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Dunkle Dämmerung

Kampf um die Götterschwerter *abgeschlossen*
von

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Wofür kämpst du?

Kapitel IV - Wofür kämpfst du?
 

Als die Dunkelheit langsam von Zeliarina wich, durchzog ein gleichmäßiges Piepsen die wohltuende Stille und leise Stimmen unterhielten sich neben ihr gedämpft. Das Mädchen stöhnte schwach, bevor sie zögerlich versuchte die Augen zu öffnen. Grelles Licht brannte ihr sofort tanzende Flecken auf die Netzhaut, so dass sie sich nach mehreren Blinzeln dafür entschied doch noch eine Weile die schützenden Lider zu schließen. Vermutlich wäre sie noch einmal eingeschlafen, wäre da nicht dieses nervende Piepsen an ihrem Ohr. Warum hörte es nicht auf, sie war so schrecklich müde...und so schrecklich schwach...

"Es ist ein Wunder, dass sie noch lebt. Thundenstars Macht muss in voller Stärke auf sie niedergegangen sein", flüsterte eine tiefe Stimme, die eindeutig Dunkan gehörte, mitfühlend. Zeliarina spürte seine Hand, die ihr vorsichtig mehrere schweißnasse Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. "Sie ist noch viel zu jung. Sie sah bereits Tryclonns, einen Zyank und einen Marionetter...und vor allem spürte sie bereits die dunkle Aura eines Hochdämons... Das alles war zu viel für sie..."

"Thundenstars entfesselte Macht hätte ein gewöhnliches Mädchen sofort getötet...Sie ist etwas Besonderes...ein Messias, der das Götterschwert tragen soll...Thundenstar selbst hat sie zu seinem Wächter erwählt...", murmelte Storm ruhig. Zeliarina spürte die Blicke der beiden Palas deutlich auf sich. Dunkan schien zu seufzen. "Sie ist zu jung...und hat keinen Grund sich den Lancelor zu verschreiben..."

"Wir brauchen das Mädchen...", erwiderte Storm entschlossen. "Thundenstar hat sie erwählt, verstehst du? Du hast es doch gesehen...Zeliarina umklammerte das Schwert solange, bis sie in diesem Krankenflügel war, als hätte sie gewusst, dass sie nun die Einzige ist, die die Götterklinge in Händen halten kann...Außerdem könnten wir durch sie auch Dymeon wieder für unsere Sache gewinnen..."

"Du darfst Zeliarina nicht zwingen...Verschreibt man sich einmal den Lancelor, gibt es nie wieder einen Weg in die Normalität. Und es kann sein, dass ihr Körper oder ihre Seele an dem, was noch kommen mag, zerbricht..."

Mit einem unüberhörbaren Seufzen rekelte sich Zeliarina erneut und richtete sich behutsam auf. Sie lag in einem Bett des trostlosen, grauen Krankenzimmers, in dem auch Melissa lag. Mehrere Schläuche von messingfarbenen, das schreckliche Piepsen ausstoßenden Geräten führten in ihren Körper. Durch ein Fenster strömte silbernes Mondlicht in dem Raum und beschien Storm und Dunkan, die überrascht auf zweien Stühlen an ihrem Bettrand saßen, auf unnatürliche Weise. "Du bist wach", flüsterte ihr Mentor lächelnd. Zeliarina nickte, doch bereits diese Bewegung bereitete ihr fürchterliche Kopfschmerzen und zerrte an ihren Kräften.

"Was ist...passiert...?"

"Als du Thundenstar in dem Tempel an dich nahmst, nutzte es deinen Körper um seine Macht zu entfesseln, Xicanh zu töten und eine Nachricht für uns zu hinterlassen. Es erwählte dich zu seinem Wächter. Nur du allein kannst es jetzt benutzen, kein anderer Mensch, nicht einmal ein Dämon..." Storm hatte die Arme verschränkt und die Augen geschlossen. "Das ganze war vor sieben Tagen...du verlorst das Bewusstsein, brachtest das Schwert jedoch intuitiv mit nach Falcaniar...Dymeon, der sich die ganze Zeit mit uns im Helikopter versteckte und dann zur Hilfe kam, verschwand nachdem wir hier wieder ankamen..."

"Und die anderen?"

"Nur Storm und ich haben es geschafft...", wisperte Dunkan betroffen. Er zeigte keine Reaktion, doch Zeliarina sah wieder diesen Schatten in seinen Augen, diesen unerträglichen Schatten der Trauer und des Kummers. Drei exzellente Mitglieder des Ordens und gute Freunde waren in den Hallen des italienischen Tempels gefallen. Zeliarina verkrallte ihre Hände zitternd in die dicke Daunenbettdecke und warf einen Blick hinüber zu der schlafenden Melissa.

"Ich will ein Lancelor werden, Dunkan", meinte die Hexe plötzlich. "Seit diese Leute in dem Tempel verletzt wurden...nein...eigentlich schon in dem Augenblick, da der Marionetter zwei Bewohner meines Dorfes tötete und den Verlust von Melissas Arm verschuldete, habe ich mir geschworen, dass ich meine Kräfte dazu einsetzen werde gegen so etwas vorzugehen..."

