fröhlich zog ich sie in meine Arme, drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Wir werden Eltern?“, flüsterte ich ihr ins Ohr. Ich spürte sie nicken. „Ja“

„So richtig mit Windeln wechseln? Und nächtelangem Gebrüll und dem ersten Wort, das Mama sein wird?“ Sie schob sich etwas nach hinten und sah mich verdattert an. „Wie kommst du jetzt darauf?“ Ich grinste verlegen. „Hab mit Sasuke geredet, was so auf ihn zukommt. Hat wohl auf mich abgefärbt“ Sie schüttelte amüsiert den Kopf.
 

„Dann sag es nicht nur mir, was du davon hältst. Sag es auch ihm“ Sanft packte sie meine Schultern und drehte mich zum Grab meines Vaters. Ich war so glücklich, dass ich beinahe von einem Bein aufs andere gehüpft wäre.

Stattdessen kniete ich mich hin. „Hallo Dad“, murmelte ich, unsicher, wie ich anfangen sollte, „Ich weiß, ich habe mich lange nicht blicken lassen. Aber ich hab tolle Neuigkeiten, wie du schon gehört hast. Ne? Ich glaube, ich verstehe jetzt, wie du dich gefühlt haben musst. Ich werde gut aufpassen, ja?

So, wie du es für mich getan hättest. Und ich werde auch gut auf Hinata aufpassen und sie nicht alles machen lassen. Ich versprech‘s dir, ich werde mein Bestes geben!“ Als ich aufsah, bemerkte ich, dass sie vor Freude kurz davor war zu weinen. Tja, Hinata war eben die beste Frau, die ein Mann sich wünschen konnte!

Einen Monat später
 

Ich hatte eigentlich gar nicht vorgehabt, heute einkaufen zu gehen. Aber Hinata hatte so ein paar Macken entwickelt, die wohl bei allen Schwangeren auftauchten. Und so war meine Frau zurzeit ganz verrückt nach Mandarinen und Buttermilch. Und weil sie letzteres nur so in sich hinein schüttete, musste ich neue besorgen gehen.

Und so stand ich hier, mit einer Tüte vollgepackt mit Flaschen mit Buttermilch.
 

Kakashi starrte zurück, als wüsste er auch nicht, wie wir uns so zufällig über den Weg laufen konnten. Wir waren kaum ein paar Meter voneinander entfernt und konnten uns kaum in die Augen sehen.

„Hallo, Sensei“, sagte ich leise. Er drehte den Kopf zur Seite und räusperte sich. „Hallo, Naruto“ Ich umfasste die Tasche fester. Wir hatten uns schon lange nicht mehr gesehen, eigentlich schon seit dem Moment nicht mehr, in dem ich mich für Hinata entschieden hatte. Auf unserer Hochzeit hatte der Sensei eine kurze Rede gehalten – aber wir hatten nicht miteinander gesprochen. Dann waren wir uns ständig aus dem Weg gegangen.

„Geht es dir gut?“, fragte er und wollte wohl so beiläufig wie möglich klingen. Ich nickte, zuckte dann mit den Schultern. „Ja, alles gut. Und du, Sensei?“ Er nickte und sah mir endlich in die Augen. Sein Blick wirkte, als warte er auf etwas.
 

„Hinata ist schwanger“, platzte es aus mir heraus. Für eine kleine Sekunde erstarrte er, dann hörte ich ihn seufzen.

„Das ist...schnell“, murmelte er. Ich zuckte mit den Schultern. War halt eben so passiert, ich wusste doch auch nicht, wie lange sowas normalerweise dauerte. Er nickte vor sich hin, stopfte die Hände in die Hosentaschen. „Freust du dich?“ Ich nickte noch einmal, stellte die Tasche ab. So langsam schnitten mir die Tragestücke in die Finger und ich wollte mir nicht die Blutzufuhr abschnüren.

Ich hob die Arme und verschränkte die Hände im Nacken, so wie ich es früher als Kind getan hatte. „Hinata hat schon die Andeutung eines Bäuchleins“, plapperte ich drauflos, „Und sie bekommt zu den unmöglichsten Zeiten Hunger. Aber das ist alles in Ordnung. Weil ihre Augen so leuchten und wir uns schon Namen überlegen“ Ich verstummte, als ich merkte, wie der Sensei grinste. „Das ist typisch du“, meinte er leise. Trat näher und hob die Hand. Da ich jetzt ein wenig größer als er war, musste er sich ein wenig strecken, um mir über den Kopf zu streichen, dennoch tat er es. Es fühlte sich vertraut an, aber nicht mehr so wie früher.

„Und du? Denkst du, es wird ein Junge?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung“, meinte ich und nahm die Arme runter, „Hauptsache, es ist gesund. Ich hab schon gesagt, ich will mindestens zwei“ Seine Mundwinkel zuckten erneut hoch. „Damit sie nicht allein sind“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Und er hatte Recht. Ich hatte als Kind nie jemanden gehabt, mit dem ich die Zeit hätte verbringen können – Sakura und Sasuke waren ein echter Glücksfall gewesen. Bei meinem Kind wollte ich es nicht auf so einen Zufall ankommen lassen. Es würde zumindest ein Geschwisterchen bekommen, mit dem es spielen könnte.

„Dann bin ich wirklich noch Lehrer, wenn es alt genug ist“ Der Satz brachte mich dazu, überrascht zu blinzeln. „Was meinst du, Sensei?“ Er zuckte locker mit einer Schulter und verlagerte das Gewicht auf einen Fuß. „Ich hab noch ein paar Jahre vor mir, bevor ich in Rente gehen könnte. Wenn eure Kinder zur Schule gehen, bin ich noch da. Vielleicht haben sie dann einen alten Bekannten als Klassenlehrer?“
 

Beinahe hätte ich begeistert gegrinst. Dann stellte ich mir vor, wie mein Sohn oder meine Tochter im Unterricht sitzen würde und Senseis lustlosem Gemurmel zuhörte. Wie dieses Kind zu uns nach Hause käme und bei mir Jammern würde, dass man ihrem Lehrer gar nichts ansehen könne wegen der Maske. Das würde bestimmt lustig.

„Oh ja, das wäre super, echt jetzt!“ Er lachte leise. „Glaub ja nicht, dass ich jemanden bevorzugen würde“ Ich grinste nur noch stärker. „Nein, das machst du nicht. Sonst hätte ich ja auch ohne Extraaufgaben die Klasse geschafft“ Er schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück, als amüsiere es ihn wirklich. Ich war froh, dass jetzt zumindest die Anspannung von uns beiden gefallen war und wir wieder halbwegs vernünftig miteinander umgehen konnten.
 

Doch dann wurde er plötzlich ernst. „Und findet Hinata das auch gut?“ Ich nickte. „Aber ja“, wir hatten nämlich schon darüber gesprochen, „Sie meinte, wenn das passiert, dann ist das eben so. Und ich hatte immerhin immer gute Noten bei dir, Sensei. Wir haben die Sache geklärt und sie versteht, wie die Dinge stehen“ Zumindest fast alles. Was auf der Verlobungsfeier gelaufen ist, wusste sie immer noch nicht. Es war auch irgendwie nicht mehr wichtig. „Sie würde sich freuen, wenn du dich für unser Kind genauso einsetzen würdest, wie du es bei uns getan hast“ Ich hatte nicht vergessen, dass er sich dafür eingesetzt hatte, Hinata ziehen zu lassen, als ihre Karriere richtig angefangen hatte. Ohne seine positive Einschätzung hätte sie vielleicht gar nicht so viel herumreisen können. Daran hatte sich auch meine Frau erinnert. Ich wusste ganz sicher, dass sie sich nicht nur dazu zwang, für mich zu lächeln und zu nicken. Sie war sich sicher, dass der Sensei als Klassenlehre unseres Kindes nichts Schlechtes wäre.

„Soll ich dir Bescheid sagen, wenn es geboren ist?“ Er zuckte mit einer Schulter. „Ich werd es wohl wissen wollen. Seht nur zu, dass es nicht mit Sakuras Geburt zusammen fällt, sie macht euch sonst die Hölle heiß“ Ich lachte laut los. Das passte zu meiner besten Freundin!
 

Als ich meine Tasche wieder nahm und wir uns verabschiedeten, kam ich mir leichter vor. Mir wurde bewusst, dass ich mich davor gefürchtet hatte, wie er reagieren würde. Ich spürte noch die Gefühle, die der Sensei in mir auslöste, aber sie waren schon minimal schwächer geworden. Es kam endlich alles wieder ins Lot, weil ich wusste, ich hatte mich für die richtige Person entschieden.

Dennoch wollte ich den Sensei nicht verletzen. Und so hatte ich diese Begegnung herausgezögert und war davon überrascht worden. Und jetzt, wo ich so unvermittelt so einfach hatte drauflosreden müssen, wurde mir klar, dass es gut gelaufen war.

Ich grinste und lies die Tasche rascheln. Heute war ein guter Tag!
 

Hinata trank die erste Portion Buttermilch einfach so aus der Verpackung, anstatt sich ein Glas zu holen. Sie seufzte, als sie absetzte. „Meine Güte“, meinte sie dann mehr zu sich selbst, „Wie kann ich nur so Appetit darauf haben?“ Ich lachte. „Sakura-chan isst laut Sasuke die ganze Zeit saure Gurken und stopft sich danach mit Süßigkeiten voll“ Was eine eklige Kombination war. Wurde ihr davon nicht übel?

„Ja“, nickte Hinata und nippte erneut an ihrer Buttermilch, „Und dann trinkt sie nur noch Wasser, weil sie den Tee nicht mehr riechen kann“ Was wohl für ihre Nerven übel war – Sakura war ganz verrückt nach Tee, besonders nach grünem Tee. Auf den verzichten zu müssen, war für sie schon immer eine Qual gewesen. Ich setzte mich neben sie.

