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Nur ein Spiel

von

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Fluchworte des Bösen

In aller Gemütlichkeit, völlig zufrieden und irgendwie entspannt, saß Link abends vor dem Fernsehen. Es war noch nicht zu spät und das Fernsehprogramm war eigentlich erträglich. Ein toller Film lief gerade. Eine Mischung aus Abenteuer, Action und Liebesgeschichte, der ihn irgendwie interessierte. Den Titel hatte er schon längst wieder vergessen, war ja auch unwichtig, aber es waren die einzigen Filme, die ihn einigermaßen interessierten. Einprägsame Bilder von faszinierenden Schwertkämpfen liefen vor Links Augen ab und er fieberte mit. Mit jedem Schwertstreich, mit jedem Kampfschrei, mit jedem Tropfen Schweiß, den der Kämpfer dabei hinterließ. Ja, das waren Kämpfe… das war Eleganz… und Würde…

Ein kurzer Gedanke an ein Telefonat mit seiner Mutter kam auf. Meira hatte vorhin ganz aufgelöst und hysterisch angerufen, wurde von Onkel Jonas über den sonderbaren Vorfall in der Trainingshallte unterrichtet und hatte Todesängste ausgestanden bei dem Gedanken daran, dass jemand ihrem Link-Schatz die Hände blutig geschlagen hatte. Erst nach mehreren Minuten schien Meira ihm zu glauben, dass alles okay war und hatte genauso hysterisch wieder aufgelegt. Link lachte kurz auf, es war ja schön, dass er Eltern hatte, aber konnte seine Mutter sich nicht ab und an einfach etwas gelassener verhalten? Natürlich hatte sie sich auch nach Zelda erkundigt, und auch da hatte Link gelogen… Er hatte behauptet, dass es ihr wunderbar ging, aber das war nicht richtig… das würde es vielleicht nie sein…

Zelda hatte sich schon vor Beginn des Filmes schlafen gelegt, war auffällig müde heute gewesen und er wusste, dass sie Erholung brauchte, erst recht in ihrer scheinbar ausweglosen Situation. Wie mochte man sich fühlen, wenn alles, was selbstverständlich war, wenn alles, was man liebte, alles, was Beständigkeit gab, schattenhafte Bilder in den Gedanken waren und die Erinnerungen fehlten? Er wollte verstehen, wie es ihr ging, aber auch sie wusste, dass er es einfach nicht konnte.
 

Grübelnd hockte Link im Schneidersitz auf dem Sofa, wollte eigentlich ein bisschen abschalten und den Film schauen, aber der Gedanke an Zelda ließ ihn unruhig werden, der Gedanke an sie machte ihn halb wahnsinnig… Er machte sich Sorgen um sie, um das Wesen, das in ihrem zerbrechlichen Körper steckte, um diese sanfte, wunderschöne Seele, die es nicht verdient hatte zu leiden. Zelda…

Kaum dachte er an sie, konnte er nicht anders und lief in das obere Stockwerk, öffnete leise die Tür des Gästezimmers und schlich hinein. Die Schreibtischlampe brannte noch, schickte einen besinnlichen Schein in den Raum und zog als erstes Links Aufmerksamkeit auf sich. Langsam lief er hinüber und sah einige Zettel darauf verstreut. Papier mit einer wunderschönen, sehr eleganten Handschrift mit vielen Bogen und einer faszinierenden Eigenheit. Diese Schrift gehörte sicherlich nicht in die gewöhnliche Menschenwelt… Link drehte sich um und sah seinen Gast ein Kissen umarmend in dem Bett liegen. Ihre einzigartige Schönheit ergriff Besitz von seinen Augen. Und er konnte sich kaum dagegen wehren… Sie war ein wunderschöner Mensch, nicht nur ihre Schönheit, nicht nur ihr Äußeres… Ein sanftes Lächeln umspielte Links Lippen und der verträumte Ausdruck in seinem Blick kehrte zurück, nahm seinen Eigentümer gefangen. Er lief langsam hinüber zu dem zerwühlten Bett und blieb nur wenige Zentimeter vor Zeldas schlafendem Körper stehen. Zelda schlief ganz ruhig, friedlich und zufrieden. Link beugte sich über sie und streichelte ihre Wangen und strich einige honigblonde Haarsträhnen aus dem Gesicht. Wie bildhübsch sie doch war. Warum nur trachtete man ihr nach dem Leben? Langsam ging er wieder zu dem Schreibtisch, um dort das Licht auszuschalten, als sein Blick aber noch einmal auf diese wunderbare Handschrift fiel. Ob er das Recht besaß, diese Sätze zu lesen? Seine Neugier siegte und Link setzte sich einige Minuten auf einen Stuhl vor dem Tisch. Es war schwierig ihre Handschrift zu entziffern, aber nach einigen Minuten lasen sich die Zeilen dann von ganz alleine, vielleicht wusste Link um diese Handschrift, ohne es zu verstehen.
 

„Sehend wandelte ich in der Dunkelheit, der Erbarmungslosigkeit von tausend Nächten und doch sah ich nicht, was ich sehen sollte. Mir selbst entrinnend, schweigen sogar die Gedanken, die mir übermittelt, die mir gegeben, da ich wissen sollte. Und irgendwo, am Rande jeglicher Gesetzmäßigkeit verfiel ich der Schuld, die ich doch trage. Dunkelheit, Finsternis, gemischt mit dem Gestank giervoller Dämonenseelen, verhext von eisigen Händen, die sterbliches und ewiges Leben stahlen, beschmutzt von blutendem Schein, dort wandelte ich… Trockenes Gras unter meinen Füßen, philisterhaft und kalt, reißt an der Haut meiner Füße, schlitzt an meiner Selbst, da jenes Gras leben sollte. Die Dunkelheit entriss es ihm, entriss ihm den Saft des Lebens. Ein Bild dieser weiten Wiesen, als jene farbigen Bänder Leben in sich trugen, als Kinder über die alten Wiesen tobten, als Schlachten auf jenen weiten Grasflächen geschlagen wurden, rüttelte in meiner Seele. Wunden trägt diese Landschaft jetzt, die nie wieder heilen werden.

Mörderischer Wind wehte mir ins Gesicht, schrie mich an, ich sollte kämpfen, flehte mich an, meine Pflicht zu tun, die ich nicht tun konnte, da ich versteckte, was mein Gesicht sagen wollte. Meine Pflicht… ich besaß diese Pflicht… Ich bin mir selbst so fremd, erkenne den untrüglichen Sinn nicht, verfremde mich mit jeder schweigenden Sekunde, die mein wahres Ich gefangen ist in der Schuld, weggelaufen zu sein. Mein Blick, der doch nicht der meinige ist, da er versteckt, in den Augen gefangen hält, was ein Fluch ist…

Etwas zwang mich niederzuknien, atemlos, erschöpft, sank ich auf meine Knie und berührte das verstaubte, leblose Gras auf jenen einst so blühenden Hügeln und doch ist da nichts in mir. Ich fühlte eine Träne über meiner Wange. Mehrere Tränen fielen hinab und wurden vom rissigen, toten Erdboden aufgesaugt. Das winzige Leben eines empfindenden Wassertropfens erlosch angesichts der Grausamkeit jener Finsternis und nur ich… fand die Schuld. Erstarrtes Blut am Horizont, schrecklicher Tod und Verzweiflung ohne Namen beherbergen diese Welt in meinen Träumen und dennoch sehe ich nicht… ich fühle nicht… und ich lebe nicht…“
 

Entsetzt legte Link den Zettel beiseite und drehte sich zu dem schlafendem Mädchen in dem riesigen Ehebett um. Er fühlte eine beißende Traurigkeit in sich zunehmen, fühlte einen gemeinen inneren Druck und Angst um dieses Geschöpf. Ihre Träume… sie schienen noch grausamer zu sein, als seine eigenen und die Art und Weise, wie sie beschrieb, was sie empfunden hatte, was sie verstehen wollte, weckte nicht nur Mitgefühl in Link, sondern das Gefühl, ihr diese Träume abzunehmen. Link löschte das Licht und ging wieder aus dem Zimmer und legte sich jetzt ebenfalls schlafen. Mit einem letzten Gedanken an Zelda schlief er ein, hoffend, dass sie in Zukunft nichts so Schreckliches mehr ertragen musste, dass alles gut werden würde.
 

Zufrieden und laut gähnend wachte das blonde Mädchen in dem Gästezimmer aus ihren Träumen. Sie umarmte verträumt ein Kissen und rieb sich dann den trockenen Sand aus den Augen. Der Traum dieser Nacht schwirrte noch durch ihren Kopf, ehe sie sich darauf besann, wo sie war, was die letzten Tage geschehen war. Sie hatte von Link geträumt, und es war ein angenehmer Traum gewesen… Ein Traum, den sie aber lieber verdrängte. Denn es ergab keinen Sinn, jene Träume waren so real, aber auch keineswegs in diese moderne Welt zu verpacken, dass es sie teilweise ängstigte, aber auch faszinierte. Sie hatte geträumt, sie würde sich gemeinsam mit ihm über eine riesige, wunderschöne und so ungeheuer lebendige, weite Landschaft von zwei starken, muskulösen Pferden tragen lassen. Eine Landschaft, die ihr Herz zum Beben brachte. Denn alles dort lebte, pulsierte, und atmete… Sattgrüne Gräser, die verspielt im Wind wippten… gleißende Sonnenstrahlen, die das Leben in jenem Land verzauberten und ihr ein Gefühl von ewigwährendem Frieden schenken konnten… und dieses Tal vor den größten Bergen, die sie je gesehen hatte… märchenhaft…

Vielleicht, so schlussfolgerte sie, träumte sie von ihm, weil Link sich ihr gegenüber so vertraut verhielt, vielleicht aber auch nur, weil sie ihn irgendwie… toll fand. Sie öffnete ihre kristallblauen Augen vollständig und tat den Gedanken an Links Charme, sein unverbesserliches Grinsen und die hypnotisierenden tiefblauen Augen ab, als sie merkte, dass sie angesichts des Gedanken verlegen wurde. Sie streckte sich und tapste in dem dunkelroten Pyjama barfuß die Treppen hinab. Die Sonne ging gerade erst auf, was bedeutete, dass Link sicherlich noch schlief. Zerstreut trat die hübsche Dame vor die Haustür, fühlte Kühle und Frische, als der morgendliche Wind ihr entgegenschlug. Ihr blondes, ungekämmtes Haar wehte in alle Richtungen.

