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Blutbande

Es ist ihre Welt
von

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2

Der Raum war still, nur das Surren der Klimaanlage drang wie das Summen einer altersschwachen Fliege durch die Luft.

Die Zeit floss dahin wie Wachs. Mal unglaublich schnell als tropfe es heiß und flüssig zu Boden. Dann wieder so zäh, dass man an einer Bewegung zweifelte.

Callista verbrachte den Nachmittag bewegungslos in der Küche. Zu viele Gedanken stoben wie Funken durch ihren Kopf. Sie glühten und erloschen daraufhin urplötzlich. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern jemals so orientierungslos gewesen zu sein. So gelassen sie versuchte nach außen zu wirken, so unruhig war es in ihrem Inneren. Nur zu gerne wäre sie aufgesprungen, ins Treppenhaus gerannt und hätte sich bei Seraphin vergewissert, dass alles nicht nur eine Illusion war.
 

Zur gleichen Zeit öffnete Seraphin die Augen. Das rot glühende Licht der untergehenden Sonne fiel durch ein Dutzend Auslassungen in den schweren Vorhängen hin in das Schlafzimmer. Mit gelb, rosa und orange malte eine unsichtbare Hand barocke Muster auf das Parkett.

Sein Schlaf war nicht tief gewesen. Zum ersten Mal seit Wochen hatte der Vampir wieder geträumt und das verwunderte ihn sehr. Sicherlich waren die Ereignisse außergewöhnlich. Aber derart, dass ich wieder anfange zu träumen? Seinen letzten reellen Traum hatte er um achtzehnhundert gehabt, als die Deutschen seine Heimatstadt Orleans angriffen. Damals hatte er von den blutigen Kämpfen, den Leichenbergen und gellenden Schreien geträumt und gehofft niemals mehr zu schlafen. Damals... als die Deutschen über Paris nach Orleans rückten. Auch jetzt, da Seraphin es alles überwunden haben sollte, quälten ihn die Vorstellungen wie damals seine Mutter von den Soldaten vergewaltigt wurde. Er konnte das Blut zwischen ihren Beinen sehen. Er spürte ihre Hilferufe in der Luft vibrieren. Und er sah wie diese deutschen Bestien ihr schlussendlich die Kehle durchschnitten als töteten sie ein altes Vieh. Sein Bruder und er hatten das Inferno überlebt. Als die Deutschen Frankreich dann verließen, waren sie Mutterseelenallein. Seraphin kaum älter als achtzehn. Die Aufregung dieser vergangenen Tage hatte ihn vergessen lassen. Seinen Namen, seinen Geburtstag und seine Herkunft. Nachdem aller Staub zur Erde gesunken war, alle Leichen verbrannt waren und der letzte Gestank nach Tod verzogen war, schien es, als hätte der Regen alle Erinnerungen hinfort gewaschen.

Mit Widerwillen schüttelte sich Seraphin und versuchte die Erinnerung zu verdrängen. Alsdann schlug er die Daunendecke zurück. Die kalte Luft zog durch den dünnen Seidenstoff seiner Schlafanzugshose. Eine leichte Gänsehaut huschte über den Körper des Vampirs. Blut. Frisches, warmes Blut.

Die Uhr zeigte kurz vor Sechs. Zeit zum Aufstehen und für die Alltagsbeschäftigungen. Wenn er sich recht entsann, musste bald die Putzfrau kommen. Keineswegs wollte der Vampir ihr begegnen. Das schickte sich nicht. Er begann sich anzukleiden. Doch ehe er fertig war, klingelte es Sturm. Hastig warf der Vampir ein Hemd und einen Sakko über. Das Hemd halb zugeknöpft näherte er sich auf der Eingangstür.

"Wer ist da?", erkundigte er sich.

"Kennst du mich nicht mehr?"

"Wer ist da?", wiederholte Seraphin sichtlich genervt.

"Ich bin es! Jean!" Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. Sein Bruder? Warum hatte er denn nicht seine Stimme erkannt? Welche Frage sich ihm jedoch viel drängender stellte: Warum war er hier? Seraphin öffnete die schwere Eingangstür und bat seinen Bruder herein.

"Was willst du hier?" Jean trat langsam, fast schwelgend ein. Er schien es zu genießen Seraphin in seiner Unsicherheit auf dem Flur stehen zu lassen.

