'Is there really only blood?'
Titel: 'Is there really only blood?'
Disclaimer: Das Lied "Behind Blue Eyes" is ausgeliehen, von Limp Bizkit, ich weiß er hats nachgesungen, aber ich bevorzuge seine Version ;)
Pairing: Taito / Takari
Warning: Shounen-Ai, Darkfic, OOC
Widmung: Die Widmung geht an Tam-Tam und alle die gerne den Film Gothika mögen ;)
Kommentar: Nun, auf die Idee für die FF kam ich, nachdem ich das zweite Mal "Gothika" sah... und dann noch das Video ,Behind Blue Eyes' von Limp B. Beides zu empfehlen sag ich mal ganz frech! ;)
Es gibt ein paar unlogische Aspekte [entweder aus mangelnder Information heraus oder einfach weil es so einfacher ist die Storyline zu verfolgen] - ich bitte darüber hinwegzusehen :)
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~*Behind Blue Eyes*~
„Ich komm einfach nicht weiter!“, schnaubte Dr. Yakabi Tarena. „Es ist zum Haare ausreißen!!! Yamato reagiert einfach nicht... überhaupt nicht. Auf nichts!“
Nachdenklich schaute ihr Chef, Dr. Otaki Kaibe sie an.
„Nun...“, begann er langsam, wendete und drehte unaufhöhrlich seine Teetasse vor ihm und seufzte. „Ich denke, es ist das Beste, wenn wir einen neuen Psychologen auf Yamato Ishida ansetzen.“ Dankbar starrte die 37-Jährige Japanerin ihren Boss an.
„Ist das Ihr Ernst?“, fragte sie erwartungsvoll.
„Ja.“, antwortete Kaibe. „Sie behandeln den Jungen nun seit 7 Jahren, seit er Zwölf Jahre alt ist. Und es scheint mir nicht, als würden Sie Fortschritte machen. Er ist, laut den Akten, Berichten und meinen gelegentlichen Beobachtungen, genauso stumm und introvertiert wie damals bei seiner Einlieferung. Er befindet sich nun seit Sieben gottverdammten Jahren in dieser Anstalt und ist immer noch in diesem traumatischen Zustand. Entweder Yagami schafft es oder der Junge ist verloren.“
„Yagami?“, verwirrt sah Tarena auf. „Dr. Taichi Yagami?“
„Genau der.“
„Ich dachte er wohnt und behandelt nur in Tokyo.“, meinte die Psychologin.
„Ja, das stimmt auch. Aber er wollte ein wenig Abwechslung, so sagte er es mir. Seit ca. 2 Monaten ist er hier in Osaka.“
„Ich habe viel Gutes von ihm gehört. Dafür das er erst 24 Jahre ist, soll er Leistungen vollbringen, wie weitaus erfahrenere Ärzte und Psychologen es nicht schaffen.“, erklärte Tarena, ein wenig Begeisterung schwang mit. Ihr Chef nickte.
„Nun...“, er stand auf und ging eine Runde durch sein Büro, blieb von dem Spiegel stehen. „... ich glaube, nein, ich bin mir sicher, er wird es schaffen, Yamato aus seiner surrealen Welt zu bringen. Wenn einer, dann er.“
„Klingt, als kennen Sie ihn persöhnlich.“, lächelte Dr. Yakabi Tarena.
„Das nicht.“
„Warum sind Sie sich dann so sicher, Dr. Kaibe?“
„Meine Nichte... hatte nach einem Unfall eine Art Trauma. Keiner wusste mit ihr umzugehen. Sie steckte 2 Jahre in einer Anstalt in Tokyo fest. Seit wenigen Monaten ist sie wieder bei relativ klarem Verstand.“, erzählte Dr. Otaki Kaibe.
„Yagami?“
„Ja. Er hat sie in wenigen Wochen zum Reden gebracht.“, ein Seufzen verließ den Mund des Japaners. Yagami hatte ihm damals Hoffnung gegeben und seine geliebte Nichte Orube ‚geheilt‘. Nun, glaubte er daran, das Dr. Taichi Yagami es schaffen würde, Yamato aus diesem traumatischen Zustand zu befreien.