Ein jugendlicher Fahrradfahrer kam vorbei und starrte die Jugendliche eine Weile an, verpasste eine Abbiegung, als er ihr hinterher blickte und flog kurzum von dem Fahrrad, als er über eine Kante raste. Mit rotem Kopf stand er auf und schien zu grübeln, was jene Lady in dem Hause Links tat. Anscheinend wusste er, wer hier wohnte. Er nahm das verbeulte Fahrrad und schob es fluchend die Straße hinab.

Zelda lächelte entzückt, fühlte sich mit jeder Minute, befreiter, zufriedener und einfach nur in der Stimmung lauthals loszulachen… Dann nahm sie endlich die Morgenzeitung aus dem Briefkasten und marschierte zurück in das Haus. Sie deckte den Tisch mit Tellern, Teetassen und Besteck und räumte die Spülmaschine aus. Manche Dinge wusste sie nirgendwo einzuordnen, aber das war sicherlich nicht so schlimm…
 

Als sie nichts mehr mit sich anzufangen wusste, hüpfte sie lächelnd in Links Zimmer. Doch der Gute lag ausgebreitet auf seinem Bett, hatte die gesamte Federdecke meterweit von sich weggeschoben und schwelgte noch in seinen Träumen.

Nur begleitet in einer dunkelgrünen Schlafanzughose fühlte sich Zelda vielleicht sogar ein wenig unpässlich, ihn hier einfach so… ohne sein Wissen… zu beobachten. Ein komischer Laut entkam dann seiner Kehle und Zelda dachte schon, er würde aufwachen. Zumindest hoffte sie es, weil sich dann ihre Langweile legen würde. Während sie ihm zusah, als er träumte, tief einatmete, war da wieder das Gefühl, der angenehme Gedanke, ihn ein Leben lang zu kennen. Es war irgendwie alles an ihm… nicht nur das Aussehen, sondern eher sein Charakter, dieser Edelmut, dieser beinahe hitzköpfige Mut.

„Und so kenne ich dich doch…“, flüsterte sie. Und sie hatte einmal mehr das Bedürfnis durch die goldblonden Haarsträhnen zu streichen, die an seiner Stirn hinab fielen. „… wir kennen uns doch…“, sagte sie sanft. Grinsend hüpfte sie dann wieder aus dem Raum und platzierte sich vor dem Fernseher.
 

Stunden später. Zelda machte gymnastische Übungen, die aus der Sicht eines Beobachters sehr seltsam anmuteten, als ob man ihr einst kämpfen beibrachte, während Saras irische Musik durch das Wohnzimmer dröhnte. Sie spürte es… Kampfeslust… mit jeder Bewegung, die das Blut schneller durch ihren Körper pumpte.

In dem Augenblick wurde die Hi-Fi- Anlage in der Stube ausgeschaltet und Link stand gaffend in seiner Schlafanzughose daneben. „Wow. Du bist eine Kämpferin“, sagte er und schien noch beeindruckter von ihr als jemals zuvor.

Zelda grinste verräterisch: „Und du bist ein Kämpfer“, meinte sie und hatte plötzlich irgendwie das Bedürfnis in Links Arme zu stürmen. Warum, wusste sie nicht. Es war nur so ein Gefühl, als ob er ein Freund wäre, den sie Jahrzehnte nicht gesehen hatte und gerade dieser Freund wieder vor ihr stand. Nur ein Gefühl aus der Vergangenheit… ein Gedanke an etwas, was sie irgendwann lernen sollte, zu vergessen. „Lass’ uns doch frühstücken“, meinte sie und lächelte ihm tiefsinnig entgegen.

Aber noch ehe sie in die Küche hasten konnte, packte Link sie zaghaft am Handgelenk. Er schenkte ihr ein Grinsen und murmelte dann leicht scheu: „Ich bin so froh, dass du hier bist.“ Am liebsten hätte er sie im Augenblick an sich gezogen, aber welchen Grund gab es dafür? Warum fühlte er diese unglaubliche Zusammengehörigkeit Zelda gegenüber…

„Ist wieder alles okay… nach gestern… ich meine in unserer Freundschaft…“, murmelte er leise.

Sie nickte, würde ihm wohl jede noch so grobe Tat verzeihen, und konnte irgendwie nicht anders, als sich auf ihre Zehenspitzen zu stellen und ihm einen kleinen Kuss auf seine Wange zu drücken. Als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre und sie dies ihr Leben lang getan hatte. „Es ist alles okay… Danke“, murmelte sie und lief in die Küche, wo Kräutertee duftete.

Link aber stand mit vor Schreck aufgerissenen Augen noch in der Stube und rührte sich nicht. Zaghaft berührte er die Stelle, an welcher Zelda ihn küsste und hatte das Gefühl seine Beine wollten nachgeben. Grinsend tapste er in die Küche und setzte sich einer strahlenden Zelda gegenüber. Er wusste nicht, was er sagen sollte und grübelte nach einem Gesprächsthema, während sie die Tassen mit Tee füllte. „Ich wünsche mir, du würdest für immer hier bleiben“, sagte er dann und schaute auf den leeren Teller vor seiner Nase.

„Ich wünschte, ich könnte es“, entgegnete sie leise und dachte heimlich an den Preis, den sie dafür zahlen müsste. Ein mögliches Leben ohne Erinnerungen. Aber waren ihre Erinnerungen, die sie allmählich fühlte, es denn überhaupt wert, erinnert zu werden? Da war Grausamkeit in der Vergangenheit… Hass… Pflichten, die sie zu einem kalten Menschen werden ließen… All das fühlte sie, fürchtete sie mit einem Blick in den Spiegel und mit den Bildern in ihren Träumen.

„Hast du Alpträume?“, murmelte Link und scheute weiter ihren Blick.

Sie stand auf und wich ihm aus. „Ich…“, fing sie an, hatte nun die gute Laune von vorhin verloren. „… bin nicht mehr hungrig. Mach’ du doch schon mal Frühstück… ich gehe nur kurz… ins Gästezimmer.“

Link spürte irgendwie, wie anstrengend es für sie sein musste, sich herauszureden und gleichzeitig bereute er seine Neugierde. Auch wenn sie nun Freunde waren, er konnte nicht einfach ihre tiefsten Geheimnisse ausfindig machen…

Damit verschwand sie trübsinnig im ersten Stockwerk.
 

Link krallte sich derweil die Morgenzeitung und glaubte dabei, aus allen Wolken zu fallen. ,Schülerin der Oberstufe bedroht unschuldige Menschen aufgrund Eifersuchtsattacke.’ Ach du Schreck, Maron. Links blaue Augen kullerten beinah aus den Höhlen. Entsetzt las er den Titel erneut. Tatsächlich… ,Maron wird nun beschuldigt, die Menschen in der Halle in Gefahr gebracht zu haben‘, dachte Link und fühlte Bitternis allein bei dem Gedanken an den monströsen Schatten von gestern… so viel Kälte… so viel Hass. Ob er nun wollte, oder nicht, er musste mit Zelda darüber reden. Auch wenn es sie noch trübsinniger machen sollte, als seine Frage nach ihren Alpträumen. Sicherlich tat es ihm leid, und sogar ein wenig weh, in der Herzgegend, dass er sie damit belasten musste. Aber Zelda war schließlich in diese Sache verwickelt und sie hatte genauso wie er erfahren, was es hieß, Unglaubliches zu erleben. Er hatte keine Wahl als mit ihr darüber zu reden und vielleicht half es ihr, damit fertig zu werden. ,Aber vorher‘, so dachte Link, könnte er sich in aller Ruhe seine kühle Morgendusche gönnen. Nach dem Frühstück huschte er dann ins Bad, vergaß nur blöderweise die Tür abzuschließen…
 

Mit melancholischem Blick stand das blonde Mädchen in dem Gästezimmer, als sich vor ihrem Geiste das Mobiliar veränderte. Teure, aus dunklem Holz bestehende Schränke mit Verzierungen gaben sich ihr preis. Der Teppichboden verschwand und wandelte sich in weißen Marmorboden. Das Ehebett wich einem mit Seide bedeckten Himmelbett und überhaupt platzte der ursprünglich kleine Raum auseinander, wurde größer und mehr und mehr Licht fiel hinein in das Gemach aus alten Zeiten…

,Das war ist nicht mehr…’, dachte sie still und verscheuchte dieses erinnernde Bild aus ihrem Gedächtnis. Sie wollte es nicht wissen, wehrte sich gegen ihre Vergangenheit, gegen Bilder des Leides…

Sie rieb sich über die Stirn und hatte dann ebenso das Bedürfnis, ins Bad zu gehen, zu entspannen, um sich von ihren quälenden Visionen abzulenken… Galant folgte sie den Treppenstufen, dachte, Link wäre noch mit seinem Frühstück beschäftigt und so öffnete sie gedankenlos die Badetür, bemerkt zunächst nicht den in der Dusche stehenden, nackten jungen Mann, der gerade das Duschgel von einer Schale nahm. Auch er bemerkte sie nicht, dank des ungünstigen Winkels, in welcher die Dusche angebracht war.

Das erste, was das blonde Mädchen tat, war sich die geschenkten Ohrstecker herauszumachen und diese behutsam auf einen kleinen Badeschrank zu legen. Plötzlich hörte sie das Geplätscher des Wassers aus der Dusche und wand sich entsetzt um. Sie sah nicht alles durch die leicht milchig glasigen Scheiben und doch sah sie genug, um es als die attraktive Rückenansicht eines jungen Mannes zu erkennen.

Wie ein geölter Blitz hetzte Zelda aus dem Bad, und schloss die Tür so leise wie möglich. Mit roten Wangenbäckchen lehnte sie sich gegen jene Tür und kam nicht umher zu denken: ,Nicht einmal schlecht…’ Sie räusperte sich und berief sich wieder auf ihre guten Manieren. Wenige Sekunden später, hörte sie das Wasser nicht mehr plätschern und sie klopfte an die Tür, weil sie ja selbst Lust auf ein Bad hatte.

„Ja?“, und Link trat mit Jeans, aber freiem Oberkörper heraus.

„Ich wollte bloß wissen, wie es deiner Wunde geht und ob du noch lange brauchst.“ Ihr Blick schweifte zu dem teilweise vernarbten Bauch.

„Ich probiere es heute mal ohne Verband. Die Dinger nerven…“, sagte er belustigt und tapste zu dem Waschbecken, um sich dort seine grüne Zahnbürste zu krallen und sich die Zähne zu putzen. „Ich bin gleich fertig, dann kannst du das Bad ganz für dich alleine haben. Von mir aus, auch den ganzen Tag“, sagte er erheitert und hoffte, er könnte damit das Eis tauen, um zu ihr durchzudringen.

