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Mein wunderschöner Quälgeist

von

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Kapitel 5
 

L'amour

Oder...

Wie die Ereignisse sich vollkommen überschlugen, ich endlich anfing zu leben und ein Schwimmbadbesuch mich gänzlich aus der Fassung brachte.
 


 

Ich atmete ein paar Mal tief durch und versuchte mich zu konzentrieren, doch es war ein recht zweckloses Unterfangen. Ich bekam das Erlebte nicht aus dem Kopf, noch schlimmer: Ich konnte an gar nichts anderes mehr denken. Wie in Trance lies ich meine linke Hand zu meiner Wange wandern und als ich sie streifte fühlte ich Rikkus Berührung wieder, als ob sie einen Teil meines Gesichtes verbrannt hätte. Ich stand auf, ging ins Bad und wusch mein Gesicht mehrere Male. Lange blickte ich in den Spiegel und fragte mich wie so was geschehen konnte. Alles schien kaputt, ich war nicht mehr ich. Wo war meine Selbstsicherheit? Wenn Derens es versucht hätte dann wäre es für mich kein Problem gewesen seine Hand wegzuschlagen. Warum bei Rikku nicht?

Ich schüttelte den Kopf und zog mir dann meine Schlafsachen an.
 

Ich legte mich ins Bett und versuchte zu Schlafen, doch ich wusste, dass es sinnlos war. Als ich mich zur Seite drehe merkte ich, dass ich immer noch die Blume von Rikku in meinen Haaren hatte. Vorsichtig löste ich sie von meinen Haaren und schleuderte sie von mir. Warum nur hatte ich Rikku gestattet mir so nahe zu kommen und warum hatte ich zugestimmt nach dem Gottesdienst etwas mit ihr zu unternehmen? Noch nie im Leben hatte ich solch einen Berührung gespürt. Als Rikku mir über die Wange gefahren war, sie war sanft und zärtlich gewesen aber es war eben diese Zärtlichkeit, die mich so erschreckt hatte, weil sie mir vollkommen Fremd war.
 

Ich wälzte mich hin und her, versuchte alle Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen und schließlich ganz still dazuliegen. Doch dies alles brachte nicht wirklich was. Glücklicherweise verfiel ich gegen halb sechs Uhr Morgens in eine Art Dämmerschlaf, der viel zu kurz war, da ich um neun Uhr wieder aufwachte. Ich gähnte lange und quälte mich dann aus dem Bett. Ich fühlte mich schrecklich, so unausgeschlafen war ich seit meiner Zeit bei NERV schon lange nicht mehr. Ich duschte mich schnell, zog mich an, machte mir was zu essen aus irgendwelchen Sachen die ich noch im Schrank fand und sah ein bisschen fern. Um dreizehn Uhr beschloss ich, den Tag nicht weiter so zu verbringen und mich lieber etwas abzulenken. Es war der. 25. Dezember. Erster Weihnachtsfeiertag. Die Geschäfte sind zu und auf den Straßen ist es verhältnismäßig still. Ein Spaziergang erschien mir angebracht. Ein Spaziergang irgendwo, weit weg von London.
 

Ich zog Mantel, Schal und Handschuhe an und verließ die Wohnung. Draußen Schneite es im Gegensatz zu den vorangegangenen Tagen nicht, so stieg ich in mein Auto und fuhr zu einem kleinen Feldweg, der etwa eine halbe Stunde von London entfernt lag, ich nutzte diesen Feldweg oft für meine Spaziergänge. Er war einsam gelegen und es kamen nicht viele Leute zum Spazieren hierher. Während des Spaziergangs gingen mir viele Sachen im Kopf herum. Mein Verhalten gegenüber Rikku ähnelte in vieler Hinsicht dem Verhalten, dass ich gegenüber Shinji zu Beginn gezeigt hatte. Ich war ihm gegenüber auch abweisend gewesen, doch er war stets freundlich geblieben. Er war damals der einzige Mensch neben Commander Ikari, der sich für mich interessiert hatte.
 

Ich lief weiter und plötzlich stellte ich mir die Frage, warum ich mich überhaupt so verhielt. Es hatte weniger mit Rikku zu tun, als mit mir. Ich hatte Angst. Auf den Straßen Londons sah ich oft glückliche Pärchen oder irgendwelche Jugendlichen, die sich gerade küssten und die Tatsache, dass genau so etwas in meinem Leben fehlte störte mich auch nicht. Oder ich gab vor, dass es mich nicht störte. Vielleicht fehlte mir wirklich etwas. Etwas, was die Zeit bei NERV mir nicht bringen konnte, was ich nicht gewohnt war.

Mehrere Jahre hatte ich eine Festung um mich herum aufgebaut und keinen hindurch gelassen in der Falschen Sicherheit zu glauben es würde mir sowieso nicht fehlen. Nun war dieser Panzer teilweise eingebrochen und Rikku stand sprichwörtlich vor mir und wenn ich gesagt hätte, dass es mir nichts bedeuten würde wäre es eine glatte Lüge an mich selbst gewesen. Das mir ihre Berührung und ihre Worte nichts bedeutet hätten.

Das... sieht es süß aus...

Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Es wäre die größte Lüge meines Lebens gewesen, zu sagen, dass ich so etwas nie mehr erleben wollte denn tief in meinem Inneren schien es etwas zu geben das genau das Gegenteil behauptete und ich wusste, dass es Recht hatte. Ich konnte mich nur schlecht damit anfreunden.
 

Außerdem gestand ich mir ein, dass ich auch Angst vor einer Beziehung hatte. Ich hatte Commander Ikari blind vertraut, doch er wollte mich nur ausnutzen. Er hatte in mir nicht viel mehr als ein Werkzeug zur Verwirklichung seines Planes gesehen. Ich bin mir sicher, wenn er mich angesehen hat, hat er nicht mich, sondern Yui gesehen, seine tote Frau. Ich hatte Angst davor, wieder jemand zu vertrauen, Angst davor, dass dieser jemand mich wieder nur ausnützen würde. Allerdings würde ich nie das bekommen, was mir in meinem Leben fehlte wenn ich Angst davor hätte.
 

Ich blieb stehen und sah in die Ferne. Zu meiner Seite, eine feine Silhouette Londons. Irgendjemand sagte einmal, dass man sein Leben so gestalten kann, wie man will, unter der Vorraussetzung, dass man es will. Vielleicht war dieser Spruch gerade auf meine Situation passend, vielleicht auch nicht, ich weiß nicht, warum er mir gerade einfiel. Ich dachte an Rikku, während ich meinen Weg fortsetzte. Ich hätte wetten können sie hätte vor gar nichts Angst, daher auch ihre aufsprudelnde Art. Und während ich weiter lief ging mir der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass ich sie wohl früher oder später wiedersehen würde. Und die Frage, ob ich das wollte, konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht mehr klar mit nein beantworten.
 

Ich beschloss, das alles einfach auf mich zukommen zu lassen und zu schauen, wie es sich entwickeln würde. Doch war es nicht merkwürdig ausgerechnet zu einer Frau eine Beziehung zu haben? Rikku war an mehr interessiert, als einer rein freundschaftlichen Beziehung, dessen war ich mir absolut sicher und von einem Großteil der Menschen wurde gleichgeschlechtliche Beziehungen als widernatürlich und abartig angesehen. Aber ich stellte fest, dass mich das wohl am wenigsten stören würde. War nicht meine eigene Existenz widernatürlich? Ich war nicht mal ein richtiger Mensch, ich war ein Klon erschaffen aus den Genen eines Menschen und eines Engels.
 

So gesehen war diese Beziehung von allen Seiten her abartig.

Beziehung... Ich blieb stehen.

"Beziehung... meine Güte, was denke ich hier bloß?"

Plötzlich kam ich mir fürchterlich lächerlich vor. Ich dachte hier tatsächlich über irgendwelche möglichen oder abartigen Beziehungen nach und war tatsächlich so anmaßend, Rikkus Verhalten in eine spezielle Richtung zu deuten... obwohl die Zeichen so standen.

Aber wer sagte mir, dass sie keinen Freund hatte? Wer sagte mir, dass sie nicht alle ihre Freunde so behandelte, dass die Berührung einfach freundschaftliche Gewöhnung ihrerseits war? Ich dachte schon wieder eindeutig viel zu viel nach, dafür, dass ich es alles scheinbar einfach auf mich zukommen lassen wollte.

Leicht wütend griff ich in den frischen Schnee und formte eine Kugel daraus. Ich behielt sie so lange in der Hand bis es schrecklich zu schmerzen anfing, dann warf ich sie, so weit weg wie ich konnte.

Ich wollte mich schließlich entspannen, und mir nicht den Kopf zu Tode zerbrechen. Ich beschloss umzukehren, da ich mittlerweile schon ziemlich weit gelaufen war. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass es schon halb drei war.
 