Es war doch wirklich eine Qual. Der blonde Junge saß hier seit Jahren gefangen und sein Verstand verkümmerte, er vegetierte vor sich hin, mit jeder schmerzlichen Sekunde mehr. Dr. Otaki Kaibe lag wirklich viel daran, dass Yamato gesund wurde. Er konnte die blauen, großen, traurigen Augen nicht vergessen, die dessen kleiner Bruder gehabt hatte, als Ishida eingeliefert worden war.
„Hat er ...?“
„Sein Büro ist am Ende des Ganges, Nr. 27.“, lächelte Kaibe die Frau an. „Er hat vor wenigen Stunden begonnen, sich hier einzurichten.“
Mit einem dankbaren Nicken verabschiedete sich Dr. Yakabi Tarena, verließ das Büro ihres Bosses und machte sich mit einem glücklichen Seufzer und Ishidas Akte unter'm Arm, auf den Weg Yagami einen Besuch abzustatten.
„Äh ja?“, Taichi wirbelte herum, als er das Klopfen an seiner neuen Bürotür hörte. Beinahe flutschte ihm dabei ein Karton voller Mappen und Akten aus der Hand und nur mit Mühe und Not, konnte er ihn halten.
Die Metalltür mit dem kleinen Glasfenster und einer Jalousie davor, öffnete sich langsam und der schwarzhaarige Kopf einer Frau lugte herein. Taichi lächelte freundlich.
„Oh, hallo. Ich hoffe, ich störe Sie nicht allzu sehr.“, sagte sie entschuldigend. Taichi schüttelte den Kopf.
„Ach was. Ich schaffe das heute sowieso nicht mehr alles. Ähm, achja...“, er stolperte auf seinen Besuch zu und hielt ihr die Hand hin. „Mein Name ist Taichi Yagami. Ich bin der neue behandelnde Psychologe hier.“
„Yakabi Tarena, freut mich sie kennen zu lernen.“, lächelte nun auch sie und schüttelte dem Braunhaarigen die ausgestreckte Hand.
„Die Freude ist ganz meinerseits!“, kam es höflich zurück.
„Nun, ich bin hier um Ihnen die Akte von Yamato Ishida zu übergeben.“, erklärte die Frau kurz und bündig und sogleich wurde sie dem jungen Mann unter die Nase gehalten.
„Ach... dann sind Sie sicher, seine bisherige Psychologin.“, stellte man fest.
„Genau.“
„Danke Ihnen. Ich werde mir die Akte sobald wie möglich ansehen und wenn ich es schaffe, statte ich ihm auch heute noch einen Besuch ab.“, meinte Taichi.
„Ich will Ihnen ja nicht gleich alles vermiesen, aber Yamato ist ein wirklich sehr schwieriger Fall.“, erklärte Yakabi schief lächelnd.
„So? Ich liebe Herausforderungen.“, grinste man ihr entgegen.
„Das glaube ich Ihnen. Mein Vorgesetzter, Dr. Otaki Kaibe scheint sehr überzeugt von ihnen. Ich hingegen kenne ihre Arbeit nicht, ich weiß nur, dass ich Yamato seit Sieben Jahren ‚kenne‘ und nicht mehr über ihn weiß, als in der Akte an Fakten steht.“
„Sieben Jahre?“, fragte Taichi ungläubig. „Solange ist er hier schon?“
„Ja.“
„Ich dachte er ist Neunzehn Jahre alt.“
„Ist er auch.“, versicherte Yakabi ihm. „Er wurde mit Zwölf Jahren eingeliefert.“
„Oh.“, war Taichis einziges Kommentar. Er schien erstaunt.
„....Da wäre noch etwas.“
„Ich höre?“ Taichi setzte sich auf seinen Stuhl und lehnte sich zurück.
„In der Akte ist ein genauer Bericht über Yamatos Einlieferung. Wie es ihm psychisch, als auch physisch ging. Was ihm für Medikamente verabreicht wurden und so weiter. Ich... Ich selbst habe meinen eigenen Bericht hinzugefügt. Ich bitte Sie, das für sich zu behalten.“
„Natürlich. Aber warum?“, wollte der Braunhaarige wissen.
„Es ist eigentlich nicht erlaubt, so etwas zu schreiben. Der Bericht scheint eher wie ein Tagebucheintrag. Ich hoffte jahrelang, so etwas wie einen Anhaltspunkt zu finden. Etwas, was ich übersehen hatte... wissen Sie, als ich diesen Jungen das erste Mal sah... er schlug um sich und schrie wie am Spieß. Wie ein verängstigtes, kleines Kind, welches er zweifellos auch war.“, Yakabi unterbrach sich kurz.