Storm bewegte sich nicht, doch ein heimliches Lächeln umspielte seine harten Züge. Im Gegensatz zu Dunkan schien er von dieser Wendung erleichtert. "Das ist nicht nötig", widersprach Dunkan freundlich, ehe er seine Schülerin sanft zurück in den Kissen drückte. "Du bist geschwächt und verletzt und weiß nicht was du sagst. Schlaf eine Weile..."

"Es wird nichts an meiner Entscheidung ändern", meinte Zeliarina schlicht. Sie sah wie sich Dunkans Züge verhärteten und er sich verzweifelt durch das strohblonde Haar fuhr. "Bitte, Zeliarina, du hast keinerlei Verpflichtungen. Es gibt andere Wege Thundenstar zu verteidigen, auch wenn du seine Wächterin bist. Niemand erwartet es von dir..."

"Ich erwarte es von mir..."

"Aber das Leben eines Lancelor ist unglücklich und voller Leid!", wisperte Dunkan mit flehendem Blick. "Du wirst in ständiger Angst leben, ständig um deine Freunde fürchten! Du wirst Dinge sehen, die die psychischen Abgründe der Menschen um Einiges übersteigen! Du wirst nie wieder ein normales Leben führen können! Nie wieder!"

"Ich war nie normal...", murmelte Zeliarina, während ihr Blick verträumt zu den verschlungenen Symbolen auf ihrer Hand wanderte. Ihre Gedanken wanderten zurück zu all der Einsamkeit, die sie durch ihre Abstammung durchlitten hatte. Sie wanderten zu der Furcht und der Abneigung gegenüber ihren Kräften, die die Leute ihr entgegengebracht hatten. "Bitte, Dunkan, erlaube mir ein Lancelor zu werden...Du bist mein Mentor, du musst es mir erlauben...Ich tue dies auch nicht für den Orden, sondern nur für mich, für mich und die Menschen, die ich schützen möchte..."

Zeliarina wusste, ihre Worte zeigten Wirkung.

Dunkan hatte zwar noch immer diesen verzweifelten Glanz in den Augen, doch schließlich schoben sich seine Lider davor und er seufzte. "Wenn es wirklich dein Wille ist, darf ich ihn dir nicht verwehren...als Mentor nehme ich deinen Antrag zum Anwärter an...Doch bedenke...bedenke, dass du damit deinen Körper, deine Seele...dein ganzes Leben für den Orden gibst..."

"Das weiß ich..."

Zitternd umarmte Dunkan seine Schülerin auf traditionelle Weise. Er hatte schon damals in diesem Augenblick gewusst, dass das Leben der jungen Donnerhexe ein schweres Schicksal werden würde.
 

Nach der Unterhaltung mit Dunkan und Storm fühlte sich Zeliarina entsetzlich ausgelaugt, als wären alle Knochen aus ihrem Körper entfernt worden. Müde verfiel sie schon bald wieder in die traumlose Dunkelheit des Schlafes. Doch sie erwachte, noch bevor die Sonne aufgegangen war. Das Licht des silbernen Mondes schien unverändert durch die großen Fenster, Melissas gleichmäßiges Atmen im Nebenbett durchzog die Stille im gleichen Takt wie das schwache Piepsen der messingfarbenen Körperfunktionsmessgeräte.

Doch was hatte sie nur geweckt? Es war nicht das Piepsen und auch nicht Melissa. Verwirrt fiel Zeliarinas Blick auf die weißen Vorhänge, die leicht vom hereinwehenden Wind umher gewirbelt wurden. Das Fenster war bei ihrem ersten Erwachen noch nicht offen gewesen.

"Du kriegst langsam wieder etwas Farbe im Gesicht, auch wenn du immer sehr blass bist, Mädchen." Obwohl Zeliarina durch die Drachenhalskette Dymeons Dämonenaura nicht spüren konnte, hatte sie sich nicht erschrocken, als er plötzlich gesprochen hatte. Mit seinem unergründlichen, dunklen Blick saß er auf einem der beiden Stühle neben ihrem Bett und betrachtete sie nachdenklich. Sein langer, schwarzer Mantel leuchtete im Schein des Mondes.

"Dymeon..."

"Shht, du solltest nicht zuviel sprechen...Dein Körper ist immer noch sehr schwach. Es tut mir Leid, ich hätte wissen sollen, dass es zuviel für dich ist ein Götterschwert in seiner vollen Macht zu tragen...", murmelte der Dämon mit einer weit entfernten Stimme. Wie in Trance hob er eine von Verbänden umwickelte Hand und strich damit über ihre blasse Wange. "Diese Dinge sind nichts für ein junges, unschuldiges Wesen wie dich..."

"Ich habe mich entschieden Lancelor zu werden", erwiderte Zeliarina knapp. Dymeon zog seine Hand sofort weg und blickte an die Decke. "Tatsächlich...? Du überrascht mich immer wieder, Mädchen. Erst befreist du mich von Excaliburs Bann, dann tötest du Xicanh mit Thundenstars Donner. Inzwischen bin ich dir bereits zwei Leben schuldig..." Der Dämon lächelte heimlich. Die Schatten seiner ungepflegten, schwarzen Haarsträhnen verbargen seine Augen, so dass Zeliarina seinen Gesichtsausdruck nicht wirklich erkennen konnte. Aber auch im hellen Licht der Sonne hatte sie sein Verhalten noch nie wirklich deuten können.

