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Zerrissene Seele

Eine Gemeinschaftsarbeit von mir und MrsKomet
von

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Hört das Pech nie auf?

Sicht von Liadan

Seitdem Sean gestorben war, hatte sich das gesamte Leben von mir und vor allem von Fainne geändert. Die Semesterferien waren vorbei, meine Freundin hatte das Studium geschmissen und ich besuchte nur noch wenige Lesungen. Wenn ich nach Hause kam, ging ich zuerst zu Fainne, welche sich nicht aus dem Zimmer bewegte. Sie war schrecklich abgemagert, ich Haar verblasst und ihre Haut glich die eines Toten.

Unsere Katzen schienen zu spüren, wie schlimm es um sie stand. Shadow umkreiste schüchtern meine Beine und Starlight tapste einen Meter hinter mir, als ich heute wieder einmal zu Fainne ging. Ich hatte ihr Spahetti mit Hackfleischsoße gemacht, ihr einstiges Lieblingsessen. Doch im Unterbewusstsein wusste ich, dass sie auch heute nichts essen würde.

Ich öffnete die Tür und erstarrte. Der Teller mit den Nudeln fiel zu Boden und zerbrach in tausend Scherben. Die Soße spritze gegen den Wandschrank und unsere Katzen machten sich gierig über das Essen her. Vor mir lag Fainne. Sie rührte sich nicht. Heißes Blut trat aus ihrem Armgelenk. Ich weinte nicht, schrie nicht auf, ich tat einfach gar nichts.

,Liadan, ruf den Notarzt! Vielleicht lebt sie ja noch', verlangte meine innere Stimme von mir. Wie in einem Zeitlupentempo setzte ich einen Schritt hinaus in den Flur. Meine Füße trugen mich schneller, dann rannte ich los.

Dumpf erinnerte ich mich daran, wie später der Notarzt kam und Fainne holte. Weg von mir, ihrem geliebten Katzen und heim. Ich wusste nicht ob sie noch lebte, der Arzt erzählte etwas, aber ich verstand es nicht. Fainne...

Einen Tag später wachte ich auf. Ich lag auf den Sofa im Wohnzimmer, das Kissen unter mir immer noch tränendurchnässt. Hatte ich sie jetzt beide verloren, Fainne und Sean? Er war ein guter Freund gewesen und ich hatte ihn gemocht. Seine Tod bedauerte ich, doch Fainnes... das würde mich schier zur Verzweiflung treiben. Auf einmal fühlte ich mich so, wie es Fainne getan haben musste, kurz vor ihrem...nein, sie war nicht tot. Das konnte einfach nicht sein. Das Telephon klingelte. Einmal, zweimal,... Ich rührte mich nicht. Fünf Minuten später klingelte es wieder. Einmal, zweimal,... Ich hob ab.

"Liadan Steinbrecht", hörte ich mich heiser sagen.

"Guten Tag, Frau Steinbrecht. Ich rufe Sie an wegen Fainne Getrub. Ich bin der Oberarzt der Hoffnungsklinik. Ich wäre sehr erfreut, wenn sie bitte schnellsten herkommen könnten. Nehmen sie sich ein Taxi, Sie werden aus Erfahrung nicht in der Lage sein, Auto zu fahren. Verstanden?"

Ich sagte nichts. Ich konnte einfach nichts sagen. Meine Stimme war wie weggeblasen.

"Frau Steinbrecht?"

Ich legte auf und nahm mir eine Jacke und Handtasche. Alles geschah wie automatisch. Traumatisiert ging ich die Treppe von unserer Wohnung hinunter in den Innenhof und stieg, wider willen des Arztes in mein eigenes Auto ein.

Ich nahm die Autobahn. Das würde am Schnellsten gehen. Ich musste zu Fainne, sofort... Doch plötzlich erschienen schwarze Punkte vor meinen Augen. Ich konzetrierte mich.

,Liadan. Fahr.Du bist gleich in der Klinik. Reiß dich zusammen. Du darfst nicht ohnmächtig werden, Liadan...'

Im letzten Augenblick fuhr ich auf den Parkplatz der Klinik. Ich stieg aus meinem Auto. Die schwarzen Pünktchen gingen langsam wieder zurück. Ich lehnte mich gegen einen Baum und atmete tief durch. Ein- und Ausatmen. Ganz ruhig sein. Dann bewegte ich mich in Richtung Hoffnungsklinik. Was für ein Name das war; Hoffnungsklinik! Hoffnung. Das hatte Fainne nicht mehr gehabt. Und ich durfte sie nicht verlieren, egal was geschah.

In der Eingangshalle kam mir ein Mann in weißen Kitteln entgegen. Er war groß und kräftig. Sein blondes Haar war von einigen grauen Strähnen durchzogen. Seine hellen, grauen Augen glänzten aufmerksam.

"Ich nehme an, Sie sind Frau Steinbrecht?", fragte er knapp.

