Gackt ging schon eine ganze Weile in seinem Haus unruhig auf und ab. Zu viele Dinge waren da, die ihn beschäftigten. Dinge, mit denen er sich schon seit Wochen ungewollt rumplagen muss. Dinge, die ihn von innen aufzufressen drohen.
Er geht zum Fenster und schaut raus. Es regnet. Wie hasste er doch den Regen seit jenem Tag. Nein, so wäre es vielleicht falsch ausgedrückt. Er hasste den Regen, weil er ihn immer an jenem Tag zurückdenken ließ. Einen Tag, den Gackt, wenn er könnte nur zu gerne wegstreichen würde. Dabei fing alles so schön an...
Kennen gelernt hatten sie sich auf einem Benefiz-Konzert. Seine Ausstrahlung war so unglaublich, das es Gackt auf der Stelle umgehauen hat. Trotz seiner geringen Größe umgab ihn etwas, was man nicht in Worte fassen konnte. Zumindest konnte er es nicht. Vielleicht war es Schicksal, das sich ausgerechnet diese beiden Menschen begegnen sollten, oder einfach nur Glück.
Noch am selben Abend gingen sie gemeinsam etwas trinken und es schien, als würden sie sich schon seit Jahren kennen, so vertraut waren die beiden miteinander. Gackt konnte sich noch genau an das unschuldige Lächeln erinnern, mit dem ihn der Frontmann von L'Arc en Ciel anschaute.
Freundschaft, so sagt man ist ein schwer definierbares Wort. Auch Gackt machte sich häufig darüber Gedanken. Er kannte Hyde jetzt schon seit gut 2 Jahren und oft kam es vor, das er ihm seine Gedanken diesbezüglich mitteilte. Einmal fragte er ihn, wo denn die Grenze zwischen Freundschaft und Liebe sei. Fragend schaut Hyde ihn an und sagte, dass es keine Grenze gäbe. Freundschaft sei auch eine besondere Art von Liebe. Seines Erachtens nach sogar die Größte die es gibt. Nickend stimmte Gackt ihm zu. Er liebte es, wenn der andere seine Gedanken in schöne Worte fasste. Aber damit war ihm leider immer noch nicht geholfen, denn seit geraumer Zeit schienen seine ihm einen Streich zu spielen. Er wusste nicht, was er von seiner Beziehung zu Hyde halten solle. Er mochte ihn, sehr sogar. Sie konnte über alles lachen und beide verband noch zusätzlich diese Liebe zur Musik. Häufig schon hatten sie Ideen über ein gemeinsames Projekt, welcher aber wegen akuten Zeitmangels noch nicht verwirklich werden konnte. Aber irgendwann, da waren sich beide einig, würden sie gemeinsam auf der Bühne stehen.
Doch dann kam dieser besagte Tag. Gackt erinnerte sich noch genau daran, als wäre es erst gestern passiert. Er hatte sich mit Hyde zum Billard spielen verabredet. Es war ein sehr schöner Abend, bis zu jenem Augenblick...
" Ich habe mich verlobt". Ganz beiläufig sagte Hyde diese Worte, als wären die von keiner großen Bedeutung. Gackt brachte nur noch ein "wie schön" hervor. Zu mehr war er nicht in der Lage. Hyde hatte sich verlobt. Wieso? Fragen über Fragen schossen ihm durch den Kopf. Er hatte das Gefühl als müsse er ersticken. Entschuldigend erhob er sich von seinem Platz und meinte, er bräuchte dringend frische Luft. Er lief eine ganze Zeit lang draußen im strömenden Regen umher, als er merkte, das Hyde ihm gefolgt war. Langsam drehte er sich um und schaute in das Gesicht des anderen. Schweigend standen sie sich eine ganze Weile gegenüber. "Wieso?" hauchte Gackt leise, als hätte er seine Stimme nicht mehr unter Kontrolle. Betreten senkte Hyde seinen Kopf und meinte, das es ihm leid täte, dass er ihn noch nicht früher darüber informiert hatte, aber er hatte einfach Angst gehabt. Als er seinen Kopf wieder hob erschrak er. Gackt weinte. Seine Tränen vermischten sich mit dem Regen, aber es war eindeutig zu erkennen. Hyde musste schwer schlucken. Genau so was hatte er befürchtet, dabei wollte er doch alles andere, als seinen besten Freund weinen zu sehen. Sein Herz schmerzte, als dieser sich einfach umdrehte und wegging. Ein letzter Blick über die Schultern mit den Worten "Weißt du, ich habe dich geliebt" und Hyde stand allein im Regen.
Plötzlich klingelte das Telefon, Gackt schreckte hoch, wischte sich schnell die Tränen aus seinen Augen und nahm den Hörer in die Hand. Am andere Ende der Leitung war sein Manager, der ihn über die letztes Details des morgigen Konzertes informierte.