"Dymeon...was hat das zu bedeuten? Was hat all das, die Schwerter, die Dämonen, die Kämpfe, zu bedeuten? Warum ist all das geschehen...?" Dem Dämon entging nicht, dass Zeliarina ihrer schlafenden, einarmigen Zimmergenossin aus feuchten Augen einen kurzen Blick zuwarf.

Dymeon seufzte zögernd.

"Der Krieg, der vor mehr als fünfzig Jahren sein Ende fand, tobt wieder auf dieser Erde zwischen den Lancelor und Dämonen. Er wird gnadenloser denn je. Denn die Existenz aller sieben Götterschwerter ist nun gelüftet, auch die von Excalibur, das sich offenbarte als es mich versiegelte. Jetzt braucht der Däezander nur noch Thundenstar, nur noch diese eine Klinge um die Welt in die Dunkle Dämmerung zu stürzen, die die Menschheit auslöschen wird..."

"Was ist... mit Excalibur...?"

"Es wurde vor drei Tagen gestohlen. Wir haben nichts anderes erwartet", meinte Dymeon leichthin. Zeliarina blieb vor Überraschung die Luft weg, doch der Dämon blieb unverändert ruhig. "Jetzt ist Thundenstar die Hoffnung der Menschen. Die Dämonen dürfen es niemals bekommen. Es ist deine Aufgabe als Wächterin das Schwert zu schützen. Denn der Däezander wird kommen, um dich zu töten, damit dein Status als Wächterin verlischt und sie das Schwert an sich nehmen können... Doch keine Angst, diese Last ruht nicht nur auf dir... Der gesamte Orden wird mit zahllosen Schutzzaubern, Verteidigungsmechanismen, Wachen und so genannten ,Fängern' ausgebessert... Und ich werde immer an deiner Seite bleiben, bei dir und Thundenstar..."

Zeliarina konnte nicht antworten. Sie folgte Dymeons Blick und sah das breite Schwert, das sie aus dem Sockel im Tempel gezogen hatte, mitten auf dem Boden liegen, vermutlich dort, wo sie es in ihrer Bewusstlosigkeit hatte fallen lassen. Wieso war sie die Einzige, die es berühren konnte? Dunkan hatte gesagt sie habe keine Verpflichtungen, doch die Dämonen wären immer wieder in ihr Leben getreten, wenn sie nicht auf Falcaniar geblieben wäre.

"Wieso?", wisperte das Mädchen leise. Vorsichtig griff sie nach einer Hand des Dämons und strich mit sanften Fingern über die dicken Verbände darum. Sein Gesicht war übersät mit mehreren kleinen und großen Blessuren, die in der Woche trotz der schnellen Dämonenregeneration noch nicht ganz abheilen konnten. "Wieso nimmst du all das auf dich? Wieso kämpfst du gegen den Orden deiner eigenen Spezies? Was ist an dir anders als an den anderen Dämonen...?" Sie richtete sich wieder kraftlos in ihrem Bett auf, legte seine verarztete Hand an ihre Brust und starrte ihn fragend mit ihren leuchtend grünen Augen an. "Sag mir, Dymeon, warum bist du anders? Was macht dich zu einem Teil der Menschheit?"

Sie wiederholte bewusst seine eigenen Worte, die er im Tempel zu Xicanh gesprochen hatte, und sah, dass es wirkte. Dymeon blickte verloren und traurig auf seine Hand an Zeliarinas Brust, ehe er sich die nicht weniger verletzte Innenfläche der anderen Hand begutachtete. Dann begann er zu sprechen, versunken in alte Erinnerungen und der Qual seines Lebens: "Genau wie du war ich bereits seit meiner Geburt anders...Nein, Geburt ist das falsche Wort... Dämonen werden nicht geboren, sondern erschaffen..."

Dymeon drehte und wendete seine Hand, als suche er daran einen verborgenen Makel. "Es ist im Däezander kein seltenes Ritual. Man nimmt verschiedene Dinge, Knochen oder Dämonenfleisch, bei Marionettern auch einfache Puppen, und gibt sie in einen Beschwörungszirkel. Natürlich bedarf es je nach Stärke des zu Erschaffenen mehr Zeit und Kraft und Macht. Heraus kommt ein Dämon. Auch ich bin auf diese Weise erschaffen worden... Doch bei mir geschah etwas, das noch nie zuvor da gewesen war..."

Zeliarina hing gebannt an seinen Lippen. Während seiner Sprechpause konnte sie es sich kaum verkneifen sofort weitere Fragen zu stellen, sondern abzuwarten bis er von sich aus weiter sprach. "Denn bei meiner Erschaffung wurde eine lebende Menschenfrau an meinen Beschwörungszirkel gebracht. Es ist normal, dass man einem Menschen bei dem Ritual die Kehle durchschneidet und das Blut auf den Bannkreis spritzen lässt, denn der rote Lebenssaft ist wichtig dafür, dass wir Dämon uns äußerlich nicht von den Menschen unterscheiden... Die mir zu opfernde Menschenfrau ließ sich ihrem Schicksal ergeben vor dem Beschwörungszirkel auf die Knie fallen. Der Erschaffer riss ihr den Kopf in den Nacken, lehnte den Kopf über den Kreis und setzte ihr einen Dolch an die Kehle. Die Frau weinte. Auch das war nichts Ungewöhnliches, selbst die tapfersten Männer vergießen in diesem Moment Tränen der Angst. Doch bei mir weinte die Frau nicht aus Angst. Sie weinte aus Mitleid...aus Mitleid für das aus ihrem Blut entstehende Wesen, dass für immer ein Leben in der Dunkelheit führen würde..."

