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Bring mich bis zum Horizont

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Bring mich bis zum Horizont
 

''Ein wunderschöner sonniger Tag. Es hätte der schönste Tag des Jahres sein können, wenn nicht das Trommeln der Soldaten gewesen wäre, die die Stille durchschnitten. Tausende von Augenpaaren starrten sie an, doch selbst jetzt hatte sie noch ein kleines Lächeln auf den Lippen, dass nur einer Person gehörte. Langsam schritt sie mit zusammengebundenen Händen an den Menschenmassen vorbei, stieg die wenigen Stufen zum Galgen hinauf, wo ihr der Henker die Schlinge um den Hals legte. Sie hörte nicht die Anklagepunkte, die noch einmal vorgelesen wurden. Sie kannte sie zur genüge, immerhin waren sie ein Teil ihres Lebens. Sie dachte nur an einen Menschen. An das kleine Mädchen, dass starr in dieser Menge stand und die Augen nicht von ihrer Mutter lassen konnte.

Würde sie die Zeit alleine durchstehen können? Ganz ruhig wartete sie dort unten, doch sie wusste genau, was nun kommen würde.

Kurz bevor der Henker das Urteil vollstreckte, kamen einige gehauchte Worte über die Lippen der Mutter. Niemand hörte sie, doch das kleine Mädchen wusste genau, was ihre Mutter ihr gesagt hatte. Sie war der letzte Gedanke vor ihrem Tod gewesen.''
 

***
 

Panisch schlug sie die Augen auf und sah um sich. Niemand war in dem kleinen, stickigen Zimmer. Die Kirchturmglocke schlug gerade zur vierten Stunde des neuen Tages, doch sie war hellwach.

Immer wieder hatte sie diesen Traum von dem traurigsten Tag in ihrem Leben. Es hatte keinen Sinn mehr weiter im Bett zu bleiben, denn der Traum würde immer und immer wiederkommen.

Sie schlug die leichte Decke zurück und zog sich das ausgewaschene Kleid, das am Fußende des wackligen Bettes lag an.

Die Haare band sie sich mit einem Tuch hoch, damit sie ihr nicht bei dieser Schwüle im Nacken hingen. Vorsichtig öffnete sie die knarrende Tür und trat auf den Flur. Sie ging langsam die Treppe zur Schenke hinunter und sah sich um. Niemand war um diese Zeit noch hier, doch der Gedanke an den vorigen Abend war noch stark in ihrem Gedächtnis geblieben. Vorsichtig befühlte sie die schmerzende Stelle unter ihrem rechten Auge.

Sie trat auf die Straße und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen die Gasse entlang.
 

Die Luft hatte sich auch in dieser Nacht nicht abgekühlt. Der Schweiß lief ihr den Rücken herunter und durchnässte ihr Kleid.

Wie ein Schatten schlich sie sich leise durch die schlafende Stadt. Immer wieder blieb sie kurz stehen, um zu horchen, ob sich etwas regte, doch nach einem anstrengenden Arbeitstag waren die Bewohner von Port Royal in einen tiefen Schlaf gefallen.

Vorsichtig öffnete sie das eiserne Tor, das mit einem Quietschen aufschwang und gegen die Steinmauer schlug.

Sie zuckte bei diesem Geräusch zusammen, doch außer ihr schien es niemand gehört zu haben.

Geduckt lief sie die Auffahrt hinauf und an dem großen Landhaus vorbei. Weiter entfernt lagen die Dienstbotenquartiere, die sie nun ansteuerte.

Die Tür war wie immer nur angelehnt, so dass sie sich noch einmal umsah und dann leise in das schlafende Haus huschte.

Sie kannte sich aus, wie in ihrer Westentasche und ging sofort zu dem Zimmer, in dem ihr bester Freund schlief.

Vorsichtig, damit sie kein Geräusch machte, schob sie die Tür auf und fand das Zimmer leer. Das Bett war ordentlich gemacht, so dass sie sah, dass er nicht hier gewesen war.

Vielleicht war er, obwohl es sehr ungewöhnlich wäre, noch im Herrenhaus und musste arbeiten.

Schnell verließ sie das Dienstbotengebäude wieder und schlich zu dem großen englischen Haus.

Sie wischte sich noch schnell den Schweiß von der Stirn, bevor sie mit geübten Händen das Fenster aufhebelte und durchkletterte.