Langsam machte ich mich auf den Weg zurück zu meinem Auto. Was Rikku wohl sagen würde wenn sie wüsste, dass ich zum Teil ein Engel bin. Wahrscheinlich würde sie sagen ich soll ihr meine Flügel zeigen. Bei diesem Gedanken musste ich leicht lächeln. Ich würde Rikku den nächsten Schritt machen lassen und so wie ich sie bisher kannte, würde dieser nicht lange auf sich warten lassen. Ich war neugierig, was als nächstes geschehen würde. Ich erreichte mein Auto und fuhr zurück nach London. Viertel nach drei erreichte ich meine Wohnung. Ich war kaum eingetreten, als das Telefon klingelte. Ich nahm ab, musste aber leicht enttäuscht feststellen, dass Shinji am anderen Ende der Leitung war.
 

"Oh...", zu überrumpelt um irgendetwas zu sagen starrte ich vor mir her. Aus welchem Grund würde ausgerechnet Shinji anrufen.

"Hi Shinji...", sagte ich dann schließlich.

"Hi Rei, wie gehts dir?"

"Gut:"

Mehr antwortete ich nicht. Doch er kannte mich leider, er wusste wie ich war, von daher lies er sich von meiner Einsilbigkeit nicht aus der Fassung bringen.

"Mir geht's auch gut, Weihnachten gut überstanden? Wie gefällt dir mein Geschenk?"

"Ja, Weihnachten war... wirklich nett. Und dein Geschenk ist... äh, ja es ist auch nett.

"Na dann scheint ja alles nett bei dir da drüben zu sein was? hm hm."

Ich konnte ihn ein leichtes Lachen unterdrücken hören. Was für ein flacher Wortwitz...

"Äh.. Ja hehe, alles nett.", antwortete ich und hätte kotzen können.

"Was ich sagen wollte, hast du an Silvester was vor? Oder hast du Lust mit uns zu feiern?"

"Wer ist denn... "uns"?"

"Na Kaworu, ich, Misato kommt auch, sie bringt das Bier mit.

Ich dachte kurz über meinen Spaziergang nach und über die Sache mit dem offener sein. Trotzdem kam ich zu dem Schluss, dass ich noch nicht offen genug für so was war und ehrlich gesagt auch nicht die geringste Lust hatte. Also musste eine Ausrede her.

"Ach, weißt du, Shinji, das ist wirklich nett das ihr mich einladet aber ich... ähm ich habe für Silvester schon was vor, leider."

"Ja? Was denn?"

Ich sah scheinheilig in die Luft und dachte angestrengt nach, obwohl er es natürlich nicht sehen konnte.

"Ich feiere Silvester mit... hm mit ... mit einer Freundin.

"Mit einer was?? Mit deiner Freundin?"

Er hörte sich schrecklich aufgeregt an.

"Nein, mit einer Freundin..."

"Du hast ne Freundin? Ich glaub ich werd verrückt."

Ich hörte, wie er die Hand auf den Telefonhörer legte, aber natürlich war er nicht in der Lage, leise genug zu sprechen. So hörte ich alles mit.

"Man, Kaworu, stell dir das mal vor, Rei hat eine Freundin..."

Ich zog eine genervte Grimasse und legte sofort auf.

"Elender Idiot..."
 

Kurz darauf klingelte das Telefon wieder doch ich lies es klingeln und setzte mich in den Sessel vor den Fernseher. Das ich überhaupt einmal ansatzweise so etwas wie Freundschaft für diesen Idioten empfunden habe, ich war ehrlich froh, nicht mehr in seiner Nähe wohnen zu müssen. Ich zappte durch die Fernsehprogramme, aber es lief nicht interessantes, also ging ich zu meinem Bücherregal. Ich lies meinen Blick über die Buchrücken schweifen, Bildbände verschiedenster Künstler aus allen möglichen Epochen, Sachbücher über das Zeichnen. Ich griff mir ein Buch über das Zeichnen von Portraits und setzte mich damit wieder in den Sessel.
 

Ich blätterte die Seiten durch und lies den Fernseher nebenher laufen. Das Buch war recht interessant. Es hieß mal solle am besten mit Personen anfangen, die einem nahe stehen oder die einem durch irgendwelche Dinge im Kopf geblieben sind. Als ich diesen Satz las schlug ich das Buch zu.

"Sehr witzig... Ist das wieder Bestimmung? Oder vielleicht sogar Schicksal? Ha, ha ,ha..." Ich stellte das Buch wieder zurück und ertappte mich bei meinen Selbstgesprächen. Ich sah erneut auf die Uhr. Es war kurz vor vier. Dieser Tag schien einfach nicht enden zu wollen und komischerweise empfand ich mein Leben an diesem Tag als überaus langweilig. Ich war fast schon so weit, einfach so ins Museum zu gehen, obwohl ich es sowieso in und auswendig kannte. Malen wollte ich auch nicht, dazu war ich zu faul meine gut verstauten Sachen extra rauszukramen und den Gedanken, einfach in ein schönes Restaurant zu gehen verwarf ich auch sofort wieder bei der Erinnerung an das Cafe und den übertriebenen Fisch. Alleine in ein Restaurant zu gehen war vielleicht doch etwas seltsam und so beschloss ich, einfach mal wieder selbst etwas richtig Gutes zu kochen, was lange her war, und ging sofort in die Küche um mich nach Zutaten umzusehen.
 

Zum Glück hatte ich es mir angewöhnt, auf Vorrat zu kaufen. Mein Kühlschrank und der Vorratsschrank waren gut gefüllt und so überlegte ich mir, was ich kochen sollte. Ich entschied mich für einen Brokkoli - Blumenkohl Auflauf. Ich suchte die nötigen Zutaten zusammen und machte mich an die Arbeit. Während ich kochte fragte ich mich, was wohl Rikkus Lieblingsessen sei. Ich hielt einen Moment inne. Rikku hatte sich wirklich tief in mein Unterbewusstsein eingebrannt... nur war mir das inzwischen nicht mehr so unangenehm wie es zu Beginn war.
 

Was ich mich auch fragte war, ob sie so einen Auflauf wohl essen würde. Ich war Vegetarierin und sie höchstwahrscheinlich nicht. Ich gab das Gemüse in eine Form, schüttete etwas flüssige Sahne hinein und streute etwas Käse darüber. Dann stellte ich es in den Ofen. Das Telefon klingelte wieder und mit einem Seufzen nahm ich ab.

"Ayanami?"

"Hi, hier ist noch mal Shinji". Ich verdrehte die Augen.

"Was?"

"Wir wollen dir nur noch mal vorläufig ein frohes neues Jahr wünschen, weil beschlossen haben, an Silvester wegzufahren.

"Das bringt Unglück", antwortete ich nur.

"Als ob du an so was glauben würdest..." Ich hörte ihn quasi am Telefon grinsen und musste auch leicht lächeln. Im Grunde hatte er schon Recht,

"Danke", antwortete ich"

"Bitte bitte, tschüss Rei.

"Wiedersehen"

Dann legte er auf.
 

während ich darauf wartete das. dass essen gar wurde griff ich mir wieder das Buch über Portraits, da ich sowieso nichts besseres zu tun hatte. Ich wusste gar nicht mehr, warum ich mir das Buch gekauft hatte, schließlich wäre es mir nie in den Sinn gekommen, jemand zu portraitieren, wen auch? Meine Arbeitskollegen bestimmt nicht, die hätten sich am Ende vielleicht noch aus irgendeinem Grund über mein Hobby lustig gemacht.
 

Ich blätterte lustlos umher und lies die Seite mit den Empfehlungen dieses mal bewusst aus. Wenig später breitete sich in der ganzen Wohnung der leckere Geruch des Auflaufs aus und ich ging zum Ofen. Er war fast fertig, also wartete ich noch etwas und holte mir Geschirr aus den Schränken und deckte den Tisch.

Der Auflauf schmeckte hervorragend, allerdings hatte ich für eine Person viel zu viel gekocht. Den Abend vertrieb ich mir dann noch mit Fernsehen bis ich dann schlafen ging. Ich schlief schnell ein, aufgrund meines Schlafmangels am vorigen Tag und wachte auch erst sehr spät am Morgen wieder auf. Es war kurz nach zwölf.
 

Ich ärgerte mich ein wenig darüber so lange geschlafen zu haben, aber es lies sich nun auch nichts daran ändern. Ich stand auf und frühstückte. Während dem Frühstück überlegte ich was ich heute machen wollte. Ich beschloss, nach dem Frühstück kurz zu duschen und anschließend in die City zu fahren und mir dort einen schönen Ort zum zeichnen zu suchen. Nachdem ich fertig mit essen und duschen war, packte ich meine Zeichenutensilien zusammen und wollte gerade die Wohnung verlassen, als es an der Tür klingelte.
 

Ich hielt kurz inne und verstaute meine Sachen erst mal auf dem Tisch. Dann ging ich zur Tür und drückte den Knopf an der Sprechanlage, dass die Haustür unten auf ging. Ich fragte nie nach, wer an der Tür war, meistens kannte ich denjenigen sowieso. Wohlmöglich war es wieder nur irgendein Kind aus den Nachbarwohnungen, das den Schlüssel vergessen hatte. Umso überraschter war ich, als tatsächlich Rikku vor meiner Tür stand. Eigentlich fühlte ich mich sogar mehr als überrascht, aber mehr im positiven Sinne.