Sie bejahte lediglich und wühlte in ihrem blonden, langen Haar herum.

Während die Zahnbürste in Links Mund stak, kam er nicht umher, erneut Zeldas langes, blondes Haar zu bewundern. ,Sie musste das längste Haar in dieser Kleinstadt besitzen‘, dachte er. Sie steckte die goldenen Strähnen mit einigen Spangen in die Höhe, bis sich eine dieser Spangen löste, sie dies aber nicht sofort bemerkte.

Link, der mit dem Zähneputzen endete, trat nah an sie heran und nahm die wenigen Strähnen in seine Hände, die noch lose über ihren Rücken fielen.

Zelda spürte sehr wohl und deutlich seine Nähe, aber empfand nicht den Drang, sich sofort umdrehen zu müssen.
 

„Dein Haar…“, murmelte er leise. „… hast du noch eine Spange?“

„Ja“, meinte sie, noch gedämpfter redend als er. Sie reichte ihm eine Schachtel mit den Spangen, worauf Link dann wie in Trance die letzten Strähnen ihres honigblonden Haares hochsteckte. Dann umfasste er sachte ihre Oberarme und setzte flüsternd hinzu, als ob sie sich beide für ihre Taten schämten: „Möchtest du mit mir reden?“

Sie drehte sich zu ihm und lehnte sich an die geflieste Wand. Link stützte daraufhin seine Hände neben ihrem hübschen Kopf an den glänzenden Fliesen ab. „Zelda?“ Seine Stimme, warm, voller Anteilnahme.

„Ich bin dir so dankbar… für alles…“, meinte sie und murmelte in sein Ohr: „Aber ich kann nicht reden, wenn mir die Wahrheit dies untersagen würde… verzeih’ mir.“

Irritiert schluckte Link den Knoten in seinem Hals herunter und trat dann seufzend aus dem Bad, hörte noch, wie das Schloss knackte, und verschwand nachdenklich in der Küche, um weiterhin die Morgenzeitung zu studieren.
 

Wenige Minuten später riss ein lauter Schlag den jungen Mann aus seiner Lektüre. Verwundert sah er auf und deutete das Geräusch als von dem Badezimmer stammend. Besorgt hetzte er auf, sprintete zu dem Badezimmer und klopfte aufgeregt dagegen. „Zelda?“, rief er. „Alles in Ordnung?“ Aber keine Antwort kam, was Link noch mehr beunruhigte als bisher. Er klopfte noch einmal, brüllte nun fast den Namen seines Gastes, aber wiederum kein Laut aus dem Raum. Die Geduld verlierend rüttelte er am Schloss, aber nichts tat sich. Sofort kam ihm der Gedanke, Zelda könnte zusammengebrochen sein, wie vor letztens in der Küche… Hastig rannte er aus der Haustür und blickte von außen in das Fenster des Bades. Aber er konnte nur spärlich etwas erkennen, weil seine Vorhänge- über- alles- liebende Mutter das Badefenster mit weißem Gardinenstoff zugekleistert hatte.

Was nun? Scheibe einschlagen? Link schüttelte den Kopf, obwohl…

Eine neue Idee entbrannte seinem klugen Kopf. In wenigen Sekunden beraubte ein aufgeregter Link den Werkzeugkasten aus Vaters geheiligtem Altar mit den verschiedensten Werkzeugen. Keine Ahnung von Schlössern knackte der junge Kerl dann das Schloss im Badezimmer. Ohne Zeit zu verlieren trat Link ein und hatte Recht mit seiner Vermutung. Zelda lag bewusstlos, nur spärlich mit einem Badetuch bedeckt vor der Dusche.

„Zelda?“, kreischte er und rüttelte sie sanft, bemerkte eine große Schramme an ihrem linken Arm, die von der Kante in der Dusche stammen musste. Aber an ihrem Hinterkopf konnte er keine Verletzung erkennen. Er trug sie langsam aus dem Badezimmer und tapste hinauf in das Gästezimmer.

Kurz vor der Tür in jenen Raum, stöhnte sie auf seinen Armen auf und blinzelte. „Link“, war alles, was sie flüsterte und der Angesprochene wusste nicht mit Sicherheit, ob sie vielleicht nur in ihrer Ohnmacht redete…

Sachte ließ er ihren bewusstlosen Körper auf dem Bett nieder und bedeckte sie mit einer Decke. Er beugte sich besorgt über sie und sagte eindringlich ihren Namen, wusste doch, dass sie auf ihn hören würde. Sie blinzelte wieder und hatte etwas in ihren Augen, was einem Tränenmeer glich. Trübsinnigkeit. Schuldgefühle.

Ohne ein Wort zusagen, wand sie ihr Gesicht von Link ab und sah hinaus aus dem Fenster.

„Bist du okay?“, meinte er schwach und setzte sich auf die Bettkante. Anhand ihrem Kopfnicken konnte Link erkennen, dass es ihr zwar gut ging, aber angesichts ihrer Distanz vermutete er, dass sie sich mehr als gebrandmarkt und kleinlich fühlte, erneut zusammengebrochen zu sein.

„Was ist mit dir passiert?“, sagte er leise.

Aber Zelda schwieg.

„Zelda.“ Wieder entkam dieser Name seinem Mund, nun warnend. Ein Name, um den sie nie gebeten hatte. Aber es war ihrer… so sicher war sie sich nun. Zelda… war ihr Name.

„Es gibt keinen Grund für dich, dich beschämt zu fühlen.“ ,Vielleicht war es das‘, dachte Link. Dachte sie vielleicht, und das unnötigerweise, er hätte mehr von ihr gesehen, als er durfte, oder als es ihr lieb war?

„Das ist es nicht“, antwortete sie auf seine Gedanken.

„Aber du nimmst an, ich würde dich vielleicht für schwach halten, bloß weil du zusammengesunken bist.“ Sie nickte und schüttelte gleich wieder den Kopf.

„Ach, Zelda…“, sagte er lediglich und huschte um das Bett herum, sodass er endlich einen Blick aus diesen mit Schatten belegten blauen Augen erhalten konnte. Es war nicht nur Trübsinnigkeit in ihrem Blick, sondern Verzweiflung.

„Was ist los?“, sagte er neugierig. Denn er wollte einfach wissen, was mit ihr nicht stimmte.

„Ich werde mich erinnern“, begann sie leise und richtete sich mit dem Badetuch über ihrer Brust auf. „Und mit jedem Anflug beginnt sich die ganze Realität für mich in Frage zu stellen.“ Sie schloss die Augen und flüsterte weiter: „Es tut weh… jedes Bild in mir, vor mir… es schmerzt…“

Eine Pause entstand und Link wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Schweigend sah er zu Boden.

„Lass’ mich bitte allein…“, meinte sie und Link verschwand traurig aus dem Gästezimmer.
 

Mit der Morgenzeitung in der Hand saß Link auf der Couch, las, aber verstand kein Wort. Andauernd musste er an Zelda denken. Es tat ihm irgendwie… selber weh, dass ihre Erinnerungen sie in gewisser Weise folterten.

Als er aufsah, stand Zelda begleitet mit Jeans und mit einer Stoffjacke in der Tür. Sie blickte traurig zu Boden und Link wurde das Gefühl nicht los, dass ihre Aufbruchsstimmung mehr im Sinn hatte, als einfach nur das Ziel eines Ausflugs. Entschieden sah sie auf. Ein Blick des Abschieds auf dem schönen Gesicht.

Erschrocken hetzte Link näher und wollte ihr Abschiedslächeln nicht begreifen. „Du willst doch nicht…“

„Doch“, sagte sie und biss sich auf die Lippe. „Hättest du eine Tasche für mich, damit ich meine Sachen dort hineinpacken kann.“ Sie sprach zittrig und unsicher weiter.

„Nein“, sagte er laut. „Du gehst nirgendwohin.“ Sein Tonfall harsch und uneinsichtig.

„Aber ich bringe dich in Gefahr, Link“, sagte sie halb wimmernd und halb bemüht stark zu sein.

„Nein, du bringst gerade nur einen einzigen Menschen in Gefahr. Dich selbst. Ich kann nicht zulassen, dass du gehst.“ Eine Pause entstand. „Ich will nicht, dass du gehst“, sagte er und trat noch einen Schritt näher.

„Das ist nicht deine Entscheidung.“

„Aber ich könnte deine Entscheidung anfechten und dich überzeugen.“

„Link, bitte… ich muss… gehen…“

„Ich kann doch in deinen Augen sehen, dass du Angst davor hast, zu gehen.“ Er hob ihr Kinn in seine Richtung. „Genau dort…“ und er musterte trübsinnig das schöne Blau. „… dort steht Angst… vor der Erinnerung, vor der Welt, die dir fremd ist. Ich kann dich nicht gehen lassen, dich deinem Schicksal überlassen, dich alleine lassen.“ Zeldas verkrampfte Hände lösten die angespannten Fäuste.

Sie blickte beschämt weg, worauf Link einfach nicht anders konnte, als sie an sich zu drücken. „Es ist okay, Zelda.“

Er streichelte mit einer Hand ihren Rücken. „Du bist nicht allein… und du musst das, was auf dich wartet nicht alleine bewältigen. Bitte bleib’.“

Sie schloss die Augen und fühlte sich sicher, beschützt. Ihr war zum Weinen zumute und gleichzeitig zum Lachen, weil Link hier war. Dann strich er ihr über den blonden Schopf und meinte aufheiternd: „Nebenbei… wer sollte mich denn wieder zurück auf den Boden der Tatsachen bringen, wenn ich unvernünftig handle, wenn nicht du…“ Sie entgegnete nichts und ließ ihre Hände auf seine Brust wandern. „Wer sollte mir meine eigenen Sorgen ausreden, wenn nicht du…“ Es war plötzlich so einfach für Link, ihr diese Dinge zu sagen. Lag es an ihrer körperlichen Nähe oder mehr an der Verzweiflung, die sie überfordert hatte? „Und wer sollte mich so unzurechnungsfähig machen, wenn nicht du… ich brauche dich.“ Damit atmete Zelda tief aus und hätte am liebsten Tränen geweint dank seiner wärmenden Worte.

Er nahm ihr hübsches Gesicht in beide Hände und murmelte: „Lächle, Zelda. Bitte lächle.“ Sie löste sich aus der Umarmung und nickte nur, blickte auf und versuchte es mit einem Lächeln, obwohl sie im Augenblick lieber geweint hätte. Tränen angesichts dieser gutherzigen Dummheit, die Link zeigte. Tränen angesichts ihres bemitleidenswerten Schicksals, welches ihr mit jedem Tag zugänglicher wurde.