Ich nickte.

"Ich danke Ihnen, dass sie so schnell kommen konnten. Bitten begleien sie mich in mein Büro."

Schweigend ging ich hinter ihm her. In den Fluren des Krankenhauses roch es nach Tod und Qual, aber auch nach ersehnter Erlösung. ,Hoffnungsklinik' schien mir ein reichlich unpassender Name. Wir kamen in dem Büro an. Es war weiß, wie alles in der Klinik und hatte ein paar moderne, metallene Schränke an den Seiten. In ihnen quollen die Aktenordner nur so über. Der Arzt nahm sich einen solchen Ordner und legte ihn auf den Schreibtisch, welcher perfekt zu den Schränken passte. Er ließ sich in einen schwarzen, gut gepolsterten Lederstuhl fallen und bat mich, mich doch zu setzen. Ich lehnte höflich ab. Die zwei kahlen Stühle vor dem Schreibtisch passten überhaupt nicht zu den restlichen Möbeln und wirkten kahl. Ich stellte mich mitten in den Raum und fragte:

"Also, was ist mit Fainne? Ist sie tot?"

Meine Stimme wirkte eisig und ich hatte dennoch Mühe nicht in Tränen auszubrechen. Warum musste immer alles so kompliziert sein? Der Arzt seufzte.

"Frau Steinbrecht. Setzen Sie sich bitte."

"Warum?"

"Bitte setzen Sie sich bitte."

Wütend starrte ich den Arzt an und hockte mich auf den Stuhl, mit zusammengekniffenen Mund.

"Ihre Freundin..."

Plötzlich fiel mir eine Geschichte ein. Ich hatte schon lange nicht mehr an sie gedacht, wahrscheinlich hatte ich sie schon längst vergessen. Aber jetzt, genau in diesem Augenblick war sie wieder da:

Es war ein wunderschöner Sommermorgen. Fainne und ich haben zusammengespielt und unsere Eltern haben Kaffee getrunken. Wir beide waren ein Herz und eine Seele, was sich unser ganzes Leben lang nicht geändert hat. Fainne war die wildere und wollte unbedingt zum Bach, welcher in der Nähe von unseren Häusern sprudelte. Ich willigte ein und wir zogen los. Unsere Eltern bemerkten nicht, wie wir uns aus dem Garten entfernten und die Straße hinunter gingen. Fainne fand einen langen Stock und suchte in einem Mülleimer nach einem Stück Schnur. Sie fand einer und band es an den Ast. Damals waren wir noch klein, so um die fünf Jahre und wir bestaunten die so entstandene Angel wie ein Wunder. Natürlich wollten wir es sofort ausprobieren und deshalb rannten wir umso schneller zum Bach. Er war abgelegen von der Siedlung. Nicht allzu weit, vielleicht 200 Meter. Fainne und ich waren schon oft dort gewesen und hatten gespielt. Doch immer mit unseren Eltern. Da sie dieses Mal nicht dabei waren, war alles noch viel aufregender. Fainne kam als Erste an. Ich hatte unterwegs von einem Sperrmüll noch einen Eimer geklaut und ihn mitgebracht. Er war alt, verrostet und hatte ein paar Löcher, doch für uns genügte er. Als ich am Bach ankam saß Fainne auf einem langem Ast, welcher über den Bach ragte. Die Angel hatte sie an Land gelassen.

,Komm, Liadan. Gib mir die Angel und komm auf den Baum zu mir. Wir können dann angeln!', rief sie mir zu. Wir wussten, dass es hier keine Fische gab, aber das war uns egal. Ich nahm die Angel. Sie war schwer und da ich kleiner war als meine Freundin hatte ich Mühe sie in die Höhe zu stemmen. Da sie nicht ganz bis zu Fainne reichte, kletterte ich ein kleines Stück weit auf den Ast hinauf und reichte ihr die Angel. Da passierte es: Fainne streckte sich und wollte die Angel holen und rutschte ab ins Wasser. Der Bach war nicht tief, aber dennoch so sehr, dass wir an manchen Stellen nicht mehr stehen konnten. Ich bekam einen riesigen Schrecken. Die Angel war noch in meiner Hand und so konnte ich Fainne aus dem Wasser ziehen, indem ich sie ihr reichte. Aber der Schrecken saß tief. Meine beste Freundin war klitschnaß und zitterte wie ein Erdbeben. Wir rannten nach Hause. Unsere Eltern waren ganz schön wütend als sie Fainne sahen. Sie wurde krank und musste ins Krankenhaus. Ich wusste noch nicht was sie hatte und fuhr ein paar Tage später zu ihr. Der Arzt began seine Rede so ähnlich wie heute:

,Deine Freundin...' Fainne war nach ein paar Tagen wieder ganz die Alte.

Doch heute würde es nicht so sein, oder doch? Vielleicht trug dieses Krankenhaus doch mit recht den Namen ,Hoffnungsklinik.



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