„Ich bin über Hatake-sensei gestolpert“, sagte ich kurz. Sie hielt inne, dann seufzte sie. „Und?“ Ich lehnte mich gegen die Stuhllehne. Verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich weiß nicht. Ich denke, es war gut so. Er hat mich gewarnt, wir sollten nicht am selben Tag wie Sakura-chan unser Kind in die Welt setzen“ Sie schmunzelte und lehnte sich gegen mich. Automatisch hob ich einen Arm und legte ihn ihr um die Schultern. „Hatte ich nicht vor“, sagte sie belustigt, „Aber ich kann das schlecht beeinflussen“ Ich lachte. „Und Sakura-chans und Sasuke-kuns Kind wird wohl auch ein wenig älter sein als unseres“ Sie nickte und sah zu mir auf. In ihrem Blick lag so viel Zuneigung, dass ich mich fragte, wie ich so eine Frau nur verdient hatte. „Ich bin froh, dass ich dich habe“, sagte ich unvermittelt, „Und kein Mensch auf dieser Welt kommt dagegen an“ Ihre Augen begannen zu leuchten. „Und ich konnte mir noch nie einen besseren Mann vorstellen“ Ich beugte mich vor und küsste sie. In diesem Augenblick war ich der glücklichste Mann der Welt!

Einige Monate später
 

Sasuke
 

Ich erwachte durch einen Laut, der aus irgendeinem Grund wichtig sein sollte – ein unterdrücktes Stöhnen. Noch im Halbschlaf drehte ich mich zu meiner Frau um und seufzte. Nuschelte ihren Namen.

Ich erhielt keine Antwort, was mich verwunderte. Ewig hatte ich sie damit aufgezogen, dass Sakura sogar im Schlaf auf meine Stimme reagierte. Da stimmte etwas nicht.
 

Endlich brach mein Verstand durch den wohligen Nebel des Schlafes und ich setzte mich ruckartig auf. Mein Blick flog zum schmerzverzerrten Gesicht des wichtigsten Menschen in meinem Leben. Sakura blinzelte zu mir hoch, hielt sich mit beiden Händen ihren beachtlichen Bauch.

„Sasuke-kun“, murmelte sie, „Ich glaube, es...“ Sie unterbrach sich und presste die Lippen aufeinander. Aber ich hatte auch so verstanden. „Es geht los?!“, meinte ich hektisch. Sie nickte und ich sprang aus dem Bett. Meine Hände flogen hoch und ich war kurz überfordert. Was sollte ich jetzt noch einmal tun? Einzelne Fetzen der Gespräche, die wir mit Tsunade geführt hatten, flogen mir durch den Kopf, aber nichts in einer wirklichen Reihenfolge. Ich strich mir das Haar aus der Stirn.

„Okay“, murmelte ich, „Okay. Also, ich muss anrufen, oder nicht?“ Sakura rollte mit den Augen, aber es hielt nicht lange an. „Könntest du vielleicht mal in die Puschen kommen?!“, fauchte sie. Ihr wütender Tonfall lies mich endgültig die Situation erfassen.
 

Meine Frau lag in den Wehen und ich würde alsbald Vater werden.
 

Ich nickte, schnappte mir das Telefon und drückte die Kurzwahltaste. Tsunade ging nach dem dritten Klingeln ran. „Ich hoffe für euch, dass es dringend ist“, brummte sie in den Hörer. „Wenn die Geburt dringend genug ist“, schnappte ich zurück. Sie schluckte, dann war sie ganz die Ärztin. „Die Wehen kommen?“, fragte sie. Ich nickte, bevor mir aufging, dass sie das nicht sehen konnte.

„Ja“, meinte ich, rannte durch unsere Wohnung und schnappte mir die Tasche, die wir für diesen Fall gepackt hatten. Ich warf sie auf meine Seite des Bettes, während Sakura sich leicht aufsetzte. Dann klemmte ich mir den Hörer zwischen Wange und Schulter und zog meine Schlafhose aus. Rasch schnappte ich mir die Hose, die ich normalerweise zum Joggen benutzte und schlüpfte hinein.

„In welchen Abständen?“, wollte Tsunade wissen. Innerlich zuckte ich mit den Schultern. „Weiß nicht genau. Ich glaub, so im zehn Minuten Abstand?“ Ich sah zu meiner Frau, welche nickte. Wortlos deutete sie auf die nasse Matratze unter sich. „Fruchtblase ist auch schon geplatzt“, informierte ich unsere Ärztin. Tsunade schluckte leicht. „Hui, das geht ja schnell“
 

Ich nahm das Telefon vom Ohr und warf dem Gerät einen verwirrten Blick zu. Dann stellte ich einfach auf Lautsprecher. Stellte den Hörer auf meinen Nachttisch. Schlüpfte in Schuhe und zog eine Jacke über, während ich gleichzeitig meine Frau im Auge behielt. „Was meinst du mit schnell?“

Sakura wurde rosa, was in der Situation irgendwie witzig war. „Normalerweise geht es in größeren Abständen los“, informierte mich ausgerechnet meine Frau. Ach ja, in der Aufregung hatte ich ganz vergessen, dass sie auch so gut wie eine fertige Ärztin war. Erneut wischte ich mir die Haare aus der Stirn. „Okay, schön“, murrte ich und unterdrückte den Drang, nervös auf und ab zu gehen. „Und was jetzt? Kommen wir ins Krankenhaus? Kommt irgendwer zu uns?“ Ich merkte, dass man mir meine Gefühle anhörte und hielt die Klappe.

„Ein Krankenwagen ist schon auf dem Weg zu euch“, sagte Tsunade, absolut ruhig und gefasst, „Wartet, bis er da ist. Bis dahin kannst du ihr helfen, sich so hinzusetzen, dass sie es bequem hat und ihr zählt die Minuten zwischen den einzelnen Wehen. Wenn ihr wollt, dann ruft eure Familien an, ich bin sicher, ihr wollt sie dabeihaben“ Sakura nickte so heftig mit dem Kopf, dass ihre Haare wild wippten. Und so dankte ich Tsunade für alles schon mal im Voraus und rief zu aller erst meinen besten Freund an.
 

Naruto ging natürlich nicht dran, es war Hinata, mit der ich sprach. Sie versicherte mir, sie werde ihren Mann wecken. Ich legte auf und wählte direkt wieder, bis mir einfiel, dass Sakura immer noch auf ihre Ellbogen gestützt im Bett hing.

Wortlos ging ich auf sie zu und zog sie so sanft wie möglich hoch. Ich setzte mich hinter sie und lies sie sich gegen mich lehnen. Sie seufzte auf. „Ganz ruhig, Sasuke“, versuchte sie mir klarzumachen, „Es ist alles im normalen Bereich“ Ich schluckte, nickte und konzentrierte mich auf meine Atmung. Sakura stieg mit ein und so wurden wir beide ein winziges bisschen ruhiger.

„Uchiha?“, meldete sich eine ebenfalls verschlafene Stimme am anderen Ende der Leitung. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Drei Uhr morgens. Natürlich war keiner da wach.

„Bruder, du wirst jetzt Onkel“, meinte ich und bat dann gleich darum, meine Mutter zu sprechen. Hektisches Gewurschtel auf der anderen Seite und dann die Stimme meiner Mutter.
 

„So, wie dein Bruder aussieht, begreift er gerade, was los ist“ Sie hatte den Nerv, amüsiert zu glucksen. Ich verengte die Augen und verkniff mir eine schnippische Antwort. Kurz schilderte ich, was die Lage war. „Mache ich es richtig?“, fragte ich regelrecht kleinlaut. Sakura nickte und drückte meine freie Hand. „Aber natürlich!“, bekräftigte meine Mutter, „Du machst das ganz fabelhaft. Und Sakura ist großartig“ Meine Frau lachte auf, bevor sie erneut die Lippen aufeinander presste. Wir waren bei acht Minuten angelangt.

Ich war mir nicht ganz so sicher und hätte beinahe vor Erleichterung gelacht, als ich die Sirene eines Krankenwagens hörte. Ich sah zu Sakura, schob mich so vorsichtig es ging hinter ihr hervor und rannte zur Tür. Riss diese auf und preschte auf die Straße. Erst, als ich wild mit den Armen ruderte, um klar zu machen, um wen es ging und wohin sie mussten, begriff ich, wie aufgeregt ich wirklich war.
 

Danach ging es irgendwie ganz schön schnell. Sakura wurde an viele Geräte angeschlossen, die ihre Vitalfunktionen überwachten. Ein heftiges, schnelles Klopfen, welches den Herzschlag unseres Babys darstellte. Ich konnte mich allerdings nur halb darauf konzentrieren, der Rest lag auf dem Gesicht meiner Frau. Sie quetschte unentwegt meine Hand, die ihre hielt.

Ich verzog keine Miene, während sie in den Krankenwagen gehievt wurde und ich mich ungeschickt neben sie setzte. Wir rauschten durch die Dunkelheit und jede Kurve warf mich hin und her. Aber ich lies ihre Hand nicht los. Auch nicht, als wir da waren und sie in den OP kam.
 

Tsunade kam hinein und warf einen fachmännischen Blick auf die Geräte. Nickend streifte sie sich die Handschuhe über. „Nun, da hat es wohl jemand eilig“, lachte sie. Sakura stieg überraschender Weise mit ein und ich blinzelte kurz überfordert. Wieso war sie so gut gelaunt? Sie hatte doch Schmerzen!

„Na, dann legen wir mal los!“, bestimmte Tsunade und ich fühlte, wie mein Magen nach unten sackte. „Jetzt?“, meinte ich, bevor ich mich bremsen konnte, „Also, jetzt sofort?“ Alles starrte mich an und ich bildete mir ein, dass ich Sakura grinsen sah.
 