„...und?“
„Nun... das war das letzte Mal, dass er Reaktion auf etwas gezeigt hat. Sie werden es selbst sehen... vielleicht können Sie, Yagami, ja etwas mit meinem Bericht anfangen. Ich konnte es nicht. Yamato ist mir fremd.“, sagte die Frau und schluckte.
Sie legte die Akte auf den Schreibtisch Taichis, nickte ihm zu und öffnete die Tür. Bevor sie diese schloss, warf sie einen kurzen Blick zurück zu dem jungen Mann. Sie war nach Sieben Jahren nicht weit gekommen. Sie hatte nichts geschafft. Trotzdem war es dem blonden Junge gelungen, sich in ihr Herz zu schleichen und er erhielt ihr Mitleid. Pure Verzweiflung und Angst vor der Wahrheit hatten von Yakabi schon längst Besitz ergriffen. Andere Patienten redeten mit ihr.
Schauten sie böse an oder lachten nur. Sie lebten.
Sie versuchte ihnen zu helfen, ließ sich aber weder beeinflußen noch jemanden an sich ran. Aber Ishida...
Er war wie eine Leiche. Ein toter Engel. Manchmal hatte sie stundenlang vor seiner Zelle gesessen und ihn fasziniert wie entsetzt beobachtet. Doch es war nichts Ungewöhnliches, wenn der Blonde den ganzen Tag an derselben Stelle saß, sich nicht rührte.
Sich nicht kratzte, nicht bewegte, nichts...
Er saß nur da wie eine Statue und atmete. Sonst machte er nichts. Gar nichts.
Unschlüssig starrte der Braunhaarige auf die gelbe Mappe vor ihm. Eine ziemlich dünne Akte, dafür dass der Patient schon seit Sieben Jahren behandelt worden war.
Aber nach den Erzählungen von Yakabi Tarena, konnte außer Adresse, Schule, Verwandte und anderen unwichtigen Fakten nichts drin stehen.
Taichi überflog all das. Unwichtig.
Schließlich ließ er auch den Bericht über die Einlieferung Ishidas links liegen und fischte aus einer Folie Yakabis. Dieser erschien ihm wichtiger. Bedeutend.
Und er begann zu lesen:
„Was für ein furchtbarer Tag! Draußen wütet ein fürchterliches Gewitter, es donnert und blitzt ohne Ende. Ich war so froh endlich ein paar Tage frei zu haben und dann hörte ich draußen die Sirene. Meine Tasche war gepackt und ich war Geh-Bereit, da platzte Kaibe herein und meinte, ich würde gebraucht.
Mit ihm zusammen stürmte ich zum Eingang. Aus einem Krankenwagen ertönte Geschrei. Ein kleiner, blonder Junge, höchstens Neun oder Zehn Jahre wurde von einer Frau an der Hand gehalten und ein Stück weggezogen. Allein der Anblick des Kindes machte mich traurig. Er wirkte so hilflos und verwirrt. Ängstlich.
Dann kam der eigentliche Grund, weshalb ich zum Bleiben verdammt war. Zwei Männer versuchten mit Mühe und Not einen etwas älteren Jungen festzuhalten. Sie umklammerten ihn an den Armen und Händen. Er hatte blonde, nasse und total zerwuschelte Haare, sein ganzes Gesicht war rot angelaufen, so wirkte er jünger als er war. Nämlich Zwölf. Er schrie wie am Spieß und unzählige Tränen rannen ihm über die Wangen. Da er dabei wie ein Irrer mit den Armen herumfuchtelte und versuchte nach den Männern zu treten, war es sicher kein Leichtes ihn fest zu halten. Dabei schrie er immer wieder: „Fasst mich nicht an! Fasst mich nicht an! Geht weg! Lasst mich! FASST MICH NICHT AN!!! ER IST TOT! ER IST TOT! FASST MICH NICHT AN!!!“
Das wiederholte er immer und immer wieder. Seine Augen waren zugekniffen, als er an mir und Kaibe vorbeigeschliffen wurde, nur kurz sah ich das Blau. Sein blasses, vom Weinen und Schreien errötetes Gesicht war schmerzverzerrt. Er hatte blutige Schrammen überall, seine Kleidung hatte Risse und im Sirenenlicht erkannte man das wenige Blut im Haar. Ekel, Hass, Wut, Angst... all das schrie er aus sich heraus und schlug um sich. Solange bis man ihn in eine Zelle brachte und er durch eine Beruhigungsspritze einschlief. Da ich zu der Zeit keinen zugeteilten Patienten mehr hatte, überließ man Yamato Ishida mir.
