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Dunkle Nächte

Wenn das Schicksal zuschlägt...
von

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Zurück zu den Anfängern

Kapitel 41

Zurück zu den Anfängern
 

Gemütlich saß Joey neben seiner Schwester und versuchte sich nicht über all das Gedanken zu machen, was an diesem Morgen geschehen war. Die ersten beiden Anrufe hatte er nicht erwartet und doch hatten sie ihn gefreut. Die nächsten beiden Anrufe waren jedoch so außergewöhnlich, dass er sie nicht vergessen konnte. Nur langsam wurde dem jungen Mann bewusst, welche Rolle er in diesem ganzen Chaos einzunehmen begann und welche Ausmaße dies mit sich zog. Der dritte Anruf an diesem Morgen kam eher gegen Mittag. Es war halb zwölf, als sein Handy klingelte und er starre erstaunt auf die Anzeige seines Telephons.

„Einen wunderschönen Samstag wünsche ich dir.“ Begrüßte er den Anrufer und erhielt dafür nur ein gebrummtes. „Du hast ja gute Laune.“ Joey trug wie meist ein einfaches, weißes T-Shirt und seine gemütliche blaue Jogginghose. Das einzige Kleidungstück, welches es noch nie aus dieser Wohnung geschafft hatte. Nun, zumindest noch nie angezogen. Vor ihm auf dem kleinen Tisch stand ein Becher mit Tee, den er schon zur Hälfte geleert hatte. „Ja, die habe ich. Ich konnte heute lange ausschlafen, habe heute Abend nur die kurze Schicht und dann den gesamten Sonntag frei. Da kann man doch nur gute Laune haben oder?“ Kam von ihm in diesem freudig frohlockenden Ton. „Du arbeitest heute?“ Wollte die tiefe Stimme auf der anderen Seite nun wissen und Serenitiy sah ihren Bruder fragend an.

„Ja, ich arbeite heute Abend wieder. Ich dachte, du wärest dir ihm Klaren darüber, dass ich am Wochenende als Barkeeper arbeite. Gestern Nacht auch. Ich habe um 22 Uhr angefangen und kam heute Morgen um 4 Uhr wieder. Ich bin direkt ins Bett und erst so vor 20 Minuten aus dem Bett gefallen. Na ja, zwischenzeitlich wurde ich hin und wieder geweckt.“ Gab er zu und musste mit einem Mal ausgiebig gähnen.
 

Ein leises Kichern kam und Serenity fragte ihn. „Möchtest du noch Tee?“ Er nickte mit einem Lächeln und der Anrufer fragte in einem seltsam verhaltenen Ton. „Deine Schwester ist auch da oder?“ Er konnte das Grinsen auf seinem Gesicht kaum verbergen und plötzlich rief die junge Frau. „Ich wünsche dir auch einen wunderschönen Samstag, Kaiba.“ Nun musste ihr Bruder lachen und ergänzte. „Warte, wenn ihr euch eh schon hört, kann ich dich auch auf Lautsprecher stellen.“ Mit diesen Worten nahm er das schwarze Gerät von seinem Ohr und legte es auf den Tisch zwischen sich und seine Schwester. Der Bildschirm ging wieder an und kurz musste der Blonde suchen, um die richtige Taste zu finden. „Habe ich gesagt, dass ich mit deiner Schwester telephonieren will?“ Kam etwas patzig von ihm und Serenity, die ihre Haare zu einem einfachen Zopf geflochten hatte, stellte die Ellbogen auf den Tisch, um das Kinn in die Hände zu stützen. Die Teekanne stand schon wieder auf dem kleinen Stövchen. „Ich hab dich auch nicht lieb! Aber du bist derjenige, der meinen Bruder am Wochenende anruft und ich werde mich von dir auf keinen Fall aus meinem eigenen Wohnzimmer vertreiben lassen.“ Konterte sie nun und Seto brummte etwas Unverständliches auf der anderen Seite, um dann zu ergänzen. „Wenn ich etwas von dir wollte, würde ich dich anrufen!“

Nun musste sie lachen und gab frech von sich. „Ach komm, Kaiba, dafür müsstest du meine Nummer haben!“ Sie sah zu ihrem Bruder, der sie bekräftigend nickend anblickte. „Das wäre nicht das Problem. Gib mir 5 Minuten und ich habe sie. Entweder kann ich sie über das Telefon deines Bruder bekommen oder ich hacke mich in das System deiner Schule, in dem garantiert auch deine Nummer zu finden ist.“ Ein erstauntes Schweigen wurde mit einem ebenso erstaunten „Oh!“ eingeleitet und die beiden Geschwister sahen sich überrascht an. „Das ist wohl wahr, die Schule hat meine Handynummer. Aber du könntest auch einfach nett fragen. Dann würde ich sie dir vielleicht geben.“ Tadelte sie 17-Jährige den Firmenführer und dieser schien nur laut durchzuatmen. Seine Geduld war anscheinend erschöpflich.
 

„Was kann ich denn Gutes für dich tun?“ Begann nun der blonde junge Mann, der so vielen Tätigkeiten nachging. Er versuchte seiner Stimme einen lockeren, unbeschwerten Klang zu geben, weil er bemerkte, wie schwer es Seto fiel. Es dauerte noch eine Weile, in der die beiden beinahe spüren konnten, wie der Brünette mit sich kämpfte. „Ich… hätte gerne einen… ich wüsste gerne deine Meinung zu einer Situation.“ Begann er schließlich und Serenity und ihr Bruder tauschten wissende Blicke. „Gerne. Um was geht es denn?“ Fragte Joey nun und seine Schwester hielt sich sehr zurück. Sie begriff schnell, dass es hier eigentlich um Vertrauen ging. Ein Vertrauen, welches nicht zwischen ihr und diesem Mann bestand, aber anscheinend zwischen ihrem Bruder und dem Brünetten.

„Du kennst doch Aiko, Mokubas Freundin oder?“ Begann der 22-Jährige und erhielt ein aufmunterndes Bejahen. „Ich habe vorhin mit Mokuba telefoniert und so wie deine Schwester jetzt war auch Aiko im Hintergrund zu hören. Irgendwie kam es dazu, dass ich fragte, wann ich sie denn nun endlich kennenlernen würde und wir haben uns schlussendlich auf nächsten Samstag geeinigt. Ich glaube, dass Mokuba selbst gar nicht so bewusst war, was er da sagte und eigentlich überhaupt nicht will, dass wir uns treffen. Allerdings wüsste ich schon sehr gerne, wer sie nun ist. Ich meine, im Grunde wäre es nicht schwer, mehr über sie zu erfahren. Ich kenne ihren Vornamen, ihre Schule und ihren Jahrgang. Es würde mich wahrscheinlich nur 5 Minuten kosten, um alles über sie zu erfahren.“
 

Joey hörte die Unsicherheit in der Stimme des anderen, war sich aber nicht sicher, ob seine Schwester sie auch wahr nahm. „Das wäre aber sicher kein legaler Weg oder?“ Fragte der Blonde nun und verschränkte die Arme vor der Brust, um sich damit auf dem Tisch abzustützen. „Nein, das wäre es nicht. Ich würde das System der Schule hacken. Es wäre also illegal.“ Kam trocken von Seto und die blonden Augenbrauen des 19-Jährigen hoben sich. „Gut, dann solltest du das auf keinen Fall tun. Ich finde, dass ihr euch am nächsten Samstag treffen solltet. Ich meine, dann habt ihr es endlich hinter euch und dieses elende Hin und Her ist vorbei.“ Ein Seufzen war auf der anderen Seite zu hören und Joey atmete still tief ein und aus. „Was hältst du davon? Ihr könnt euch doch alle an einem neutralen Ort treffen. Ein Restaurant zum Beispiel, so eines, wie das italienische, in dem wir gemeinsam waren. Dann esst ihr da Samstag zu Mittag, so dass es nicht so früh ist und alle ausschlafen können, aber gleichzeitig auch nicht so spät, dass ihr unter Zeitdruck leidet. Wenn das Treffen gut läuft, dann könnt ihr zu euch fahren und noch einen Tee trinken und wenn es nicht so gut läuft, kann jeder nach dem Essen zu sich nach Hause gehen.“ Schlug Joey nun vor und hörte, wie der andere schwer atmete.

