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Nur ein Spiel

von

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Was von anderen Welten bleibt…

Durch goldene Welten, durch klirrende Ewigkeit echot sein

Seelenglanz…

Verbunden mit Tapferkeit, Hoffnung und Licht schallt sein unendlicher Herzensname…

Erwählt durch ätherische Gesetze der ältesten Zeit einst und diesseits…

Wo immer das Böse sich erhebt und die Welt nach einem Licht ruft, wird er geboren….

Aus Blut. Schleim. Und Asche…

Der Eine, dessen Mut wie gleißender Stahl aus seinem Herzen leuchtet.

Der Eine…

Auf ewig ist nur der Eine, Held über Zeit, Licht und Schicksal.
 

Hier an Jahrtausende alten Ufern, wo weißer Sand von salzigem Nass bedeckt wurde und glitzernde Muscheln im Sonnenlicht funkelten, summte das Echo des Meeres ewiglich in seinem Rhythmus und trug zu einer wohlvertrauten Melancholie eines auserwählten jungen Mannes bei. Seine Hände wurden umschmeichelt von warmem, feuchtem Sand. Salziger Wind strich durch sein wildes, dunkelblondes Haar. Und die Melodie seines Schicksals, tief verankert in dem Rauschen des Meeres, rief ihn, lockte mit einer tiefen Sinnfindung und erinnerte ihn an jenes überwältigende Gefühl der Sehnsucht, das er so oft in sich gespürt hatte. Er war nicht traurig, Trübsinn überschattete ihn nicht, aber irgendwo in stillen Kämmerchen seines Herzens spürte er diese unnachahmliche Sehnsucht, die er einfach nicht fassen konnte.

Manchmal, so erschien es ihm, erinnerte sich ein Teil von ihm, seine streng gehütete eigene Energie, an Augenblicke der Bedeutsamkeit. Augenblicke, die er in vergessenen Welten zu einer Erinnerung werden ließ. Augenblicke, die nicht nur ihn bestimmten, sondern eine ganze Welt veränderten. Und der berührende, genießende Augenblick hier in der märchenhaften Natur, wo die Wildheit des Meeres schäumte, erinnerte ihn ebenfalls an die vielen Bilder, die er ab und an in sich sah. Bilder einer anderen Welt, Bilder voller Schönheit und Bilder der Seelen, die er traf in diesem Leben oder vielleicht in einem anderen. Ja, er wusste, tief in sich wusste er, dass jedes Leben doch nur ein Zwischenschritt war, eine Lektion für etwas viel Wertvolleres, das er nicht anzweifeln wollte. Für etwas so unsagbar Wichtiges und Erfüllendes, sodass er sich schämte, es vergessen zu haben…

Mit seinem Erwachen als Held in dieser vergänglich scheinenden Welt, der Erde, entfachten sich die Feuer seines Schicksals einmal mehr, und alles, was er hier tat, alles, was er begehrte, liebte und auch hasste, fügte sich diesem Feuer. Selbst Drachen wüteten hier, folgten dem Ruf des Bösen, eroberten Lebendigkeit. Und mehr von jenen zerstörerischen Bestien würden kommen, würden foltern… Und wenn Dämonen lebten, so war nur ein Gedanke, der noch folgte… Wenn Drachen begannen zu wüten, wann kam die Schlacht, die alles entscheiden würde?

Er war hier, er war der eine Heroe, das sagte ihm sein Verstand. Er war der eine Held, der das Böse vernichten würde, sagten so viele Stimmen in dieser Welt. Aber sein Herz war nur erfüllt von dieser unsagbar grausamen Melancholie, die sich nährte aus der Unwissenheit seines früheren Lebens, und dem Wunsch, dass der Wahnsinn der Wiedergeburt endete…
 

„Blickst du über die Wellen in Erwartung der Zukunft… oder bist du in deinen eigenen unerreichbaren Gedanken, wo Zeit keine Rolle spielt?“, murmelte es plötzlich, eine tiefe, und doch ernüchternde Stimme riss den jungen Heroen aus dem Schwermut, den er so überwältigend in sich spürte. Link blickte sorgenvoll auf und sah Sian mit einem aufheiternden Gesichtsausdruck vor ihm stehen.

„Vielleicht ein bisschen was von beidem“, erwiderte er und legte seinen Kopf auf die angewinkelten Beine.

Der talentierte Johnson-Sohn sah heute unheimlich lässig aus, gekleidet in knielanger weißer Hose und einem schwarzen Muskelshirt verdrehte er den Damen den Kopf. Auch er ließ sich in den Sand sinken, genoss die angenehme, salzige Brise der kühlenden Meeresluft. „Ich bin etwas überrascht dich hier zu finden, Link…“, sprach der Irländer. Ein geheimnisvolles Lächeln ruhte auf seinen perfekten Lippen, sein Blick glitt voller Erwartung über die sanften Wellen, weiter über die schäumende See bis zu einer blaugrünen Inselgruppe, die von riesigen Findlingen beschützt und doch nicht zu weit entfernt schien. Für sowohl Link als auch Sian wäre es ein Kinderspiel dort hinüber zu schwimmen.

„Warum so überrascht, Sian?“, murmelte Link, aber wollte sich nicht erklären müssen.

„Du hast scheinbar einen guten Zugang zu allem, was deine Seele ausmacht… denn hier, wo das Wasser seicht und nicht zu stürmisch ist, hier, wo es mich oft hinzog, ist der Zugang zu spirituellen Themen erleichtert. Hier scheint der Vorhang zu einer anderen Welt sehr dünn. Ich vermute hier, wo wir uns gerade befinden, ruht ein besonderer Kraftplatz.“ Und der junge Johnson-Sohn erhob sich träge, hüpfte aus seinen weißen Turnschuhen und trat barfuß in das prickelnde, kühle Nass, trat immer weiter in Richtung der einladenden Inselgruppe, die den Eindruck machte, als wartete sie auf einen Gast. „Hier habe ich gelernt mich zu erinnern, Link“, erklärte Sian und lächelte. Ausgelassen hüpfte er durch das erfrischende Nass, genoss die Lebendigkeit seines Körpers auf eine verspielte Weise, genoss alles, was er besaß.

„Du hast hier deine Erinnerungen an Hyrule wieder gefunden?“, murmelte Link wiederholend. Und zum ersten Mal konnte der junge Heroe einen Blick in die mysteriöse Seele des vergessenen Shieks erhaschen. Sian, der einst als legendärer Schatten wandelte, war nicht einfach nur ein Produkt des Schutzes Zeldas, er war eine unglaublich breit gefächerte Persönlichkeit und er fand eine Sinnhaftigkeit in allem, was er tat, dass es beneidenswert war.

„Es war ein Anfang, ja“, erwiderte Sian.

Link lachte. „Wer hätte das gedacht?“ Er wusste nicht, warum es ihn amüsierte. Es war wohl eher eine verlegene Reaktion auf dieses ernste Thema.

„Irgendetwas an diesem Platz ließ mich erkennen, dass ich mehr bin als ein Jugendlicher mit einem großen Repertoire an Talenten, ich fand zu meinen nächtlichen Träumen, begann sie zu verstehen, indem ich sie mir hier am Ufer notierte. Ich erinnerte mich an eine Welt mit einer Fülle magischer Wesen, bis ich ein atemberaubendes Licht in meinem Wesen finden konnte, und ich fand dieses Licht in der Gestalt Zeldas…“, sprach Sian ehrfurchtsvoll.

„Zelda…“, seufzte der junge Heroe. Er neigte sein Gesicht, spürte seine Gesichtsmuskeln leicht zucken, spürte, wie sich sein überspielendes Lächeln mit Hoffnung füllte. Ob sie wohl tatsächlich, wenn sie völlig gesund war und nicht so gebrochen wie derzeit, auf diese reine Weise strahlen konnte?

„Ja, deine Prinzessin rief mich einst ins Leben, schenkte mir auf wundersame Weise die Existenz, die ich jetzt beheimate. Und sie lehrte mich alles zu genießen, was ich habe, alles zu lernen, was es gibt und alles an Herausforderungen anzunehmen, was sich zeigen würde.“ Er trat weiter durch das mittlerweile kniehohe, angenehme Salzwasser, das in der Ebbe untergehen würde. Himmel, Sian spiegelte eine ehrfurchtsvolle Reife, die jeder in seinem Leben erreichen sollte. Er schüttelte Lebenserfahrung und geprüfte Einstellungen seiner mächtigen Seele wie aus dem Ärmel, dachte Link.

„Sie konnte selbst einmal den Genuss des Lebens spüren, nicht wahr?“, sprach Link trübsinnig. Er wünschte sich zu hoffen, dass Zelda das erfüllende, gute Gefühl von Hoffnung, das Sian so ehrfürchtig beschrieb, noch einmal erreichen konnte. Es tat ihm einfach so weh sie immer wieder mit diesem furchtbaren Schmerz zu erleben, diesem zerstörerischen Schatten auf dem Blau ihrer Augen, diesem festgebrannten Leid… und zu wissen, dass er ihr diesen nicht nehmen konnte, fraß ihn regelrecht auf. Link biss sich auf seine Lippen, bemühte sich Sian seine Gefühle nicht zu zeigen…

„Ja, wenn sie wirklich sie selbst ist, dann ist Zelda ein unglaublich sanftes, wärmendes Licht und sie ist voller Hoffnung. Wenn sie frei ist von den Schatten, die sich ihrer gerade bemächtigen, wirst du sie glücklich erleben, voller Zuversicht und reiner Stärke und so machtvoll wie ein Göttin…“

Link gewann den inneren Kampf mit einem wärmenden Lächeln und erinnerte sich stillschweigend an den Moment, als seine Prinzessin vor über einem halben Jahr in seinem Zimmer das erste Mal voller Verwunderung die Augen öffnete… Er erinnerte sich, dass es sein erster Eindruck war, als er in ihre Seelenspiegel blicken durfte. Sein erster Gedanke war ihre Göttlichkeit.

„Und nicht nur Zelda ist von ihrem Lichtweg abgewichen, auch du musst für dich erneut erkennen.“ Sian lachte und winkte dem jungen Helden entgegen. „Folge mir und du wirst Antworten finden.“

„Wenn du es so formulierst, habe ich keine andere Wahl…“, und der Grünbemützte grinste. Er erhob sich, ließ sich von Sians Worten einnehmen und seine Melancholie, geboren aus einem Wunsch sich selbst und seine Erinnerungen zu begreifen, versank symbolisch in der milden, schäumenden See. Auch er trat barfuß durch matschigen Sand, spürte das lebendige Pochen der Erde unter seinen Füßen und genoss die salzige Frische des Meeres um seine Knöchel tanzen.

Die Ebbe nahm dem Ozean mehr und mehr das aufbauschende Gesicht wilder Wassergefälle, ließ hier am Ufer noch mehr versunkene Schätze auftauchen, als der Heroe Sian durch kniehohes Salzwasser folgte. Es war beinahe so, als folgten beide Jugendliche einem schicksalhaften Pfad, der sich nur durch reine Gedanken und Wünsche preisgab, ein Weg, der sie in den Schutz jenes Kraftplatzes zog, ohne, dass sie es wahrnehmen konnten. Und als die Sonne am Horizont zu verglühen begann, rief das Schicksal den Helden in eine Heimat, die er selbst kaum als Heimat verstehen konnte…
 

Hier an diesem uralten Kraftplatz erhoben sich Stimmen aus altehrwürdiger Zeit, wo sich erste Menschen ihrer Seelenenergie noch bewusst waren und wo jene ersten atmenden Wesen Grenzen der Zeit ausloteten. Und diese Stimmen sangen ein ewiges Lied der Regentschaft von Tapferkeit, Stolz und Mut, riefen sie doch nach dem einen Helden, der auf ewig sein würde…

Und durch von Menschen erdachte Zeiten hinweg wanderte Link hier an diesem Kraftplatz, wurde erfasst von einer schier göttlichen Allmacht, die das Ziel hatte ihm seine Unsterblichkeit bewusst zu machen, ihm zu zeigen, dass all dies, was er tat einem Plan des Guten folgte. Und diese Allmacht führte ihn über Orte der Wärme und Liebe, auch durch Leben der Traurigkeit und einen von dunklen Wesen erschaffenen Wahnsinn. Link wusste nicht mehr, wo sich sein eigenes Ich von dem Geschehen trennte, er wusste nicht mehr, wer er war. Für reinigende Momente sank er in die Tiefsten seiner Seele, wo alles, was er in Hunderten Leben vorher erfahren hatte, noch atmete. Er sah sich selbst, konnte sein jetziges Ich von dem, was er in einer anderen Dimension und Zeit gespürt hatte, kaum mehr trennen, spürte in einen fremden und doch eigenen Körper hinein, war nicht bei Bewusstsein und doch so wach wie noch nie im Leben.

Standhaft thronte er in stählerner Rüstung vor den zertrümmerten Ruinen einer riesigen Burg, sah das Ende der Welt als ein letzter Mensch auf Erden und richtete seinen Blick in die Höhe, wo im schwindenden Licht einer beschützenden Gottheit das verbliebene Leben in den Himmel geführt wurde. Er spürte seine Wunden, seinen zerklüfteten Körper und sein heißes Blut in den Erdboden sickern. Er schwand dahin, reiste durch die Leben in einem Wimpernschlag, sah sich als ein herzloses Monster in einer blutenden Welt zahllose Köpfe abschlagen und einen silberhaarigen Prinzen mit Zeldas Gesichtszügen auf einem erkauften Thron hocken. In einem anderen Moment kauerte er in einer Zelle als alter, gebrochener Mann, rieb sich faltige Hände und erschrak an der tiefen blauen Farbe seiner eigenen Augen, die auf ewig durch Mut leben würden. In einer neuen Welt war er ein Held, der die Meere erkundete und mit einem vielleicht dämlichen Grinsen eine blonde, wunderschöne Piratin ärgerte.

Je mehr Link sein Bewusstsein spürte, das Leben in seinem Körper pulsieren spürte, umso deutlicher und schauriger wühlten gefräßige Bilder in seinem Kopf, die ihn daran zweifeln ließen, ob er träumte, lebte oder keines von beiden tat. Da waren zerstückelte Bilder aus allen Epochen der Welt in seinem hämmernden Schädel, erzählten von Hunderten Aufgaben, von Sinnhaftigkeit, jedoch nicht immer von Schönheit… Und je mehr Geschehnisse vor seinen inneren Augen blitzten, umso mehr tat es weh. Es begann innerlich zu brennen, so schmerzhaft, als arbeitete Gift in dem tiefsten Kern seines Seins und wurde immer qualvoller. Er begann zu schreien, wenngleich er seine Stimme nicht hörte. Er begann sich zu schütteln, bewegte sich, wenngleich er keine Muskeln in Bewegung setzen konnte. Das Blitzen in seinem Inneren wurde so zermürbend und fordernd, bis Link es nicht mehr aushielt. Er kämpfte gegen sich selbst, ahnte einen rauchigen Schatten einer feurigen Droge in seinem Körper und stemmte alle Energie, die er besaß, gegen sich, zwang sich in die Realität, zwang sich zu erwachen. Und in einer Sekunde, die sich anfühlte wie eine grausame Ewigkeit, riss er seine von brennendem Schlafsand verklebten Augen auf, hockte krampfhaft auf steinernem, mausgrauem Boden und drückte seine Finger wie Raubtierklauen in den Untergrund. Er atmete keuchend, nahm ein Schlitzen in seinem Magen war, das ihm sagte, er wolle sich übergeben und sein Herz schickte Stromstöße in seinen zitternden Körper, als hatte es vergessen zu schlagen.
 

