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Chiisana LOVE-STORIES

Die ultimative Anime-Crossover-Dating-Fanfic
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Yui und Mai - Einsame Herzen

Von Jitsch
 

Bei diesem Pairing war unsere Bedingung, dass beide Personen aus einer Serie stammen sollten, die noch nie in den Chiisana LOVE-STORIES verwendet worden war. Keine leichte Aufgabe, aber letztendlich habe ich dann Mai Tokiha aus My-HiME genommen, und Ditsch’s Wahl fiel auf Yui Hongo aus Fushigi Yuugi. Dass beide Mädchen sind, lag daran, dass wir keine Geschlechter festgelegt hatten. Ich hoffe aber, dass wir dadurch keine Leser verlieren (sofern wir überhaupt welche haben, woran einen die Kommentarzahlen der letzten Kapitel ja doch irgendwie zweifeln lassen können). Mir hat die Arbeit an dieser Geschichte sehr viel Spaß gemacht, weil sie irgendwie ziemlich viele interessante Elemente enthält. Trotzdem fand ich es teilweise schwer, vor allem Yui ordentlich zu charakterisieren... ich habe Fushigi Yuugi wohl zu lange nicht mehr gelesen. Na ja, ich hoffe doch, es geht trotzdem ;) Es ist auch eine ziemlich lange Geschichte geworden, aber ich denke, sie ist dennoch spannend. Bitte lest sie euch durch *verbeug*
 

           Einsame Herzen
 

Es war Sommer, und das bedeutet in Japan nicht nur dauerhaft gutes Wetter sondern auch Temperaturen um die 30 Grad und eine stickige, feuchte Atmosphäre. An solchen Tagen tut man gut daran, sich in klimatisierten Räumen aufzuhalten oder sich anderweitig Abkühlung zu verschaffen. Die Bibliothek der Fuuka Akademie war zwar nicht mit einer Klimaanlage ausgestattet, aber die hoch gelegenen Fenster ließen nur wenig Sonnenlicht durch und auch die gut gedämmten Wände bewahrten den Raum vor all zu großen Temperaturschwankungen. Mai Tokiha war um diese Zeit die einzige, die in der Halle voller Bücher war, und strich etwas gedankenverloren umher. Es waren ja schließlich Sommerferien, eine Zeit, die die meisten Schüler der Akademie nutzten, um ihre Familien zu treffen oder etwas miteinander zu unternehmen. Der schuleigene Pool musste um diese Zeit auch überfüllt sein. Mais Blick glitt oberflächlich über die Buchrücken, doch sie schien sich für keines der Werke sonderlich zu interessieren. Stattdessen wendete sie nun den Kopf und erhaschte einen kleinen Blick aus dem Fenster. Dann seufzte sie fast unhörbar, griff ohne hinzusehen ins Regal und zog einen recht dünnen Band hervor. Damit ließ sie sich in der kleinen Leseecke im hinteren Teil des Gebäudes nieder und rutschte ein wenig auf den ausgelegten Kissen zurecht. Langsam ließ sie den Blick über den Titel schweifen: „Das Reich der Vier Götter“, übersetzt von Einosuke Okuda. Mehr Informationen ließen sich dem einfarbigen Einband nicht entnehmen. Mai blinzelte neugierig und schlug dann die erste Seite auf.

Sie nahm gerade noch wahr, dass das Papier vollkommen weiß war, bevor sie von einem strahlenden Licht geblendet wurde. Erschrocken kniff sie die Augen so fest zu wie sie konnte, aber das Licht drang trotzdem stark durch ihre geschlossenen Lieder. Ihr ganzer Körper fühlte sich für Sekunden vollkommen leicht an, bevor sie mit einem Ruck wieder auf den Boden sank.

Verwirrt öffnete sie die Augen. Im ersten Moment war sie so geblendet, dass sie sie wieder zukneifen musste, doch eines wusste sie sofort: Sie war nicht mehr in der Bibliothek. Um sie herum nahm sie die Stimmen von Vögeln wahr, ein Rauschen von Wind in Blättern und raue Stimmen um sie herum. „He, was machst du da?“, hörte sie jemanden rufen. Vorsichtig hob sie den Kopf, auch wenn sie nicht so sicher war, ob sie gemeint gewesen war. Vor ihr schälte sich eine dunkle Männergestalt aus dem blendenden Licht. „Woher kommst du!?“, wurde sie sogleich angeblafft. „Ich... komme aus der Fuuka-Akademie...“, sagte Mai und blinzelte heftig, um endlich ihren Gegenüber besser erkennen zu können. „Davon habe ich noch nie gehört! Aus welchem der vier Länder bist du?“ „Vier Länder...?“, fragte Mai verwirrt. Sie konnte langsam erkennen, dass der Mann eine Rüstung trug. Er war mit einem Schwert bewaffnet, das an seinem Gürtel hing, und hatte zudem noch einen Bogen dabei, der um seinen Rücken geschnallt war. Seine Augen standen eng und er wirkte aufgrund von ungewaschen aussehenden Haaren und einem stoppeligen Bart ziemlich unangenehm auf sie. Der Eindruck verstärkte sich drastisch, als er sie am Kragen packte und zu sich hochzerrte. Eine Wolke von unangenehmem Mundgeruch schlug ihr entgegen. „Tu nicht so! Du weißt ja wohl, was die vier Länder sind, wenn du dich in einem davon aufhältst!“ Mai blickte sich über ihre Schulter um und stellte fest, dass sie sich in einer mit großen Steinen gepflasterten Straße mit chinesischen Bauten befanden. Die Menschen, die Karren umherschoben oder mit Werkzeugen die Straße entlang zogen, waren allesamt in einer mittelalterlichen chinesischen Tracht gekleidet. „Ich weiß nicht, wie ich hierher gekommen bin“, beteuerte sie an den Mann in der Rüstung gewandt. „Aber das hier ist bestimmt nicht der Ort, wo ich bis eben war.“ Er starrte sie mit eng zusammengekniffenen Augen eine ganze Weile an, bis er sie wieder auf die Füße ließ und sie vorwärts schubste. „Ich bringe dich zum Kaiser“, brummte er. „Kaiser...?“, fragte Mai. „Der Kaiser von Kutou! Er wird entscheiden, was mit dir zu tun ist.“
 

Sie wurde unter den neugierigen Blicken sämtlicher Passanten weiter und weiter gestoßen entlang von Straßen, die in einem strikt geometrischen Muster angeordnet waren. Sie war sich mittlerweile fast sicher, dass sie sich in China befinden musste, denn alles was sie sah, wies darauf hin. Dass sie dennoch genau verstehen konnte, was die Menschen um sie herum sagten, war allerdings wunderlich, genauso wunderlich wie der Fakt, dass sie ein Buch aufgeschlagen hatte und sich auf einmal hier befand. Vielleicht war sie auch einfach beim Lesen eingeschlafen und träumte das alles nur? Aber dafür waren der Mundgeruch des Mannes, der sie jetzt widerwillig vor sich herschob, und der Schmerz, wenn er sie in den Rücken stieß, zu real. Also bemühte sie sich, jedes mal schneller zu gehen, bevor er sie stieß, und sah sich neugierig um. Die Häuser hatten ziegelgedeckte Dächer und zum Teil sehr schöne dekorative Ornamente an den Wänden. Die Menschen wirkten allerdings nicht sonderlich einladend, viele warfen ihr böse Blicke zu, und manche wendeten sich gar demonstrativ ab. So musste man sich als Ausländer wohl immer fühlen, aber das war nicht gerade ein guter Trost.