„Das klingt nach einem soliden Plan.“ Kam nach einer Weile und doch war da ein seltsamer Ton in diesen Worten, den er nicht ganz verstand. Es verstrich wieder eine Weile und dann fragte der Brünette. „Sag mal, diese Idee hattest du nicht gerade eben oder?“ Nun war es Joey, der rote Wangen bekam und verlegen lächelte. „Na ja… also…“ Begann er und sah zu seiner Schwester, als suche er bei ihr Hilfe. Auch sie wirkte leicht verlegen und räusperte sich dann. „Du hattest mitbekommen, dass Joey eben erzählte, dass er hin und wieder geweckt worden ist?“ Fragte sie und bekam ein „Ja?“ als Antwort. „Nun, Mokuba hat heute Morgen angerufen und uns das gleich erzählt. Er war auch ziemlich aufgelöst und wusste nicht, wie er mit der Sache umgehen sollte. Da ich schon wach war, kam Joey zu mir und wir…“ Sie räusperte sich noch einmal verlegen. „…haben ihm das gleiche vorgeschlagen. Es wäre besser, wenn er dir endlich Aiko vorstellt und es nicht weiter hinaus schiebt.“
 

Als sie eine Pause einlegte, war es totenstill auf der anderen Seite. Es dauerte, bis endlich ein Schlucken kam und eine gewaltige Anspannung lag in der Luft. „Ich weiß, wir hätten es dir gleich sagen sollen, aber ich hatte die Hoffnung, dass dir Mokuba einfach den Plan erzählt und nie heraus kommt, dass wir da groß mit eingebunden sind. Ich weiß ja, dass du nicht willst, dass ich mich in dein Leben einmische.“ Beeilte Joey sich plötzlich, als ihn das Gefühl ereilte, die Pause wäre gefährlich lang.

„Schon gut, ich habe dich ja immerhin gefragt. Ich rufe dich ja schließlich an, um dich nach deiner Meinung zu fragen.“ Brummte Seto schließlich und Joey hatte das Gefühl, dass der Brünette sich mit der freien Hand durch die Haare fuhr. Zögerlich wartete er auf noch etwas, eine Aussage, ein Bezugnehmen auf das Gesagte, aber nichts kam. So entschied sich der Blonde, doch noch einmal anzusetzen. „Wir haben es auch schon Mokuba angeboten, darum biete ich es dir auch noch einmal an. Wenn du willst, kann ich, können wir euch gerne begleiten. Noah würde auch dabei sein und vielleicht ist es entspannter, wenn es mehrere sind.“ Schlug er vor und er hörte den schweren Atem des anderen.

Auch jetzt wieder war es unglaublich still und es dauerte lange, bis Seto wieder etwas sagte. Joey hatte schon gedacht, dass gar keine weitere Reaktion eintreten würde und er nur noch den schweren, tiefen Atemzügen des Firmenführers lauschen durfte. „Was hat Mokuba dazu gesagt? Ich denke mal, dass ihr auch schon Noah gefragt habt oder?“ Wollte er nun doch unerwartet wissen.
 

„Ja, genau, beide wissen es. Noah rief mich vorhin ebenfalls an und wollte meinen Rat. Denn nachdem Mokuba mit mir telefoniert hatte, rief er wohl seinerseits Noah an, um ihn zu fragen, der dann wieder mich anrief.“ Ein kurzes, belustigtes Ausstoßen der Luft folgte und der Blonde schmunzelte. „Also, ja, auch Noah weiß Bescheid und beide fanden die Idee gut. Sie sind zwar etwas unsicher, aber ich denke, dass wird denke ich bei euch dreien aktuell nicht anders gehen.“ Er stellte sich das Gesicht des Brünetten vor und tendierte dazu, dass er wie immer fragend eine Augenbraue in die Höhe zog.

„Ist sie wirklich so schlimm?“ Wollte Seto mit einem Mal wissen und der 19-Jährige schüttelte den Kopf. „Nein, auf keinen Fall. Sie ist toll, wunderbar, nett, einfach perfekt. Ich meine, sie ist die japanischste Vorzeigefrau, die ich jemals gesehen habe. Es ist eher ihr Vater. Ihr… ich glaube, ihr seid verfeindet. Noah meinte, dass er nicht ausschließen kann, dass du Mokuba vorwirfst, dass er dumm und blind ist und dir in den Rücken fallen würde und du ihm Vorwürfe machst, dass er dich hintergeht und betrügt.“ Wieder trat diese bedrückte Stille auf der anderen Seite ein und dann seufzte Seto. „Du willst mir damit also sagen, dass ich mich darauf einstellen muss, sauer auf Mokuba zu sein?“

Nun war es Joey, der mit den Schultern zuckte. Natürlich konnte der Firmenführer diese Reaktion nicht sehen. Es war Serenity, die für ihren Bruder sprach. „Ja, das könnte sein. Aber wir hoffen, dass du einfach siehst, wie glücklich die beiden miteinander sind und wie sehr sie sich lieben und es dir deswegen egal ist. Mokuba liebt Aiko wirklich und sie sind jetzt auch schon eine ganze Weile ein Paar.“ Mit diesen Worten versuchte sie ihn auf dieses Treffen positiver einzustellen, doch sie war sich nicht sicher, ob es klappte.
 

„Danke.“ Es kam so unerwartet, dass Serenity und Joey einander anstarrten. Sie waren nicht in der Lage zu reagieren und so dauerte es, bis sie ein Räuspern wieder in diese Realität zurückholte. „Anscheinend reicht ein Danke von meiner Seite aus, um alle in Entsetzen zu versetzen.“ Kam trocken von Seto und nun musste sich Joey räuspern. „Also… so würde ich das jetzt nicht sagen, aber…“ Begann er und Serenity lachte. „… ein Danke von dir ist schon eine ziemlich große Sache!“ Vielleicht war es gerade dieses Geplänkel, welches die Situation wieder etwas lockerte.

Daher fragte der Blonde nun deutlich gelassener. „Was hast du denn heute noch so vor?“ Er griff nach seinem Becher Tee und wollte gerade einen Schluck nehmen, als er die Antwort hörte. „Woher soll ich das wissen? Mein unfähiger Sekretär hat mir ja für das gesamte Wochenende keinen einzigen Vermerk eingetragen.“ Diese Aussage kam so ernst von ihm, das der 19-Jährige den Becher erstaunt wieder sinken ließ. „Oh, aber…“ Kam nun und Seto meinte ebenso trocken und ernst. „Denkst du etwa, dass ich meine Freizeit alleine gestalten kann? Als hätte ich Hobbys.“
 

Nun musste Serenitiy lachen, als sie das Gesicht ihres Bruders sah. Auch das Schmunzeln auf der anderen Seite der Telefonleitung war klar zu erkennen. „Du hast wirklich keine Ahnung, was du heute machen sollst?“ Fragte Joey nun etwas überfordert und glaubte der Aussage, die der Brünette ihm um die Ohren gehauen hatte. Seine Schwester musste nun noch lauter lachen und Joey sah sie verwirrt an. Auch ein dezentes belustigtes Brummen war von Seto zu hören. „Keine Sorge, ich komme schon zurecht. Ich bin heute Nachmittag wieder beim Judo und noch habe ich ein paar Seiten übrig, die ich lesen kann. Morgen Abend habe ich die Verabredung mit Mokuba und Noah zum nächsten Teil der Tribute von Panem und die anderen Stunden werde ich mich auch noch beschäftigen können. Immerhin will ja auch noch ein Essen für den nächsten Samstag organisiert werden oder?“