Erst Minuten später wurde sein Blickfeld klarer und sein Körper gewann die Stärke zurück, die er beheimatete. Und erst dann schaltete sich die Logik in Links Verstand wieder ein und seine Erinnerungen an sein jetziges Ich wurden präsent. Er war Link Bravery, er war Oberstufenschüler, hatte durch eine schicksalhafte Fügung die Prinzessin Hyrules erreicht und erfahren, dass er auserwählt wurde das Böse eines modernen Erdzeitalters aufzuhalten. Er war nach Irland gereist um sich selbst zu finden und Zweifel über seine Bestimmung zu zerschlagen und vielleicht auch um herauszufinden, was einst in Hyrule geschehen war, was zu dessen Untergang führte. Er zwinkerte mehrfach, als er realisierte, dass er vorhin mit dem wiedergeborenen Shiek am Strand saß, nicht weit entfernt von einer Landschaft mit sonnigen grünen Hügeln und der Untergrund, auf dem er gerade jetzt hockte, sich nicht wie Sand und auch nicht wie salziger Meerschaum anfühlte.

Sein Blick wanderte verwundert von hartem mit bunten Steinen angereichertem Boden nach vorn, wo eine breite gepflasterte Straße an einem beinahe gigantischen Abgrund über das Land führte. Vor seinen beeindruckten Augen lag eine ihm völlig fremde Welt, die mit atemberaubenden Landschaftsformationen seine Vorstellungskraft sprengte und die er kaum beschreiben konnte. Ein goldener Himmel mit Dutzenden Erdinseln und Wolkenformationen, die die Geschichte der Welt mit Symbolen, die in jene eingebrannt waren, abbildeten, hing über hohen, spitzzulaufenden Bergen, tiefen Schluchten mit in das bunte Mauerwerk gehauenen grotesken Köpfen, Unterkünften, Treppen und Säulen. Der beinahe kupferfarbene Schein eines glühenden Himmels, der mit pastellfarbenen Tönen wie gemalt aussah, verlor sich erweckend mildtätig auf den dunklen, und schillernden Ufern, wo Link von Weitem Dörfer und Städte erblicken konnte, jedoch gleichzeitig überwältigt war von einer ausgefeilten architektonischen Kunst. Die Bauingenieure dieser Welt hatten Hallen aus edlen Metallen mit Magie erschaffen, gestalteten eine uralte Welt mit allen Energien, die im Universum existierten. Und die Straße, auf der er mit seiner modernen Alltagskleidung saß, war bewacht von Straßenlaternen aus Kupfer, graviert mit fremdländischen Symbolen. Link erhob sich auf zitternden Beinen, bestaunte riesige Vögel, die in dem goldenen Himmel in schwindelerregenden Höhen tanzten, bestaunte in Richtung Westen einen riesigen Strom aus silberblauem Wasser solcher Reinheit, der mit gewaltvoller Stärke Gestein und Getier mit sich riss. Und die Straße, auf der er stand, führte viele Meilen weiter über eine silberne, im sternenreichen Nirgendwo errichtete Brücke, zu einer riesigen goldenen Stadt. Und diese Welt, die er vielleicht einst in Träumen erblickt hatte, lag fühlbar und echt vor ihm, war reich an Kristallen, Tieren und Pflanzen. Gewächse mit Blüten aller Farben, riesig und duftend nach allem, was er in seinem Leben je an Düften gerochen hatte, ragten neben der Straße auf. Bäume mit silbernen Blättern und schwarzer Rinde ebneten den Weg.

Link führte seine schwitzenden Hände vor Entsetzen zu seinem Gesicht, überprüfte die Lebendigkeit seines Körpers und kam aus dem Erstaunen nicht mehr heraus. Er setzte einen zögerlichen Fuß vor den anderen, nahm einen tiefen Atemzug an einer Luft, die sich anfühlte wie Knisterbrause in seinen Lungen. Wo nur, bei allen guten Geistern, war er und wie war er hierher gelangt?

Sein Blick verlor sich in der faszinierenden Ferne, den riesigen Ufern und eigenwilligen, grotesken Formationen der Welt, wie Titanen erhoben sich gigantische Felsen und Inselgruppen, und beinahe hypnotisiert von dem Anblick nahm er nur undeutlich leise Holpergeräusche hinter sich wahr. Und als er sich umblickte, näherte sich in gemütlicher Geschwindigkeit eine mit Masken ausstaffierte Kutsche auf goldenen Rädern, wo selbst die beiden vorangespannten muskulösen Pferde Masken trugen. Ein verhutzeltes Männchen saß auf und hatte die Zügel in der Hand. Ein Mann mittleren Alters mit buntem Mantel aller Farben und einem aalglatten Grinsen, das seine schmierige Frisur noch verstärkte, grinste ihm spöttisch entgegen und trabte gemächlich an ihm vorbei. Er lachte und unter seinem faltenreichen Lachen war ein eigenwilliger Gesang hörbar, den Link von seiner Jugendzeit her kannte. Eine Melodie, die sich in Seelen bohrte, summend schmerzhaft und doch unschuldig melancholisch. Innerhalb Sekunden war der eigenwillige Kutscher wieder verschwunden, verblasste in der ewigscheinenden Ferne.
 

Link stutzte und versuchte die Verwirrung über sein Erscheinen an diesem Ort beiseite zu schieben und stattdessen eine Möglichkeit zu finden sich irgendwie Hilfe zu holen. Er dachte an den seltsamen Kutscher und schlug sich die Idee diesem hinterher zu eilen gleich wieder aus dem Kopf. Er brauchte einen seriösen Menschen in dieser Notlage und war beinahe dankbar, dass der scheinbare Maskenliebhaber von dannen gezogen war. Allerdings zweifelte er immer mehr, dass er in dieser märchenhaften Welt eine seriöse Person finden würde… Der junge Heroe rieb sich das Kinn und trat gemächlich die Straße entlang, spürte eine erweckende Aufregung, aber auch marternde Ungeduld zunehmen. Er setzte einen Fuß vor den anderen, nicht sicher, ob der erwählte Weg ein sicherer war, nicht sicher, ob es ratsam war sich auf dieser Straße zu halten.

,Es musste eine logische Erklärung geben für sein Erscheinen an diesem Ort‘, dachte der Held. ,Oder bildete er sich diese Welt nur ein? War dies hier ein Traum?‘

Mit dem Gedanken, dass er kaum ewiglich hier voran marschieren konnte, zwangen ihn immer mehr Zweifel in die Knie. Irgendwann würde er es vor Durst kaum mehr aushalten. Irgendwann würde er vor Müdigkeit zusammenbrechen. Und mit seinen furchtvollen Gedanken wurden seine Schritte schneller, während seine tiefblauen Augen stumm den gemalten Horizont verfolgten…
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte der junge Held eine Kreuzung der gepflasterten Straße, und hier an dieser Kreuzung, wo riesige Straßenlaternen mit buntem Licht den Weg erhellten, pfiff ein unruhiger Wind, ließ den Oberstufenschüler mit seiner knielangen Hose und dem luftigen T-Shirt ein Frösteln wahrnehmen. Und mit der zunehmenden Frische, die durch seinen Körper jagte, gierte in ihm ein weiterer Verzweiflungsschub. Er ließ sich am Straßenrand auf die Knie sinken, biss sich auf die Lippen und dachte mit aller Gewalt an seine Seelenverwandte, hoffte auf eine widersinnige Weise, die Verbindung zu ihr könnte ausreichen, dass sie ihn hörte…

Er durchwühlte seine Taschen, erst jetzt kam er auf die Idee, sein Smartphone heraus zu kramen, aber in seinen Hosentaschen war es nicht und die Erinnerung, dass er jenes irgendwo verlegt haben könnte, verblasste genauso intensiv wie das Gefühl die Zeit, die hier anders tickte, kaum mehr spüren zu können. Link wühlte ein weiteres Mal durch seine Hosentaschen, als ihm auffiel, dass er dennoch einen Gegenstand mit sich trug, einen Gegenstand, von dem er nicht wusste, wie dieser in seine Hände gelangt war. Und in seiner Handinnenfläche fand sich ein kleines Glasfläschchen, das mit einem Korken verstopft war und darin wiederum glühte ein bestialischer Splitter, geschmiedet aus der Teufelswerkstatt Ganondorfs, und sendete eine unheimliche Botschaft in diese fernen Welten. Irritiert betrachtete sich der heldenhafte Bursche das Artefakt, aber verstaute es zunächst wieder in seiner Hosentasche. Vielleicht handelte es sich nur um einen Zufall, dass jener Splitter in seiner Obhut verweilte.
 

Der Name seiner Prinzessin verließ schließlich seine Lippen, erst säuselnd leise, dann beinahe rufend. Er hoffte mit einem verrückten Gedanken, dass in dieser seltsamen Welt ihr Name etwas bewirkte, das ihm vielleicht helfen würde… so wie er sie einst in seinen Träumen rief.

„Zelda…“, sprach er und reckte sein Haupt erneut in die Höhe, ging mit seinen tiefblauen Augen auf Wanderschaft und beobachtete den gemalten Himmel sich stetig verändern, als rührte jemand in einer Farbpalette alle möglichen Farben zusammen.

„Zelda“, rief er nun kräftiger und fordernder und beobachtete die galanten Greifvögel in der atmosphärischen Höhe einmal mehr, blickte soweit hinauf wie seine Sehkraft es erlaubte und erschrak im selben Augenblick an einem gespenstischen Gedanken. Die riesigen Vögel in der Höhe, die in kräftigen Farben leuchteten und wie riesige Wachen den Himmel beschützten erinnerten ihn an eine Gegebenheit, die er aus einem der Zeldaspiele kannte. Sein Puls verdoppelte sich erneut, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Befand er sich in einem Zeldaspiel?

Ein weiteres Mal brüllte er den Namen seiner Seelenverwandten in die Welt hinaus, diesmal so laut, dass jener in den tiefsten Schluchten weiterhallte und vielleicht Vergessenes aus den Tiefen jener Dimension erweckte…

Mit einem Gefühl des Aufgebens schluckte Link den Knoten in seinem Hals herunter, ballte die Fäuste und schluchzte, als eine unmelodische, leicht piepsige Stimme hinter ihm erklang und mit solcher Wucht ertönte, dass er kurz zusammenzuckte. „Du musst nicht so laut schreien, ich bin mir sicher, es gibt irgendjemanden in dieser Welt, der nicht halb taub ist.“

Link wand sich so schnell um seine Achse, dass ihm beinahe schwindlig wurde und erstaunte angesichts der seltsamen Kreatur, die er vor sich sah. Und erst da wurde ihm bewusst, dass diese Realität, die er durchlebte, vielleicht tatsächlich nur eine Vorstellung von ihm war. Ihm wurde bewusst, dass hier an diesem Ort Magie atmen musste. Denn vor seinen Augen flatterten getragen von Geisterhand Hunderte schwarze Schleier, die sich wie ein Papierfalter zu einem flügelbestückten Wesen ergänzten. Und in diesem schwarzen Flechtwerk glühte ein Augenpaar abwechselnd in grün, rot und blau…

Einmal mehr sank Link zu Boden, spürte seine Knie zittern. Er hatte bereits einige Alptraumkreaturen erblickt, diese sogar bezwungen, aber er spürte ehrfurchtsvoll, dass dieses Wesen aus einem ganz anderen Kaliber gemacht wurde. „Wer bist du oder sollte ich fragen, was du bist?“, meinte er zögerlich und konzentrierte sich durch die schwebenden Schleier hindurchzusehen.

„Und ich dachte schon, du wolltest mir sagen, dass meine schwarzen Gewänder absolut wunderschön sind“, sprach es kratzig aus der von glänzender Seide umhüllten Kreatur.

Etwas nervös wischte sich der Heroe über seine trockenen Lippen. „Wo bin ich hier?“, fragte der Held hartnäckig und ahnte, dass er auch darauf keine sinnvolle Antwort erhalten würde.

Denn das Wesen vor ihm, voller Geheimnisse, ließ sich von einem Menschen nicht entdecken. Sie, die ihre eigenen Vorteile in nahezu jedem Missgeschick und Krieg erkannte, gab sich unter keinen Umständen preis. Denn sie war ein Geschöpf, das niemandem Zeugnis ablegte, ein Geschöpf, das nur sich selbst am nächsten stand und sich nur allzu gern in die Geschäfte anderer einmischte. Sie war eine widerspenstige Wesenheit, und auch das sollte Link in einer seiner vielen Zukünfte erfahren, die gerne spielte, ob mit dem eigenen Verstand oder dem anderer war eine viel zu komplizierte Geschichte. Sie spielte gern und schloss im Sinne eines Spiels beinahe süchtig Wetten ab…

„Du kannst fragen wo du bist, kannst fragen wann du bist oder wer du bist, auf keine dieser Fragen weiß ich die Antwort und auch sonst niemand weiß eine“, lachte sie und im Zuge jener verwirrenden Worte, schwoll ihre bohrende Stimme zu noch mehr Ironie an.

Und weil Link sich gerade nicht anders zu helfen wusste, vielleicht weil er sich nicht sicher war, ob er sich wütend oder verzweifelt fühlen sollte, stellte er eine weitere Frage: „Ist das hier real?“

„Mmh, wer weiß“, entgegnete sie genauso geheimnistuerisch wie vorher.

Link verstummte, lenkte sein Blickfeld erneut in den märchenhaften Horizont, dessen goldene Farben beinahe mitfühlend auf ihn herab schienen. Er wusste, dass er auch dieser Kreatur nicht trauen konnte, und hoffte noch immer, dass er in einem Wimpernschlag aus diesem Alptraum erwachte.

„Vielleicht gibt es auf fast alle Fragen des Weltenstrudels keine Antwort für dich“, sprach jene Gestalt schließlich, „aber… eine Antwort auf das Warum kann ich wohl geben.“ Und sie flatterte näher, schien in Links Nähe etwas einzusaugen, das er kaum verstand. Es war beinahe so, als wollten ihre pechschwarzen Schleier an ihm schnuppern. „Oh…“, sprach sie einmal mehr. „Da ist der Geruch eines würzigen Krautes… beheimatet auf der Erde, das durch deine Venen strömt.“ Und schließlich kicherte sie. „Du hast eine vorzügliche Droge in deinem Körper, vielleicht bist du deshalb hier.“

Link zuckte verwundert zurück, ein schattenhafter Ausdruck des Erstaunens donnerte in sein Gesicht. „Du veralberst mich!“, raunte er. Nie und nimmer würde er sich und seinem Geist etwas dergleichen zumuten und sich irgendeine Droge rein pfeifen.

„Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, kleiner Held. Aber dein Körper ist benebelt von einem Gewächs stammend von der Erde, ein Kraut, dass es dir erlaubt dich zu transformieren, und dir erlaubt deine eigenen Grenzen zu überwinden.“

„Aber ich kann mich nicht mehr erinnern…“, rechtfertigte sich der Oberstufenschüler.

„Das brauchst du jawohl auch nicht.“

„Oh doch“, argumentierte Link lauter. „Ich weiß nämlich nicht, wo ich hier bin, und ich weiß nicht, was ich tun kann, um hier wieder zu verschwinden!“ Erneut überkam ihn Wut und Verzweiflung. Hatte vielleicht das Böse seine Hände im Spiel, schickte ihn hierher, damit er sich verlief, damit er wahnsinnig wurde und seine Pflicht als ,Held der Erde‘ kaum mehr erfüllen konnte?