Sie stand in einem Arbeitszimmer und musste sich zuerst orientieren. Sie war zwar noch nie in diesem Haus gewesen, hatte jedoch einiges von ihrem Freund gehört.
 

Unbeobachtet sah sie sich in dem Zimmer um. Langsam ging sie zum Schreibtisch und strich zärtlich mit der Hand über den edlen Mahagonitisch. Nur der Mond erhellte das Zimmer, doch was sie sah verschlug ihr den Atem. Überall waren Auszeichnungen und Orden angebracht. Sie ging hinüber zum Kamin und sah sich die beiden Degen an, die dort angebracht waren.

Schon immer hatten Schwerter, Degen und Säbel ihre Aufmerksamkeit erregt, doch diesmal war es etwas anderes.

Sie kannte die beiden Säbel. Der eine sah dem, der ihrem Großvater gehört hatte, sehr ähnlich und den anderen kannte sie auch irgendwoher.

Voller Staunen trat sie zwei Schritte zurück, als plötzlich ein ohrenbetäubender Donnerschlag zu hören war.

Verwundert lief sie zum Fenster und sah hinaus. Es regnete nicht und einen Blitz hatte sie auch nicht gesehen.

Plötzlich wurde das Haus wie mit einem Schlag wach. Sie hörte jemanden die Treppe hinunterlaufen.

Leise schlich sie sich zur Tür und spähte durch einen kleinen Spalt hinaus. Ein Dienstbote kam wie der Blitz durch die geöffnete Eingangstür und brüllte etwas von Piraten, die die Stadt angreifen würden.

Das Donnern der Kanonen war jetzt, wie panische Schreie der Menschen aus der Stadt, immer häufiger zu hören.

Sie wollte sich umdrehen und aus diesem Haus verschwinden, doch als sie sich umdrehte, sah sie sich direkt einem Degen gegenüber.

"Keine Bewegung!" zischte ein junger Mann.

Vorsichtig hob sie die Arme, um zu zeigen, dass sie unbewaffnet war.

"Wer sind Sie und was wollen sie? Ich werde sie festnehmen und den Soldaten übergeben!" drohte er ihr.

Bevor er ihr noch eine Frage stellen konnte, nahm sie die Vase, die neben ihr auf einem Sockel stand, und schleuderte sie ihm entgegen.

Mit einem lauten Klirren zersprang sie hinter ihm an der Wand in tausend kleine Stücke, doch das gab ihr Zeit die Tür aufzureißen und in die Eingangshalle zu stürmen. Dort standen einige Dienstboten, die sie verdattert ansahen, aber auf das Rufen ihres Herrn nichts taten.

Nachdem er sich von seinem ersten Schrecken erholt hatte, lief er ihr hinterher. Sie verschwand gerade in einem Zimmer auf der anderen Seite und verriegelte die Tür.

Gerade als sie einen Kerzenleuchter in die Türklinke gesteckt hatte, so dass die Tür nicht mehr zu öffnen war, hörte sie ein zischendes Geräusch.

Aus Reflex sprang sie hinter den großen Eichentisch und spürte noch, wie die Kanonenkugel hinter ihr vorüberflog.

Ein klaffendes Loch hatte sie dort hinterlassen, wo sie in das Haus hinein und wieder ausgetreten war. Die Tür, die sie eben noch mit vollem Eifer verriegelt hatte, war nichts mehr als ein großer Haufen.

Sofort rappelte sie sich wieder auf, um ihrem Verfolger zu entkommen, als die Fensterscheibe eingeschlagen wurde und eine üble Fratze in das Haus gesteckt wurde.

"Piraten!" schrie jemand in der Vorhalle, bevor ein Schuss ihn zum Schweigen brachte. Mit einem Krachen gab die schwere Haustür nach und ließ einige wilde Kreaturen eintreten.

Sofort zog sie ihren Säbel, den sie unter ihrem Kleid immer bei sich trug, und wehrte die Hiebe des stinkenden Angreifers ab.

Aus dem Augenwinkel konnte sie noch sehen, wie der junge Mann es mit einem Piraten aufgenommen hatte, der mindestens zwei Köpfe größer war als er.