Nun war es Joey, der lachen musste. „Oh, das klingt ja fast so, als würdest du es alleine schaffen. Ich bin beeindruckt. Wenn du noch ein wenig übst, kannst du vielleicht sogar bald ganz eigeneständig deine Wochenenden planen.“ Neckte er nun den Brünetten und nahm einen Schluck Tee. „Meinst du? Ich glaube noch immer, dass mein Sekretär nur zu unfähig ist, sich um meine Termine zu kümmern.“ Kam nun wieder von Seto, der seinerseits den Blonden ärgern wollte. „Mannomann, dann solltest du am Montag unbedingt mit ihm schimpfen. Ich meine, ist schon schlimm, dass er dich so im Stich lässt.“ Scherzte der nun zurück und nach dem Austausch einiger weiterer Neckereien beendeten sie das Gespräch.
 

Natürlich musste er nun noch einmal Mokuba anrufen, der ein wenig aufgekratzt und überfordert war. Joey konnte ihn beruhigen und berichtete davon, wie ihn zwischenzeitlich Noah und auch noch Seto angerufen hatte. Der Plan stand und am nächsten Wochenende würde es endlich soweit sein. Als Serenitiy berichtete, dass Seto sogar wieder zu scherzen begonnen hatte, musste sie näher erklären, was vorgefallen war.

„Nun, eigentlich müsstest du ihm dafür jetzt noch ein paar nette Termine eintragen.“ Gab Mokuba von sich und der Blonde lachte. „Würde ich ja, aber ich weiß nicht wie. Bis ins Büro werde ich für den Scherz nicht fahren.“ Gab er von sich und er hörte dieses typisch nachdenkliche „Hmm…“ von der anderen Seite. „Vielleicht kann ich ja…“ Mokuba schien seinen Laptop aus einer Tasche zu holen und klappte diesen auf. Die beiden Geschwister konnten hören, wie er auf der Tastatur tippte und dann kam ein erfreutes „Na, geht doch!“