Es schien Dymeon immer mehr Überwindung zu kosten weiter zu erzählen. Seine Stimme wurde nicht brüchig, aber immer leiser, bis sich Zeliarina zu ihm beugen musste um etwas zu verstehen. "Es war unvorstellbar. Diese Frau kümmerte sich nicht um ihr Leben, sondern nur um die traurige Existenz, die ein Dämon durch sie führen würde. Ihre Tränen des Mitleids tropften silbern und klar auf den Boden des Beschwörungszirkels, ehe ihr Blut in einer roten Fontäne folgte. Die Menschenfrau starb, doch sie hinterließ mit diesen Tränen ein Mal in meiner Seele, das mich für immer prägen sollte. Ich fing an Mitleid für die Menschen zu empfinden, fing an den Krieg gegen sie und das Ziel mithilfe der Götterschwerter die Menschheit zu löschen als falsch zu empfinden. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und floh zu den Lancelor, bei denen ich hoffte Frieden stiften zu können...Für diesen Wunsch verriet ich sogar meine eigenen Artgenossen..."

Entschlossen entwand Dymeon seine Hand wieder aus Zeliarinas Griff und betrachtete sie ein weiteres Mal. An ihr klebte das Blut unzähliger Dämonen, das Blut von Kameraden, Artgenossen und Familie. Er hatte gehofft auf der Seite der Lancelor für das Gute zu kämpfen, doch die Menschen waren in diesem Krieg ebenso grausam wie die Dämonen. Und Dymeon empfand durch die Tränen der Frau Mitleid für sie alle. Beide Seiten kämpften für ihre Überzeugungen und für das, was sie als richtig empfanden. Es war ein absurder Traum gewesen diesen Kampf friedlich beenden zu können. "Hass führt zu Tod und Tod führt zu Hass. Der endlose Kreislauf dieses Krieges wird niemals enden", wisperte Dymeon bitter.

Zeliarina hielt den Atem an. "Warum bleibst du dann trotzdem bei den Lancelor und kämpfst weiterhin gegen den Däezander...?"

"Ihr Ziel ist falsch. Sie dürfen die Menschheit nicht löschen. Jede Spezies hat das Recht auf dieser Erde zu leben und obwohl auch die Menschen Dämonen töten, war es anfangs nicht ihr Hauptanliegen die Dämonen vollkommen zu vernichten. Die Menschen verteidigten sich einfach nur. Deswegen ist ihr Kampf in meinen Augen edler, wenn auch nicht weniger gnadenlos."

"Dymeon...der Dämon mit den Bluttränen...du trägst diesen Namen also wegen deinem Erschaffungsritual...weil das Menschenopfer vor ihrem Blutzoll Tränen vergoss..."

"So ist es...", stimmte der Dämon zu. Zeliarina hatte eigentlich noch so viele Fragen. Sie wollte mehr über Dymeon und sein Leben wissen, wie genau er ein Feind der Dämonen geworden war und warum er vor fünfundzwanzig Jahren Pendrians Heimatdorf vernichtete. Sie wollte mehr über das Erschaffungsritual der Dämonen, über den Däezander und über Hochdämonen wissen, doch plötzlich befiel sie wieder schreckliche Müdigkeit. Dymeon sah es ihr an, denn er erhob sich lautlos von seinem Stuhl. Der lange, schwarze Mantel umgab ihn ohne das geringste Rascheln. "Verzeih, du bist immer noch sehr schwach. Schlaf jetzt weiter..."

"Wirst du wiederkommen?", flüsterte Zeliarina mit bereits halb geschlossenen Augen. Der Dämon hatte bereits das offene Fenster erreicht und huschte wie ein Schatten auf das schmale Fensterbrett, als er sich noch einmal umdrehte. "Wenn es dir nichts ausmacht einen Dämon um dich zu haben...?"

Zeliarina lächelte und schüttelte den Kopf. Sie sah genau, wie etwas der distanzierenden Kälte aus seinem Gesicht wich, während er meinte: "Dann komme ich gern...Zeliarina..." Obwohl die junge Hexe bereits beinahe eingeschlafen war, registrierte sie noch, dass Dymeon sie zum ersten Mal bei ihrem Namen genannt hatte. Er sprang wie eine Katze von der Fensterbank und war verschwunden. Nur das Rauschen der Wellen, die gegen die steile Felsküste rollten, und das Piepsen der Geräte waren zu hören, bevor Zeliarina auch schon einschlief. In ihrer Erschöpfung merkte sie nicht mehr, dass Melissas gleichmäßiges Atmen fehlte. Denn das Mädchen lag wach auf der Seite. Ihre verschiedenfarbigen Augen glitzerten in einer beunruhigenden Mischung aus Trauer, Verwirrung und Hass, als sie aus dem Fenster blickte...
 