Sakura
 

Mein armer Mann. Er war zwar schon immer eher der blasse Typ gewesen, aber nun sah er aus, als fiele er gleich in Ohnmacht. Ich fühlte Gelächter, welches nach oben wollte. Auch durch die nächste Wehe hindurch. Ich blinzelte die schwarzen Punkte aus meinem Blickfeld, dann sah ich zu Tsunade hinüber. Ich wusste auch so, dass es hier ziemlich schnell vonstatten ging. Aber, nun ja, jede Schwangerschaft war anders.

„Also“, meinte meine Mentorin, „Wie gehabt, ein Kaiserschnitt?“ Ich nickte. Sasuke gab einen Laut von sich, als würge ihn jemand. Ich rollte mit den Augen, aber ich wusste, es war einfach nur ein wenig viel für ihn. Männer waren, sobald es losging, immer überfordert, hatte Tsunade mir erklärt.

Klar, immerhin hatte die Frau, die man liebte, Schmerzen und er konnte nichts dagegen tun. Gleichzeitig war es auch absolut richtig so, zeigte es doch an, dass neues Leben auf dem Weg war. Und Sasuke selbst schien die Vorstellung, dass ich aufgeschnitten werden würde, auch nicht zu behagen. Aber ich hatte mich schon vor Wochen dazu entschieden. Ich kannte die Vor- und Nachteile und kannte meinen eigenen Körper.

Tsunade zog eine Spritze auf und klopfte die Luft heraus. „Nun, dann legen wir dir mal einen Zugang und legen los“ Ich seufzte und lies Sasukes Finger ein winziges bisschen lockerer.

Sasuke:
 

Ich unterdrückte mühevoll ein Gähnen. Warum auch immer es so lange dauerte, aber nun waren schon ein paar Stunden vergangen. Und ich war mitten aus dem Schlaf gerissen worden, war mächtig aufgeregt gewesen – das rächte sich nun wohl ein wenig.

Noch ein Gähnen. Und ich schüttelte mich und wünschte, ich könnte wenigstens das Fenster aufmachen und etwas frische Luft schnappen. Aber Sakura war eh schon ein wenig kühl. Angeblich würde sich das ändern, wenn es erst einmal richtig losging, aber jetzt wollte ich ihr nicht noch unnötigen Stress aufbürden.
 

Ich rieb mir mit einer Hand über die Augen. „Geh ruhig ein wenig raus“, beruhigte mich Sakura. Ich starrte sie wortlos an. Dann stand ich auf. Aber ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, mich aus dem Raum zu bewegen. Sakura wedelte nachlässig mit der Hand herum. „Wenn du mir hier was vor gähnst, dann nervt mich das nur“, bemerkte sie. Ich schnaufte, sah ihr noch einmal fragend in die Augen und sie nickte. Also ging ich tatsächlich in den Park des Krankenhauses.
 

Naruto:
 

Ich hielt mich kaum noch auf den Beinen, als Tsunade an mir vorbei lief. Mit der Handkante stieß sie mir gegen die Stirn. Ich blinzelte und seufzte.

Hinata neben mir bewegte sich. Tsunade war so freundlich gewesen, meiner Frau einen Stuhl zu bringen, während wir warteten. Hinata legte ihre Hand in Inos, die ihrerseits einen kurzen Blick auf Sai warf. Der wiegte seinen Sohn in den Armen ein wenig ungeschickt hin und her.
 

Nur die zwei – oder eher drei – waren hier. Wir hatten in der Eile niemanden sonst erreicht. Und ich wusste, dass es leider immer noch einige in unserem Freundeskreis gab, die Sasuke die Taten in den vergangenen Jahren übel nahmen. Shikamaru zum Beispiel hatte zwar zugesagt, sich für Sasuke einzusetzen, aber er riss sich auch kein Bein aus, um ihn zu sehen. Ich hatte das zwar bemerkt, aber ich würde sicherlich noch dazu kommen, mit den anderen zu reden. Jetzt musste es eben so gehen. Tenten und Neji hatten eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter, Choji, Kiba und eine Menge Leute hatten eine SMS geschickt bekommen. Sie würden sie wohl erst bemerken, wenn sie wach wurden.
 

Ich sah dabei zu, wie Tsunade die Tür öffnete und freundlich nach Sakuras Zustand fragte. Dann hörte ich sie grollen. Die Tür schwang weiter auf. „Wo ist dieser nervige Junge?“, fauchte die Ärztin. Ich starrte auf ihren Rücken, dann hörte ich eilige Schritte.

Sasuke kam angerannt, als habe er was verpasst. Tsunade pinnte ihn mit einem wütenden Blick an Ort und Stelle fest. Der Teme hob genervt eine Augenbraue. „Hn“, machte er.
 

„Er ist nur mal kurz raus an die frische Luft gegangen“, warf meine Frau in sanftem Tonfall ein, bevor hier alles mal wieder zu einer Diskussion werden würde. Ich sah überrascht zu ihr. Sie grinste mich an. „Da warst du gerade ein wenig eingenickt“, erklärte sie. Ich spürte meine Wangen warm werden.

„Was heißt hier eingenickt?“, fragte Sakura aus dem Zimmer und klang reichlich angesäuert. Ich zog den Kopf ein. „Und überhaupt, was ist aus deinem tapferen Ich bleibe auf jeden Fall, bis ich sie wenigstens einmal im Arm gehalten habe geworden?!“ Ich schluckte. Nur eine halbe Stunde war vergangen, seit ich Sakura zum letzten Mal gesehen hatte, aber ihre Laune hatte sich ziemlich verschlechtert. Ich warf einen Blick auf Hinata. Würde mir sowas mit meiner Frau auch noch drohen? Hoffentlich nicht. Ich war echt hart im Nehmen, aber bei ihr wurde ich ganz schnell ruhig. Hinata sah nicht so aus, aber sie konnte echt furchterregend werden, echt jetzt!
 

„Ich bin hier!“, beeilte ich mich also zu sagen. Ino trat neben Tsunade vorbei und hob fröhlich die Hand. „Hallo, du Gebärende“ Ich sah, wie Sasuke mit den Augen rollte.
 

Dann verstand ich nichts mehr, denn Tsunade schob Ino und Sasuke in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Aber ich bekam durchaus mit, dass Sakura mit Ino auf die übliche Art stritt. Abrupt brach ihr Geschrei allerdings ab und eine Krankenschwester huschte an mir vorbei. Scheinbar ging es jetzt doch los.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und drückte mich fester gegen die Wand in meinem Rücken. Würde ich nochmal einschlafen, würde Sakura bestimmt aus dem Bett springen und mich eigenhändig köpfen!
 

Sakura:
 

Keuchend versuchte ich, gegen meine Erschöpfung anzukämpfen. Ich drehte den Kopf ein wenig, als auch schon der erlösende erste Schrei meiner Tochter kam. Ich lächelte und entließ in einem Rutsch meinen angehaltenen Atem.

Tsunade drehte sich um und grinste zufrieden. „Wie ich vermutet hatte: Ein Mädchen. Gesund und sehr munter!“ Ich lachte auf, bevor ich das Gesicht verzog. Einen Arm bekam ich noch nach oben. „Gib sie mir“, nuschelte ich.

Tsunade nickte, dann hatte ich meinen kleinen Schatz auf meinem Bauch liegen. Und fast sofort waren Sasukes Hände da und hielten sie zusätzlich fest. Unsere Blicke trafen sich.
 

Doch unser kleiner Moment hielt nicht lange an. Die Tür flog auf und Sasukes Eltern und sein Bruder standen plötzlich im Raum. „Das darf doch nicht wahr sein!“, bekam ich auch sogleich zu hören. Ich hob eine Augenbraue. Was sollte das denn jetzt heißen?! War ihm ein Mädchen nicht genehm, oder was?! Doch da hörte ich Itachi leise lachen. „Hab ich dir doch gesagt, Vater. Wenn wir ankommen, ist sie schon da“
 

Huh? Das machte keinen Sinn. Doch ich zuckte innerlich mit den Schultern und wandte mich wieder meiner eigenen kleinen Familie zu. Behutsam strich ich die Decke zur Seite. Mich blickten dunkle Knopfaugen an, was mich einen begeisterten Laut ausstoßen lies. „Hallo, du“, flüsterte ich. Meine Tochter hatte aufgehört zu schreien und sah mich fast schon aufmerksam an.

Ich spürte Sasukes Hand über meine streichen. „Meine Mädchen“, flüsterte er, er klang völlig überwältigt. Wäre ich nicht so müde, würde ich einen Kuss verlangen. Stattdessen beobachtete ich mit ein wenig Genugtuung, wie Sasuke alle anderen aus dem Zimmer warf, sich einen Stuhl heran zog und sich neben uns setzte. Er nahm mir unsere Tochter ab und ich fiel in einen bleiernen, erschöpften Schlaf.
 

Hinata:
 

Der Schrei eines Babys war zu hören und ich griff nach Narutos Hand. Die andere landete auf meinem runden Bauch. Nicht mehr lange und ich würde ebenfalls dieses wunderschöne Geräusch hören können. Ich freute mich schon so sehr darauf.

„Donnerwetter“, murmelte mein Mann, „Sind die immer so laut? Oder sind das nur Sakura-chans Gene?“ Nun, von Sasuke konnte sie es wohl schlecht haben. Ich lächelte. „Och, das ist immer so“, erklärte Ino, als sei sie die ganze Zeit hier gewesen, anstatt ihren Mann mit ihrem gemeinsamen Kind mitten im Gang stehen zu lassen. Sai sah sie an und nickte etwas verwirrt. Die ganze Emotionalität war ihm wohl ein wenig zu viel.

