Platzwechsel
3. Platzwechsel
Mit einem breiten Grinsen rieb Bakura die Hände aneinander.
"Wir MÜSSEN also weiterspielen? Zu Schade, nicht wahr Pharao?"
"Du...." Nur mühsam behielt sich Yami unter Kontrolle, indem er seine Hand zur Faust ballte. Eigentlich war das die perfekte Gelegenheit, dem ehemaligen Grabräuber die "Meinung" zu sagen, ohne daß Ryou darunter mitzuleiden hätte. Aber diese Blöße würde er sich nicht geben.
Weiter grinsend schnappte Bakura sich die Würfel.
Mit einem "Na, dann will ich mal, nicht wahr?" ließ er sie über dem Spiel fallen und die nächste Figur machte sich auf ihren Weg Richtung Ziel...
"Normalerweise spielt man im Uhrzeigersinn", bemerkte Ryou trocken, lächelte jedoch entwaffnend als er dem bösen Blick seiner dunklen Hälfte begegnete.
"Mal sehen, was wir da nun haben." Bakura befand die spitze Bemerkung seines Hikaris für nicht würdig, darauf zu reagieren und beugte sich stattdessen über das Spielbrett.
"Der Viertelmond lässt dich nicht ruhn, in deine Lagune treibt er den Monsun...". Aha. Und jetzt?"
Wie als Antwort auf die Frage begann es draußen zu donnern, als wäre soeben das Ende der Welt angekündigt worden. Kurz darauf sahen die vier Spieler nur noch einen Vorhang aus Regen vor dem Fenster.
"Regen? Na das ist ja mal überwältigend..." Kuras Blick schwebte irgendwo zwischen gelangweilt und enttäuscht hin und her, was den Pharao spontan dazu brachte, selbstgefällig zu Grinsen. Ansonsten kam jedoch kein Pieps über seine Lippen.
/Yami? Du siehst aus, als würdest du dir ein Lachen verkneifen/, stellte Yugi leicht belustigt fest.
/Ich verkneife es mir auch wirklich nur schwer, Aibou/, kam die belustigte Antwort und Yugi schüttelte nur grinsend den Kopf.
"Dann bin ich jetzt wohl dran..." Ryou sah leicht nervös drein, als er nach den Würfeln griff. Wer wusste schon, was als nächstes aus diesem verrückten Spiel kommen mochte.
/Nun trödel nicht rum, Ryou!/ Der zurechtweisende Ton seines Yamis ließ ihn fast unmerklich zusammenzucken. Warum konnte er nicht einmal einfach nur still sein. Er verlangte ja nicht mal, daß er nett zu ihm war...
Manchmal beneidete er Yugi wirklich um seinen Yami...
"Ähm... Ryou? Willst du heut noch würfeln?" Yugis Frage hatte Ryou völlig aus seinen Gedanken gerissen und er lächelte entschuldigend.
"Tschuldigung Leute... Ich war mit den Gedanken grade woanders..." Mit diesen Worten würfelte er und konzentrierte sich auf das nächste Rätsel.
"Die Fänge sind scharf, ihr Hunger enorm, ergreift lieber die Flucht, sonst seid ihr verlorn."
"Das klingt gar nicht gut..." Das Klirren eines Zahnputzbechers im angrenzenden Bad bestätigte Ryous Worte und ließ die Gruppe aufspringen und herumfahren.
"Aibou? Schnapp dir das Spiel! Und dann nichts wie raus hier!" Das Knurren, das zeitgleich im Bad widerhallte, reichte, um die kleine Gruppe unwiderruflich in Bewegung zu bringen.
Fahrig klappte Yugi die Kiste zusammen und folgte seiner dunklen Hälfte in Richtung Ausgang.
Mit einem Ruck riss Yami die Tür auf und schob Yugi vor sich her nach draußen, als die Badtür auch schon zu bersten begann.
Was auch immer da knurrte, es schien ein rechtes Kampfgewicht zu haben und keiner brannte auf eine Auseinandersetzung. Eilig startete nun auch der Rest in Richtung Zimmertür, als das Holz der Badtür endgültig nachgab und eine überdimensional große Löwin ins Zimmer purzelte. Aber nicht nur das, in der Dunkelheit dahinter glommen noch weitere Augenpaare.
"Na großartig..." Selbst Bakura war diese Herausforderung nun doch ein oder zwei Nummern zu groß!
"Los Ryou! Raus hier!" Als sein Hikari weiterhin starr vor Schreck neben ihm stand und keine Anstalten machte, sich zu rühren, packte er ihn wortlos am Kragen und schob ihn vor sich her. Aus den Augenwinkeln bemerkte Bakura, wie die Löwin sie beide fokussierte und mit einem tiefen Knurren zum Sprung ansetzte. Mit aller Kraft stieß er Ryou voran, der auch prompt vornüber direkt aus der Tür purzelte. Nur leider verlor Bakura selbst dadurch jegliche Antriebskraft und stand der Löwin jetzt mitten im Angriffsweg.