Erst nach drei weiteren Tagen der Beobachtung durfte Zeliarina den Krankenflügel endlich verlassen. Sie fühlte sich immer noch ein wenig schwach, doch Frau Dr. Fossil hatte gemeint, dass sie nach einem kleinen Mahl im Speisesaal wieder vollkommen genesen sein würde. Zeliarina war froh darüber nicht mehr in dem grauen, trostlosen Krankenzimmer zu liegen. Melissa hatte es auf Teufel komm raus gemieden irgendwelche Gespräche mit ihr anzufangen. Es hatte eine Stimmung wie bei einer Beerdigung geherrscht, die nur hin und wieder von Dunkans Besuchen durchbrochen werden konnte. Ihr Mentor hatte den Antrag Zeliarina zum Lancelor auszubilden an den Leiter Falcaniars weitergereicht, der prompt bewilligt wurde.

Es wunderte Zeliarina nicht sonderlich, immerhin war sie nun die Wächterin Thundenstars und musste für die Zukunft stark werden, um sich auch ohne die Hilfe Dymeons behaupten zu können. Aus diesem Grund hatte sie bereits einen Trainingsplan bekommen, der weitaus härter war als die Ausbildung gewöhnlicher Anwärter. Ihr blieb keine Zeit für etwas anderes, nicht einmal für einen kurzen Besuch bei Melissa. Irgendwie war Zeliarina erleichtert darüber, denn die Besuche verliefen entweder in eiskaltem Schweigen oder Melissa schrie sie fuchsteufelswild an und warf sie aus dem Krankenzimmer.

Ansonsten musste Zeliarina täglich ihre Elementarhexenkräfte trainieren, die Eigenarten verschiedener Dämonenarten lernen, Schießübungen mit einer der speziellen Lancelorwaffen machen und sogar den Schwertkampf üben. Letzteres wurde von Storm übernommen, der bei seinen Einsätzen ebenfalls manchmal diese mittelalterliche Waffe einsetzte. Angeblich waren einige Dämonen anfälliger gegenüber dem Stahl eines geweihten Schwertes, als der Feuerkraft einer Pistole.

Nach vier anstrengenden Wochen beherrschte Zeliarina ihre Donnerkräfte um ein Vielfaches besser als jemals zuvor. Nur das Training mit Schwert und Pistole bereiteten ihr starke Schwierigkeiten...

"Es ist nicht schlimm, dass du Thundenstar nicht richtig führen kannst, das Schwert ist viel zu schwer und breit für ein Mädchen deiner Größe", tröstete Storm eines Morgens, nachdem Zeliarina frustriert ihr Götterschwert davon geschleudert hatte. Sie hatte bereits seit einiger Zeit aufgehört das Artefakt mit samtenen Handschuhen anzufassen, denn es blieb makellos schön und unversehrt, egal was man damit anstellte.

"Eigentlich ist der Schwertkampf sowieso nur für den Notfall. Solange du deine Magie und die Lancelorwaffe richtig beherrscht, musst du Thundenstar nicht ziehen. Also mach dir keinen Kopf." Zeliarina fühlte sich ein wenig getröstet, auch wenn sie den Kopf immer noch hängen ließ, Thundenstar unwirsch zurück in die Schlaufe an ihrem Gürtel rammte und den Trainingsraum verließ, um zu den Schießplätzen tief unter Falcaniar zu gehen. Weit unter der Grundfeste der uralten Burg war zu Zeiten von Lancelot eine große Höhle unter der Insel errichtet worden. Heute befanden sich dort die geheimen Trainingsorte, die nur für Lancelor und Anwärter genutzt werden durften.

Die Schießplätze selbst sahen aus, als kämen sie direkt aus einer typischen Krimiserie. Vereinzelte Lancelor standen mit Schutzbrillen in nebeneinander gereihten Kabinen und schossen auf Ziele, die durch Knopfdruck auf unterschiedliche Entfernungen gebracht werden konnten. Vom Schwerttraining geknickt holte Zeliarina Waffe und Schutzbrille aus einem für sie angelegten Schließfach, beobachtete die zwei übenden Palas eine Weile und begab sich schließlich in die dritte Kabine, wo bereits Jürgen Siviusson, ihr Lehrer, auf sie wartete. Siviusson war ein kleiner Mann aus der skandinavischen Gegend mit weißblonden Haaren und einem dichten, gut gepflegten Vollbart. Er war nie über den zweiten Rang hinaus gekommen, doch wenn es um das Schießen ging, machte ihm niemand etwas vor. Mit schwarzer Stoffhose, makellos gebügeltem Hemd und verkniffenem Gesichtsausdruck wirkte er furchtbar ernst.

Zeliarina hatte immer ein wenig Respekt vor ihm, auch wenn er ihr nie Grund zur Furcht gegeben hatte. Wortlos deutete Siviusson auf das Ziel in gut zwanzig Metern Entfernung. "Alles wie gehabt, Miss Heartstrong. Bitte, legen sie ein Magazin der Trainingsmunition ein...dann anfangen." Sein Englisch war von einem schwachen Akzent durchzogen. Ein bisschen zittrig griff Zeliarina nach einem der vielen fein säuberlich gestapelten Magazine und drückte es in den Griff ihrer Waffe. Dann setzte sie sich zögerlich die Schutzbrille auf, stellte sich langsam hin und umfasste die Pistole mit beiden Händen. Wie ein schwerer, schwarzer Stein lag sie dort. Der Lauf wackelte durch ihre zittrigen Finger.