Sie rieb sich die Schläfen und meinte leise: „Entschuldige… ich bin irgendwie nicht ich selbst.“

„Doch… das bist du und wahrscheinlich ist genau das… das Problem“, meinte er vorsichtig. „Du musst dich vor mir nicht verstecken, Zelda“, sagte Link und grübelte dann nach Möglichkeiten sie irgendwie abzulenken. Er wusste irgendwoher ganz genau, was mit ihr los war, warum sie so traurig war, weshalb ihr zum Weinen war. Ihre Erinnerungen erzählten mehr, als es gut für sie beide war.

Link lief schnell in den Korridor und krallte sich seine eigene Jacke. Er tat nichts anderes als zu grinsen und nahm Zeldas Hand fest in seine. „Komm’ mit mir. Du brauchst Abwechslung.“ Als er die Haustür zufallen ließ, bemerkte er noch aufheiternd: „Ein was gutes hatte deine Aufbruchsstimmung, Zelda.“

Verdutzt blickte sie auf.

„Du hattest deine Jacke schon an und du hast mich auf eine Idee gebracht.“
 

Link durchquerte mit ihr die Altstadt Schicksalshort, und erklärte ihr ab und an wie ein Reiseführer einige Dinge, wie ein altes Märchen, welches man sich in Schicksalshort gerne erzählte. Es hieß, dass vor einer Ewigkeit jemand hier eine Pforte in eine Märchenwelt gefunden und diese betreten hatte. Als er wiederkam, brachte er eine Handvoll Magie mit, worauf alle Bewohner des kleinen Dorfes von da an, ihr Schicksal im Glücklichsein fanden. Und je länger Link sich darum bemühte Zelda aufzuheitern, umso leichter fühlte sich die Bürde an, die sie allmählich erinnerte. Eine Bürde getragen von ihnen beiden…

Als sie in dem Stadtzentrum einige Geschäfte abklapperten, fand Zelda allmählich ihr Lächeln wieder. Und Link hätte wohl alles dafür getan, sie wieder auf diese Weise lächeln zu sehen. Ihr nächstes Ziel war das neuerrichtete Antiquitätenzentrum. Sie begaben sich ins Innere und bewunderten die alten Kunstschätze, die hier ausgestellt waren. Sie folgten einem langen Gang und mussten Acht geben von den Menschenmassen nicht zertrampelt zu werden. An den Wänden hingen zahlreiche ältere Gemälde, sicherlich aus der Zeit der Romantik, denn auf ihnen waren oftmals Landschaften zu sehen. Sie liefen weiter und kamen jetzt in ein Abteil mit alten Vasen, Urnen, Schränken, reichlich verzierten Tischen, wunderschönen Himmelbetten und weiteren Kostbarkeiten.

In einer Ecke stand eine Person, die Link und Zelda beide bereits kennen gelernt hatten: Naranda Leader. Sie unterhielt sich mit einigen Kunden. Ihre feuerroten Haare hatte sie zu einem eleganten Zopf verbunden. Sie trug goldenen Schmuck, der ihren weißen Anzug abrundete. Als sie Link und Zelda ins Auge fasste, entschuldigte sie sich bei ihren Kunden und lief schnurstracks auf die beiden zu. „Na ihr zwei? Wusste doch, dass ihr mal vorbeischaut.“

Link begegnete ihr mit einem misstrauischen Blick, den sie sofort bemerkte. Natürlich war er misstrauisch bei all den Dingen der letzten Woche.

Die Lady allerdings blieb gelassen und setzte hinzu. „Ich nehme an, du heißt Link und ihr…“ Sie blickte fast ehrfürchtig in Zeldas Antlitz. „… Ihr müsst Zelda sein, nicht wahr?“ Vorsorglich trat Link vor seinen Gast, hatte fast das Gefühl, er müsse sie bei jeder Gelegenheit beschützen…

„Jetzt guck’ nicht so entsetzt, Link. Und sei nicht so angespannt“, sprach die Lady in ihrem merkwürdigen Akzent.

„Soll ich nicht verwundert sein, dass Sie von irgendwoher unsere Namen kennen?“, meinte er Ruhe suchend. Vor allem nach dieser Woche war sein Misstrauen mehr als berechtigt…

Die Lady grinste unverschämt. „Du wirst später schon noch herausfinden, wie ich das wissen konnte. Aber im Augenblick solltet ihr beide euch lieber um ein anderes Thema kümmern. Jetzt muss erst einmal diesem Mädchen, wie war gleich ihr Name, Maron, geholfen werden.“ Link trat etwas einschüchternd näher, er war immer noch skeptisch, was die Absichten dieser Naranda Leader anging.

„Ich habe einige Freunde bei der Polizei. Ich habe sie bereits verständigt und die ein oder andere Sache bereinigt. Man überarbeitet den Fall gerade.“

„Was meinen Sie mit ,die ein oder andere Sache bereinigt‘?“, meinte Link sachlich.

Darauf lachte die Lady kurz auf, stemmte ihre Hände in die prallen Hüften und strich sich durch ihr langes, feuerrotes Haar. Sie grinste unverbesserlich, zog den ahnungslosen, eigentlich sehr scheuen Link an seinem Kragen näher und hauchte an sein Ohr: „Von welcher Sache könnte ich wohl sprechen, wenn niemand weiter als du an der Geschichte beteiligt war… und niemand sonst etwas gesehen hat, das doch nicht real sein kann.“

Überrascht und rot um die Nase wich Link zurück und wurde das Gefühl nicht los, dass diese Naranda Leader mit ihm flirten wollte. Er blinzelte, schaute sich im Geschäft kurz um und redete sehr leise. „Sie wissen, dass ein Schatten aus ihrem Körper gekrochen kam. Woher?“

„Ich bin eine gute Beobachterin“, meinte sie geheimnistuerisch.

„Aber, das war schließlich ein Monster. Das ist doch…“

Doch die Dame unterbrach ihn streng: „… Verrückt? Vielleicht. Aber würdest du denn in Frage stellen, was du selbst gesehen hast?“ Link schüttelte den Kopf.

„Du wolltest sicherlich eine andere Erklärung, die kann ich dir aber nicht geben.“

„Können Sie mir dann wenigstens sagen, weshalb, aus welchem Grund dieses Scheusal uns verfolgt?“

Naranda holte tief Luft und sah sich dann um. Sowohl Link, als auch Zelda spürten, dass sie damit nicht herausrücken wollte. „Ich kann euch beiden nicht mehr sagen als einfach, dass ihr gut aufeinander aufpassen solltet…“

„Das ist alles?“, murrte Link und fuhr sich durch sein goldblondes Haar. „Erst machen Sie mir Hoffnung, benehmen sich unheimlich wissend, als könnten Sie mir irgendetwas zu der Geschichte sagen und dann fällt Ihnen kein besserer Satz ein, um diese Diskussion zu beenden?“ Seine tiefblauen Augen loderten mit Neugier und ein Funken darin verriet, dass Link die Lady mit dem feuerroten Haar schon lange durchschaut hatte.

„Ich kann euch nicht mehr sagen…“, erklärte sie anteilnehmend und lächelte Zelda aufmunternd entgegen.

„Na gut. Es hätte mich auch gewundert, wenn wir plötzlich irgendwelche Antworten bekämen… Ich würde meinen, wir verschwinden wieder und besuchen mal Maron, okay?“ Damit wand sich Link an seinen Schützling. Als er Zelda ins Gesicht sah, nickte sie zwar, hatte aber immer noch diesen schwermütigen Funken in ihren schönen Augen. Link hätte in diesem Augenblick so ziemlich alles getan, um sie wieder zum Lächeln zu bringen, aber er fühlte und wusste doch, dass es nichts gab, weshalb sie gerade jetzt unbeschwert lächeln sollte. Da waren dringende Fragen, Gefahren und die Vergangenheit Zeldas, die sie verabscheute. Und nichts davon konnte er mit einem aufmunternden Wort wegwischen oder in Frage stellen. Link ging mit ihr aus der Halle, nachdem sie sich von Naranda Leader verabschiedet hatten.
 

Als sie den sattgrünen, sauberen Park durchquerten, war die Stimmung zwischen ihnen noch immer nicht berauschend. Sie grübelten beide über die letzte Woche nach, hatten irrsinnige Gedanken an etwas Absurdes, das sie kaum verstehen konnten. Link hatte mehrfach versucht seinen Gast in ein Gespräch zu verwickeln, aber sie antwortete teilnahmslos, hing ihren schwermütigen Gedanken nach und sprach sehr wenig. Und es war dann, als Zelda ihre bruchstückhaften Erinnerungen überflog, dass Link ein wenig missmutig wurde. „Erde an Zelda…“, sprach er, blieb stehen und schaute sich nach ihr um. Sie lief ein wenig hinter ihm und Link kam es so vor, als würden ihre Schritte immer langsamer werden. Sie träumte…

„Zelda.“ Link blieb stehen und blickte in den Park, mit seinen sauberen, grünen Wiesen, wohlgeordneten Wegen und den Menschen, die hier picknickten. Kinder spielten Federball, sie waren glücklich und hatten keinerlei von den Problemen, die Link und Zelda über sich ergehen lassen mussten. Verlor sich Zelda wirklich nur in ihren Gedanken… oder brachen erneut Erinnerungen hoch?

„Zelda, du… bedeutest mir sehr viel“, sagte Link, sicher, dass sie es nicht gehört hatte. Andernfalls hätte er es wohl nicht sagen können. Sie lief abwesend weiter über den Kiesweg, dann auf eine Grünfläche zu und pflückte einige Blumen. Link beobachtete sie wie in Trance. Sie wirkte so wunderschön und unschuldig mit der rosa Strickjacke und der verwaschenen, hellblauen Jeans und mit dieser kindlichen Handlung. Es waren einfache Wiesenblumen, die sie pflückte. Gänseblümchen, Butterblumen, Löwenzahn. Sie pflückte eine Hand voll, bis sie einen kleinen Strauß zusammen hatte. Dann trat sie mit einen leichten Lächeln vor Link, strich über die wenigen Blüten und funkelte ihn mit ihren himmelblauen Augen an. „Ist es nicht schön…“, sprach sie leise, aber sie wollte keine Antwort. „Ich habe… noch nie solche Blumen gesehen“, setzte sie hinzu. „Kann es denn sein, dass es auf dieser Welt ein Land gibt, in dem diese Blumen nicht sprießen?“

Link betrachtete sich den Strauß, den sie mit solcher Hingabe gebunden hatte, aber es waren nicht die Blumen, die er bewunderte, sondern Zeldas Hingabe für etwas so Kleines, scheinbar Unbedeutendes.