Ob es eine gute Idee war oder nicht, aber es war einfach zu verlockend. Anscheinend hatte Mokuba noch immer Zugriff auf Joeys Profil und so konnte er auch Einträge in den Kalender machen. Er entschied sich jedoch, nach dieser Aktion lieber alle Verbindungen zu löschen. Er konnte auf ein zweites Desaster verzichten, in welches ihn seine letzte Aktion gestürzt hatte.
 

~~~ooo~~~
 

Seto saß in dem großen Speisezimmer und hatte die Zeitung vor sich ausgebreitet, während er aß. Es gab eine große Schüssel Misosuppe und mit einem gelangweilten Gähnen blätterte er um. Was für ein absoluter Unfug. War die Daily Domino eigentliche ein Zeitung oder ein Klatschblatt? Das war doch lächerlich. Da wurden Behauptungen in den Raum geworfen, die gar nicht stimmten und völlig sinnfreie Informationen geteilt. War interessierte es denn, ob die 15-jährige Tochter eines bekannten Filmsternchens betrunken Auto gefahren war oder der 17-jährige Sohn eines erfolgreichen Photographen nun eine Kosmetikmarke raus brachte? Das waren alles völlig uninteressante Informationen, die sein Leben nicht bereicherten. Er schüttelte den Kopf und hob die Schüssel an, um einen kräftigen Schluck zu nehmen.

Nachdem er endlich frustriert festgestellt hatte, dass er nichts versäumte, wenn er die Zeitung ausließ, griff er nach seinem Handy. Erstaunt bemerkte er die Anzeige, dass seinem Terminkalender neue Einträge zugeordnet worden waren und neugierig öffnete er diesen. Er hatte selbst von 16 bis 17 Uhr das Training eingetragen und nun kamen einige neue dazu. Danach gab es von 18 bis 19 Uhr Abendessen, gefolgt von einem „Lesen am Kamin“ Eintrag. Als Bemerkung war angegeben, dass er bisher noch kein neues Buch gefordert hatte, das letzte also wohl noch Kapitel übrig hätte. So, wie er es dem Blonden bereits gesagt hatte. Dann kam ein kleiner Vermerk, der nur eine halbe Stunde ging und keine Namen trug. Da direkt darauf um 23 Uhr ein „Schlafen“ Termin zu finden war, ahnte er schon, was Joey ihm damit sagen wollte.
 

Ihn wunderte es jedoch, dass der junge Mann ihm anscheinend diese Termine von Zuhause angelegt hatte. Wie war ihm denn das geglückt und sollte er sich für eine neue Katastrophe wappnen? Vielleicht hatte ihm Mokuba geholfen? Das würde auch erklären, warum Joseph den Termin mit der Meditation ausgelassen, bzw. nicht ausgeschrieben hatte. Irgendwie war es ja niedlich, dass der Blondschopf Himmel und Hölle in Bewegung setze, nur um diesen flapsigen Kommentar aufzugreifen. Mit einem ruhigen Lächeln erhob er sich und schob den Stuhl wieder an den Tisch. Er wollte gerade die Tür des Speisesaales hinter sich schließen, als er Noah sah. Der 22-Jährige blickte ihn erstaunt an und die dunkelblauen Augen trafen die eisblauen. „Hi…“ Kam von dem Grünhaarigen, der sich gerade seltsam unsicher gab.

Für einen kurzen Moment musste er abwägen, ob er auf diese Unsicherheit einging. Er ahnte, woher sie kam und so blieb Seto ungerührt stehen. „Hi.“ Kam kurz von ihm und er beobachtete, wie sich Noah immer unwohler unter seinem Blick fühlte. „Ich weiß es schon.“ Gab er von sich und nun zuckte sein Stiefbruder leicht zusammen. „Du weißt es? Was denn?“ Wollte er wissen und spielte den Ball mit einem schwachen Lächeln zurück. „Na, das eben. Das, was Mokuba auch weiß.“ Wahrscheinlich war er nun doch zu offensichtlich, denn nach einem kurzen Zögern stieß Naoh die Luft genervt aus und ließ den Kopf mit einem leichten Lächeln zur Seite sinken, um Seto vorwurfsvoll anzusehen. „Ach DAS meinst du. Sag das doch gleich, dann hätte ich gar nicht nachfragen müssen.“ Stieß Noah erst angefahren aus, bevor er begann nun seinerseits seinen Bruder zu necken. „Sehr schön, also kann ich die Einladungskarten zur Weihnachtsfeier rausschicken. Yugi und die anderen freuen sich bestimmt. Ich finde es klasse, dass du einem so großen Weihnachtsbaum zugestimmt hast.“
 

Nun konnte Noah sehen, wie die Augenbrauen gleichzeitig entsetzt in die Höhe gingen. „Bitte was?“ Kam von ihm und auch bei dem auftretenden Grinsen im Gesicht des anderen konnte er dies nicht ablegen. „Na, die Weihnachtsfeier. Du hast doch gesagt, dass du alles weißt, was Mokuba weiß und der weiß, dass er und ich entschieden haben, hier an Weihnachten eine große Feier auszurichten.“ Erklärte Noah noch immer in diesem neckenden Ton, der das Entsetzen jedoch nicht schmälerte, welches Seto zeichnete. „Ach komm schon, das ist doch eine schöne Idee. Mir gefällt sie. Eine große Feier, hier im Hause, Weihnachtspunsch und Kekse. Wir könnten in der großen Küche Kekse backen und… oh ja…“ Jetzt trat ein Leuchten in die dunkelblauen Augen und Seto versuchte zu erahnen, ob der andere es noch immer scherzhaft meinte. Den Eindruck hatte er jedoch nicht. „Wir könnten uns alle zu einem späten Frühstück treffen, dann Plätzchen backen und nach dem Tee am Nachmittag Geschenke auspacken. Weihnachtslieder und Punsch, getrocknete Orangen und Nelkenduft.“

Eindeutig und unmissverständlich meinte Noah das gerade ernst. Seto wusste nicht, was ihn mehr entsetzte. „Wer sind denn wir alle?“ Wollte er nun etwas unterkühlt wissen und Noah grinste breit. Er griff einfach nach dem Arm seines Stiefbruders und harkte sich bei diesem ein. „Nun, dass kommt darauf an, wen wir einladen. Ich meine, Joey zum Beispiel, Yugi und Atemu wären auch eine Idee.“ Er zog seinen Bruder mit sich und nicht sehr viel später landeten sie im gemütlichen Wohnzimmer, wo sie auch die letzten Filmabende verbracht hatten.
 

Natürlich war dem grünhaarigen Kaiba klar, dass sein Bruder nicht angetan war, doch er verwickelte ihn einfach in eine spontan begonnene Weihnachtsplanung und schaffte es wenigsten, den Mann hin und wieder zu seinem Schmunzeln zu bringen. Auch über Aiko und das nächste Wochenende sprachen sie, ebenso wie über den kommenden Abend. Seto wirkte angespannt und doch musste er lachen, als Noah meinte, dass Joey anscheinend den ganzen Morgen von Kaibas belagert worden wäre. Es war ein unglaublich schönes Lachen, stellte Noah fest und fragte sich, ob Joey der Grund dafür war.

Noch lange hatten sie sich unterhalten, doch um 14:30 Uhr meinte Seto, dass er sich auf den Weg zum Training machen müsste. Die Straßen wären sicher voll und er wollte nicht zu spät kommen. Noah verabschiedete ihn noch mit der Aussage, dass er ja vorsichtig fahren sollte und wünschte ihm viel Spaß. Nachdenklich hatte er den Schatten gesehen, der über das helle Gesicht gehuscht war. Stimmte etwas mit dem Training nicht?
 

Ja, es gab ein Problem. Ein sehr großes sogar. Seto wusste es, doch er versuchte all seine Bedenken zu verdrängen. So packte er seine Sachen und machte sich auf den Weg. Ein langer, schwerer und vor allem langsamer Weg. Von Ampel zu Ampel, zwischen den Autos, die an diesem Samstagnachmittag durch die Stadt fuhren. Er ahnte schon, dass es auf dem Rückweg nicht besser werde würde. Doch nun hatte er eine andere Herausforderung. Seto stand auf dem Parkplatz. Er hatte sein Motorrad ganz hinten neben eine Eibe gestellt, den Helm auf den Sitz gelegt. Sie Handschuhe theoretisch auch, doch einer war zu Boden gefallen. Innerlich aufgekratzt versuchte er sich zu beruhigen und ertappte sich immer wieder dabei, wie er nervös von einer zur anderen Seite lief.

Nicht nur ihm war dieses Verhalten aufgefallen. Immer wieder blickten die Eltern zu ihm hinüber, die ihre Kinder zum Training brachten und den jungen Mann in seiner Motorradkluft auffällig unruhig auf und ab tigern sahen. Er versuchte sie zu ignorieren und sagte sich, dass er seinem Sensei vertraute, dass all das hier schon einen Sinn ergab. Doch innerlich konnte er sich nicht beruhigen und sein Verstand spielte ihm Streiche. Er fuhr sich durch die brünetten Haare und spürte, wie seine Hände zu zittern begonnen hatten. Verdammt, er wusste wirklich nicht, was er machen sollte.
 

Verwundert starrte Joey auf sein Telephon und nahm den Anruf entgegen, den er nun erhielt. „Hotline für unfähige Sekretäre. Was kann ich für sie tun?“ Begrüßte er den Anrufer und nichts als ein tiefes Durchatmen war zu hören. „Das ist jetzt echt nicht lustig.“ Kam beinahe etwas Patzig von der Stimme aus dem Hörer. Joey fläzte gerade in seiner blauen Jogginghose auf dem Bett und hatte sein Lehrbuch vor sich auf dem Schoß. „Ach komm, so schlimm waren die Termine doch nun auch nicht. Ich dachte, du würdest dich darüber freuen.“ Verteidigte sich Joey nun, doch das war anscheinend gar nicht das Problem. „Ja, darüber habe ich mich auch gefreut. Aber darum rufe ich nicht an.“ Kam etwas entspannter von der anderen Seite. Erstaunt blinzelte Joey, der so eben unerwartet ein Geständnis erhalten hatte, welches so gar nicht in den Raum passte. Im ersten Moment wusste er nicht, was er sagen sollte, doch dann fasste er sich ein Herz und fragte mit einem charmanten Ton in der Stimme. „Gut, warum rufst du dann an. Es ist immerhin das zweite Mal heute.“