Ich fing den Blick meines Mannes auf. „Was ist denn?“, fragte ich. Er sah regelrecht ängstlich aus. „Wenn das bei uns auch so ist, bekomm ich doch einen Hörsturz“, meinte er.
 

Itachi und Konan sahen ihn an, als amüsiere sie diese Aussage. Sasukes Vater sah aus, als habe zweifle er den gesunden Sachverstand meines Mannes an. Sasukes Mutter lachte offen, während Ino sich die Hand vor die Stirn schlug.

„Mann, Naruto, du bist ein Trottel!“, beschwerte sie sich. Naruto lachte nervös, eine Hand in seinem Nacken. „Ich empfehle eine Arbeitsteilung und Ohrenstöpsel“, grinste Sasukes Mutter. Und ich? Ich musste lachen. Ich konnte es kaum erwarten, bis wir alle ins Zimmer durften und das jüngste Mitglied der Familie Uchiha ansehen konnten.

Einige Wochen später
 

Kakashi:
 

„Ooh, komm her du süßes kleines Etwas!“, quietschte Ino in den höchsten Tönen. Es war der Kommentar, der mich aus meinen Gedanken riss. Ich wandte mich von Iruka ab und drehte den Kopf, bis ich sie sehen konnte.

Tatsächlich – Sakura Uchiha war gerade zur Tür herein gekommen, ihr Baby in einem Tragesitz bei sich. Sie strahlte von innen heraus, lachte und lies sich mit Energie auf ihren Platz plumpsen. Ich fühlte einen Mundwinkel nach oben gehen und sah dabei zu, wie Ino Yamanaka das Baby herzte und die kleinen Fingerchen an ihre eigenen Lippen hob. Von hier sah es so aus, als wüsste das Baby nicht so ganz, was es davon halten sollte.
 

„Aha, das ist also Sarada“, murmelte Iruka neben mir. Ich drehte den Kopf zu ihm und hob eine Augenbraue. „Woher weißt du das schon wieder?“ Er wurde verlegen und trank einen Schluck seiner Fruchtschorle. „Könnte sein, dass ich von jemandem zugetextet wurde“ Ich unterdrückte das Schnauben, das sich einen Weg nach draußen bahnen wollte.
 

Da war ich einmal, nur ein einziges Mal, so großzügig gewesen und hatte Irukas Einladung angenommen – und prompt kamen wir wieder auf diesen einen Menschen zu sprechen. Selbst hier, in einem Lokal, das er bestimmt noch nie betreten hatte, konnte ich dem nicht entkommen.

„Naruto?“, fragte ich leise. Iruka wurde kurz blass, dann rot und dann nickte er. Er versteckte sich hinter seinem Glas. Mittagessen war eine ganz dämliche Idee gewesen.

„Sie sieht dich übrigens an“, nuschelte er. Ich blinzelte, doch er sagte nichts mehr dazu. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich wieder nach links zu drehen und die Damen zu beobachten.
 

Helle Augen sahen mich an. Erst jetzt erkannte ich, in welcher Situation ich mich eigentlich befand. Ich war in ein Restaurant gegangen, ohne Hinata Uzumaki zu bemerken. Ich war überzeugt, dass sie vor mir hier gewesen sein musste – wäre sie nach mir angekommen, hätte ich zumindest das doch sicher bemerkt.

So jedoch fühlte ich ein seltsames Gefühl in mir aufsteigen. Was, wenn sie sich dazu entscheiden würde, mit mir zu reden? Was, wenn das hier sehr unangenehm werden würde?

Doch sie zerstreute meine Sorgen, indem sie lächelte. Ehrlich und offen, nicht gönnerhaft oder hochmütig. Aber nun ja, sie war noch nie der Typ dafür gewesen. Sie hob die Hand und winkte. Leicht überfordert winkte ich zurück. Dann wurde sie in eine Unterhaltung gezogen, die wohl schon ohne sie angefangen worden war. Als sie sich Sakura zuwandte, sah ich ihren runden Bauch. Augenblicklich wandte ich mich ab und sah in Irukas Gesicht.
 

Der Mann starrte mich mit offen stehendem Mund an. So langsam konnte ich nicht anders, als die Ähnlichkeiten mit Naruto zu bemerken. Manchmal machten beide die dämlichsten Grimassen.

Ich unterdrückte sorgfältig die leichte Belustigung, damit man sie mir nicht anhörte. „Wie ein Putzerfisch an der Aquariumsscheibe“, teilte ich ihn also mit.

Iruka schüttelte sich und machte den Mund zu. Schob mit der Gabel den letzten Rest seines Mittagsessens auf dem Teller herum. Ich schob den Ellbogen auf den Tisch und stützte mein Kinn auf meiner Hand ab. Sein Blick flog über meine Schulter zu den drei Frauen.
 

„Hat sie dir wirklich gerade zugewunken?“ Er klang leicht fassungslos. Ich schnaubte und nickte. „Scheint so. Sie kann ja nicht ein Leben lang ablehnend sein“ Natürlich wusste ich nicht, wie es in ihrem Inneren aussah, aber Hinata war noch nie nachtragend gewesen. Es hätte mich eher verwundert, hätte sie sich wirklich so verhalten, wie ich es mir im schlimmsten Fall ausgemalt hatte. Mir hatte meine Phantasie lediglich einen Streich gespielt. Ich schob meine Maske weiter nach unten und nahm den Bissen, der nach Inos Ausruf auf der Gabel geblieben war. Sorgfältig kaute ich und lies meiner Begleitung die Zeit, die er offensichtlich brauchte.
 

„Und wie geht es dir?“, fragte er also. Ich unterdrückte schon wieder etwas, diesmal ein Seufzen. Es war ja klar, dass er so langsam nachhakte.

„Wir haben geredet, ich komme klar“, sagte ich also kurz angebunden. Was die Wahrheit war. Iruka lächelte vorsichtig. „Das dachte ich mir schon. Du wirkst schon seit einiger Zeit gelöster. Als wäre dir eine Last genommen worden“

Ich nickte und nahm einen Schluck meines Wassers. Es stimmte. Nachdem der erste Schmerz vergangen war, hatte ich gemerkt, wie lebendig ich mich dennoch wieder fühlte. Naruto hatte Hoffnungen in mir geweckt. Nicht auf eine Beziehung, dieses Kapitel war endgültig vorbei, sondern vielmehr auf eine bessere Zukunft. Mir machte es Freude, meine ehemaligen Schüler auf ihrem Lebensweg zu beobachten. Sakura zum Beispiel strahlte wie die Sonne – ein klares Anzeichen, dass sie sich absolut auf dem Weg befand, den sie gehen wollte.

Sasuke sah ebenfalls viel entspannter aus. Er machte kein großes Aufsehen darum, aber er wirkte nicht mehr verkrampft. Erst neulich konnte ich sehen, wie er seiner Mutter nicht bloß die Einkäufe abgenommen hatte, sondern ihr auch seine Jacke um die Schultern gelegt hatte. Sie hatte ihm lächelnd gedankt und über seine Wange gestrichen.

Mich hatte enorm gefreut, dass er überhaupt dazu bereit war, seiner Familie bei alltäglichen Dingen zu helfen. Auch für ihn kam alles ins Lot.

Naruto war eh schon immer sehr positiv gewesen. Nun jedoch schien er regelrecht in Topform zu sein. Wann immer ich ihn dieser Tage sah, war er von einer Gruppe Menschen umringt. Und immer lachte er und seine Augen leuchteten. Ihm ging es sehr gut.
 

Ich seufzte nun doch. „Vielleicht renoviere ich mein Haus“, informierte ich Iruka, „Baue ein Gästezimmer. Und ich lege mir wohl noch einen Hund zu“ Iruka grinste und nickte dazu. „Ich kann dir einen guten Zimmermann empfehlen“, sagte er und ich wusste schon längst, welchen Namen er nennen würde. „Frag einfach mal bei den Akimichis nach. Choji-kun wird begeistert sein. Er sucht schon händeringend ein Projekt, dass ihn richtig fordert!“

Augen rollend versprach ich, mir die Nummer heraus zu suchen. Choji hatte sich lange genug dagegen gewehrt, den Betrieb der Familie zu übernehmen. Eine kleine Sinnkrise, die er aber überwunden hatte. Er liebte es viel zu sehr, neue Dinge zu erschaffen, als dass ein anderer Beruf für ihn in Frage gekommen wäre.
 

Die Türglocke ertönte. Gleichzeitig richtete sich Iruka neben mir kerzengerade auf. Ich hob eine Augenbraue, als ich einen braunen Haarschopf an der Eingangstür des Restaurants ausmachen konnte. Das Gesicht sagte mir nichts. Ich registrierte lediglich, wie Iruka neben mir mit dem Arm winkte und der Mann sich in unsere Richtung bewegte. Erst, als er sich setzte und uns einen guten Tag wünschte, kam die Erinnerung wieder.

„Yamato?!“, ich hörte mich restlos verdattert an. Wir hatten uns unglaublich lange nicht gesehen.
 

Er nickte, sein Gesicht fast ausdruckslos wie immer und bestellte kurz und knapp, ohne in die Speisekarte sehen zu müssen. Ich beobachtete ihn.
 

Yamato war ein alter Studienkollege von mir. Allerdings hatten wir nur ein oder zwei Kurse zusammen gehabt. Im dritten Semester ist ihm dann aufgegangen, dass Lehramt nichts für ihn war und er wechselte. Ich hatte ihn danach nur noch wenige Male von weitem gesehen. Es war Jahre her und er hatte sich ein wenig verändert.
 

Aber das braune Haar war gleich. Die tief liegenden Augen, die mich durchdringend musterten und immer mehr zu wissen schienen, als sie sollten. Dieses tiefe schwarz, welches mich fest pinnte. Ich schluckte trocken und schob meinen eigenen Teller zur Seite, damit er Platz hatte.