Ich saß also die ganze Nacht bei ihm in der Zelle, zusammen mit einer Ärztin, um ihn zu überwachen. So etwas hab ich noch nie gesehen... Stundenlang zuckte der Junge nur. Er weinte im Schlaf, er zitterte und flüsterte immer wieder dieselben Worte: „Er ist tot... er ist tot... fasst mich nicht an.. Fass mich nicht an! Er ist tot... Fass ihn nicht an..“
Das ‚ihn‘ führte ich auf seinen kleinen Bruder Takeru zurück. Ansonsten wüsste ich nicht, wen er damit gemeint haben könnte. Aber das war alles.
Als er am Morgen erwachte waren die Tränen verschwunden. Sein Gesicht war totenblass. Seine Hände kalt.
Er nahm freiwillig seine Medikamente, ass und trank. Er sprach nicht, reagierte sonst auf nichts. Nur wenn ihn jemand anfasste, schrie er und
schlug oder rannte weg. Weit weg.
Das ist jetzt Vier Tage her. Yamato hat mit niemandem gesprochen, auch nicht mehr im Schlaf. Wir haben ihn am dritten Tag Wasserfarben gegeben und einen Pinsel. Irgendwie hatte keiner Angst er würde sich verletzen. Es schien, als würde er nicht bemerken das jemand kam und ging, mit ihm redete und ihm diese Sachen brachten.
Fünf Stunden zeigte er keine Reaktion.
Wir gingen kurz. Ich und Kaibe und die Schwestern. Als wir zurück kamen, war die ganze rote Farbe aufgebraucht. Doch keines der Blätter war benutzt. Es stand an den Wänden und lief und tropfte herunter. Blutrot. Stand in großen Buchstaben:
‚Seye eulb dniheb doolb ylno‘
Natürlich wurde sofort nachgeprüft was das heißen konnte. Es war nicht schwer zu lesen. Rückwärts hieß es schlicht und einfach ‚Only blood behind blue eyes‘...
Nur Blut hinter den blauen Augen.
Ich ging zu Yamato und schaute ihm tief in die Augen. Die blauen Opale waren auf mich gerichtet, aber sie sahen durch mich hindurch. Und es kam mir vor, als würde er sagen ‚Das war nicht ich‘ und ich glaubte es ihm. Das wiederum brachte mich darauf, mich über Shizophrenie genauestens zu informieren. Aber ich erhielt kein Resultat darauß. Ich bin genauso unwissend und ideenlos wie vorher.“
Taichi staunte.
Das Ganze warf einige interessante Fragen auf. Er würde es später untersuchen und nach Anhaltspunkten schauen, genauso wie sein Büro einräumen. Das Verlangen stand ihm danach Yamato endlich zu sehen. Schien ja wirklich nach einer Herausforderung.
Zögerlich legte er die Akte zur Seite, erhob sich von seinem Stuhl, richtete kurz seine Krawatte und verließ den Raum.
„Oh, Guten Abend Dr.Yagami.“, begrüßte ihn ein Mann plötzlich von der Seite, als er durch den Flur ging. Taichi suchte nach einem Profil in seinem Gedächtnis.
„Ähh.. Dr.Kaibe?“, wurde vorsichtig gefragt.
„Nein, nicht ganz. Ich bin Dr. Sarto Okuna, ich leite diese Abteilung in der Sie sich momentan befinden.“, erklärte der Mann vor dem Braunhaarigen. „Wir kennen uns nicht persöhnlich, aber ich habe viel von ihnen gehört und gelesen.“
„Ah, ...aha.“
„Möchten Sie irgendwo hin? Ich kann Ihnen den Weg zeigen.“, bot Okuna freundlich an. „Ja, das wäre sehr nett. Ich wollte zu meinem zukünftigen Patienten. Yamato...“, Taichi kam nicht auf den Nachnamen. Verdammt!
„Yamato Ishida.“, half ihm sein Vorgesetzter auf die Sprünge. Taichi nickte.
„Schläft er schon? Schließlich ist es kurz vor 22:00 Uhr.“,meinte er.