Sie wehrte geschickt die Hiebe ab, bevor sie dem Piraten in den Bauch trat und den Griff ihres Säbels auf seinen gekrümmten Rücken niedersausen ließ. Bewusstlos brach dieser zusammen und blieb auf dem teuren Teppich liegen.

Die Anstrengung ließ sie in dieser Schwüle noch mehr schwitzen, doch darüber konnte sie sich keine Gedanken machen. Gerade als sie mit ihren Angreifer fertig war, lief ihr ihr Freund über den Weg.

"Elliott! Runter!" schrie sie und warf blitzschnell ihren Säbel auf den Piraten, der mit seiner geladenen Muskete auf ihren Freund gezielt hatte.

Sie lief zu dem Toten und zog angewidert ihren Säbel aus dessen Kopf.

Ihr Freund lag immer noch auf dem Boden und traute sich kaum aufzusehen.

"Elliott, komm, steh auf. Sonst bist du gleich wirklich tot", sagte sie spaßeshalber und half ihrem Freund auf.

Dieser nahm sie überschwänglich in seine Arme.

"Bin ich froh, dass du immer da bist, wenn ich dich brauche, Heather. Was hast du bloß wieder angestellt?" fragte er und strich leicht über die Wunde unter ihrem Auge.

Sie zuckte zusammen und nahm seine Hand weg.

"Es war diesmal nicht meine Schuld", sagte sie ausweichend.

"Ich weiß, nur leider bist du nicht da, wenn ich dich brauche", sie schlug ihm auf den Arm.

"Ich habe dich gesucht und nun denkt der Herr dort drüben, dass ich ein Dieb bin", sagte sie und zeigte auf den jungen Mann, der sich sichtlich mit zwei Piraten abmühte. Er hielt sich jedoch ziemlich wacker, bis ein dritter Pirat seine Muskete lud und auf ihn zielte.

Der junge Mann hatte genug mit den zwei Angreifern zu tun und merkte die Gefahr, in der er schwebte, nicht.

Heather raffte ihre Röcke, ließ alles um sich herum zurück und rannte über die Toten, die langsam ihr Blut auf dem guten Holzfußboden verteilten.

Nur zwei Schritte trennten sie noch von dem jungen Mann, der sie eben noch festnehmen wollte, als sich plötzlich der Schuss löste. Wie in Zeitlupe bewegte sich Heather auf ihn zu, warf mit aller Kraft ihren Säbel in Richtung des Piraten und riss den jungen Mann mit zu Boden.

Sie schlugen hart auf dem Boden und blieben erst einige Sekunden zusammen dort liegen, ehe sie sich der Lage wieder bewusst wurden.

Heather wischte sich mit blutigen Fingern eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wollte sich gerade einen neuen Säbel schnappen, als sie merkte, dass sich die Piraten zurückzogen.

Sie sprang auf, als sie sah, dass zwei Piraten den Toten, in dem ihr Säbel steckte, mit sich nahmen.

Wie von allen Sinnen rannte sie los, hinter den Piraten her, doch Elliott fing sie an der Tür ab und hielt sie fest.

"Die haben meinen Säbel! Meinen Säbel!" schrie sie und versuchte zu entkommen, doch er hielt seine Freundin fest.

Als sie sich wieder etwas beruhigt hatte, trat sie ein paar Schritte zurück. Um sie herum lagen Tote, überall war Blut und Dreck. Das Haus sah aus wie ein Schlachtfeld.

Elliott war zu dem jungen Mann gegangen, der jetzt erst begriff, dass er soeben dem Tod von der Schippe gesprungen war.

"Entschuldigen Sie Miss...?"

"Adams. Ich heiße Heather Adams", gab sie bereitwillig Auskunft und sah ihrem Säbel traurig hinterher.

"Miss Adams, Sie haben mir eben das Leben gerettet und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Was ihren Einbruch angeht, werde ich nichts unternehmen. Ich bitte Sie nun mein Haus zu verlassen und nicht mehr wiederzukommen", sagte er und wand sich ab, um zu gehen.

Heather sah ihm verstört nach, als hätte sie den Sinn seiner Worte nicht verstanden, doch sie wandte sich zum gehen.

"Wir sehen uns heute?" fragte sie Elliott.

"Ich komm mit dir mit. Man wird nicht merken, wenn ich fehle", sagte er und hakte sich bei ihr ein. Gemeinsam verließen sie das Haus und gingen hinunter in die Stadt.