Nachdem sie mehrere Straßen weiter waren, kamen sie an einen ungleich breiteren Weg als den, auf dem sie bisher gegangen waren, auf dem sogar von Pferden gezogene Karren entlanggezogen wurden. Stumm deutete der Mann nach links, und Mai hielt den Atem an. Am Ende der Straße befand sich ein prächtiges Tor, das verheißungsvoll in der Sonne glänzte, und dahinter ließ sich ein riesiger Gebäudekomplex erahnen, zu dem eine lange, breite Treppe hinaufführte. Sie hatte keine Zweifel, dass das der Kaiserpalast sein musste und setzte sich in dessen Richtung in Bewegung. An dieser Hauptstraße gab es auch ein paar kleine Stände, an denen Menschen rohes Gemüse, Fleischklöße und dergleichen anboten. Sie konnte auch bereits ein paar Blicke auf vornehmer wirkende Herren in Seidengewändern werfen, die allesamt ihr Haar zu hohen Knoten aufgesteckt hatten. Dann schubste sie der Mann weiter bis zum Tor, das von großen Säulen gehalten wurden, um die sich goldene Drachenverzierungen wanden. „Wer ist das?“, fragte einer der beiden Wächter, die mit langen Speeren bewaffnet das Tor flankierten. „Ein seltsam gekleidetes Mädchen. Sie behauptet, nichts von den Vier Ländern zu wissen“, sagte der Mann. Einer der Wächter, die im Übrigen um einiges gepflegter wirkten, lächelte schmal. „In der Tat sieht sie sehr ungewöhnlich aus“, sagte er und betrachtete Mai von unten bis oben. Sie hatte das Gefühl, dass sein Blick besonders lange auf ihrer Brustpartie verweilte, bevor er ihr Gesicht ansah. „Was soll ich mit ihr tun?“, fragte der Mann, der neben Mai stand, und rieb seine groben Hände aneinander. Die Wächter wechselten einen Blick, dann wendete sich der, der eben schon gesprochen hatte, an Mai. „Woher kommst du?“ „Mein Land heißt Japan, aber ich weiß nicht, ob das hier bekannt ist“, meinte sie. „Eine andere Welt?“, schlug der Wachposten an, der bisher geschwiegen hatte. Im Gegensatz zu seinem Kollegen betrachtete er Mai nur ganz kurz und senkte dann den Blick. „Das könnte man vielleicht so sagen“, meinte Mai verunsichert und verschränkte die Arme. „Wir sollten sie hereinlassen“, sagte der erste Wachposten, „Aber wir müssen vorsichtig sein, sie könnte zu Kounan gehören, dort soll es die Hüterin des Suzaku geben.“ „Davon habe ich noch nie gehört“, sagte Mai sofort, in der Hoffnung, dass man sie dann eher in Ruhe lassen würde. „Wie heißt du?“, verlangte einer der Wächter nun zu wissen. „Ich heiße Mai Tokiha. Ich bin 16 Jahre alt.“ „Tja, Mai...“, sagte der eine mit schief gelegten Brauen. „Was ist hier los?“, fragte da eine Mädchenstimme hinter einem der Wächter. Ein Mädchen erschien im Tor, das noch jünger zu sein schien als Mai. Sie hatte kurzes, helles Haar und trug zu Mais grenzenloser Überraschung eine japanische Schuluniform mit braunem Blazer, Minirock und einer kleinen Schleife am Hemdkragen. „Hüterin!“, riefen die drei Männer gleichzeitig aus. „Ich fragte, was hier los ist“, sagte das Mädchen streng. „Wir haben dieses Mädchen gefunden und beraten, ob wir sie vor den Kaiser führen sollen“, sagte der eine Wachposten mit einer angedeuteten Verbeugung. Das Mädchen sah sie lange und durchdringend an.

„Wie heißt du?“ „Mai Tokiha.“ „Woher kommst du?“ „Aus dem Bezirk Niigata, ich gehe an die Fuuka Akademie. Das ist eine Privatschule.“ „Du kommst also aus Japan. Wie bist du hierher gelangt?“ „Ich habe in der Bibliothek ein Buch aufgeschlagen und dann war ich hier.“ „Wie hieß das Buch?“ „... ’Das Reich der Vier Götter’.“

Das Mädchen sah sie kurz weiter an, dann drehte sie sich um. „Komm mit“, sagte sie. „Aber Hüterin...“, setzte einer der Wachposten an. „Es ist in Ordnung, ich übernehme die Verantwortung“, erklärte sie. Dann ging sie davon. Mai folgte ihr, nachdem sie noch einen kurzen Blick auf die etwas verwirrt scheinenden Männer geworfen hatte, und holte zu dem Mädchen auf. „Kommst du auch aus Japan?“, fragte sie. „Ja. Ich heiße Yui Hongo.“ Mai schwieg und sah sich um. Sie gingen zwischen kunstvoll angeordneten Bäumen und Büschen hindurch über einen gepflasterten Weg. Links konnte sie einen kleinen Teich ausmachen, in dessen Mitte ein Pavillon lag. Dann schweifte ihr Blick zu dem Palast selbst, der aus mehreren Gebäuden bestehen zu schien. Da war der Hauptteil, der sich über alles andere erhob und mehr goldene Verzierungen an Dächern und Wänden aufwies als der Rest. Die anderen Gebäude hingen mit dem Palastkomplex zusammen, doch sie waren etwas kleiner. Als sie weitergingen, konnte Mai auch ein paar einzelne Bauten, wahrscheinlich Speicher, ausmachen. „Wohin gehen wir?“, fragte sie. „In meine Gemächer. Dir wird erst einmal nichts geschehen hier.“ Mai nickte verwirrt und folgte der Jüngeren, die in diesem Moment sichtbar besser Bescheid wusste.

Yui führte sie in einen kleinen, etwas abgelegenen Gebäudekomplex, wo sie schon am Eingang von einer Dienerin in einem einfachen Gewand begrüßt wurden. „Bereite Mai bitte ein Bad“, sagte Yui zu ihr. Die Frau nickte und eilte davon. Yui wendete sich an Mai und meinte: „Du wirst sicher ein bisschen erschöpft sein.“ Mai zuckte die Achseln. „Es geht, so heiß ist es hier ja gar nicht. Außerdem wurde ich einigermaßen anständig behandelt“. „Egal, ein warmes Bad kann sicher nicht schaden“, meinte Yui. Mai nickte.

Dennoch führte Yui sie erst einmal in einen anderen Raum. Es gab nicht viele Einrichtungsgegenstände, doch die vorhandenen waren sehr schön. Ein Bett mit kunstvoll verziertem Gestell aus dunklem Holz, ein Schreibtisch aus demselben Material mit einem dazugehörigen Stuhl und ein Schrank in der Ecke. Yui ließ sich auf dem Bett nieder und fokussierte Mai mit leicht zusammengekniffenen Augen. Diese kratzte sich verlegen am Kinn und schlüpfte, da ihr nichts Besseres einfiel, aus ihren Schuhen und ließ sich in einem japanischen Sitz auf dem Boden nieder. Es gab in dem Raum zwei kleine Fenster ohne Glas, mit kunstvoll geschnitzten Holzbalken vergittert. Mai erhaschte nur einen flüchtigen Eindruck von Blau.

„Nun, Tokiha-san“, sagte Yui schließlich. Mai sah auf. Die Blonde hatte ihr Kinn auf die Hand gestützt und sah sie an. „Du bist also durch das Reich der Vier Götter hierhergekommen?“ „Ja, genau.“ Mai wackelte verlegen mit ihren Füßen und drückte die Hände auf ihre Knie. Das Ganze kam ihr vor wie ein Verhör, und mit großer Wahrscheinlichkeit war es das auch. „Hast du schon einmal etwas von Suzaku gehört?“, fragte Yui nun. „Nein. ... Das heißt, doch. Im Unterricht für Japanische Geschichte. Suzaku ist einer der vier Schutzgötter in der chinesischen Mythologie.“ „Sagt dir der Begriff ‚Hüterin’ irgendetwas?“ „Die Wachen haben dich eben so genannt, nicht wahr? Aber ich weiß nicht, warum.“ „Kennst du ein Mädchen namens Miaka Yuuki?“ „Nein.“ „Oder jemanden, der ein chinesisches Schriftzeichen irgendwo auf dem Körper trägt?“ „Nicht, dass ich wüsste...“

Mai fühlte sich immer unwohler. Sie verstand nicht, was Yui von ihr wollte. Warum all diese Fragen? Doch Yui schien noch nicht fertig zu sein. „Wo bist du gelandet?“ „In dieser Stadt. Ich kam zwischen den Häusern zu mir, dann hat mich dieser ekelhafte, unrasierte, stinkende Typ aufgegabelt und hierher geschleppt.“ „Das lässt sich überprüfen“, meinte Yui nachdenklich. „Warum fragst du mich das alles überhaupt?“ Yui, die zum Schreibtisch geblickt hatte, drehte sich wieder zu ihr. „Das werde ich dir vielleicht später erzählen. Geh jetzt erst mal baden.“ Yui nickte mit dem Kopf in Richtung Tür. Mai entdeckte die Dienerin, die dort stand, und kam wieder auf die Füße. „Vielen Dank“, murmelte sie förmlich, schlüpfte in ihre Schuhe und folgte der Frau.
 

Als Mai wieder aus dem Bad kam, fühlte sie sich ein wenig frischer. Sie fand es zwar nicht sonderlich angenehm, hinterher wieder in ihre bereits durchgeschwitzte Schuluniform zu schlüpfen, doch diese aufzugeben und irgendetwas anderes anzuziehen hätte ihr noch weniger gefallen. Sie ließ allerdings die Jacke weg und hängte sie sich über den Arm, als sie der Dienerin folgte. Ihre Haare tropften noch leicht. Yui saß in ihrem Raum auf dem Stuhl, der zum Schreibtisch gehörte und sah ihr misstrauisch entgegen. Mai trat zögernd in den Raum und sah sie fragend an. „Was hast du verborgen?“, fragte Yui scharf. Mai wich zurück. „Was meinst du?“ „Meine Dienerin hat gesehen, dass du ein seltsames Zeichen auf deiner Brust trägst. Was hat es damit auf sich?“ Mai schluckte. „Das... ist eine lange Gesichte...“, sagte sie zögernd. Yui hob die Augenbrauen. „Ich habe Zeit.“
 

Mai hatte keine Wahl, als alles zu erzählen. Wie sie an die Fuuka-Akademie gekommen und andere Mädchen kennengelernt hatte, die ähnliche Zeichen am Körper trugen. Dass es sich bei denen, die das Mal trugen um sogenannte HiME handelte, und dass jede von ihnen durch die Kräfte einer solchen HiME spezielle Waffen, sogenannte Elemente, beschwören konnten. Sie schilderte ihren Kampf gegen die bösartigen Orphans undwie sie in einem Geröllfeld ihr Child, Kagutsuchi, getroffen hatte und dass sie seitdem weiter gegen die Orphans gekämpft, aber immer gezögert habe, Kagutsuchi zu Hilfe zu rufen.