„Iruka hat mich eingeladen“, erklärte er an mich gewandt und nahm einen großen Schluck seines Wassers.

„Mich auch“, brummte ich. Wir sahen uns einen Augenblick an, dann zuckte ich mit den Schultern. Ich hatte vergessen, wie leicht Verständigung mit Yamato sein konnte.
 

„Oh!“, machte Iruka übertrieben laut und sah theatralisch auf seine Armbanduhr, „Ich habe ganz vergessen, dass ich noch was zu erledigen habe!“ Er sprang auf und holte Luft, um sich zu entschuldigen.

„Lass mich raten“, begann ich trocken und wurde von Yamato ergänzt, „Ein ganz dringender Termin, der sich nicht verschieben lässt?“ Iruka wurde knallrot, stammelte etwas von unabsichtlich und wirklich blöd gelaufen und lies uns allein.

Ich sah Yamato an, er mich. Dann prusteten wir beide gleichzeitig los. „Ich zahle“, meinte ich. Er grinste, nickte und stieß mir gegen die Schulter. „Solange ich nicht bei der nächsten Party flachgelegt werde“, scherzte er. Ich rollte mit den Augen und lies das unkommentiert. Hatte also sogar er davon gehört. Wer wusste eigentlich nicht Bescheid?
 

Wir verbrachten einige Minuten damit, unsere Mahlzeit zu uns zu nehmen. Hier und da sprachen wir ein paar Sätze, kamen auf den neuesten Stand, was unsere Leben anging. Er wusste also mittlerweile, dass ich immer noch Hunde hatte und wirklich Lehrer geworden war.

Yamato war Streetworker geworden. Auch, wenn man es ihm nicht ansah, er konnte sehr gut mit schwierigen Eltern reden. Ich erfuhr auch, dass er eigentlich schon länger Kontakt mit Iruka hatte – schließlich war dieser der Vertrauenslehrer an unserer Schule. Momentan schien es wenige Probleme zu geben.

Das konnte ich bestätigen – ich wusste über so einige Schüler, dass sie sich an Naruto ein Vorbild nehmen wollten.

Es war sehr angenehm, so hier zu sitzen. Ich streckte mich und lies einmal die Schultern kreisen. Vielleicht sollte ich mal wieder ein wenig mehr Sport machen, ich war ganz schön eingerostet.
 

Ich wollte eigentlich meinen derzeitigen Begleiter danach fragen, ob er mitmachen wollte, da zog etwas Anderes meine Aufmerksamkeit auf sich: Eine große Hektik ein paar Tische neben mir.
 

Mein Blick flog herum. Ich sah, wie Sakura aufsprang und eine rot angelaufene Hinata stützte. Ino neben ihr wedelte wie wild mit den Händen.

Mein Blick fiel wie von selbst auf den Boden. Er war nass. Ich sah wieder auf.
 

„Was ist denn da los?“, brummte Yamato neben mir. Er hatte keine Ahnung, wer das war. Also stand ich auf und zog ihn hoch. Wir gingen die paar schritte zu den jungen Frauen und ich brachte ihn kurz auf den neuesten Stand:

„Das ist Naruto Uzumakis Frau. Scheint so, als ginge es bei ihr gerade los“ Er sah mich blinzelnd an, bevor er kalkweiß wurde. Mehr taub denn noch hier taumelte er mir hinterher.
 

„Kann man helfen?“, fragte ich, als wir da waren. Drei Köpfe fuhren zu uns herum. Ich presste die Lippen aufeinander und wartete, während Sakura und Hinata eine stumme Diskussion ausfochten. Dann nickte die Uchiha. „Rufen Sie bitte unsere Männer an, Sensei?“, bestimmte Sakura. Ich nickte und konnte sehen, wie sie Tsunades Nummer wählte. Aus einem Impuls heraus rief ich auch Jiraiya an.

Als ich auflegte hatte auch der Rest des Restaurants verstanden, was los war. Alles um uns herum brach in große Hektik aus. Nun, wenigstens musste mich Naruto nicht mehr verständigen, wenn das Bab da war. Ich bekam es gerade aus der ersten Reihe mit, wie es aussah.

Shikamaru:
 

Ich hätte beinahe gegähnt, wäre es nicht doch um etwas Wichtiges gegangen. So stützte ich nur den Kopf auf einer Hand ab und lauschte halbherzig Narutos Ausführungen. Er hatte sich gerade schon zum dritten Mal korrigiert. Daran musste er echt noch arbeiten.

„Und deshalb würde ich euch bitten, mich zu unterstützen!“, er sah in unsere Runde. Itachi Uchiha nickte leicht mit verschränkten Armen. Sasuke sah ihn ausdruckslos an.

Inos Mann Sai lächelte. „Aber natürlich“, erklärte er. Naruto strahlte, bevor ihm klar wurde, dass das viel zu glatt ging. Und wird wurden nicht enttäuscht: „So einen Trottel kann man doch nicht damit allein lassen“ Ich wechselte die Hand und die Stelle am Kinn. Naruto schnaubte laut, zeigte mit dem Finger auf den Yamanaka.

„Kannst du mal aufhören damit, echt jetzt?“ Sai lachte auf seine übliche Art. Ich spürte, ich wollte mit den Augen rollen. „Werdet mal erwachsen. Wir sind diejenigen, die demnächst die Verantwortung tragen“ Ich straffte mich nun doch und sah sie nacheinander an. „Wir tragen die Last, für die Kinder der nächsten Generationen einen Frieden zu schaffen und zu halten, in dem sie glücklich aufwachsen können. Hört auf, zu streiten wie Fünfjährige“
 

Naruto sah mich an, Sai hatte aufgehört zu grinsen. Itachi stieß mich an der Schulter an. „Das wissen sie doch“, meinte er leise. Er hatte gut reden, er würde kaum mehr große Überraschungen im Leben erleben. Die Firma, die er vollständig von seinem Vater übernommen hatte, lief großartig. Seine Frau war bildhübsch und hingerissen von der Idee, bald mehr Zeit mit ihrem Mann verbringen zu können.

Sasuke würde bald als Partner mit einsteigen und sie würden sich die Arbeit teilen. Wenn er jetzt nicht doch zusagte.

Ich wollte doch nur, dass Naruto den Fokus nicht verlor!
 

Ein Handy unterbrach unsere Unterhaltung. Wir alle holten unsere Mobiltelefone heraus und sahen darauf. Ich war es nicht. Sasuke und Itachi auch nicht. Also konnte es nur eines bedeuten:

„Trottel, geh schon dran!“ Sai hatte nämlich kein Handy – wie er das auch immer schaffte, über alles informiert zu bleiben.
 

Naruto holte sein Handy heraus, runzelte die Stirn und nahm den Anruf an. „Hallo?“, meinte er leise. Dann hörte er zu. Seine Augen wurden größer. Er sprang auf. „Wie?“, rief er laut. Der Rest des Restaurants drehte sich zu uns um. Ich stöhnte ergeben und lehnte mich zurück. Naruto wedelte unterdessen wild mit dem freien Arm. „Echt jetzt? Ich meine, was wird jetzt? Was soll ich tun? Ich...wo seid ihr?“

Sasuke und ich wechselten einen Blick. Er griff nach Narutos Arm, ich stand auf und entwand ihm das Handy. Während er unseren blonden Freund mit klaren Worten zur Ruhe ermahnte, führte ich das Gespräch weiter. „Hallo, Hatake-sensei“, grüßte ich, nachdem ich den Namen gelesen hatte, „Lassen Sie mich raten. Es geht los bei Hinata-san?“

Er stotterte kurz, dann hatte er sich wieder gefangen und berichtete mir, was passiert war. Ich nickte immer wieder, nahm die Informationen auf und beendete das Gespräch mit der Erklärung, dass wir alle hier zusammen saßen und er zumindest uns nicht mehr informieren musste. „Wir sehen uns dann gleich“, sagte ich und legte auf.
 

„Aah!“, brüllte Naruto da und raufte sich die Haare. „Was mach ich denn jetzt?“ Sai lachte, Itachi schüttelte grinsend den Kopf. Ich steckte sein Handy ein. Das würde er jetzt erst einmal nicht brauchen. „Komm“, sagte ich und fasste ihn an der Schulter, „Wir bringen dich hin. Und dann wirst du dabei sein, wenn ihr Eltern werdet“

Sasuke nahm seine andere Schulter und schob leicht, während ich zog. „Schwing die Hufe, sonst ist alles schon vorbei, wenn du da bist“, brummte er. Itachi fischte nach seinem Autoschlüssel. „Ich fahre!“, bestimmte er. Wir nahmen Naruto in unsere Mitte und machten uns auf den Weg zum Krankenhaus.
 

Naruto:
 

Ich wäre am liebsten die Wände hoch gegangen. Die Betonung liegt auf dem Wunsch – denn ich saß gerade hinter meiner Frau, welche regelrecht ohrenbetäubend schrie. Sie drückte krampfhaft meine Hand, sodass ich schon glaubte, meine Fingerknochen knacken zu hören.

„Das kriegst du wieder!“, brüllte sie in meine Richtung. Ich schluckte, hielt sie aber weiter fest. Sakura lachte mir offen ins Gesicht. „Oh ja, da helfe ich bei“, meinte sie, bevor sie sich konzentrierte. „Du musst gleich noch einmal pressen, Hina-chan“ Meine Frau schnaufte und keuchte. Ich beugte mich nach unten und hauchte einen Kuss auf ihr Haar. „Nur noch ein bisschen“, meinte ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie lange es noch dauern könnte. Hinata entriss mir ihre Hand und schlug mit der Faust auf mein Bein. Ich zuckte, sagte aber nichts.
 