Und plötzlich standen die flatternden seidigen Gewänder still und die Augen, die sich vom Inneren des merkwürdigen Gewächses zeigten, nahmen eine milde blaue Farbe an wie das türkisfarbene Wasser flachen Meeres an einem sonnigen Tag. „Du willst so schnell wie möglich hier wieder weg?“, schallte es kratzend.

Link nickte und spürte seinen Hals immer mehr austrocknen. Er spürte wie ihm der letzte Rest Geduld entwich…

„Dabei kann ich vielleicht behilflich sein“, meinte das Wesen. „Auch wenn es hier doch wunderschön ist und keiner versteht, warum du wieder weg willst.“

Link trat mit fordernden Schritten näher, ließ sich von der Kreatur nicht beeindrucken und starrte in jene verwunschenen Augen mit solcher Intensität, dass sich diese schlossen. „Sag‘ mir, wie ich hier entkommen kann!“

„Nun ja… Es kommt nicht oft vor, dass Menschen hier stranden und die meisten können nicht überleben in diesen Gefilden… weil es einen göttlichen Fluch für Eindringlinge gibt, du musst etwas Besonderes sein und die Gnade eines Gottes besitzen. Du wurdest hergeführt, weil Fragen in deinem Herzen beantwortet werden müssen.“ Sie lachte. „Wie wäre es mit einem Deal?“

Schweißperlen standen auf Links Stirn, der nach Alternativen suchte, konnte er diesem Wesen wohl kaum ein Geschäft anbieten und was auch immer ein möglicher Deal verlangte, er würde eine schier göttliche Kreatur wie jener kaum glauben, dass ein solcher nicht mit Fallen gespickt war. Ein Pakt mit einer dämonischen Gestalt wie jener konnte nicht gut ausgehen…

„Ich habe wohl keine Wahl, schätze ich“, sprach der junge Held zynisch.

„Das hast du richtig erkannt“, erwiderte sie höhnend.

„Was ist das für ein Deal?“ Und Link ballte die Hände zu Fäusten, nahm einen nährenden Atemzug und senkte den Blick mit Bestimmtheit in Richtung der merkwürdigen Kreatur. Einmal mehr schnitt der Mut in seinen tiefblauen Augen wie leuchtender Stahl nieder und versetzte den geheimnisverbergenden Gesprächspartner in Schwingungen.

„Ich sehe und spüre, du bist bereit, so höre denn meine Worte“, rief sie und während ihre kraklige Stimme über die Ebenen der majestätischen Welt bis hinab in tiefste Gefilde schallte, erschuf sich aus der feinen schwarzen Seide ein langer, dürrer Arm mit einer Hand, die sich in Links Richtung streckte. „Es war, dass der Gott des Krieges mit mir wetteiferte. Er sprach in seinem Hohn, dass ich keine sterbliche Gestalt in dieser Welt finden möge, die in der Lage sei gegen ihn zu bestehen. Wenn du für mich kämpfst, mit Ehre und Leidenschaft, so wie es das Schicksal eines Helden sein soll, dann werde ich dich dorthin schicken, wo dein Schicksal wartet.“

„Nochmal zum Mitschreiben, du würdest mich nach Hause bringen, wenn ich für dich kämpfe?“

„Wenn du es so formulieren willst, aber ja, das könnte ich durchaus. Und das muss man mich nicht fragen, ich bin schlichtweg sehr machtvoll, wenn es um die zahllosen Welten geht.“

„Zahllose Welten?“

Sie lachte markerschütternd. „Du lebst ja wahrlich in einer kleinen Scheinwelt.“

Link senkte den Blick zu Boden, biss sich auf die Unterlippe und grübelte. Er hatte womöglich keine Alternative als sich auf ihren Handel einzulassen, und egal, wie seltsam diese Kreatur war, wie jene von ihr geforderten Kämpfe auch aussehen mochten, niemand sonst würde sich ihm in dieser seltsamen Welt zeigen und vielleicht besaß niemand sonst die Möglichkeit ihn von hier wegzubringen, geschweige denn den Willen ihm zu helfen…

„In Ordnung, ich tu’s.“ Seine Stimme schallte zielsicher über die strahlenden Hügel.

Sie kicherte mit unterlegter Zufriedenheit und Würze. „Oh, und ehe ich es vergesse, für einen solchen Deal benötige ich etwas von dir.“

Der Held seufzte misstrauisch. Er hatte erwartet, dass dieser Deal Fallen besaß.

„Keine Sorge, es ist nicht weiter schlimm“, entgegnete das mysteriöse Gewächs aus Schleiern. „Aber wir wollen ja nicht, dass dein Leben wegen einem kleinen falschen Tritt oder Hieb vergeudet wird, oder dass dein Körper Schaden nimmt, nicht wahr?“

Link schwieg, aber sendete Blicke des Widerwillens.

„Ich brauche nur dein Herz“, sprach sie.

Der blonde, junge Mann konnte ihre Aufwartung kaum ernst nehmen und zögerte deswegen auch nicht. Verwundert beobachtete er die wohl seelenlose Erscheinung, sah sie mit ihren Schleiern, die just wie Quecksilber verpufften, sich näher winden und noch ehe er es völlig verstehen konnte, legte sie jene Schleier auf seine gesunde Brust, saugte an dem Bereich der Haut, wo sein Herz in gesundem Takt pochte und kicherte erneut. Link spürte einen winzigen Stich, das Gefühl, als hatte er zu lange gejoggt, ein Gefühl, als pumpte das Adrenalin in seinem Körper heftiger und plötzlich, so eigenartig und unmöglich es auch sein konnte, lauschte er dem Schlagen seines Herzens nicht mehr, obwohl er noch immer lebte. Er konnte in dem Geflecht aus Schleiern nichts erkennen, wusste, auf seiner Haut war keine Wunde. Sie hatte ihm sein Herz nicht auf natürlichem Wege entrissen, aber irgendetwas hatte sie ihm entrissen. „Und so nebenbei… wenn du meinen Handel brichst, erhältst du dein Herz nicht wieder… und glaube mir, du wirst schon noch merken, dass du es brauchst.“

Link schluckte und spürte trotz der Unruhe und Sorge in sich kaum eine Reaktion in seinem Körper. Da war kein Schweißtropfen, der die Stirn hinab rieselte. Da war auch kein Hämmern in seiner Brust… und da war keine Wärme, wie er sie sonst in sich spürte. Er ballte die Fäuste. „Also gut… dann lass‘ uns beginnen“, sprach er und ließ sich von dem seltsamen Geflecht hinfort tragen…
 

Und vielleicht nicht allzu fern von Link thronte auf einer Terrasse eine, die sehen würde, erhob sich in einem strahlenden, umspielenden Kleid aus elfenbeinweißer Seide. Eine, die alte Gesetze herausgefordert hatte und eine, die einschreiten musste. Erhaben blickte sie über das Land der ältesten Wesen hylianischer Geschichte und ihre wissenden Augen, stechend und voller Silber, sahen durch Dimensionen. „Er wird hierher finden, um sich zu finden… es soll nur einer sein, auf den das Schicksal wartet und doch wird er verfolgt von einem neuen Helden…“ Und in einer bittersüßen Anmut summte jene Gestalt eine Melodie aus alter Zeit und tanzte, als sie ihre Augen schloss auf ihrer gläsernen Terrasse.
 

Nach vielen Minuten, die kaum tickten, war Link nach wie vor in Gesellschaft mit dem Geflecht aus schwarzglänzender Seide und blickte sich mit noch mehr Neugier um, als ihm selbst bewusst war. Die Unruhe und Sorge hier in einer völlig fremden Welt zu sein schien wie weggeblasen, alles, was er noch wahrnahm war eine grandiose Aufregung, die er jedoch körperlich kaum spüren konnte. Gemeinsam mit der seltsamen Kreatur befand er sich in einer riesigen altertümlichen Stadt, die ihn an die aufblühende Gesellschaft vergangener Epochen erinnerte. Da waren winzige Gassen und verzweigte Straßen, die in das Zentrum führten, Fortifikationsbauten, Stoen, Torbauten, riesige Villen mit stützenden und verzierten Säulen, gläserne Tempel und sehr viel Grün, das jene Stadt als ein Kunstwerk der Natur beließ. Und überall waren Gestalten in seidenen Gewändern, erwachsene Personen und Kinder. In seinen tiefblauen Augen glomm ein neuer Zauber der Begeisterung für das rege Treiben einer anderen Welt, für ein faszinierendes System eines wohl zufriedenen Volkes, angeführt von magischen und göttlichen Wesenheiten. Und wo die riesigen majestätischen Hallen seine Blicke eingefangen hatten, so sah er mit weiterem Erstaunen Geschöpfe, die er in keiner Welt erwartet hatte. Aus den Gebäuden, die Straßen hinab wandern, sich an Ständen des Markplatzes bedienend, kamen Wesen mit spitzen Ohren, Gestalten, die er in dieser Form nur von einer Spielwelt kannte. Eine blaugeschuppte Frau, rundlich, kreuzte seinen Weg, besaß sie an den Unterarmen Flossen und trug einen Korb mit rosenkohlartigem Gemüse auf ihrer breiten Schädeldecke. Schwarze, schillernde Augen blickten ihn desinteressiert an. Ein langgewachsener Mann mit spitzen Ohren und kahler Schädeldecke führte ein Einhorn an einer Leine, wirkte etwas gehetzt und grummelte, als er vorüber ging. Drei Kinder, die aussahen wie pelzige Steine, donnerten mit ihrem schweren Gewicht an ihm vorbei, rempelten ihn an und blickten mit breitem Grinsen in seine verwunderten Gesichtszüge.

„Ich bin in einer Welt der unsterblichen Geschöpfe gelandet, habe ich Recht?“, murmelte er benommen, richtete seinen Blick an die strahlenden Bauten, wo riesige Efeuranken wuchsen und Knospen in allen Farben leuchteten und beobachtete die Wesen, die sich komplett von Menschen unterschieden. Er grinste mit überwältigender Begeisterung, als er verstand, dass er gerade Zoras und Goronen begegnet war… echten Zoras und echten Goronen.

„Du hast sehr wohl erfasst, dass du nicht auf der Erde bist und jetzt quatsche nicht zu viel, folge mir!“, sprach das Wesen, das ihm nicht seine wahre Gestalt verraten wollte. Fassungslos folgte der junge Heroe dem Weg durch die schmalen Gassen und Gärten, ließ seine Augen von dem Wunderwerk dieser alten Welt gefangen nehmen und wusste doch nicht, wie ihm geschah…
 

Es dauerte nicht lange und sie erreichten am Rande der riesigen Stadt eine goldene Halle, welche geschmückt wurde von Bannern aus allen Farben der Welt. Wappen von scheinbaren Adelshäusern waren auf Flacken aufgestickt und im Hintergrund summte der Klang von zerberstendem Metall im Rhythmus von Schlachtrufen und Kämpferehre.

„Wir sind nun in der Trainingshalle angelangt. Du wirst dich von Meister Demion einweisen und ausrüsten lassen. Ich weiß, du hast Erfahrung im Schwertkampf“, sprach die Gestalt im schwarzen Schleier unbeeindruckt.

Link nickte fahl, war zu berauscht von der Umgebung als zu verstehen, dass er sich in einer mehr als gefährlichen Situation befand. Es war nicht nur, dass er einen waghalsigen Deal geschlossen, seine Verletzlichkeit verloren und in einer fremden Wirklichkeit gefangen war, vielmehr musste er realisieren, dass er gegen Schwertfechter antreten würde, die ihm wohl kaum unterlegen waren. Er trat mit schwindelerregender Aufregung in das ehrenvolle Gebäude ein, hörte ein lautes Dröhnen des Tores hinter sich, das sich unvermittelt schloss und die Gestalt mit ihren schwarzen Schleiern schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Der junge Held zuckte zusammen, erblickte vor sich einen finsteren Gang, in welchem Holschnitzereien und Jagdtrophäen an den Wänden angebracht waren. Ausdrucklose Hirschköpfe mit riesigem Geweih starrten ihn nieder, als wollten sie ihm die Lebensenergie entziehen. Mit hungrigem Magen stolperte Link vorwärts, ging dem Klang von zerberstendem Metall nach und erreichte am Ende des Ganges eine große Halle mit Holzauskleidung, wobei jenes beinahe überall im Raum abgewetzt war. Ein kahlköpfiger Hüne von einem Mann mit Hörnern und nur schwach bekleidet mit lederner Hose lehrte Krieger in den unterschiedlichsten Rüstungen. Er schwang eine rotglühende Axt, als hielt er sie alle paar Minuten in versenkendes Feuer.

Er schnippte mit den Fingern, worauf die Krieger in den unterschiedlichsten Rüstungen in Rauch verpufften und nur noch Link und jener Meister des Kampfes von einer unangenehmen Stille eingenommen wurden. Der junge Held traute sich kaum vorwärts, fühlte seine Füße mit dem Boden verschmelzen und fragte sich noch mehr, wie er diesen Horror überleben sollte. Seine Seele schrie innerlich und doch steuerte ihn eine geheime Marionette, die seiner Seele das Herz entrissen hatte.

„Krieger der Göttinnentochter“, raunte es. „Was ist dein Begehr?“

„Ich soll mich einweisen und ausrüsten lassen“, erwiderte Link wie unter fremder Steuerung. Irgendwo ahnte er, dass dieser Lehrmeister kaum an einer Interaktion mit ihm interessiert war.

„Du hast keinen Wunsch an einen Meister des Kampfes?“ Und erst da erkannte er eine versteckte Menschlichkeit in der grollenden Stimme des Hünen. Verwundert hob Link den Kopf, als sich der Krieger noch mehr brüstete und wie ein riesiger Schatten vor ihm thronte. Und da konnte der Erdenbewohner dem Krieger in die Augen blicken. Augen, die ihm sonderbar vertraut erschienen. Augen mit rotglühendem Feuer und einem gelben, wahnsinnigen Stich dämonischer Ursprünge. Irritiert wich Link zurück und erkannte in den Gesichtszügen des Mannes eine Ähnlichkeit mit Ganondorf, die ihm eine neue Form von Furcht lehren sollte.

„Du bist…“, stammelte er und hatte das Gefühl den letzten Boden unter den Füßen zu verlieren.

„Du glaubst etwas über meinen Stamm zu wissen aus deinem kleinen Niemandsland!“, sprach er ruhig und doch unterlegt mit einem gefährlichen Nachhall. „Was du zu wissen glaubst, lass‘ es ruhen. Dein Feind, der sich einer seelenfressenden Macht bediente, war einst vor Ewigkeiten eine sich selbst erhebende Geißel meines Volkes. Aber dies ist nicht das Wissen, das du hier erlangen solltest. Sag‘ erneut, welchen Begehr du hast.“

„Ein Wesen aus schwarzen Gewändern führte mich hierher… ich suche nach einem Weg zurück in meine Welt und habe mich entschlossen für sie zu kämpfen.“ Die Worte sprudelten aus seinem Mund, als habe er sie auswendig gelernt.

„Das ist noch törichter als dein Glaube, dein Feind sei nur ein Dämon ohne Geschichte.“

Link verstummte und blickte zu Boden.

„Was ist dein Wunsch?“

„Ich will zurück in meine Welt!“, sagte Link fordernder.

„Sag‘ erneut, was ist dein Wunsch!“ Die dröhnende Stimme des Kriegers wurde noch ungeduldiger.