"Hi...?", meinte ich, ganz der Gastgeber, aber schaffte es nicht, die Verwunderung aus meiner Stimme raus zu lassen.

"Hi Rei. Ich bin gekommen um dir... also um dir deine Zahnbürste zu bringen, die hattest du letztes Mal vergessen.", sagte sie und find an zu grinsen.

Auch ich musste leicht lächeln. Es war seltsam, auf irgendeine verspielte Art war sie schon sehr charmant und wir wussten beide, dass sie nicht wegen der blöden Zahnbürste gekommen war. Aber ich entschloss mich, das Spiel mitzuspielen.

"Ah ja... danke.", sagte ich und nahm die Zahnbürste entgegen.

"Ist das alles?", fragte ich dann.
 

"Ähem, nein, eigentlich nicht.", meint Rikku.

"Ich wollte mich für die Sache mit der Blume entschuldigen, falls ich dich damit in Verlegenheit gebracht habe"

"Ach, dafür musst du dich nicht entschuldigen, komm doch erstmal rein, dann können wir uns besser unterhalten."

Rikku betrat die Wohnung und ich schloss die Tür. "Möchtest du eine Tasse Tee?", fragte ich, während ich die Zahnbürste ins Badezimmer stellte. "Oh ja, gerne."

Ich bemerkte, dass Rikku interessiert einige meiner Bilder betrachtete, die ich im Wohnzimmer aufgehängt hatte.
 

"Hast du die selber gemalt?", fragte sie.

"Einige davon.", antwortete ich und begann Teewasser aufzusetzen.

"Du hast wirklich Talent..."

Sie staunte weiter. Nun wurde ich wirklich etwas verlegen. So ein Lob hatte ich für meine Bilder bisher noch nie bekommen. Sie sah sich noch etwas im Wohnzimmer um und setzte sich dann auf meinen Sessel. Es war offensichtlich, dass ihr meine Wohnung nicht sonderlich zusprach und ich musste darüber grinsen. Wir redeten zunächst kein Wort. Es wollte seltsamerweise kein Gespräch entstehen. Sie schämte sich noch immer für ihr Verhalten und saß einfach gelangweilt auf dem Sessel.

Ein paar Minuten später hatte ich unseren Tee dann fertig und brachte ihr ihren in das Wohnzimmer.
 

Ich stellte die beiden Teetassen auf den Wohnzimmertisch und setzte mich ihr gegenüber in den anderen Sessel. Sie nahm einen Schluck von ihrem Tee und meinte dann: "Schmeckt lecker, du kannst gut Tee kochen Rei."

Ich nickte nur. Nach einigen weiteren schweigsamen Minuten fragte sie mich: "Rei, willst du mir nicht vielleicht doch etwas von dir erzählen? Was du so gemacht hast bevor du angefangen hast im Museum zu arbeiten?", dabei sah sie mich wieder mit ihrem Hundblick an. Ich hatte geahnt, dass sie irgendwann wieder davon anfangen würde, mein Verhalten ihr gegenüber hatte sich zwar geändert, doch ich befand mich in einer Zwickmühle. Sollte ich ihr nur einen Teil meiner Vergangenheit erzählen oder alles? Nach kurzer Überlegung entschied ich mich dafür, ihr fürs erste noch nicht alle Einzelheiten zu erzählen.
 

"Hm... vor dem Museum hab ich bei einer größeren Organisation gearbeitet und bin natürlich ganz normal zur Schule gegangen. Vielleicht sagt dir NERV etwas, wenn nicht, ist es auch nicht wichtig."

Ich ließ ihr gezielt keine Zeit um Fragen zu stellen sondern redete einfach weiter drauf los.

"Die Arbeit war nicht immer leicht, verbunden mit der Schule schon gar nicht. Ich verließ das die Organisation als ich merkte dass ich nur ausgebeutet wurde und dass mir die Leute da nichts bedeuteten. Und dann bin ich möglichst weit weg gezogen... eben hierher nach London.

"Ah ja...", sagte sie nur und wollte schon zu einer Frage ansetzen, doch ich unterbrach sie erneut.

"Vielleicht drehen wir die Sache mal um und du bist dran mit erzählen. Quitt pro quo, kennst du das?"

Sie grinste.

"Na ja... du erzählst mir etwas, ich erzähle dir etwas... Das eine für das andere", sagte sie.

Nun musste ich grinsen und sah sie fordernd an.
 

"Da gibt's eigentlich nichts Besonderes zu erzählen.", seufzte sie und nippte an ihrem Tee. "Ich bin aufs Gymnasium gegangen und bin, nachdem ich mein Abi hatte, aufs Shouth Chelsea College, weil ich während meiner Schulzeit mein Interesse für Englische Geschichte entdeckte habe, um das zu studieren." Sie hielt inne und blickte mich an. "Jetzt bin ich wieder dran.", grinste sie "Was hat diese NERV Organisation gemacht, das ist doch nicht so was wie das FBI oder so?"
 

"Nein, nicht wirklich. Am ehesten kann man sie wohl mit der NASA vergleichen, Maschinenbau und Forschung... und wenn's nötig war, spezielle Aktionen zum eigenen oder zum Schutze anderer."

Ich versuchte wage zu bleiben und hoffte sie würde nicht zu sehr auf NERV eingehen.

"NASA? Ach du meine Güte was hast du in deinem Alter bei ner Organisation wie der NASA zu suchen??", fragte sie ungläubig und verschluckte sich am Tee.

"Ich war... für Tests zuständig. So ähnlich wie diese Zentrifugentests für Astronauten. Ich war sozusagen ein Lebender Dummy."

Sie nickte.

"Na? willst du nicht auch noch was fragen?", grinste sie.

Doch, das wollte ich schon. Ich wollte liebend gerne über ihr Liebesleben bescheid wissen. Keine Ahnung warum, es war einfach so. Ich wollte wissen, ob sie Frauen mehr mochte als Männer. Doch einfach fragen konnte ich natürlich nicht.
 

"Und, hast du, oder hattest du während deiner Schul-oder Studienzeit einen Freund?" Ich versuchte die Sache so diskret wie möglich anzugehen. "Nein, ich hatte noch keinen Freund." Nun ja nur weil sie keinen Freund hatte hieß das noch lange nicht, dass sie an Frauen interessiert war, vielleicht hatte sie einfach noch nicht den richtigen gefunden, obwohl mir das etwas unwahrscheinlich vorkam. "Das wundert mich aber.", sagte ich gespielt überrascht. "Das ein Gutaussehendes Mädchen wie du bis jetzt noch keinen Freund hatte."
 

"Du findest mich gutaussehend?", fragte sie und grinste über beide Backen.

Ich hatte mich selbst in die Falle gelockt und fühlte bereits, wie das Blut in meine Wangen schoss.

"Nun ja, soweit es für eine Frau möglich ist, das zu beurteilen... ja", antwortete ich schließlich. Eine sehr beknackte Antwort, doch besser als alles andere, das mir einfiel. Ich zuckte kurz mit den Schultern und kam mir furchtbar ungeschickt vor. Wie verhielt ich mich gerade eigentlich...

"Danke Rei, ich finde dich auch... attraktiv... das hab ich ja schon mal gesagt..."

Sie wurde rot und blickte verlegen zur Seite als sie bemerkte, wie sie sich in ein immer größer werdendes Gestrüpp aus Erklärungsnot brachte.

Ich blieb einfach ruhig, sonst wäre es mir genau so gegangen, doch ein Wort rutschte mir dennoch heraus: "Danke."
 

"Nichts zu danken. So, jetzt bin ich wieder dran dir eine Frage zu stellen."

Ich kam mir vor wie in einer bescheuerten Quiz Show mit dieser ewigen Fragenstellerei, aber ich hatte mich schließlich selbst in diese Situation gebracht. Ich hoffte inständig, dass sie nicht noch etwas über NERV fragen würde, da mir langsam die Ideen ausgingen das ganze zu umschreiben. "Was hast du damals als du für NERV gearbeitet hast außer deiner Arbeit und Schule sonst noch so gemacht, als Hobby? Hast du damals schon gemalt?" Ich schüttelte leicht den Kopf.

"Mit zeichnen habe ich erst angefangen, nachdem ich nach London gekommen bin. Damals war schwimmen mein einziges Hobby."
 

"Im Ernst? Nur schwimmen?"

Ich nickte und sie zog die Augenbrauen hoch, anscheinend vor Verwunderung.

Ich stellte keine Gegenfrage. Es reichte mir mit der Fragerei. Stattdessen ging ich einfach los und holte ein paar Kekse aus der Küche und so aßen und tranken wir eine Weile ohne ein Wort zu sagen.

Scheinbar hatte sie es akzeptiert, doch ich sollte mich irren.

"Sollen wir mal zusammen schwimmen gehen?", fragte sie mich und ich hielt mitten im Teetrinken inne und sah sie an.
 

Warum eigentlich nicht, schoss es mir durch mein Gedächtnis. Sie war der erste Mensch mit dem ich etwas unternommen hatte, warum sollte man das nicht fortführen und vielleicht würde ich dann etwas über ihre Sexuelle Neigung herausfinden. Ich willigte ein. "Toll.", freute Rikku sich. "Wie wäre, es wenn ich dich morgen um zehn Uhr abhole?"