Die darauf folgende Stille überraschte ihn beinahe noch mehr, als die Bekundung, dass sich der Brünette über den Blödsinn gefreut hatte. „Ok, ich verstehe schon. Es ist etwas, worüber du eigentlich nicht mit mir reden willst. Vielleicht reicht es ja, wenn du mir sagst, was ich für dich tun kann?“ Fragte der Blonde nun mit einer gewissen Zurückhaltung. Er wusste mittlerweile, dass er Seto gegenüber in solchen Situationen nicht zu forsch sein durfte. Er musste ihn eher locken, indem er versuchte, dass Thema zu umgehen. Dann ging er schon von alleine auf das Problem ein.
 

Das tiefe Durchatmen war wie der Ausdruck einer resignierten Aufgabe und Joey wartete weiter. Er spürte den Kampf des anderen mit sich selbst. Die Unsicherheit und die Überforderung, die den 22-Jährigen nun bewegten, waren extrem heftig. Still ging ihm die Frage durch den Kopf, was den leibhaftigen Seto Kaiba so aus der Bahn bringen konnte. Dieses Bild passte so gar nicht zu dem kaltherzigen Mann, der ihn vor einigen Wochen in der Küche der Villa erst geschlagen und dann bedrängt hatte. „Wo bist du denn jetzt?“ Begann er einen anderen Ansatz, weil Seto nicht von alleine das Wort ergriff. „Auf dem Parkplatz der Kampfschule.“ Kam die angespannte Antwort schneller, als von dem Blonden erwartet. Wieder hörte er dieses geräuschvolle Atmen und hoffte auf mehr Informationen. „Mein Sensei wollte, dass ich ganz von vorne beginne und darum soll ich heute um 16 Uhr trainieren. Es… es ist ein fester Kurs.“ Kam nun zögerlich von der anderen Seite der Leitung.

„Du sagst es so, als wäre das etwas Schlimmes.“ Kam vorsichtig von Joey, der sich nicht sicher war, worauf der Brünette hinaus wollte. Das tiefe Seufzen kam auf die Sekunde, in der Joey damit rechnete. „Es ist der Anfängerkurs.“ Folgte in einem leicht gequälten Tonfall. Nun verstand der Blonde langsam, welches Problem sich daraus ergab. Immerhin hatte der 22-Jährige ihm im Flugzeug erzählt, dass er seit vielen Jahren trainierte. Wenn er wieder bei den Anfängern gelandet war, würde jemand wie er sicher zu viel bekommen. Er konnte sich regerecht vorstellen, wie der Frust in dem Mann kochte.
 

„Der Anfängerkurs für Kinder!“ Diese Aussage kam wie aus dem Nichts und Joey stand für einen Moment der Mund offen. Das war extrem mies. Der Kerl zwischen Kindern? Kleinen Kindern? „Wie alt sind sie?“ Wollte der 19-Jährige nun vorsichtig wissen und war sich selbst unschlüssig, wie er dem jungen Mann helfen konnte. „10 bis 13 Jahre und es ist ein Einsteigerkurs. Also haben sie jetzt erst seit 8 oder 9 Wochen überhaupt Judo. Sie sind also noch bei den einfachen Grundhaltungen und wenn ich Glück habe, lernen sie gerade die ersten Hebelgriffe und Schläge.“ Kam die Erklärung und Joey seufzte. „Ok, aber sollst du denn im Kurs als Teilnehmer dabei sein oder deinen Sensei nur als Trainer unterstützen?“ Es war ein kleiner Hoffnungsschimmer, den er erhaschen wollte und mit der linken Hand schlug der Blonde das Lehrbuch zu, um es neben sich zu legen.

„Das war auch schon meine Frage. Nein, ich soll als Teilnehmer arbeiten. Es wäre seine Aufgabe an mich. Wenn ich die wahren Werte des Judos verstehen will, soll ich sie durch die Augen eines Kindes sehen. Weil ich Kinder ja so hasse!“ Mit einem resignierten Schnaufen gab Joey ein Schmunzeln von sich. Er schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Nachdenklich ging er hinüber zum Fenster und starrte hinaus. Die Begegnung zwischen dem Jungen und Seto in Dubai ging ihm nicht mehr aus dem Kopf und selbst in Anbetracht der Tatsache, dass diese Kinder älter waren, erschien ihm das eine gefährliche Mischung. Aber die Idee hatte etwas. Diese Kinder waren rein, unschuldig und wahrscheinlich mit einem starken Herzen gesegnet. Wenn jemand die Werte des Judos suchte, dann würde er ihnen nur folgen müssen. Doch… wie brachte man einen sturen Esel wie Seto dazu, sich auf ein solches Experiment einzulassen?
 

„Erinnerst du dich noch daran, wie Mokuba in diesem Alter war?“ Fragte Joey nun und erhielt ein Brummen. Erst nach einigen Herzschlägen kam griesgrämig. „Natürlich tue ich das. Zu der Zeit konnte ich ihn noch verstehen.“ Was für eine Aussage! Aber egal, so kamen sie vielleicht voran. Mit einem leichten Schmunzeln, welches in seiner Stimme zu hören war, warf der Blonde eine Überlegung in den Raum. „Und wenn du dir vorstellst, dass das alles kleine Mokubas sind?“

Diese Idee musste einen Moment sacken, bevor ein Lachen erklang. Dieses war nicht ganz so klar, wie Joey es liebte. Die Anspannung war darin zu hören, doch es hatte trotzdem diesen ehrlichen Klang. Allein beim Hören musste der Blonde schon breit grinsen. „Anscheinend gefällt dir die Vorstellung.“ Kommentierte er mit einer gewissen Erleichterung in der Stimme. „Da ich gerne an diese Zeit zurück denke, hat diese ziemlich absurde Idee etwas. Ich finde zwar keine solide Erklärung dafür, aber vielleicht hilft es ja.“ Das waren doch die Worte, die Joey hören wollte. „Du könntest in einem Videospiel stecken und ein Fehler im System hat alle NPCs unter 13 Jahren in Mokuba verwandelt.“ Bot er gleich eine Variante an und wartete auf ein neues Lachen. Es kam nicht. Nur ein belustigtes Schmunzeln. Nun, man nahm, was man bekam.

„Tu mir nur einen Gefallen und grummel die Kleinen nicht an. Sonst verschreckst du sie noch.“ Neckte er und schloss. „So, es ist jetzt viertel vor vier. Du solltest jetzt los.“
 

Wann ihm sein Herz das letzte Mal beinahe aus der Brust gesprungen war, konnte er nicht sagen. Er war nervös, während er die Treppe hinauf stieg. Schnell hatte er den Brunnen aufgesucht und Hände und Gesicht gewaschen. Das Wasser war eiskalt und half ihm, stärker im hier und jetzt zu bleiben. Das Ritual am Schrein hatte er mit gerade so viel Geduld absolviert, dass es eben noch höflich wirkte. Als er sich aufrichtete, traten zwei Jungen neben ihn, das gefaltete Bündel zwischen die Knie geklemmt. Sein strenger Blick lag auf ihnen. Ein Räuspern.

Die beiden Jungen zuckten zusammen und sahen zu ihm auf. Große, verwirrte Augen, die fragend zu ihm sahen. „Ihr habt euch nicht das Gesicht gewaschen.“ Gab er in einem tiefen, strengen Ton von sich und beide zuckten erneut erschrocken zusammen. Sie sahen ihn überfordert und doch mit dem Ton der Verlegenheit an. Das sie ertappt wurden, war offensichtlich. Gelassen deutete der Brünette auf den Brunnen und schwieg auf stoische Weise. Kaum einen Moment später nickten die zwei Schwarzhaarigen und liefen hinüber. Er konnte sie noch leise tuscheln hören. „Woher wusste er das?“ Fragte einer und der andere meinte. „Wahrscheinlich ist er auch schon ein Sensei.“ Mutmaßte der andere und sie bibberten, als das kalte Wasser ihre Gesichter traf. Es war einfach saukalt. Immerhin hatten sie ihre Gründe, warum sie tricksen wollten.

Geduldig wartete der Brünette, den Helm hatte er wieder in der Hand, sein eigenes, gefaltetes Bündel ebenfalls. Als sie zurückkahmen, blickten sie ehrfürchtig zu ihm auf. Ein seltsames Gefühl. Was hatte Joseph noch gesagt? Er solle sich vorstellen, dass es alles kleine Mokubas wären? Mit einem Nicken gab er ihnen zu verstehen, dass sie weiter machen sollten und unter dem strengen Blick des 22-Jährigen verbeugten sie sich zwei Mal, klatschte in die Hände und sagten den Spruch auf. „Ich bin dankbar dafür, dass ich bin.“ Sagten sie huldvoll und die brünette Augenbraue wanderte fragend in die Höhe. Als sich die beiden wieder aufrichteten, erkundigte sich der Firmenführer in einem leicht angefahrenen Ton. „Wer hat euch das hier eigentlich beigebracht? Wenn ihr das Gelände das erste Mal betretet, dann sagt ihr nicht diesen Spruch. Der ist nur dafür gedacht, wenn ihr den Schrein passiert. Am Anfang steht immer ein Gebet, in dem ihr mit dem Tag abschließt und eure Gedanken reinigt.“
 