„Ich verstehe nicht, was du meinst!“

„Ich glaube aber, dass du mich verstehst“, sprach der scheinbare Dämon verbittert. „Du hast unzählige Wünsche, und es gibt einen, der für einen Krieger heraussticht. Ich sehe keine Angst, denn du beschäftigst dich mit dieser. Ich sehe keine unausgesprochene Sehnsucht nach Liebe, denn du liebst jemanden mit dem Herzen, das von der Göttinnentochter gehütet wird. Aber ich sehe eine Begierde, die du streng gehütet hast… einen vergifteten Kern, der meinem Kriegervolk wohl gefällt. Eine starke, uralte Sehnsucht nach blutendem Stahl.“ Er stützte sich auf seine rotglühende Axt, die just in dem Augenblick verglühte und lächelte auf eine soziopathische, vergiftete Weise. Erst jetzt bemerkte Link die riesigen Narben auf der breiten, nackten Brust, auf den Armen und dem nackten Rücken des Mannes. „Dein Wunsch und deine Hemmung gleichzeitig ist der Trieb zu töten.“

Link schluckte und wusste nicht, ob das leichtfertige Aussprechen von so viel Widerwertigkeit oder sein tatsächliches Gefühl von verlierender Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber ihm mehr zusetzte. Der Wunsch seine Klinge tanzen zu lassen, das Schwert versenken zu sehen, erfüllte ihn tatsächlich… und doch spürte er die bitteren, moralischen Gefühle in sich brodeln, das Blut an seinen Händen klebte.

„Du solltest erkennen, das auch in dem Erbe deiner Seele und früherer Generationen unaufrichtige Wünsch stecken, Bedürfnisse eines Helden, Blut, das nicht immer nur edel sein kann. So wie in meinem Volk… das einen Mann hervorbrachte, der es würdig zu sein scheint dich als Gegner zu spüren. Dich und Ganondorf verbindet mehr als du denkst.“

Und es war dann, dass dem oftmals so unschuldig wirkenden Jugendlichen diese Reise und die Dinge, die er hier erfahren würde, so bewusst wurden wie kein Wissen vorher. Es gab tiefe Gründe für seine Rolle in den Kämpfen um Macht und Rettung. Ein dünner Faden des Schicksals verband ihn nicht nur mit Zelda, sondern auch mit Ganondorf. Und vor dieser Erkenntnis würde er gerne flüchten…

Erneut schnippte der Meister mit den kräftigen Fingern und noch ehe Link wusste, wie ihm geschah, umhüllte ihn eine smaragdgrüne, eher leichte Rüstung mit dunkelgrauen Bein- und Armschonern. „Du bist bereit Schmerz zu erfahren, wärst auch bereit zu sterben. Zu mehr kann ein Mann nicht bereit sein und wenn dem so ist, kann ich dich nichts lehren. Gehe, Kämpfer. Ich wünsche dir einen herausragenden Tod.“

Und dort auf seinem Rücken trug er ein silbernes Schwert mit schlichtem Griff, das im Licht dieser heiligen, alten Welt im tiefen Grün der Wälder und der Hoffnung strahlen konnte. Eine Waffe, so unwirklich wie Link sich gerade fühlte, so tödlich wie auch magisch und dem Masterschwert beinahe ebenwürdig. Dann wurde es vor Links Gesichtsfeld dunkel, als sich ein Helm mit Wolfsmaske auf seinen Kopf senkte und das Bild eines von scharfkantiger Rüstung geschützten, erbarmungslosen Kriegers erstarkte.
 

Es war beinahe so, als konnte Link schweben. Die nächste Stunde fühlte sich für den jungen Kämpfer an, als würde die Zeit hier in dieser Dimension in einem Wimpernschlag vorbeiziehen, flüchten und doch kaum Gehör finden. Zeit, die einzige Macht über welche Link in seiner Vergangenheit verfügen konnte, besaß hier keine Berechtigung und keine Realität. Und als er seine Augen erneut öffnete, trat er unbeeindruckt, so, als handelte sein Körper nur noch instinktiv, vorwärts, lauschte einem stapfenden Knacken von Hundert Füßen, spürte sein Blut vibrieren angesichts flüsterndem Stahl und klappernder Rüstungen. Ein Geruch nach Verwesung und Schlachtfeld, Rauch und Säure, hing in der Luft, in Katakomben mit Dutzenden Zellen. Und doch spürte der junge Krieger kaum die Angst, die er sich so geschickt zu Nutze gemacht hatte. Er spürte nicht den unentrinnbaren Ehrgeiz und die Düsternis, die Gefahr mit sich bringen konnte.

Hier in jenen Katakomben hausten sie, versklavte Krieger jeder Herkunft, jeder Statur, einer mit Muskeln so hart wie Stahl, einer mit Magie im Blut, selbst Wesen, die Link nicht mehr menschlich nennen konnte oder lebendig. Ein Wesen trug Bandagen um den Körper gewickelt, die teilweise glühten, vielleicht ein Flammengibdo aus alter Zeit. Ein weiteres knöchernes Wesen lebte mit seinem tödlichen Willen ohne Fleisch, klapperte, raschelte und erinnerte Link an seinen Kampf gegen die Skelettritter in den Wäldern seines Heimatortes. Wenn sein Gegner ein Skelettritter wäre, dann würde er diesen Kampf sicherlich gut überstehen, dachte er. Andererseits, und da war ein gefährlicher Gedanke, der sich in seinem Kopf entwickelte, pochte er auf die Herausforderung eines brennenden Kampfes, durstete nach der Erfahrung gegen eine neue Kreatur zu kämpfen, den Stahl schmettern und Knochen bersten zu hören, dem leidvollen Gesang zerstückelten Lebens zu lauschen… Und im nächsten Moment wiederum erschrak er an seinen eigenen Gedanken. Er griff sich an seine von Stahl geschützte Stirn, wollte fühlen, ob er vielleicht doch nur träumte. Was ging, bei Farore, in seinem Kopf vor sich? Durstete es ihm tatsächlich nach einem Kampf gegen düstere Kreaturen? Und was war überhaupt mit dieser Rüstung? Wunderte es ihn denn gar nicht eine solch schwere Rüstung zu tragen?

Er orientierte sich einmal mehr hier in diesen elenden, stinkenden Kerker und bemerkte in einer Ecke, wo das Fackellicht kaum hinfand, eine schweigsame Gestalt hocken. Ein breitschultriger Kämpfer saß dort wie ein Assassine, sich selbst versteckend in einem bleichen Umhang aus glattem Leder mit einer sehr breit geschnittenen Kapuze, die er sich über das gesamte Gesicht gezogen hatte. Link hatte jene Gestalt angesichts der vielen Eindrücke kaum wahrgenommen, oder versagten hier in dieser erschreckenden Form der Realität seine Sinne und Fähigkeiten? Was war, wenn die schleierhafte Gestalt von vorhin ihm seine Talente geraubt hatte?

Noch immer starrte Link gebannt zu der Gestalt, die wohl deutlich spürte beobachtet zu werden. Und gerade da neigte jener Kämpfer seinen Kopf ein wenig zurück, sodass weißleuchtende Augen sichtbar wurden. Link konnte in der Düsternis keine Gesichtszüge erkennen, er sah nur diese durchdringenden weißen Augen wie grelle Sterne funkeln. Und auf eine unheimliche Weise spürte Link eine neue, beinahe legendäre Gefahr von dem verhüllten Krieger ausgehen.

In dem Moment ertönte ein ohrenbetäubendes Horn, jäh schickte es eine alptraumhafte Melodie in die unheilvollen Kerker, ließ die Wände vibrieren, sodass winzige Steinchen vom Mauerwerk rieselten. Links wache Augen wanderten durch die finsteren Gänge, beobachteten die vielen versklavten Wesen und sahen in den vielen Gesichtszügen den Anflug von Angst und Schauer. Das mächtige Horn musste das Signal für den beginnenden Kampf sein. Der Kampf, der darüber entscheiden würde, ob Link zurück nach Hause fand…

Erneut warf Link einen Blick zu dem verhüllten Krieger, der jedoch ganz plötzlich verschwunden war, so als hätte er sich in Luft aufgelöst. Aber Link dachte mit einem stillen Grinsen unter seinem Helm, dass jener wohl nicht das erste Wesen, das ihm über den Weg lief, war, das sich in Luft auflösen konnte.
 

Und in den Kerkern, wo die Krieger in ihren Rüstungen schwitzten, herrschte mehr und mehr Aufregung. Ein lautes Gedränge nahm zu, und ein Strom bildete sich. Die Kämpfer zog es strudelartig vorwärts und auch Link schloss sich an. Es war wohl soweit, dachte er. Außerhalb dieser Katakomben würde eine Arena warten, mit Hunderten Zuschauern, die nur darauf warteten Blut fließen zu sehen. Aber auch diesmal berührte ihn der Gedanke kaum. Beinahe lethargisch ließ der vergessene Heroe die Geschehnisse ablaufen, stapfte in eigenartiger Erwartung vorwärts, roch den tierischen Schweiß der unzähligen Kämpfer, hörte die quietschenden und grölenden Stimmen einer tobenden Menge immer deutlicher. Und je weiter er in seiner Rüstung vorwärts trat, umso mehr konnte er den pastellenen Schein der Welt außerhalb in die finsteren Gänge strahlen sehen. Ein Schein, der beinahe beruhigend durch das seltsame grüne Metall seiner Rüstung strahlen konnte und eine wundersame Wärme schenkte. Es war beinahe so, als konnte dieser milde Schein ihn berühren, so als wollte es ihn trösten…
 

Als Link mit den anderen Kriegern, die allesamt in unheimlicher Weise verstummten, heraustrat, bestätigte sich seine Vermutung. Vor ihm lag eine riesige Arena mit Tausenden Geschöpfen auf Hunderten Rängen. Und inmitten des runden Bauwerks auf einem nackten, riesigen Felsen versammelten sich die Kreaturen, die zu sterben bereit waren. Ein vielleicht Hundert Meter tiefer Abgrund trennte die Kämpfer von den Zuschauern und ließ den Kämpfern keine Möglichkeit zur Flucht. Einige der Krieger schlotterten mit den Knien. Einige wirkten unruhig, verängstigt, so als wussten sie, dass sie sterben würden. Nur Link blieb gelassen, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Je mehr Zeit dahinschwand, umso mehr schien sich das, was die verschleierte Gestalt ihm entrissen hatte, zu manifestieren. Dieses ganze Geschehen kam ihm so unwirklich vor. Selbst wenn er sterben würde, wovor sollte er sich noch fürchten?

Die Menge bestehend aus Wesen aller möglichen Völker begann zu toben. Humanoide Lebensformen mit riesigen Schnäbeln im Gesicht erhoben sich neben Zoras, Steinfressern und Gestalten aus Holz mit maskenähnlichen Gesichtern. Sogar Menschen mit spitzen Ohren, vermutlich Hyrulianer, tobten und klatschten, ergötzten sich an dem makabren, mittelalterlichen Schauspiel, das folgen sollte. Und auf einer Tribüne thronte ein riesiger Moblin, der das mächtige Horn von vorhin ein weiteres Mal blies. Übersät mit Narben auf dunkelroter Haut trug er lediglich einen Rock aus braunem Pelz. Link erstaunte ein wenig, hatte er doch noch nie einen so riesigen Moblin, nicht einmal im Zeldaspiel, erblickt. Er musste etwa drei Meter groß sein und besaß eine Schnauze, die ein Kaninchen mit einem Happen herunterwürgen konnte. Er war derjenige, der vermutlich über die Arena bestimmte. Denn die Menge blickte gebannt auf ihn. Erst jetzt fiel dem Heroen auf, dass sich diese Wesen allesamt in einer fremdländischen Sprache unterhielten. Die anderen Krieger, mit denen er nun hier auf diesem riesigen Felsen stand, warfen vereinzelt Worte umher, die Link nicht kannte. Auch die Menge brüllte Worte, die sich dem Wissen Links entzogen. Wie sollte er hier überleben, wenn er nicht einmal verstand, worum es ging?

Wie aber konnte er die verschleierte Person verstehen, die ihn erst in diesen Wahnsinn getrieben hatte und wie hatte er es geschafft den dämonischen Hünen zu verstehen, der ihn ausgerüstet hatte? Konnte es sein, dass sein Verstand, je länger er hier verweilte, immer mehr verrücktspielte?

Und plötzlich ertönte das gigantische Horn ein weiteres Mal, sodass Link abrupt aus seinen Gedanken gerissen wurde. Er hatte den Eindruck, dass sich alle Krieger bereit machten. Doch bereit wofür? Wenn sie kämpfen sollten, gegen wen?

Link konnte beobachten wie die Versklavten begannen ihre Waffen bereit zu machen. Das Klirren von gewetztem Metall summte in seinen Ohren nach und doch ließ es nicht sein Blut wallen. Noch immer spürte er diese Unempfindlichkeit, diese seltsame Form von Leere, die ihn völlig klar und ohne Angst sehen ließ. Link spürte, dass er immer weniger getrübt war von Sorgen und Zweifeln, im Moment sah er diesem Kampf mit erschreckender Gelassenheit entgegen. Hatte er sich vorhin Sorgen gemacht, dass er diese fremde Sprache nicht verstand? Was sollte schon geschehen, dachte er. Hier auf dem Schlachtfeld gab es ohnehin nur die Sprache der Schwerter. Und kaum war jener Gedanke erloschen, geschah etwas, was sich dem Auge Links zunächst entzog. Irgendetwas schlich umher, hier wo die verängstigten Kämpfer auf Erlösung oder Tod warteten, vielleicht war dies ohnehin für viele dasselbe.

Etwas schlich umher und es begann mit stiller Verwunderung. Einige spürten, dass hier auf dem Plateau der Kampf begann, einige jedoch warteten noch immer, hefteten ihre Blicke auf den Schiedsrichter und fielen innerhalb von schwindenden Sekunden. Leise zog der Schrecken des Krieges über die Arena und die erste Gewissheit für Link, dass eine neue Gefahr beinahe unsichtbar tobte, wuchs, als ein eher schwächlicher, kleiner Bokblin, der keine zehn Meter weiter stand, plötzlich zu Boden fiel, still, leblos mit zerfetzter Kehle. In Sekundenbruchteilen wurde ihm das Leben genommen und in Sekundenbruchteilen fielen weitere Versklavte. ,So war das also‘, dachte der Heroe. Es ging gar nicht darum, dass hier mehrere Kämpfe stattfanden. Und es ging auch nicht darum, dass hier irgendwer lebend herauskam. Dieses Schauspiel diente vermutlich nur dem einen Krieger, der hier scheinbar wahllos die Versklavten abschlachtete.

Weitere Wesen fielen. Einer nach dem anderen sank auf die Knie, einmal mit zerfetzter Kehle, einmal mit einem Stich im Herzen oder zerstückeltem Unterleib. Beinahe lautlos starben die Versklavten, während hoch oben auf den Tribünen die Geschöpfe dieser unsterblichen, magischen Welt jubelten und begannen zu applaudieren.

,Welcher Wahnsinn herrschte hier‘, fragte sich Link. Wie sollte er von einem solchen Ort aus nur wieder sicher nach Hause gelangen?