„Im Moment ist es ein bisschen ruhiger geworden und irgendwie haben alle etwas zu tun...“, erklärte sie schließlich. „Ich wollte nur etwas Ruhe und bin in die Bibliothek gegangen...“ Yui nickte knapp. „Gut. Das ist genug. Dir wird ein eigenes Zimmer gezeigt werden, in dem du unterkommen kannst.“ Mai nickte schwach. Sie erhob sich langsam und verließ den Raum.
 

Als sie am nächsten Morgen von selbst die Augen öffnete, hatte sie einen Augenblick die vage Hoffnung, dass alles nur ein Traum gewesen sei. Ein kurzes Wenden ihres Kopfes jedoch zerstörte ihre Hoffnungen sofort. Sie befand sich in einem einfachen Raum mit von bunten Malereien geschmückten Wänden, und in der Mitte von einer Wand hing ein chinesisches Gemälde. Auf dem Bild war ein mit eleganten Pinselstrichen gemalter Drache, der aus der Oberfläche eines Sees hervorstieß. Mai kam auf die Füße und trat zu dem Bild. Der Drache wirkte nicht bösartig, sondern schlicht erhaben. Das Wasser, das um ihn herum spritze, hatte etwas ungeheuer Lebendiges. Mai sah den Drachen noch kurz an, dann wendete sie ihren Blick zum einzigen Fenster im Raum. Draußen war blauer Himmel zu sehen, und als sie näher trat auch noch die dunklen Dächer der umliegenden Gebäude. Vorsichtig suchte sie nun ihre Kleidung zusammen, die sie am Vortag bis auf die Unterwäsche abgelegt hatte. Es behagte ihr nicht, wieder in die alte Schuluniform zu schlüpfen, doch ihr blieb nichts anderes übrig. Dann setzte sie sich auf ihr Bett und seufzte. Wo war sie hier nur hineingeraten? Und wie sollte sie zurück an die Akademie gelangen? Ging das überhaupt?

Von allzu langem Nachdenken hielten sie Schritte im Flur ab. Mai erhob sich aufgeregt und blickte dann doch ein wenig ängstlich zur Tür. Es war die Dienerin Yuis, die sie freundlich anlächelte. „Man bittet Euch zum Frühstück“, wurde ihr erklärt. Mai nickte und folgte ihr langsam. Dann beeilte sie sich doch, zu ihr aufzuschließen, denn wenn es eines gab, das ihr unangenehm war, dann die Vorstellung, sich in dem Gebäude zu verlaufen. Die Dienerin führte sie aus dem Wohngebäude hinaus und in ein anderes, größeres, das jedoch noch nicht zum Hauptteil des Palastes gehörte. Mai blickte sich staunend um und betrachtete die mächtigen Säulen, die die Gänge stützten und die farbenfrohen Deckenmalereien. Alles schien so fremd, vollkommen anders als alles, was sie jemals gesehen hatte. Yui schien ja auch aus Japan zu kommen. Ob sie sich einmal so gefühlt hatte wie sie jetzt?

Die Frau stoppte neben einer großen Tür und verbeugte sich. Mai linste vorsichtig in den Raum und entdeckte eine reich gedeckte Tafel mit Massen von chinesischen Speisen, an der bereits Yui und ein ihr unbekannter blonder Mann saßen. Ein dritter Platz war noch frei.

„Guten Morgen, Mai“, sagte der Blonde. Mai machte ein paar Schritte in den Raum. „Guten Tag“, sagte sie, und verbeugte sich förmlich. Erst, als sie sich wieder aufrichtete, fiel ihr ein, dass diese Geste in diesem Land so wahrscheinlich nicht üblich war. „Setz dich ruhig“, wurde sie beflissen gebeten. Sie deutete ein Nicken an und schob unsicher den Stuhl zurück. Ein kurzer Blick streifte Yui, die jedoch keine Regung erkennen ließ. Dann rückte sie ein wenig näher an den Tisch und warf einen Blick über die Speisen. Meeresfrüchte, Bambussprossen, anderes Gemüse, das sie nicht kannte, und Fleisch. Sie mochte Chinesische Küche im Allgemeinen, doch um dies hier anzurühren, noch dazu am Morgen, würde sie sich überwinden müssen. Zum Glück richtete der Blonde sich sogleich wieder an sie. „Ich sollte mich vorstellen, mein Name ist Nakago. Yui-sama kennst du ja bereits.“ „J.. ja, genau. Ich heiße Mai Tokiha.“ Der Blonde nickte. Er trug ein mit goldenen Fäden und Blau besticktes Gewand mit helleren Ärmeln. Mai konnte nicht umhin, ihn in Gedanken als gut aussehend zu bezeichnen, was auch an seinen hellen Augen, seinem glänzenden Haar und dem fein geschnittenen Gesicht liegen musste. „Wie Yui-sama mir gestern mitteilte, beherrscht du den Kampf.“ Mai schluckte und brachte sich dazu, schwach zu nicken. Zu mehr war sie nicht in der Lage. „Dann möchte ich dich – möchten wir dich um etwas bitten, Mai.“ Sie war nun vollkommen stumm und hoffte nur, dass er so bald wie möglich das Gespräch beenden würde. Sie warf einen unsicheren Blick zu Yui, die jedoch weiterhin schwieg. Dann sah sie wieder zu Nakago. Seine blauen Augen funkelten intensiv und unangenehm, sie jagten ihr einen regelrechten Schauer über den Rücken. „Ich möchte, dass du die Hüterin des Suzaku und ihre getreuen Seishi angreifst.“ Mai sah ihn mehrere Augenblicke lang fassungslos an. „Wer sind diese Hüterin und die Seishi?“, fragte sie dann.
 

Mai hatte erstaunlich viele Speisen entdeckt, die ihr zusagten, Nakagos Bitte tat dies allerdings nicht. Er hatte ihr während des Essens erklärt, dass die Hüterin des Suzaku ein Mädchen aus einer anderen Welt sei – derselben Welt wie von Yui und ihr selbst – sei und dem Kaiser von Kounan diene. Dass diese Hüterin feindliche Ambitionen gegenüber Nakagos Land habe und die Kraft der magisch veranlagten sieben Seishi nicht zu unterschätzen sei. Noch dazu stünden sie kurz davor, mit den versammelten sieben Seishi zusammen den Gott Suzaku zu beschwören. Damit hätte die Hüterin drei Wünsche frei, was ihrem Land erheblich schaden könnte. Er schloss mit den Worten, dass jemand wie Mai sicher in der Lage sein würde, zumindest ein paar der Seishi auszuschalten und somit einen militärischen Vorteil zu erkämpfen, indem sie die Beschwörung verhinderte. Yui hatte während des ganzen Gesprächs nur wenig gegessen und ab und an leicht genickt.

Nakago tupfte sich die letzten Reste vom Mund und sah Mai an. „Nun, was meinst du zu unserer Bitte?“ Mai warf einen unruhigen Blick in den Raum. Niemand war da, der ihr helfen könnte. Aber das müsste sie eigentlich auch gewöhnt sein. „Was... was passiert, wenn ich es nicht tue?“, fragte sie herausfordernd. „Das werden wir entscheiden, wenn du deine endgültige Entscheidung getroffen hast. Das musst du nicht jetzt. Ich gebe dir drei Tage.“ Er sah sie auffordernd an. Mai wäre am allerliebsten aufgesprungen, doch sie hielt sich zurück. Nakago wirkte sehr selbstbewusst, um nicht zu sagen mächtig, und hatte sicher eine Position, die es ihm erlauben würde, sie einfach in den Kerker zu werfen oder was auch immer er wollte, wenn sie Widerworte wagte. „Ich werde es mir überlegen“, sagte sie deshalb. Nakago nickte zufrieden und erhob sich. „Gut. Solltest du dich entschieden haben, wende dich bitte an Yui-sama. Es ist dir im Übrigen nicht gestattet, den Palast zu verlassen.“ Damit verließ er den Raum durch eine hintere Tür, und ließ Mai sowie Yui am Tisch zurück.