Ich nickte nur. Wieder herrschte ein kurzer Moment des Schweigens, doch war ich es, die das Schweigen diesmal brach. "Rikku, würdest du vielleicht einmal für mich Model stehen?" fragte ich zaghaft.
 

Kurz sah sie mich verwundert an, ehe sich dann wieder ihr gewohntes Grinsen auf ihr Gesicht schlich. "Ja, wieso nicht", meinte sie und mir viel ein Stein vom Herzen, dass sie nicht drüber lachte und auch nicht fragte warum.

Dann sah sie auf die Uhr.

"Ich muss leider schon wieder gehen Rei, muss noch eine Freundin im Krankenhaus besuchen."

Ich nickte und brachte sie zur Tür. Sie machte Anstalten mich zum Abschied zu umarmen, doch zögerte sichtlich und beließ es dann einfach dabei, dass sie mir freundschaftlich auf die Schulter schlug.

"Bis morgen dann."

Ich nickte erneut. "Bis morgen"

Nachdem sie weg war schloss ich die Tür, öffnete ein Fenster in der Wohnung und lehnte mich etwas heraus. Es war nett, dass sie einfach wegen der blöden Zahnbürste gekommen war obwohl ich sicher war, dass das nicht der einzige Grund gewesen sein könnte. Insgeheim freute ich mich schon riesig auf den Besuch im Schwimmbad und hielt es kaum mehr aus, das Warten war unerträglich.
 

Es war erstaunlich, wie schnell das Leben eines Menschen durch einen anderen Menschen verändert werden kann. Noch vor ein paar Tagen wäre es mir nie in den Sinn gekommen, etwas vollkommen freiwillig und ungezwungen mit anderen Menschen zu unternehmen, doch nun freute ich mich fast wie ein kleines Kind auf den nächsten Tag. Um mir die Zeit bis zum Abend zu vertreiben, beschloss ich, in die City zu fahren um zu zeichnen, so wie ich es vorhatte bevor Rikku überraschend aufgetaucht war. Ich nahm meine Sachen vom Tisch zog mir meinen Mantel an und verlies die Wohnung.
 

Die Fahrt über dachte ich weiterhin nach und wurde fast verrückt. Ich fuhr mit einem Dauergrinsen. Morgen würde ich genau darauf achten auf den Rikku achtet. Bei der geballten Menge leichtbekleideter Menschen kann man einfach nicht wegschauen. Ich kam mir kindisch vor. Als ob jemand zu mir gesagt hätte, wenn du heraus bekommst, ob Rikku lesbisch ist, dann bekommst du mein Fahrrad, Rei. Eine Kindertaktik. Irgendwie fragte ich mich, wieso mir der Gedanke so zuwider war, immerhin war ich selber noch nicht mal ganz volljährig. Im Grunde passten diese Strategien genau in meine Altersklasse, wieso mich eigentlich schämen. Mein Verhalten kam mir überspitzt vor, irgendwie zu sehr darauf bedacht erwachsen zu wirken. Bei genauerer Betrachtung musste ich sogar über mich selbst lachen. Andere Jugendliche holen sich bei MC Donalds oder Burgerking was zu essen und ich besuche irgendwelche Cafes, aus Gründen die ich mir eingebildet habe.

"Was führe ich eigentlich für ein Leben...", flüsterte ich vor mir her. Es war mir unbegreiflich, wieso mir das noch nicht aufgefallen war.

Ich parkte meinen Wagen etwas Abseits, nahm meine Sachen und ging dann in die City. Vor Big Ben baute ich meine Sachen auf und fing an ihn zu malen. Schnell versammelten sich einige Leute um mich herum und sahen zu, was mir unangenehm war. Wieso zum Teufel war ich mitten in die Stadt gefahren. Der Kommentar einer Frau mittleren alters mit Kind riss mich dann schließlich aus dem Konzept. "Würden sie meine Kinder für Geld malen? Ich leg auch noch Zehn Pfund extra drauf okay?", lächelte sie.

Ich begriff erst einige Augenblicke später. Die Frau hielt mich für eine Straßenmalerin die auf Geld aus war. Eine Arbeitslose die aus ihrem Talent nichts machen konnte, eine ausgebrannte Person die sich mit den paar Groschen, die sie verdient abends im Pub die Birne mit Bieren voll kippt, um ihre verkappte Existenz für den Augenblick zu vergessen, nur um Morgens dann aufzuwachen und ernüchternd feststellen zu müssen, dass man immer noch so lebte.

Die Frau gab mir den Rest. Ich, siebzehn Jahre, saß in Londons City, vor dem Big Ben und male... Das Hobby war okay, aber nicht in diesem Ausmaße. Ich kam mir so seltsam vor wie noch nie im meinem Leben.

"Und? ich Zahle auch übertriebene Preise", meinte die Frau dann.

Sie machte mich krank und unfassbar wütend.

"Malen sie ihre Kinder selbst!", sagte ich, stand auf und ging zurück zu meinem Wagen, meine Sachen ließ ich einfach stehen.
 

Ich fuhr eine Weile ziellos durch die Straßen. Für was hielt diese Frau sich? Woher hatte sie sich das Recht genommen, mich auf den Status einer Asozialen zu degradieren. Solche Menschen machen mich verrückt. Sie überlegen nicht, bevor sie etwas sagen, sie handeln zu sehr nach ihrem Instinkt. Bei solchen Menschen war es kein Wunder, dass ich mich so lange vor einem näheren Kontakt mit meinen Mitmenschen gescheut hatte. Zum Glück war Rikku nicht so.
 

Dann fühlte ich mich auf einmal einfach dumm. Ich fuhr in eine Gasse und bremste. krampfhaft hielt ich mich am Lenkrad fest. War es eigentlich nicht ich selber, die mich dazu degradiert hatte? Ich hätte der Frau auch einfach sagen können, dass es mein Hobby sei. Außerdem war ich manchmal selber nicht anders. Am Tag meiner Jack the Ripper Führung hatte ich schließlich auch alle Studenten in eine Schublade gesteckt und mit Rikku hatte ich schon mal Unrecht. Mit den anderen wahrscheinlich auch. Mich selber berührte das nur zu sehr, bei NERV war mir nie so etwas passiert.

Ich war einfach unfähig damit umzugehen und nicht bereit es zu lernen.

Wieder fragte ich mich, wieso ich so lebte. Schließlich trat ich aufs Gas und bretterte quasi nach Hause. Ich nahm einen Umweg über die Schnellstraße, einfach, um etwas zu rasen. Ich wusste selber nicht warum.
 

Als ich zuhause ankam, rannte ich die Treppen hoch, betrat meine Wohnung und knallt die Tür hinter mir zu. Wütend schlug ich mit den Fäusten auf den Tisch. Die Tatsache, dass dieses "Schubladendenken" so ausgeprägt war und meine emotionale Unerfahrenheit machten mich wütend. Und in Gedanken richtete sich diese Wut mit einem mal auf den Menschen, der dafür verantwortlich war, der Mensch, der mich "erschaffen" hatte. Gendo Ikari.
 

Ich verspürte große Lust ihn anzurufen und ihm meine Meinung und meine Wut in die Ohren zu schreien, doch ich ließ es. Stattdessen ließ ich mir einfach ein Bad ein und entspannte mich. Es war wichtig, wieder zur Ruhe zu kommen. Wenn ich bisher jedes Mal bei den Banalitäten des Lebens so in die Luft gegangen wäre würde ich wohl schon nicht mehr leben. Rikku hatte meine ganze Einstellung zum Teil verändert. Sogar Derens Blicke auf meinen Hintern würde ich in Zukunft nicht mehr tolerieren wollen. Im Grunde wollte ich das sowieso nie, ich ignorierte es nur.

Ich blieb lange in der Badewanne sitzen und zum Glück war es auch schon relativ Spät, sodass ich danach einfach ins Bett ging.
 

Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker um acht Uhr, ich hatte in mir am Tag zuvor extra gestellt um nicht Rikkus Ankunft zu verschlafen. Ich stand auf und ging unter die Dusche. Meine Wut vom Vorabend war noch nicht ganz verraucht und ich faste einen Entschluss: Ich würde Gendo anrufen oder ihm einen Brief schreiben um im klipp und klar zu sagen, was ich von ihm hielt. Nach zehn Minuten stieg ich aus der Dusche und zog mich um.
 

Die verbliebene Zeit verbrachte ich damit, meine Schwimmsachen herauszusuchen und mich vor dem Spiegel lächerlich lange zu betrachten. Ich verspürte das Bedürfnis schön zu sein und verstand es selbst nicht, es kam bisher nie vor. Um mein Aussehen machte ich mir eigentlich nie viele Gedanken, da ich mich weder allzu hässlich noch umwerfend schön fand und dem Thema nie viel Wichtigkeit zuordnete.