Wachsam beobachtete er die Szenerie, bereit sich mit allem zu verteidigen, was er an Stärke und Mut aufbringen konnte. Aber der beinahe unsichtbare Krieger, der die Wesen abschlachtete, konnte womöglich nicht von einem einfachen Erdenjüngling aufgehalten werden. Immer weniger Kreaturen auf dem Schlachtfeld blieben übrig und noch hatte der unheilvolle Schatten Link nicht berührt, was ihn allmählich verwunderte. Warum griff der scheinbar Unsichtbare Krieger jeden hier an, nur nicht ihn?

Und je mehr Kreaturen fielen, umso mehr bestätigte sich seine Vermutung. Irgendetwas hier war noch fauler als sein Auftauchen in diesen legendären Gefilden. Was war es, dass das Wesen in den schwarzen Schleiern von ihm wollte? Dass er gegen den Gott des Krieges bestehen sollte? Dass Link in der Lage war eine Wette zugewinnen, die von vornherein verdammt war?

Und als der junge Erdenbewohner einen tiefen, vorbereiteten Atemzug nahm, war er tatsächlich der letzte Kämpfer, der noch auf seinen Beinen stand, unberührt, noch immer wachsam und von furchtlosem Erstaunen erfüllt. Die Arena glich einem Massenvernichtungslager. Ausgebreitet und blutend lagen überall Körper von denen, die verurteilt waren zu fallen. Sie alle wussten von ihrem Schicksal die Mordlust einer weitaus gefährlicheren Bestie zu befriedigen. Wer immer auch der Richter war, er wusste um dieses vom Wahnsinn besessene Spielchen und kannte keine Gnade mit den Kreaturen, die sich dem ein oder anderen Verbrechen in dieser Welt schuldig gemacht hatten. Aber welches Verbrechen hatte Link begangen, dass er hier stand? Der Deal, den er geschlossen hatte, um erneut auf die Erde zu gelangen… war dies eine Falle?

Obwohl ihm die verhüllte Gestalt mit ihren undurchdringbaren Schleiern nicht sympathisch erschien, so hatte er dennoch auf einen Funken Ehrgefühl vertraut. Und was war mit dem Gefühl der Verletzbarkeit, seinem Herzen, das sie ihm angeblich entrissen hatte?

Plötzlich herrschte in der gesamten Arena eine gespenstische Stille. Die Zuschauer auf den Rängen schwiegen, beobachteten und waren womöglich irritiert, weshalb ein einzelnes Wesen wie Link es war, ohne Harm auf dem Schlachtfeld stand. Oder sie ahnten und wussten, was folgte. Vielleicht war er auch hier auserwählt für eine spezielle Vorführung?

Link überblickte das Schlachtfeld und wunderte sich immer mehr… überall lagen die Sterbenden, aber wo war das namenlose Grauen, das über das Feld gezogen war wie ein Giftgas? Er bewegte sich langsam vorwärts, seine scharfen Augen ließen nichts außer Acht und gerade da, keine zehn Meter vor sich, erhob sich ein Mann in einer grauen Rüstung, glänzendes Leder war es, mit Stahlplatten versehen. Es war genau jener Krieger, der aussehend wie ein Assassine, in Links Zelle gehockt war, ihn beobachtet hatte. Seine lange Kapuze ließ erneut keinen Blick zu.

Link spürte kein Angstgefühl in sich, aber das Gefühl, dass ihm die Kehle zugeschnürt sein sollte, war dennoch vorhanden. Erst recht, als der brutale Kerl, der hier Hunderte Kreaturen abgeschlachtet hatte, mit gemächlichen und lautlosen Schritten auf ihn zusteuerte. Link hatte den Eindruck die Sekunden gefroren, als begann sich selbst die Zeit vor jenem Krieger zu fürchten. Und als er näher trat, zog der Mann eine Waffe, die dem jungen Heroen gespenstisch vertraut erschien. Vertraut nicht nur hier… sondern vertraut aus einem Videospiel… Ein Schwert tanzte in der Luft, das sich aus zwei schlangenartig geformten Klingen zusammensetzte. Eine eigenartige Waffe, sehr lang und erhaben, und nur die Waffe eines unheimlich mächtigen Wesens. Eine weitere Gewissheit tat sich dem Heroen auf, als nun endlich die graue, riesige Kapuze von dem Kopf des Mannes fiel… darunter waren seine vertrauten Wesenszüge. Darunter waren weißleuchtende Augen, die darüber belehrten, dass hier keine Sterblichkeit vorhanden war. Darunter war dieses markante Gesicht, bleich, und ohne Mitgefühl und Lebendigkeit, mit einer Kriegerbemalung versehen Ein Krieger, der so unsterblich, doch nur in dieser Welt leben konnte. Und er war mehr als ein Krieger, er war ein Gott…

Link sank auf seine Knie. War das wirklich möglich? Vor ihm stand die Grimmige Gottheit!

Und jener Kämpfer trat weiterhin so gemächlich und unbeeindruckt in Links Richtung, bis er seine stählerne Waffe in den Boden rammte und sich mit einem amüsierten Ausdruck in seinen schönen Gesichtszügen auf die Klinge stützte. „Ich hätte mehr erwartet“, sprach er mit einem lächerlichen Unterton in den Worten. Er besaß eine scharfe, schneidende Stimme, nicht so tief wie Link erwartet hatte. „Du wusstest, dass du hier stehst, umgeben von dämonischer Brut, von jenen Geschöpfen, die du in Hunderten Leben gejagt hast. Nicht eine Kreatur hast du hier auf dem Schlachtfeld zu Boden gebracht!“

Irritiert zog Link den wolfskopfähnlichen Helm von seinem Kopf. Das Wort Aber blieb ihm in der Kehle stecken. Dieser Ort war ohnehin makaber für ihn, aber dass er hier scheinbar versagt hatte, weil er nicht getötet hatte, ließ ihn sich noch mehr Ekelgefühle entwickeln. „Du hast versagt… erneut, nicht wahr?“, sprach der grimmige Gott belustigt.

„Moment mal“, sprach Link endlich. „Ich wusste nicht, dass ich… diese Wesen um mich herum…“

„… Ja?“

„… töten sollte…“

„Warum musstest du das wissen? Du hättest deinen Instinkten lauschen müssen, so wie andere Helden vor dir und Helden nach dir!“, sagte der Krieger mürrischer.

„Heißt das, ich habe die Wette verloren?“

Daraufhin begann sein Gegenüber einfach nur zu lachen. Und er lachte mehr als gehässig.

„Du hättest gegen mich bestehen müssen, gewiss. Aber anders als du dachtest. Du hättest mehr Abschaum töten müssen als ich. Stattdessen standst du gelähmt hier und wusstest nicht, was du tun solltest.“

„Gegen den Gott des Krieges bestehen…“, murmelte Link. „Ich wurde reingelegt, ich dachte, ich hätte gegen dich kämpfen müssen… “

„Gegen mich kämpfen“, lachte der Mann. „Du hättest nicht den Hauch einer Chance.“ Link blickte gedemütigt zu Boden. Ja, das wusste er selber auch.

„Nun gut, damit das Volk zufrieden ist, muss ich dich dennoch zu Boden bringen.“ Und ehe Link wusste wie ihm geschah, spürte er das Heft der legendären Götterklinge auf seinem Schädel und sank zu Boden wie ein nasser Sack. „Du bist selbst dran schuld, was nimmst du auch deinen Helm ab“, lachte der Krieger und dann wurde es schwarz vor Links Sinnen…
 

Der junge Held, ummantelt von dem seltsamsten Schlaf, den er in seinem kurzen Erdenleben jemals haben würde, hier in dieser ewigen, malerischen Dimension, bemerkte nicht, dass sein bewusstloser Körper an den sichersten Ort überhaupt gebracht wurde, hoch in den silbernen Palast im pastellfarbenen Himmel. Er spürte nicht die göttlichen Hände, die ihn wonnevoll berührten, hier in einer anderen Zeit und Welt. Und er blickte auch noch nicht in diese leuchtenden, unfassbar anmutigen Augen, die ihn mit blühender Verzückung betrachteten. Eine heilige Entität wachte nun über ihn, besänftigte und löschte die Verwirrung in seinen Gedanken und beruhigte die alte, mutige Seele in ihm. Eine Seele, die sie immer wieder in verwirrendes Erstaunen brachte, die ältesten, stärksten Gefühle empfinden ließ und sie beinahe sterblich machte. Sie würde sterben für ein menschliches, starkes Herz, dass es verstand legendären Mut in allen Facetten zu verinnerlichen.

Ja, sein Schlaf würde seltsam sein, ein Schlaf im Traum und ein Traum ohne Schlaf, kaum real genug für bleibende Erinnerungen. Sein tiefer Schlaf hier an diesem Ort der Sagen würde heilsam und voller Wunder sein. Denn sie war hier, flüsterte Formeln alter Magie in seine Ohren, erinnerte ihn an seine Ideale und alles, was er war.

„Du bist mein… für alle Zeit. Es gibt dich in vielen Gestalten und doch gibt es nur einen wahren Heroen des Schicksals. Ich schenke dir einen Hauch der kämpfenden und bittersten Erinnerungen… ich schenke dir die Kraft in jenen Momenten nicht zu zagen und dich selbst zu vergessen um das zu schützen, was du brauchst und liebst.“ Sie, als eine der Alten, hatte alles gesehen, hatte seine Zweifel erkannt und seine Verletzlichkeit. Und sie wusste um den Pfad, der noch vor ihm lag. Sie lenkte noch immer das Schicksal, so wie einst, so nun auch heute.

„Du wirst dich erheben, mein Krieger!“, flüsterte sie über ihre vollen, blutroten Lippen, die sich zu einem Lächeln bewegten, in ihrem ebenmäßigen Gesicht. Sie strich sich göttliches, sonnenlichtgefärbtes Haar hinter spitze Ohren, als sie seine ruhende Form auf die Stirn küsste. Es war nicht so, dass Link durch den süßen Kuss aufgewacht wäre, aber ein leichtes Zucken seiner Augenlider verriet die Entrückung, die er womöglich empfand. „Meine Schwester hat dir nur deine Verletzlichkeit entrissen, dein Herz kann sie dir niemals stehlen. Ich jedoch schenke dir die kämpfende, wühlende Erinnerung. Du hast deine grausame Natur bereits gespürt, aber von nun an, ist sie erwacht, lebt in Momenten der Gefahr und nährt sich von deinen Zweifeln. Es ist an der Zeit wieder Herr über die Zeit zu sein… Zeit war und wird immer dein Element sein.“ Sie erhob sich in ihrer vollen Pracht, tanzte im Licht ihres weißen, schimmernden Gewandes und ließ hier in dieser Welt der pastellfarbenen Abenddämmerung ihre Göttlichkeit spielen. Sie begann zu summen, ein Lied so rein und unerreichbar wie Götter es in ihrer Allmacht sein sollten. Und es war diese legendäre Weise, die dem jungen Mann, einen Seufzer des Aufwachens entlockte. Seine Hände stemmten sich in flauschiges, samtenes Material wie Federn, als er sich aufrichtete, seine Ohren gekitzelt von einer alten Weise, die er irgendwo tief in sich verankert hatte. Jemand summte Zeldas Wiegenlied…

Seine tiefblauen Augen schillerten, wurden geblendet von der reinen Welt, die in Anwesenheit jener Entität, entstand. Noch ehe Link realisierte, sich an diesen Ort erinnerte, erblickte er sie in ihren prächtigen, heiligen Farben. Sie strahlte… ja, sie strahlte in einem warmen, goldenen Licht. Und für einen schwachen Moment sah Link nicht die Göttin, diese ehrwürdige Schutzheilige eines alten Landes, nein, für Sekunden, gefroren unter diesem Zauber lang vergessener Welten, sah er nur das anmutige Mädchen aus seinen verlorenen Erinnerungen. Das Licht seiner Seele… sein Licht, für das er immer wieder bereit war zu sterben.

Seine schwachrosa Lippen öffneten sich einen Spalt um einen tiefen Atemzug nehmen zu können, der doch stockend schien. Und mehr noch überkam ihn eine pochende Anspannung in seinen jugendlichen Gliedern, entsetzlich und schmerzend. Sein Herz begann zu trommeln, so wild, dass er Sorge hatte, es pochte ihm aus dem Brustkorb. Sein Verstand begriff allmählich, dass jene märchenhafte Gestalt getaucht in Pastell nicht seine Zelda war, sein Körper versuchte ihn forscher die Bedeutung und Tragweite dieses Geschehnisses bewusst zu machen, versuchte ihn zu belehren, dass er einer sehr alten Reinkarnation gegenüberstand.

Er seufzte und riss seine tiefblauen Augen immer weiter auf, als dieses leibgewordene Märchen in einem weißen Kleid, gewebt mit silbernen Federn und durchsichtiger Seide, in seine Richtung trat, nein… sie schien eher zu schweben. Er versuchte das überfällige ,Wo bin ich‘ aus seinem Mund gleiten zu lassen und erschrak an der stockenden Bedeutungslosigkeit seiner Worte. Alles in Nähe dieser Entität war bedeutungslos…

„Du weißt, wer ich bin…“, sprach sie leise und trat in ihrer Gewandtheit immer näher. Sie lächelte wissend, als sich ihr goldener Schleier verflüchtigte. Und erst jetzt realisierte Link die feine Zierlichkeit stärker ausgeprägt als er es bei Zelda kannte. Er beobachtete die grazile Art sich zu bewegen mit diesem schlanken Körper, der reifer war als er es kannte. Hochgewachsen war sie, diese Göttin, fesselnde, reife Weiblichkeit verriet ihr Gewand… und dieses strahlende Licht in ihren lächelnden Gesichtszügen… Link wusste es anhand der Milde, Geruhsamkeit und tiefen Selbstsicherheit, mehr noch… zufriedener Seelenruhe, dass sie frei war von menschlichen Versagensängsten wie die Zelda der Erde sie teilte.

Er traute sich kaum zu antworten, obwohl er doch der Herr des Mutes sein sollte. Er traute sich ja nicht einmal mehr sie länger zu betrachten. Wie, um Himmels willen, verhielt man sich gegenüber einer Göttin? Besaß er überhaupt das Recht sie zu betrachten, etwas so Reines, Edles?

„Hylia…“, sprach er endlich, leise, über eine trockene Zunge gleitend und doch melodisch. Er sinnierte über diesen Namen, blickte zu seinen menschlichen Händen. Er wollte sich aus diesem mit weißen Federn bedeckten Bett erheben, gleichzeitig schwirrte der unsinnige Gedanke durch seinen Kopf, dass er ohnehin nicht wusste, wohin er gehen sollte. Erst jetzt bemerkte er einen mittelstarken Schmerz ausstrahlend von seinem Hinterkopf, und die Erinnerungen der letzten Ereignisse kamen zurück. Der unsinnige Kampf in der Arena. Das Götterreich. Die grimmige Gottheit. Der unnötige Schlag auf den Kopf…

„Er brachte dich zu mir… Du hast nicht versagt, wie solltest du auch?“, beantwortete sie seine Fragen für ihn. Und es war dann, dass ihre verlockend sinnlichen Augen solcher Klarheit in seine blickten, eine ferne Sehnsucht und doch so viele Zweifel entdeckten. In Hylias Anwesenheit schien jedes Element des Lebens zu gefrieren, denn der junge Heroe hatte nicht wahrgenommen wie sie plötzlich am Randes des Bettes sitzen konnte. In dieser erschreckenden Vertrautheit. Dieser gespenstischen Intimität…

Umständlich hob sich sein Adamsapfel in der trockenen Kehle, als hätte er vergessen wie er schlucken konnte. Links sonst so geschulte, sichere Bewegungen seines agilen, jugendlichen Körpers schienen erloschen, völlig hilflos in der Nähe Hylias. Er vergaß, dass er sich auch in Zeldas Nähe oftmals zerbrechlich fühlte, und gleichzeitig stolz und stark…

Wie nur konnte sie hier sein? Wie nur war es überhaupt möglich, dass er sie traf. Hatte sie sich nicht für die Versiegelung des Todbringers geopfert? War aus ihrem Opfer nicht auch Zelda hervorgegangen? War Zeldas Seele nicht diejenige Hylias?