Gackt hätte es fast vergessen. Morgen stand sein letztes Konzert auf dem Plan, danach würde er endlich Urlaub haben. Den hatte er auch dringend nötig. Sein Kopf war leer. Er ging vielmehr nur noch wie eine Marionette seinen Verpflichtungen nach. Es hatte den Anschein, als habe er sämtliches Interesse an seiner Arbeit verloren. Das seine Trennung von Hyde auch was Positives hatte, zeigt das seine Single, die er direkt nach jenem Tag verfasst hatte seit Wochen in allen Radiosendern auf- und abgespielt wird. Dieses Lied spiegelt seine Gefühle wieder. "Orenji no Taiyou" ...schon wieder läuft es im Radio. Und wieder treten ihm Tränen in die Augen. Nie hätte Gackt gedacht, dass eine Freundschaft oder Liebe ihn mal derartig in ein tiefes Loch stürzen könnte. Es gab Menschen, die hatte er geliebt, doch diese Liebe ist immer wieder verloren gegangen. Und er hatte viele Freunde, doch den meisten würde er nicht mal hinterher weinen. Wieso war es also in diesem Fall mit Hyde so verdammt schwer darüber hinwegzukommen. Er liebt Hyde, soviel steht für ihn fest, aber nicht etwa auf eine Art, wie er Frauen liebt. Mittlerweile ist es ihm auch Bewusst geworden, dass er damals über reagiert hatte, weil er es einfach nicht erkannt hatte...die Tragweite seiner Liebe. Er fühlte sich in jenem Moment so, als würde man ihm etwas sehr wertvolles wegnehmen. Im Grunde jedoch wollte er, dass es Hyde immer gut geht, er wollte ihn beschützen, wo er nur konnte. Doch nun geht das nicht mehr. Es war zum verrückt werden. Gackt konnte nur hoffen, dass seine Botschaft in seinem Lied bei Hyde ankam.
Er legte sich auf das Sofa und schlief kurze Zeit später ein. Zu erschöpft war er von dem vielen weinen und nachdenken.
Der nächste Tag verlief für ihn gewohnt hektisch, wie es immer der Fall ist, wenn ein Konzert ansteht. Morgens erschien er in gewohnter Manier beim Sound Check, nach dem Mittag gab es dann noch eine kurze Besprechung und danach ging es ab in die Maske.
Fragend schaut ihn die Visagistin an und deutete auf seine geschwollenen Augen. Gackt winkte ab und meinte das käme von schlaflosen Nächten. Mit gerunzelter Stirn begann sie schließlich mit dem schminken.
Für Gackt war ihre Reaktion nur ein weiterer Beweis dafür, das er dringend Urlaub braucht. Mittlerweile kann man ihm den Stress der letzten Wochen deutlich ansehen.
Das Konzert war mal wieder ausverkauft. Wie jedes, das er in den letzten Monaten gegeben hatte. Lauter kreischende Fans, die am Rande der Ohnmacht stehen, wenn er die Bühne betritt. Früher war es Musik in seinen Ohren, heute überhört er es. Er möchte das Konzert so schnell wie möglich hinter sich bringen. Beim letzten Lied angekommen, schließt er die Augen. Die Zeit für den endgültigen Abschied ist gekommen. Nie wieder würde er dieses Lied singen. Die Melodie erklingt und ganz sacht bewegt er sich im Rhythmus der Klänge. Die Augen immer noch fest verschlossen stimmt er die erste Strophe an. Tränen laufen ihm übers Gesicht. Sein Herz schmerzt. Hatte er sich noch bei den letzten Konzerten zusammen gerissen, so lässt er hier seinen Gefühlen freien Lauf. Seine Fans würden nichts davon mitbekommen, dazu ist der Abstand zwischen ihnen zu groß. Und eine Live Übertragung war es ebenfalls nicht.
Ein plötzlich auftretendes Murmeln unter den Fans, als Gackt die vorletzte Strophe anstimmen möchte, dann eine vertraute Stimme, die ihm zuvor kommt...
"Akieru hodo kimi o omou yo
sore dake de boku wa mitsareru
nakanai de itsudatte aeru yo
hitomi wo tojireba..."
Gackt wagte es nicht sich umzudrehen. Zu stark strömen die Gefühle auf ihn ein. Dennoch stimmte er mit ein, als gehörte all dies zum Programm für das Konzert. Die Fans kreischten, schließlich bekam man nicht alle Tage zwei Superstars zum Preis von einem.
Die letzte Strophe verklang..
Ein Blick über die Schultern...
Ein Lächeln ....
Das Licht geht aus.