Trotzdem blieb die Andersartigkeit der Situation bestehen und ich verbrachte eine ewig lange Zeit damit, peinlich genau darauf zu achten wie meine Haare saßen und ich wäre fast in Versuchung gekommen etwas von dem Make up, dass ich seit Jahren in den tiefsten Tiefen meines Badezimmerschranks verstaute aufzutragen. Zum Glück konnte ich mich bremsen und nahm nur eine kleine Menge Lipgloss, einfach damit sie etwas schimmerten. Ich dachte an Rikku und meine erste Begegnung mit ihr, wie ihre Lippen mir ins Auge fielen, ebenso glänzend.
 

Es klingelte an der Tür und ich stellte leicht verärgert fest, dass das ganze anziehen und Haare zurrecht machen viel zu lange gedauert hatte. Es war bereits kurz vor Zehn. Warum hatte ich mir überhaupt solche mühe gegeben, nachher im Wasser würde die Frisur sowieso kaputt gehen. Ich öffnete die Tür und Rikku betrat die Wohnung. Sie begrüßte mich mit einem fröhlichen "Guten Morgen Rei."

"Guten Morgen Rikku.", erwiderte ich ihren Gruß.

"Können wir Los?", fragte ich und erntete einen etwas verlegen Blick von Rikku. "Ähem, wenn es dir nichts ausmacht, könnten wir vielleicht vorher irgendwo einen Kleinigkeit essen gehen? Ich hab nämlich total verschlafen und um nicht zu spät zu dir zukommen habe ich das Frühstück ausfallen lassen."
 

"Oh", war das Einzige, das ich in meinem Erstaunen von mir gab. Eine wirklich intelligente Antwort. Es wunderte mich nicht, dass sie sich beeilt hatte um her zu kommen und dafür sogar das Frühstück ausfallen lies, viel mehr brachte mich die Tatsache zum nachdenken, dass sie es für mich getan hatte. Ich fühlte mich vom einen zum anderen Moment seltsam glücklich, wie nach einer Tafel Schokolade. Ich musste grinsen.

"Ist kein Problem, wir können gerne auf dem Hinweg irgendwo vorbei fahren", sagte ich. Die Idee, etwas Essbares in meiner Küche zu suchen kam mir in dem Moment gar nicht und erschien mir im Nachhinein dann doch sehr unpassend. Rikku würde sich mit einem Keksfrühstück wohl kaum abfinden und zugegebenermaßen hätte sie wohl damit Recht gehabt.

"Perfekt, ich sterbe vor Hunger, komm, wir gehen.", sagte sie und zog mich hinter sich her, sodass ich fast die Tür nicht richtig schließen konnte.

Ihre kindliche Impulsivität erstaunte mich immer wieder
 

Wir liefen die Treppe hinunter und verstauten unsere Badetaschen im Kofferraum meines Autos.

"Ok, wo sollen wir was frühstücken gehen?", fragte ich sie.

"Am Earl's Court gibt es eine McDonalds Filiale in der Ich neben meinem Studium arbeite, dort können wir was essen und kriegen zudem noch Rabatt."

Ich legte den Kopf leicht schräg. Ein Frühstück bei McDonalds nicht gerade die gesündeste art den Tag zu beginnen.
 

"Alles klar.", sagte ich dann doch und wir stiegen ein.

Auf der Fahrt redeten wir über belanglose Kleinigkeiten, wie hast du geschlafen, alles in Ordnung, das Wetter ist mal wieder mies, wir freuen uns aufs schwimmen und so weiter.

Als wir die Filiale erreichten sprang sie förmlich aus dem Auto und meinte ich solle nicht so trödeln. Scheinbar hatte sie wirklich extremen Hunger.

Im McDonalds drinnen meinte ich sie solle mir einfach das mitbringen, was sie auch nehmen würde, so ersparte ich mir lästiges anstehen an der Schlange und irgendwelche peinlichen Dinge meinerseits, da ich noch fast nie bei McDonalds gegessen hatte und somit auch nicht wirklich wusste wie und wo man zu bestellen hatte und was alles kostete. Rikku nickte nur grinsend und ich suchte uns einen Platz an einem der riesigen Fenster.

Es war mir wichtig, in Rikkus Gegenwart nicht peinlich aufzufallen. Ein Vorfall wie der Riesenfisch im Cafe ein paar Tage davor, und ich hätte mich umgebracht. Rikku veränderte alles um mich herum und machte mich zu einem willenlosen Opfer meiner Gefühle und meiner Intuition, was natürlich nicht immer schlecht ist, zugegeben. Ich glaube, wenn sie gefragt hätte ob ich von einer Klippe springen würde, hätte ich nicht verneint, sondern "wie hoch?" gefragt.

In diesen Momenten des Wartens im Fastfood Restaurant machte ich mir kurz Gedanken darüber, ob ich ihr wohl in irgendeiner Weise verfallen war, aber wurde schnell unterbrochen, als ich darauf aufmerksam wurde, wer nur wenige Tische von mir entfernt saß, und das nicht alleine.
 

Es war Tom Derens, zusammen mit Anna Smith. Zum Glück hatten sie mich noch nicht bemerkt, da sie beide in ihre Konversation vertieft waren. Anscheinend hatte die Weihnachtsfeier so ihre Nachwirkungen gehabt, dachte ich und schüttelte leicht ungläubig den Kopf. Ich fragte mich, was seine Frau wohl machen würde, wenn sie jetzt hier wäre. Wahrscheinlich würde sie Derens aufs übelste beschimpfen und anschließend aus der Filiale prügeln. Doch bevor ich mir weiter Gedanken darüber machen konnte kam Rikku auch schon mit einem Tablett, auf dem sich unser frühstück, befand an den Tisch.
 

"Ich hab' Hunger wie ein Bär", meinte sie und begann dann zu essen und ich musste grinsen. Das Frühstück bestand aus einem McDonalds Cappuccino, mehreren Donuts, zwei Croissants für jeden, dazu kleine, abgepackte, Stückchen Butter, einen kleinen Topf Marmelade, abgepacktem Zucker und einer Apfeltasche für jeden. Die pure Kalorienbombe. Rikku nahm einen Schluck Cappuccino, biss ein Stück Donut ab und hielt den Rest mit ihrem Mund fest, um ihre beiden Hände frei zu haben um das Croissant aufzuschneiden. Ein herrlicher Anblick und ich musste stark an mich halten, nicht loszulachen. Ein Blick rüber zu Derens bewies mir endgültig, dass die Weihnachtsfeier ein neues Liebespaar geschaffen hatte. Derens und Anna saßen an ihrem Tisch und küssten sich so heftig, dass es fast aussah als würden sie ihre Gesichter ablecken. Als eine Frau sich dann beschwerte, dass so etwas nicht in einem Restaurant und vor allem nicht vor ihren Kindern sein müsse wies ein McDonaldsangestellter das beschäftigte Paar dann zurrecht. Daraufhin zahlten sie nur und verließen die Filiale. Wieder schüttelte ich den Kopf und fing dann auch endlich an zu essen.
 

Ich stellte fest, dass ich, obwohl ich auch nichts gegessen hatte, nicht sonderlich hungrig war. Innerlich war ich viel zu aufgekratzt um hungrig zu sein. So knabberte ich etwas lustlos an meiner Apfeltasche herum, während sich Rikku mit vollem Eifer den Bauch voll stopfte. Als ich ihr so gegenüber saß und ihr beim essen zusah, musste ich schmunzeln und konnte mir eine Bemerkung nicht verkneifen. In fast schon strengem Ton sagte ich: "Du weist aber, dass man mit vollem Bauch nicht ins Wasser gehen sollte Rikku...?"
 

Augenblicklich hielt sie mit kauen inne und sah mich einige Augenblicke an. Selbst an ihrem zweiten Croissant schmierte sie nicht weiter. Ich sah sie weiterhin tot ernst an, irgendwie schaffte ich es, weder zu grinsen, noch zu lachen. Schließlich zogen sich ihre Mundwinkel nach oben und sie fing an zu husten, wahrscheinlich hatte sie sich verschluckt. Doch sie bekam es schnell wieder in den griff. "Entschuldigung Mama, aber wir sind doch auch noch nicht im Schwimmbad oder?", meinte sie dann und nun musste ich wirklich grinsen.

"War auch ein Scherz", meinte ich überflüssigerweise. Es war, als ob ich zu ihr gesagt hätte, dass das Ding auf dem sie saß ein Stuhl sei.

"Ach nee...?", sagte sie und schüttelte leicht den Kopf. "Isst du das noch?", fragte sie und deutete auf meine Donuts. Ich verneinte und sagte sie könne sie gerne essen.
 

Nachdem wir zuende gegessen hatten verließen wir die McDonalds Filiale und fuhren auf Rikkus Vorschlag Richtung Tropical Paradiese Schwimmbad. Das einzige Schwimmbad, das ich in London bisher kannte, befand sich in Whitechapel. Es bestand nur aus einem einzigen Schwimmbecken, an dem zusätzlich zwei Sprungbretter montiert waren. Damals hatte mir diese Ausstattung völlig gereicht, doch nun war ich neugierig, was für Schwimmbäder Rikku bevorzugte. Nach einer kurzen Fahrt kamen wir am Tropical Paradiese Schwimmbad an.
 