Große Augen blickten ihn an und die beiden wirkten langsam leicht verzweifelt. Mit einem Blick auf den Schrein forderte er sie erneut auf und sie nickten eingeschüchtert. Gerade wollten sie beginnen, als der erste leise nuschelte. „Sage ich das… laut?“ Seto musterte das Kindergesicht des 10-Jährigen und in seinen Ohren klangen die Worte des Blonden wider. So legte er seinen Helm wieder neben sich und trat zu den beiden. Er positionierte sich perfekt zum Schrein mit ausreichend Abstand, das kleine Päckchen, welches seinen gefalteten Kampfanzug darstellte, ebenfalls zwischen den Knien, und meinte dann etwas ruhiger. „Nein, dass musst du nicht laut sagen. Du kannst es, dass ist dir überlassen, aber die meisten Gebete werden im Stillen gesprochen. Dieser Schrein hat keinen besonderen Kami, dem er gewidmet ist und es soll euch die Möglichkeit bieten, mit dem Tag ein wenig abzuschließen. Ihr könnt euch auch auf das Training fokussieren.“ Seine Stimme klang nun nicht mehr so distanziert und hatte einen geduldiger Hauch erhalten. Seto verbeugte sich zwei Mal tief, klatschte in die Hände und meinte dann mit einfühlsamer, sanfter Stimme. „Danke für die Gelassenheit und Ruhe, die ich hier finden kann. Danke, für die Erfahrungen und das Wissen, dass ich hier erlernen darf. Danke, für die Gemeinschaft, die ich hier finde.“ Er verharrte noch einen Moment und verbeugte sich erneut tief vor dem Schrein. In dieser Verbeugung verharrte er einen Moment und richtete sich dann wieder zu voller Größe auf.
 

Die beiden Jungen taten es ihm gleich und orientierten sich an seinen Handlungen. Dieses Mal war ihm der Ablauf bewusster. Er spürte, wie die Last des Tages weniger wurde und er sich entspannen konnte. Schnell sammelte er seinen Helm wieder ein und wollte die beiden Jüngeren schon ignorieren, als ihm eines auffiel. Sie schienen zu warten, dass er vor ging. Zweifelnd hob sich die brünette Augenbraue und er musterte die zwei Kinder. Er hatte offenbar Anhang erhalten.

Ohne etwas zu sagen machte er sich auf den Weg hinüber zur Umkleide. Das waren ja schöne Aussichten. Er konnte jetzt schon zu viel bekommen. Seine schöne innerliche Ruhe war dahin. Die beiden Schüler folgten wie treudoofe Hunde und mit einem Seufzen öffnete er die Tür. Innen war der Raum gefüllt mit lachenden, tratschenden Kindern, die fast alle in ihren weißen Anzügen steckten. Als sie den Brünetten bemerkten, wurde es plötzlich still. Die Kinderaugen musterten ihn und doch ignorierte Seto dies stoisch. Er wollte sich jetzt nicht damit beschäftigen und diese ganze lächerliche Aktion hinter sich bringen. Ein Tuscheln setzte ein und einer der beiden Kleinen von draußen meinte, dass er gewusst hätte, dass sie ihre Gesichter nicht gewaschen hätten, ohne es gesehen zu haben.
 

Ehrfurchtsvoll wurde sein Rücken gemustert, sein Platz war zum Glück noch frei. Er begann sich schnell auszuziehen und griff nach seinem Handtuch, um in den Duschraum zu eilen. Dort fiel sein Blick direkt auf die geschlossenen Fenster. Noch andere kleine, verräterische Details zeigte ihm, das offensichtlich vor ihm niemand hier in dem weiß gekachelten Raum gewesen war. Noch in der Tür stehend drehte sich der Brünette um, sein Blick schweift über die Gruppe kleiner Jungen. Die meisten von ihnen trugen bereits die weißen Kampfanzüge mit ihren weißen Gürteln und bei genauerer Betrachtung konnte er erkennen, dass er keine einzige nasse Strähne an den vielleicht zehn Haarschöpfen fand. Nun hatte seine Stimme einen tiefen, drängen Tonfall. „Das ist doch wohl nicht euer verdammter Ernst! Glaubt ihr wirklich, dass mir nicht auffällt, dass keiner von euch geduscht hat?“

Mit verschämten, großen Augen sahen die jungen Schüler zu ihm hinüber. Einige von ihnen bekamen rote, vor Verlegenheit leuchtende Wange, als ihnen bewusst wurde, dass sie ertappt worden waren. Die brünette Augenbraue zog sich gefährlich in die Höhe und Seto blickte sie auffordernd an. „Ich zähle jetzt bis drei und dann seid ihr alle unter der Dusche!“
 

Der gefährliche Ton in seiner Stimme sogte dafür, dass sofort Bewegung in die Gruppe kam. Ohne nach einmal zu zögern beeilten sich die jungen Schüler wieder, aus ihrer Kleidung herauszukommen, nach ihren Handtüchern zu greifen und hinüber zu den Duschen zu laufen. Seto hörte noch einen von ihnen murmeln: „Ich sage doch, dass er ein Sensei sein muss. Woher wüsste er das sonst?“

So schmeichelhaft diese Aussage auch war, so wenig Verständnis hatte er für ihre Entscheidungen. Für ihn war das kalte Duschen stets eine angenehme Verbindung zwischen Körper und Geist. Die Angst vor der Kälte, war etwas, dass er nicht nachvollziehen konnte. Unter seinem äußerst strengen Blick beobachtete er das nun eintretende Szenario. Er konnte ihnen ansehen, dass sie sich wirklich vor dem kalten Wasser fürchteten. Doch noch mehr schienen sie sich vor ihm zu fürchten, denn sie alle zwangen sich mit einem letzten Blick über die Schulter die Kälte des Wassers zu ertragen.

Durchgefroren und eingeschüchtert zogen sich die Jungen wieder an, während nun Seto duschen ging. Er begrüßte das kalte Wasser, welches ihm eisige Schauer über den Rücken jagte. Die drei Jungen, die frech in den Duschraum lugten, um sicher zu gehen, dass er auch wirklich unter dem Wasser stand, bemerkte er nicht. Als er dieses wieder ausdrehte und nach seinem Handtuch griff, waren sie schon fort. Geübt griff er nach dem Wischer und hatte in wenigen Bewegungen den Boden kurz gereinigt, das angesammelte Wasser hinüber zum Abfluss geschoben.
 

Als er zurückkehrte, sah er ein seltsames Bild. Die Jungen waren fertig und standen nun abwartend in einer geraden Reihe neben der Tür. Sie schienen ohne ihn nicht gehen zu wollen und erstaunt war Seto für einen Moment überfordert. Die warteten auf ihn? Damit hatte er nicht gerechnet. Eilig fing er sich wieder und nickte ihnen zu. Während er grob die Feuchtigkeit los wurde, fragte er laut. „Wer kann mir sagen, warum ihr euch mit kaltem Wasser duschen sollt?“ Wenn sie ihm schon so hörig folgten, konnte er sie auch gleich unterrichten. Immerhin glaubten sie ja eh, dass er ein Sensei wäre. Vielleicht war erklären besser als schimpfen.

„Also, ich bin mir nicht ganz sicher, aber vielleicht… ähm… der Sensei Furukawa sagte, dass das kalte Wasser uns die Angst nehmen soll und es Körper und Geist kräftigt?“ Es war anscheinend einer der älteren Jungen, der verlegen das Wort ergriffen hatte. Er wirkte extrem unsicher, schien aber die anderen ein Stück weit in Schutz nehmen zu wollen. Nur kurz sahen die eisblauen Augen zu den Schülern hinüber, bevor er seine Jacke überzog. Dennoch zeichnete sich ein leichtes Lächeln auf seinen schmalen Lippen ab. „Das ist richtig. Sehr gut.“ Es klang für ihn selbst irritierend, so etwas zu sagen. Es fühlte sich falsch und übertrieben an, doch ein Blick in das Kindergesicht sagte ihm, dass er diesen Gedanken offenbar ablegen musste. Der Junge strahlte so breit, dass sein Grinsen beinahe über die Ohren zu reichen schien. „Es geht aber nicht nur darum.“ Seto zog den weißen Gürtel fest und in Gedanken trauerte er seinem braunen nach. Wieder den Ku – kyu zu tragen, war ein seltsames Gefühl. Immerhin wusste er bereits alles, um die Grade der Kyu zu verlassen und endlich den ersten Dan zu erobern. Nun, anscheinend wusste er nicht alles, denn diese seltsamen Zwerge sollten ihm noch etwas beibringen, dass ihm nicht bekannt war. Mal sehen, ob das auch wirklich klappen würde. „Wenn ihr hier ankommt, sollt ihr die Last des Tages ablegen. Die Sorgen über den nächten Mathetest, die Geburtstagsfeier, der Ausflug, Geschwister oder andere Sorgen. Es geht darum, dass ihr hier wirklich nur bei euch seid. Bei eurem Training und bei eurem Sensei. Seid ihr in Gedanken noch immer in der Schule, reagiert ihr zu spät, wenn ihr euch aus einem Griff befreien wollt und euer Gegner wirft euch auf die Matte. Wenn ihr in Gedanken schon beim Abendessen seid, werdet ihr viel leichter von eurem Gegner erwischt und auch eure Bewegungen werden nicht so klar und sauber sein. Ihr sollt nicht euren Körper, sondern euren Geist waschen. Darum ist das Wasser kalt.“
 

Die Kinderaugen hingen huldvoll an seinen Lippen und sie nickten, als sie seine Worte hörten. „Ginge es nur darum, dass ihr euch waschen sollt, könntet ihr auch warmes Wasser nehmen.“ Gab er noch zu bedenken und deutete auf die Tür. „Wir sollten gehen. Es ist spät.“ Sie wichen ihm bei dieser Aussage direkt aus und machten ihm Platz, damit er zur Tür gehen konnte. Trotzdem fiel ihr Blick auf den weißen Gürtel, der nicht zu dem passte, was sie über ihn dachten. Der Brünette bewegte sich hier jedoch so, als ginge er seit Jahren in diesem Haus ein und aus. Er trat draußen neben der Tür zur Seite und wartete, bis sie alle die Umkleiden verlassen hatten. Sein Herz schlug schnell, wild und innerlich dachte er immer wieder, dass es einfach alle Minivarianten seines Bruders waren. Mit dieser Vorstellung wurde es etwas besser.

Die Tür glitt leicht in ihr Schloss und er konnte die 10 Jungen sehen, die sich große Mühe gaben, nicht zu kalte Füße zu bekommen und voller stoischer Geduld vor dem Schreib wartete, dass er zu ihnen kam. Dabei wippten sie möglichst unauffällig von einem Fuß auf den anderen. Seto erinnerte sich noch gut daran, wie er das erste Mal dort gestanden hatte. Seine Füße waren kalt und doch war er so beherrscht, dass er kein einziges Zeichen von sich gab. Mokuba hingegen… er würde das Gesicht verziehen und ihn mit seinen großen, dunkelblauen Augen ansehen, nur um dann zu betteln, dass sein Bruder sich beeilen sollte.