„Nein, nein. Er schläft meistens erst um Mitternacht ein. Wenn dann nicht, wird ihm eine Spritze verabreicht.“, antwortete der ebenfalls Braunhaarige Japaner. Oh.
„Wieso werden den Patienten immer sofort Medikamente verordnet, wenn sie nicht tun, was man will? Kann man das nicht anders regeln?“, wollte der junge Psychologe wissen. „Sie werden bald merken, das es bei Yamato alles etwas anders ist. Aber nun will ich Sie nicht länger aufhalten. Wenn Sie zu ihm wollen, gehen Sie geradeaus, den dritten Gang rechts und dann gleich links. Schwester Aiko wird Sie zu ihm bringen.“, Okuna nickte zur Verabschiedung höflich und schritt dann weiter. Taichi sah ihm kurz nach.
„Ah...ha..“
„Oh, Sie sind Dr.Yagami?“, fragte die aufgeregte Frauenstimme.
„Ja.“
„Natürlich, einen Moment. Ich bringe Sie zu ihm... aber fassen Sie ihn nicht an. Alles andere müssten Sie ja kennen von den Regeln her.“, erklärte Aiko und deutete Taichi an, ihr zu folgen. Dieser nickte zur Bestätigung.
Sie gingen durch einen langen Gang.
Der Boden war grau, die Wände weiß, die Decke auch. In gleichmäßigen Abständen waren Glastüren und Fenster, man erkannte ein Bett im Zimmer und meistens lag darin jemand und schlummerte vor sich hin.
Einige saßen auch auf dem Bett, andere in der Ecke und wimmerten. Taichi kannte das alles ja schon, von der geschlossenen Anstalt in der er vorher war. Daher ließ ihn das kalt. Bis...
„Hier.“, meinte Schwester Aiko und schloss die Glaszelle vor ihnen auf. Der Braunhaarige trat vorsichtig ein. Es war ein interessantes Bild was sich ihm da bot. Ein kleiner, lang gezogener Raum, leer und kalt. Am Ende ein Metallbett an der Wand befestigt, Kissen lag an der Wand, das Bettlaken wie Decke war ordentlich, kaum Falten.
‚Ein psychopathischer Ordnungsfreak.‘, schoss es Taichi durch den Kopf, er wusste es war gemein das nur zu denken, aber es sah ja so aus.
Auf der Matraze saß ein blasser Junge. Blonde, schulterlange Haare, zerzaust und ein wenig spröde, fielen sie an seinem Kopf herab, dennoch wirkten sie schön. Er hockte dort im Schneidersitz, die Hände lagen in seinem Schoß, schlanke Finger hatten sich in die Hose gekrallt.
Der Kopf war leicht gesenkt, es sah fast so aus, als würde Yamato meditieren. Aber das war sicher eines der letzten Dinge die er tat. Die Augenlider waren nach unten gerichtet, Taichi konnte keinen Blick auf die blauen Augen erhaschen.
„So sitzt er seit heute Morgen.“, unterbrach die Schwester seine Gedankengänge. Taichi drehte sich zu ihr und nickte. Sie verstand, schloss die Tür und stellte sich ein wenig abseits um sich mit einer anderen Schwester zu unterhalten. Taichi sah in der Ecke einen Holzhocker stehen, ignorierte ihn aber. Spontan ließ er sich einfach auf dem Boden vor dem Blonden nieder. Dieser hatte bis jetzt noch nicht einmal gezuckt.
„Hi Yamato. Ich bin Taichi.“
Keine Reaktion.
„Ich habe eine kleine Schwester, ihr Name ist Hikari. Sie wurde mit 4 Jahren in eine Anstalt in Tokyo eingeliefert, mit 15 kam sie wieder heraus. Ich habe Psychologie studiert um Menschen wie ihr zu helfen und ich hoffe das kann ich.“
Nicht einmal eine minimale Bewegung.
„Ihr geht es seit zwei Jahren wieder besser. Sie hat seit kurzem einen Freund, sein Name ist Takeru Takaishi.“ Taichi grinste.
Es war nur ganz kurz gewesen und man hätte es beinahe übersehen, aber er hatte es wahrgenommen. Ein kurzes Zucken in den Mundwinkeln. Kurz, fast unsichtbar, aber da.
Das war doch ein guter Einstieg.