Schon von außen war extrem unterschiedlich zu dem mir bekanntem Schwimmbad. Es war riesengroß. Wir betraten es, zahlten den Eintritt und gingen dann zu den Umkleidekabinen. Der Weg führte auch am eigentlichen Bad vorbei. Es war mehr als einfach nur ein Hallenbad, es war unglaublich. Mehrere große Schwimmbecken, Sprungtürme, ein kleineres Becken für die Kinder, dazu mehrer Whirlpools in einem abgesonderten Bereich. Es standen relativ viele Pflanzen herum und einige Pools an sich waren geformt und dekoriert wie die Schwimmbecken die man manchmal in Werbereklame für Hotels in der Karibik oder auf Mallorca sieht. Alles in allem wirklich extrem schön. Der Boden war sehr kleinen, flachen Steinchen gekachelt und erinnerte an ein Mosaik. Der Weg, auf dem wir liefen war durch dunklere Steine hervorgehoben. Weiter hinter im Bad war ein Strandbereich mit jeder Menge Sand und Spielmöglichkeiten, beispielsweise gab es ein Volleyballnetz und mehrere Tischtennisplatten. Ein Schild, an dem wir vorbei kamen verriet mir zusätzlich, dass es sogar mehrere Saunen gab.

Ich war beeindruckt. Im Vergleich zu meinem Hallenbad war das hier das Paradies. Viele Leute tummelten sich schon, immerhin waren für die meisten Kinder immer noch Ferien, die Stimmung war einfach einladend und ich freute mich wirklich darauf, mit Rikku schwimmen zugehen.

Wenig später endete unser weg dann vor der Tür der äußerst geräumigen Damenumkleidekabine
 

Rikku öffnete die Tür und mit einer, mich überraschenden, Erleichterung stellte ich fest, dass es mehrere einzelne Umkleidkabinen gab. Mich zusammen mit ihr umziehen zu müssen wäre mir doch etwas unangenehm gewesen. Ich betrat eine der Umkleidekabinen, zog mich aus und schlüpfte in meinen weißen einteiligen Badeanzug. Ich war ernsthaft neugierig was Rikku wohl zum Baden anziehen würde und ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Als ich mit Umziehen fertig war, klemmte ich mir mein Handtuch und Duschgel unter den Arm und verstaute meine restliche Kleidung in einem der Spinde. Kurz darauf verließ auch Rikku ihre Umkleidekabine. Sie trug einen gelben Bikini. Als ich sie so sah huschte eine leicht verlegen röte über mein Gesicht.
 

"Weiß steht dir gut", meinte sie und betrachtete mich ohne auch nur einem Anzeichen von Scham. Auch sie nahm ihre Sachen und wir betraten das Bad. Es kam mir komisch vor, in einem Hallenbad ein Handtuch auszubreiten, doch in diesem Fall war es nun mal anders. Es war eher wie ein Freibad unter einer Glaskuppel.

Als wir einen schönen Platz gefunden hatten legten wir uns auf unsere Handtücher und entspannten uns ein wenig. Ich dachte die ganze Zeit darüber nach wie ich es anstellen sollte. Ich wollte etwas über Rikku erfahren, und das unbedingt. Die Frage nach dem "warum" stellte sich mir gar nicht mehr, ich wollte es einfach, es war mir wichtig. Ich setzte mich aufrecht hin und beschloss dann, es einfach unverblümt anzugehen, so kindisch es auch sein mochte.

"Welcher von diesen Typen wäre wohl was für dich Rikku?", fragte ich einfach und tat so, als ob ich Ausschau nach einem passenden Mann halten würde. Es war so schrecklich kindisch...

Als ich zu Rikku sah konnte ich die Verwirrung in ihrem Gesicht richtig ablesen und war auf ihre Antwort gespannt.
 

"Weißt du Rei, mir kommt es bei einem Menschen nicht auf Äußerlichkeiten an, es ist doch viel wichtiger, wie es in seinem Herzen aussieht, meinst du nicht?"

Als sie das sagte blickte sie mir direkt in die Augen und auf ihrem Blick lag ein ernster Ausdruck, wie ich in bisher noch nie gesehen hatte, allerdings nur für wenige Sekunden. Dann lächelte sie wieder und sagte: "Aber wir sind ja schließlich nicht hierher gekommen um uns einen Lover zu suchen." Sie stand auf ergriff meine Hand und zog mich auf die Beine. "Komm mit!"

Sie zog mich hinter sich her Richtung Wasserrutsche.
 

Ich war nicht sicher wie ich ihre Antwort deuten sollte. Besonders eindeutig war sie nicht, allerdings hieß es auch nicht, dass sie Männer bevorzugte.

Es war das erwachsenste, was ich je von ihr gehört hatte und mein Bild von ihr änderte sich wieder einmal. Wenn sie wollte, dann konnte sie sicher auch sehr ernst sein. Trotzdem interessierte es mich, wie es in ihrem Herzen aussah, denn ich wurde mir mehr und mehr sicher, wie es in meinem aussah, denn die Berührung ihrer Hand, mit welcher sie mich unermüdlich weiter zog jagte eine Gänsehaut über meinen Körper und ich wünschte mir, heute morgen doch etwas mehr gefrühstückt zu haben, da mein Magen sich seltsam leicht anfühlte, geradezu flatterig, als ob man einen Heliumballon im Bauch hätte. Zudem eine unbestimmte Wärme in Brustgegend, was ich noch nie erlebt hatte und dessen Bedeutung mir erst später bewusst wurde.

An der riesigen Rutsche angekommen, nahmen wir zuerst die Stufen, danach die Leitern nach oben und ich war peinlich darauf bedacht, beim Hochklettern nicht wirklich nach oben zu sehen, da Rikku direkt über mir kletterte. Also sah ich meistens leicht zu Seite und kam mir dabei unendlich blöd vor. Aber mir fiel nichts Besseres ein.

Nach einer Ewigkeit, wie es mir vorkam, waren wir dann ganz oben angelangt und erst jetzt wurde mir das Ausmaß der Rutsche bewusst. Sie war wirklich sehr hoch, doch Rikkus kindlicher Übermut zwang mich geradezu nach oben. Ihr Spieltrieb war nicht mehr zu stoppen und ich fand es witzig und auf irgendeine Weise auch liebenswert.
 

Oben angekommen setzte sich Rikku auf die Rutsche und blickte mich fordernd an. "Komm, lass uns zusammen runterrutschen!"

Für einen kurzen Moment wurde mir schwindelig. Einen so engen körperlichen Kotakt hatte ich noch nie zu einem Menschen gehabt, na a außer vielleicht damals, als dieser Idiot Shinji auf mich drauf gefallen war, aber das war seine Schuld gewesen. Letzten Endes überwand ich mein Zögern, setzte mich hinter Rikku und legte vorsichtig meine Arme um ihre Taille und schon sausten wir die Rutsche hinab. In diesem Moment fühlte ich mich glücklich wie ein kleines Kind. Als Kind hatte ich nie die Möglichkeit gehabt, wie andere Kinder zu spielen aber nun fühlte ich mich glücklich wie ein Kind und ich war glücklich, einer Person, die ich mochte, so nahen seien zu können. Nach einer leider viel zu kurzen Zeit endete die Rutsche und wir beide tauchten in das klare Wasser des Schwimmbeckens.
 

Zu diesem Zeitpunkt musste ich sie leider wieder loslassen obwohl es mir zugegebenermaßen auch nicht unangenehm gewesen wäre, es nicht zu tun. als ich auftauchte sah ich direkt in ihre vor Nässe glitzerndes Gesicht. Sie lächelte.

"War doch gut, oder?", fragte sie.

Ich nickte nur, vollkommen in Gedanken versunken.

"Was ist? Mach nicht so ein Gesicht", meinte sie lachend und spritzte mir eine Ladung Wasser ins Gesicht.

"Hör auf.", sagte ich, doch sie machte weiter und fing an zu lachen.

"Wehr dich doch! Ich höre so lange nicht auf bis du auch aktiv wirst.", antwortete sie. Sie war offensichtlich wieder in ihre Nervensägenmentalität zurückverfallen und hörte einfach nicht auf. Selbst als ich mich weg drehte machte sie weiter, wechselte sogar die Position um mir wieder Wasser ins Gesicht schlagen zu können. Es war unfassbar nervig und auch meinen Versuch sie zu ignorieren beachtete sie nicht, sondern lachte einfach weiter, bis es mir dann zu viel wurde.
 

Ich schwamm auf sie zu packte sie an den Schultern und drückte sie kurz unter wasser. Sie tauchte prustend wieder auf "Na also, geht doch!", lachte sie und schon hatte ich die nächste Ladung Wasser abbekommen, welche ich ihr sofort wieder heimzahlte. Wir tobten im Wasser umher ohne die verwirrten oder ärgerlichen Blicke der andern Schwimmbadbesucher zu beachten. Noch nie in meinem Leben war ich so ausgelassen gewesen wie in diesem Augenblick und ich klostete ihn voll aus. Nach einer Ewigkeit des Herumtobens, so kam es mir jedenfalls vor, meinte Rikku keuchend: "Ok Rei, unentschieden würde ich sagen."