„Quatsch nicht so blöd!“, zischte sie, „Das ist immerhin alles deine Schuld!“ War noch genügend Zeit, um zu flüchten? Ich hatte hier nämlich gerade den Eindruck, den ersten Geburtstag meines Kindes nicht mehr zu erleben. Hinata würde mich umbringen, wenn sie wieder fit war!
 

„Noch mal pressen!“, gab Tsunade an. Hinata bäumte sich auf, gab einen Laut von sich und brüllte unter der Anstrengung. Ich hielt die Luft an.
 

Ein neues Geräusch mischte sich unter die Geräuschkulisse meiner Frau. Der Schrei eines Babys. Ich atmete aus.

Tsunade hob ein blutiges, verknautschtes Etwas hoch und legte es Hinata auf den Bauch. „Darf ich vorstellen: Euer völlig gesunder Sohn!“ Sie funkelte mich glücklich an.
 

Hinata schnaufte noch ein wenig, aber ihre Stimme war voller Leiebe und Freude. „Endlich!“ Ich lugte an ihr vorbei.
 

Mich blinzelten blaue Augen an. Und als ich diese Augen sah, dieses rote Gesicht und Tsunades Worte endlich zu mir durch drangen, klickte etwas in mir. Schob sich an den richtigen Platz. Ich wurde völlig ruhig.

„Hallo, du kleines Wunder“, flüsterte ich beinahe. Hinata hob die Arme und hielt unseren Sohn ganz sanft fest. Dieser schrie sich zwar beinahe die Lunge aus dem Leib, aber das war angeblich normal. Meine Sicht verschwamm und ich musste schniefen. „Das ist das perfekteste Baby der Welt!“, meinte ich. Sakura und Tsunade lachten, während Hinata leicht den Kopf wandte. Unkoordiniert drückte sie mir einen Kuss auf die Wange. Ich schlang meine Arme endlich völlig um meine kleine Familie und konnte nicht anders, als zu heulen. Ich war ein Vater!

Kakashi:
 

Ich hörte den Schrei eines Babys bis hier hin. Müde hob ich den Kopf und gähnte hinter vorgehaltener Hand. War es also endlich so weit. Ich hätte nie gedacht, dass eine Geburt so lange dauern konnte. Aber was wusste ich schon davon, ich war ja immer noch Single.

Neben mir bewegte sich etwas. Ich sah in die ebenfalls verschlafen wirkenden Augen Yamatos. Auf einer Seite seines Gesichtes war eine kleine Falte zu erkennen, die sich mit der Zeit in nichts auflösen würde, denn sie stammte von seinem Hemdkragen. Als er eingenickt war, hatte er den Kopf so schief hingelegt, dass sein Hemd verrutscht war und er es gegen seine Wange gedrückt hatte. Sah witzig aus, aber ich war einfach zu müde, um darüber Witze zu machen. Vielleicht morgen, wenn ich ausgeschlafen war.
 

Ich setzte mich auf und streckte meine Arme über dem Kopf. Yamato neben mir rollte mit den Schultern und lies den Nacken kreisen.

Ich betrachtete den Rest unserer Gruppe. Sasuke Uchiha hatte eine kurze Diskussion mit seinem Bruder gehabt. Eigentlich hatte er schon vor über zwei Stunden nach Hause gehen wollen, um sich um seine Tochter zu kümmern. Warum auch immer er seinen Eltern die Freude nicht gönnen wollte, sich noch länger um das Mädchen zu kümmern, er hatte eingelenkt, als sein Bruder ihm vorgeschlagen hatte, ein wenig Schlaf nachzuholen. Und wenn ich mich an die tiefen Schatten unter seinen Augen erinnerte, musste ich dem zustimmen. Anscheinend hielt Sarada ihre Eltern kräftig auf Trab und Sasuke hatte die Pause dringend gebraucht.

Jetzt gerade hob er blinzelnd den Kopf, als wäre die Neuigkeit noch nicht ganz bei ihm angekommen. Ich grinste innerlich ein wenig. Wenigstens konnte ich jederzeit mich zu Hause hinlegen, wenn ich von der Arbeit kam. Ich wurde nicht mitten in der Nacht aus meinen Träumen geholt. Ich versuchte, meine Belustigung nicht zu zeigen.
 

Shikamara Nara rieb sich in seiner üblichen Manier den Nacken. Er nahm einen Schluck seines Kaffees. Sah zu seiner Verlobten hinüber. „Scheint soweit zu sein“, murmelte er. Temari hob spielerisch die Hand, als wolle sie ihm einen Schlag verpassen. „Wenn du gleich was von mühsam sagst, dann fängst du dir eine!“, drohte sie, ihr Tonfall nicht ganz eindeutig. Er rollte mit den Augen. „Wenn überhaupt, dann habt ihr Frauen doch damit zu tun. Ist nicht so, als wäre das meine Sache, wenn‘s so weit ist“ Temari stotterte verdattert, was er damit meine, aber er schwieg sich aus.
 

Itachi Uchiha klappte soeben sein Telefon zusammen und kam wieder zu uns zurück. Er sah zu seinem Bruder, welcher sich aufrappelte. „Deine Tochter hat gerade ihre Flasche bekommen und schläft tief und fest“, informierte er ihn, „Und jetzt solltest du dir die Zotteln aus dem Gesicht waschen. Du weißt, wie Naruto dich sonst aufzieht“ Sasuke brummte etwas in einen nicht vorhandenen Bart und stand auf, um sich auf den Weg zu den Toiletten zu machen.
 

Nach etwa zwanzig Minuten öffnete sich die Tür und Naruto trat heraus. In seinen Armen ein kleines Bündel, welches nicht mehr schrie, aber kleine Laute von sich gab. Mit glitzernden Augen sah er uns an.

„Ich wollte ihn euch wenigstens mal zeigen“, wisperte er. Sasuke war der Erste von uns, der aufsprang und zu seinem besten Freund trat. Er sah mit bemüht ausdruckslosem Gesicht auf das kleine Bündel hinunter. Dann hoben sich seine Mundwinkel. „Hn“, grinste er und nickte. Er zog sich zurück, als sein Bruder sich nach vorn drängte. Itachi warf drei Sekunden einen Blick darauf, dann sah er Naruto an. „Wehe, der wird genauso wie du“, beschwerte sich Temari, ohne das Baby überhaupt gesehen zu haben. Doch sobald sie dies nachholte, gab sie diesen typischen, verzückten Laut von sich, den Frauen immer machten, wenn sie etwas süß fanden. Itachi machte ein Foto und schickte es seiner Frau.

Ich schwang mich auf und trat leise näher.
 

Das Baby sah mich an, dann schien er zu grinsen. Ich sah in die blauen Augen, sah den scheinbar blonden Haarflaum und hatte irgendwie den Eindruck, dass Temaris Kommentar später noch häufiger zitiert werden würde. Ich konnte nämlich vergleichen – immerhin hatte ich auch Naruto schon als Baby gesehen. Und dieser hat mich auch schon so angesehen.

Ich bemerkte eine Bewegung neben mir und wusste irgendwie, dass es Yamato war. Ich drehte mich so, dass er über meine Schulter sehen konnte. Und wenn ich den Laut richtig deutete, wusste er absolut nicht, was er damit anfangen, oder was er sagen sollte. Mit Teenagern, die außer Kontrolle geraten waren, kam er klar. Alles, was im Alter darunter lag, lag außerhalb seiner Komfortzone. Ich konnte ihn ein wenig verstehen.

Ich pflasterte ein Lächeln auf mein Gesicht. „Sieht aus wie du damals“

Naruto sah mir in die Augen und ich sah die Emotionen in seinen himmelblauen Augen schwimmen. Ich nickte und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Drückte diese leicht. „Dein Vater wäre stolz auf dich“, sagte ich ihm leise. Beinahe alle waren gerade damit beschäftigt, sich gegenseitig zu versichern, wie süß dieses Baby war, also achtete man nicht auf meine Worte. Sicherlich glaubten sie, ich würde genauso Kommentare abliefern. Aber mir war das hier wichtig.

„Und deine Mutter würde vermutlich über den Flur tanzen vor Freude. Sie würde wohl der halben Stadt davon erzählen“ Naruto schluckte schwer, nickte aber glücklich.

„Danke“, meinte er leise. Und wir wussten beide, dass dieses einfache Wort genug war. Ich verstand, was er meinte. Ich zog mich zurück, als Ino Yamanaka näher kam. Sie hielt die Arme auf. „Darf ich mal halten?“
 

Naruto hob eine Augenbraue, biss sich auf die Lippen. Ino kicherte. „Ich lasse ihn schon nicht fallen“, versicherte sie. Naruto sah beschämt drein. „Das ist es nicht, echt jetzt“, meinte er, Ich will ihn einfach nicht loslassen!“ Alle lachten leise, während Naruto zu seinem Sohn sah. „Ich würde ihn am liebsten nie wieder hergeben“, meinte er. Die schiere, alles übersteigende Liebe zu diesem kleinen Wesen war in jedem Wort zu hören. Ja, genauso hatte sich seine Mutter angehört, als sie mir das Versprechen abgerungen hatte, auf ihn aufzupassen. Schien eine Sache der Eltern zu sein.
 

„Und?“, fragte Ino schließlich, als sie den neugeborenen Jungen doch noch im Arm hatte. „Hast jetzt einen Sohn und alles. Steigst du jetzt ins Geschäft ein bei den Hyuugas?“

Ich hob eine Augenbraue. Ja, darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht! Ich war so damit beschäftigt gewesen, meine Gefühle zu ordnen und mein Leben wieder in geordnete Bahnen zu bekommen, dass ich mir keine Gedanken mehr darum gemacht hatte.