„Es ist unwahrscheinlich… bist du dir sicher, dass du diese Blumen nicht kennst?“

Sie wand sich um ihre Achse, drückte die wenigen Wiesenblumen an sich und nickte. „Was für ein Irrsinn“, meinte sie. „Ich weiß, dass ich öfter Blumen gepflückt habe… Ich kann es sehen, sehe, wie ich niederknie auf einer riesigen Wiese, mitten auf einer hügelreichen Landschaft. Im Hintergrund sind riesige, hohe Berge und in der Mitte dieser stolzen Berge, reckt sich ein Gipfel aus dem manchmal Lava quillt, in die Höhe, als wollte er die Götter anlachen… Ich sehe dieses Bild so klar und deutlich, kann spüren, wie der Wind dort atmet, wie die Wiese duftet und das Herz des Lebens pocht… aber ich kann mich nicht daran erinnern, dort auf dieser Wiese nur eine von diesen Blumen jemals gepflückt zu haben… Dort gibt es diese Blumen nicht, dort schießen Knospen in die Höhe, die beinahe lächeln, dort leuchten Farben, die ich auf dieser Blumenwiese nicht finden kann…“

Links tiefblaue Augen schillerten trübsinnig und auch wenn sein Gegenüber es nicht wusste, ihre Umschreibungen waren Worte für etwas, das auch er ab und an gesehen hatte, was er bereitwillig, sollte ihm die Aufgabe zuteilwerden, immer wieder finden und beschützen würde. Sie erzählte von einer Welt, die in ihren beiden Herzen lebendig war. Eine Welt, kostbar und unersetzbar, vielgestaltig und heilig. Langsam tapste der junge Mann näher, legte seine Hände auf ihre Schultern und wollte mehr erfahren als ihm bestimmt war. Er überschritt eine Grenze, als er sie fragte, und diese Grenze hatte das Mädchen nicht ohne Grund. „Zelda… meinst du, das, was du damit beschreibst… ist dein Zuhause?“

„Link… ich…“, seufzte sie schwach.

„Es tut dir weh, diese Welt zu sehen, nicht wahr…“, meinte er leise und presste seine Lippen aufeinander. Er wollte sich verbieten darüber zu reden, diese Wallung von einer alten Welt in sich hochkochen zu lassen, aber manchmal nagte es so sehr, dass er es kaum aushielt. Manchmal bohrten vergängliche, folternde Bilder so sehr, dass er kaum wusste diese zu begreifen, und wegzuschieben.

„Bitte… lass‘ uns weitergehen… es ist nicht richtig…“, meinte sie, torkelte etwas und fürchtete sich erneut an den Bildern ihrer Vergangenheit zusammenzubrechen. „Es kann einfach nicht sein… es ist nicht gut…“

„Es tut mir leid, Zelda…“, meinte er, spürte ihre Unsicherheit und Angst. Er bedeckte seine Augen mit einer Hand, rieb sich über die Stirn und wünschte sich gerade so sehr, dass dies alles, diese Gefühle und Gedanken, nur ein lächerlicher Traum waren, das nichts davon etwas bedeutete, dass dieses Land in ihrem und seinem Herzen nicht existierte.

„Auch mir tut es leid…“, erwiderte sie und ihr Blumenstrauß fiel ihr aus den nervösen Händen. Als die Blumen zu Boden sanken und der Strauß nicht mehr war, konnte sie es für einen Augenblick noch festhalten, die Erinnerung, die Vernichtung… das Verblassen allen Lebens und ihrer Welt… bis einige Kinder an ihr und Link vorbeistürmten. Erneut war der Faden weg und alles, was blieb, war Traurigkeit. Ihr Blick war verletzlich weich, als sie Links Hand suchte und ihn stumm darum bat, sie abzulenken.

„Gehen wir weiter, ja?“, meinte Link und erhielt einen zaghaften Zuspruch von Zelda. Sie schwiegen wie vorher, aber nun war die Situation noch beklemmender…
 

Vor dem Haus von Maron angekommen, wollte Link gerade an der Klingel läuten, als Rick rennend die Straße hinunterlief. „Link“, rief er. „Willst du auch zu Maron?“ Außer Puste blieb er vor seinem Cousin und der schönen Zelda stehen.

„Hi, Zelda“, entgegnete er kurz und wartete auf die Antwort seiner Frage.

„Ja, wir wollten sehen, wie es ihr geht“, meinte Link. Rick schaute kühl zur Seite und schien Link nicht in die Augen sehen zu können. „Ich frage mich nur, was in sie gefahren ist… Sie ist ein guter Mensch und hätte Zelda niemals etwas zu leide getan. Wenn ihr zwei nur hier seid, um ihr Vorwürfe zu machen. Dann werde ich verhindern, dass ihr hier reinkommt.“

„Rick…“, murmelte Link und seine Augen kreuzten die rehbraunen seines Cousins. „Niemand wird Maron für irgendetwas einen Vorwurf machen… ich bin nur daran interessiert, wie es ihr geht.“

„Das kaufe ich dir nicht ab“, sagte Rick und verschränkte seine Arme.

„Nach allem, was in der Morgenzeitung stand, nach allem, was ich gehört habe, nach allem, was ich gesehen habe… du bist doch eigentlich nur hier, um herauszufinden, was Maron dazu gebracht hat, einen Bogen auf unschuldige Menschen, sprich deinen Gast, zu spannen. Und ich weiß, wie wichtig dir euer Pflegekind ist“, sagte er und schaute durchdringend in den trübsinnigen Blick Zeldas.

„Rick, ich weiß, dass du besorgt bist um Maron. Sie ist ja schließlich nicht nur eine gute Freundin für dich. Ich kenne sie mindestens genauso lange wie du. Darf’ ich etwa nicht fragen, wie es ihr geht?“

Rick verdrehte die Augen. „Doch… ich möchte nur, dass du ihr keine Vorwürfe machst, das ist alles.“

Link nickte: „Das ist doch sonnenklar…“ Auch, weil er ganz genau wusste, dass Maron von einem widerlichen Schatten besessen gewesen war. Sie war nicht schuld an dem Unheil, sie war nur zur falschen Zeit an falschen Ort… Der junge Held wand sich zu Zelda, die noch immer ein trübsinnigeres Gesicht aufsetzte. Dabei hatte er sich so sehr gewünscht, sie wieder lächeln zu sehen, frei zu sehen, als jenen Menschen zu sehen, der sie doch war. Friedliebend und rein…

„Nun gut“, sagte Rick. „Aber erschreckt nicht, wenn ihr Maron seht… es geht ihr nicht so gut.“ Und er klingelte an der Tür.

Plötzlich öffnete jemand die Tür in das große Zweifamilienhaus, indem Maron wohnte. Ihre kleinere Schwester öffnete. Sie war etwa zehn Jahre alt und war mit Maron sehr leicht zu verwechseln. Auch sie besaß braune Locken, die über ihre Schulter fielen und hatte eine warme, nussfarbene Augenfarbe.

„Ihr wollt bestimmt zu Maron. Sie wartet in der Stube“, sagte sie mit einer piepsigen Kinderstimme. Sie folgten dem kleinen Mädchen, was schneller als der Blitz davon humpelte und rief: „Maron, Maron, dein Prinz ist hier… Maron.“

In der Wohnstube saß das besagte Mädchen, kreidebleich, mit einer dicken Wolldecke umschlungen, einer Tasse heißen Tee in der Hand auf der Couch und weinte. Fassungslos verharrte Link an der Wohnzimmertür, während Zelda schockiert neben ihm erstarrte. Was hat dieses Scheusal ihr nur angetan? War dies das Resultat, wenn eine dunkle Energie sich dem Körper bemächtigte? Außer sich trat Link näher, prüfte die Oberstufenschülerin mit Blicken, untersuchte die Starrheit in ihren Augen.
 

Maron aber reagierte nicht, sie zitterte, als ob ihr Körper mit Eis umrahmt wäre. Ihre Wangen wirkten eingefallen und überhaupt sah Maron so aus, als ob sie innerhalb von zwei Tagen um zehn Jahre gealtert war. Marons ältere Schwester Grazia, stand ebenfalls in der Wohnstube und schüttelte den Kopf: „Das geht jetzt schon seit gestern so… Sie… meine kleine Schwester…“

Link verstand nun endgültig, was die Bestie von gestern gemeint hatte. Er würde alles in seiner Umgebung quälen, alles zerstören- bis seine Verzweiflung und Wut ihn übermannte, über seine Grenzen hinausging und er vielleicht zu Mitteln greifen würde, die er selbst bereute. Ein ernster Blick stach Zelda entgegen, die das Gefühl hatte, die Erinnerungen an etwas Grausames in ihrem Kopf, wollten sie ersticken. Ihren Atem kontrollierend ließ sie sich auf einem Stuhl nieder und prüfte genau den Zustand Marons. Irgendetwas war ihr daran unheimlich vertraut. Sie kannte es- das Schockgefühl- den Hass- den schwarzen Fluch. In Sekundenbruchteilen stand Link neben ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter, die sie im Gegenzug dankbar festhielt.

Rick versuchte währenddessen wieder zu Maron durchzudringen, was er bisher nicht geschafft hatte. Seit gestern im Krankenhaus hatte er ihr zugeredet, hatte versucht, diesen Schockzustand in ihr zu löschen. Aber nicht einmal die Ärzte wussten, was nicht stimmte. Unter der Diagnose, körperlich würde mit Maron alles in Ordnung sein, hatte man sie mit Psychopharmaka nach Hause geschickt und gemeint, die vertraute Umgebung wäre das Beste für ihre Erholung. Wenn dies nicht helfen sollte, hatte man ihnen die Nummer von Richard Raunhold, dem Schulpsychologen gegeben, in der Hoffnung, der vielbeschäftigte alte Mann, könnte seine Zeit für Maron opfern. Aber als Maron den Namen Raunhold hörte, bekam sie plötzlich einen Schreikrampf und schlug wild um sich, fauchte ständig, dass man auch Raunhold töten werde, genauso bestialisch und grausam wie die anderen. Weitere Namen fielen, deren Tod Maron prophezeite, bis hin zu dem Namen Link… welcher als Schlussstrich über ihre Lippen kam, bevor sie endgültig verstummte. Einige Reporter hatten versucht Maron in die Klatschpresse zu bringen und hatten nun einen wütenden Jugendlichen mit Namen Rick, der einem der Reporter die Nase blutig geschlagen hatte…

„Maron… weißt du noch, letzten Sommer?“ Ricks sonst so selbstbewusste Stimmte zittrig und unsicher. Aber Maron rührte sich nicht und starrte ins Nichts.