"Ganz ruhig, Miss Heartstrong..." Es war nicht nur Siviusson, der Zeliarina nervös machte. Schon von klein an hatte sie Feuerwaffen verabscheut. Der Gedanke, dass ein Mensch, auch sie, jemanden mit nur einer kleinen Fingerbewegung töten konnte, ließ ein flaues Gefühl in ihrem Magen entstehen. Die Lancelor kämpften zwar gegen Dämonen und sie benutzten nur Ziele, die zu unförmig für Menschen waren, doch auch Dämonen waren Lebwesen. Und wie Dymeon erzählt hatte, waren sie nur wegen ihrer Existenz nicht automatisch böse, sondern verteidigten einzig und allein ihr Recht. Jeder Mensch würde das Gleiche tun.

Der erste Schuss verfehlte das Ziel um Längen.

Zeliarina spürte Siviussons aufmerksamen Blick hinter sich. Als sie tief einatmete und erneut auf das Ziel anlegte, zitterte ihre Hand noch um Einiges mehr. Sie wollte keine Feuerwaffe benutzen, wollte nicht die Fähigkeit haben mit einem Finger zu töten. Eigentlich wollte sie überhaupt nicht töten. Es war eine erschreckende Vorstellung, dass ein Lebewesen durch sie qualvoll blutend verenden könnte. Inzwischen hatten ihre Augen soviel Tod gesehen, dass sie nicht dazu beitragen wollte weitere Leichen in Tempeln oder Straßen erblicken zu müssen. Damals, bei dem Marionetter, hatte sie kaum gewusst was sie tat und die schreiende grüne Fackel, in die er sich durch ihren Blitzstrahl verwandelt hatte, verfolgte sie noch mehrere Tage.

Auch der zweite Schuss ging mit einem gedämpften Knall weit daneben.

Jetzt ließ Siviusson endlich etwas von sich hören, nämlich ein gedehntes, betrübtes Seufzen. Er stellte sich neben seine junge Schülerin, nahm ihr überraschend sanft die Pistole aus den Händen und drückte einhändig ab. Das Projektil bohrte sich präzise zwischen die Augen des schwarzen Dämons, der ihnen auf dem Ziel teuflisch zugrinste. "Zeige keine Furcht...", erklärte Siviusson ruhig, während er Zeliarina ihre Waffe wiedergab. "Es ist normal, dass man Furcht hat, du musst dich ihrer immer bewusst bleiben, denn dich Furcht macht uns zu Menschen. Doch wenn du kämpfst, darfst du dich nicht von ihr beherrschen lassen. Du musst entschlossen sein und daran denken, wofür du kämpfst. Erinnere dich daran, als du dich zum ersten Mal gegen einen Dämon behaupten musstest..."

"Es war in meinem Dorf...Gegen einen Marionetter..." Eine alte Wunde, die bereits beinahe verheilt war, riss mit aller Kraft von neuem auf. Zeliarina erinnerte sich an das schreckliche Blutvergießen, an den grausamen Parasiten, der Melissas Arm auffraß...Melissa...Durch den Marionetter hatte sie ihren Arm und beinahe ihr Leben verloren...zwei Menschen waren gestorben... Noch während Zeliarina zurückdachte, flammte in ihr ein wilder Funke auf. Mit vor Zorn brennenden Augen riss sie ihre Pistole in die Höhe, visierte an und feuerte sofort.

Doch auch der dritte Schuss traf nicht sein Ziel...

"Nein...Hass ist nicht dein Weg, Miss Heartstrong...", murmelte Siviusson kopfschüttelnd. "Auch Hass ist eine menschliche Eigenschaft. Einige Mitglieder des Lancelor-Ordens mögen Hass tatsächlich als Motiv für ihre Taten und ihren Aufenthalt hier nehmen, doch sie ist nicht dein Weg...Du bist nicht wegen des Hasses hier...Erinnere dich Miss Heartstrong, was bewog dich damals zu kämpfen? Warum bist du hier?"

Eine weitere Flut von Bildern zog an Zeliarinas geistigem Auge vorbei: Dymeon, wie er in Ketten und Lederriemen gefesselt und von Excalibur durchbohrt an der Wand hing...Melissa, durch den Parasiten von Krämpfen geschüttelt...später mit aschgrauer Haut freudlos in einem der Betten des trostlosen Krankenzimmers liegend, den verbundenen Armstumpf umklammert...Lancelor, überall verstreut auf dem roten Steinboden des italienischen Tempels...Dymeons einsames Gesicht, Dunkans leidender Blick, Pendrians und Storms von Trauer ausgelöste, ohnmächtige Wut...Melissas lebloser Ausdruck in den verschiedenfarbigen Augen...