Nur langsam nahm er seine Umgebung wahr, während er sie an seiner Seite sitzen sah. Er in ihrem Heim, ein Palast aus schillerndem Glas in den Farben Tausender Regenbögen. Der Raum hier in den Höhen dieser Welt wirkte tiefer und größer als er vielleicht war mit hellen Wänden aus sich spiegelndem Kristall, mit einem Brunnen, der sich aus Tiefen mit heilendem Wasser speiste und bewacht schien von nach Lebendigkeit trachtenden Vogelstatuen. Er in ihrem Bett, rund und gemütlich, beinahe unordentlich mit zerwühlten Decken, echten, langen Federn und kuscheligen Kissen… wie ein Nest. Noch im gleichen Moment errötete Link und versuchte jeglichen Gedanken an die Peinlichkeit, die in ihm arbeitete, wegzusperren. Und etwas anderes wurde ihm bewusst… er war wieder er selbst mit allen Empfindungen, seiner Verletzlichkeit und seinem Herzen. Etwas zögerlich spürte er mit seinen Händen dem starken Herzschlag hinterher, berührte seine Brust.

„Habt Ihr…“, murmelte er, noch immer benommen. Ja, was eigentlich? Ihm sein gestohlenes Herz zurückgegeben? Hatte sie den Deal mit diesem merkwürdigen Wesen unterbunden?

„Sie hat dir dein Herz nicht geraubt, nur deine Verletzlichkeit“, sprach sie, leise lächelnd und hielt sich eine Hand an ihre Lippen. Ihre Stimme war dieses unglaubliche Wunderwerk für ihn. Die schier endlose Reinheit und ihr süßer Klang schickte leichte Stiche in sein Herz. Ihre Stimme war von derjenigen Zeldas nicht zu unterscheiden… Link schluckte einmal mehr vor Nervosität umständlich und hielt den Atem an ohne zu wissen warum. Aber vielleicht wusste er auch warum… Wenn Hylia so viel wusste, so viele Sinne besaß und diese schier unglaubliche Macht und Einsichtsfähigkeit einer Göttin… dann wusste sie ja auch, was er gerade empfand. Sie wusste um seine Gefühle für Zelda. Erneut besiegte ihn die Schamesröte und Link verlor die Worte in seinem Mund.

„Du fragst dich wie dies alles hier sein kann, wo doch deine Prinzessin lebt und atmet.“ Sie lachte plötzlich bis Link verstand, dass sie gerade einen sehr unnötigen seiner Gedanken gelesen hatte. Sie besaß ein wunderschönes Lachen, so energisch, ansteckend, wohltuend. Auch war es beinahe magisch ihre Gesichtszüge dabei zu beobachten. Die kleinen Fältchen um ihre Lippen, das unscheinbare Wackeln ihrer zierlichen Nase und das Heben ihrer hellen, schmalen Augenbrauen.

„Nein, Heroe, du bist nicht tot, nur ein anderer, in einer anderen Zeit und Welt, einem anderen Ausgang der Ereignisse. Ich und mein Heroe sind nur hier aus diesem Grund, weil Zeiten und Welten einer Veränderung unterliegen… noch ist nicht entschieden ob zum Guten oder Bösen.“

Nur schwerlich konnte der Held der Erde ihren Worten folgen, verstand aber langsam, dass der grimmige Gott vermutlich ihr Heroe war. Und er verstand, dass große Weltengesetze, zu denen er kaum Einsicht besaß, verändert wurden. Nur deshalb gab es das Götterreich, nur deshalb gab es Hylia in dieser Gestalt.

Aber… und da waren viele Abers…

Wenn Hylia einen Heroen besaß, der dazu noch der grimmige Gott war, wer war dann überhaupt Link, der auf der Erde geboren wurde und mit Hyrule vielleicht gar nichts zu tun hatte? Weitere Zweifel brachen in seinem Kopf nieder wie Dutzende Donnerschläge. Hatten er und Zelda denn überhaupt eine gemeinsame Vergangenheit? Die Bitterkeit seiner Gedanken ließ ihn sich anbahnende Herzschmerzen entwickeln, kleine, dumpfe Wunden, die ihn darüber belehrten wie trostlos sein Leben wäre, würde Zelda und alles, was er über sich zu wissen glaubte, plötzlich verschwinden, untergehen in Nebeln des Vergessens, als würde er verblassen…

Verblassen… das war es… Ein tiefer Schmerz lebte durch jenen Gedanken…

Verblassen…
 

,Ich bin vielleicht gar nicht meiner Zelda Link‘, schallte es bitter in seinem Kopf, ein matter Klang, der in seinen Ohren nachhallte. ,War ich denn überhaupt vorher in einem Hyrule lebendig. Gibt es für mich Reinkarnation so wie für Impa oder Shiek?‘

Links immer so mutige Züge in diesem jugendlichen, frischen Gesicht schienen überwältigt von Zweifeln und anbahnender Trauer. Seine weißen Zähne blitzten je fordernder jene Zweifel über ihn hereinbrachen.

„Du bist ihr Link…“, riss die einstige Beschützerin Hyrules ihn aus dieser nebulösen Leere, aus dem nebligen Gift eines alten Schmerzes, mit dieser glockenhellen Stimme, die jegliche Düsternis ausräumte. Ihre sinnlichen, himmelblauen Augen und diese tiefen Blicke, die sie ihm zuwarf, ließen die Worte nur noch durchdringender werden. „Und du wirst es immer sein. Verzage nicht… denn tief in deinem Herzen weißt du, es gibt nur einen Helden Hyrules, der auf ewig ist.“ Link erstaunte, denn so eindringlich und felsenfest konnte nur eine Göttin reden.

„Sie ist meine Zelda?“, vergewisserte er sich, worauf Hylia ihm ein wohliges Lächeln schickte.

„Wirklich…“, murmelte er und in seinen tiefblauen Augen erstrahlte ein lang vergessener Funke des Glücks. Er lächelte charmant… lächelte so tiefsinnig und strahlend, dass es selbst einer kühlen Göttin wie Hylia Freudentränen in die Augen drückte.

„Und sie wird immer… für alle Zeit deine Zelda bleiben…“, sprach sie klar. Auch sie empfand Freude dabei es noch einmal auszudrücken.

„Sie ist meine Zelda“, rief er glücklich. Und jegliches unbeholfene Ehrgefühl und Schamgefühl hier in Hylias Gemächern zu hocken, verflüchtigte sich. Link konnte nicht über Peinlichkeiten nachdenken, wenn er glücklich war… Pures Glück machte sein Lächeln unwiderstehlich.

„Sie ist meine Zelda!“, rief er noch einmal, lauter. Und diesmal hüpfte er auf seine durchtrainierten Beine, atmete frei und gelassen, genoss seine innere Stärke im Einklang mit seinen Gefühlen. „Ich danke Euch, Hylia.“ Link wusste nur nicht, wie er sich bei Hylia für dieses Wissen bedanken sollte. Entzückt erhob sie sich ebenfalls und war doch tatsächlich einen Kopf größer als er, was ihn erstaunte.

„Ich… kann ich Euch denn irgendwie… danken?“, sprach er schüchtern, seine linke Hand wanderte hinter seinen Kopf. „Nicht nur dafür, dass ich hier in Eurer Obhut bin“, sprach Link, bemühte diese förmliche Anrede, die er nicht gewohnt war, einzuhalten. „Sondern auch für Eure Worte… ich wollte immer glauben, dass Zelda meine Prinzessin ist…“ Sein Blick glitt zu Boden, vielleicht weil er es als ungehörig empfand eine Göttin zulange zu mustern. „Aber ich habe es einfach nicht wissen können… da waren immer Zweifel. Auch jetzt… zweifle ich über vieles.“ Er atmete tief aus, erneut tat ihm der Brustkorb weh, weil er vergessen hatte, normal zu atmen. „Zweifel gehören zu dem Helden der Legende wie sein Schwert“, sprach sie fest. Sie hob ihre lange, weiße Rechte, die beinahe unter einem elfenbeinweißem Trommelärmel verborgen war und berührte abwechselnd beide seiner Wangen. Wie erstarrt ließ Link die Berührung geschehen, nicht sicher, was diese bedeuten sollte. Konnte es sein, dass Hylia ihn einfach gerne berührte? Erneut kroch himbeerfarbenes Verlegenheitsrot über seine perfekte Nasenspitze. Wie kam er überhaupt auf einen solchen Gedanken?

Plötzlich kicherte Hylia, sie kicherte so wie Zelda einst in der ersten Woche in Schicksalshort, die sie mit Link verbracht hatte. Frei und ausgelassen, etwas schrill, etwas piepsig, aber auch entzückend. „Es tut mir leid“, kicherte sie, plötzlich so nah, so… irgendwie… menschlich… ganz und gar nicht wie eine übermächtige Gottheit. „Weißt du, mein Held sah einst fast genauso aus wie du… ich kann ihn in deinen Gesichtszügen sehen. Und auch wenn er und ich untrennbar verbunden sind, ich ihn jederzeit berühren kann, ihn jederzeit lieben kann, so sehne ich mich manchmal nach der Zeit, bevor wir unser Schicksal heraufbeschworen haben.“

Das half dem Heroen als Erklärung gegen seine Schamesröte nur leider nicht. Er fühlte sich nervös und versuchte mit aller Gewalt seine Gedanken zum Schweigen zu bringen. Jedes Wort, das Hylia sprach über Unzertrennlichkeit, über Liebe und Berühren, brachte erotische Bilder in seinem Inneren zum Entstehen, Bilder über Zelda und ihn, Bilder, die sein verliebtes Gemüt ekstatisch in Wallung brachten. Zunächst versuchte er sich durch einen Blick zu Hylia abzulenken, was durch deren Ähnlichkeit mit Zelda keine gute Idee war. Link versuchte seine Blicke nicht zu lange in ihrem Gesicht haften zu lassen, was bloß dazu führte, dass seine Blicke hinabwanderten, zu der Halspartie mit dieser porzellanweißen Haut, dem geschmeidigen Schlüsselbein, wo er seine Fingerspitzen entlang wandern sah, zu diesem perfekten Dekolleté, wo seine Lippen… gar nicht gut.

Ja, das war gerade gar nicht gut… Hatte er das eben wirklich gedacht? Und das vor Hylia! Bei den Göttinnen…

Seine Augen zuckten, schlossen sich, zuckten erneut, schlossen sich, bis er zwinkerte und es einfach nicht unterlassen konnte.

Er brauchte eine neue Ablenkung, ja, genau… Seine Augen hetzten unruhig durch den Raum, nach Möglichkeiten sich hier abzulenken, bis seine tiefblauen, verlegenen Augen auf dem Bett haften blieben.
 

Link hatte das Gefühl sein Körper erstarrte… Er erstarrte und alles, was blieb war tosendes Blut, das sein Herz mit schäumenden Glücksgefühlen füllte. Verdammt, dachte er, es war nicht gut an ein Bett zu denken, wenn Hylia von Berührungen und Liebe sprach…

„Ja, Link“, summte sie unter erneutem leisen Lachen. Oh ja, sie hatte erneut seine Gedanken gelesen, aber das musste sie auch gar nicht. Sein gestenreicher Anblick verriet alles über seine intimen Problematiken. „Es gibt etwas, womit du mir danken kannst.“

Er pustete einen Luftstrom aus seinen Lungen, und versuchte seine Nervosität abzuschütteln. Weg mit diesen Peinlichkeiten, tadelte er sich. Beim lieben Himmel, dachte er…

„Es ist Ewigkeiten her“, begann sie, nun mit einer erschreckenden Veränderung in ihrem Wesen. Gerade noch war da eine heitere Ausgelassenheit, die sich auf alles in ihrer Gegenwart übertragen konnte, aber jetzt überwog eine erschreckende Gnadenlosigkeit in ihren Blicken, die frostig zu werden schienen. Funkelten ihre Augen gerade wie Silber, fragte sich Link?

„Einst besaß ich Töchter und Söhne… siebenundsiebzig waren es. Wunderschöne Wesen und heilig, rein, gesegnet mit Flügeln und Magie.“ Sie trat vorwärts, nein, schwebte… bis sie unter dem kristallenen Rundbogen ihres Balkons stehen blieb. Ihr Blick heftete sich in die Weite jener Welt der Abenddämmerung, verlor sich in dem unechten Schein und Funkeln der Ferne. „Ich weiß, was ein Mutterherz ist und wie dieses lieben kann, genauso wie ich erfuhr, dass ich hassen kann.“ Etwas an Hylias Worten ließ Link eine Gänsehaut spüren und seine Nackenhaare stellten sich auf. Er spürte, dass sie ihm etwas sehr Trauriges erzählen wollte. Sein Herz spannte sich auf eine Weise, die ihm vertraut war. Dieses haltlose Gefühl, wenn die Welt sich mit ihren Entscheidungen gegen dich stellt und du nur wehrlos und hilflos zuschauen kannst. Dieses erschreckende, traurige Gefühl, wenn alles zerbricht, woran du glaubst und wofür du stehst. Warum tat ihm Hylias Schmerz nur so verdammt weh? Link torkelte ein wenig benommen zwei Schritte rückwärts und ahnte, dass Hylias Empfindungen so machtvoll waren, dass sich jene auf das Seelenleben Sterblicher auswirken konnte. Und wie er in ihrer Gegenwart mit seiner Stimmung Achterbahn fuhr…

„Und Mütter… ich weiß, dass Mütter ihre Kinder ziehen lassen müssen, ich tat es, genauso wie jede gute Mutter. Mit Sorge. Mit Angst, aber auch starker Hoffnung. Nur…“ Und Hylia, die doch dort in diesem schneeweißen Gewand stand, ließ kaum zu ihre Empfindungen zu verschleiern. Ihre heilige Macht brodelte, während sie sprach. Ein Wind des Zorns begann sie einzunehmen, der Sturm peitschte unsichtbar um ihre göttliche Erscheinung und ließ ihr Haar aufwallen.

„… hätte ich gewusst, dass meine Kinder eins nach dem anderen, so beinahe unsterblich sie auch waren, gejagt, gefoltert, entstellt… und letztlich getötet werden würden, hätte ich sie niemals ziehen lassen.“ Und plötzlich verebbte der schwere Zorn ihrer Erscheinung, Hylias Gestalt schien beinahe einzusinken und ihre Trauer wurde fühlbar. Sie neigte das Haupt, ihr langes Haar, das bis unter ihre Hüfte reichte, sank geradlinig hinab, dieses kostbare, wunderschöne Haar. Augenblicklich hatte Link den Wunsch sie irgendwie zu trösten. Eine Welle der Anteilnahme schwappte über ihn drüber, ließ ihn sich langsam auf sie zu bewegen. Und auch jetzt war er Hylias Macht schlichtweg ausgeliefert, völlig ergeben, wehrlos… ja wahrhaft schwach. Er konnte tun, was er wollte, sein Körper gehorchte ihm nicht, tapste zu ihrer Gestalt wie eine Marionette und wollte Trost und Beistand schenken. Diese Trauer war so übermächtig… Hylias Verlust betäubte sein Herz.