„Ich hatte mir eine Glasscherbe in den Fuß gerammt und der einzige, der da war, warst du… du hast mir geholfen.“ Er nahm ihre eisigen Hände in seine. „Und deshalb helfe ich jetzt dir… bitte rede mit mir, Maron.“ Aber sie starrte ins Nichts, wurde bleicher und bleicher, bis sie anfing wirres Zeug zureden und hob ihre Stimme wie eine Wahnsinnige.

„Das Böse… kommt und geht… bis kein Wind mehr weht… Das Böse verschlingt die Welt… bis keine Hoffnung mehr zählt… Das Böse ist nah… Das Böse ist da… Es wird euch alle verschlingen… es wird euch nicht gelingen… Das Böse vernichtet das Leben… es wird keine Menschen mehr geben…“

Rick ballte seine Fäuste und wich zurück… Er konnte es einfach nicht mehr hören, nicht mehr ertragen. Marons Seele schien wie aus ihrem Körper gesaugt. Dieses Mädchen war nicht mehr seine Maron. Dieses Mädchen war eine leere Hülle geworden.

Link ließ sich entsetzt neben Zelda auf einen weiteren Stuhl sinken und legte trübsinnig einen Arm um ihre Schultern. Beide waren sie wie vor den Kopf gestoßen, hörten diesen seltsamen Gesang Marons und fühlten sich schuldig an dem Unheil, schuldig an etwas, was so irreal erschien, so unmöglich.

Grazia meinte wimmernd: „Das sagt sie schon seit gestern immer und immer wieder. Und wir wissen einfach nicht, wie wir zu ihr durchdringen sollen.“

Dann presste Maron ihre Hände an die Ohren, und wippte auf der Couch hin und her. Sie hetzte auf und zeigte mit dem Zeigefinger entehrend auf Link und Zelda. Sie begann zu schreien und plötzlich zu weinen. „Ich habe alles gesehen. Er will euch töten und dann will er uns alle töten. Er wird die ganze Welt töten!“, schrie sie.

Sich Mut fassend stand Zelda auf und blickte entschlossen in Marons verweintes Gesicht, alle Augen überrascht hinter ihr her. Kraftvoll stieß sie Maron zurück auf das Sofa und kniete dann vorsichtig vor ihr nieder, blickte scharfsinnig in die Augen, wo das Leben fast erloschen schien. Sie nahm Marons rechte Hand und führte diese zu der rechten Brusthälfte des Mädchens.

„Spüre das Leben, Maron“, meinte Zelda leise und versuchte die erloschenen Funken Glück in den Augen Marons zu finden. „Es ist alles hier, was du brauchst… um zu bestehen… Lass‘ ihn keine Macht über dich gewinnen…“

„Was tut sie?“, meinte Rick leise zu Link gewandt.

„Ich habe keinen Ahnung“, entgegnete jener ruhig und war gerade unheimlich begeistert von Zelda. ,Sie war so unglaublich‘, dachte er. Ihre Seele schien Millionen unerkannte Seiten zu besitzen, die er aber alle unbedingt entdecken wollte.

Und Zelda sprach langsam und sicher weiter: „Hier… fühlst du das? Es schlägt. Es lebt… und solange du dieses Herz besitzt, Maron… hast du auch die Kraft weiterzumachen, zu kämpfen.“ Wieder füllten sich Marons Augen mit Tränen, aber diesmal war irgendetwas anders. Ihr Schluchzen war lebendiger, menschlicher.

„Spüre dich, spüre dein Herz, deine eigene Wärme… lass’ es keine Macht über dich gewinnen… nicht mehr…“, sagte Zelda leise, aber streng. „Er wird nicht gewinnen, verbanne den Schatten aus deinem Herzen… ich helfe dir und schicke ihn mit dir fort…“

Maron blickte mit geweiteten Augen in jene Zeldas, begann zu zählen, zählte gemeinsam mit der blonden Schönheit von drei abwärts. Und als sie beide bis Null gezählt hatten, war da ein Wort, welches weinend aus Marons Mund entkam. Ein wenig verschluckt, ein wenig verwaschen, aber beständig. „Rick“, sagte Maron wimmernd, bis sie die Tasse in ihrer Hand fallen ließ. Zelda atmete befreit aus, und reichte Rick eine Vertrauen spendende Hand. Jener trat unbeholfen näher und kniete lange Augenblicke vor seiner besten Freundin nieder. Sie murmelte noch einmal Rick, als in ihren Augen endlich so etwas, wie ein Hoffnungsschimmer geboren wurde. Als ein weiteres Mal der Name Rick über Marons Lippen kam, fiel sie ihm um den Hals und begann hemmungslos zu weinen. Ihr fluchesgleichender Schockzustand wich nun langsam der Vernunft und der Kraft ihres Herzens. „Rick.“ Jener Jugendliche aber fühlte sich plötzlich alles andere in der Lage, Maron zu trösten, da er das Gefühl hatte, vor Freude gleich ohnmächtig zu werden. Maron war wieder hier, seine Maron war wieder auf dem Weg die Alte zu werden.

Auch die beiden Schwestern Marons spürten die Veränderung, umarmten Maron, so dankbar, dass sie wieder zu ihnen gefunden hatte.

Und den ersten Satz, den sie murmelte, würden Rick und die anderen wohl nie mehr vergessen. „Leute… ich will in mein Bett.“ Rick lachte und konnte nicht anders, als sie auf die Arme zu nehmen und in ihr Zimmer zutragen.
 

Mit einem erleichterten Grinsen blickte Link zu Zelda, wollte ein Lächeln aus ihrem schönen Gesicht, wollte sie fragen, woher sie diese Gabe hatte, aber das blondhaarige Mädchen hatte ihren Kopf trübsinnig hängen und rieb sich erneut an den Schläfen. Sie torkelte halb aus dem Raum und lehnte sich im dunklen Flur an eine raue Tapetenwand. Sie brauchte eine Weile, um zu registrieren, dass Link neben ihr stand und fürchtete sich fast ein wenig vor seinen Fragen.

„Du bist großartig, Zelda“, sagte Link, aber unterband seine Freude, als er den Schatten über ihren Augen dunkler werden sah. „Zelda?“

„Das ist es… großartig, nicht wahr? Einen schwarzen Fluch beseitigen“, murmelte sie bitter und schmeckte die Grausamkeit der Wahrheit über ihre verborgenen Fähigkeiten.

„Entschuldige“, flüsterte Link, sich wünschend, er hätte den Mund gehalten.

„Wofür entschuldigst du dich? Für die Wahrheit, die auch du nicht betrügen kannst.“

Er schwieg und fühlte sich fast ein wenig unwohl in seiner naiven Haut.

Das blonde Mädchen schloss die Augen und sagte kühl und streng: „Ich schöpfe den Zweck meiner Existenz aus einer dummen Fähigkeit, angebliche Flüche zu beseitigen, Böses zu vertreiben. Das ist unmenschlich und unwirklich.“

„Bitte hör’ auf, so zu reden“, meinte er lauter.

„Aber es ist… die Wahrheit“ Ihre Stimme zitterte dann und auch ihr Gleichgewichtssinn machte ihr Schwierigkeiten. „Link, ich…“

„Ja?“

„Können wir vielleicht heute Abend in aller Ruhe darüber reden. Ich kann im Moment keinen klaren Gedanken mehr fassen.“

Link sah sie mitfühlend an. Er hob mit einem Zeigefinger ihr Kinn nach oben, sodass sie ihn direkt in seine tiefblauen Augen sehen musste. Er wollte sie aufheitern, ablenken. Denn ihre Zweifel und der spürbare Selbsthass trübten auch sein Gemüt.

„Okay, besprechen wir das heute Abend… aber nicht zu lange, sonst könnte es noch sein, dass ich durchdrehe und wenn ich erst einmal so weit bin, tue ich die dümmsten Sachen… ja?“

Sie blickte ihn traurig an und konnte seinem Charme jedoch nicht widerstehen. Für einen Augenblick schwanden die Angst, der Hass und die vielen Zweifel in ihrem Kopf…
 

In dem Moment ruhte Marons mitgenommener Körper friedvoll auf ihrem Bett, während Rick in ihre tränenden Augen schaute.

„Was ist passiert, Rick?“, meinte sie und richtete sich auf. Rick antwortete zunächst nicht und drückte sie mit sanfter Gewalt wieder nieder.

„Du musst dich schonen.“

„Habe ich irgendetwas getan?“

Rick schüttelte den Kopf, aber Maron wusste eben zu genau, wann ihr bester Freund log. „Mach’ dir keine Gedanken.“

„Sag’ mir, was los ist“, sagte sie strenger und richtete sich auf.

Rick schaute schräg zur Seite, wollte ihr ausweichen, aber nur für ihren eigenen Schutz. „Du hast…“ Ihm blieben die Worte im Hals stecken.

„Sag’ es mir!“, brüllte sie beinahe und griff an Ricks rechten Arm.

„Link hat einen weiblichen Gast seit einigen Tagen…“

„Und was hat das mit mir zu tun?“, sagte sie sauer.

„Empfindest du immer noch… so viel für Link…“, murmelte Rick und starrte zu Boden.

„Für Link?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Diese junge Schwärmerei von damals ist doch lange passe. Worauf willst du hinaus?“

Rick rollte seine Augen und meinte: „Bist du eifersüchtig auf das Mädchen, welches in Links Haus zu Gast ist.“

Sie schüttelte entrüstet mit dem Kopf und starrte Rick durchdringend an.

„Bitte glaub’ mir. Mir ist total egal, was Link so treibt.“ Aber Ricks bleiche Miene besserte sich nicht. Dann ballte er seine Fäuste und sagte laut und eindringlich: „Weil du in der Bogensporthalle einen Pfeil auf sie schießen wolltest.“ Seine Worte. Kurz und knapp. Aber Maron sah entsetzt drein.

„Das ist nicht wahr“, wimmerte sie.

„Ich wollte dir das nicht sagen, aber besser du erfährst es von mir, als von der Polizei…“

Sie packte grob Ricks Hände. „Bitte, Rick, ich habe nichts damit zu tun. Ich kann mich nicht erinnern und ich habe nicht mal eine Ahnung, wie dieses Mädchen in Links Elternhaus aussieht. Wieso sollte ich sie töten wollen! Bitte Rick, schau’ mich an.“ Langsam blickte er auf und seine rehbraunen Augen lasen in ihren.

„Es tut mir leid, Maron“, sagte er und neigte seinen Kopf wieder seitwärts. Eine Pause entstand.

„Glaubst du mir?“ Er nickte und versuchte zu lächeln.