Als er vorhin die Akte und Yokohabis Bericht las, fiel ihm ein, das Hikari ihm vor kurzem am Telefon erzählt hatte, so hieße ihr neuer Freund. Beschrieben hatte sie ihn dann auch ausreichend und das kam Taichi ins Gedächtnis, als er von dem kleinen Jungen las, der bei Yamatos Einlieferung dabei gewesen war.
Vermutlich war Takeru sein Bruder und der Nachname anders, weil die Mutter ihren Namen nach dem Tod ihres Mannes zurück verlangt hatte. Das war seine Devise. Also konnte er mit Takerus Erwähnung schon mal ein Mundwinkelzucken herbei rufen.
„Ich bin nicht hergekommen, um dich als Psychopathen zu bezeichnen und meinen dich gesund zu pflegen zu müssen. Ich bin nur hier, um herauszufinden, inzwischen aus eigenem Interesse, ob sich wirklich nur Blut hinter deinen blauen Augen verbirgt.“
Immer noch keine Reaktion.
„Ich weiß nicht, es ist nur ein Gefühl...aber kann es sein, das dir deine Klamotten hier absolut nicht gefallen?“ Schwester Aiko, die das mitgehört hatte, schaute verwirrt in die Zelle. Das war ungewöhnlich, seit wann fragten Psychologen ihre Patienten nach deren Kleidungsgeschmack?
Natürlich bekam Taichi keine Antwort. Kein Zucken und nichts.
„Mhm, dunkles Rot, Grasgrün oder Schwarz müsste dir wirklich gut stehen.“
Auch die andere Schwester starrte Aiko verwirrt an. Was redete Dr. Yagami da???
„Ich hab eine Idee. Nächstes Mal, also morgen, bringe ich dir einen Kleidungskatalog mit. Dann kannst du dir ein paar Sachen aussuchen.“
Taichi grinste.
„Und ich werde dafür sorgen, das du sie auch tragen kannst.“
Eine Weile starrte der Braunhaarige Mann nur auf den blonden Jungen vor sich. Er hatte sich immer noch nicht gerührt. Auch die Augen blieben gesenkt.
„Abendessen!“, trällerte auf einmal eine schrille Frauenstimme und die Zellentür schwang auf, herein tapperte eine Schwester, auf ihrem Namensschild stand ‚Mimi Takikawa‘, mit einem Tablett in den Händen. „Bitteschön, Yamato. Lass es dir schmecken.“
Fröhlich pfeifend ging sie wieder auf die Tür zu.
„Ach...äh.“, stammelte sie und überlegte angestrengt. Taichi lächelte schief.
„Taichi Yagami.“
„Ja, genau, Dr.Yagami.“, seufzte sie erleichtert. „Ich wollte nur sagen, Yamato isst nur wenn er alleine ist. Und das Essen ist wichtig für ihn, denn er ist ohnehin schon so ... schlank. Verstehen Sie?“
„Ja, natürlich. Ich werde aber trotzdem noch eine Weile bleiben.“, erwiderte Taichi.
„Hm, ok. Sie sind für ihn zuständig.“, meinte sie schulterzuckend und verschwand im Flur. Das Tablett hatte sie auf den Boden neben Taichi gestellt. Yamato hatte sich immer noch nicht gerührt.
Wenn er sich den ganzen Tag nicht bewegte, wann und wie ass er dann??
Und wieder vergingen laaange Augenblicke in denen sich die zwei Männer nur gegenüber saßen und keiner was sagte. Yamato sowieso nicht. Taichi ließ den Blick über das Abendessen schweifen.
„Darf ich mir eine Tomate nehmen?“, fragte er vorsichtig. Schon die ganze Zeit knurrte sein Magen auf stumme Weise, dann lief ihm das Wasser im Munde zusammen und er musste einfach fragen, selbst wenn er keine Antwort bekam.
„Äh... ich nehme das jetzt einfach mal als ‚Ja‘, okay?!“, unsicher schaute er den Blonden an, der rührte sich nicht. Also streckte man die Hand nach der roten, saftigen Kugel aus und ... plötzlich befand sich Yamatos Fuss auf Taichis Hand, welcher sie auf den Boden drückte und zwar heftig. Taichi grinste. Reaktion! Innerlich jubelte er.