Dem konnte ich nur zustimmen denn mir ging langsam auch die Puste aus. "Was sollen wir als nächstes machen?", wollte sie wissen. "Action hatten wir erstmal genug, lass uns zum entspannen etwas in die Sauna gehen.", schlug ich vor und Rikku war einverstanden.
 

Ich wunderte mich über meinen spontanen Vorschlag. Noch vor zwei Wochen hätte ich so etwas nie gesagt. In diesem Moment beschloss ich, mich einfach damit abzufinden, dass ich in Rikkus Gegenwart ein anderer Mensch war, und das diese Andersartigkeit auch auf mein normales Leben übergriff. Ich sollte mich weniger wundern, sondern einfach genießen. Auf dem Weg zur Sauna probierte ich die Kindertaktik noch einmal aus, als ein mehr oder weniger hübscher Junge an uns vorbei lief. Ich fragte sie, was sie denke, wenn sie so jemanden sehe, und er ihr hinterher pfeifen würde, und sie antwortete, dass es ihr egal wäre, sie fände Männer größtenteils unpassend. Dabei beließ sie es.

Unpassend war ein seltsamer Ausdruck dafür, wieder recht ungenau und in beide Richtungen offen, doch ich war mir sicher, dass eine der Richtungen anziehender für sie war, denn die Zeit im Bad über schenkte sie keinem Mann auch nur ansatzweise Aufmerksamkeit, noch sah ich sie je mit einem herumlaufen oder irgendwo sitzen, selbst bei der Führung im Museum war sie eher alleine, wie mir in dem Moment auffiel. Im Grunde schien sie nur an... mir ... interessiert, ganz gleich in welchem Ausmaß. Doch es gefiel mir und der Gedanke daran lies mich wohlig aufseufzen.

Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht merkte, wie wir den Saunabereich erreichten. Wir entschieden uns, in die Sauna für Frauen zu gehen und ich war überrascht, dass sie vollkommen leer war, Rikku schien zufrieden, sie grinste und ihr Gesicht war seltsam gerötet. Ich vermutete, dass es an der Wärme lag.

Wir setzten und auf die Holzbänke und ich lehnte mich zurück und entspannte mich. Rikku schien allerdings irgendetwas auf dem Herzen zu haben. Als ich meine Augen öffnete sah ich sie angespannt dasitzen, das Gesicht immer noch gerötet und die Hände im Schoß zusammengefaltet. Irgendetwas wollte sie sagen. Ich kannte diese Haltung von Anna, sie kauerte immer so herum wenn sie Derens um eine Gehaltserhöhung bitten wollte, es aber nie tat. Also beschloss ich, Rikku ein bisschen entgegen zu kommen.

"Ist etwas?", fragte ich.

"Hm??" Rikku schreckte kurz auf, grinste dann aber.

"Ich weiß nicht, ob du das wissen willst Rei.

Also hatte sie irgendetwas auf dem Herzen.

"Probier's doch einfach.", meinte ich und ihr Grinsen wurde breiter, verschmitzter.

"Wirklich?", fragte sie und stand auf. Sie kam zu mir herüber und setzte sich auf die gleiche Stufe. Mir wurde etwas mulmig, als ich ihren Blick sah, den ich absolut nicht deuten konnte.

"Wenn du jetzt nichts sagst, dann ist es zu spät", grinste sie.

"Was...?"

Mir war, als ob sie sich leicht zu mir beugte, aber vielleicht bildete ich es mir auch nur ein. Mein Herz schlug schnell und hart, ich war nervös und wusste selber nicht warum.

"Es ist vielleicht jetzt etwas plötzlich, aber es gibt da schon etwas, dass ich dir sagen möchte..."

Sie lächelte immer noch, dieses Mal verträumt. Und sie kam tatsächlich näher.

"Ach... ach ja...?", brachte ich nur heraus.

Sie nickte und fuhr mit ihrer linken Hand langsam meinen rechten Oberschenkel entlang. Die Berührung war wie Feuer und lähmte mich, es war eine nicht auszuhaltende Spannung.

"Ja...", flüsterte sie mir ins Ohr und die Luft in dem kleinen Raum schien zu knistern, als wäre sie elektrisch aufgeladen als Rikku den letzten Abstand zwischen unseren Gesichtern überbrückte, die Augen schloss und ihre Lippen auf meine legte. Ich hielt die Luft an, unfähig etwas zu tun. Fast ungewollt verschmolzen unsere Lippen in einem Kuss, dass ich dachte ich müsste sterben. Rikkus warme Lippen, ihre zarte Berührung, die Hitze um uns herum, die Feuchtigkeit, die ihre Hand auf meiner Haut federleicht entlang tanzen lies, alles vereinte sich in einem Moment des Gefühls, den ich nie erfahren hatte, total überrumpelt und doch wunderschön. Mein Herz klopfte wie wild, meine Schläfen pochten, mein Kopf musste rot wie Feuer sein und doch lies ich nach den ersten paar Sekunden meine Bedenken fallen, schloss meine Augen und erwiderte den vorsichtigen Kuss. Es war unglaublich, ich fühlte mich unfassbar leicht und für den Moment vergaß, ich wo wir waren und wer ich war, ich genoss das erste Mal in meinem Leben wirklich und war etwas enttäuscht, als Rikku den Kuss wieder löste und mir in die Augen sah. Ich keuchte wie eine verrückte, hatte ich die Luft doch die ganze Zeit angehalten und starrte sie an.

"Ich liebe dich Rei.", hauchte sie mir entgegen.

Es waren Worte, die ich noch nie gehört hatte, und die doch so schön waren, dass sie mir fast die Tränen in die Augen trieben. Ich öffnete meinen Mund, wollte etwas sagen, doch ich konnte es nicht, nicht wirklich.

"Ri...", wollte ich anfangen, doch sie legte ihren rechten Zeigefinger auf meine Lippen und lächelte leicht.

"Schhhh"

Sie kam näher und umarmte mich einfach, als ob sie verstehen würde, wie es mir in diesem Augenblick ging.
 

Eine verträumte Ewigkeit später lag ich immer noch in ihren Armen, niemand sprach, wir genossen einfach die Präsenz des anderen. Jetzt wusste ich zu hundert Prozent wie es um Rikkus Herz bestellt war und das machte mich glücklich. Ich glaubte, mein Herz würde vor Freude zerspringen. Hier war jemand, der sich wirklich um mich sorgte, jemand, dem ich vertrauen konnte, jemand... der mich liebte. Wie lange hatte ich unbewusst nach so jemand gesucht. Lange, viel zu lange hatte ich es verleugnet so jemand zu brauchen doch im Unterbewusstsein hatte ich es immer gewusst, dass es nicht so war. Als ich damals erfahren hatte, dass Gendo mich nur ausgenutzt hatte war eine Welt für mich zusammen gebrochen und ich hatte eine Mauer aus Abneigung, Misstrauen und Ignoranz um mein Herz aufgebaut. Doch nun war diese Mauer endlich niedergerissen worden, von einem wunderschönen Quälgeist, von Rikku. Ich konnte ihr vertrauen und ich beschloss, dass ich ihr meine komplette Vergangenheit erzählen sollte. Allerdings war das Schwimmbad dazu nicht der richtige Ort.
 

Meiner Meinung nach hatte sie ein Recht darauf es zu erfahren und ich wusste selber, dass ich es ihr erzählen wollte. Es war einfach zu lange totgeschwiegen worden. Soviel Überwindung es mich auch kostete, ich schob sie langsam von mir weg. Ihr Blick wurde fragend.

"Ich hab dir auch etwas zu sagen... aber nicht hier. Lass uns gehen, ich kenne einen schönen Ort den ich dir zeigen möchte, okay?"

Sie nickte nur. Zusammen verließen wir Hand in Hand die Sauna und störten uns nicht an den seltsamen Blicken, die uns zugeworden wurden.

Wir zogen uns um, packten unsere Sachen zusammen und stiegen in mein Auto. Wir redeten nichts und es kam mir fast grotesk vor, als würde ich den bisher schönsten Moment meines Lebens durch mein Verhalten total versauen. Aber sie würde es verstehen. Ich wollte ihr alles erzählen und selbst wenn sie mich danach ohrfeigen würde oder es ekelhaft fände, würde ich es ihr nicht übel nehmen sondern ihr einfach nur danken und lächeln.
 