Link wusste nicht, was er tat, als er seine Hände auf ihre Schultern legte… Wie nur kam er darauf eine Göttin berühren zu dürfen?

Er folgte ihrem Blick in die weite, dämmernde Ferne, fühlte diese Verbundenheit ihr gegenüber, fühlte diese Ergebenheit. Ob Hylia auf alle sterblichen Wesen eine solche Wirkung hatte? Oder reagierte Links Seele auf sie? Ein winziger, unbeholfener Splitter, der sich an seine früheren Leben erinnerte.

Er nahm einen hetzenden Atemzug, zwang sich unter Aufbietung seines Willens seine Hände da wegzunehmen! Ja, genau, seine groben Menschenhände, die an wenigen Stellen ihre zarte, geschmeidige Haut streicheln durften. Ja, verdammt! Link riss sich los, gewann endlich diesen inneren, beinahe aussichtslosen Kampf und erhielt überraschend ein genügsames, fast triumphierendes Lächeln der weißen Göttin. Sie wirkte zufrieden, überhaupt nicht verärgert oder entehrt. Stattdessen fuhr sie fort, als wäre nichts gewesen.

„Ich kann kaum mehr in die Zukunft blicken… denn diese Realität, in der ich lebe und mein Heroe atmen kann, ist nicht unser Ursprung. Deshalb weiß ich nicht… ich weiß nicht, wer verantwortlich ist. Und ich sehe niemanden, der schuldig ist… meine Fähigkeiten unterliegen seit langem einem Bann, den ich nicht erklären kann.“

So viele Rätsel, so viele Verwundbarkeiten um Hylias Geschichte. Link fragte sich, ob hier wirklich alles noch mit rechten Dingen zuging. War er deshalb hier im Götterreich gestrandet? Weil er um diese Geschehnisse wissen musste. Hatte Ganondorf auch hier seine Hände im Spiel?

„Aber überall da, wo Unverständnis und Hoffnungslosigkeit ist, überall dort, gibt es auch Chancen, überall können wir blühen und uns erinnern.“ Sie sprach in Rätseln, vielleicht weil sie ihre Trauer nicht anders bewältigen konnte. „Siebenundsiebzig weiße Kinder besaß ich… eines getötet nach dem anderen, aber eins fühlte ich dennoch… und fühle ich auch jetzt. Eines meiner Kinder lebt, atmet mit ihrer Reinheit, Liebe und ihren Fähigkeiten auch jetzt. Die letzte ihrer Art…“ Hylias Stimme wurde leidender als noch zuvor, weil sie Mutter war und ihr Kind vermisste. So leidend, dass Link silbernes Wasser in ihren Augen glitzern sah. So leidend und schwer wie auch Zeldas Stimme in den letzten Wochen war. Beim Deku, er konnte Hylia und Zelda irgendwie kaum trennen, sie waren sich so ähnlich. Diese Mimik, diese Gestik, ihr vergessener Zauber, diese Allmacht, mit der sie ihn anzog.

„Nur… ich weiß nicht, wo mein Fleisch und Blut ist. Ich erreiche sie nicht. Wird dein Spross sich ihrer annehmen… sie suchen… sie finden?“

Link zwinkerte auf diese Worte und hatte das erste Mal seit er hier bei Hylia war das Gefühl aus diesem Zauber herausgerissen zu werden, nicht aus Angst, sondern aus purem Schamgefühl. Was meinte Hylia mit ,sein Spross‘? Trotz allem empfand er Hylias Bitte als so notwendig, so nicht zu hinterfragen, dass er kaum nein sagen konnte. Wie sollte er auch einer Göttin begreiflich machen, dass er sie nicht verstand.

„Du wirst es sehr bald verstehen, Link“, beruhigte sie ihn. „Ich muss dich darum bitten, auch wenn meine Einsichten in das Rad des Schicksals bruchstückhaft sind. Ich muss dich darum bitten, dass meine Tochter von deinem Blut gefunden wird.“ Hylias flehendes und doch anmutiges Lächeln brachte ihn wahrlich um… er spürte es, dieses unendlich, machtvolle Gefühl, dass sich in jede seiner Körperzelle einschlich, ihn so verteufelt schwach machte.

„Sie ist irgendwo in den Welten… und sie braucht Schutz, bitte.“ Link schluckte erneut umständlich, fühlte ein Betäubt sein nicht nur in seinen Muskeln, sondern überall. Himmel, flehte er in Gedanken, er hielt diese pulsierende Energie in ihrer Nähe nicht mehr aus, dieses stetige, stärker werdende Kribbeln, für das es keine Neutralisation gab. Hylia hatte schlichtweg Macht über ihn. Schwerfällig nickte Link und bemerkte erst jetzt, dass er nicht mehr in der eisernen, smaragdgrünen Rüstung steckte, sondern wieder Jeans und T-Shirt trug. Auch das noch, dachte er. Wie war das eigentlich passiert?

„Es kann durchaus sein, dass mein Blut in Hyrule gestrandet ist, irgendeinem Hyrule…“, sprach sie.

„Aber ich lebe nun mal… leider nicht in Hyrule“, begann Link sich zu entschuldigen. Auch das war etwas, was er alleine mit sich herum schleppte, das Gefühl irgendwie nicht zu Hyrule zu gehören, warum sonst sollte er dann auf der Erde inkarniert sein?

„Mmh, leider nicht, was?“, sprach sie geheimnisvoll. Das Glitzern in ihren göttlichen Augen jedoch erweckte einen Funken Schelm, der Link in ihren Worten Großes sehen ließ. Große Hoffnung. Große Begierden und große Abenteuer. Es klang beinahe so, als machte sich Hylia darüber lustig. Wusste sie etwas, dass sie ihm nicht erzählen konnte?

„Was Hyrule angeht… weiß ich im Moment nicht genug“, rechtfertigte sich Link erneut. Wie sollte er auch nicht? Er trat hier in seinen menschlichen Ansichten vor eine Göttin, wie nur konnte er überhaupt auf gleicher Augenhöhe mit ihr sprechen?

„Mmh, vielleicht kann ich auch hierbei behilflich sein, dir zeigen, was mit Hyrule geschah, dass du vielleicht einst kanntest. Ob du dies spüren möchtest, ist deine eigene unumkehrbare Entscheidung, bedenke, es könnte sehr traurig sein, beinahe zerstörerisch…“

Link hatte die gesamte Zeit seine Augen starr auf ihren wunderschönen, begierigen Mund fixieren lassen und doch hatte er von diesem Angebot überhaupt nichts verstanden. Sein Kopf schien wortleer, gedankenleer.

„Link?“, sprach sie langsam, als ließ sie seinen Namen auf ihrer lieblichen Zunge zergehen. Die süße Betonung seines Namens ließ sein junges Herz erneut stolpern… Wenn nur Zelda seinen Namen auf diese verlangende, bedürfnisvolle Weise säuseln würde… Der wonnevolle Klang verriet so viel Hingabe, vor allem aber das eine übermächtige Gefühl, das Gefühl selbst gebraucht zu werden, von seiner Prinzessin gebraucht zu werden.

Erneut summte sie seinen Namen mit dieser weichen, zerrinnenden Tiefe. „Link“, bis er aufsah. „Ich kann dir helfen zu wissen“, sprach sie und brachte ihn erneut mit dem Streicheln seiner Wangen durcheinander.

„Okay“, murmelte er und musste sich innerlich an diesem Wort festhalten. Der Heroe hatte vielleicht nur eine Ahnung von dem verstanden, was sie ihm angeboten hatte. Dennoch ließ er sich darauf ein, benebelt von Hylias Lieblichkeit, verzückt von ihrer wohlklingenden Stimme. Als gefror für ihn die Zeit erneut, streichelten ihre Lippen seine Stirn, als sein Herz leidvoll pochte… Es pochte dahin, als er seine Augen schloss und er allmählich verstand, dass ihre Berührung ihm eine Lektion aus lebendigen Bildern schicken würde…
 

Es war dieses überwältigende Gefühl eines Traumes, wie ein lebendiges Tuch gewebt aus fernen Gedanken, das sich in einer scheinbar auserwählten Nacht über das vorhandene Ich legen konnte und sich zunächst willkommen anfühlte mit dieser aufregenden Erinnerung an eine pulsierende Welt hinter den nächtlichen Schatten, die Welt, wie sie in einer größeren Wahrheit sich immer wieder neu entzündete. Ja, wie kleine, tanzende Funken, bildeten sie die jetzige, erfahrbare Realität hinter einem Schleier des Bewusstseins… und doch… und doch war ein Traum so oft zu schnell entronnen, die Realität in diesem Traum zu kurz fühlbar um noch einmal hinter den Schleier zu blicken, sich dort auf der anderen Seite entgegen zu treten, sich zu erinnern, dass es doch mehr gab als das jetzige Sein mit dürftigen Problemen. Spürbar und doch irgendwie verloren, weil er es nicht greifen konnte…

Link spürte die tiefe Sehnsucht mit jedem Schatten der Nacht, mit jedem Traum, von dem er nicht wusste, ob es ein Traum war, einer dieser alten, vergänglichen Bilder, die sich dennoch so zermürbend in das jetzige Ich brennen konnten. Ja, er spürte es… immer wieder, gerade dann wenn es sich so anfühlte wie eben jetzt… verräterisch, reißend, traurig… unhaltbar traurig.

Eine so unerklärbare Eigenschaft seiner Träume, so machtvoll, dass er glaubte sein jetziges Ich darin zu vergessen. Sobald er die Augen für die Nacht schloss, zerstückelte die Welt sein jetziges Ich, nur um ihn an seine Heldenseele zu erinnern. Jede Nacht tanzten die Feuer seiner Reinkarnationen, jede Nacht entriss ihm sein jetziges, menschliches Herz, nur um es neu zusammenzusetzen.

Und vielleicht, weil er das Gefühl schon kannte, ließ sich Link auf diesen bekannten Schmerz ein, auf das Gefühl, als folterte ein Traum sein jetziges Ich, das blanke Entsetzen die Welt brennen zu sehen… in grausamen rot violetten Flammen… immer und immer wieder, nur geboren dann, wenn die Welt blutete.

In ihm tobte ein Traum, so nahm er an, denn es fühlte sich genauso undurchdringlich an. So wie damals, als er von schreienden Horden der Bestien verfolgt auf entstellten, herbgrünen Wiesen eine makabre Festung der Dunkelheit im Blick hatte. So wie damals, als er durch Pfützen voller Blut hetzte, eine flüsternde, gleißend scheinende Klinge in der Hand… ja, so wie damals, als er kämpfte mit allen legendären Eigenschaften der Welt, hier am Ende der Gezeiten…

Und doch war es kein Nachtschatten, es war die einschneidende Realität, die doch hinter der Verwirrung und Entstellung seiner Traumwelt Lebendigkeit und Trauer erfuhr. Er konnte sich selbst nicht fassen, sich körperlich kaum begreifen, sich nicht fühlen und wahrnehmen. Aber etwas anderes Erschreckendes tanzte hier am Ende einer Welt, die sich in Tausenden Flammen aufzulösen drohte immer und immer wieder. Etwas Unerklärliches zog über das alte Land der Göttinnen, wo seine Seele zuhause war. Wie ein Gemälde lag Hyrule vor ihm, entzückte jede Faser seines Herzens mit vollkommende Freude, als er die silbernen Flüsse sah, die sich durch das satte Grün ewigwährender Täler zogen, diese majestätischen Gipfel, die sich danach sehnten den Himmel anzulachen, dieser süßliche Waldgeruch nach Freiheit und Abenteuer, der seine Nase kitzelte… Ja, friedvoll könnte diese Welt sein, die sich hinter dem Vorhang seiner Seele preisgab… wäre da nicht ein einnistendes, fauliges Überbleibsel seiner Erinnerungen. Ein hässlicher Irrtum des Schicksals vielleicht… eine stinkender Nebel, unvollkommen, unnatürlich, der sich an die alte Welt heranpirschte wie ein todbringender Jäger. Leise kroch er dahin, zunächst kaum sichtbar, zog seine Kreise und nahm der gewöhnlichen Existenz der Dinge das Antlitz, eine modrige Gefahr wie eine Schlinge um den Hals, die sich fester zog… und fester… und fester…

Link fühlte sich nirgendwo hier und gleichzeitig überall an diesen einst so magischen Orten und überall nahm etwas Verdammtes dieser geheiligten Welt das so atemberaubende Gesicht, das im Lichte glitzernder Sonnenstrahlen so viele Wunder hütete. Wie ein Geschwür eiterten die Fehler in Hyrules Geschichte, überdeckten alles mit Unvollkommenheit, mit Blässe… Und das Gemälde, welches Link so bewunderte von diesem hohen Punkt aus, verblasste… Nach und nach vergingen die magischen Orte Hyrules unter der Last der verblassenden Macht. Reißende Ströme, die Hyrule mit Wasser versorgten, wo anmutige Zoras geschmeidig tauchten, verfielen dem Nebel… Der rotglühende, höchste Berg Hyrules, wo die stolzen Goronen liedersingend um Feuer tanzten, verfiel dem Nebel… selbst die Steppe mit ihren Dörfern und Städten der Hylianer, jenem herrschenden Volk, das nach dem Vorbild Hylias erschaffen wurde, verfiel dem Nebel… jede Magie wich aus der alten Welt mit diesem gierigen, verschlingenden Dunst der Nichtexistenz.

Hyrule verging und verblasste…

Es war nicht zu stoppen, hier war kein Kampf zu gewinnen und vielleicht war kein Dämon schuld, den man bezwingen musste.

Der Weltenstrom hatte Hyrule aufgegeben, so wie jeder es aufgegeben und verlassen hatte, bis auf ein einzelnes, goldenes Licht, dass auf den Weiten der einst so blühenden Steppe pulsierte und leuchtete. Sie leuchtete für ihr Land mit einer tosenden Stärke, die Link innerlich auf die Knie zwang. Ihre unsterbliche, sture Hoffnung für alle Zeit ihrem Land zu dienen, schickte Link in bedrängendes Entsetzen.

Die Prinzessin des Schicksals war die letzte Wächterin der alten Welt, schwebte über verblassende Wiesen mit einem weinroten Kleid verziert mit goldenen Stickereien… Ein Gewand, das er an ihr gesehen hatte am Anfang ihrer Erdengeschichte…

Dieses starke, überwältigend schöne Mädchen wandelte allein auf den verblassenden Weiten ihrer märchenhaften Welt Hyrule. Sie, sein geheimes Licht, seine wunderschöne Prinzessin, wandelte wie der letzte Geist einer toten Welt durch ihr einstiges Königreich, vergessen und einsam. Ohne die wärmende Wonne einer tröstenden Berührung. Ohne die mitfühlende Stärke einer schützenden Umarmung und ohne die liebevolle Nähe eines Seelenverwandten. Ihr beispielloses Opfer erschreckte ihn in der endlosen Tiefe seines Seins.

Zelda war allein in dieser alten, leeren Welt… So mutig, so ohne Irrtum mutig… und doch allein.

Und er war nicht da… Er war untergegangen in dem Meer der Wiedergeburt so wie alle anderen. Er war nicht an ihrer Seite geblieben… er, von allen, die Zelda näher waren, er, von allen, die kämpfen konnten, hatte sie allein gelassen, hatte sie im Stich gelassen.
 