„Ich mag ihn nicht“, gestand Mai, sobald sie das Gefühl hatte, dass er außer Hörweite war. Yui sah sie aufmerksam an. „Warum?“, fragte sie leise. „Er hat so etwas Beherrschendes. Ich höre nicht gern auf andere.“ Yui nickte nachdenklich. „Lass uns zurück in die Gemächer gehen.“
 

Schon am Nachmittag war es Mai zuviel. Yui saß die meiste Zeit am Schreibtisch und lernte Englischvokabeln. Auch schien sie nicht die geringste Lust auf irgendeine Art von Konversation zu haben. Da Mai den Palast nicht verlassen durfte, ging sie ein bisschen im Garten herum, doch die Wächter und Soldaten die sich dort befanden, warfen ihr unangenehme Blicke zu und sie kehrte in ihr Zimmer zurück. Dass sie Nakagos Bitte nicht nachkommen würde, hatte sie bereits beschlossen. Sie wollte nicht verletzen, egal wen, außerdem war es ihr mehr als alles andere zuwider, sich diesem Nakago einfach unterzuordnen und sich von ihm ausnutzen zu lassen. Als sie kurz nach einem knappen Mittagsmahl von Reis mit Gemüse wieder in ihr Zimmer zurückkehrte, beschloss sie, kaum dass sie die Schwelle übertreten hatte, dass sie hier nicht bleiben würde. Ihr war langweilig, und zudem gab es niemanden, dem sie vertrauen konnte. Sie hatte nicht einmal etwas zu tun.

Als sie sich sicher war, dass niemand hinschaute, schlüpfte sie aus dem Gebäude und bis zur Palastmauer. Diese war hoch, doch als sie daran hochsah, erschienen wie von selbst ihre Elemente, goldene Ringe mit eingearbeiteten Smaragden, um ihre Hand- und Fußgelenke. Ein starker Luftstoß brachte sie direkt auf Höhe des Mauersimses. Mai schaute sich noch einmal aufmerksam um, bevor sie auf die andere Seite sprang, wobei sie sich mit dem Luftwiderstand der Elemente abfederte, und machte sich dann auf der anderen Seite im Eilschritt davon.

Erst, als sie den Palast nur noch in der Ferne hinter den Dächern der anderen Bauten erahnen konnte, blieb sie stehen. Sie hatte nicht gewagt, langsam zu gehen, sondern war gerannt, als ginge es um ihr Leben. Nun, als sie sich in einen kleinen Durchgang zwischen zwei ärmlichen Häusern drückte, in dem es erbärmlich stank, musste sie tief Luft holen und stellte fest, dass ihr Gesicht schweißnass war. Das ungewohnte Klima setzte ihr mehr zu, als sie im ersten Moment gedacht hatte. Und sie hatte Durst. Nachdem sie ihren Atem beruhigt und die Schuluniformjacke ausgezogen hatte, schaute sie auf die Straße. Sie war in einem verhältnismäßig armen Viertel gelandet, in dem viele Häuser fast ausschließlich aus Holz gebaut waren. Auf der Straße herrschte reger Betrieb, doch die Menschen sahen abgerissen und arm aus. Natürlich, der Reichtum konnte nicht allen gehören. Mai seufzte und fragte sich, was sie tun sollte. Sie war allein, hatte kein Geld und keine Ahnung, wie sie hier weggelangen sollte. Sie könnte natürlich ihre Elemente rufen, doch das würde für Aufregung sorgen und die Männer aus dem Palast nur noch schneller auf ihre Spur bringen, sollten sie sie suchen. Nachdem sie die Straße hinauf und wieder heruntergesehen hatte und überall nichts als dasselbe Geschehen von lauten Händlern und Verkäufern gesehen, machte sie sich wieder auf, allerdings nur im Schritttempo. Der Palast war mittlerweile wohl weit genug weg.

Auf den Straßen gab es einiges zu sehen. Händler verkauften Gemüse, lebende Tiere und Schmuck. Es war ein geschäftiges Treiben, ein Hin und Her im Strom von Menschen, die versuchten ihre Ware loszuwerden oder selbst etwas zu kaufen. Ihr Blick war von einem Mann angezogen worden, der auf offener Straße kleine Kunststücke vollführte, und so bemerkte sie auch nicht, dass ihr jemand entgegenkam.

Dann waren sie auch schon zusammengestoßen. Sie fiel mit einem Aufschrei rückwärts schaffte es gerade noch, die Hände nach hinten zu reißen und sich damit abzufangen. Beinahe wäre ihr direkt darauf jemand auf die Finger getreten, doch sie hob die Hand und stand sogleich wieder auf um zu sehen, in wen sie da hineingelaufen war. Vor ihr saß ein Mann in einem sehr einfachen, braunen Gewand, dessen Gesicht von rötlichen kleinen Narben übersät war. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, seine Nase war lang und dünn, und seine Wangenknochen traten grob hervor. Als er Mai sah, blinzelte er kurz und kam dann selbst auf die Beine. „Entschuldigung“, sagte sie sofort. Er blinkte sie verwirrt an, dann begann er zu grinsen. „Dass mir so was noch mal unterkommt“, murmelte er.

Bevor Mai verstanden hatte, was er meinte, packte er sie am Handgelenk und zerrte sie hinter sich her. Sie war viel zu verwirrt, um einen klaren Gedanken zu fassen, bis sie auf einmal in einer unbelebten Straße drei Männern von derselben Sorte gegenüberstand. Sie alle hatten diese ekelhaften Narben im Gesicht, die sie auf den zweiten Blick als Rückstände einer Krankheit einordnete. Und sie grinsten breit. „Was hast du uns denn da mitgebracht?“, fragte der Mittige. „Ist sie nicht hübsch? Noch dazu...“ Der Mann, der Mai angeschleppt hatte, packte sie ohne weitere Vorwarnung einfach an der Brust. „Nicht zu verachten“, murmelte er. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein verzückter Ausdruck an, doch nur, bis Mai ihm einen Schlag mit dem Ellbogen direkt gegen die Brust gab. Er taumelte zurück. „Hey, was soll das denn?“, fragte einer der anderen Männer und schnellte hinter sie, wo er ihre beiden Hände packte und gegen ihren Rücken drückte. „Du bist doch sicher ein liebes Mädchen“, fragte er leise neben ihrem Ohr. „Lasst mich in Ruhe!“, rief Mai. Die beiden Männer ihr gegenüber sowie der, der sie hergebracht hatte und mittlerweile auch wieder aufgestanden war, lachten schallend los. „Das glaubst du doch wohl im Ernst nicht! Erst, wenn wir mit dir fertig sind!“, rief der linke und trat auf sie zu. Dann riss er ihr mit einer einzigen Bewegung die oberen Knöpfe ihres weißen Hemdes auf. „Lass das!“, rief Mai, doch er beachtete sie nicht. Der Griff um ihre Hände war zu stark. „Los, los, komm her“, bat der Mann. Seine dreckigen Hände grapschten sie an die Oberschenkel und fuhren daran hoch. Ihr hätte übel werden können allein davon, doch der Gedanke was er noch mit ihr anstellen würde, schürte einfach nur pure Panik. „Lass das!“, kreischte sie und riss ihr Knie in die Höhe. Er schien darauf vorbereitet gewesen zu sein, denn er wich mit dem Körper aus und packte sie am Knie. Mit der freien Hand fuhr er innen an ihrem Schenkel entlang. „So eine hatte ich lange nicht mehr“, sagte er, und Mai betrachtete mit Ekel, wie sich in seine Augen ein gieriger Glanz schlug und sein Atem schneller wurde. Sie wollte hier weg! Und zwar jetzt sofort. „Lasst mich los!!“, kreischte sie. Der Mann zog seine Hand nur ein wenig zurück und grinste breit. Die beiden hinter ihm lachten. Sie versuchte noch einmal, sich loszureißen, doch sie bekam nicht einmal ihr Bein aus dem stählernen Griff frei. In dem Moment brach der Damm und Tränen begannen ihr einfach so aus den Augen zu fließen, was bei den ekeligen Typen nur noch mehr Gelächter hervorrief. Und dann griff ihr auch noch der, der sie von hinten festhielt, mit einer sicheren Bestimmtheit von hinten an die Brust und leckte über ihren Hals. Ein heiserer Schrei entkam ihrer Kehle. Doch das hielt ihn nicht auf. Der, der vor ihr stand, drückte nun seine Hand direkt gegen ihre Hüfte und schob ihren Rock nach oben. Sie weinte jetzt nur noch, der Schweiß ihrer Peiniger stieg ihr in die Nase. Sie zuckte, versuchte noch einmal, freizukommen.

Ein Aufschrei ertönte. Auf einmal war die schwielige Hand an ihrem Bein verschwunden. „Lasst sie los!!“, hörte sie hinter sich eine Stimme. Sie sah die Mienen der beiden zuschauenden Männer gefrieren und in Entsetzen umschlagen. Dann lockerte sich auch der Griff an ihrem Handgelenk. Sie war frei. Als sie sich herumdrehte, sah sie sich Yui gegenüber, und hinter ihr stand Nakago in einer goldenen Rüstung und mit einem blauen Umhang um die Schultern. „Lasst sie nicht entkommen. Hackt diesen Individuen die Köpfe ab“, befahl er brüsk. Hinter ihm stürmten mehrere Soldaten mit Speeren hervor. Die Männer schrien auf und eilten davon. Mai sah ihnen nicht mehr hinterher. Sie taumelte mit Tränen in den Augen auf Yui zu und klammerte sich an sie, und nun konnte sie erst recht nicht mehr anders als zu weinen.
 