"Scheiße!" Konzentriert fixierte er die Löwin und warf sich im allerletzten Moment zurück, wodurch die Löwin mit voller Wucht über das Parkett schlidderte und mit einem lauten ,Rumms!' direkt in das Fußende von Yugis Bett knallte.
"Bakura! Beweg dich!"
Yamis Ausruf riss den Grabräuber aus seiner Überraschung. Er hasste es wenn der Pharao Befehle gab, aber in dieser Situation hatte er durchaus recht, denn die Löwin schüttelte schon den Kopf und drehte sich wieder zu ihm herum. Mit einem Satz war er wieder auf den Beinen und hätte schwören können, in den Augen des Tieres Hass aufkeimen zu sehen. So schnell es ging trat Bakura die Flucht nach vorne - also durch die Tür - an. Die Klauen der Löwin verfehlte sein Hemd nur um Haaresbreite, als Yami die Tür hinter ihm ins Schloss warf und sich gegen sie stemmte. Währenddessen versuchte Bakura schnell von Ryou runter zukommen, in den er bei seiner ,Flucht' praktisch hineingerannt war.
Der Aufprall des Tieres, daß sich um seine Beute betrogen sah und ihr demnach auch durch die Tür folgen wollte, riss ihn dabei fast von den Füßen.
"HEH! Würde mir mal wer beim Schieben helfen??" Yugi mühte sich mit aller Kraft ab, den schweren Schrank rechts neben der Tür vor eben diese zu schieben, während die Attacken der Löwin auf die Tür dem Pharao langsam die Schweißperlen auf die Stirn trieb.
"Schneller Leute! Sie bricht sonst noch durch!"
Endlich gab der schwere Schrank den vereinten Kräften nach und "wechselte" seinen Platz bis direkt vor die Tür. Erschöpft sanken alle auf die Knie, um erst mal zu verschnaufen.
"Ist das Spiel jetzt riskant genug für dich, Bakura?" Yami stand die Anstrengung noch ins Gesicht geschrieben.
"Vielleicht doch einen Tick zuviel", erwiderte dieser schwer atmend, ohne im geringsten auf den beißenden Unterton des Pharaos einzugehen. Ein weiteres Krachen gegen die Tür jagte alle vier wieder auf die Beine.
"Besser wir suchen uns einen anderen Platz zum Weiterspielen", beschloss Yugi bestimmt und griff nach der Holzschatulle, die er in der Flucht achtlos hatte auf den Flurboden fallen lassen.
"Du willst doch nicht ernsthaft weiterspielen?" Ryou sah seinen Freund entsetzt an. "Wer weiß, was als nächstes kommt?"
Mit einem traurigen Lächeln, legte Yami ihm eine Hand auf die Schulter.
"Wir haben wohl keine Wahl mehr, Ryou. Wir stecken mitten in einem Spiel, daß es locker mit einem Schattenduell aufnimmt..."
"Sieht so aus... Ich wüsste zumindest nicht, wie ich Großvater erklären soll, daß jetzt ein Löwenrudel bei mir im Zimmer wohnt - oh... Und wir sollten uns beeilen, bevor er von seinem Besuch zurück kommt." Bei der letzten Erkenntnis wurde Yugi noch etwas blasser als zuvor. Auf die Herausforderung, den ganzen Schaden in seinem Zimmer zu erklären, konnte Yugi gut und gerne verzichten.
Ein plötzliches Summen ließ alle herumfahren. Von Moskitos war zwar noch nichts zu sehen, aber es konnte sich nur noch um Augenblicke handeln.
"Warum haben wir eigentlich so ein Pech heute?" knurrte Bakura vor sich hin und sah sich bereits nach etwas um, daß er als Fliegenklatsche missbrauchen konnte. Allerdings wurde er da auch schon von Ryou am Arm gepackt und die Treppen runtergezogen, gefolgt von Yugi und Yami. Gehetzt warfen sie die Tür zum Wohnzimmer hinter sich ins Schloss und vorsorglich verstopfte Ryou selbiges mit einem Taschentuch.
"Dann wollen wir mal weitermachen. Um so schneller haben wirs hinter uns..." seufzte Yugi vor sich hin, während er das Spiel wieder aufklappte.
"Sagt mal, weiß jemand wie lange ein Monsun anhält?" Yami stand am Fenster und sah recht geschockt hinaus. Draußen blitzte und donnerte es noch immer gefährlich und so wies aussah stand bereits halb Domino City unter Wasser.
/Yami? Du bist dran.../ Der Angesprochene nickte seufzend und begann nun mit seinem Zug.
Sein Wurf zeigte insgesamt 11 Augen und während seine Spielfigur vorrückte, legte sich eine unruhige Spannung über die kleine Gruppe.