Ein sanftes Lächeln lag auf den Lippen des 22-Jährigen und er trat von der Veranda hinunter, die Stufen aus Holz bis er das erste Mal den eiskalten Boden unter sich spürte. Wie kleine Nadelstiche bohrte sich die Kälte in seine Fußsohlen und er spürte, wie ein Teil in ihm zurückweichen wollte. Er war es nicht mehr gewohnt. Viel zu selten war er ohne Schuhe unterwegs. Seine Fußsohlen waren sensibel geworden und er konnte selbst dem Drang nur schwer widerstehen. Als er den Blick nachdenklich auf die Kinder fallen ließ, kam ihm zum ersten Mal die Idee, was sein Sensei vom ihm wollte. Er lächelte und beeilte sich, zu der Gruppe zu kommen, die nun sittsam auf ihn wartete.
 

Er trat an den Platz, der ihm seit Jahren her gebührte und sie reihten sich dazu. „Ich denke, dass ihr wisst, dass dieser Schrein keinen Kami hat, denn er beherbergt. Wenn ihr also betet, dann betet ihr zu euch selbst. Es geht darum, dass ihr euch diese Worte sagte. Aber…“ Er machte eine kleine Pause und warf einen langen Blick über die kleine Bande. „…es gibt die Legende, dass dieser Tempel deswegen keinen Kami hat, damit die Kami einen Platz finden, an dem sie sich treffen können, sich unterhalten und austauschen. Wenn ihr also vor diesem Schrein betet, tut es immer mit größtem Respekt, denn wer weiß, welcher Kami gerade hier ist. Vielleicht glauben sie, dass ihr eine kleine Lektion verdient, wenn ihr sie ärgert.“ Die Kinderaugen wurden rund vor Entsetzen und sie blickten sich tuschelnd an. Keiner von ihnen wollte einen Kami verärgern. „Darum ist es so wichtig, dass ihr die Regeln versteht und umsetzt. Wie ein einem Shintō-Schrein müsst ihr ihnen Platz lassen, seid immer höflich und achtet darauf, dass die Kerzen niemals ausgehen. Denn wenn euch die Kami gut gesinnt sind, habt ihr vielleicht gleich drei oder vier, die euch einen Gefallen tun wollen.“ Es war herrlich, wie aus dem Entsetzen eine ungebändigte Freude wurde, die zu einem neuen Tuschen wurde. Er musste selbst an Tomo denken, der ihm damals diese Geschichte erzählte und sie immer für dumm gehalten hatte. Doch diese strahlenden Kinderaugen, diese klare Freude, die er ihnen damit bereiten konnte, gab dieser Idee einen unerwarteten Wert.

„Was habe ich gerade gesagt? Seit wann wird denn vor dem Schrein getuschelt?“ Ermahnte er sie streng und sogleich ordneten sie sich und warteten darauf, dass er begann. Wieder verbeugte sich Kaiba zwei Mal, klatschte in die Hände und sprach mit klarer, voller Stimme. „Ich bin dankbar dafür, dass ich bin.“ Dieser Satz, der ihm immer wie eine dumme Wiederholung erschien, hatte in diesem einen Moment eine solche Urgewalt, die ihn beinahe mit sich riss. Er war dankbar dafür, dass er war. Er existierte. Seine gesamte Welt, sein gesamtes Wesen, sein gesamtes Sein… dafür war er dankbar. Diese Worte erschienen ihm das erste Mal sinnvoll und in einer unglaublichen Art tiefgreifend. Er war dankbar, dass er sein konnte, wer er war. Dass er sich seiner eigenen Existenz bewusst war. Dafür konnte er wirklich dankbar sein.

Von diesem Gefühl erfüllt, beendete er das Ritual und führte die kleine Gruppe wieder auf die Treppe hinauf in den Flur des Dojo. Er beobachtete, wie sie ihre Füße wuschen und als auch er endlich den Moment dazu fand, kam ihm die Frage, wie spät es eigentlich war. Es musste jetzt schon weit nach 16 Uhr sein. Sie waren eigentlich alle zu spät.
 

Wieder warteten die Jungen darauf, um ihm Vorrang zu lassen, bis noch etwas geschah. Einer der Kleineren, ein Junge mit braunen Augen und braunen Haaren zupfte ihn am Ärmel und sah verlegen zu ihm auf. „Sensei… warum müssen wir uns eigentlich die Füße waschen?“ Fragte er leise und für einen Moment blickten ihn die tiefblauen Augen nur an. „Weil du schmutzige Füße hast. Auch wenn es im Sommer nicht so wirkt, so sind sie dennoch staubig. Außerdem bietet es noch ein weiteres Mal die Möglichkeit, die gedanklich auf dein Training vorzubereiten.“ Wann hatte er eigentlich das letzte Mal so viel erklärt?

Als er als erstes die Trainingshalle betrat, fiel sein Blick direkt auf seinen Sensei, der dort vor dem Schrein saß, den Blick auf die Tür gerichtet. Kurz wirkte dieser erstaunt und musterte die vielen Schüler, die sich wie in einem Gänsemarsch hinter dem Brünetten anschlossen und mit ihm an der großen Halle entlang hinüber zur großen Glastür gingen. Langsam erhob sich Furukawa und beobachtete, wie die Kleinen beinahe automatisch taten, was sie sollten und Seto anscheinend seine Position angenommen hatte. Während der junge Mann die Tür öffnete, erklang seine sanfte Stimme im Raum und er erklärte, warum sie taten, was sie taten.

Für wenige Sekunden war sich der Sensei nicht sicher, wen er dort sah. Der Mann sah nicht aus wie Kaiba, er bewegte sich nicht wie Kaiba und er sprach nicht wie Kaiba. Allein das äußere Erscheinungsbild, welches von dem weißen Gürtel abgelenkt wurde, ähnelte dem kaltherzigen, alles vernichtenden Mann, der vor einem halben Jahr gegangen war. Die Anspannung blieb dennoch offensichtlich in dem schlanken Körper und als der heutige Kurs vor ihn trat, ihn wie aus einem Munde begrüßte und dann in die Verbeugung ging, waren die Jungen konzentrierter, wacher und irgendwie klarer.
 

Auch er erwiderte den Gruß und dann ließ er sie mit den ersten Übungen beginnen. Es war interessant, wie sich der 22-Jährige in sein Schicksal ergab und versuchte, mit der Situation zurechtzukommen. Es fiel ihm so schwer, doch daran konnte er nichts ändern. Seto musste durch diesen Prozess gehen und er schien schon erstaunliche Resultate zu erzeugen. Schweigend beobachtet der Sensei, wie unbeholfen der Firmenführer in seinen Bewegungen wirkte. Seine Seele war gespalten und das zeigte sich in all seinen Aktionen.

Er behandelte ihn wie einen ganz normalen Schüler. Keine Ausnahmen, keine Gnade. Nur einen Punkt hielt er anders. Er würde diesen Mann nicht gegen einen 10 Jährigen antreten lassen, um eine einfache Wurfübung durchzuführen. Dass musste der Brünette nun mit seinem Sensei machen und es folgten drei Übungskämpfe zwischen ihnen. Drei Stück, die Seto gnadenlos verlor. Zurück in die Grundabläufe. Stehen, Gewicht verlagern, die Haltung der Arme im Gleichklang mit dem Versetzen der Füße durchführen. Er korrigierte bei den Kleinen, bei Kaiba. Rücken gerade, Fuß weiter nach hinten. Wieder von vorne beginnen. Wieder gab es Kritik. Den Ellbogen mehr anwinkeln.
 

Für Seto war es ein unglaublich anstrengender Tag und als die Stunde um war, tat ihm alles weh. Sein Blick fiel zu Furukawa, der ihn musterte. „Geht schon einmal vor.“ Murmelte Seto, der nun keine Lust auf die Kleinen hatte. Als die Truppe sich von ihrem Sensei verabschiedet hatte, senkte Seto noch einmal den Blick. Er schien zu warten und wieder forderte er nicht. „Du bist dir uneins.“ Gab der Sensei von sich und trat vor den Schrein, vor dem er sich verbeugte und sich dann auf den Boden sinken ließ. „Dir geht zu viel durch den Kopf. Du bist abgelenkt und weißt nicht, wer du bist. Du hast deine eigene Identität verloren.“

Schweigend trat Seto zu ihm und ließ sich nach einer Verbeugung ebenfalls neben ihm nieder. Der Sensei zündete ein Duftstäbchen an und lächelte dann. „Früher hattest du eine Vorstellung von dem, was du bist, heute nicht mehr. Kommst du noch zum Meditieren?“ Fragte er streng und der 22-Jährige senkte den Kopf. „Nein, ich… ich mache es, aber ich machte es anscheinend falsch. Ich bin weit davon entfernt, dass ich meditiere.“ Antwortete er ernst und wartete auf die Strafe, die er ohne weiteres zu erhalten hatte. Doch es kam keine weitere Aussage, nur der Duft von Sandelholz erfüllte die Luft. Nach einer Weile meinte Furukawa. „Gut, dann übe weiter. Erzähl mir nächsten Samstag, ob du Fortschritte gemacht hast.“ Perplex starrte der Mann auf den Boden vor sich und musste dann doch den Blick heben. „Was?“ Kam von ihm und er war überfordert.

„Du hast eine Strafe erwartet, nicht wahr?“ Begann der 53 Jahre alte Mann ruhig und drehte nun den Kopf, um seinen Schüler zu betrachten. „Nicht immer ist das Scheitern am Erfüllen einer Aufgabe auch ein Versagen. Es ist ein Prozess, den du durchläufst und am Ende hast du hoffentlich mehr gelernt, als nur das stupide befolgen von Regeln. Ich bin stolz auf dich, Seto. Du hast den ersten Schritt geschafft und das ist der schwerste, denn er hat dich in ein Chaos geführt. Du wirst einen langen, harten Weg vor dir haben, in dem du aus diesem Chaos dein eigenes Ich finden musst. Wenn du das geschafft hast, hast du die Antwort, die du suchst.“
 