„Und hilfst du mir?“, meinte sie. Er nickte erneut, als aber eine Träne über Marons Wange lief. „Ich wünschte, ich wüsste, was ich getan habe, warum ich es getan habe… ich bin doch kein Monster“, wimmerte sie.

In dem Augenblick beugte sich Rick über sie und konnte nicht mehr anders. Ohne weiteres senkte er seine Lippen auf ihre und brachte die aufgeregte Maron mit einem verträumen Kuss zum Schweigen.

Entsetzt und wortlos sah sie ihn an, als er von ihr abließ. Das einzige, was sie tat, war eine Hand auf ihren Mund zu legen, als Rick kopfschüttelnd das Zimmer verließ.
 

Er trat in die Wohnstube ein, als die beiden Schwestern in Marons Zimmer gingen. Schweigend saß Link auf einem Sessel, die Hände in seinen blonden Haaren, bis er sich über seine Stirn rieb.

„Wie geht es ihr?“, meinte Link.

„Ich weiß nicht“, entgegnete Rick.

„Aber du warst doch gerade eben bei ihr.“

Ricks Mund verzog sich und seine Augen wanderten beschämt zu Boden. „Ich Idiot habe sie einfach geküsst.“

Link zwinkerte ein paar Mal. „Du hast… was?“

Rick sprang aufgeregt in die Höhe. „Denkst du, das ist so eine Katastrophe. Kann doch jedem Mal passieren. Und was kann ich denn dafür, dass du so was nicht fertig bringst.“ Link war kurzum baff, sodass er kein vernünftiges Argument parat hatte. „Wo ist überhaupt Zelda?“

„Sie fühlte sich nicht so gut und sitzt in der Küche mit einem Tee.“

„Sie fühlt sich nicht so gut? Hat sie diesen Fluch jetzt auf dem Hals!“, murrte Rick.

„Nein, ich glaube, es ist nicht das, was mit Maron passiert ist, was sie belastet, sondern ihre Angst vor der Erinnerung.“

„Sie hat Angst davor.“

„Ja“, murmelte Link.

„Dann solltest du das ganze genauso angehen wie ich“, meinte Rick stolz und dachte an den Kuss von vorhin. Immerhin hatte Maron erwidert. So falsch konnte das, was er getan hatte, also nicht sein.

„Sag’ mal spinnst du?“, fauchte Link beherzt. „Ich bin nicht so ein Schürzenjäger wie du und knutschte fremde Lippen.“

„Marons Lippen waren ja alles andere als fremd. Und Zelda? Sie kannst du nun wirklich nicht mehr fremd nennen.“ In dem Augenblick lachte Rick das erste Mal seit dem Vorfall.

Links Gesichtsausdruck wurde schamlos und dümmlich. „Der Kuss scheint sich ja gelohnt zu haben“, sagte er trocken.
 

In dem Augenblick trat Zelda trübsinnig in die Stube und klammerte sich an den Türrahmen. Ihre Beine waren wacklig, obwohl sie keinerlei Krankheitsgefühl verspürte. Und sie ahnte, dass es bloß die Anwesenheit des Bösen war, die ihr so zusetzte. „Wie geht es Maron?“, meinte sie leise und setzte sich torkelnd auf die Couch.

„Besser“, sagte Rick.

„Ich möchte dir sagen, dass das, was mit ihr geschehen ist, mir unendlich leid tut. Ich…“

„Ich weiß, du machst ihr keinen Vorwurf für den Pfeilschuss.“

Zelda nickte. „Außerdem wird sie demnächst nichts zu befürchten haben.“

„Wie meinst du?“ Rick sah überrascht auf.

„Eine gewisse Naranda Leader sorgt dafür, dass das ganze unter den Teppich gekehrt wird… und der Artikel in der Morgenzeitung wird auch nur als ein Scherz präsentiert werden. Es wird keine Anklage geben und niemanden, der Maron einen Vorwurf macht, für etwas, was sie nicht wirklich getan hat, für etwas, was sich ihrem Wissensbereich entzieht, für etwas, woran sie keine Schuld trägt. Es wird nur einen geben, der dafür büßen wird… und es ist nicht Maron.“ Damit endete Zelda, als ob eine Richterin auf dem Sofa saß, eine wissende, weitsichtige Persönlichkeit mit einer sehr alten Seele.

Link und Rick schauten sie an, als käme sie von einem anderen Stern, aber Zelda winkte ab und beobachtete den Wolkenhimmel über das Wohnzimmerfenster.

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass Maron vom Teufel besessen war“, murmelte Rick und legte die Beine auf den Glastisch. Er knipste den Fernseher ein und hörte die Abendnachrichten.

Aber weder Link noch Zelda fanden den Mut für eine Bestätigung seiner Aussage…

Schwerfällig stützte sich Zelda an der Fensterbank ab und kniff die Augen zusammen. Die Ereignisse, so vertraut. Der Hass und diese lähmende Angst… all’ diese Dinge fühlten sich an wie Erinnerungen… Schon wieder kurze Bilder in ihrem Geist, die zermürbten und sich in die Seele einbrannten. Und nur ein grausames Wort legte seine Pfade in das Nebelreich ihrer Vergangenheit. Das Gefecht. Das Gefecht um Frieden. Das große, letzte Gefecht…

Plötzlich riss Link sie aus ihren Gedanken und er legte seine Hände massierend auf ihre Schultern. „Zelda, es ist Zeit.“

,… es ist Zeit…’ Zu gehen? ,Aber wohin‘, dachte sie kurz. Seine Stimme- ein Beweis, ein Abbild für die Erinnerung in ihr. Diese Worte… Link sprach sie schon einmal, aber sie wusste nicht wann, sie wusste nicht warum.

„Hier deine Jacke…“, meinte er leise und sie fühlte einen warmen Stoff auf ihren Schultern.

,Ich muss nach Hyrule.’ Wie eine Prophezeiung lag dieser Satz in ihren Gedanken. ,Ich muss nach Hause.’ Ohne Gegenwehr ließ sie sich von Link durch den Raum geleiten, der am Rande der Realität ein „Bis bald, Rick“ murmelte.

Aber auch Rick schien für Zelda im Moment nicht mehr zu existieren. „Ich muss zurück“, sagte sie leise mit unendlicher Traurigkeit in ihrer Stimme.

Gerade fiel die Haustür zu, als Link diesen Satz aus ihrem schönen Mund vernommen hatte. „Wohin?“

„Bringst du mich zu dem Bach, wo du mich gefunden hast“, bat sie inständig.

„Sicher, aber was willst du dort?“ Sie wich zurück und neigte ihren Kopf schwerfällig.

„… mich erinnern…“

Und plötzlich war da eine beklemmende Distanz zwischen ihnen, die Link in dieser Weise noch nie gefühlt hatte. Abweisung und Verlustangst. Was, wenn sie sich daran erinnerte, dass sie irgendwo, weit weg wohnte? Was, wenn sie plötzlich weit weg war, unerreichbar für Link… was, wenn mit ihren Erinnerungen alles endete, was er in ihr sehen konnte, alle seine Hoffnungen und Träume.

„Bring’ mich in die Wälder“, sagte sie fast befehlend. Ihr Gesicht kühl und angespannt. Links tiefblaue Augen wanderten zu Boden und er bejahte ihre Bitte zweifelhaft.
 

Wie ein Meer aus lodernden Flammen lagen sie Wälder vor ihnen, erleuchtet mit dem flammenden Schein der Abendsonne. Es war etwas kühl außerhalb und eine leicht salzige Brise lag in der Luft, kündigte Stürme an. Wenig später erreichten beide Jugendlichen schweigsam den magischen Ort, wo mit dem Auffinden des bewusstlosen Körpers Zeldas ein Abenteuer begann, welches sich in naher Zukunft nicht nur auf der Erde bewahrheiten sollte.

Aufgeregt hetzte Zelda zwischen den Bäumen umher, folgte dem Bachlauf und wühlte letztlich zwischen den frischen feuchten Gräsern. Sie ließ sich zu Boden sinken, verzweifelt, beinahe hysterisch. „Es muss hier doch irgendwo sein“, fauchte sie.

„Zelda, was um Himmels Willen suchst du?“ Aber sie ignorierte Link vorerst und suchte irgendetwas zwischen Gestrüpp und Gras. Aber nichts war hier, alles gewöhnlich, alles so leer… Es gab keinen Hinweis auf einen Platz in einer anderen Welt, keine Pforte nach Hause.

„Sag’ mir bitte, was du suchst“, meinte Link leise und trat hinter ihrem Rücken näher.

„Die Wahrheit“, wimmerte sie, und zog die Nase hoch. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, die Augen hatte sie zugekniffen und nicht nur eine Träne tropfte ihre Wange hinab. Sie wusste nicht, was sie suchte. Aber es war entschieden mehr als ein stupider Hinweis auf ihre wirkliche Persönlichkeit. Es war eine Antwort. Eine Pforte in die Welt, die sie zurückließ.

Sie hörte das Rascheln von Links Turnschuhen durch das feuchte Gras und wusste, dass er nur wenige Zentimeter hinter ihr stand. Auch jenes Geräusch verdammte sie… die Art und Weise seiner Schritte erinnernd. „Hör’ auf…“, murmelte sie und sprach mit den Mächten der Erinnerung, die ihr die Vergangenheit zuflüstern wollten. Sie schlug ihren Kopf mehrmals zur Seite und schien irgendetwas abwehren zu wollen. „Ich muss nach Hause… ich muss unbedingt nach Hause…“, wimmerte sie. Und in dem Moment spürte Link, auch wenn sie ihr Gesicht ihm abgewendet hatte, dass sie weinte.

„Dein Zuhause“, sagte er sanft, trat an sie heran und zog ihren Körper mit seinen Armen auf die Beine und dann an sich, wollte ihr helfen sich zu erinnern, Mut zu haben für die Erinnerung und jene nicht abzuweisen.

„Wo ist das, Zelda“, meinte er leise, hoffte seine Frage könnten sie befähigen dem Erinnerungsfluss zu vertrauen.

„Überall… nur nicht hier…“, sagte sie. Ihre Augen leer und unwirklich.

„Dein Zuhause… beschreib’ es mir“, flüsterte er und lehnte sein Kinn an ihren Hinterkopf.

„Nein, es ist falsch… es ist unecht…“ Bilder von einem luxuriösen Schlossgemach mit Bibliothek und den aufwendig verarbeiteten Möbeln überhaupt brannten sich in ihren Geist. Da war eine Glastür mit Inschriften. Ein Turm…

„Lass’ es zu“, sagte Link und wollte, dass sie die Erinnerungen nicht vor sich verschließen sollte.