„Nur eine Tomate. Sonst gibs keinen Katalog!“
Eigentlich wusste der junge Mann, das diese ‚Drohung‘ unnütz war. Yamato interessierte sich sicher einen Dreck für neue Klamotten, auch wenn diese abgenutzten, hellblauen oder grauen Sachen nicht gerade einen hübschen Anschein machten. Es war doch aber einen Versuch wert. Viel Zeit verging.. vielleicht waren es Fünf Minuten, vielleicht auch Zehn oder Zwanzig. Niemand rührte sich oder sagte ein Wort.
Taichis Hand war inzwischen eingeschlafen, als auf einmal der Druck nachließ. Zögerlich, aber immerhin bewegte sich der Fuss von seiner Hand weg und wurde in seine ursprüngliche Position zurück gebracht. Der Braunhaarige staunte über sich selbst. Er griff nach der Tomate und schob sie sich in den Mund. Yamato reagierte nicht.
Tat er es aus Trotz oder wollte er tatsächlich den Katalog haben?
Konnte man sich sogar vorstellen, musste ja ziemlich langweilig sein, den ganzen Tag in einer langweiligen Zelle herumzuhocken, seinen psychischen Problemen nachzuhängen, zu essen und sich dummes Gequatsche von einem wahnsinnigen Psychologen anzuhören. Wow! Echt aufregend...
„Okay... Yamato.“, sagte Taichi schließlich und erhob sich langsam. „Ich muss dann auch mal gehen und du solltest dann wohl essen.“
Erwartungsvoll streckte man dem Blonden die Hand entgegen. Selbstverständlich eine sinnlose Tat, aber Taichi probierte es. Er war verdammt stur und geduldig. Aber das musste er in seinem Job auch sein.
25 Minuten stand der Braunhaarige vor dem Blonden, hielt ihm seine Hand hin und sagte nichts. Da sich aber nicht mal ein Auge hob, um den dummen Psychologen anzusehen, gab Taichi es letztendlich auf.
Er ließ die Hand sinken, machte einen Schritt zurück und lächelte.
„Bis morgen. Schlaf gut!“
Dann verließ er die Zelle, nicht viel später die Anstalt.
//Ich bin nicht hergekommen, um dich als Psychopathen zu bezeichnen und meinen dich gesund zu pflegen zu müssen. Ich bin nun hier, um herauszufinden, inzwischen aus eigenem Interesse, ob sich wirklich nur Blut hinter deinen blauen Augen verbirgt.\\
„Yagami?“
„Hi Hikari. Ich bin’s.“
„Taichi... hi, wie geht’s? Wie war dein erster Tag? Der war doch heute, oder?“
„Ja.. war ganz ok.“
„So? Hast du auch gleich einen neuen Patienten?“
„Hm. Du sag mal, wegen deinem neuen Freund...“
„Ja, Taichi, was ist mit ihm?“
„Wie hieß er noch gleich? War das Takeru Takaishi?“
„Genauso. Stimmt, warum?“
„Weißt du, ob er einen Bruder hat? Einen Älteren.“
„Ähm... ich weiß es nicht sehr genau. Er redet nicht über ihn, nicht gerne.“
„Aber er hat einen?“
„Ja, ich denke.“
„Heißt er Yamato Ishida?“
„Kann sein. Ich kann ihn mal fragen. Warum?“
„Das ist mein neuer Patient. Aber sag das Takeru nicht... du kennst doch noch Hiroshi, aus deiner Anstalt damals, oder?“
„Ja, natürlich.“
„Genau Hikari. Yamato benimmt sich genau wie sie. Und er hat bei Takerus Namen reagiert.“
„Wow. Hiroshi hat NIE auf etwas reagiert. Weißt du was?“
„Nein, was?!“
„Ich komm dich am Wochenende mal besuchen in Osaka, Taichi. Was hältst du davon?“
„Gute Idee. Ich habe dich lange nicht gesehen.“
„Eben. Vielleicht darf ich Yamato ja mal sehen. Nur sehen. Brüder sind sich oft sehr ähnlich, dann kann ich es dir ja sagen. Weil, ob ich mich wirklich traue Takeru darauf anzusprechen...naja.“
„Musst du nicht, Hikari. Wenn er das nicht mag. Ruf mich nochmal an, wegen dem Wochenende, ja? Und grüß Mum und Dad.“
„Mach ich, beides. Pass auf dich auf und arbeite nicht zuviel, ich kenn dich doch, Taichi.“
„Nur für dich...“, lachte er ins Telefon.
„Gut, bis dann.“
„Tschau.“
Tut tut tut tut..................
TBC
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Ducky