Wie nur sollte er jemals in Worte fassen können, was Zelda bereit war für Hyrule zu tun? Wie nur sollte er ihr jemals beistehen, bei dem, was sie erlebt hatte… und wie sollte er ihr jemals Trost für diesen Schmerz spenden, den sie fühlte?

„Ich habe… versagt…“ Ein reines, menschliches Gefühl entlockte ihm diese Vision mit den ersten wirklichen Tränen seiner Erdengeschichte. „Ich habe… versagt“, wiederholte er, beinahe selbstquälerisch. Voller Trauer zeigten sich seine unvergesslichen, schönen Heldenaugen, wo das tiefblaue Meer wartete.

„Ich habe versagt sie zu beschützen…“, sprach er mit all der Liebe, die er für seine Prinzessin empfand und dem Wunsch sein Versagen ungeschehen zu machen.

Seine und Zeldas Geschichte, die auf der Erde auflebte, ging viel tiefer als er dachte. Und ein Teil in ihm ahnte um die Grausamkeit, derer sie beide immer wieder ausgeliefert waren. Er und Zelda hatten einander, vielleicht um sich zu stärken, vielleicht sogar um sich zu lieben… aber auch um den Schmerz ihrer Aufgaben und Prüfungen, den Schmerz des Unverständnis, sogar den fühlbaren, menschlichen Hass, aneinander auszulassen…

Zeldas Verhalten ihm gegenüber, als sie ihre Erinnerungen wiedergewann, kam ihm in den Sinn, der leidvolle Ärger ihrer Fluch beladenen Erinnerungen, ihre folternde Abweisung… und ein übermächtiges Gefühl schlich sich in sein Herz. Hatte er ihre Abweisung vielleicht tatsächlich verdient? War er Schuld an dem eisigen Schatten in ihren himmelblauen Augen?

Wie schlimm musste diese neue Welt für seine Prinzessin sein, wenn sie ihre eigene Welt sterben sah, wenn es niemanden gab, der sie in dieser schlimmsten Stunde ihres Seins hielt? Wie stark musste dieser traumatische Schmerz sein… und wie stark war Zelda um dies auszuhalten? Link wusste, dass es für seine Prinzessin ungeheuer schwer war hier auf der Erde zu sein, aber erst jetzt realisierte er das Ausmaß… Ein Teil der Seele Zeldas war mit Hyrule gestorben…

Innerlich spürte der Heroe das erste Mal, seit er in dieser Welt sein Bewusstsein fand, ein so düsteres Brodeln seiner Bestimmung, dass es ihm schwer fiel, sich auf den Beinen zu halten. Er nahm einen schnappenden Atemzug und versuchte den Schmerz, der sich fressgierig in seinem Herzen sättigte, zu verdrängen. Wie nur konnte er so dermaßen blind sein? Zelda litt mehr als er es hätte erahnen können.

Er führte eine zitternde Hand an seine beiden Augenwinkel, wo sich Tränen gezeigt hatten und versuchte sich, so wie immer, an Mut und Hoffnung zu stärken… aber gerade in jener Sekunde ging es kaum.

„Link“, riss Hylia ihn aus der einnehmenden Düsternis. Mit einem Zucken blickte er sie an, versuchte den Schmerz mit mehreren Zwinkern wegzuspülen. Er war käseweiß, und hatte an dem überfordernden Schmerz seine gesamte innere Stärke eingebüßt. „Du kannst nicht gegen alles ankämpfen“, sprach sie ruhig und drückte den überforderten Jugendlichen in eine heilsame Umarmung, so wie nur eine Göttin umarmen konnte, vorsichtig, rein, beinahe behütend. „Wohingegen du Zelda noch immer beschützen kannst.“ Sie drückte seinen blonden Kopf sanft an ihre feste Schulter, an das seidene Gewand, wo Links rechte Wange von dem hellblonden Haar gekitzelt wurde, wo seine Nasenspitze einen leicht herben, erfrischenden Duft einsaugen konnte. Ja, irgendwie roch es nach Federn… Er spürte ihre Hände streichelnd an seinem Hinterkopf und die seltsame Unruhe von vorhin, das kribbelnde Gefühl in ihrer Nähe verschwand, stattdessen fühlte er sich beinahe mütterlich behütet…

„Du kannst Zelda immer noch beschützen“, wiederholte sie. Er nickte, versuchte sich an dem Gedanken stark zu machen. Er trat einen Schritt zurück und blickte mit Schwermut zu Boden und für einen Bruchteil flimmerte diese andere Realität vor seinen Augen, als schwankte plötzlich dieses kristallene Gemach Hylias unter einer Erschütterung des Himmels. „Was war das?“

„Das Zeichen, Held. Du musst dich nun bald auf den Weg machen“, murmelte sie schließlich. „Doch vorher…“ Und in ihrer Hand balancierte sie das kleine Gläschen mit dem so bestialischen Artefakt Ganondorfs, das auch hier zischende Vibrationen aussendete. Wie hatte sie dieses eigentlich aus seiner Hosentasche entwenden können, fragte er sich. Sie antwortete, in dem sie lediglich grinste. Und da verstand Link mit fahlem Ausdruck, dass Hylia sich viel schneller zwischen den Sekunden bewegen konnte als Sterbliche. Hatte sie etwa weitere Dinge erfahren und getan, die sich dem Verständnis Links entzogen?

Und plötzlich, auch dies hatte Link nicht wahrgenommen, verlor der Splitter Zarnas sein bestialisches Glimmen, stattdessen leuchtete er weiß und pulsierend, angenehm wie eine aufgehende Sonne. „Ich habe den Splitter gereinigt. Nun wirst du ihn zu einem neuen Nutzen führen.“ Behutsam legte sie den gereinigten Splitter in seine Hände. „Von ihm geht nun keine Gefahr mehr aus… vielleicht kann dieser einzelne Splitter Großes bewirken“, meinte sie und sprach in Rätseln, aber genauso gewandt wie Zelda es manchmal tat.

„Ihr seid meiner Zelda so ähnlich…“, sagte er bedeutungsvoll und begann in den Worten seinen Abschied anzuklingen.

Sie lächelte einmal mehr geheimnisvoll. „Es ist nur ein Spiel, nicht wahr?“

„Und doch mehr als das… zumindest für mich“, sprach er und erneut flimmerte für eine Sekunde diese alte Welt vor seinen Sinnen. Er ahnte, dass er hinwegdriften würde, ahnte, dass er ohne jede Schwierigkeit zurück nach Hause finden würde, zurück aus diesem irrsinnigen Abenteuer.

„Ich danke den Erfindern unserer Legende aus deiner Welt… ohne sie und all die Wesen, die unsere Welt beschreiben, unsere Welt lebendig und erfahrbar machen, ohne sie hätte ich meinen Lebenssinn nicht, hätte ich meinen Heroen nicht“, murmelte Hylia hingebungsvoll. Wie ein Gebet flogen die Worte über ihre schön geschwungenen Lippen, und einmal mehr flimmerte es vor Links Sinnen. „Und ich hätte ohne sie meine Prinzessin nicht…“, antwortete er mit umschmeichelnder Wärme, die seine Ideale aus seinem inneren Wesen herausfunkeln ließ. Er schwor sich, nicht noch einmal zu versagen, beständig bei ihr zu bleiben… Niemals wieder würde er sie verlassen, egal, welche Mächte er bekämpfen musste. Auch wenn er gegen Zeldas Sturschädel antreten musste…

Und alles, was ihm aus dieser Realität noch blieb, war das sanftmütige, erhabene Lächeln einer Göttin mit goldenem Haar und unermesslicher Liebe, die sogar ihm zuteil wurde. Erneut flimmerte es vor ihm, als würden sich Dimensionen überlagern und neu zusammensetzen. Und als er diesmal seine Augen aufschlug, atmete mit aller Kraft um seine Lebensenergie anzufeuern, blendete ihn das Sonnenlicht der Erde und ein salziger Wind erinnerte ihn an das weite Meer.

Er war in Irland, erneut…

Er war ohne Mühe heim gekehrt… oder war er vielleicht niemals hier zuhause gewesen?

Etwas orientierungslos sah Link drein und ließ sich geschwächt einfach zu Boden sinken, wo sich das seichte Meer über den Sandstrand ergoss. Er stützte seine Arme auf die Knie und vergrub seinen mit Zweifeln gefütterten Schädel im Schoß. Das warme Meer um seine Fußknöchel schwappte beruhigend dahin…

Er war nach Irland gereist um Abstand von allem zu finden und was fand er stattdessen? Weitere teuflische Fragen, weitere brennende, zweifelhafte Antworten…

Link war so mit sich selbst beschäftigt, so verloren in seinen überwältigenden Erlebnissen aus dem Götterreich, dass er sein Hiersein in Irland kaum einordnen konnte und auch Sian, der neben ihm hockte und ihn ohne Anhalt anstarrte, kaum registrierte. „Link! Wo, in Hylias Namen, warst du?“

Müde und das Hiersein auf der Erde noch nicht begreifend, fiel es Link sogar zu schwer seinen Kopf zu heben. Warum fühlte sich hier auf der Welt, die doch sein Zuhause war, jede Körperbewegung, jede Regung, so verdammt schwer an.

„Link, hast du völlig vergessen, warum wir hierhergekommen sind? Ich habe dir den Vorschlag gemacht in Trance zu gehen…“, tobte Sian und trat nervös hin und her, der immer so kühle, gefasste Sian, den doch eigentlich nichts überraschen konnte. Aber diesmal hatte Link den Spieß umgedreht.

„Nur warst du für einige Minuten völlig weg“, aufgebracht ließ sich Sian ins seichte Wasser sinken, sodass Link einige Wasserspritzer abbekam. Und es tat ihm gut diese zu spüren, diese bekannte Empfindung zu spüren, zu wissen, dass er hier war, lebendig.

„Was heißt völlig weg?“, murmelte Link endlich und sah aus müden Augen in die rubinroten des einstigen Schatten.

„Nun ja, körperlich weg!“, sprach Sian aufgebracht. „Du hast mir einem verdammten Schrecken eingejagt.“

Er war also wirklich im Götterreich gewesen, auch wenn sich der Aufenthalt dort für ihn über Stunden gezogen hatte. Er hatte sich sein Abenteuer nicht eingebildet und all die Erfahrungen dort entsprachen einer alptraumhaften Realität.

Hylia war echt… die grimmige Gottheit war echt…

Zeldas Trauer… war real…

Und dass er tatsächlich weit weg war, an einem Ort voller Mysterien, bewies eine unzweifelhafte Tatsache. Link kramte in seiner Hosentasche nach dem verruchten Splitter der Dämonenkriegerin, öffnete die winzige Phiole und hielt Sian das gereinigte Element unter die Nase.

„Wie hast du…?“ Noch immer stand Sian unter Schock. Link rieb sich über die Augen und seufzte. Er konnte es dem blonden Schönling im Moment nicht erklären, selbst wenn er wollte. Er konnte einfach nicht… alles, woran er gerade nur denken konnte, was sein Herz mit schweren Steinen füllte, war sein Versagen an der Prinzessin des Schicksals.

Der wiedergeborene Shiek bemerkte den heftigen Schmerz in Links tiefblauen Augen, welcher beinahe aus seinen Blicken heraus zu pochen schien und begann sich selbst beruhigend dem Helden eine mitfühlende Hand auf die Schulter zu legen.

„Das Kraut hat also tatsächlich etwas bewirkt?“ Irritiert sah Link nun doch auf und erblickte in Sians anderer Hand zwei angezündete, handgedrehte Zigaretten.

„Ich habe eingewilligt dieses Zeug zu rauchen? Was ist das?“ Auch das noch beschmutzte Links Gefühle im Augenblick. Irgendwie fühlte er sich kaum mehr wohl in seiner Haut.

Sian bemerkte auch diese Gefühlswallung in Link, aber ließ ihn sich nicht weiter quälen. Was immer auch geschehen war, gerade Link hatte es nicht nötig sich in irgendeiner Weise so gehen zu lassen. „Komm‘, die Ebbe ist wieder da, lass‘ uns zurückkehren.“ Sian erhob sich blitzschnell und hoffte, er beförderte Link aus seinen Zweifeln.

„Willst du gar nicht wissen, was ich erlebt habe…“, sprach der Heroe leise, beinahe so, als hoffte er es damit ungeschehen machen zu können.

„Nein, dies ist deine Antwort, deine allein. Ich hoffe jedoch, du hast gefunden, wonach du gesucht hast.“ Und als Sian seine Worte beendet hatte, erlag er dem einnehmenden und quälerischen Zauber von Links schmerzbeladenen Gesichtszügen. Der junge Held hatte seine Antworten gefunden, vor allem jene, die ihm am stärksten auf der Seele lag. Das stille und tiefe Wissen, dass es sein Schicksal war das Mädchen mit dem Namen Zelda zu finden, mit ihr gegen das zu kämpfen, was auf sie beide wartete… verbunden zu sein über stille Freude und altes Leid. Und vielleicht war es auch sein Schicksal, dass er sie liebte…
 

Als sie beide durch das seichte Wasser tapsten, blickte Link noch einmal melancholisch zurück… für einen Sekundenbruchteil war er sich sicher Hylia in ihrer bittersüßen Anmut auf einem der Felsen sitzen zu sehen, sie summte ihr Lied und spielte die Harfe… ewiglich und unvergesslich. Und irgendwo in einer unerreichbaren Dimension, wo Zeit ein anderes Gesicht trug, da saß Hylia tatsächlich auf einem Felsen, dort wo das Meer mit goldenen Wellen aufschäumte… und sie spielte und sie sang… ewiglich und unvergesslich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  FairyZelda
2019-03-17T14:50:16+00:00 17.03.2019 15:50
Wow ein neues Kapitel 😍
Ich freue mich soooooo sehr darüber!!!
DANKE das du diese FF nicht aufgibst. :)
Antwort von:  Faylen7
26.03.2019 22:43
Ebenfalls Dankeschön ;-)
Von:  PrinzessinTsukino
2019-02-24T13:50:33+00:00 24.02.2019 14:50
Uiii es geht weiter*-*
Antwort von:  Faylen7
26.03.2019 22:42
Jap, endlich, nach mehreren Jahren hoffe ich, dass ich die Fanfic beenden kann... Ich hoffe nur, dass mein Schreibstil mittlerweile nicht völlig anders ist und sich die Kapitel anders anfühlen...
Antwort von:  PrinzessinTsukino
08.05.2019 15:40
Auch wenn ich grade spät antworte,
Hat sich nichts ins negative verändert!
Ich liebe es einfach♡
Von:  Cossette_Mirage
2019-02-22T22:49:19+00:00 22.02.2019 23:49
Meine Liebe. Ich schulde dir dringend eine Antwort.
Und ein Kommentar.
Und noch einen weiteren.
Was machst du gerade mit mir? Ich bin so dankbar, dass es nicht nur in 'Kampf gegen das Schicksal' weiter geht sondern auch noch hier? In meiner Herzensfsnfiction?

Ich bin völlig am zittern vor lauter Freude. Ich bin untröstlich und ein Dussel. Vergib mir... Aber du hast mich erneut glücklich gemacht und freue mich darauf dieses Kapitel zu verschlingen.
Aaaah... Ich hoffnungsloses Fangirl. :)
Antwort von:  Faylen7
04.03.2019 20:40
Puh, ich weiß nicht warum, aber iich dachte schon, ich hätte dich irgendwie verärgert O.o jetzt bin ich wirklich beruhigt ;-)


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