Das Badewasser war angenehm warm. Mai, die vorher kurz einen Fuß hineingestreckt hatte, glitt vollends hinein. Sogleich fühlte sie sich besser, um nicht zu sagen erleichtert. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, schien es so dämlich. Sie hätte nur ihre Elemente benutzen und damit die vier Vergewaltiger in die Flucht schlagen müssen... Der Gedanke daran veranlasste sie fast wieder zu weinen, aber sie unterdrückte den Reflex. Stattdessen schloss sie die Augen und sog den Duft des Badewassers auf. Er war irgendwie mystisch und schwer, aber er beruhigte sie auch. In dem Dampf über dem heißen Wasser konnte sie kaum etwas erkennen. Immerhin – hier war sie in Sicherheit.

Das Geräusch von nackten Füßen auf Fliesen ließ sie aufsehen. Yui erschien mit einem Tuch um den Körper gewickelt am Rand des Beckens und sah zu ihr hinunter. „Wie geht es dir?“, fragte sie leise. „Danke, mittlerweile bin ich wieder in Ordnung“, murmelte Mai. Yui nickte verständnisvoll und glitt dann zu ihr ins Wasser, wobei sie das Handtuch am Boden ablegte. . Sie sahen sich kurz an, dann wendete sich Yui wieder ab und bewegte sich in dem großen Becken ein paar Schwimmzüge weit. „Mir... ist dasselbe passiert“, sagte sie schließlich. „Was meinst du?“, fragte Mai. Sie hob den Kopf und betrachtete Yui. In ihrem Blick lag Einsamkeit, obwohl sie eigentlich sehr hübsch war mit ihrem leicht welligen, dünnen blonden Haar. Im Grunde passte dieser einsame Zug sogar dazu. „Ich bin auch mal solchen Kerlen in die Arme gelaufen. Mir ist allerdings...“ Yui hielt inne und blickte starr irgendwo in den Dampf, der aus dem Wasser stieg. Mai sah sie schweigend an. „Mir ist... niemand zu Hilfe gekommen.“

Entsetztes Schweigen.

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„Das tut mir leid.“

Yui sah sie erstaunt an und schüttelte dann den Kopf. „Mir sollte es leid tun“, sagte sie mit einem abfälligen Blick. Dann begann sie zu erzählen.

„Ich hatte mit meiner Freundin Miaka zusammen das ‚Reich der Vier Götter’ in einer Bibliothek entdeckt und war nur einmal kurz in diese Welt gelangt. Dort haben wir einen Jungen getroffen...“ Ihr Blick glitt davon und auf den Wangen zeigte sich ein roter Schimmer. Dann senkte sie die Brauen und sprach leise und zischend weiter. „Miaka... sie ist irgendwann heimlich in die Bibliothek zurückgekehrt und wieder in dieser Welt gelandet, aber in Gefahr geraten. Ich wollte ihr helfen... Sie konnte tatsächlich in unsere Welt zurückkehren, doch dafür wurde ich in das Buch gesogen. Und bin in diesem Land ähnlichen Leuten begegnet wie du heute. Als Nakago kam um mir zu helfen, war es bereits zu spät. Das werde ich ihr nie verzeihen!“ Nun zeigte sich in ihrem Gesicht nichts als Hass. „Aber... sie kann doch nichts dafür...“, wagte Mai zögernd einzuwenden. „Nein, dafür nicht“, gab Yui zu, „aber das war nicht alles. Miaka kam, um mich zu retten, hierher, in den Palast. Mit ihr der Junge, den wir schon einmal getroffen hatten. Er heißt Tamahome... Er wollte mich befreien, und ich war unendlich froh.“ Sie schien den Moment noch einmal zu erleben. Ihr Gesicht wurde weich, für einen Moment schien sie sogar zu lächeln. Doch dann schlug sich Boshaftigkeit dazu. „Dann habe ich sie gesehen. Ich hatte mich nur einen Moment von ihnen entfernt, und als ich zurückkam, küsste er sie und sagte, wie sehr er sie liebte.“ Ein wehmütiges Lächeln kam auf Yuis Lippen. „Ich hatte drei Monate in dieser Welt auf sie gewartet. Und sie kam zurück und wagte, von Freundschaft zu sprechen. Nach all dem, was ich durchgemacht hatte... Ich habe sogar versucht, mich umzubringen, ich war vollkommen verzweifelt. Und sie... hatte nichts anderes im Sinn als mit ihm zusammenzusein!!!“

Yuis Stimme hatte sich fast zu einem Schreien gesteigert. Dann sprach sie apathisch weiter. „Wenn ich zuerst zurückgekehrt wäre, wäre ich nun die Hüterin des Suzaku, zu der sie geworden ist, und ich wäre es gewesen, in die sich Tamahome verliebt hätte.“
 

Mai schwieg betroffen. Ihr fiel nichts mehr ein, was sie diesem Mädchen sagen konnte. Kein aufmunterndes Wort schien da zu sein, das das Leiden irgendwie erfassen konnte. „Ich habe ihn aufgegeben...“, sagte Yui dann leise und lehnte sich neben Mai an den Beckenrand. „Wir haben es versucht. Nakago hat dafür gesorgt, dass Tamahome uns ausgeliefert wurde. Ich habe für ihn gesorgt, doch für ihn gab es immer nur Miaka, Miaka, Miaka...“ Mai konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, doch im wallenden Dampf erschien es ihr, als weine Yui. Ihrer Stimme war allerdings nichts anzumerken. „Selbst als ich ihn manipulierte, damit er sich in mich verliebte, dachte er immer noch an sie... Ihre Liebe war zu stark. Ich kann ihn nicht für mich haben, und deshalb bleibt mir nur noch, sie zu vernichten.“

Mai senkte den Kopf. Sie hatte ihr Schicksal, eine HiME zu sein und gegen Monster kämpfen zu müssen, den Tod ihrer Eltern und die harte Arbeit um die Operation für ihren kranken Bruder bezahlen zu können, tatsächlich für hart gehalten. Aber wenn sie darüber nachdachte, war das gar nichts im Gegensatz zu Yui.

„Ich habe Mitleid mit dir“, sagte sie schließlich. Yui blickte sie erstaunt an. Mai lächelte schwach. „Vielleicht sollte ich dir doch helfen.“
 

„Das wird wirklich gefährlich. Bist du sicher?“, fragte Yui noch einmal. Mai nickte zuversichtlich. Ihre zerrissene Schuluniform hatte sie durch ein einfaches chinesisches Gewand ersetzt, was sowieso viel weniger auffällig war. Dieses hatte sogar eine Kapuze um ihre ungewöhnlich hellen Haare zu verbergen. Sie blickte Yui vorsichtig an, die sie mit gerunzelter Stirn ansah. „Mir gefällt das nicht“, sagte diese, „Du brinst dich nur in Gefahr.“ Mai konnte das nicht abweisen, aber einen Rückzieher zu machen fiel ihr jedenfalls nicht ein. „Du hast mir doch selbst gesagt, wie sehr du Miaka hasst, oder nicht?“, fragte sie. „Ja, schon... aber du bringst dich in Gefahr!“, erwiderte Yui.

Am Morgen nach ihrer Begegnung im Bad hatte Mai Nakago mitteilen lassen, dass sie die Seishi angreifen würden. Selbst nach einer durchschlafenen Nacht hatte ihr der Zusammenstoß mit den Vergewaltigern noch Angst gemacht, und wenn sie darüber nachdachte, musste es Yui noch viel schlimmer ergangen sein, von der unerfüllten Liebe zu diesem Tamahome ganz zu schweigen. Sie tat Mai leid, und wenn es ihr half, würde sie eben etwas gegen die Suzaku-Seishi unternehmen. Nakago hatte zugestimmt und ihr die restlichen zwei Tage gegeben, um ihre Technik zu trainieren. So hatte Mai begonnen, mit ihren Elementen zu trainieren, in dem sie gegen den General, als der sich Nakago herausstellte, antrat. Er war ein Seishi des Seiryuu, dem blauen Drachen des Ostens, dessen Hüterin Yui war. Obwohl er im Kampf hauptsächlich sein Schwert benutzte, setzte er auch manchmal sein Ki ein, um Mai hinterrücks anzugreifen. Wenn er sie dann wieder einmal erwischt hatte, lachte er nur und machte sie darauf aufmerksam, dass auch die Suzaku-Seishi nicht gerade zimperlich mit ihr umspringen würden. Mai hatte dann die Zähne zusammengebissen und sich vorgenommen, beim nächsten Mal besser aufzupassen. Doch wenn sie nicht trainierte, hatte sie viel Zeit bei Yui verbracht. Die Blonde hatte offenbar Vertrauen gefasst und ihr noch eine Menge mehr Details erzählt. Mai hatte sie auch gefragt, woher sie gewusst hatten, dass sie angegriffen worden war, und wo. Yui hatte ihr von einer Kristallkugel erzählt, die Nakago besaß und mit der er innerhalb des Landes so gut wie alles überwachen konnte. Sie hatten noch viel anderes geredet, und sich oft nur an die kleinen Dinge im Alltag Japans erinnert. Zwei Tage waren dafür eigentlich viel zu wenig.