Sie kamen immer wieder an Toten vorbei, die gerade weggeschafft wurden.

In einer schmierigen Spelunke setzten sie sich an einen Tisch und bestellten sich zwei Biere.

Heather riss ein Stück Stoff aus ihrem ohnehin schon zerfetzten Kleid und band ihn sich um die Wunde an ihrer Hand.

"Ich bitte Sie, nun mein Haus zu verlassen und nicht mehr wiederzukommen!" äffte Heather den jungen Mann nach.

"Was glaubt er eigentlich, wer er ist? Der Sohn des Gouverneurs?" fragte sie ihren Freund.

"Heather, er ist der Sohn des Gouverneurs. Jedenfalls wird sein Vater das bald sein."

"Dann hat er trotzdem nicht so mit mir zu reden. Das versteht kein normaler Mensch. Außerdem habe ich ihm das Leben gerettet. Und der Dank dafür? Ich darf mich von ihm fernhalten."

Wütend nahm sie einen kräftigen Schluck aus ihrem Becher und knallte ihn danach wieder auf den Tisch.

"Ich hole mir meinen Säbel wieder! Kann ich mit deiner Hilfe rechnen?" fragte sie ihren Freund.

"Aber natürlich, Heather!" rief er und sie stießen heftig mit ihren Krügen zusammen.
 

"Ich habe herausgefunden, dass es Dark Brown war", sagte Elliott, als sich die beiden kurze Zeit später in dem kleinen Zimmer trafen, dass Heather gemietet hatte.

"War wohl nicht sehr schwer herauszufinden. Er ist der einzige, der sich dem Dekret von 1865 widersetzt. Seit Jahren schon überfällt er die Städte der Karibik und niemand konnte ihn je aufhalten. Doch das wird sich jetzt ändern." sagte sie mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen.

"Du hast doch nicht etwa vor...doch hast du. Ich werde dir beistehen, wo immer ich kann. Was willst du noch wissen?"

Sie legte das zerrissene Kleid ab und warf es über den Paravent. Sie zog sich ein neues an und kam wieder hervor.

"Wo versteckt er sich? Er muss einen Anlegeplatz haben. Wo bekommt er die Nahrung für seine Crew? Wer macht mit ihm Geschäfte? Und wo vergnügt er sich?" fragte sie ihren Freund, während sie sich mit einer Karte bewaffnet auf das Bett legte.

Elliott saß neben ihr und zusammen sahen sie sich die zerrissene Karte an.

Heather fuhr mit ihren Fingern über das vergilbte Papier und suchte nach Hinweisen.

Plötzlich blieb ihr Zeigefinger auf einer Stelle liegen und beide sahen sich an.

"Es gibt nur einen Platz, wo er alles bekommen würde und nichts und niemand ihn aufhalten würde."

Wie aus einem Mund war nur ein Wort zu hören. "Tortuga!"
 

"Wie wollen wir ihn dort finden? Und wie ich dich kenne hast du noch keinen Plan, was wir machen, wenn wir ihn gefunden haben."

"Genau, aber erst einmal müssen wir nach Tortuga. Entweder, du bleibst hier und arbeitest bei dem netten, jungen Herrn, der mich so wunderbar für meine Dienste als Lebensretter entschädigt hat oder du kommst mit und erlebst das Abenteuer deines Lebens", sagte sie voller Ironie.

"Bei dir habe ich schon mehr als ein Abenteuer erlebt. Aber ich komm natürlich mit. Wozu sind denn gute Freunde da."
 

Damit war der Anfang gemacht. Elliott holte die letzten Sachen, die er noch in seinem Zimmer im Dienstbotenhaus hatte und kündigte die Stelle.

Heather verbrachte den ganzen Vormittag damit ein Schiff zu finden, dass in den nächsten Tagen nach Tortuga segeln würde. Bis sie endlich eins gefunden hatte, das zwei Passagiere mitnehmen würde und keinen unbezahlbaren Preis verlangte, war es schon halb eins.

Um diese Zeit stand die Luft in der Stadt. Jeder der konnte, verbrachte die Mittagszeit im Haus oder im Schatten.

Die Sonne stand senkrecht am Himmel und dörrte die Felder und Gärten aus, doch Heather liebte diese Tageszeit.