Während alle den Kopf über das Brett hielten, schaute Bakura sich schon mal nach einer passenden Waffe um. Fast schon quälend langsam erschienen die Buchstaben des neuen Rätsels in dem schwarzen Glas vor ihnen. Kaum einer von ihnen wagte es überhaupt zu atmen und jeder konzentrierte sich voll darauf, den Sinn des gleich erscheinenden Rätsels zu erkennen, bevor ihnen die neue Gefahr gegenüber stand.
"Es gibt eine Lektion, die sollst du verstehen. Du musst manchmal einen Schritt rückwärts gehen."
"HÄ??" alle drei sahen Yami irritiert an. Keiner verstand so recht, was das nun bedeutete, bis sich Yamis Figur einen Schritt nach hinten bewegte und dort zum stehen kam.
"Soll das heißen, das war alles???" Bakuras Gesicht war ein Anblick für die Götter. Nach den Löwen die durch Ryous Zug erschienen waren, hatte er eine mittelschwere Katastrophe erwartet und sah sich nun einem simplen Spielzug wie "einmal aussetzen" gegenüber. Erst als sogar der Pharao leise zu kichern begann, fiel ihm auf, daß er wohl einen äußerst lustigen Gesichtsausdruck zustande gebracht hatte.
"Ach, haltet die Klappe!" verärgert drehte er den Kopf zur Seite um den Hauch Schamesröte zu verbergen, der sich um die Nase herum auszubreiten begann.
,Wie niedlich' war das erste was Ryou dazu einfiel und kurz darauf trieb die Überraschung über diesen Gedanken ebenfalls die Röte auf die Wangen.
"Ähm... Yugi, dann bist du wieder dran, schätze ich." Dieser Gedankenblitz war Ryou mehr als peinlich und er hatte vor, ihn schnellstens wieder zu verdrängen. Und wenn's auch mit anderen `Ungeheuern` aus dem Dschungel war.
"Na gut..." Yugi griff nach den Würfeln und sah sie kritisch an. Dieses Spiel war ihm mehr als unheimlich. Auch wenn er bisher so selbstsicher gewesen war, keimten doch auch bei ihm die Zweifel, ob man das Spiel nicht einfach in kleine Stücke teilen und verbrennen sollte. Schließlich konnte man diese Tiere ja auch vom Zoo fangen lassen. Das wäre sicher eine Attraktion für Zoo und sämtliche Zeitungen in ganz Japan.
Als er die Figuren musterte, schätzte er, daß sie noch einige Raubtiere und sonstige Katastrophen vor sich hatten, die noch einigen Schaden anrichten würden...
"Anscheinend kriegt da der nächste Hikari das Muffensausen, wie?" Bakura grinste verächtlich. Anscheinend war er jetzt wieder in seinem Element und achtete natürlich nicht darauf, ob er damit übers Ziel hinaus schoss. Yugi glaubte nicht mal, daß der ehemalige Grabräuber so ein furchtbarer Bösewicht war. Sonst müsste er es ja mit seiner großen Klappe nicht immer wieder so überdeutlich beweisen. Nur Ryou tat ihm leid dabei, denn er war sich gar nicht so sicher, daß sein Freund den Geist des Millenniumsringes schon durchschaut hatte.
/Aibou? Was ist?/ Yamis telepathische Frage riss Yugi aus seinen Überlegungen.
/Nichtsnichts!/ kam die Antwort etwas zu schnell, was Yami dazu veranlasste, Yugi noch etwas länger genau anzustarren.
/Ich war nur grad mit den Gedanken woanders. Keine Sorge./ Ein zuversichtliches Grinsen machte sich auf Yugis Gesicht breit. ,Solang Yami da ist, kann ich alles schaffen' dachte er zuversichtlich, als er wieder auf die Würfel starrte. ,Dieses Spiel kriegt uns nicht klein.'
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf ließ er die Würfel in die linke Deckelhälfte gleiten und beobachtete die Figur beim Vorrücken.
"Der Würfel muß 5 oder 8 ergeben, sonst musst du ewig im Dschungel leben."
"Was soll das nun wieder heißen?" Bakuras Ungeduld spiegelte sich mittlerweile offen auf seinem Gesicht und auch der Rest konnte sich keinen Reim auf das Rätsel machen.
"O-oh..." Yugi sah auf seine Finger, die langsam durchsichtig wurden und sich wie in einem schlechten Zeichentrick lang zogen... in Richtung der schwarzen Scheibe die noch immer die grünen Buchstaben herausleuchtete.
"Leute! Helft mir!"
"Oh verdammt! Aibou!!!" Yami griff nach Yugis Arm, doch der Griff ging praktisch ins Leere ohne den geringsten Widerstand zu spüren.
Das letzte, was der Pharao von seinem Hikari hörte, war, wie er in Panik nach ihm schrie, bis schließlich nichts als Stille den Raum erfüllte.