„Das weiß ich, aber ich habe zugesagt. Ich glaube, mittlerweile bin ich fit genug, um mich zu wehren“, sagte Mai überzeugt. Yui nickte traurig. Mai seufzte tonlos und legte der Jüngeren ihre Hand auf die Schulter. Die Blonde hob vorsichtig den Kopf. „Komm heil wieder“, bat sie. Mai lächelte. „Das ist doch Ehrensache“, meinte sie. Yui lächelte ebenfalls schmal. „Okay. Aber wag es ja nicht wiederzukommen, bevor du den Suzaku-Seishi ihre Pläne durchkreuzt hast!“, erklärte sie entschlossen. Mai grinste. „Darauf kannst du wetten“, sagte sie. Dann trat sie zu dem kleinen Tor in der Palastmauer, durch das sie hinausgelangen sollte. Es würde nur Aufsehen erregen, wenn sie das Haupttor benutzte. Nakago stand wartend neben dem Tor und über seine Lippen lief ein schmales Zucken, das durchaus als Lächeln gedeutet werden konnte. „Du weißt, was du zu tun hast?“, fragte er leise. Mai nickte. „Ich soll die Hüterin des Suzaku töten, dann hätte der Kampf zwischen Kutou und Kounan ein Ende. Wenn ich nicht dazu in der Lage bin, soll ich versuchen, einen der Seishi zu erwischen“, erklärte sie tonlos. Dass sie Yui versprochen hatte, Miaka trotz allem nicht anzurühren, sagte sie nicht. Dann würde die offizielle Version eben lauten, dass sie sie nicht erwischt hatte. „Sollte irgendetwas passieren, werde ich es merken. Dann schicke ich Verstärkung“, sagte Nakago. Mai nickte. Dann drehte sie sich noch einmal zu Yui um, die sie traurig ansah. „Komm bald wieder“, sagte sie leise. Mai drückte ihr kurz die Hand, dann trat sie durch das Tor, das Nakago ihr aufhielt. Ihn würdigte sie keines Blickes, als sie herausschritt und sich dann zwischen die Häuser der Hauptstadt stahl.
 

Nach Kounan zu gelangen, erwies sich als nicht all zu schwierig. Bis zur Grenze konnte sie bei einem Händler mitfahren, der dort seine Familie besuchte. Während des Transports betrachtete sie die weite, grüne Landschaft und dachte über Nakago nach. Wie sehr sie es auch wendete, sie konnte ihn nicht leiden. Er war ein aalglatter Kerl, dem jedes Mittel recht zu sein schien. Dass er sie jetzt gerade für seine Zwecke benutzte, war ihr leider klar. Aber wenigstens stand sie ohne Gewissensbisse hinter ihrer Mission, denn es ging in erster Linie um Yui.
 

Die Wachposten an der Grenze der beiden Länder ließen sie ohne Probleme passieren, nachdem sie ihnen ein goldenes Siegel von Nakago zeigte. Hinter der Grenze war sie gezwungen, ein paar Tage zu Fuß zu gehen und des Nachts in Bauernhäusern zu übernachten, doch sie wurde überall freundlich aufgenommen und gut versorgt. Am dritten Tag stieß sie auf eine Händlerkarawane, die auf dem Weg in die Hauptstadt war und schloss sich dieser an. Über eine der gut ausgebauten Hauptstraßen des Landes war es ein Leichtes, innerhalb von nur drei weiteren Tagen in die Hauptstadt des Landes Kounan zu gelangen. Schon von weitem konnte Mai glänzende Dächer und den großen Palast sehen, der dem von Kutou ziemlich ähnelte. Doch als sie das Stadttor hinter sich hatten, fiel ihr sofort auf, dass in der Stadt weniger der Menschen, die sich als Gesindel bezeichnen ließen, vorhanden waren. Vielleicht war der Kaiser des Landes weiser... Aber es lag nicht in ihrem Ermessen, das zu beurteilen. Die Händler teilten sich Stück für Stück auf, und sie verabschiedete sich von ihnen, um durch die Stadt zu streifen. Sie fand nach kurzem Herumfragen eine kleine Herberge etwas abseits und quartierte sich, da es bereits Abend wurde, dort mit dem Geld ein, das man ihr ebenfalls mitgegeben hatte.

Als sich die Finsternis über die Ebene legte, saß sie am Fenster und stellte fest, dass die Situation nicht einmal neu war. Wie sie sich für Takumi jeden Tag im Restaurant abrackerte und für Mikotos Lunchbox eine halbe Stunde eher aufstand, so half sie jetzt Yui. Nur dass sie dafür ihre Kraft als HiME gebrauchen konnte, und dass Yui doch etwas anderes war. Auch wenn sie nicht sicher war, was eigentlich. In der Stille schlug sie ihre Kapuze zurück, wie sie es schon nicht mehr getan hatte, seit sie die Karawane getroffen hatte, und sah in den Sternenhimmel. Er sah genau so aus, wie zu Hause in Japan. Sie vermeinte sogar, neben dem Mond das kleine rote Blinken zu erkennen, den Stern, den nur die HiME sehen können. Dem Schicksal konnte man wohl doch nicht entfliehen.
 

Der nächste Morgen brachte ebenso gutes Wetter wie die vorhergegangenen Tage. Mai entlöhnte die Wirtin für die Unterbringung und zog dann, nun wieder mit übergeschlagener Kapuze, durch die Stadt und kaufte sich an einem kleinen Stand ein mit Fleisch gefülltes Klößchen. Essend streifte sie weiter. Die Menschen handelten bereits eifrig mit Stoffen und Esswaren, Schmuck und Werkzeug. Ein paar Kinder rannten auf den Straßen herum und jagten irgendwo freigekommene Hühner, die mit lautem Gackern davonstoben.

Eher als sie erwartet hätte, kam sie an den Palast, der auch hier von einer hohen Mauer umgeben war. Mai blieb stehen und betrachtete neugierig das großartige Gebäude, das mit goldenen Ornamenten und Säulen aus Marmor in der Sonne glänzte. Wachposten standen an den Säulen am oberen Ende der großen Stufen, Beamte liefen geschäftig hin- und her. Alles war vollkommen friedlich. Und sie war gekommen, um zu töten.

Unschlüssig schlug Mai einen Seitenweg ein und spazierte zwischen den größeren Häusern der Adeligen hindurch. Sie hätte ahnen müssen, dass es nicht einfach werden würde, sich für so einen Schritt zu entscheiden. Doch sie musste. Vorsichtig blickte sie zurück zur Mauer, die nun schon wieder etwas von ihr weg lag. Nakago hatte ihr geraten, sich auf ihr Gefühl zu verlassen, da selbst er nicht an einen Plan des Palastes gelangen konnte. Die Hüterin würde aber leicht zu finden sein, das hatte er versprochen. Die Frage war nur, wie sie in den gut behüteten Palast ungesehen hereinkommen konnte. Würde sie erwischt, hätte sie keine Zeit, lange zu suchen, und gerade die brauchte sie dringend. Nachdenklich lehnte sie sich gegen eine Mauer, die ein großes Anwesen umrahmte, und sah in den Himmel. Eigentlich wäre es ganz einfach. Sie musste ihre Elemente aktivieren, würde über die Palastmauer hinwegsegeln, die Wachen spielend umgehen, in den Palast eindringen und versuchen, irgendeinen der Seishi aufzutreiben. Es war ihr sogar egal, welchen. Allerdings kannte sie sie nicht, sie wusste nur, dass sie irgendwo auf dem Körper ein chinesisches Zeichen tragen mussten. Fast wie die HiME, nur dass diese allesamt Frauen waren und dasselbe Zeichen trugen. Abwesend zog sie den Dolch aus der Scheide, die an ihrem Handgelenk befestigt war. Nakago hatte ihr geraten, gegen die Hüterin mit Waffengewalt vorzugehen, das sei am wirksamsten. Sie war sich nicht sicher, ob sie den Dolch überhaupt benutzen sollte. Aber es würde sich sowieso ergeben.

Wie eine Ninja kam sie sich vor, als sie auf die Mauer zuging. Ninja fast im wahrsten Sinne des Wortes, denn das bedeutet „Der mit dem Wurfstern“. Einen Wurfstern trug sie zwar nicht dabei, aber dafür den Dolch, was fast genau so gut war. Japanische Waffen waren hier eben nicht zu haben.