Es war manchmal etwas warm, wie selbst sie zugeben musste, doch um diese Zeit war alles so friedlich und ruhig. Selbst die Trunkenbolde in der Schenke waren für eine kurze Zeit ruhig und zu müde, um sich zu prügeln.

Es war noch viel Zeit, bis das Schiff am Abend auslaufen würde, deshalb ging sie noch nicht wieder zurück in ihr Zimmer, sondern machte sich auf den Weg zu ihrem Lieblingsplatz.
 

Versteckt hinter einem steil abfallenden Abhang, befand sich etwas, das wie eine natürliche Treppe aussah. Diese führte hinunter zu einer malerischen Bucht, die unbeobachtet im Schatten lag. Heather zog sofort, als sie in den weichen, weißen Sand sprang ihre Schuhe aus und ließ sie achtlos fallen.

Die Schuhe waren viel zu eng, doch Heather hatte kein Geld, um sich neue zu kaufen, deshalb musste sie sie tragen.

Sie lief hinunter zum Wasser, das natürlich keine Erfrischung war. Doch ihre geschundenen Füße waren dankbar für das Wasser.

Sie spielte etwas mit den kleinen Wellen, die immer wieder ihren Rocksaum nass machten.

Plötzlich, mitten in ihrem Spiel, blieb sie stehen. Sie hatte die ganze Zeit nicht den Horizont beobachtet, doch als sie jetzt aufblickte, sah sie ein Dreimaster der nach Süden segelte.

Es war die Seahawk, das Schiff von Dark Brown!

Es war etwa 6 Meilen vor der Küste und machte sehr schnelle Fahrt. Heather lief noch ein paar Schritte ins Meer, bis sie bis zu den Knien im Wasser stand. Der Rock saugte sich mit Wasser voll, doch sie merkte es nicht.

Auf diesem Schiff war ihr Säbel, den sie unbedingt wiederhaben musste.
 

Wie vom Blitz getroffen rannte sie zurück an Land, schnappte sich ihre Schuhe und lief barfuß zurück in die Stadt. Das nasse Kleid klebte ihr an den Beinen und ließ sie mehrmals stolpern, doch sie raffte sich immer wieder auf.

Sie stürmte in die Schenke, suchte sich den Weg durch die wenigen Betrunkenen und riss die Tür zu ihrem Zimmer auf.

Elliott saß ruhig auf ihrem Bett und hatte ein Buch auf den Knien. Eine gepackte Tasche ließ erahnen, was sie vorhatten.

"Du bist schon wieder hier?" fragte er und legte das Buch zur Seite.

"Ich habe sie gesehen!" rief sie außer Atem und ließ sich neben ihn fallen. "Ich habe die Seahawk gesehen. Sie segelt nach Süden. Wahrscheinlich nach Tortuga, so wie wir es vorausgeplant hatten."

Sie wrang ihr Kleid aus, sah dann aber, dass es keinen Sinn hatte und zog sich ein neues an.

"Sag mir nicht, dass du so, wie du hier angekommen bist auch durch die gesamte Stadt gelaufen bist?"

Hinter dem Paravent war ein zustimmendes Murmeln zuhören, bis Heather ihren Kopf hervorsteckte.

"Ich war aufgeregt. Außerdem war mein Kleid nur nass!" Sie zog den Kopf wieder zurück und zog sich das saubere Kleid über den Kopf. Es war eines der wenigen, die sie selten trug und dann auch nur zu besonderen Anlässen.

Eigentlich war es viel zu warm mit seinen Unterröcken und Heather hoffte, dass auf See bald eine frische Brise gehen würde, doch jetzt musste sie es aushalten.

"Hilf mir bitte", bat sie Elliott und kam mit dem Rücken voran hervor.

Elliott knöpfte die Knöpfe auf ihrem Rücken zu und sah sie an.

"Hast du etwas größeres vor?" fragte er seine Freundin.

"Ja. Und du solltest dich auch langsam umziehen, denn wir gehen als ehrbare Leute an Bord", sagte sie und zog sich die langen weißen Strümpfe an.

Dann kramte sie in dem uralten Schrank, der in einer Ecke des Zimmers stand.

Endlich hatte sie gefunden wonach sie suchte.

Sie stellte sich vor den kaputten Spiegel und band sich den großen Strohhut auf dem Kopf fest.