"Sie haben Recht, Mister Siviusson, Hass ist nicht mein Beweggrund. Mein Beweggrund liegt woanders", wisperte Zeliarina kaum hörbar. Plötzlich wusste sie, was zu tun war. Mit völlig ruhiger Hand zielte sie auf das grinsende Dämonenziel und betätigte den Abzug. Die leere Patronenhülse fiel klappernd zu Boden. Noch bevor die Kugel irgendwo ankam, wusste das Mädchen, dass sie das Papier genau in der Mitte, genau an der Stelle, wo ein Dämonenherz lag, treffen würde.

Ich will meine Freunde und Mitmenschen schützen...Ich will nicht zulassen, dass sie leiden müssen...Dafür bin ich sogar bereit diese Waffe zu benutzen...
 

Von diesem Tag an ging nicht nur das Schießen wesentlich leichter. Thundenstar schien über Nacht leichter geworden zu sein, so als wollte es sagen: ,nun bist du bereit, meine Wächterin, nun kannst du mich tragen'. Zeliarina war noch immer keine geborene Schwertkämpferin, doch zumindest konnte sie im Notfall die Götterklinge ziehen ohne sich dabei selbst aufzuspießen. Nach zwei weiteren Wochen war sie fähig Storm eine Zeit lang mit ihrem Schwert in Schach halten zu können und weit entfernte Ziele sicher mit ihrer Pistole zu treffen. Schließlich eröffnete Dunkan, der sie in ihren Hexenkräften und dem Lernen der verschiedenen Dämonenarten unterrichtet hatte, dass sie nun soweit war, die Prüfung der Lancelor abzulegen.

"Du kannst stolz auf dich sein, hinter dir liegt eine harte Ausbildung. Einige Anwärter verzweifeln vor der Prüfung und geben auf. Doch du hast die erforderliche Leistung in Rekordzeit gebracht."

"Melissa hat über zweieinhalb Monate gelernt und trainiert...", murmelte Zeliarina fast ein wenig vorwurfsvoll. Dunkan schüttelte nur traurig den Kopf. "Melissa war nie zum Kämpfen geboren. Wegen ihrem Silberauge sollte sie als Spionin eingesetzt werden oder Parasiten erkennen können. Eine schreckliche Ironie, dass ausgerechnet sie, die Parasiten eigentlich in Dingen erkennen kann, von einem befallen wurde..."

Der Lancelor seufzte tief und rieb sich über die Augen. "Doch wir sollten jetzt nicht über solche Dinge reden. Die Prüfung liegt vor dir, du musst einen klaren Kopf bewahren."

"Was muss ich tun?", fragte Zeliarina aufgeregt, während sie mit einem Finger an einer langen, blonden Haarsträhne herumzwirbelte. Dunkan bedeutete ihr zu folgen. Er ging zielstrebig über mehrere Treppen in den Untergrund, dort wo die Schießplätze waren. Allerdings schritt er nicht durch die große Tür, die dorthin führte, sondern wandte sich nach links in einen Gang. Auch hier war eine Tür. Es war Zeliarina noch nie aufgefallen.

"Bitte tritt ein..." Nervös legte die Junghexe ihre Finger um den kalten Griff und öffnete die Tür. Dahinter befand sich ein großer Raum mit einer Frontwand vollkommen aus Glas, so als hätte man ihn einmal aufgeschnitten und eine Scheibe an die offene Seite angebracht. Unzählige Geräte, ähnlich denen im Krankenzimmer, piepsten, blinkten und leuchteten an den anderen Wänden. Zeliarina sah Monitore in verschiedenen Größen von der Decke hängen, doch sie verstand nicht, was darauf gezeigt wurde. Sowieso schien soviel High-Tech auf einem Fleck eher zu einem Flughafentower zu gehören und nicht in einem tief unter der Erde liegenden Raum Falcaniars, einer Feste, die sich für Zeliarina bis jetzt immer sehr altmodisch gezeigt hatte.

Doch es gab etwas, dass das Mädchen noch stärker in den Bann zog als all die Technik. Mit angehaltenem Atem ging sie wie in Zeitlupe zu der Glaswand herüber, legte ihre Hände vorsichtig an die Scheibe und sah hinaus. Ihr fehlten die Worte.

Man sah das Innere der riesigen unterirdischen Höhle der Insel. Genau hinter dem Technikraum, der seinen Platz auf einem Vorsprung knapp unter der Decke hatte, schien die Seitenwand beinah in einem Neunziggradwinkel in die Tiefe zu stürzen, bis man kaum noch etwas außer Dunkelheit erkennen konnte. Ein beklemmendes Gefühl beschlich Zeliarina, als sie vergeblich versuchte den Boden zu erspähen. Stattdessen sah sie eine schmale Treppe genau von ihrem Raum aus an der Wand entlang hinunterführen.

"Es macht einen sprachlos, nicht wahr?", meinte Dunkan, als er sich mit hinter dem Rücken verschränkten Armen neben sie an die Glaswand stellte. "Sie misst von der Decke bis zum Grund zweihundert Meter und befindet sich zum Teil bereits unter dem Meeresspiegel. Wie der Schießplatz ist es ein geheimer Ort, der nur von Mitgliedern und Anwärtern genutzt werden darf..."