Wir erreichten schließlich den Feldweg, auf dem ich so oft spazieren gegangen war, der Feldweg, auf dem ich mir endlich eingestanden hatte, dass ich eine Person in meinem Leben brauchte der ich vertrauen konnte, die für mich Zuneigung empfand und für die ich das selbe empfand. Damals hatte ich gehofft das Rikku diese Person werden würde und diese Hoffnung hatte sich erfüllt. Wir stiegen beide aus dem Auto und ich ergriff Rikkus Hand. Gemeinsam gingen wir über den Feldweg und kamen nach kurzer Zeit zu einer Bank auf der wir platz nahmen. Rikku legte sanft ihren Arm um meine Schulter, sie sah, dass es mir schwer viel die richtigen Worte zu finden doch sie lies mir alle Zeit die ich brauchte. "Rikku... das was ich dir jetzt erzähle hört sich etwas seltsam an...", begann ich zu erzählen, "Als ich dir gesagt habe, dass NERV so ähnlich sei wie die NASA habe ich gelogen." Unsicher blickte ich sie an doch ihr sanfter Blick ermutigte mich dazu, weiter zu erzählen. "NERV ist eine Organisation die geschaffen wurde, um gegen als Engel bezeichnete Wesen zu Kämpfen, die 2015 auf der Erde aufgetaucht sind. Zum Kampf gegen die Engel wurde riesige Kampfmaschinen Namens EVANGELIONS eingesetzt und ich war die Pilotin des ersten EVANGELION." Ich schaute sie wieder an doch auch dieses Mal brachte mich ihr verständnisvoller Blick dazu fort zu fahren. "Der Öffentlichkeit gegenüber hieß es, dass NERV nur dazu da war die Engel zu bekämpfen, doch das stimmte nicht, die Organisation die hinter NERV stand hatte vor, nachdem alle Engel vernichten sein würden, die Menschheit gewaltsam in ihrer Evolution voranzutreiben, sie zu einem Wesen zu verschmelzen... und ein Teil dieses Plans war ich...ich bin kein Mensch ich ...bin ein Klon geschaffen aus dem zweiten Engel und der toten Frau des NERV Kommandanten. Der Kommandant war damals der einzige Mensch zu dem ich vertrauen hatte doch er hat mich nur ausgenutzt um seinen Plan ausführen zu können. Als ich das erfahren habe, habe ich NERV verlassen und bin nach London gegangen, das war vor drei Jahren." Nachdem ich geendet hatte konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten und sie flossen wie kleine Bäche über meine Wangen. Doch plötzlich spürte ich wie mein Kinn leicht sanft angehoben wurde. Wieder sah ich in Rikkus Augen und diese Augen waren voller Wärme, Zuneigung, Verständnis und voller Liebe. Sie hasste mich nicht trotz meiner Vergangenheit. Wieder näherte sie sich meinem Gesicht und als unser Lippen sich dieses Mal berührten entfachten sie ein Feuer in mir, das ich glaubte der gesamte Schnee um uns herum würde schmelzen.
 

Um ehrlich zu sein, war genau das Gegenteil der Fall, es fing an zu schneien und ich kam mir vor wie in einem übertriebenen Kindermärchen.

Ich weiß nicht mehr wie lange wir auf der Bank saßen und uns einfach nur küssten, auf jeden Fall war es eine Ewigkeit. Ich weiß auch nicht mehr wie und zu wem wir nach Hause gegangen sind, das einzige, was ich wusste war, dass ich Rikku liebte, meinen wundervollen, kleinen Querkopf und ich stand dazu. Ich sagte es ihr erst einen Tag später und entschuldigte mich tausend mal dafür, dass ich den wichtigen Moment durch mein Verhalten zu Nichte gemacht hatte, doch sie meinte es wäre unwichtig und sie würde es verstehen, es wäre ihr ähnlich gegangen. Sie wusste nicht ob sie ihr Verliebt sein durch die gewagte Aktion total verhunzen würde, sie hätte lieber einfach verliebt weiter gelebt, als das sie durch ihre Gewissheit das zerstörte, woran sie glaubte: Nämlich das ich auch etwas für sie empfand. Zum Glück siegte doch ihr Mut, denn ich glaube nicht, dass ich so einen Schritt getan hätte.

Meine Vergangenheit fasste sie gut auf. Es wäre ihr egal, ob ich ein Klon sei, wie lebten schließlich in einer modernen Welt und sie sei aufgeschlossen, immerhin habe ich meinen eigenen Geist und meine eigene Persönlichkeit, da würde sie über die Umstände meines geklonten Körpers hinwegsehen, meinte sie grinsend und fügte hinzu, dass dieser Gendo einen guten Geschmack hätte, was Frauen anbelangte. Es war der makaberste Witz den ich über meine Existenz je gehört hatte und ich jagte sie eine ganze Zeit lang durch die Wohnung und schmiss Kissen und andere weiche Dinge nach ihr, bis sie sich entschuldigte. Danach lachten wir gemeinsam und wussten, dass ich es nicht so übel genommen hatte, wie ich vorgab. Auch die EVAS waren ihr so ziemlich egal. Es sei Vergangenheit und obwohl sie Geschichtsstudentin war legte sie nicht viel Bedeutung auf die Vorfälle. Sie war nur erstaunt und Glücklich, dass Gendos Plan nie verwirklicht wurde.

Um bei Gendo zu bleiben: Ich rief ihn wirklich an und schnauzte ihn sage und schreibe zehn Minuten lang an, wie er sich doch schämen sollte und was für ein Mensch er sei. Es war kindisch, zugegeben, doch es machte Spaß. Als er meinte das ich mich zu seinen Ungunsten verändert hätte nannte ich ihn einen geistig minderbemittelten Schwachkopf ohne Realitätssinn, woraufhin er auflegte und ich in schallendes Gelächter ausbrach. Wie gesagt... Rikku hatte mich sehr verändert, und sie saß bei dem Gespräch neben mir und lachte sich die ganze Zeit kaputt.

Auch über Tom Derens lachten wir. Seine Frau hatte seine Affäre aufgedeckt und lies sich scheiden. Seltsamerweise boxte sie eine hohe Abfindungssumme heraus, die Tom Derens beinahe arm machte. Anna verließ ihn. Sie verriet mir später, dass sie sowieso nur wegen seinem Geld mit ihm zusammen war, und nun, da er keins mehr hatte, wäre er wertlos. Ich musste lachen, ihre Art war einfach ungeheuerlich und sie schüttelte den Kopf als sie mich sah. Derens feuerte sie jedoch nicht, keine Ahnung warum. Bei Bemerkungen über mein Hinterteil ohrfeige ich ihn. Auch mich feuert er nicht, armer Mann. Er sollte auch jemanden kennen lernen wie Rikku.

Jemanden der einen total verändert. Ich gefiel mir von Tag zu Tag besser, lebte, genoss und liebte und ich erkannte, wie schrecklich ich bisher gelebt hatte. Es hat alles geändert und ich weiß, dass ich nun jedes Weihnachten einen wirklichen Grund habe, mich zu freuen und zwar darüber, dass ein wunderschöner Quälgeist in mein Leben platzte, und mir endlich zeigte, wie ich wirklich war.
 

The End



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Silver_Wolf
2009-04-21T13:55:22+00:00 21.04.2009 15:55
hu^^
ich hab keien ahnung ob ich dir schon ein kommie hinterlassen hab zu der ff... xD

also schreib ich einfach nochma ^^:P

die story an sich fand ich genial *__* dein schreibstiel find ich sowieso supi xD und ja was soll man sonst sagen..
das war einfach so hammer süüüüß *______________________*

*keks dalass*

lg ^^
Von:  Silverfox
2008-01-05T13:35:49+00:00 05.01.2008 14:35
So du hast es wirklich geschafft eine ordentliche FF zu schreiben XD
Davor kannte ich nur sachen wie "Unerwiederte liebe"...
Ich bin zwar nicht fan von Shuojo aber trotzdem wunderschön geschrieben!
Auf dieses pairing wäre ich persönlich nie gekommen...
Favo und bis zur nächsten story!
Von: abgemeldet
2005-09-10T15:10:52+00:00 10.09.2005 17:10
Schön.^^
ich habe selten eine so gut geschriebene story gelesen.Dieses gefühl von ihr.Diese leer langeweile war so wunderbar beschrieben.Das können nur wenge.Ihr habt meinen respekt.Wirklich.Selten eine so schön geschriebene gschichte gelesen.

Ciao
SHIVE
Von: abgemeldet
2005-07-10T00:16:48+00:00 10.07.2005 02:16
sorry, das lob gallt euch! ich war jetzt nur vom
ich-geschichte so beseelt. ihr beide seid echt cool!
Von: abgemeldet
2005-07-10T00:15:33+00:00 10.07.2005 02:15
OH, mein Gott!!!!!!!!!!!!!!
das ist sooo süß geschrieben. man hätte ich auch nur ein fünkchen talent von dir, ich wäre der beste "autor" in der gegend.
du kannst soooo toll schreiben, einfach geil!!!
Von:  Xell
2005-02-24T04:36:26+00:00 24.02.2005 05:36
Ich bin begeistert! *auf die Liste meiner Lieblings-FFs setz* Ihr habt die Gefühle und die Gedanken von Rei und Riku ziemlich gut beschrieben! Ihr Werdegang von kalt und gefühllos zu dem, was sie jetzt ist. Schade dass die Geschichte jetzt schon zuende ist. Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht die FF zu lesen. Würde mich über noch mehr Shojo-Ai Fanfictions freuen. ^_^
Von: abgemeldet
2005-02-01T20:43:14+00:00 01.02.2005 21:43
n1 ... und das ganze über icq: respekt! ich hoffe es komm noch mehr so gute FF'S von euch in den NGE bereich
(auch wenn die für mein geschmack nen bissel kurz war ^^)

mfg
Garf
Von:  hengst
2005-01-27T16:00:35+00:00 27.01.2005 17:00
Tach,
ich fand eure geschichte super. sie war so gut das ich sie mir mit einmal durchlesen musste


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