Natürlich würden viele Leute mir sagen, dass ich das auch gar nicht musste. Naruto war verheiratet, er war erwachsen und konnte auf sich selbst aufpassen. Dennoch war ich natürlich neugierig.
 

Ich sah zu ihm hin. Naruto steckte die Hände in die Hosentaschen, völlig ruhig. „Nein, das ist Nejis Sache“, antwortete er ihr, „Ich würde sowieso schon am ersten Tag ein Chaos anrichten, von dem sich keiner mehr erholt“ Sasuke grinste. Einige nickten. Ich schmunzelte vor mich hin. Wenigstens diese Erkenntnis hatte er!

„Nein, ich hatte mir etwas anderes gedacht“, fuhr Naruto fort und sah die versammelten Männer an. „Ich wollte usprünglich mal zur Polizei, aber die hat mich nicht genommen“, meinte er, „Aber ich bleibe quasi in dem Bereich. Ich möchte meine eigene Sicherheitsfirma gründen“
 

Mehrere von denen, die noch nichts davon wussten, starrten ihn an. Und ich musste zugeben, ich war beeindruckt. „Jetzt?“, fragte ich. Es war alles ein wenig sehr schnell. Vor wenigen Monaten hatte er geheiratet, ein Haus gekauft, jetzt hatte er ein Kind. War das der richtige Zeitpunkt, um sich selbstständig zu machen?

Andererseits war das Naruto. Er hatte schon immer einen regelrecht verrückten Mut besessen. Wenn er sich mal was in den Kopf gesetzt hatte, zog er es auch durch. Ich pfiff anerkennend, als er nickte.

„Mein Schwiegervater leiht mir einen gewissen Betrag. Ich habe darauf bestanden, es ihm wieder zurück zu zahlen, sobald ich selbst im Plus bin. Aber ich bin schon mitten in der Planung“

Sasuke Uchiha nickte und sah zu Ino. „Ich bin dabei. Ist alles schon mit Sakura abgesprochen“ Itachi lächelte. „Und du wirst der beste Verbindungsmann sein, den man haben kann“ Ah, also würde Sasuke doch nicht in der Firma mitmachen, die seine Familie hatte. Sein Wunsch nach Eigenständigkeit war also stärker. Diese Kinder hatten sich zu starken Personen entwickelt.

„Ich auch“, meinte Shikamaru, „Ich bin bei der Polizei zwar gern gesehen, aber ich glaub, das ist mir zu anstrengend“
 

Ich sah zu Naruto und nickte ihm aufmunternd zu. Yamato neben mir schien zufrieden, dass einer seiner ehemaligen Problemfälle nun auf sicheren Beinen stand und angekommen war. Und während Naruto erklärte, wie genau er sich das gedacht hatte, mit der Polizei zusammen zu arbeiten, dabei aber seine Eigenständigkeit zu behalten, setzte ich mich hin und döste ein wenig weg.

Epilog

Über zwölf Jahre später
 

Sarada:
 

„Sag mal, geht’s dir eigentlich noch zu gut?!“ Ich ignorierte den Ausruf und beschleunigte. Ich war mal wieder zu spät dran. Und dass nicht, weil ich meinen Wecker nicht gestellt hätte. Oder zu spät von zu Hause losgegangen wäre.

Sondern einzig und allein, weil ich mal wieder auf diese Nervensäge gewartet hatte!
 

Besagte Nervensäge holte mich auf jetzt ein und schnaufte neben mir im Gleichschritt. „Du kannst doch meiner Mutter nicht einfach raten, mein Essen wegzuwerfen!“, motzte er. Ich unterdrückte ein Augenrollen. Wäre sowieso verschwendet gewesen. „Dann sei doch demnächst mal pünktlich“, zischte ich zurück.

Boruto schnaubte. „Das hat meine Schwester zubereiten geholfen! Ich werde bestimmt nichts davon verkommen lassen, echt mal!“
 

Ich grinste und wurde ein wenig langsamer. Das hatte ich nicht gewusst – aber es machte Sinn. Boruto war allgemein dafür bekannt, seine kleine Schwester Himawari zu vergöttern. Für sie würde er wohl sogar Dreck vom Boden essen und behaupten, es sei eine Delikatesse. Ganz kurz wünschte ich mir, ich hätte auch so eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder, aber ich wusste, meine Eltern würden da nicht so entspannt reagieren. Mein Vater hatte davon geredet, dass er seine Zeit im Moment sowieso nicht so einteilen konnte, wie er wollte. Und meine Mutter? Die grummelte schon, wenn ihr Kreislauf nicht mitmachte, weil sie sich überanstrengte und sie in ihrem Job zurückstecken musste. Nein, meine Eltern gingen völlig darin auf, mich zu verhätscheln und ansonsten wie verrückt zu arbeiten. Ich würde ihnen bestimmt nicht die Freude verderben, in ihren Jobs ihre Lebensaufgaben gefunden zu haben.

Boruto neben mir riss den Arm hoch und brüllte los. „Mizuki! Du bist ja schon da!“ Beinahe hätte ich mir über das Ohr gerieben, welches ihm zugewandt war. Aber nur beinahe. Er wusste schon längst, dass ich seine Brüllerei hasste, aber er kümmerte sich einfach nicht darum. Blöder Kerl, wieso nur war ich mit dem befreundet? Ach ja, weil er nach mit die besten Noten hatte. Und, weil unsere Eltern seit Kindertagen befreundet waren und wir ewig viel Zeit beim jeweils anderen zu Hause verbracht hatten.
 

Und vielleicht entging mir hier etwas, aber...wie genau konnte bei solch talentierten Eltern nur jemand wie Boruto dabei heraus kommen? Seine Mutter war zwar ein wenig zurückhaltend, aber wunderschön und gütig. Und sein Vater…

Meine Wangen spürte ich minimal pink werden. Ich hoffte, man sah es nicht zu sehr, als ich unseren Klassenkameraden und guten Freund begrüßte. Mizuki war noch nicht so lange hier, sein Vater war erst vor kurzem wieder hierher gezogen. Ich glaube jedenfalls, dass die Person, die ich gesehen habe, ein Mann war. Und da Mizuki von ihm abgeholt wurde, musste das doch sein Vater sein, oder nicht? Aber ich traute mich nicht, ihn zu fragen. Es gehörte sich einfach nicht.
 

Kurz vor dem Schultor winkte ich Chocho. Sie grinste, tippte Inojin auf die Schulter und deutete auf uns. Er nickte, hakte uns auf der Anwesenheitsliste ab und nickte Boruto zu. „Dann können wir jetzt das Tor schließen und die Liste abgeben gehen“, murmelte er. Ich nickte und streckte die Hand aus. „Ich mach das schon, geht ihr schon mal rein“
 

„Boruto, warte!“, erklang es, als wir uns in Bewegung setzen wollten. Ich erstarrte, dann wirbelte ich nervös herum. Der Angesprochene neben mir stöhnte, als hätte man ihm den Morgen versaut. Ich schluckte einen bissigen Kommentar runter.

„Uzumaki-san!“, begrüßte ich den Vater meines besten Freundes lächelnd. Naruto Uzumaki war mein großes Vorbild. Wenn ich erwachsen war, wollte ich genauso sein wie er. Meine Mutter hatte mir ewig davon erzählt, wie er allen Widrigkeiten zum Trotz sein eigenes Unternehmen aufgezogen hatte und mittlerweile mit meiner Familie und der seiner Frau auf Augenhöhe agieren konnte. UzumakiSecurity war ein Name, den man überall kannte, auch weit außerhalb unserer Stadt. Und ich war fest entschlossen, dort einzusteigen, sobald ich es konnte.

Erst jetzt allerdings sah ich eine Bentobox, die er grinsend schwenkte. „Du hast das hier vergessen!“, meinte er. Boruto rollte mit den Augen. „Lass mich raten, das ist deine und meine liegt noch zu Hause?“ Naruto-san nickte, das Genöle tat seiner guten Stimmung keinen Abbruch. „Hina meinte heute morgen, sie habe uns beiden dasselbe fertig gemacht, also macht es keinen Unterschied“ Ich nahm die Box aus seinen Händen und verbeugte mich. „Vielen Dank für ihre Mühe“, sagte ich anstatt des Sohnes, der scheinbar gar nicht zu würdigen wusste, dass sein Vater ihm seine eigene Bentobox gab, anstatt ihn hungern zu lassen.

Naruto-san kratzte sich am Nacken, seine himmelblauen Augen auf mich gerichtet. „Das ist keine Mühe, Sarada-chan. Wenn ich ehrlich bin, hab ich mein Bento öfter vergessen, als dass ich es dabei gehabt hätte, als ich in eurem Alter war“ Er lachte. Ich hob nur eine Augenbraue. Er wirkte überhaupt nicht so vergesslich. Aber ich wusste auch nicht, wie akkurat das Bild war, welches meine Mutter von ihm gezeichnet hatte.
 

„Und es ist gut, dass ich dich gleich erwische“ Naruto-san zwinkerte mir keck zu. Ich blinzelte. „Dein Vater kommt morgen wieder zurück, er ist mit seinem Auftrag schon fertig“

Beinahe hätte ich einen Luftsprung gemacht. Mein Vater war morgen wieder da! Ich hatte ihn jetzt schon einen Monat nicht gesehen, weil er ständig Außeneinsätze für Borutos Vater erledigte. Er hatte damit das kleinere Übel gewählt – seine Worte, nicht meine – und damit verhindert, mehrere Jahre mich nicht sehen zu können. Denn meinen Onkel Itachi sah ich noch weniger, der bereiste für Konferenzen die ganze Welt.
 