"Was...ist es...?", wisperte Zeliarina leise. Es war als befände sich dort unten noch eine andere Dunkelheit außer der wirklich sichtbaren, fast wie ein schwarzer Vorhang, der nicht wollte, dass man diesen Ort von ihrem Platz aus sehen konnte. Aus den Augenwinkeln bemerkte Zeliarina, dass Dunkan an etwas Vergangenes zu denken schien. "Dies ist die Höhle der Prüfungen...Ein jeder Lancelor, selbst zu Zeiten des Mittelalters, legte hier seine letzte Herausforderung der Ausbildung ab... Es ist eine uralte Tradition..."

"Und heute wirst du diese Herausforderung annehmen..." Zeliarina schreckte bei der unerwarteten, neuen Stimme im Raum zusammen. Als sie sich umdrehte, standen Pendrian, Storm, Siviusson und zwei ihr unbekannte Palas im Zimmer. Doch es war ein anderer Mann, der gesprochen hatte. Zeliarina hatte den Leiter des Lancelor-Ordens erst wenige Male flüchtig gesehen, nun stand er in all seiner Pracht vor ihr. Er war nicht anders als die übrigen Lancelor und doch wirkte er auf eine Art vollkommen unterschiedlich von allen Menschen... beinahe unwirklich... und irgendwie... majestätisch.

"Willkommen zur Prüfung, Zeliarina Heartstrong, Wächterin von Thundenstar..."

Seine Stimme klang merkwürdig vertraut und doch so fremd, jung und alt, naiv und weise. Einen Moment lang fragte sich Zeliarina ob es sich bei ihm wirklich um einen Menschen handelte. Seine hüftlangen Haare waren weiß, nicht grau wie die eines Alten, sondern in der Farbe des Schnees an einem reinen Wintermorgen.

Zeitlos...

Ja, Zeitlos war das Wort, was der jungen Hexe beim Anblick des Ordensoberhauptes einfiel. Sie wagte es nicht sein Alter auch nur ansatzweise zu schätzen, obwohl seine klugen, blauen Augen in einem jungendlichen Glanz zu strahlen schienen. Anmutig berührte er mit den Fingerspitzen den Griff des Götterschwertes, das wie immer in der Schlaufe ihres Gürtels hing, ohne jedoch zu versuchen es an sich zu nehmen. Jeder, selbst Storm oder Dunkan, hatte schon einmal versucht Thundenstar in die Hand zu nehmen, doch für sie wurde es dann schwer wie Blei, als würde es plötzlich der Welt entrücken.

"Du trägst einen ruhmreichen Namen, Miss Heartstrong. Zeliarina war im 19. Jahrhundert die wohl größte Hexe der Welt. Doch du fängst an in ihre Fußstapfen zu treten...Eine Donnerhexe, die das Donnerschwert trägt...Vielleicht wirst du einmal so mächtig wie sie..." Die blauen Augen des Oberhauptes wanderten zu den Runen auf Zeliarinas rechter Hand. "Doch um Lancelor zu werden, musst du nun in die Höhle der Prüfungen gehen..."

Siviusson trat vor und reichte seinem Schützling einen ledernen Pistolenhalfter mitsamt schwarzer Waffe. Es war eine echte Pistole, nicht wie sie beim Training verwendet wurde, sondern eine für richtige Spezialmunition. Auch diese wurde ihr von Siviusson gegeben: zehn unscheinbare Magazine mit kaum sichtbaren Markierungen. "Jürgen lehrte dich das Schießen...Storm lehrte dich das Schwert...John lehrte dich Wissen und Magie..."

Jetzt gab Siviusson Zeliarina einen gepackten Rucksack, an dessen Seiten zwei Wasserflaschen befestigt waren, und ein silbernes Headset. "Du musst nun die Endlose Treppe hinab gehen, bis du am Grund der Höhle ankommst. Zwanzig echte Tryclonns lauern irgendwo dort. Dies ist ein Überlebenstest. Es ist deine freie Entscheidung, zu jeder Zeit aufzuhören. Wir werden deine Bewegungen mit einem in den Rucksack eingebauten Sender immer verfolgen und per Headset Funkkontakt haben. Wenn du aufgeben möchtest oder Hilfe brauchst, rufe einfach. Doch bedenke, dass die Prüfung dann als gescheitert gilt..."

Wie betäubt nahm Zeliarina die Sachen entgegen, setzte das Headset auf und schulterte den Rucksack. Sie würde kämpfen müssen, in der unsagbaren Dunkelheit der Höhle der Prüfungen würde sie gegen echte Dämonen kämpfen müssen. Eigentlich hatte sie mit ein paar Schießübungen oder Testfragen gerechnet...Doch sie beklagte sich nicht. Wortlos verstaute sie die Patronenmagazine in einer Seitentasche ihres Rucksacks. "Vertraue deiner Fähigkeit die dunkle Dämonenaura spüren zu können", sprach das Oberhaupt, während er Zeliarina mit den Fingern an die Stirn tippte.

"Dies ist ein Überlebenstest, keine Übung. Sei immer wachsam in der Dunkelheit. Es ist deine letzte Prüfung, deine allerletzte Prüfung um ein Lancelor zu werden...Wächterin von Thundenstar..."

Er lächelte.

"Geh nun mit der Hoffnung des gesamten Ordens..."



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