Sie blickte sich schnell um, ohne den Kopf zu drehen. Niemand war hier. Die Adligen, die im Umfeld lebten, mochten sich in ihren Villen befinden oder Handel treiben, doch hier war alles leer. Die Mauer, da drei Meter hoch und für einen normalen Menschen nicht zu überwinden, war unbewacht. Ihre Chance. Mai warf noch einen schnellen Blick über ihre Schulter, dann aktivierte sie die Elemente und schoss getrieben von einer Hitzewelle, die die Ringe an ihren Füßen auslösten, in die Höhe. Die Arme nahm sie nach hinten, um sich nach vorn zu treiben. Hinter der Mauer federte sie mit allen vier Ringen ab, sodass sie sanft am Boden landete, bevor sie hinter einem Strauch in Deckung ging. Das alles in Sekundenbruchteilen. Sollte jemand sie gesehen haben, so bildete er sich sicherlich ein, nur den Schatten eines vorbeifliegenden Vogels gesehen zu haben.

Mai machte eine vorsichtige Bewegung vorwärts und linste zwischen den Blättern hindurch. Vor ihr erstreckte sich der Garten im Inneren des Palastes mit ordentlich gekiesten Wegen, akkurat gestutzten Bäumen und kleinen Wasserläufen dazwischen. Direkt in ihrer Nähe befand sich ein kleiner Teich mit einem kunstvollen Pavillon daneben. An dessen Rand, links von Mai, war in einen Felsen die goldene Figur eines Phönix eingelassen, aus dessen Mund Wasser spritzte. Im Strahl stand ein nacktes Mädchen und hielt die Hände hinein. Mai schaute sich um und fand dann zwei Frauen, die in dem Pavillon standen und ein Tuch bereithielten. „Hüterin, beeilt Euch! Ihr sollt nur euren Körper reinigen!“, rief eine von ihnen. Mais Blick glitt wieder zu dem Mädchen. Sie war also die Hüterin des Suzaku. Miaka Yuuki. Sie war fast direkt vor ihr. Das Mädchen, das Yui verraten hatte. Und während diese trübselig in Kutou saß und sich fragte, ob das Leben noch einen Sinn hatte, hatte diese tatsächlich den Nerv, lachend im Wasserstahl zu hüpfen und das Wasser dann genüsslich über ihren Kopf rieseln zu lassen. Mai griff nach dem Dolch.

Ein kurzer Gedankenblitz aktivierte die Elemente an ihren Füßen. Sie zischte hervor, den Dolch zum tödlichen Stoß erhoben.
 

„Miaka!“

Ein Aufschrei ertönte. Mai riss den Kopf herum, bremste reflexartig ab. Eine Faust zischte wenige Millimeter vor ihrem Gesicht entlang. Von Miaka ertönte ein spitzer Aufschrei. Mai beförderte sich selbst mithilfe der Elemente direkt in die Mitte des Sees, wo sie schwebend verharrte. Halb vor Miaka stand ein Junge im blauen Gewand im Wasser, dessen gewelltes Haar ihm halb ins Gesicht hing. Er starrte Mai ungnädig an. „Wer bist du?“, fragte er böse. Miaka versteckte sich zitternd hinter ihm. „Das tut nichts zur Sache“, sagte Mai. Egal wer, er musste einer der Seishi sein. Jetzt war ihre Chance. Sie breitete die Arme aus und aktivierte die Ringe um ihre Gelenke, die zu kreisen begann. Flammen schossen hervor. „Verdammt, was ist das!?“, stieß der Mann aus. Mai raste auf ihn zu in der Absicht, ihn mit den gleißenden Ringen zu rammen. Er warf sich mit dem Mädchen im Arm in das seichte Wasser und entkam. Mais Schlag traf den Felsen, die Phönixfigur knickte ab, Wasser spritzte nun direkt aus dem Felsen und traf sie frontal. Gleichzeitig spürte sie eine unglaubliche Kraft, die sie zu Boden zwang.

Im nächsten Augenblick fand sie sich mit dem Rücken im Wasser wieder. Ihr Angreifer hatte sich auf ihre Beine geworfen und presste ihre Arme ins Wasser, wo die feurigen Elemente schlicht und ergreifend ihre Kraft verloren. Sie riss ihren Kopf nach oben und versuchte verzweifelt, zumindest durch die Nase Luft zu bekommen. Das Wasser war nicht tief, aber auch nicht so seicht, dass sie liegend darin atmen könnte. Der Mann starrte ihr zornerfüllt ins Gesicht. Auf seiner Stirn erkannte sie das chinesische Zeichen, das „Teufel“ bedeutete. Tamahome also. „Rede! Wer bist du!!“, schrie er. Mai schnappte verzweifelt nach Luft. „Tamahome, du ertränkst sie!“, rief Miaka hinter ihm. Er zuckte zusammen und riss Mai am Kragen aus dem Wasser. Sie hustete. „Wer bist du!?“, schrie er noch einmal. Mai sah ihn finster an. „Das geht dich nichts an!“, fauchte sie. Er stieß ihr wutentbrannt die Faust in den Magen. Mai hustete und wenn er sie nicht weiterhin am Kragen gepackt gehalten hätte, wäre sie vermutlich zusammengesackt. „Tamahome! Lass sie!“, rief Miaka. Mais Blick glitt kurz über sie, ein Mädchen mit mittellangem dunklem Haar und vor Schreck weit aufgerissenen Augen, dann wurde alles um sie herum schwarz.
 

Als sie die Augen aufschlug, wusste sie nicht, wo sie war. Über sich sah sie eine dunkle Decke aus schweren Holzbalken. Die Wände waren weiß und schmucklos. Erst, als sie den Kopf drehte, entdeckte sie eine große, schwere Tür, in der sich ein kleines vergittertes Fenster befand. Dahinter konnte sie einen Flur erkennen, doch viel mehr nicht. Mai setzte sich auf und stellte fest, dass sie auf einem einfachen Holzgestell saß, auf dem eine Decke lag. Sie selbst trug noch das Gewand mit der Kapuze. Als sie ihre Arme beäugte, stellte sie fest, dass sie nicht einmal mehr nass war. Es musste einiges an Zeit vergangen sein, seit Tamahome sie erwischt hatte. Mai stand auf und tapste zur Tür. Der Wachposten, der daneben stand, bemerkte sie. „Wag es ja nicht, irgendetwas zu tun!“, drohte er sofort und hob seinen Speer. Mai schüttelte den Kopf. „Wo bin ich?“, fragte sie stattdessen. „Im Gefängnis des Kaiserpalastes von Kounan“, kam die Antwort prompt. Mai nickte schwach. Dann ging sie zurück zu dem behelfsmäßigen Bett und ließ sich darauf nieder. Sie fühlte sich elend.

Nakago hatte ihr noch eingeschärft, auf keinen Fall irgendeine spontane Aktion durchzuführen sondern sich alles zu überlegen und die Chancen vorher abzuwägen. Stattdessen hatte sie sich in einem Impuls von Hass und Rachsucht direkt auf Miaka gestürzt. Ohne zu bedenken, dass das Wasser ihrem Element entgegenwirken könnte. Ohne zu überprüfen, ob da vielleicht noch jemand war, der sie aufhalten könnte. „Na super...“, murmelte sie leise, und ließ den Kopf auf ihre Knie sinken. Was sie jetzt erwartete, wagte sie nicht einmal zu denken. Diesmal würde Nakago wohl nicht zu Hilfe kommen, denn wie sollte er auch wissen, was geschehen war? Die Kristallkugel, von der Yui erzählt hatte, überblickte nur Kutou. Nakago hatte zwar behauptet, dass er Verstärkung holen würde, doch sie rechnete wenig damit. Wieso sollte er auch das Risiko eingehen, in den Palast des Feindeslandes einzudringen?
 

Stunden später wurde die Tür geöffnet und ein schmächtiger Mann trat ein. Er hatte kurzes, blondes Haar, von dem ihm nur eine längere Strähne in den Nacken hing. Sein Gesicht war von einer Maske bedeckt, die sie freundlich anlächelte. Die Stoffbahn, die er sich um eine Schulter geschlungen und um die Hüfte verknotet hatte, ließ wie der goldene Stab in seiner Hand an einen buddhistischen Bettelmönch denken, doch dann hätte er eigentlich eine Glatze tragen müssen. Mai sah müde zu ihm auf. „Meinereiner heißt Chichiri. Ich bin ein Seishi des Suzaku“, erklärte der Mann. Mai nickte schwach und blickte wieder zu Boden. „Meinereiner ist gekommen, um dich etwas zu fragen, jawohl“, meinte er munter. Mai drehte sich weg. Was hatte der denn für eine komische Sprechweise drauf? „Wie heißt du?“, fragte Chichiri. Mai sah auf und funkelte ihn an. „Ich sage nichts“, erklärte sie brüsk. Der Seishi schien verwirrt, doch er ließ sich nicht unterkriegen. „Der Kaiser ist sehr böse, weil du die Hüterin angegriffen hast, jawohl. Er könnte dich töten lassen!“, erklärte er in einem fast besorgt klingenden Tonfall. „Und wenn schon“, meinte Mai. Er schwieg. „Erkläre mir, was es mit deiner Kraft auf sich hat. Du bist doch kein Seishi des Seiryuu, oder?“, fragte er, in einen etwas ernsteren Ton übergehend. Mai zuckte nur abweisend mit den Achseln. „Ist das nicht egal?“ Er seufzte. Dann drehte er sich um und ging unverrichteter Dinge wieder.
 