Mein Vater war derjenige, der die Situationen einschätzte und dementsprechend Empfehlungen abgab, wie viel Security nötig war. Er verbrachte manchmal mehrere Wochen vor Ort, um die Atmosphäre in sich aufnehmen zu können und die Menschen kennen zu lernen, um die es ging. Er sagte immer, man müsse die Klienten kennen, damit man sie richtig schützen könne. Was genau er damit meinte, wusste ich nicht, aber ich würde es wohl irgendwann verstehen.

Jetzt nickte ich nur heftig. „Danke!“ Ich würde sofort in der Pause meine Mutter anrufen. Zwar würde bestimmt nur wieder die Mailbox drangehen, weil sie um diese Zeit noch im Krankenhaus sein würde, aber ich musste es ihr einfach sagen. Mein Vater überraschte sie gerne, wenn er nach Hause kam – und Mom viel regelmäßig in Ohnmacht, sobald sie ihn sah. Seit sie sich dabei den Kopf angestoßen hatte, warnte ich sie immer vor.
 

Naruto-san lachte leise. „Komm doch heute Abend mit deiner Mutter zu uns. Hinata möchte gerne feiern, dass ihre neuste CD ein Erfolg geworden ist“ Borutos Mutter war Sängerin. Sie ging nicht mehr so oft auf Tour wie vorher, höchstens noch alle paar Jahre mal. Aber ihre Stimme war sehr schön und ich mochte ihre Lieder. Ich nickte. Naruto-sans Aufmerksamkeit verlagerte sich auf Mizuki. „Du bist natürlich auch eingeladen, wenn du willst“

„Mh“, hörte ich ihn sagen. Mizuki war sehr schweigsam. Klebte aber ständig an Boruto. Ich stopfte Boruto die Bentobox in die Hände und schob ihn nach einer weiteren Verbeugung gegenüber seinem Vater in Richtung Eingang. „Los, macht schon, sonst kommen wir zu spät!“

Boruto rollte mit den Augen, fügte sich aber. „Ich bringe sie nach der Schule mit!“, rief er seinem Vater zu. Der grinste und winkte uns. „Und viel Spaß im neuen Schuljahr!“, wünschte er uns. Ich kicherte, bevor ich wusste, was ich tat. Sofort hörte ich auf und räusperte mich.
 

„Kann ich dann mal morgen zu euch kommen?“, fragte Boruto, als wir unsere Plätze im Klassenzimmer erreichten. Ich zuckte mit den Schultern. „Solange du die Einrichtung ganz lässt“ Er lachte. „Ich will nur mit deinem Vater reden“ Ja, auch das war normal. Boruto hatte fest vor, meinem Vater nachzufolgen. Während ich seinen Vater als Vorbild genommen hatte. Mizuki hatte mal davon geredet, dass er uns gerne helfen würde, gesund zu bleiben, während wir unsere Ziele verfolgten. Aus irgendeinem Grund brachte das viele der Älteren und Eltern zum Lachen. Aber das war uns dreien egal.
 

Chocho setzte sich auf den Stuhl am Platz neben mir. Ich sah sie an, als sie mal wieder die letzten Reste einer Chipstüte vertilgte. „Kein Frühstück gehabt?“, fragte ich. Ich kannte die Antwort. Chocho blinzelte. „Doch“, sagte sie und mampfte weiter, „Das hier ist der Nachtisch“ Ich grinste. Chocho hatte immer Hunger schien es. Nun, solange sie dabei nicht krank wurde – warum nicht? Ihr Vater hatte gerade mit dem Jojoeffekt zu kämpfen, nachdem wieder eine Diät fehlgeschlagen war. Er konnte ihr das kaum verbieten. Und meine Mutter hatte bestätigt, dass Chocho topfit war. Nur ein wenig zu faul. Aber angeblich lag das in der Familie.
 

Manchmal glaubte ich, dass unsere Eltern uns nur zehn Prozent von dem erzählten, was vor unserer Geburt so alles passiert war.

„Sollte der Unterricht nicht schon längst angefangen haben?“, fragte da Inojin leise. Ich sah auf, warf einen Blick auf meine Armbanduhr. „Stimmt“ Boruto lies sich auf meine andere Seite sinken.

„Ist doch egal. Bestimmt so ein total von seinem Job genervter Kerl, der gar nicht hier sein will“ Ich schnaubte und sah dabei zu, wie Shikadai ihm erklärte, das könne man jetzt noch gar nicht wissen. Direkt nach der Erklärung verschränkte Shikadai die Arme hinter dem Kopf und starrte nach draußen. Bestimmt sah er mal wieder zu den Wolken.
 

Ich gab zu, ich wurde ebenfalls ein wenig abgelenkt. Wenn ich genau hinsah, dann sah die Wolke, die ich von hier aus sehen konnte, wie das Symbol meiner Familie aus. Aber bei dem windigen Wetter da draußen würde sich das Bild nicht lange halten. Ich seufzte.

Als alle aufstanden um den Lehrer zu begrüßen, wäre ich beinahe sitzen geblieben. Hastig rappelte ich mich auf, verbeugte mich und setzte mich wieder hin. Stille kehrte ein.

Bis die Stimme unseres neuen Klassenlehrers ertönte: „Mein erster Eindruck von euch: Ich mag euch nicht. Ändert das am besten mit guten Noten“
 

Ich blinzelte. Was war denn das für einer? Da konnte unsere Zukunft ja noch lustig werden.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Halloho! ^^
Heute mal von ungewohnter Stelle. Ja, ich weiß, ich habe mich schon fast einen ganzen Monat hier nicht gemeldet, aber das hat einen guten Grund: Dieses Kapitel zickte rum.
In der Theorie habe ich gewusst, was ich behandeln will, nur war Kakashi nicht ganz so kooperativ. :) Er wollte unbedingt was, was ich nicht wollte. Also hab ich zuerst so geschrieben, wie seine Figur mir vorgeben wollte. Dann habe ich es wochenlang im Kopf umgeschrieben und schließlich doch zwei hammerlange Absätze gelöscht. Hier ist die andere Version, in der sie's ncht tun. Ich hoffe, ihr mögt es trotzdem! ;)

As usual: Enjoy reading this (auch, wenn ihr's schon gelesen habt),
Marron Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und für diejenigen, die Fragen wollen: Ne, ich denke, zu Noruto kann ich keine Fanfiction machen. Er ist kein Charakter, der mich irgendwie anspricht. Ich fand Sarada schon schwierig in diesem Kapitel, aber hierbei wirds bleiben, falls Boruto nicht noch eine krasse Wende hinlegt. Und ich bin momentan eh in einem anderen Fandom abgetaucht. Aber für die, denen es nicht nur um Naruto geht: Bleibt liebend gerne dran! :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (30)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  WelshDragon
2020-09-22T21:12:09+00:00 22.09.2020 23:12
einfach wunderschön
Von:  WelshDragon
2020-04-27T21:37:18+00:00 27.04.2020 23:37
Super Kapitel
Von:  Satachi-kun
2020-03-29T11:04:42+00:00 29.03.2020 13:04
Ich frage mich wie es weiter gehen wird und mir gefällt die Art wie du schreibst schon allgemein war das ein gutes Kapitel 👍🏻Hoffe schreibst bald weiter
Von:  Yuna_musume_satan
2019-10-07T11:48:09+00:00 07.10.2019 13:48
OMG ich bekomme nie genug von der Story
Von:  WelshDragon
2019-04-27T22:40:22+00:00 28.04.2019 00:40
Dafür ist es dir sehr gut gelungen:)

Von:  lula-chan
2018-11-27T14:35:16+00:00 27.11.2018 15:35
Tolles Kapitel. Gut geschrieben. Sehr emotional. Dans Tod konntest du wirklich gut einbauen und auf deine Geschichte ummünzen. Gefällt mir.
Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht, und freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Von:  lula-chan
2018-11-02T17:47:16+00:00 02.11.2018 18:47
Tolles Kapitel. Gut geschrieben. Gefällt mir. <br>
Na das war doch mal eine schöne Feier, wenn auch anstrengend.
Hehe. Das ausgerechnet Sasuke den Blumenstrauß fängt, ist echt lustig.
Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht, und freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Von:  Scorbion1984
2018-10-14T08:35:52+00:00 14.10.2018 10:35
Tolles Kapitel ,sehr einfühlsam aber auch ein Nischen traurig !
Von:  lula-chan
2018-10-12T18:46:40+00:00 12.10.2018 20:46
Tolles Kapitel. Gut geschrieben. Gefällt mir.
Eine schöne Hochzeit war das. Passt gut zu den beiden. Die Reden haben mir sehr gefallen.
Sasuke und Sakura sind aber auch gemein. Ich denke aber, dass diese kleine Rede von Kakashi sowohl ihm selbst als auch Naruto gut getan haben. Mal sehen, wie die Gäste darauf reagieren.
Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht, und freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Von:  lula-chan
2018-10-10T20:48:17+00:00 10.10.2018 22:48
Tolles Kapitel. Gut geschrieben.
Endlich ist das geklärt. Nur so können beide damit abschließen.
Ich bin schon gespannt, wie das weitergeht, und freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Antwort von:  Marron
12.10.2018 13:12
Hehe, dankeschön.
Joah, damit habe ich tatsächlich einen Monat zugebracht. Man muss dazu sagen, dass ich meistens einen gewissen Puffer einplane, den ich vorschreibe, wenn ich ein Kapitel veröffentliche. Meistens.
Diesmal hat diser Punkt im Hintergrund gelauert und mir schon länger Kopfzerbrechen bereitet.
Aber ja, endlich ist die Sache klar. Zumindest im logischen Sinne - die Gefühle kommen mit der Zeit hinterher.

Ja, das nächste Kapitel habe ich gerade on gestellt. :) Ich hoffe, es entspricht den Vorstellungen, die aufgekommen sind ein bisschen.


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