Mit diesen Sachen war sie nicht mehr ganz so modern angezogen, trotzdem musste sie sie tragen, denn sie hatte keine anderen.

Elliott holte aus seiner Tasche einen zerknitterten Anzug hervor und zog ihn an. Kritisch betrachtete Heather ihn, als er wieder hervorkam.

Sie strich hier und dort einige Falten glatt, ehe sie zufrieden mit ihm schien.

"Also, lass uns gehen", sagte sie und schnappte sich ihre Tasche, die sie immer fertig gepackt hatte.

"Hast du überhaupt so viel Geld?" fragte Elliott ungläubig, als er ihr hinterherkam.

"Was glaubst du denn?!" erwiderte sie und stieg die wacklige Treppe hinab.

Dem Wirt gab sie zwei Taler und marschierte dann hinaus auf die Straße, wo um diese Zeit schon wieder ein wenig Betrieb herrschte.

Elliott kam kaum hinter ihr her, als sie schnurstracks durch die Gassen ging.

Sie blieb vor einem verlassenen Gehöft etwas weiter von der Stadt entfernt stehen und wartete auf ihren Freund, der leicht verschwitzt hinter ihr herhetzte.

"Was willst du hier?" fragte er sie und sah sie von der Seite an, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte.

"Halt mal meine Tasche", sagte sie nur und drückte sie ihm in die Hand.

Behände kletterte Heather trotz des umständlichen Kleids durch die Ruine, bis sie festen Boden unter den Füßen spürte. Das Dach war schon vor Jahren eingestürzt und Tiere hatten nun hier ihr neues Zuhause gefunden.

Heather sah sich um. Im Laufe der Zeit hatte sich die Ruine sehr verändert, doch auf einmal sah sie es.

Es war nur ein kleines Loch in der steinernen Wand, die nichts ungewöhnliches erkennen ließ, doch Heather raffte ihr Kleid, hockte sich davor und steckte die Hand hinein. Es war nicht sehr groß, eine kleine Kiste hatte gerade genug Platz.

Heather holte die Blechkiste hervor und pustete den Staub von ihr.

Vorsichtig nahm sie den Deckel ab und sah sich den Inhalt an. Es war alles noch so, wie sie es damals hinterlassen hatte.

Sie packte schnell die goldenen Broschen und Ketten in eine kleine Tasche in ihrem Kleid.

Das Buch, dessen Seiten sich schon etwas gewellt hatten, legte sie erst einmal zur Seite.

Ihre Aufmerksamkeit hatte etwas ganz anderes. Es war eine alte Muskete. Es sah fast aus, wie ein Museumsstück, doch für Heather war es mehr als das. Sie hatte ihrer Mutter und davor ihrer Großmutter gehört.

Vorsichtig sah sie sich die Muskete an. Sie schien unversehrt, deshalb steckte sie die Muskete schnell in die Tasche zu dem schmuck, nahm das Buch und versteckte die Blechkiste wieder in dem Loch.

Dann kletterte sie wieder durch die Ruine zu Elliott, der sich draußen in den Schatten gesetzt hatte.

Stolz zeigte Heather ihm den Schmuck.

"Ich denke, das wird für eine Überfahrt nach Tortuga reichen."

"Woher hast du das bloß? Die Stücke müssen alt sein."

"Sehr alt. Und jetzt lass uns gehen. Wir werden sonst noch unser Schiff verpassen", sagte sie entschlossen und steckte den Schmuck wieder ein.

Zusammen machten sie sich wieder auf den Weg in Richtung Stadt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  KateFromHighburyPark
2008-01-06T22:45:27+00:00 06.01.2008 23:45
Hi,
finde deine FF echt super. Mir gefällt vor allem dein Schreibstil und wie du die Charaktere beschreibst. Die Charaktere sind überhaupt super.
Kann es sein, das du die FF schon woanders hochgeladen hast, mir kommt sie nämlich bekannt vor.
cu
Kate
Von: abgemeldet
2006-08-02T20:03:27+00:00 02.08.2006 22:03
ich hoff auch das es bald weiter geht *hoffhoff*
Von: abgemeldet
2006-07-09T18:37:49+00:00 09.07.2006 20:37
wow...des is bis jetz voll cool! *patpat* hoffe es geht bald weiter...schicks du mia dann n ens? *lieb gugg* bin schon sehr gespannt!


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