~~~ooo~~~
 

Das eine heiße Wanne so angenehm sein konnte, hatte er ganz vergessen. Seto hatte sich von seinem Sensei verabschiedet, war mit einem flirrenden Kopf gegangen und fand vor der Tür die 10 Schüler, die bibbernd vor sich hin froren. Er wusste nicht, ob er froh oder entsetzt sein sollte, dass er sich nun doch wieder mit ihnen herum schlagen musste. So scheuchte er sie schnell über den Platz, das Gebet viel knapp aus, und dann jagte er sie unter die warmen Duschen. Lächelnd musterte er die kleine Bande, die sich unter dem Wasser balgte, die Haare einseifte, lachte und von einer zur anderen Seite rannte. Irgendwie fand er doch Mokuba in ihnen und das war etwas schönes.

Auf dem Rückweg war er regelrecht gekrochen und nur sehr langsam gefahren. Zuhause hatte er ein heißes Bad genommen und sich danach noch etwas zu Essen gegönnt. Die Idee mit dem Kamin gefiel ihm und so saß er eingewickelt in eine Decke vor dem Feuer und schaffte nur die ersten beiden Seiten. Dann glitt ihm das Buch aus den Händen und er bemerkte nicht, wie Noah es aufhob. Er ließ seinen Bruder lieber noch eine Weile schlafen und sah später nach ihm. Joey hatte zwischenzeitlich schon angerufen und sich erkundigt. Da saß der 22-Jährige gerade dort und wollte mit dem Lesen beginnen. Der erste Samstag klang also ruhig und erschöpfend aus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Wuwufan
2022-09-03T17:33:52+00:00 03.09.2022 19:33
Wie immer ein richtig tolles Kapitel. Ich bin echt begeistert von deiner Geschichte (und hoffe sehr auf ein gutes Ende).
Es ist interessant, was für einen Einfluss Joey auf die gesamte Kaiba-Familie hat :)
Freue mich schon sehr auf das nächste Kapitel!
Antwort von:  Traumfaengero_-
05.09.2022 00:10
Nun, wuwufan, ich hoffe, dass du das nächste Kapitel auch noch magst oder zumindes ertragen kannst. Es geht leider nicht so lustig weiter. u.u
Ja, der junge Joey hat sich ganz schön in das Leben der drei eingemischt und nun ist er da. :) Den wird man nicht so schnell wieder los und so ein Joey hat einen verherenden Einfluss. Wollte unser Firmenführer ja nie glauben. Jetzt hat er den Salat... ähm... den Joey? :)
Herzlichen Dank für deine lieben Worte. Ich freue mich immer wieder darüber. :D

Liebe Grüße
deine Traumfänger


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