„Nein… es tut weh…“, murmelte sie und riss dann wieder die geschlossenen Augen auf, zwang sich zu vergessen, zwang sich alles zu betäuben. Plötzlich gaben ihre Knie nach und sie sank wieder zu Boden. Seufzend saß sie auf der Wiese und fühlte Links Wärme hinter sich.

„Erinnerst du dich?“

Sie schüttelte mit dem Kopf und drehte sich laut ausatmend zu ihrem Seelenverwandten um. „Ich habe den Faden verloren“, meinte sie und fühle getrocknete Tränen auf ihren Wangen. „Entschuldige… ich wollte dich damit nicht verunsichern“, sagte sie fest und stand auf.

Und schon wieder fühlte sich Link total vor den Kopf gestoßen. Wo war plötzlich die Zelda, die sie vor wenigen Sekunden noch gewesen war? Mit einem Schlag stand ein ausgewechselter Mensch vor ihm. Und innerhalb unbedeutender Momente war das, was in ihr hätte erwachen können… einfach unwichtig.

Er schenkte ihr einen absolut ehrlichen Blick in ihre blauen Augen und sagte: „Verzeih’ mir für meine Worte, aber du wirst mit jeder Minute rätselhafter. Ich weiß nicht, wie ich dich noch verstehen soll.“ Link fühlte sich einfach hilflos, so, wie noch nie in seinem Leben. Und er steckte als Ausdruck dessen seine Hände in die Hosentaschen.

Sie flüsterte nah in sein Ohr. „Du wirst mich nicht verstehen müssen, für keine Entscheidungen, die ich treffen werde. Das musst du nicht.“

Er packte ihre rechte Hand und meinte herausfordernd: „Aber ich wollte es von Anfang an. Ich wollte dich von Anfang an verstehen.“

„Warum?“, sagte sie.

„Weil du mir ein Freund geworden bist…“

„Wirklich?“

Er neigte seinen Kopf auf eine Schulter. „Wie nennt man das denn, wenn sich Leute so gut verstehen wie wir beide und wenn sie einander so vertrauen können. Ich sehe dich als Freund, Zelda.“

Sie nahm seine linke Hand in ihre beiden, wusste doch, dass er Linkshänder war und sprach sanfter als vorhin: „Dann möchte ich, dass du verstehst… ich möchte, dass du weißt, dass egal, was immer ich auch irgendwann tun werde… es immer einen Grund gibt… ich möchte, dass du meine Entscheidungen verstehen lernst, egal, wie dumm sie auf den ersten Blick erscheinen und egal, wie sehr jene andere verletzen könnten.“

Er nickte, wusste aber nicht, auf welches Bündnis er sich damit einließ.

„Und wenn ich mich erinnere, dann bitte ich dich, lerne auch meine Erinnerungen zu begreifen“, meinte sie leise.

„Versprochen. Aber nur, wenn du wieder lächelst“, sagte er leise und drückte sie noch einmal an sich.

Sie erwiderte die Umarmung mit grenzenloser Vertrautheit und murmelte beinahe lächelnd: „Abgemacht.“
 

Als die Nacht in Schicksalshort kam, ging Zelda im Hause der Braverys ohne ein Wort in das Gästezimmer und lehnte sich an die Bettkante. Immer wieder hatte sie es heruntergeschluckt, versucht vor Link standhaft und stark zu wirken. Aber sie hielt alles das, was geschehen war, und was noch geschehen würde, kaum mehr aus. Sie wusste, dass da draußen irgendwo an einem kalten Platz jemand auf sie wartete, lauerte mit reißenden Zähnen, lauerte mit machttrunkenem Herzen, und sie fühlte eine furchtbare Angst in sich brodeln, seit dem gestrigen Tag. Eine vertraute Angst, dumme Furcht und lächerliche Gewissheit. Und alles, woran sie sich klammern konnte, was ihr Hoffnung gab, war der junge Mann, den sie knapp eine Woche nun kannte. Sie fühlte sich sicher bei ihm und konnte doch die Sorge um sein Wohl kaum aushalten. Sie sorgte sich um Link, um die Dinge, die noch passieren würden, fürchtete sich vor der Nacht, vor dem Tag… vor der Erinnerung und der daran geknüpften Wahrheit. Pulsierende Bilder voller Leben und Grausamkeit kehrten nun immer häufiger in ihr Bewusstsein zurück, und je mehr sie versuchte sie wegzuschließen, umso folternder wurden sie. Es tat weh… jedes Bild in ihrem Kopf. Jeder Funken Wissen und Wahrheit brannte in ihrem Herzen wie Feuer…

Sie fühlte Pflichtgefühl… Schuld… und sie wusste diese Empfindungen waren nicht ohne Berechtigung in ihr Bewusstsein gekehrt. Sie trug Verantwortung… sie war immer diejenige, die das Schicksal in bestimmte Bahnen lenken musste. Sie war verantwortlich, auch für diese Welt…

„Ich bin ein ganz normales, gewöhnliches Mädchen“, wimmerte sie in die Leere des Raumes Aber sie wusste, dass das nicht stimmen konnte. Ihr Herz sagte es ihr, flüsterte… folge dem Schicksal und deiner Bestimmung… Es flüsterte leidend: ,Du kannst nicht weglaufen… nicht vor dem, was du bist…‘
 

Link stand vor ihr und trug ein seltsames blassblaues Gewand. Er seufzte, wir dürfen es nicht ignorieren. Was durften sie nicht ignorieren? Er sah sie so liebevoll an, so als könnte die Welt um ihn herum versinken, aber sein Blick würde standhaft bleiben. Dann verschwand sein Bild, wie als ob die Nebel der Erinnerung es verschlingen wollten.

Eine weitere Person sprach zu ihr… eine weise, ältere Frau, deren Stimme sie immer respektiert hatte. „Wir müssen uns beeilen, Prinzessin.“ Sie folgte der Frau, wusste, dass etwas Schreckliches passiert war. Sie durchquerten mit Pferden eine riesige Art Steppe, mit grünen Wiesen, und nur wenigen Bäumen darauf. Vor einem riesigen See, so schön und gefüllt mit dem reinsten Wasser, blieben sie stehen. In der Mitte des Sees befand sich eine kleine Insel. Zelda blickte zu der Dame und dann in den düsteren Himmel. Ein Gewitter braute sich zusammen. Zarte Regentropfen fielen, verdichteten sich, wurden schwerer, größer. Die schlanke, muskulöse Person mit dem dunklen Umhang winkte ihr zu und meinte, sie müssten unbedingt mit dem Boot zur Insel hinausfahren. Zelda stieg ein und beobachtete, wie die Person ihr gegenüber mit den Paddeln das Boot vorantrieb. Rote Augen starrten sie an, teilweise mit Angst erfüllt, teilweise aufmunternd. Sie waren an der Insel angekommen… Zelda stieg aus, wollte durch das Unwetter erkennen, was vor sich ging, doch sah nur, wie der Eingang zu einem heiligen Ort- Treppenstufen, die nach unten, in den See hineinführten, allmählich verblassten. Sie wollte es sehen, wollte wissen, was das zu bedeuten hatte, aber alles verschwamm wie Tinte auf Papier, die von einer Träne überdeckt wurde. Alles verging, wie Erinnerungen unter der Macht der Zeit. Sie wünschte, sie könnte es festhalten, das Bild aus der Vergangenheit… die Wahrheit.
 

Zelda saß immer noch an der Bettkante, war zu erschöpft um aufzustehen und ließ sich einfach in die Ohnmacht fallen, mit dem Wunsch auf einen glücklichen Traum, mit der Hoffnung ruhen zu können, nichts mehr zu wissen oder zu ahnen, egal ob es Zukunft oder Vergangenheit betraf. Sie wollte einfach leben. ,Link, hilf mir bitte’, flüsterten ihre Gedanken und doch wünschte sie sich nur, dass sie ihm nicht schadete, dass sie ihn nicht in eine Geschichte hineinzog, in der er bestimmt war zu leiden. Sie wollte ihn nur beschützen… vor der Grausamkeit des Schicksals…

Link trat in das unbeleuchtete Gästezimmer ein, und obwohl er sich bereits schlafen gelegt hatte, war er aus irgendeinem Grund wieder aufgewacht, glaubte schon, Zelda würde nach ihm gerufen haben, auch wenn er sich nicht sicher war, und er war sich nicht sicher, ob er sie nicht lieber etwas alleine lassen sollte nach den merkwürdigen Ereignissen diese Woche. Er lief auf das Bett zu, suchte mit seinen Augen nach Zelda und sah, wie sie zusammengehockt auf dem Boden saß. Er kniete etwas irritiert nieder und berührte ihre Schultern. „Zelda…“ Sie rührte sich nicht, reagierte nicht einmal auf ihn. Er nahm sie auf seine Arme und legte sie in das Bett, als sie plötzlich schluchzte: „Link… bitte verlass’ mich nicht.“ Zelda fantasierte. Hatte sie wieder einen Alptraum? Link deckte sie dann mit einer Decke zu, legte sich zu ihr auf das Bett, umschlang mit seinen Armen ihren Bauch und blieb. Er würde solange bleiben, bis sie aufwachte.

Sie umklammerte seine Arme. Seine Nähe tat unheimlich gut… Aneinander gekuschelt, in der Wärme des anderen, in der Wärme jener Person, die mehr als ein anderer das eigene Schicksal teilte, ein Gefühl, welches Trost und Ruhe spendete, ein Gefühl, unvergleichbar und angenehm. Sein Kinn an ihren Hinterkopf gelehnt, schlief auch Link ein und ließ sich seit langem einmal wieder in einen Schlaf fallen, der ihn entspannte, durch den er sich am Morgen besser fühlen sollte. Jetzt würde er sie nie wieder alleine lassen… nie mehr wieder.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Pikagirl100
2009-01-04T14:06:09+00:00 04.01.2009 15:06
schön.
Mich fastzinirt deine ff.
les weiter

Pika-girl
Von: abgemeldet
2006-07-02T08:23:59+00:00 02.07.2006 10:23
WAAAS??? kein Kommis? T.T also dann schreib ich mal: Mann, macht die Story süchtig! Das Ding ist echt ne herausforderung, Moment ... jetzt hab ich "nur" noch 62 Kapitel mit durchschnittlich 10 Seiten vor mir ... ach, das packen wir doch locker XD also echt, wie kann man nur so viel schreiben???
Aber wie schon gesagt, das ist eine Geschichte zum Mitleben, tolle Atmosphäre (auch wenn manchmal etwas zu ausführlich XD) *weiterlesen will*


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