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Antons Reisen

von

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Kapitel 7

Kapitel 7
 

Noch immer ist Anton wie in Trance; sein Blutdurst scheint noch nicht

gestillt, was komisch ist, wenn man bedenkt, wie zurückhaltend der junge

Verstorbene vor dem soeben angerichteten Blutbad war.

"Ich hoffe, du konntest durch dein direktes Handeln deine Hemmungen

gegenüber denen, die du nicht verstehst, wenigstens zu großen Teilen

beseitigen, denn genau das war meine Intention, als ich mir dieses Programm

für dich ausgedacht habe", eröffnet der Mann im Anzug das Gespräch, nachdem

er Anton wieder zurück auf die höhergelegene Wiese gebracht hat.

"Ich glaub's nicht. Das war ganz leicht. So wie Butter aufs Brot

schmieren..."

"Wie Butter...? Sag, mein Freund, wie fühlst du dich?"

"Wie ich mich fühle? Ich habe gerade 100 Menschen getötet. Eigentlich kann

ich so was doch gar nicht. Das passt alles nicht zu mir."

"Gib's zu! Du fühlst dich befreit."

"Kommt darauf an, wie Sie das meinen. 100 Menschen, brutal ermordet..."

"Vergiss die Leichen! Darum geht's doch gar nicht! Das Programm sollte dir

dabei helfen, dein Selbstbewusstsein zu stärken, was ja auch gelungen ist.

Früher hättest du jeglichen Disput, jede Form der Auseinandersetzung mit

deinen Mitmenschen gemieden, wenn du dabei irgendwelche Nachteile für dich

von vornherein gesehen hättest. Aber vorhin warst du befreit von deinen

Ängsten und bist nicht nur auf die verschiedenen Personen zugegangen, du

hast sie sogar auf gemeinste Art zerstückelt. Glaub mir, das ist ein ganz

großer Schritt nach vorn."

"Was? Aber verstehen Sie denn nicht? Für mich ist es immer das schlimmste

aller Verbrechen gewesen, jemanden zu ermorden. Deshalb hab ich's ja auch

nie getan. Das muss am Jenseits liegen, dass ich meine ethischen Grundsätze

auf eine derart absurde Art verraten habe. Ich hab mich hinreißen lassen von

all der Gesetzlosigkeit."

"Das ist nur natürlich. Menschen sind trotz all ihrer Intelligenz, ihrer

hochmodernen Heimkinoanlagen, ihrer Steuererklärungen und ihrer

Kaffeefahrten in die Steyermark immer noch Tiere und Tiere töten aus

Instinkt. Unterdrückt man seinen Instinkt geht man zugrunde. Wie ein Löwe,

der kein Fleisch mehr essen darf."

"Aber kein Löwe beißt 100 andere Löwen tot, nur weil er mal ein Problem mit

ihnen hatte. Ein Löwe nimmt auch keinen Backstein und..."

"Wenn der Löwe wirklich richtige Probleme mit den anderen Löwen hätte und er

von all dem Papierkram, der tagtäglich zu erledigen ist, dem harten

Schulalltag und existenzialistischen Pubertätsproblemen so gestresst wäre,

dass er sich am liebsten mit einer Halbautomatischen auf den höchsten

Kirchturm stellen würde, würde er sicherlich auch andere Löwen tot beißen."

"Was denken Sie denn, wie die Menschen drauf sind? Wir wollen doch keine

anderen Menschen töten. Zumindest wollen das fast alle nicht."

"Aber überleg' doch mal, wie oft du schon mal jemandem dem Tod gewünscht

hast. Im Laufe eines Lebens kommen da bestimmt 100 verschiedene Personen

zusammen und der bloße Gedanke zählt. Deshalb hast du vorhin auch nur die

getötet, die du dir schon einmal tot gewünscht hast. Es war ganz allein

deine Entscheidung, wer dir auf den Straßen begegnen sollte. Und der Streit

an der Ampel war auch unterbewusst von dir so gewollt."

"Was?"

"Jetzt tu nicht so! Du wolltest es doch auch! Du hast dir gedacht, dass man

dir etwas schuldet, weil du ja tot bist. Ich habe deinen ersten Gedanken nur

in die Tat umgesetzt. Du brauchst mir nicht zu danken."

"Das wäre mir nie in den Sinn gekommen."

Anton denkt noch mal zurück an die Zeit, als er im Jenseits ankam. Es

stimmt, er fasste damals wirklich ähnliche Gedanken und als ihn der Mann im

Anzug auf dem Gelände seiner Villa damals fragte, was er nun am liebsten tun

würde, dachte er wirklich daran als Racheengel seinen ehemaligen Widersacher

den Garaus zu machen; auf derbste Art zermalmen wollte er sie sogar. Dann

noch die übernatürlichen Mächte ausnutzen, um Mädchen beim Duschen zu

beobachten... Warum er sich ausgerechnet das mit dem Töten wünschte, weiß er

nicht mehr; das mit dem Spannen kann er jedoch voll nachvollziehen. Über

seinen eigenen Gedanken so schockiert, stellte sich Anton anschließend vor,

dass er zu Lebzeiten für diese Art des Mordes wahrscheinlich in den tiefsten

und dunkelsten Kerker geworfen worden wäre, bevor man ihn auf eine

mindestens genauso grausame Weise hingerichtet hätte, wie er es getan hätte.

Das Seltsame ist, dass alles so eingetroffen ist, wie er es sich vorstellte.

Nur die Reihenfolge stimmte nicht. Erst der Gefängnisaufenthalt mit

anschließendem Prozess und dann erst das Massaker. Komisch.

Fehlt nur noch die Hinrichtung, würde Anton fast denken, wenn er nicht genau

wüsste, dass der adrette Mann ihm gegenüber scheinbar all seine Gedanken

gegen ihn zu verwenden vermag. Das Dumme ist nur, dass der bloße Gedanke

daran, einen derartigen Gedanken zu fassen, schon der eigentliche Gedanke

ist, was den Anzugträger wiederum zum Schmunzeln anregt. Er weiß es!

"Bestehst du etwa auf deine eigene Hinrichtung, mein Freund?"

"Nein! Bitte! Ich musste nur fast daran denken! Nehmen Sie bitte nicht alles

so ernst, was ich denke!", stottert der erschreckte Anton aufgeregt

zusammen.

"Keine Angst! Dazu hätte ich sowieso keine gute Gelegenheit mehr. Ich habe

beschlossen, mich wieder von dir zu verabschieden."

"Wird das wieder weh tun?"

"In gewisser Weise schon. Ich habe beschlossen dich wieder zurück in die

irdische Welt zu schicken."



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2004-07-11T14:24:02+00:00 11.07.2004 16:24
Zitat "Das Dumme ist nur, dass der bloße Gedanke daran einen derartigen Gedanken zu fassen, schon der eigentliche Gedanke ist, was den wiederum Verwalter zum Schmunzeln anregt." ohh... ^^ das ist guuuuut..., das ist fast schon zuviel des guten... genialst...
und das paradoxe ist das ich auch schon mal gedacht hab einen gedanken zu denken den ich nicht denken wollte, ihn dann aber doch gedacht hab, da ich ja nur daran dachte sowas mal denken zu können... hä? blickt das noch einer ???
egal... ich find deine geschichte toll


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