"Ich wiederhole mich ungern, Jean. Was willst du hier?" Der Gefragte schritt durch den Flur und schaute neugierig durch jede offene Zimmertür.

"Na, wo ist sie denn?", ermittelte Jean.

"Wer?"

"Na, der kleine Appetithappen!"

"Ich weiß nicht wen du meinst."

"Jetzt tu nicht so! Ich meine die kleine Schlampe, die gestern Nacht bei dir war."

"Das geht dich nichts an.", entgegnete Seraphin ernst. Ihm war unwohl bei der Sache. Die Arroganz mit der sich sein kleinerer Bruder seiner Aufmerksamkeit bemächtigte, war gefährlich.

Kurz vor der Wohnzimmertür drehte sich Jean flugs um. Seine grauen Augen durchdrangen Seraphin wie ein Dolch. Wie er seinen Bruder dafür hasste!

"Nun, wo ist sie? Ich mag auch mal von ihr kosten. Junges Blut schmeckt doch noch am Besten!", flüsterte Jean und leckte sich über die Lippen.

"Das geht dich nichts an!", wiederholte Seraphin so langsam, dass der Zorn dahinter für sein Gegenüber sehr gut spürbar war, "Sie ist dir egal. Hast du verstanden? Wenn du weiterhin versuchst sie zu finden, stirbst du ein zweites Mal!"

Plötzlich schlug Jeans fröhliche Überlegenheit in Ernsthaftigkeit um.

"Was soll das? Willst du sie für dich? Hast du sie in Ekstase ausgetrunken?", fauchte der Jüngere zurück und näherte sich Seraphin. Wütend packte dieser seinen Bruder am Hals, hob ihn hoch und warf ihn gegen die Eingangstür. Mit eiskaltem Blick musterte er den leicht verletzten: "Vergiss sie!"

Jean setzte sich unter einem leisen Röcheln auf und blickte gen Decke zu Seraphin. Dann raffte er blitzschnell hoch und raunte: "Pass auf welchen Menschen du über mich stellst, Bruder! Kein Mensch ist das wert! Sie gehört mir. Noch heute Nacht!" Ehe sich der Vampir versah, war Jean aus der Wohnung verschwunden. Nur seine entsetzte Aura war blass wie ein Schleier zu spüren.

Nur wenig von der eben erschienen Gestalt erinnerte Seraphin an seinen Bruder. Die stechenden Augen, die Arroganz. Aber dieses charakterlose Benehmen war nicht seine Art. Die Zeit hatte Jean verändert. Wie lange hatte er seinen Bruder nicht mehr gesehen? Erinnerte er sich recht, dann waren es über einhundert Jahre. Vielleicht hatte den Jungen das einundzwanzigste Jahrhundert so geformt? Vieles hatte sich damals verändert am Anfang. Er dachte zurück an die Zeit, als sie sich noch das Blut brüderlich geteilt hatten. Wie sie nachts zusammen durch Paris gestreift waren und nach hübschen Dirnen Ausschau hielten. Stets elegant gekleidet. Meistens in Armani. Er vollkommen in schwarz, Jean meist mit einem burgunderfarbenen Hemd. Ja, damals war es noch einfach gewesen nicht aufzufallen in all den Massen, die verzweifelt darum bemüht waren ebenfalls teuer gekleidet das Haus zu verlassen. Heutzutage fiel man auf sobald man das Haus verließ. Der größte Teil trug Firmenkleidung und die Schüler die mit Mühe ersparte Schuluniform.

Jean und er. Wie er sich jetzt daran erinnerte machte es ihn nachdenklich. Was war seinem Bruder passiert? Während er überlegte, knöpfte er sein Hemd vollständig zu, zog Schuhe und Mantel an und verließ das Haus.

Als der Fahrstuhl nach drei Minuten um Erdgeschoss ankam, hatte Seraphin beinahe mit dem Vorfall abgeschlossen, da erblickte er Callista, die eilig die einzige Treppe im Haus in den Keller lief. Woher wusste Jean von ihr? Ein paranoider Gedanke packte ihn.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2005-02-14T21:07:22+00:00 14.02.2005 22:07
Boar geil *.*
ich will wissen was weiter passiert *quängel* >.<''
*liebt schau* Du bist doch so lieb oder? *glitzer augens*

Naja

Mfg
Moony


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