In den nächsten Tagen tauchte Chichiri immer wieder auf, doch Mai schwieg beharrlich. Sie wollte nichts sagen, denn dann würde man sie sicher für schuldig erklären. Mehrmals spielte sie mit dem Gedanken, auszubrechen, doch dann würde sie alle im Palast versammelten Seishi gegen sich gestellt sehen und hätte keine Chance auf einen Sieg.

In den Nächten, wenn sie nicht schlafen konnte auf ihrer harten Unterlage, saß sie mit angezogenen Beinen da und versuchte durch das Fenster einen Blick nach draußen zu erhaschen. Sie dachte an Yui, die jetzt irgendwo in Kutou saß und keine Ahnung hatte, was aus ihr geworden war. Hoffentlich machte sie sich keine allzu großen Sorgen. Mai dagegen musste sich immer mehr eingestehen, dass sie die Blonde vermisste, obwohl sie gerade mal ein paar Tage miteinander verbracht hatten. Vielleicht kam das auch nur, weil sie jetzt sonst niemanden hatte, aber trotzdem wäre sie gern bei Yui gewesen und hätte mit ihr über nichtige Dinge wie das Angebot bei McDonald’s oder die neuesten Soaps geredet.
 

Mehrere Nächte waren vergangen, seit Mai eingesperrt worden war. Nachdem sie ein einfaches Frühstück erhalten hatte, hatte sie vollkommen geistesabwesend dagesessen und nicht einmal über irgendetwas nachgedacht. Die Wächter draußen schienen sich zu unterhalten, und von draußen kam das leise Flötenspiel herein, das Mai in den letzten Tagen schon manchmal gehört hatte. Es beruhigte, und außerdem schien es sie mit Kraft anzufüllen. Sie wusste nicht, von wem es kam. Sie hätte Chichiri fragen können, wenn er bei ihr vorbeischaute, doch das wollte sie nicht. Er hätte nur im Gegenzug verlangt, dass sie seine Fragen beantwortete.
 

Irgendwann in der Mittagshitze hatte sie begonnen leicht zu dösen, als irgendwo in der Nähe ein lauter Aufschrei ertönte. „Stirb!!“, schrie eine Mädchenstimme. Mai kam blitzartig auf die Beine. Lautes Geschrei ertönte. „Yui-chan!!“ Diesmal war es eine andere Mädchenstimme. Mai registrierte den Namen und erkannte sofort das, was gerade wichtig war: Yui befand sich hier, nicht allzu weit entfernt.

Ein Gedanke und um ihre Hand- und Fußgelenke erschienen die Elemente. Mai stürzte sich auf die Tür, fand sie jedoch trotz der Unterstützung zu fest. Draußen stießen die Wächter Schreie aus. „Wage es ja nicht, herauszukommen, oder du bist tot!“, klang es herein. Und ein erneuter Schrei ließ sie aufhorchen. Es hörte sich an, als sei es Yui.. Sie sah keine andere Möglichkeit mehr. „Kagutsuchi!!“, stieß sie aus. Aus dem Nichts formierte sich hinter ihr die gigantische Gestalt des drachenähnlichen Wesens mit den feuerrot gleißenden Flügeln. Mit einem gewaltigen Getöse schoss es in die Luft; Holz- und Gesteinsbrocken begannen auf Mai hinabzuhageln. Sie gab ihren Elementen einen gedanklichen Befehl und erhob sich neben ihr Child, um dem zu entkommen. Kagutsuchi schoss noch weiter in die Höhe. Mai dagegen hatte entdeckt, was sie suchte. Nicht weit von ihrem Gefängnis entfernt im Garten des Palastes lag Yui am Boden. Über ihr stand Tamahome, der ein wenig ratlos wirkte, und neben ihm war Miaka. Mai sauste hinab. Hinter sich hörte sie eine laute Explosion, die vermutlich von Kagutsuchi hervorgerufen wurde, doch das interessierte sie jetzt nicht. Sie traf den unvorbereiteten Tamahome mit der Faust in den Rücken, schleuderte ihn mit einem Tritt zur Seite und landete dann bei Yui. „Yui! Alles in Ordnung?“, rief sie. Die Blonde sah auf, und sofort erhellte sich ihr Miene. „Mai! Dir geht es gut!“, stieß sie aus. Mai halft ihr auf die Beine und machte mithilfe der Elemente einen Sprung nach hinten und landete im Palastgarten. Tamahome kam gerade erst wieder hoch und Miaka eilte zu ihm.

„Warum bist du hier?“, fragte Mai. „Ich... Nakago sagte, dass Tamahome dich verletzt und gefangen genommen hätte. Ich musste dir helfen!“, sagte Yui. „Du bist allein hier!? Bist du wahnsinnig?“, fragte Mai erschrocken. „Ich musste“, sagte die Blonde und senkte den Blick. Mai sah sie erstaunt an.

„Was ist überhaupt passiert?“, hakte Yui nach. Mai hob den Kopf und erwartete, Tamahome auf sie beiden zustürmen zu sehen. Doch auf einmal änderte sich das Bild. Fünf blitzschnelle Schatten zischten geradewegs über die Palastmauer und die beiden hinweg und stellten sich den mittlerweile aus den Weiten des Palastes ankommenden Suzaku-Seishi in den Weg. Mai erkannte auf den ersten Blick Nakago mit seinem blonden Haar. Die anderen konnte sie nicht erkennen, doch es mussten die anderen Seishi sein, denn schon stürzten sich beide Parteien in den Kampf. Also waren sie Yui gefolgt. Mai sah Blitze zucken, Blut spritzen und hörte die Schreie zu sich hindringen. Und über all dem schwebte Kagutsuchi und ließ einen Feuerball nach dem anderen auf den Palast regnen. Er war vollkommen außer Kontrolle.

Erst dann wendete Mai sich an Yui, um deren Frage zu beantworten und erklärte ihr kurz und knapp, wie sie angekommen und so leichtsinnig Tamahome angegriffen hatte. „Ich bin selbst Schuld. Aber als ich Miaka so fröhlich gesehen habe, konnte ich nicht anders“, gestand sie. Yui sah sie sanft an und legte ihr die Hand an die Wange. „Wieso tust du das alles nur für mich?“, fragte sie leise. „Und wieso riskierst du so viel, nur um mich hier herauszuholen?“, entgegnete Mai. Sie sahen sich schweigend an. Worte gab es nicht.

Auf einmal ein markerschütternder Schrei. Mai riss den Kopf nach oben. Gerade rechtzeitig um zu sehen, wie Kagutsuchi in einen Feuerball gehüllt wurde, der von einem der Suzaku-Seishi auszugehen schien. „Kagutsuchi!!“, schrie sie auf. Yui klammerte sich an sie. Der große Drache schrie auf. Dann auf einmal stürzte sich jemand anderes auf ihn. Eine Gestalt mit langem, schwarzen Haar, die in den Händen ein Schwert trug. „Kagutsuchi! Nein!!“
 

Ein Streich, und das Wesen bäumte sich noch ein letztes Mal auf, bevor es in die Trümmer des Palastes stürzte, aus denen jetzt in alle Richtungen Menschen flohen. Grüne Flammen loderten für einen Moment in die Höhe, dann war von dem Child nichts mehr zu sehen. Mai starrte ungläubig an die Stelle, wo sich eben noch das Wesen befunden hatte, mit dem sie einst einen Pakt geschlossen hatte. Sie erinnerte sich noch an die Worte des Jungen Nagi. Sie müsse das Wichtigste aufs Spiel setzen in diesem Kampf, das hatte er gesagt.
 

Sie zuckte zusammen, als Yui sie leicht am Gewand zog. Sie wand sich um und stieß einen Schrei aus. Yui selbst starrte sie vollkommen entsetzt an. Sie war dabei, sich aufzulösen. Ihr ganzer Körper verlor an Farbe. Ihre Füße begannen, in grünen Flammen zu verschwinden. „Yui!!“, schrie Mai. Die Seishi, sowohl die des Suzaku als auch die des Seiryuu hatten in ihrem Kampf innegehalten, doch das bemerkte Mai nicht einmal. Sie starrte nur auf Yui, die sie traurig ansah. „Yui!!“, presste Mai noch einmal hervor, und fühlte auf einmal Tränen auf ihren Wangen. Das jüngere Mädchen lächelte schwach. Ihre Lippen formten das Wort „Lebe wohl“. Dann hatten die grünen Flammen ihren Hals erreicht. In einem letzten Flackern löste sich die Gestalt in Luft auf. Mai starrte sie an, dann fiel sie kraftlos zu Boden.
 

„YUI!!!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  JessFany
2008-09-02T20:20:28+00:00 02.09.2008 22:20
*grad fast am heuln is*
Wow...schade das es so aus geht
Ich liebe diese FF *_*
LG -AiShiho-


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